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Band 112

Rideryon-Zyklus

Quo Vadis, Quarterium?

Das neue Reich der Menschheit steht am Wendepunkt

Jens Hirseland

Cover

Prolog: Dämonen

Der Bogen wurde schwer.

Der Körper gehorchte dem Willen des Mannes nicht mehr.

Er empfand Schwäche, Müdigkeit, und sackte in sich zusammen. Seine Arme und Beine fühlten sich an wie Gummi. Mit aller Kraft versuchte er, dagegen anzukämpfen, doch sein Herz raste vor Aufregung, denn er hatte die Macht über den eigenen Körper verloren, dem Mittelpunkt seiner Existenz!

Mit letzter Kraft bewegte er den Kopf in die Richtung seines Peinigers, welcher mit höhnischem Grinsen auf sein Opfer niederblickte.

Als bloßer Beobachter sah er mit an, wie sein Feind floh. Das gesamte quarteriale Pack verließ WANDERER und rettete die eigene Haut. Und er lag da wie in Trance, spürte, dass das Ende gekommen war. Sein Freund beugte sich über ihn und versuchte, ihn zu beruhigen. Er wusste, dass es vergeblich war.

Er versuchte mit aller Kraft, den Oberkörper aufrecht zu halten, und ließ sich auf den kalten Steinboden nieder. Das quarteriale Raumschiff verschwand zwischen den Wolken.

Sein langes Leben lief wie ein Film vor seinem geistigen Auge ab. Die Burg Crater erschien in ihrer vollen Pracht. Sie war das Wahrzeichen seiner Heimat gewesen. Stolz und mächtig wurde sie seit Generationen von seiner Familie regiert. Nun erschien ihm sein Vater Feymoaur. Vaters strenges Gesicht war dennoch mit Güte und Weisheit gezeichnet.

Beareema! Seine Frau schwebte wie ein Geist durch die Luft. Ihr dunkelbraunes langes Haar wehte wundervoll im Wind. Es erinnerte ihn an duftendes Holz.

Sein Großvater Sandal erschien. Er war immer sein Vorbild gewesen. Kamen sie, um ihn zu rufen? Sollte er in die Große Halle derer von Crater aufgenommen werden, um fortan im Himmelreich mit ihnen zu residieren? Er fühlte sich so unendlich schwach.

Beareema öffnete die Arme und lächelte milde. Er verspürte den Drang, zu ihr zu eilen, sie in seine Arme zu schließen, doch er konnte nicht! Seine Beine gaben ihm keinen Halt. Immer wieder versuchte er aufzustehen und immer wieder fiel er hin.

Dann verdüsterte sich das Bild. Hinter Beareema tauchten die Dämonen der Vergangenheit auf, kleine Kobolde, kaum größer als ein Meter fünfzig und von purpurner Farbe. Ihre steinernen Gesichter grinsten bösartig. Er versuchte mit aller Kraft, zu Beareema, seinem Vater und zum Großvater zu kommen, doch er konnte sich nicht bewegen.

Untätig musste er zusehen: Die Purpurnen stürzten sich auf sie und schlachteten sie ab. Nein! Er musste ihnen doch helfen! Das durfte nicht geschehen! Nicht schon wieder!

Er schrie und wimmerte, doch niemand half ihm. Die anderen mussten doch sehen, was dort geschah! Die Purpurnen tanzten grotesk zuckend um die Leichen seiner Familie. Über ihnen erschien das Gesicht eines anderen Wesens, seines Peinigers! Der, der ihm das angetan hatte.

Leticron!

Sandal Tolk asan Feymoaur sac Sandal-Crater war geschlagen! Wieder hatte er seiner Familie nicht helfen können. Er war gebrochen, ein Mann ohne Würde und ohne Zukunft!

Leticron hatte ihm das angetan. Er hatte einen Krüppel aus ihm gemacht. Hätte er noch Kraft gehabt, hätte er Leticron Rache geschworen, doch offenbar ging hier alles zu Ende.

Sandal Tolk fürchtete den Tod nicht. Er hatte mehr Angst vor dem, was nun kam. Ein Leben als kraftloser Krüppel. Ein unwürdiges Dasein, abhängig von der Güte anderer, nicht mehr fähig, sein Schicksal selbst zu bestimmen. Hasserfüllt starrte er in die Fratze des Pariczaners.

Er hatte ihm alles genommen! Sein Feind hatte zuletzt gesiegt.

1. Der Weg des Kriegers

Mimas

»Hören Sie mich, Tolk?«

Ein Krüppel! Mehr war er nicht! Tolk öffnete widerwillig die Augen. Zu seiner Rechten starrten ihn die roten Augen eines silbernen Medoroboters an. Links stand ein Ara mit faltigem Gesicht.

Das waren offenbar seine Pfleger. Er war verwirrt. Was war geschehen? Offenbar hatten sie den Angriff auf WANDERER überstanden. Was war aus Joak geworden? Wo war Perry Rhodan?

»Hören Sie mich, Tolk?«, wiederholte der Ara seine Frage.

Sandal versuchte, seine Arme und Beine zu bewegen, doch es war, als wären sie nicht mehr da. Nur ein taubes Gefühl erinnerte ihn an das, was er als selbstverständlich erachtet hatte. Nie wieder gehen, nie wieder etwas anfassen und nie wieder kämpfen können. Er war nutzlos geworden, völlig bedeutungslos.

Es war wie in einem jener Alpträume, in dem man sich nicht bewegen konnte. Nur gab es hier kein Erwachen.

Sein neues Leben würde er in diesem Bett verbringen. Die Medoroboter würden ihn füttern. Vielleicht würde man ihm auch künstliche Gelenke implantieren. Dann würde er einen kleinen Job ausüben können, funktionieren wie jene Maschine, der er dann glich.

Sandal hatte sich niemals Gedanken über solch ein Schicksal gemacht. Wenn er Verletzungen hatte, konnte er immer wieder geflickt werden. Doch nun? Er wollte nicht so weiterleben. Eher würde er sterben! Doch wie? Er war handlungsunfähig.

»Sie befinden sich in der Kuntami-Klinik auf Mimas. Ihr Bewegungsapparat wurde durch Metagruppierung schwer beschädigt.«

Mimas? Er war also im Solsystem. Ein Funken der Hoffnung stieg in ihm auf und erlosch. Und wenn schon! Es war sowieso alles egal.

Oder vielleicht nicht? Bestand noch Hoffnung?

»Es wird eine Weile dauern, wir müssen neues Knochenmark generieren, aber wir kriegen Sie wieder hin«, sagte der Arzt freundlich.

Tolk schloss die Augen und schlief ein. Eine schier endlose Odyssee hatte begonnen.

*

Das Gefühl, behindert zu sein, das ihn nun begleitete, war etwas völlig Neues für ihn. Er war auf andere angewiesen, beherrschte seinen Körper nicht und musste selbst für die selbstverständlichsten menschlichen Dinge fremde Hilfe in Anspruch nehmen.

Ein schier endlos dauernder Alptraum. Woche um Woche musste er gefüttert werden. Seine einzigen Beschäftigungen waren Trivid und Schlafen. Er war ein Mann der Tat gewesen und nun eine kaputte Hülle, eine träge Masse ohne Sinn.

Ein neues, längst vergessenes Gefühl kam in Sandal Tolk auf: Einsamkeit. Erst jetzt merkte er, wie schmerzlich der Verlust seiner Frau, Familie und Freunde für ihn war. Er war allein. Fremde Galaktiker und Medoroboter kümmerten sich um ihn. Er war ein Patient für sie, sonst nichts.

Sie informierten ihn über die Ereignisse in der Lokalen Gruppe. Offenbar drangen immer mehr quarteriale Raumschiffe durch das Sternenportal ein und sammelten sich. Perry Rhodan hatte die höchste Alarmstufe gegeben. Sandals Freund Joak Cascal hatte das Kommando über die 777. Raumeingreifdivision auf der DERINGHOUSE übernommen.

Und er? Seine größte Tat war, seine Ausscheidungen in den Topf zu platzieren, ohne daneben zu machen. Tolk wollte kämpfen, aber er konnte nicht. Er kämpfte mit seinem Körper.

Die Wochen vergingen und das Quarterium griff Andromeda an. Endlich war neues Knochenmark aus dem seinen generiert worden. Die Ärzte implantierten es und festigten die Knochen. Nun musste die Muskulatur neu aufgebaut werden. Das dauerte endlos lange.

Manchmal fragte sich Sandal Tolk, ob es nicht besser war zu sterben. Seine Freunde kämpften in Andromeda um ihr Überleben. Joak Cascal saß inzwischen mit Aurec auf Vircho fest.

Seine Freunde hatten in dieser ausweglosen Lage immerhin einander. Sandal Tolks einziger Freund war der Medoroboter Via-3001. Er fütterte ihn, wusch ihn und half ihm dabei, seine Exkremente loszuwerden. Via-3001 war Sandal Tolks Pfleger und Garant auf Leben. Ohne dieses künstliche Wesen würde er im eigenen Dreck ersticken.

Via-3001 berichtete Sandal über die neuesten Ereignisse in Andromeda. Da lag er nun, einstiger Herr über Exota Alpha und gefürchteter Krieger, in einem kalten, sterilen Krankenzimmer und wartete seit Monaten auf Besserung. Der Aramediziner sagte, sie würden gut voranschreiten, doch Tolk konnte noch immer seine Glieder nicht bewegen.

Es dauerte so unendlich lange, bis er seine Körperteile wieder spürte, die Finger bewegen und Arme und Beine heben konnte. Sandal Tolk wollte aufstehen, doch die Ärzte verboten es ihm.

Doch in derselben Nacht kämpfte er sich aus dem Bett und fiel zu Boden. Via-3001 schwebte leise surrend in das Krankenzimmer. Der Medoroboter wollte Tolk aufhelfen, doch der Barbar stieß das künstliche Wesen von sich.

»Lass mich!«

Tolk wollte es allein schaffen. Seine Beine sollten auf seinen Befehl hören. Er probierte es erneut und fiel wiederholt auf den Boden. Und wieder und wieder!

Tolk gab nicht auf. Die Beine sollten seinem Befehl gehorchen! Sie sollten ihn zum Ende des Zimmers tragen. Sie sollten das tun, was selbstverständlich war. Er wollte kein Krüppel mehr sein! Er wollte laufen! Bebend erhob er sich und stand. Er schwankte, doch behielt die Balance. Behutsam setzte er einen Fuß vor den anderen.

Und es funktionierte! Tolk bewegte sich langsam auf die gegenüberliegende Wand zu. Erleichterung machte sich in seinem Herzen breit. Er konnte wieder laufen!

Wackelig schritt er zur Wand. Dann wieder zurück zum Bett.

Der Medoroboter riet Tolk, sich Zeit zu lassen, doch der Barbar hatte lange genug gewartet. Er wollte seinen Körper wieder nutzen, ihn trainieren. Viel zu lange hatte er hier gelegen, während seine Gefährten tapfer gegen das Quarterium kämpften.

Doch noch beherrschte er seinen Körper nicht vollends. Plötzlich verlor er das Gleichgewicht. Via-3001 half ihm hoch und stützte ihn. Langsam wankte er zurück ins Bett.

»Morgen ist auch noch ein Tag, Sir!«, sagte der Medoroboter mit metallischer Stimme.

Sandal nickte. Hoffnung erfüllte ihn. Zufrieden schlief er ein.

Die Waffen

Weitere Wochen waren vergangen. Er konnte sich wieder bewegen, gehen, laufen, rennen und die Arme nutzen. Sandal Tolk befand sich inzwischen auf Terra und machte Sport. Er hatte dafür den Bundesstaat Thailand ausgewählt, weil ihm gefiel, dass neben den großen Stadtkomplexen hier noch ein ausgedehntes Gebiet der natürlichen Dschungellandschaft erhalten geblieben war. Einiges erinnerte ihn an Exota Alpha.

Insbesondere die Hitze, die vorherrschte. Auf Exota Alpha war es im Durchschnitt 34 Grad Celsius heiß gewesen. Tolk stammte von der Burg Crater, die im Zentrum eines acht Kilometer durchmessenden Relikts eines Meteoriteneinschlags lag. Er hatte die dünn besiedelte Landschaft geliebt.

Obwohl auf Exota Alpha zu seiner Jugend bereits ein Stützpunkt des Solaren Imperiums existiert hatte, so war sein Heimatplanet mit den zwei Monden keinesfalls eine moderne Raumfahrerwelt gewesen. Nein, sie hatte Platz und Ruhe geboten. Eine gewisse Geborgenheit, die Tolk heute noch vermisste. Ruhe, bis der Schwarm damals in der Milchstraße aufgetaucht war.

Dann hatte sich erst einmal alles verändert. Tolk hatte Perry Rhodan und Joak Cascal getroffen, gegen die Gelben Eroberer gekämpft und schließlich obsiegt. Nachdem die Krise vorbei gewesen war, hatten sich Sandal Tolk und Joak Cascal um den Wiederaufbau gekümmert. Bis das Konzil der Sieben kam und sie später mit der VIVIER BONTAINER in der Raumzeitfalte der Casaro gestrandet waren. Und jetzt war er hier.

Tolk rannte, solange er konnte, doch es fehlte ihm noch merklich an Kondition und Muskeln. Das Aufbautraining dauerte viele Wochen. Während der Pausen wandte sich Tolk der Arbeit an seinen Waffen zu. Die Materialien für den Kompositbogen mit normalen und Explosivpfeilen zu beschaffen, war kein Problem. Ein Messer aus Terkonit mit Vibratorklinge sowie ein Thermostrahler vervollständigten seine vorläufige Ausrüstung.

Jetzt fehlte nur noch seine Axt. Als Erbe der Herren von Crater musste er sie selbst schmieden, nur dann konnte er seine Ehre und Kraft wiedererlangen. So trainierte er verbissen weiter, während der Bogen langsam Gestalt annahm.

Nach einigen Wochen nahm er Kontakt mit Julian Tifflor auf, der in Abwesenheit Rhodans und Bulls die Regierungsgeschäfte in der Solaren Residenz führte. Mit dem ehemaligen Solarmarschall verband ihn eine alte Freundschaft aus der Zeit des gemeinsamen Kampfes gegen die Schwarmgötzen.

Tifflor ermöglichte es ihm, durch eine Transmitterverbindung von der Khorat-Hochebene in einen alten Minenkomplex des KOSMODIM-Konzerns im Großraum Bangkok zu wechseln, der als technologisches Museum diente. Auf der Erde hatte man längst die gesamte Schwerindustrie auf den Mond und in den Asteroidengürtel verlagert, und die alten Produktionskomplexe weitgehend zurückgebaut. Nur besonders markante Standorte wurden als Museen erhalten.

Von den gewaltigen Produktionsanlagen, wo Kleinraumschiffe von der Space-Jet bis zu verschiedenen Korvettentypen im Rohbau gefertigt wurden, war nur eine Nuklearsyntheseanlage geblieben, die manuell gesteuert wurde und zur Demonstration des Herstellungsprozesses von Metallverbundwerkstoffen einschließlich der Möglichkeit zur Herstellung von SAC-Metallen diente.

Tifflor hatte ihm angeboten, diese Anlage zur Herstellung seiner Axt zu nutzen, ein Angebot, das er natürlich dankbar angenommen hatte. Nun pendelte er über die eingerichtete Transmitterverbindung zwischen seinem Trainingscamp in der Hochebene und der Museumsanlage.

*

Entschlossenen Schrittes verließ der »Barbar von Exota Alpha« den Torbogentransmitter. Mit dem geschulten Instinkt des Kriegers erfasste er, dass er in der alten Halle nicht allein war. Seine Hand griff automatisch an seinen Gürtel, wo sich normalerweise der Griff der Axt in seine Finger schmiegte. Doch seine Hand griff ins Leere.

Nein, er war kein Krieger mehr – nicht nur sein Körper war von Leticron, dem Teufel in der Gestalt eines Überschweren, gebrochen worden, nein, der Sohn des Chaos hatte unter Hohngelächter auch seine Waffen zerbrochen, zuerst den Bogen, dann das Messer und zuletzt die Axt, nur um die Demütigung komplett zu machen.

Aus dem Halbdunkel der Halle kam ihm eine Gestalt entgegen: Tifflor! Zögernd entspannte er sich. Der Unsterbliche hatte ihn gebeten, in die alte Fabrikhalle zu kommen, da er ein Geschenk für ihn hätte.

»Hallo Sandal, wie geht es dir?«, fragte der hagere, jugendlich wirkende Terraner, dem so einige nachsagten, er hätte eine große Ähnlichkeit mit Perry Rhodan.

Demonstrativ präsentierte Tolk dem Besucher seinen mächtigen Bizeps.

»Besser, viel besser, so langsam wird meine Kondition wieder wie früher.«

Tifflor blickte ihn einen Moment prüfend an, dann spielte ein Lächeln um seine Mundwinkel.

»Genau diese Antwort habe ich erhofft.«

Tifflor betätigte einige Schaltungen an seinem Multifunktionsarmband, und ein kubischer Behälter schwebte aus dem Halbdunkel der Halle auf ihn zu.

»Ich habe hier ein besonderes Geschenk für dich.«

Tolks verblüffter Gesichtsausdruck schien ihn zu amüsieren, denn mit einem Auflachen fuhr er fort:

»Du hast mich bei unserem letzten Gespräch darum gebeten, dir eine neue Axt schmieden zu können. Nun, ich gehe davon aus, dass das keine normale Axt werden soll, sondern etwas Besonderes.«

Tifflor machte eine Pause, die man nur als theatralisch bezeichnen konnte. Dann fuhr er fort: »In dem Behälter befindet sich eine winzige Menge des wohl wertvollsten Minerals der Milchstraße, zumindest nach unseren Informationen: Atronital! Mit diesem Mineral als Zuschlagsstoff sind Werkstoffe mit geradezu phantastischen Eigenschaften möglich. Ich habe mir gedacht, dass das genau das richtige Geschenk für einen Krieger wie dich ist. Schmiede deine Axt und finde deine Kraft.«

Tolk starrte Tifflor ungläubig an, bevor er sich fasste und den kleinen Behälter entgegennahm.

Zwei Tage später

Endlich war es soweit. Sandal hatte die beiden Tage seit Tifflors Besuch dazu genutzt, sich mit der Technik des kleinen Konverters vertraut zu machen, der für die Museumsbesucher als geschichtliches Anschauungsmaterial diente, der ihm aber in der nachvollziehbaren Handhabung entgegenkam.

Kern der jahrtausendealten Anlage war ein kleiner Materieumwandler, dessen Wirkungsprinzip bereits in den Anfangszeiten des Solaren Imperiums von den Posbis übernommen wurde und die Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung des noch jungen Solaren Imperiums bildete.

Innerhalb des Atomofens wurde aus Siliziumdioxid durch Nuklearsynthese Eisenplasma als Grundstoff für den Verbundwerkstoff gewonnen. Anschließend mussten dem Plasma noch sogenannte Hochpolymere zufügt werden. Dadurch entstand eine Legierung, welche die Eigenschaften von Stahl mit denen der Polymere vereinigte. In dieser Phase des Fertigungsprozesses verbanden sich die einzelnen Eisen- und Polymer-Moleküle der Ausgangsstoffe bei einer Temperatur von etwa 1800 Grad Celsius zu einer zähflüssigen Schmelze, die in den wesentlichen Eigenschaften noch normalem Verbundstahl entsprach.

In diesem Ausgangsmaterial wurde durch Hyperpartikelbeschuss die atomare Kohäsion verstärkt und ein völlig neuartiger Werkstoff entstand, der über Jahrhunderte als Terkonit die technologische Überlegenheit des Solaren Imperiums sicherte. Doch damit waren die Möglichkeiten der modernen Verbundlegierungen des 14. Jahrtausends Neuer Galaktischer Zeitrechnung noch lange nicht erschöpft. Terkonit war zwar immer noch die Basis der galaktischen Produktion, doch für besonders hochwertige Werkstoffe, etwa für Strukturelemente im Raumschiffbau, wurden die Eigenschaften durch Ynkelonium nochmals verbessert.

Sandal hatte diese Erklärungen dem Vortrag eines Hologramms entnommen, das wohl Arno Kalup darstellen sollte. Ein glatzköpfiger, wohlbeleibter Mann, der in seinen lebendigen Erklärungen die Leidenschaft für die Wissenschaft zeigte. Als Herr von Crater musste er den Fertigungsprozess seiner Waffen verstehen und selbst durchführen können, so dass er mit ungeteilter Aufmerksamkeit gelauscht hatte. Mit prüfendem Blick kontrollierte er die Messwerte der Sonden. So wie es aussah, war alles im grünen Bereich, wie Joak zu sagen pflegte.

Als nächstes öffnete Tolk den kleinen Behälter, den er von Tifflor erhalten hatte, und verriegelte den Formenergieflansch. Die zweite Stufe der Herstellung der synthoplastexotischen Verbundlegierung konnte beginnen. Dazu musste die Schmelze nochmals auf etwa 3200 Grad Celsius erhitzt werden, um die Legierung wieder in den Plasmazustand zu überführen. Gleichzeitig wurde das Atronital ebenfalls zu einem Plasma verdampft und dem Eisen-Polymer-Gefüge zugeführt. Durch die besonderen Eigenschaften des Atronitals entstand nun eine maschenartige Struktur, in die das Eisen-Polymer eingebettet wurde.

Vor dem abschließenden Arbeitsschritt, der hyperenergetischen Beschussverdichtung, musste das Werkstück geformt werden. Das Museum bot, wie Tifflor erklärt hatte, die Möglichkeit, über die Holoprojektion einer Schmiede ein Werkstück selbst zu formen und mit nach Hause zu nehmen.

Tolk aktivierte das Programm. Wieder erschien die Projektion Kalups, der eine Einführung für jugendliche Museumsbesucher gab. Er hatte die Auswahl zwischen Siegfried, dem Drachentöter, um ein Schwert, Gimli, dem Zwerg, um eine Kampfaxt und, nach seiner Meinung der Gipfel der Geschmacklosigkeit, Lord Zwiebus, um eine Keule herzustellen.

Da er eine Axt fertigen wollte, musste er wohl diesen Gimli, der eine Sagenfigur aus der Frühzeit Terras darstellen sollte, wählen. Das Interface für die Virtuelle Realität war ein altertümlicher Helm, wie er ihn noch aus seiner Kindheit auf Exota Alpha kannte. Mit gemischten Gefühlen stülpte er ihn sich über den Kopf – und sofort befand er sich in einer anderen Welt.

Er war Gimli, der Zwerg und er musste unbedingt eine neue Streitaxt schmieden, der Ringkrieg stand bevor und die Gefährten bedurften des Schutzes seiner starken Hand. Das Feuer unter der Esse loderte hell und die Hitze, die von ihm ausging, zeigte, dass er mit seinem Werk beginnen konnte. Mit der schweren Zange nahm er den Klumpen Metallerz, den er von Galadriel, der Elbenkönigin, erhalten hatte, und stieß ihn in die glühende Kohle.

Nun musste er mit dem gewaltigen Blasebalg die Kohle zur Weißglut bringen, um das Erz schmieden zu können. Immer wieder nahm er den Erzklumpen und prüfte die Temperatur. Es war soweit, das glühende Metall schimmerte silbern, das Mithril hatte sich mit dem Eisen verbunden. Vorsichtig nahm er den weißglühenden Klumpen aus der Esse und legte ihn auf den Amboss. Mit kraftvollen Hammerschlägen begann er, das Metall zu formen.

Unter der Wucht der Schläge nahm der Klumpen die Form einer nordischen Breitaxt an, wie ihm eine geisterhafte Stimme zuflüsterte. Vor seinem inneren Auge entstand das Bild einer Axt, von der eine eigenartige Faszination ausging. Das Programm zeigte ihm, was jeweils zu tun war. Der Axtrohling wechselte noch mehrmals zwischen Amboss und Esse, bevor er fertig war.

Schließlich war das VR-Programm beendet. Sandal nahm den Helm vom Kopf. Erneut materialisierte das Hologramm Kalups. Mit der typischen Sprechweise eines Universitätsdozenten führte der Hyperphysiker aus, dass nun der letzte Bearbeitungsschritt, die hyperenergetische Beschussverdichtung, durchgeführt wurde. Hierzu wurde um den gesamten Konverterbereich ein Paratronschirm aufgebaut, um vor der auftretenden Hyperstrahlung zu schützen.

Innerhalb des Konverters vollzog sich nun ein Prozess, den der Barbar von Exota Alpha trotz der Informationen, die ihm zur Verfügung gestellt wurden, nicht vollständig verstand. Normalerweise entstand durch Beschussverdichtung eine homogene Verstärkung der molekularen Bindung. Doch der Composit-Prozess des SAC-Metalls ging noch über die normale Stärkung der Kohäsion auf atomarer Ebene hinaus, indem durch Beschussverdichtung entlang der Atronital-Atome eine wabenähnliche Struktur erzeugt wurde. Die Kristallfeldverdichtung war dabei wesentlich intensiver als bei Terkonit oder den verschiedenen Formen der Ynkelonium-Legierungen. Durch die wabenförmige Struktur und die Kristallfeldverdichtung entlang der Atronital-Molekülketten entstand ein Werkstoff, der zwischen den verdichteten Strukturwaben Hyperenergie speichern konnte.

Schließlich war der Bearbeitungsprozess abgeschlossen, der rötlich-violett leuchtende Paratronschirm erlosch. Der Konverter öffnete sich und auf einem Prallfeld schwebte Sandal Tolks neue Axt auf ihn zu. Mit beiden Händen umfasste er den langen Stiel aus Metallplastik und schwang die Waffe mehrmals durch die Luft. Ein lange vermisstes Gefühl durchströmte ihn. Endlich hatte er sein Ziel erreicht! Er war wieder ein Krieger, ein vollwertiger Mann.

Als guter Krieger sollte er die Eigenschaften seiner Waffen genau kennen. Wie er jedoch die Hyperenergie nutzen konnte oder wie er eigentlich seine Axt auflud, war ihm noch nicht so ganz klar. Hauptsächlich sollte er damit einfach alles spalten können, was ihm im Weg stand.

Jeden Tag verbesserte er seine Kondition, steckte weitere Rückschläge gut weg. Er hatte nur ein Ziel vor Augen: die Rückkehr in den Kampf. Dafür lebte er. Er war bereit, wieder auf die Jagd zu gehen!

*

Am 3. Januar 1308 NGZ war es schließlich soweit. Mit einem Militärkonvoi trat Sandal Tolk die Reise zum Sternenportal der Lokalen Gruppe an. Er hatte niemandem etwas davon gesagt, wollte die anderen überraschen. Nur seinem Freund Joak Cascal hatte er eine Nachricht über einen Kurier der LFT-Flotte zukommen lassen und seine baldige Rückkehr angekündigt.

Und der Oberbefehlshaber der Versorgungsflotte wusste Bescheid. Der LFT-Außenminister Julian Tifflor war informiert. Der langjährige Gefährte Perry Rhodans wollte sich selbst ein Bild von den Ereignissen am Sternenportal als auch in Siom Som machen.

An Bord des 1800 Meter großen ENTDECKER-Raumers VASCO DA GAMA bewohnte Tolk eine Kabine unweit von der Tifflors.

*

Die weiße Tür glitt lautlos in die Wand. An der Schwelle stand der altbekannte Veteran aus dem Solaren Imperium. Aufrecht, die Muskeln unübersehbar kraftvoll und mit entschlossenem Gesichtsausdruck. Das lange weißblonde Haar hing offen bis zu den Schultern. Die roten Augen wirkten hellwach. Das kantige Gesicht war gewohnt ernst, jedoch umspielte ein feines Lächeln die Lippen des Mannes.

Sandal Tolk, der Barbar von Exota Alpha wirkte wie neu. Sein Oberkörper war von einem straffen, roten Muskelshirt bedeckt, welches die Schultern und Arme frei ließ. Eine schwarze Hose und ebenso schwarze Stiefel rundeten das Bild eines Kämpfers ab. Es fehlten eigentlich nur sein traditioneller Köcher und der Kompositbogen. Tifflor erhob sich und ging drei Schritte auf ihn zu.

»Es ist schön, dich wohlauf zu sehen, Sandal Tolk.«

Den kleinen Wink mit der linken Hand kommentierte er mit einem: »Komm doch rein. Ich habe Essen gekocht. Ja, selbst gekocht.«

»Danke«, erwiderte Tolk knapp.

Julian Tifflor hatte Tolk um das Treffen gebeten, er wollte sich mit ihm unterhalten. Das war wenig verwunderlich, denn Tolk war der Einzige, den der Residenzminister hier an Bord länger kannte.

Obwohl Tolk nicht nach Konversation war, respektierte er den Wunsch des Zellaktivatorträgers. Tifflor hatte seit fünf Jahren ein relativ beschauliches Leben geführt. Seit seiner mentalen Unterwerfung durch SEELENQUELL und einer schweren Verletzung war es still um ihn geworden. Für den Zellaktivatorträger mussten die Ereignisse noch immer schwer verdaulich sein. Er war buchstäblich der Träger der negativen Superintelligenz gewesen, deren Körper er auf seiner Schulter hatte tragen müssen, die nicht nur Herr seiner Sinne, sondern auch seines Körpers gewesen war. Tolk konnte das nachempfinden, denn zumindest hatte er dank Leticron eine ganze Zeit seinen Körper nicht beherrscht.

Bei einem Glas Wein saßen beide zusammen und starrten vor sich hin. Tolk war das Schweigen nicht unangenehm. Er war es gewohnt, ruhiger zu sein als andere.

»Hm«, machte Tifflor.

Tolk blickte ihn fragend an.

»Es ist schon komisch. Bin ich eigentlich schuld an der Entwicklung in Cartwheel?«

»Wieso?«

»Naja, ich war es doch, der de la Siniestro vor zwölf Jahren die politische Verantwortung im Terrablock faktisch übergeben hatte. Wäre ich dort geblieben, hätte er vielleicht niemals die Macht an sich reißen können.«

Tolk zuckte mit den Schultern. Selbstmitleid half Julian Tifflor auch nicht weiter. Was sollte er ihm sagen? Ja, Tifflor war schuld am Tod von Millionen Lebewesen, weil er es vorgezogen hatte, wieder zur Milchstraße zu fliegen, anstatt Cartwheel weiterhin politisch im Sinne der LFT zu beeinflussen?

Das würde ihn bestimmt nicht aufbauen. Und es entsprach auch nicht der Wahrheit. Da die Quarteriumsclique mit MODROR paktierte, hätten sie vermutlich so oder so ihren Weg an die Macht gefunden.

»Hättest du MODROR aufhalten können? Ich glaube nicht«, bemerkte Tolk schließlich, um Tifflors Selbstzweifel zu entkräften.

Das schien dem Unsterblichen einzuleuchten. Er nickte zögernd. Dann schüttelte er doch den Kopf.

»Trotzdem ist dieser alte Spanier für mich eine Enttäuschung. Die Völker in Cartwheel sollten die Galaxie vor MODROR schützen und nicht zu seinem Verbündeten werden. Die Terraner in Cartwheel haben zusammen mit den Arkoniden, Überschweren und Bestien dort unvorstellbare Grausamkeiten begangen. Und die bezeichnen sich als neue Menschheit? Beschämend!«

Tifflor leerte sein Glas. Dann sah er zu Tolk hinüber.

»Und wie geht es dir? Ich meine, die lange Verletzung muss dir doch immer noch zu schaffen machen.«

»Geht alles«, erwiderte Tolk knapp. »Muss nun Training machen. Solltest du auch mal tun.«

Er zeigte ein kurzes Lächeln, welches Tifflor erwiderte. Dann verließ Sandal Tolk Tifflors Quartier. Ihm war nicht danach, beim Wein herumzusitzen und über die Fehler der Vergangenheit zu sinnieren.

Sandal Tolk verschwendete auch die verbleibenden vier bis fünf Wochen der Flugreise nicht mit seinem Inneren, sondern trainierte sein Äußeres. Er wollte annähernd seine frühere Form erreichen. Nur wenn er gut trainiert war, konnte er im Kampf bestehen. Wenn er siegte, würde sein Innenleben schon von selbst zur Ruhe kommen.

2. Abschied von meiner geliebten Nichte

Es fällt mir schwer, dieses traurige Kapitel zu schreiben. Die Chroniken Cartwheels, die sich zwischenzeitlich zu den Chroniken eines grausamen Krieges entwickelt haben, müssen jedoch fortgesetzt werden.

Ich fühle mich schwach. Die schöne Sonne von Etustar, der Blick auf die herrlichen Gärten und das Meer vermögen es nicht, einen alten, gebrochenen Mann aufzuheitern.

Die Nachricht von den Taten meiner Nichte Nataly haben mich zutiefst erschüttert. Eine Ehebrecherin, Verräterin und Mörderin war sie geworden – und nun eine Ylors, ein Vampir, ein Ungeheuer des Rideryons!

Wie konnte es nur dazu kommen? Ich hatte in unserer gemeinsamen Zeit keinerlei Veränderungen festgestellt. Ich will nicht glauben, dass meine liebe Nataly freiwillig zu so einer Bestie geworden ist!

Der finstere Schurke Medvecâ muss sie von Anfang an beeinflusst haben. Anders wäre mir ihr so absurdes und untypisches Verhalten unerklärlich. Nataly kannte ich als liebende Ehefrau, als treuen Menschen und trotz ihres Temperaments als rücksichtsvolle Person.

Dennoch muss ich den Worten von Roi Danton wohl glauben. Er ist schließlich Perry Rhodans Sohn. Ich habe mich damit abzufinden. Doch wie ein Mann, der im Winter seines Lebens angekommen ist, dies noch bewerkstelligen soll, verrät mir nicht einmal der Kosmotarch DORGON.

Zurück zu den Ereignissen der letzten Monate. Das Kaiserreich Dorgon hat einen neuen Kaiser. Elgalar und Carilla sind tot! Das Kaiserbündnis zwischen Dorgon und dem Quarterium ist zerbrochen.

Nun will Dorgon seine volle Autonomie zurück, und das Quarterium hat nicht die militärischen Mittel, um 150.000 Einheiten der dorgonischen Heimatflotte zu bekämpfen.

Die Krönung von Kaiser Volcus I. ist neben der Niederlage des Quarteriums am Sternenportal der Lokalen Gruppe die Wende in dem großen intergalaktischen Krieg, dessen bin ich mir sicher.

Die Machtverhältnisse ändern sich. Die Dorgonen schlagen mit ihrem neuen Kaiser einen friedlicheren Kurs ein. Die erneute Ernennung von Vesus als Großadmiral der Adlerflotte spricht zumindest dafür. Auch Saraahs Rückkehr in die Politik deutet auf einen Kurswechsel hin.

Die Kämpfe sind zwischenzeitlich in allen Galaxien der ehemaligen estartischen Föderation eingestellt. Kaiser Volcus verspricht Demokratie und Freiheit für die Estarten.

Ob dies jedoch tatsächlich einen Rückzug der dorgonischen Streitkräfte bedeutet, steht im wahrsten Sinne des Wortes in den Sternen. Es liegt nicht in der Natur der Dorgonen, ihren »Besitz« zu verschenken. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das Kaiserreich freiwillig seine Kolonien abgibt. Dagegen spricht auch, dass Falcus weiterhin Legat des Kaisers ist.

Immerhin war der ehemalige Senator von Mesoph fast zehn Jahre lang Berater des regierenden Kaisers. Falcus bewirkt eine gewisse Stabilität in der dorgonischen Politik. Er geht klüger vor als seine ambitionierten Vorgänger und scheint im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Dennoch ist Falcus immer ein Freund der Expansionspolitik gewesen. Hier wird sich zeigen, wie viel Charakter Volcus selbst hat. Mit Kruppus, dem Anführer der Prettosgardisten, bildet Volcus ein sympathisches, bürgernahes Team.

Beide suchen den Dialog mit den Freien Estartischen Separatisten, der USO und den Saggittonen. Und doch versucht Volcus offenbar den schwierigen Spagat zwischen Quarterium und seinen Gegnern. Kann Volcus den Galaxien den Frieden wiederbringen?

Wir werden es in naher Zukunft herausfinden. In diesen Stunden fliegt die DUNKELSTERN nach Som-Ussad. Roi Danton wird mit seinem rideryonischen Piratenraumschiff durch das Sternenportal in die Milchstraße fliegen. Die IVANHOE II folgt ihr, während ich mich auf der SIOM SOM zusammen mit Sam in den nächsten Tagen auf den Weg nach Som machen werde.

Dort werden wir Kaiser Volcus treffen und mit ihm dinieren. Dieser Empfang wird sicher eine Ablenkung sein. Dennoch, meine Gedanken kreisen immer noch um Nataly. Und wie der arme Jonathan Andrews diese Nachricht aufnehmen wird.

Ich beneide Roi Danton nicht, denn er hat die traurige Aufgabe, nicht nur Jonathan von Natalys Schicksal zu berichten, sondern auch Aurec über den Tod und die Ylorsierung von Kathy Scolar zu informieren.

Meine Gebete gehen mit Jonathan und Aurec!

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon, März 1308 NGZ

3. Besuch aus Siom Som

Abertausende Soldaten auf schweren Rössern, zu Fuß oder in Streitwagen setzten sich in Bewegung. Das Grollen des Heeres erfüllte die Luft. Geschmückt mit ihren golden glänzenden Uniformen, ihren für diese Schlacht geschärften Schwertern, Speeren und Bögen, begaben sie sich zum geheiligten Schlachtfeld.

Es war ein regnerischer Tag. Der Boden schlammig, schwer für Pferd und Wagen zu kontrollieren. So entschied sich der Feldherr, seine Bogenschützen aufmarschieren zu lassen. Sie spannten die Pfeile in ihre Bögen, zielten in den Himmel. Der Gegner näherte sich ihnen. Noch waren sie gesichtslose Silhouetten, die bewaffneten Feinde eines mächtigen Heeres.

Auf das Kommando des Tribuns feuerten sie einen Hagel an Pfeilen gegen das feindliche Heer aus Karthago.

Unzählige Gegner fielen getroffen zu Boden, tränkten die Erde mit ihrem Blut und starben in jenem Land, in dem sie geboren wurden. Welch schöneren Tod gab es für einen Mann als bei der Verteidigung seiner Heimat?

Mann gegen Mann! Ein echter Krieg! Hier zählte noch die Tapferkeit und das Geschick eines Einzelnen und nicht die moderne Waffenführung.

Er stand auf seinem Streitwagen und hielt Ausschau. Ein berittener Bogenschütze hielt auf ihn zu. Ohne zu zögern, nahm er die Herausforderung an und warf den Speer in Richtung des Angreifers. Es war zu spät für den Soldaten aus Karthago. Er wurde tödlich in der Brust getroffen und fiel von seinem Pferd. Das Blut rauschte in seinen Ohren, während er den Gegner überrollte.

»General! General!«, wurde Scott McHenry unsanft aus seinem Nickerchen geweckt. Ein junger, nervös wirkender Nachrichtenoffizier beugte sich über ihn.

»Hm, was ist denn, mein Sohn? Ich hatte gerade einen so schönen Traum«, brummte der General.

»Ein SUPREMO-Raumer ist soeben durch das Sternenportal gekommen.«

Sofort war der General auf den Beinen und begab sich umgehend in die Kommandozentrale der SHERMAN, des Flaggschiffs des Cereaus-Verbandes der Terranischen 8. Flotte. Das 1800 Meter durchmessende ENTDECKER-Raumschiff leitete die Wachflotte am Sternenportal.

McHenry setzte sich in den Kommandosessel und betrachtete das fremde Schiff in dem Hologramm. Das Raumschiff gehörte zu den A-SUPREMOS mit 2500 Meter Durchmesser. Mit dem markanten Wulst, der sich im hinteren Bereich des Schiffes verlängerte, kam es auf eine Länge von über drei Kilometern. Ein zweites Raumschiff tauchte aus dem ringförmigen Sternenportal auf, welches sich stets der Größe des transportierten Raumers anpasste.

Dieses Sternenschiff hatte eine Länge von 460 Metern und war in seiner Form aufwändiger gestaltet als die pragmatischen Kugelraumer der Terraner. Es gehörte aber definitiv weder zum Quarterium noch zu einer anderen bekannten Fraktion.

»Die ganze Flotte in Alarmbereitschaft«, befahl McHenry.

»Sollen wir den Residenten oder Admiral Higgins informieren?«, fragte der Erste Offizier Benson, doch McHenry winkte ab.

»Das hat noch Zeit.«

Der General freute sich, dass endlich wieder etwas los war. Die Langeweile der letzten Wochen behagte ihm nicht.

»Nur diese beiden Schiffe?«, erkundigte er sich misstrauisch bei seinem Orter, dem Afroterraner Sensyn.

»Ja, Sir. Nur die zwei, Sir!«, bestätigte dieser.

McHenry atmete tief durch. Ein 2500-Meter-SUPREMO-Raumer des Quarteriums war der ENTDECKER-Klasse überlegen. Ein Gefecht Schiff gegen Schiff würden sie vermutlich verlieren. Dabei hätte McHenry so gern einen Kampf gegen ein quarteriales Raumschiff geführt. Nur er und der Kommandant des SUPREMOS. Zwei stählerne Kugeln mitten in der Leere des Weltalls!

Doch es würde vermutlich nicht dazu kommen. Immerhin befanden sich noch 25.000 Einheiten des Cereaus-Verbandes in seiner unmittelbaren Nähe. Kein Quarterialer würde so dämlich sein und solch ein Gefecht eingehen. Es sei denn …

»Das kann eine Falle sein. Verpasst ihnen eine Salve vor den Bug«, entschied McHenry.

»Sir, sie nehmen Kontakt mit uns auf – via Bildschirmübertragung«, meldete der Kommunikationsoffizier Xiang-Hu.

»Vielleicht wollen sie kapitulieren, diese Angsthasen. Also los, her mit ihnen«, brummte McHenry unwillig.

Er hatte sich schon auf ein Gefecht gefreut. Zu seiner großen Überraschung tauchte auf dem Bildschirm das Gesicht von Xavier Jeamour auf, dem Befehlshaber der IVANHOE II.

»General McHenry, ich grüße Sie. Hier spricht Xavier Jeamour, Kommandant der IVANHOE II. Ich bitte höflichst darum, umgehend mit Perry Rhodan sprechen zu dürfen. Wir bringen wichtige Neuigkeiten«, sagte der Kommandant und genoss sichtlich McHenrys verdutztes Gesicht.

Der General fasste sich schnell wieder.

»Das ist ja eine Überraschung. Willkommen am Sternenportal, Jeamour. Rhodan befindet sich mit den anderen Honoratioren auf SOLARIS STATION. Sie können passieren. Seien Sie froh, dass wir Sie nicht gleich abgeschossen haben, Jeamour.«

Jeamour lächelte immer noch.

»Das wäre unangenehm für uns gewesen, aber auch peinlich für Sie. Denn an Bord des anderen Raumschiffes, der DUNKELSTERN, befindet sich Perry Rhodans Sohn Michael. Wobei ich bezweifle, dass Ihr kleines Boot unsere IVANHOE hätte ankratzen können.«

General McHenry schluckte seinen Groll herunter und ließ die IVANHOE II nun ungehindert und schnell passieren. Anschließend informierte er Perry Rhodan auf SOLARIS STATION über den nahenden Besuch.

*

Perry Rhodan, der saggittonische Kanzler Aurec und der Millionen Jahre alte Alysker Eorthor standen am Ende eines großen, ovalen Tisches mit schwarzer Oberfläche, der etwa ein Meter über dem Boden schwebte. Sie empfingen die ersten Gäste in dem spektakulären Besprechungssaal, dem sogenannten Schwebesaal, denn die Möbel schwebten auf Antigravs im Raum. Und zwar nicht nur die Stühle, sondern auch die Holoprojektoren und die Tabletts der Servoroboter mit Speis und Trank.

Forsch betraten Xavier Jeamour und der Erste Offizier der IVANHOE II, Mathew Wallace den Raum. Wallace grinste zur Begrüßung schelmisch, während Jeamour verhalten, aber freundlich grüßte. Ihnen folgte Sato Ambush. Der glatzköpfige Japaner wirkte in seinem schwarzweißen Kimono würdevoll und dezent.

Innenillustration: Roi Danton von Gaby Hylla
Roi Danton © Gaby Hylla

Perry Rhodans Sohn Roi Danton stolzierte in seiner Freibeuterkluft hinein, ausstaffiert wie ein Pirat aus dem 17. Jahrhundert mit Hut, Mantel und Degen. Neben ihm ging eine hoch gewachsene Blondine mit großen blauen Augen und einem herzlichen Lächeln. Sie trug eine grünbeige Kombination, die an ihr auffallend flott wirkte.

»Du bist doch immer wieder für eine Überraschung gut, mein Sohn«, freute sich Perry Rhodan.

»Das war schon immer meine Spezialität. Und ich habe noch mehr überraschende Neuigkeiten für euch, Papa«, erwiderte Michael Rhodan.

Rhodan bot den Besuchern erst einmal einen Platz an.

»Und wer ist die Dame?«, fragte Rhodan höflich.

»Ich bin Pyla«, stellte sich die Angesprochene mit kokettem Lächeln vor und reichte Rhodan überschwänglich die Hand. »Eine Freundin Ihres Sohnes.«

Sie kicherte dabei und wirkte trotz des temperamentvollen Auftretens unsicher. Nun, das war vielleicht auch verständlich, denn sie befand sich in Anwesenheit von namhaften Größen der Galaxien. Aurec musste schmunzeln, so wie fast jeder im Raum. Nur Eorthor blieb ruhig und bedachte Pyla mit einem tödlichen Blick. Man musste ihn nicht fragen, um zu wissen, dass er ihr so viel Bedeutung beimaß wie einem Staubkorn.

»Wird auch Zeit, dass du eine Freundin hast«, murmelte Perry leise seinem Sohn zu, der ihn verwundert ansah.

»Pyla ist die erste richtige Verbündete aus dem Rideryon. Sie stammt vom Volk der Buuraler. Leider wurde ihr gesamtes Dorf und ihre Familie von den Ylors ausgelöscht«, erklärte Roi.

Rhodan kondolierte Pyla, die nun auf den Boden sah und mit den Tränen kämpfte.

»Wo ist Kathy?«, wollte Aurec wissen.

Roi winkte den Servoroboter herbei und bestellte einen Vurguzz. Das grüne Gesöff wurde schnell geliefert. Er leerte das Glas in einem Zug und schaute bedrückt zu Boden.

»Nun … sie ist …«

»Was?«

Aurec stand auf.

»Sie wurde von Ylors entführt, gebissen und ist offenbar nun selbst eine Ylors. Nataly übrigens auch. Ziemlich traurige Sache …«

Aurec starrte ihn an.

»Ich verstehe nicht so ganz.«

Nun mischte sich Eorthor ein.

»Wer ein Ylors ist, ist verloren. Sie sind Untote. Als Vampire würdet ihr sie bezeichnen. Einmal ein Ylors – immer einer! Vergiss deine Verlobte, Aurec! Sie ist verflucht!«

Aurec starrte entsetzt Roi Danton an. Der Sohn Rhodans nickte mitleidig.

»Die Ylors leben auf dem Riff. Sie sind offenbar Verwandte der Alysker. Ihr oberster Herr, Fürst Medvecâ, hat Nataly zu seiner Braut gemacht. Sie hat uns erzählt, dass Kathy nun auch so ist.«

»Hast du sie gesehen?«

»Non! Aber Nataly, mon amie! Sie war eine Bestie, hatte nichts mehr mit der Frau von einst zu tun. Wenn es Kathy genauso ergangen ist, hat dieser alte Mann dort vermutlich recht.«

Roi ließ sich sein Vurguzz-Glas vom wartenden Servo erneut füllen und leerte es auf einen Zug. Ihm fehlten die Worte. Er vermied es, in Aurecs Gesicht zu blicken.

»Natalia und Medvecâ haben meine Familie ermordet und alle Menschen in meinem Dorf getötet«, erklärte Pyla traurig. Die Tränen liefen immer schneller über ihr Gesicht.

Aurec verließ schweigend die Besprechung. Keiner wollte ihn aufhalten. Der Saggittone benötigte Zeit für sich. Was hätte man ihm auch sagen sollen?

Roi berichtete nun ausgiebig von seinen Erlebnissen im Riff, wie er die DUNKELSTERN vom Arawakpiraten Fyntross erbeutet hatte, den Jaycuul und schließlich der Begegnung mit Nistant und dessen STERNENMEER. Dann erzählte er das traurige Schicksal von Pylas Dorfleuten und von der Gefährlichkeit der Ylors. Während des Berichts saß Pyla auf ihrem Stuhl, hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt und blickte nachdenklich und ernst auf den Boden, während ihr die Tränen über die Wangen liefen.

Rhodan sah Eorthor fragend an.

»Wussten Sie, dass die Ylors auf dem Rideryon leben?«

Eorthor verzog keine Miene. Seine Augen waren starr, ja emotionslos. Es war schwer, in der Mimik des uralten Alyskers zu lesen.

»Nein! Es gibt wenig, was mich nach 190 Millionen Jahren noch überrascht, doch diese Neuigkeit hat mich in der Tat erstaunt.«

Roi fuhr mit der Situation in Siom Som fort und erzählte von den Umwälzungen im dorgonischen Kaiserreich.

»Die größte Überraschung aber war die Erlaubnis des Quarteriums, uns durch das Sternenportal fliegen zu lassen. Leticron höchstpersönlich hat zähneknirschend im Auftrag des Emperadors um einen Waffenstillstand gebeten. Das Quarterium will verhandeln«, schloss Michael seinen Bericht.

Perry Rhodan lächelte und wirkte ehrlich erleichtert. Er legte die Hand auf die Schulter seines Sohnes.

»Endlich kommen sie zur Vernunft. Ich habe bis zuletzt gehofft, eine Schlacht um Cartwheel vermeiden zu können.«

Rhodan blickte Eorthor fragend an. Der selbsternannte Raumherr der Kosmokraten wanderte in der Kabine umher. Die Arme hinter den Rücken verschränkt, begann er: »Das Rideryon hat Siom Som erreicht. Das ist eine beunruhigende Nachricht. Die Entropen sprechen nicht umsonst von dem Riff als Gefahr, Rhodan! Es heißt, wo immer es auftaucht, verändert es das Angesicht einer Galaxie für immer.«

Perry Rhodan hatte schon viele kosmische Wunder gesehen. Im Moment hatte das Rideryon für ihn jedoch eher sekundäre Priorität. Zuerst galt es, den intergalaktischen Krieg zu beenden.

»Wir werden uns um das Riff kümmern – nachdem der Krieg beendet ist. Wie ist Eure Meinung, Eorthor? Wollen wir verhandeln?«

Rhodan hoffte inständig, dass der Alysker zustimmen würde. Er blickte ihn erwartungsvoll an. Eorthor blieb ernst, unnahbar.

»Darüber sollten wir jetzt diskutieren, Terraner!«

4. Pechschwarze Seele

Rodrom

Alles aus! Vorbei!

Dahin und hinweg!

Sie sind alle gegangen.

Mein Geist ist allein.

Verloren bin ich und gefangen.

Mein Körper ist wahrnehmbar, fest, schwer, eine dumpfe, klebrige Masse, die mich umhüllt und erstickt. Der Ekel schüttelt mich, schüttelt ihn, betäubt und erstickt mich.

Und schon verspüre ich Hunger. Der Körper will sich erhalten. Meine Kehle ist trocken, ich bin durstig, die Gier beherrscht mein Denken. Würdelos wie ein Tier fühle ich mich allein beim Gedanken daran, dass ich all das Aufgenommene wieder auf stinkende Weise ausscheiden werde. Widerlich!

Noch etwas Neues: Die alyskische Ärztin erregt mich! Ich würde gern von ihren Brüsten kosten.

Wie ein säugendes Tier, wie ein Schwein. Dumpf, blind, geil.

Ich war das geworden, was ich 190 Millionen Jahre lang in der Reinheit meines Geistes gehasst und verachtet hatte: ein sterbliches Stück Dreck! Wild, roh, gewöhnlich.

Ich fraß, ich soff, ich stank und schwitzte. Ich war ein sterbliches Wesen aus Fleisch und Flüssigkeit und Knochen, Zähnen, Haaren und Horn. Zurückgefallen war ich zur niedrigsten Stufe der Evolution. Ich gehörte nun wieder der verachtenswerten Plage der Alysker an.

Wie lange hatte ich gestrebt und gehofft, meinem Meister folgen zu dürfen, um selbst zu einem Mächtigen hinter den Materiequellen zu werden? Doch was war nun aus mir geworden? Geschlagen, geprügelt und gescholten von Eorthor! Gestürzt und begraben in Dreck.

Nach all den Jahrmillionen hatte ich den Kampf verloren. Er hatte mich besiegt! Mich, Rodrom.

Wie hatte das passieren können? Ich stand so kurz davor, DORGON zu übernehmen und selbst zu einem Kosmotarchen zu werden. Zusammen mit MODROR hätten wir das Multiversum unterworfen und ins endlose Chaos gestürzt! Doch Prosperoh hatte mich verraten. Alle hatten sich als unfähig erwiesen. Und nun saß ich, verbunden mit lebendem Fleisch, als Alysker auf diesem Gefängnisraumschiff und vegetierte dem Tod entgegen.

Ich war müde und voller Triebe. Ich war um viele Evolutionsstufen gefallen, das war hart zu verkraften. Selbst oder gerade für ein gottgleiches Wesen wie mich!

Ich war verwirrt, verängstigt. Und so schrecklich schwach. Vor kurzem noch Titan, war ich nun ein Nichts! Oh, wie würde mir ein Mord guttun, nur ein kleiner. Irgendjemanden aufschlitzen. Erschießen würde mir auch reichen. Nur Blut sehen. Jemand sterben lassen. Noch einmal diese Macht spüren! Es musste etwas geschehen! Ich erhob mich von meiner unbequemen, sterilen Klitsche aus Formenergie. Der Rücken tat weh. Hah, körperliche Schmerzen! Dass ich so etwas noch einmal erleben musste.

Jahrmillionen lang hatte ich selbst bestimmt, ob ich stofflich oder geistig in Erscheinung trat. Ich wählte einen Körper nur aus, wenn die Wesen um mich herum zu dumm waren, meinen Geist zu sehen oder zu verstehen. Manches Mal kämpfte ich auch. Das war eine innerliche Befriedigung.

Befriedigung … das weckte eine Erinnerung. Nora, die kleine Alyske, die ich auf NESJOR zu Tode gefoltert hatte, kam mir in den Sinn. Welch perfekte Frau sie gewesen war. Es war schön gewesen, ihren Körper Stück für Stück zu zerlegen. Es war wie beim Spielen als kleines Kind gewesen, wenn man Bauklötze zusammenbaute und wieder Teilchen für Teilchen zerlegte.

Ich erinnerte mich, dass Nora wie am Spieß schrie, bis ihre Stimme versagte. Doch dieser Gedanke tröstete mich nicht lange! Ich musste hier weg. Raus hier! Doch ich war gefangen.

Was sollte ich tun? Ich wusste nicht einmal, auf welchem Raumschiff ich mich befand. Gehörte es den Alyskern, Saggittonen oder Terranern? Befand ich mich in der Lokalen Gruppe?

Verdammt, ich musste pinkeln. Der Ekel ließ mich erröten, und das störte mich auch. Ich war auf dem Weg zum Kosmotarchen gewesen und musste nun Wasser lassen. Welch eine kosmische Ungerechtigkeit. Frustriert begab ich mich auf die Toilette und verrichtete mein Geschäft.

Ich betrachtete meine bleiche Fratze im Spiegel. So sah also jemand aus, der nach Jahrmillionen seinen Körper zurückerhalten hatte. Der Mund halboffen und verzogen, die Haut bleich, als würde ich Schminke eines Clowns tragen. Die Haare waren strähnig und lang, aber nicht über die gesamte Kopfhaut verteilt. Überall sah ich kahle Stellen. Die Augen lagen in tiefen, schwarzen Höhlen.

Das war mein normaler Körper. Seit Eorthor mich verstofflichte, hatte ich mich geweigert, mich selbst anzuschauen. Befremdet musterte ich mich im Spiegel. Noch immer waren in mir die Reste des Geisteswesens Rodrom vorhanden gewesen. Doch nun waren sie komplett verloren. Nun war ich wirklich nur noch ein normaler Sterblicher. Eorthor hatte mir alles genommen.

Dafür würde er sterben!

5. Trauer

Es wirkte so, als würde der alte Alysker Eorthor seine Gesprächspartner Perry Rhodan und Osiris nicht ernst nehmen. Roi Danton beobachtete die Mimik und Gestik seines Vaters. Er war alles andere als begeistert, ihn schien diese arrogante Mentalität wütend zu machen. Es gestikulierte nicht wild oder fluchte, es war mehr das, was er nicht sagte, der Ausdruck in seinen Augen, die feinen Veränderungen in den Mundwinkeln. Die sprachen für das geübte Auge Bände.

Osiris wirkte hingegen genervt, verdrehte die Augen und lief wie ein Tiger umher. Eorthor schien für sein Alter alle Weisheit des Universums für sich zu beanspruchen und ließ jeden Einwand an sich abprallen.

Während also Rois Vater mit Eorthor und Osiris über die neue politische Lage weiter diskutierte, begab er sich zu Jonathan Andrews. Er musste auch ihn über das schwere Schicksal seiner Frau Nataly informieren. Als Jonathan den Bericht gehört hatte, brach er weinend zusammen. Danton wollte ihm Trost spenden, doch vergebens. Der junge Mann war nicht mehr ansprechbar.

*

Auch Aurec hatte die Nachricht über Kathys Schicksal hart getroffen. Er verfiel in tiefste Melancholie.

Perry Rhodan wollte seinen Freund trösten, doch Aurec lehnte seinen Besuch ab und blieb allein in seiner Kabine. Er wollte mit niemandem reden. Gerade noch hatte die Tatsache, dass die Saggittonen aus DORGON den Großteil der Besatzung von NESJOR und dessen Raumschiffen bildeten, in ihm eine gewisse Hoffnung ausgelöst. So sehr hatte er sich gewünscht, dass alles gut werden würde.

Und nun?

Kathy tot oder eine Ylors. Was war mit ihr geschehen? Sollte sie noch am Leben sein, würde er sie retten, falls dies noch möglich war. Aber wenn sie schon tot war? Oder auf ewig eine blutsaugende Bestie bleiben musste?

Aurec starrte auf die Tasche mit Kathys persönlichen Sachen, die ihm Roi Danton übergeben hatte. Sollte er sie sich ansehen? Damit akzeptieren, dass er ihren Nachlass in den Händen hielt? Er wusste es nicht.

Sowohl Rhodans Sohn als auch Eorthor hatten dem Saggittonen eindeutig klar gemacht, dass die Kathy, die er kannte und liebte, so oder so tot war. Selbst wenn sie als Ylors auferstanden war, so war alles Gute aus ihr gewichen. Sie war nun ein Geschöpf der Finsternis. Unvorstellbar!

Aurec ging zur Tasche, nahm sie und stellte sie auf den Tisch. Dann setzte er sich in den Sessel und öffnete sie. Behutsam kippte er den Inhalt auf den Tisch.

Neben den typischen Utensilien einer Frau fand er ein Bündel Papiere. Mit zitternden Händen löste er das Band und nahm einen Zettel. Es war ein Brief. Ein Brief von Kathy an ihn.


Liebster Aurec!

Heute ist ein seltsamer Tag. Wir sind aus dem obskuren Dorf zurückgekehrt. Immerhin haben wir genügend Nahrung und Wasser bekommen. Es wurde noch ziemlich heikel zum Schluss, als wir von Fyntross’ Männern und einem finsteren Jaycuul-Ritter bedrängt wurden. Roi konnte das irgendwie richten. Ich erzähle Dir das im Detail, wenn wir wieder zusammen sind.

Ich hoffe, dass wir bald wieder zusammen sind. Zurzeit fliegen wir planlos umher. Hoffentlich fällt Roi etwas ein, wie wir das Riff verlassen können.

Viele Wesen hier sind sehr unheimlich. Die Jaycuul und ganz besonders die Ylors. Es sind Bestien! Angeblich können sie sogar ihre Opfer zu einem von ihnen machen. Welch furchtbarer Gedanke. Sich vorzustellen, dass alles, wofür man gelebt hat, und alles, was man liebt, dann keine Bedeutung mehr hätte, ist furchtbar. Im Grunde genommen ist man dann doch tot. Aber man lebt als Monstrum weiter.

Die Ylors sind sehr gefürchtet auf dem Riff. Zu Recht. Ich möchte denen nicht unbedingt noch einmal begegnen. Einer war im Dorf gewesen und hatte die Bürgermeistertochter Pyla gebissen. Dank Roi und Sato wurde sie aber gerettet.

Die Ylors sind also auch nicht allmächtig. Außerdem hatte Roi ja diesem Medvecâ das Bild von Ajinah vor seinen Augen gestohlen.

Ach, Liebster! Ich wünschte, ich wäre endlich wieder … ja. Wo auch immer. Hauptsache bei Dir! Wo Du jetzt wohl bist? Terra? Auf einem kalten Raumschiff oder einer Raumstation? In den estartischen Galaxien? Du bist unendlich weit weg von mir und das schmerzt jeden Tag aufs Neue!

Ich habe mich schon damit abgefunden, dass wir nie ein normales Leben führen werden. Das ist mir auch gleich. Von mir aus können die Abenteuer jeden Tag auf das Neue über uns hereinbrechen, solange wir zusammen sind. Von Dir getrennt zu sein, ist das Schlimmste und es hält schon so lange an.

Ich hoffe, es endet bald! Ich will Dich bald wiedersehen und ich bete, dass Du das auch noch willst, mein Liebster!

Sollte … solltest Du diese Zeilen lesen und ich nicht mehr am Leben sein, was durchaus möglich ist, denke bitte daran … Nein! Ich will über so etwas nicht schreiben!

Wir werden uns wiedersehen! Und dann endlich glücklich werden, nicht wahr?

In Liebe! Deine Kathy!


Für einen kurzen Moment war Kathy wieder lebendig gewesen. Vor seinem geistigen Auge hatte er sie gesehen oder bildete es sich ein. Sie hatte viele Briefe geschrieben, so wie er auch. Einerseits würde es ihm Kraft geben, sie alle zu lesen. Die Gewissheit, dass es jedoch von nun an das Einzige sein würde, was er von Kathy noch hatte, ließ ihn noch mehr verzweifeln.

*

Jonathan Andrews hingegen war in seiner Trauer geselliger. Er erzählte jedem, der es hören oder auch nicht hören wollte, von Natalys Schicksal und seiner tiefen Trauer.

Abends in der Bar von SOLARIS STATION saß er zusammen mit Joak Cascal, Mathew Wallace und den Scorbit-Brüdern und leerte eine Flasche Vurguzz nach der anderen. Wenn er nicht trank, dann weinte er, und wenn er nicht weinte, dann trank er. Zwischendurch sang er laut trübsinnige Balladen, die wiederum die anderen Gäste deprimierten. Schließlich bat der Wirt ihn zu gehen, was ihn sehr erzürnte. Mathew Wallace konnte gerade noch eine Schlägerei verhindern und den Trauernden in sein Quartier bringen. Dort suchten ihn Gal’Arn und Elyn auf. Auch sie waren betroffen.

»Es tut uns sehr leid für dich und Nataly. Können wir irgendetwas für dich tun?«, fragte Elyn sorgenvoll.

»Ja, besorgt mir mehr Vurguzz«, lallte Jonathan und plumpste mit einer Flasche Schnaps, an die er sich kuschelte, ins Bett.

»Warum ich? Warum immer wieder ich? Ich verstehe das Universum nicht mehr«, brabbelte Andrews.

Unter den sorgenvollen Blicken von Gal’Arn und Elyn schlief er dann schließlich laut schnarchend ein.

*

Da sie nichts für Jonathan tun konnte, kehrte Elyn in ihr Quartier zurück. Dort wartete bereits der nächste Problemfall auf sie – Aurec.

Im Gegensatz zu Jonathan war der Saggittone wenigstens nüchtern, aber nicht weniger deprimiert, was wiederum Elyn schmerzte, die insgeheim mehr als nur Freundschaft für Aurec empfand. Aber sie wusste, dass er Kathy Scolar aufrichtig liebte und unter ihrem Verlust litt.

»Können wir reden?«, fragte Aurec.

»Natürlich«, sagte Elyn und bat den Saggittonen in ihr Quartier.

»Ich hörte von Kathy Scolar und Nataly Andrews. Ich komme gerade aus Jonathan Andrews Quartier. Es geht ihm sehr schlecht«, erklärte die Alyske, als sie beide Platz genommen hatten.

»Ich kann nachfühlen, was er durchmacht«, sagte Aurec mit belegter Stimme. »Wir beide haben die Frau verloren, die wir über alles liebten. Nun ist unser Leben leer und trostlos geworden.«

Obwohl sie Aurecs Worte insgeheim schmerzten, wollte sie ihn wieder aufmuntern.

»Vielleicht ist noch nicht alles verloren.«

»Wie meinst du das?«

Elyn seufzte. Jede andere Frau hätte die Gunst der Stunde genutzt. Aurec war nun wieder allein und über kurz oder lang hätte er sich in Elyn verliebt. Doch es war Unrecht, Aurec die Alternative zu verschweigen und ihm somit jegliche Chance zu nehmen, Kathy zu retten. So etwas konnte Elyn nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren.

»Ich habe in unseren Archiven recherchiert. Es steht geschrieben, dass man die Verwandlung rückgängig machen kann, wenn das Virus nicht allzu lange im Blut des Opfers ist. Es gab in der Vergangenheit durchaus schon vereinzelte Fälle, in denen das Opfer gerettet werden konnte. Der Metabolismus benötigt Zeit, um sich vollständig umzuwandeln. Wir sprechen jedoch nur von Monaten. Und es sind bereits einige Monate verstrichen«, erklärte Elyn.

Bei diesen Worten kehrte wieder Leben in Aurec zurück. Er wurde hellhörig.

»Ist das wahr? Meinst du, wir könnten Kathy noch retten?«, fragte er hoffnungsvoll.

»Vielleicht, aber wir dürfen keine Zeit verlieren.«

»Wie viel Zeit haben wir?«

»Bei einem Alysker dauert der Umwandlungsprozess etwa sechs Monate. Bei einem Menschen sollte es ähnlich sein. Es besteht vielleicht sogar noch Hoffnung für Nataly Andrews. Leider war Jonathan nicht mehr aufnahmefähig, so dass ich ihm den Sachverhalt nicht erklären konnte«, berichtete Elyn.

Entschlossen erhob sich Aurec aus seinem Sessel.

»Dann dürfen wir keine Zeit mehr verlieren. Sobald es mir möglich ist, fliege ich ins Riff und suche nach Kathy.«

Er wollte gehen, hielt inne und drehte sich wieder um. Dann umarmte er die Alyske.

»Danke!«

Sie lächelte milde. Zwar schwand damit die Chance, mit dem Mann, in den sie sich verliebt hatte, zusammen zu kommen, aber sie hatte richtig gehandelt. Und für Elyn war das Wohl der anderen wichtiger als ihr eigenes.

6. Hoffnung

Aurec suchte Perry Rhodan wenige Stunden später in dessen Kabine auf und berichtete ihm von seinen Sorgen. Doch auch der Resident hatte Neuigkeiten.

»Ich habe einen Parlamentär nach Cartwheel entsandt. Wir ersuchen den Emperador um ein Gipfeltreffen für Mitte März auf Som. Ich hoffe, du bist damit im Namen Saggittors einverstanden.«

Aurec war dies nur recht.

»Voll und ganz, Perry. Wenn wir den Krieg endlich beenden können, soll es mir nur recht sein. Sobald es die Lage erlaubt, möchte ich ins Riff und nach Kathy suchen.«

»Dies wird nicht so einfach sein, mon ami«, meldete sich Roi Danton zu Wort.

»Wieso nicht?«, fragte der Saggittone aufgebracht und musterte Danton abfällig. Hätte Rhodans exzentrischer Sohn etwas besser auf Kathy aufgepasst, wäre sie nicht tot oder zu einer Ylors geworden.

Rhodans Sohn lümmelte sich in einem Sessel und leerte ein Glas Wein.

»Wegen der Nebelbarriere. Erst müssen wir einen Weg finden, wie wir unbeschadet durch sie hindurchkommen. Sonst geht jedes Schiff hops.«

»Unsere Wissenschaftler sollen sich darum kümmern. Wir setzen Sato Ambush und alle verfügbaren Wissenschaftler darauf an. Ich spreche noch heute mit ihnen«, entschied Perry Rhodan.

»Vielen Dank, Perry«, sagte Aurec erfreut. Dann wandte er sich an Roi Danton.

»Wenn die Wissenschaftler einen Weg finden, würdest du mich dann ins Riff begleiten? Du bist der Einzige, der bereits dort gewesen ist und mich führen könnte.«

Roi seufzte.

»Wieder zurück? Wieso sollte ich?«

Er grinste. Aurec fand dies nicht sehr komisch und ballte die Hand zur Faust. Roi hob beschwichtigend die Hände.

»Auf mich kannst du zählen, Aurec«, versicherte er.

»Vielen Dank, meine Freunde. Das vergesse ich euch nie.«

Aurec hatte wieder Hoffnung. Er wusste aber auch, dass sie nur vage war.

Dennoch war er fest entschlossen, nach Kathy zu suchen.

*

Jemand anderer, dessen Gefühle zwischen Hoffnung und Resignation schwankten, war Manuel Joaquin Cascal. Der Veteran aus dem Solaren Imperium saß in einem Restaurant auf der Promenade von SOLARIS STATION und starrte auf sein Berkomnairschnitzel mit unithischem Kartoffelsalat.

So recht hatte er keinen Hunger. Ihm schlugen zwei Dinge auf den Magen: dass Perry Rhodan mit dem Quarterium verhandeln wollte und dass Anya Guuze seine Einladung zum Mittagessen erneut abgelehnt hatte. Offenbar war sie immer noch sauer, dass er diesem gelackten Leutnant eine gescheuert hatte.

Cascal ließ das Essen stehen und verließ das Restaurant. Auf der gegenüberliegenden Seite erkannte er Roi Danton in seinem exzentrischen Aufzug. Die blonde Frau neben ihm kannte er nur allzu gut. Wütend lief er rüber und stellte sich vor die beiden.

»Mon Dieu, der rüpelhafte Joak Cascal«, begrüßte ihn Roi wenig freundlich.

Anya sah genervt aus. Man konnte ihr das immer sehr gut ansehen.

»Was willst du, Joak? Auch noch Roi verprügeln, weil er mich zum Mittagessen eingeladen hat?«

»Bedauerlich, dass du lieber seine Einladung annimmst.«

»Er kam zuerst, sorry! Wir sind zu nichts verpflichtet und langsam geht mir deine Art auf den Keks, Joak! Wir sind nicht zusammen, nicht verheiratet – gar nichts! Hör auf, mir nachzustellen! Bitte!«

Roi verfolgte den Zoff mit einem spöttischen Grinsen.

»Lieber Joak, ich habe Anya soeben überzeugt, dass sie mit nach Siom Som kommt. Ich benötige ihre Dienste dort sicher sehr häufig.«

Joak wurde noch wütender.

»Wären Sie nicht der Sohn des größten Terraners, würde ich Sie jetzt verprügeln. Nun gut, dann bis irgendwann.«

Angewidert wandte sich Joak Cascal von den beiden ab. Er bemühte sich monatelang um Anya, mit allen Mitteln und vergebens. Da kam dieser Aufschneider und war prompt erfolgreich! Offenbar hatte sie ein Faible für solche schmalzigen Aufschneider, die viel versprachen und nichts hielten.

Gut, früher war er selbst so ein Kerl gewesen, aber mit dem Alter hatten sich die Zeiten etwas geändert.

Aber das interessierte sie herzlich wenig. Joak hatte Lust, sich zu betrinken. Er ging in die nächste Kneipe. Dort wurde akonische Stimmungsmusik gespielt. Sehr stimmungsvoll wirkte sie auf Joak jedoch nicht.

Er ging zum Tresen und bestellte sich einen Whiskey und einen Vurguzz. Beide Gläser leerte er kurz nacheinander. Etwas weiter hinten standen Mathew Wallace, Remus Scorbit und ein blondes Mädchen. Sie war die Begleiterin von Danton auf der DUNKELSTERN gewesen. Eine Rideryonin. Das erste lebende Exemplar der Bevölkerung dieses kosmischen Wunders, und sie stand mit den Schürzenjägern Wallace und Scorbit in einer Kneipe.

»Vurguzz. Wenn das Glas leer ist, nachfüllen, verstanden?«, forderte Cascal den Barkeeper auf.

Die drei kamen auf ihn zu.

»Hey, Sir! Alles senkrecht bei Ihnen?«, fragte Wallace in seiner gewohnt frechen Art.

Remus war etwas reservierter und gab Joak die Hand. Die Blondine schwenkte ihr Glas in Cascals Richtung und grinste ihn an.

»Sie sind also diese Pyla. Willkommen bei den Terranern«, sagte Cascal so charmant, wie es seine üble Laune zuließ.

Pyla kicherte und nahm einen Schluck aus dem Glas.

»Und wer bist du?«

Cascal stellte sich vor. Pyla leerte ihr Glas und bestellte gleich das nächste.

»Ich sehe, dass Sie … du offenbar der terranischen Kulinarik zugetan bist.«

Pyla nickte eifrig und hakte sich bei Mathew Wallace ein. Cascals Laune wurde noch schlechter.

»Wir werden dann mal weiter, Sir …«

Cascal nickte Wallace zu und widmete sich wieder seinem Vurguzz, dem guten grünen Getränk, das ihn nie enttäuschte. Er beachtete Pyla und Remus gar nicht mehr. Sollten sie doch gehen und feiern. Er brauchte sie nicht. Er hatte ja seinen Freund hier im Glas.

Innerlich schauderte ihn. Was war nur aus ihm geworden? Einst ein Frauenheld und Top-Geheimagent der Solaren Abwehr und nun? Ein alternder Lüstling, den keine anständige Frau mehr haben wollte, und der sich mit Vurguzz zuschüttete. Und der Krieg sollte nun auch noch beendet werden.

Keine Frauen, keine Abenteuer, kein Krieg.

Was blieb Joak Cascal dann noch vom Leben?

7. Quarterialer Kurswechsel

In Cartwheel hatte der Emperador Perry Rhodans Bitte um ein Gipfeltreffen auf Som umgehend zugestimmt.

Don Philippe de la Siniestro war entschlossen, Frieden zu schließen. Ebenso entschlossen war er aber auch, eine möglichst günstige Lösung für das Quarterium und natürlich auch sich selbst anzustreben. Vor allem das Problem der Artenbestandsregulierung musste gelöst werden.

Don Philippe wusste, wie wichtig dies für den Erfolg der Friedensverhandlungen war. Zuvor hatte er jedoch mit Leticron abgesprochen, Erendyra aus den Verhandlungen herauszuhalten. Daher zitierte er am 10. März 1308 NGZ Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek zu sich, die beiden Hauptverantwortlichen für die Artenbestandsregulierung.

»Meine Herren!«, begann der Emperador mit strenger Miene. »Ich setze Sie hiermit in Kenntnis, dass mit sofortiger Wirkung die Artenbestandsregulierung beendet wird. Alle damit zusammenhängenden Aktionen werden sofort eingestellt.«

Niesewitz und Katschmarek waren davon gar nicht begeistert.

»Aber das kann doch nicht wahr sein! Das sind doch Volksfeinde! Die müssen doch entsorgt werden!«, ereiferte sich Katschmarek entsetzt.

»Sehr richtig. Wir können doch jetzt nicht einfach aufhören, nachdem wir so gute Fortschritte erzielt haben. Die ganze Arbeit kann doch nicht umsonst gewesen sein«, stimmte ihm CIP-Chef Niesewitz zu.

»Meine Herren! Sie haben Ihre Arbeit so gut gemacht, dass sie Ihnen wahrscheinlich die Todesstrafe einbringen wird, wenn wir den Krieg verlieren. Um dies zu verhindern, will ich einen ehrenvollen Frieden schließen. Doch dazu müssen wir Rhodan und Konsorten gewisse Zugeständnisse machen. Leuchtet Ihnen das ein?«, fragte Don Philippe mit gedehnter Stimme.

Katschmarek war blass geworden.

»Todesstrafe? Für mich? Aber ich habe doch nur meine Arbeit gemacht.«

»Ich bin sicher, die Alien-Völker verleihen Ihnen dafür einen Orden«, entgegnete der Emperador sarkastisch.

»Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als einzulenken«, meinte Werner Niesewitz mürrisch.

»In der Tat, meine Herren. Denken Sie immer daran, dass es auch um Ihren Kopf geht. Das dürfte Sie sicherlich motivieren. Und nun gehen Sie und sorgen dafür, dass meine Anordnungen so schnell wie möglich ausgeführt werden. Für jeden weiteren toten Lagerinsassen ab dem heutigen Zeitpunkt mache ich Sie beide persönlich verantwortlich«, sagte der Emperador streng und entließ die beiden Terraner, die sichtlich unzufrieden waren.

*

Wenig später empfing der Emperador auch seine Tochter Stephanie und Uwahn Jenmuhs, um ihnen neue Instruktionen zu geben.

»Ich habe soeben Niesewitz und Katschmarek befohlen, die Artenbestandsregulierung einzustellen. Auch für euch beide habe ich neue Befehle.«

»Wie bitte? Was soll das heißen?«, begehrte Uwahn Jenmuhs japsend auf.

»Dazu komme ich ja jetzt, wenn ich nicht ständig unterbrochen werde«, wurde der Arkonide zurechtgewiesen. Stephanie zog die Augenbrauen hoch. Ihr Vater sprach weiter.

»Da ich mit der LFT und deren Verbündeten Frieden zu schließen gedenke, um das Quarterium zu retten, muss das Quarterium notgedrungen einige Zugeständnisse machen. Dazu gehört, dass wir die Lebensqualität der Aliens, aber auch der Saggittonen und Akonen wieder deutlich verbessern. Dafür werdet ihr beide sorgen. Es werden großzügige Aufbauhilfen erteilt, außerdem werden die meisten Rechte wie Schulbildung und Wiedereingliederung in das Gesundheitssystem wiederhergestellt. Damit demonstrieren wir unseren guten Willen.«

Jetzt konnte sich Uwahn Jenmuhs nicht mehr beherrschen.

»Das ist ja unerhört! Das ist Verrat am Quarterium! Das werde ich nicht zulassen. Ich werde mit allen Mitteln dagegen vorgehen«, platzte es aus dem fetten Arkoniden hervor.

Der Emperador sah ihn teilnahmslos an und drückte einen Knopf auf seinem Schreibtisch. Gleich darauf erschienen vier Leibgardisten in seinem Arbeitszimmer und umringten Jenmuhs.

»Das habe ich vorausgesehen. Sie haben Ihre Unzuverlässigkeit und Ihre Inkompetenz lange genug ungestraft demonstriert. Durch Ihre Dummheit wurden wir in der Lokalen Gruppe geschlagen und haben das Bündnis mit den Arkoniden verloren. Durch Ihre Schuld befinden wir uns jetzt in dieser prekären Lage. Dass ausgerechnet Sie mir dann noch Verrat vorwerfen, ist der Gipfel der Unverschämtheit. Damit Sie nicht noch mehr Unheil anrichten können, werden Sie auf Bostich unter Arrest gestellt. Sie dürfen Bostich ohne meine Erlaubnis nicht mehr verlassen. Führt ihn ab!«

Unter wüsten Protesten wurde Uwahn Jenmuhs von den Leibgardisten aus dem Palast geführt.

»Den wären wir erstmal los. Nun wirst du dich um meine Anordnungen kümmern, Steph«, sagte der Emperador erleichtert.

Doch auch Stephanie war nicht begeistert.

»Bist du sicher, dass du das Richtige tust, Vater?«

Don Philippe breitete hilflos die Arme aus.

»Was bleibt mir anderes übrig. MODROR hat uns im Stich gelassen. Ich habe nicht mehr genug Truppen, um Cartwheel gegen diese Übermacht zu verteidigen. Ich muss nun auf diplomatischem Weg versuchen, das Quarterium, und nebenbei auch unsere Haut, zu retten. Tu also, was ich dir gesagt habe.«

»Also gut, Vater, wenn das dein Wunsch ist«, lenkte Stephanie ein. Insgeheim dachte sie angewidert, dass ihr Vater den Schwanz einzog.

*

Don Philippe wusste, dass er mit seinen Anordnungen nicht überall im Quarterium auf Gegenliebe stoßen würde. Doch er war entschlossen, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen. Die Angst, alles zu verlieren, was er aufgebaut hatte, war größer als alles andere. Er wollte nun mehr auf den Rat von Cauthon Despair, Diabolo, Brettany und sogar von Rosan hören.

Beim Mittagessen unterrichtete er seine Frau wider Willen von seinen neuen Anordnungen.

»Ich hoffe, du bist damit zufrieden«, meinte der Emperador versöhnlich.

»Zufrieden bin ich erst, wenn wieder Frieden herrscht und alle Wesen frei sind und gehen können, wohin sie wollen«, gab Rosan reserviert zurück.

Als sie merkte, wie enttäuscht Don Philippe dreinblickte, fügte sie hinzu:

»Grundsätzlich finde ich aber lobenswert und richtig, was du tust. Gehe weiter diesen Weg. Er ist der einzig richtige.«

Rosan misstraute dem alten Spanier nach wie vor, aber sie wollte ihn nicht durch falsches Verhalten entmutigen, da sie eine Chance sah, das Leid der unterdrückten Wesen im Quarterium zu lindern.

»Dein Zuspruch spornt mich dabei an, Teuerste«, versicherte Don Philippe treuherzig und küsste Rosan, sehr zu deren Leidwesen, die Hand.

*

Die Maßnahmen des Emperadors stießen nicht überall auf Gegenliebe. Auf Bostich formierte sich eine geheime Opposition. Im Palast von Uwahn Jenmuhs trafen sich CIP-Chef Werner Niesewitz, sein Kollege Reinhard Katschmarek sowie General Benington und Stephanie de la Siniestro mit dem fetten Arkoniden, um die neue Situation zu besprechen.

»Es ist unglaublich, was der Emperador tut. Das grenzt an Hochverrat!«, echauffierte sich Uwahn Jenmuhs, während er sich mit Essen vollstopfte und dabei die Hälfte auf seinen Anzug kleckerte.

»Ich bin sicher, dass diese Arkonidenschlampe dahintersteckt. Sie hat meinem Vater den Kopf verdreht. Sie ist eine fünfte Kolonne des Feindes und müsste beseitigt werden«, zischte Stephanie hasserfüllt.

»Das dürfte schwierig sein, solange sie unter dem Schutz Ihres Vaters steht«, gab Werner Niesewitz zu bedenken.

»Was sollen wir bloß machen tun? Den Krieg haben wir wohl verloren«, meinte Katschmarek niedergeschlagen.

»Unsinn!«, widersprach Benington energisch. »Das ist alles nur die Schuld dieses unfähigen Cauthon Despair. Ein militärisches Genie wie ich könnte das Blatt noch wenden.«

»Ihr Genie in Ehren, General, aber im Moment sind uns die Hände gebunden«, meinte Niesewitz besonnen. »Wir müssen erst einmal die kommenden Verhandlungen abwarten und dann erneut beratschlagen. Ich fürchte nur, dass das Quarterium bei diesen Verhandlungen sein Gesicht verlieren könnte.«

*

Auch Don Philippes Sohn Orlando war nicht begeistert. Missmutig stocherte er in seinem Essen herum, das Uthe Scorbit für ihn gekocht hatte.

»Was hast du, Orly? Schmeckt dir mein Eintopf nicht?«, fragte die Terranerin.

»Doch, doch. Ich sorge mich nur wegen der bevorstehenden Verhandlungen. Das wird sicher hart für uns.«

»Aber es ist doch gut, dass dein Vater endlich einige Dinge ändert und vor allem diese furchtbare Artenbestandsregulierung abschafft. Und dass Leute wie Jenmuhs in ihre Schranken gewiesen werden, kann doch nur positiv sein«, fand Uthe.

»Ja, gewiss doch. Doch ich will auch nicht, dass wir vor Rhodan zu Kreuze kriechen. Dann wären der ganze Krieg und alle Opfer umsonst gewesen«, meinte Orlando.

Darüber konnte Uthe nur den Kopf schütteln.

»Vor Perry Rhodan zu Kreuze kriechen? Rhodan war stets ein gerechter, gütiger Mann, der auch seine Feinde fair behandelte, wenn sie Frieden wünschten. Ich glaube kaum, dass das Quarterium so großzügig wäre wie Perry Rhodan und die LFT, wenn es jetzt umgekehrt vor der Invasion der Milchstraße stünde.«

»Das verstehst du nicht, Uthe. Das ist eine Frage der Ehre. Aber das kannst du als Frau nicht verstehen.«

Wütend sprang Uthe auf.

»So, das verstehe ich als Frau nicht? Da ich wohl zu dumm dazu bin, ziehe ich mich wieder zu meinen Kochtöpfen zurück, wo ich mit meinem weiblichen Spatzenhirn hingehöre.«

»So habe ich das doch nicht gemeint, Uthe. Ich respektiere deine Meinung und achte sie. Aber du musst dich langsam entscheiden, zu wem du gehörst«, sagte Orlando genervt.

»Das scheint mir auch so«, sagte Uthe und ging auf ihr Zimmer.

So langsam bereute sie es, auf Orlando gehört zu haben und in Cartwheel mit ihm zu leben. Ihre Sehnsucht nach Remus war groß, doch auf der anderen Seite hatte ihr Mann sie elend im Stich gelassen. Orlando war für sie da. Wenn es zum Frieden zwischen den beiden großen Reichen der Menschheit kam, war es Uthe nur recht. Dann konnte sie in Ruhe und Frieden die Annehmlichkeiten des Herrscherhauses de la Siniestro genießen. Niemand würde ihr mehr nachstellen.

Sie wusste nur zu genau, dass die CIP-Agenten hinter ihr her waren. Diese beobachteten sie und Rosan genau. Überall lauerten sie auf Uthe, deshalb blieb sie stets vorsichtig. Je mehr Geheimhaltung sie ausübte, desto besser. Sie redete selbst mit Rosan nicht mehr viel. Wer weiß, ob man der Halbarkonidin überhaupt wirklich trauen konnte? Uthe wusste, dass sie viele Feinde im Quarterium hatte, Stephanie und Niesewitz vor allem. Das belastete sie.

Am liebsten würde sie einfach zurück nach Terra ziehen oder auf eine ruhige, beschauliche Kolonialwelt und als Bauersfrau auf einem gut laufenden Anwesen leben. Sie wollte nichts mit diesen Abenteurern und kosmischen Helden zu tun haben, die meinten, es wäre sinnvoll, durch das Universum zu schippern.

Letztlich würde auch Orlando ihr das nicht geben können. Sie würde abwarten, wie er sich in Friedenszeiten verhielt. Änderte er sich nicht, würde sie den Schlussstrich ziehen und fortgehen.

*

Stephanie de la Siniestro wanderte grübelnd vor ihrem Sofa auf und ab und spielte an ihren langen, braunen Haaren. In Gedanken verloren ließ sie sich in die blauen Kissen plumpsen. Sie hatte mehrere Pläne geschmiedet, um den liberalen Kurs ihres Vaters zu sabotieren. Ihr fiel ein, dass die Holsteiner-Gardisten noch einen Entropen gefangen hielten. So bat sie Henner von Herker, dass sie diesen Entropen aufsuchen dürfe. Natürlich hatte ihr Lover nichts dagegen.

Lydkor saß in seiner Zelle und starrte vor sich hin. Stephanie betrachtete den blauhäutigen Mann genauer. Er war gut gebaut.

Als der Entrope sie sah, stand er auf.

»Bist du eine Herrin der Quarterialen?«

Stephanie schmunzelte. Die entropischen Männer waren offenbar schrecklich devot.

»Ja, ich bin die Außenministerin des Quarteriums und Tochter des Emperadors. Ich bin hier, um mit dir zu sprechen.«

»Ich werde nichts sagen!«

»Sei nicht so stur. Ich könnte dich freilassen. Dann kannst du zu deiner Hexe zurück.«

Lydkor schwieg. Stephanie war nicht entgangen, dass Lydkor der Lebensgefährte von Constance Zaryah Beccash war. Eine Frau, die Cauthon Despair umgarnte und damit eine Gefahr war. Das Quarterium brauchte keinen liebeskranken Silbernen Ritter, sondern den einsamen, hasserfüllten Sohn des Chaos, der Schlachten allein entscheiden konnte. Constance störte. Was war da näherliegender, als ihr den eigenen Mann zurückzugeben?

Stephanie setzte sich neben ihn und streichelte seinen Oberschenkel. Lydkor war sichtlich irritiert und wusste nicht, was er tun sollte. So gefiel es ihr.

»Wir sind nicht so böse, wie du denkst, Lydkor. Das Quarterium und Entropia sind sich in vielem sogar ähnlich. Wir glauben an die Dinge, für die wir kämpfen. Ob SI KITU oder MODROR ist nun gleich. Es geht nicht um die Hohen Mächte, sondern um uns Individuen.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Wir hätten dich töten können. Ihr hättet es an unserer Stelle getan, doch wir schätzen das Leben eines jeden Intelligenzwesens.«

»Es hat mich wirklich verwirrt, dass ihr mich geschont habt …«

»Nun, du wirst zu deiner Constance zurückkehren. Halte sie fest, denn sie ist verwirrt. Sie umgarnt Despair und das ist auch nicht in meinem Interesse.«

»Despair«, sagte Lydkor verächtlich.

De la Siniestro schmunzelte. Sie hatte schon gewonnen.

»Wenn es nach Despair ginge, wärest du schon längst exekutiert worden. Er mag keine Nebenbuhler. Geh nun, Lydkor, und bedenke, dass das Quarterium nicht vollkommen böse ist, wie ihr denkt.«

Stephanie wies die Wachen an, ihn nach Som zu bringen. Dort sollte er übergeben werden.

8. Ein neuer Freund

Rodrom

Ich beobachtete die Wesen im Gefängnistrakt. Diese weichhäutigen Alysker mit ihren großen Augen, den spitzen Ohren und ihren langen Haaren, die sie glatt nach hinten gekämmt trugen wie Püppchen. Wie ich sie doch verabscheute. Sie waren die perfekten Porzellanfiguren.

Die Alysker verließen sich mangels eigener Kraft größtenteils auf ihre Technik. Energiefelder sollten mich von einer Flucht abhalten. Ich hasste sie so wie mich selbst.

Vor meiner Zelle hielten sechs Kampfroboter Wache. Für die Entität Rodrom wäre es ein Leichtes gewesen zu fliehen. Für den Alysker Rodrom war es unmöglich.

Besuch bekam ich nicht. Eorthor ignorierte mich anscheinend. Nun, er wusste wohl, dass er keine Geheimnisse aus mir herausbekam. Ich würde meinen Herrn und Meister MODROR niemals verraten.

Ein Putzroboter schwebte surrend über den Boden. Ihm war nicht nach Konversation. Dafür sicherlich dem Terraner, der jeden Tag mein Essen brachte, LFT-Unteroffizier Willy Ossy. Ein kleiner, pummeliger Vollidiot, der abkommandiert war, um Gefangene mit Nahrung zu versorgen. An der Front war er wohl eine Niete gewesen! Nun hatte er die ehrenvolle und so verantwortungsvolle Aufgabe, die hungrigen Mäuler von Quarterialen und das meinige zu stopfen.

Immerhin hatte ich so herausgefunden, dass es mehr Gefangene als nur mich auf diesem Raumschiff gab. Doch man verwehrte mir natürlich jeglichen Kontakt. Ich war komplett isoliert. Außer dem Putzroboter und Willy Ossy kam keiner zu mir.

»Mahlzeit, Willy!«

»Guten Tag, Herr Rodrom. Ich bringe Ihr Essen. Haben Sie Hunger?«

Welch eine dümmliche Frage.

»Mein Körper benötigt Nahrung zur Energiegewinnung. Beantwortet das deine geistreiche Frage?«

Willy Ossy seufzte.

»Ja, ja, schon gut! Hier ist das Essen. Pizza diesmal. Hoffe, es mundet. Habe sie selbst warmgemacht. Heute ist ja wieder so ein stressiger Tag.«

Er legte die Nahrung auf ein Tablett. Durch eine Strukturlücke im Schutzschirm wurde das Essen und eine Flasche Wasser in meine Zelle gereicht.

Pizza nannten die Terraner diesen Fraß. Das Zeug hatte so viele Namen auf so vielen Welten. Viele davon hatte ich vernichtet. Damals, als meine Kraft noch nicht erlahmt war. Mir gefiel der Gedanke, dass unglaublich viel Pizza dabei in Atome zerblasen worden war, gemeinsam mit all den Fressern.

Willy Ossy wollte gehen.

»Warte mal«, rief ich und Willy blieb stehen, drehte sich um. Ich wartete, und er setzte sich auf einen Stuhl aus Formenergie.

»Du bist der Einzige, mit dem ich reden kann. Nicht einmal Eorthor besucht mich, um mir die Pläne meines Meisters zu entlocken. Dieses Desinteresse an meiner Person kränkt mich.«

»Seufz, Jammer die Heul! Ist doch kein Wunder, dass keiner mit dir reden will, wenn du so böse bist. Du bist ein Verbrecher kosmischer Größe!«

»Das ist Eorthor auch. Er hat das Kreuz der Galaxien mit einer siebendimensionalen Bombe vernichtet. Das kostete Myriaden und Abermyriaden von fühlenden Wesen das Leben. Aber darüber redet keiner.«

Willy Ossy schien nachzudenken.

»Sage mir, mein Freund«, fragte ich nun, während ich einen Bissen des ekelhaften Fraßes in meinen Mund steckte, »wieso schiebst du als Küchenbulle deinen Dienst?«

Willy seufzte tief und blickte mich von der Seite an.

»Ach, die haben woanders keine große Verwendung für mich. Während der Kämpfe auf Tefrod fanden die mich nicht so gut. General Cascal hat mir einen Dienst hinter der Front nahegelegt. Naja, mich mag ja sowieso keiner …«

Ich lachte innerlich. Der war wirklich so naiv, wie ich ihn einschätzte.

»Aber wieso denn nicht? Du bist doch ein ganz netter Kerl.«

Willy sah lächelnd auf.

»Findest du? Danke! Ich habe keine Freunde hier. Die machen sich alle immer über mich lustig. Bezeichnen mich als ›Die Ratte‹ und nehmen mich nicht ernst.«

»Ich habe auch keinen Freund. Nur du und der Putzroboter, ihr seid meine einzigen Freunde …«

»Klar bin ich dein Freund! Das darf aber keiner wissen, sonst bin ich meinen Job los. Du sagst es niemandem weiter, in Ordnung?«

Wie einfältig dieser Terraner doch war.

»Wem sollte ich es denn sagen? Mich besucht doch keiner. Nur du. Und du hast wirklich keinen? Nicht mal eine Freundin?«

»Freund«, korrigierte Willy.

Auch noch anormal. Doch was war schon normal? Die Fleischlichen trieben es doch mit allem, was lebte oder auch tot war. Ich hatte in den Jahrmillionen schon so viel Perversion erlebt. Ich selbst war auch nicht frei davon gewesen. Unzählige Wesen hatte ich aus purer Lust grausam getötet, was mir immerhin zur Verachtung alles Fleischlichen verholfen hatte.

»Willy, Willy, Willy! Du musst dir die Dinge nehmen! Flöße den Menschen Respekt ein. Nur so wirst du Anerkennung erfahren.«

Er wurde hellhörig. In seinen Augen sah ich, dass er interessiert war. Es war einfach, ihn zu beeinflussen. Dafür musste man nicht einmal ein Mutant sein, sondern nur schlauer als er.

Willy Ossy seufzte.

»Ich muss jetzt gehen, sonst werden die anderen misstrauisch. Aber trotzdem danke. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du so gemein sein sollst. Na egal. Guten Appetit.«

Mit seinem typischen, watschelnden Gang verließ der Dummkopf den Zellenbereich. Er war auf dem richtigen Weg. Es würde sicherlich eine Weile dauern, doch mit etwas Fingerspitzengefühl würde ich ihn mir gefügig machen.

9. Sondierungsgespräche

Am 13. März 1308 NGZ begannen auf Som die Friedensverhandlungen. Das Quarterium wurde von Emperador de la Siniestro, Cauthon Despair und Leticron vertreten. Auch Rosan durfte pro forma daran teilnehmen. Dorgon wurde von Kaiser Volcus repräsentiert, Sam vertrat die estartischen Völker, Aurec die Saggittonen, Osiris die Kemeten, Perry Rhodan natürlich die LFT und Eorthor sprach für die Kosmokraten.

Besonders einer hoffte, dass die Verhandlungen zügig vorangingen: Aurec. Der Saggittone hatte kurz vor Beginn der Konferenz die Nachricht erhalten, dass es Sato Ambush inzwischen gelungen war, ein Gerät zu entwickeln, mit dem man die Nebelbarriere des Resif-Sideras durchfliegen konnte, ohne Schäden am Schiff davonzutragen. Sobald die Konferenz beendet war, wollte Aurec zum Rideryon aufbrechen, um nach Kathy Scolar zu suchen. Doch dies war noch Zukunftsmusik. Zuerst mussten sich alle Beteiligten auf einen gerechten Frieden einigen, und das war eine wahre Herkulesaufgabe.

Als sich alle Vertreter im großen Konferenzsaal versammelt und Platz genommen hatten, wollte Sam als Gastgeber die Konferenz eröffnen. Bevor es dazu kam, wurde er jedoch rüde von einer alten, runzeligen Frau unterbrochen, die in den Saal hinein stürmte. Es war die Hohe Hexe der Entropen, Adelheid. In ihrer Begleitung befanden sich die neue Hexenmeisterin Niada und Constance Zaryah Beccash.

»Stopp! Wagt es ja nicht, ohne uns anzufangen«, keifte die alte Hexe.

»Also, ich muss doch sehr bitten, Gnädigste«, ermahnte Sam die Entropin mit strengem Blick.

»Und ich sage dir, du komischer Vogel: Ohne uns Entropen läuft hier gar nichts. Wir nehmen auch der Konferenz teil.«

»Nun, die Entropen gehören auch zu den kriegführenden Mächten. Das ist gewiss. Allerdings wüsste ich gern, zu welchem Zweck ihr daran teilnehmt und welche Interessen ihr verfolgt«, meinte Sam.

»Das geht dich einen feuchten Dreck an, Vogel«, giftete Adelheid.

»Bitte, nicht in diesem Ton, meine Dame!«

Perry Rhodan und Aurec warfen einander skeptische Blicke zu. Das fing ja gut an. Nach einigem Hin und Her einigte man sich darauf, die Entropen an der Konferenz teilnehmen zu lassen. Besonders Eorthor sprach sich dafür aus, obgleich er feststellte, dass SI KITU eine Kahaba sei. Die Hohen Mächte, besonders die Kosmokraten verwendeten dieses Schimpfwort für SI KITU, weil sie sich sowohl den Kosmokraten als auch den Chaotarchen anbot, um das Gleichgewicht zu halten. Dabei wollte die Entität verhindern, dass eine Partei die Übermacht gewann. Deshalb wurde sie als Hüterin der Entropie bezeichnet. Perry Rhodan und Aurec befürchteten, dass dies die Verhandlungen erschweren könnte.

Als Erster sprach Eorthor.

»Im Namen der Kosmokraten begrüße ich die Einsicht des Quarteriums in die Realität und die Bereitschaft, hier zu erscheinen. Das ist aber auch schon alles, was ich begrüße. Ihr sagt, ihr seid hier, um zu verhandeln. Doch das Einzige, worüber ich zu verhandeln gedenke, ist eure bedingungslose Kapitulation. Nur so kann die völlige Zerstörung Cartwheels verhindert werden.«

Die Delegation des Quarteriums schwieg.

»Der Hohe Rat der Entropen schließt sich Eorthors Worten an, auch wenn er ein Kosmokratenvasall ist. Außerdem müssen die Führenden des Quarteriums vor Gericht gestellt und, sollte ihre Schuld bewiesen werden, zum Tode verurteilt werden. Denn wer mit MODROR paktiert, hat den Tod verdient«, erklärte Adelheid ihren Standpunkt.

Was zu viel war, das war zu viel. Wütend sprang Leticron von seinem Sitz auf.

»Das sind keine Verhandlungen, das ist ein Diktat. Wenn es euer letztes Wort ist, haben wir hier nichts mehr verloren«, sagte der Überschwere eisig.

Nun erhob sich auch Perry Rhodan.

»Ich bitte die Anwesenden um Mäßigung. Dies ist lediglich ein erstes Darlegen aller Standpunkte der Anwesenden. Dass deren Auffassungen sehr verschieden sind, wissen wir. Diese Konferenz dient dazu, sich einander anzunähern. Das Quarterium wird Gelegenheit erhalten, seine Sicht der Dinge zu erläutern. Die LFT wünscht sich sehnlichst den Frieden mit dem Quarterium. Abhängig davon ist die Erfüllung folgender Punkte:

Erstens: Sofortige Beendigung der Artenbestandsregulierung.

Zweitens: Abzug aus den estartischen Gebieten.

Drittens: Abzug aus den besetzten Gebieten innerhalb Cartwheels.

Viertens: Die Regierung des Quarteriums muss sich vor einem intergalaktischen Gericht verantworten.

Fünftens: Herausgabe aller Informationen über MODROR und seine Pläne.

Wenn dies geschieht, wird die LFT die Feindseligkeiten sofort beenden«, erklärte der Terranische Resident.

Wortlos und wenig begeistert setzte sich Leticron wieder hin und überließ dem Emperador das Wort. Dieser war wenig überrascht. Er hatte solche Forderungen bereits erwartet.

»Verehrte Anwesende! Ich bin ein Mann des Friedens. Aus diesem Grunde stimme ich den ersten drei Punkten zu. Punkt vier kann ich nur eingeschränkt zustimmen. Ich und meine Getreuen wie Cauthon Despair und Leticron müssen geschont werden. Als Gegenleistung gelobe ich, mit eiserner Hand im Quarterium für Ordnung zu sorgen und all jene, die sich Verbrechen schuldig gemacht haben, nach Recht und Gesetz zu bestrafen.

Dies ist sicher im Interesse aller Anwesenden. Als Zeichen des guten Willens habe ich bereits Reformen zugunsten der nichthumanoiden Völker Cartwheels eingeleitet, wie Ihnen die hoch geschätzte Emperatriz, die über jeden Zweifel erhaben sein dürfte, bestätigen kann.«

Rosan bestätigte Rhodan mit einem Nicken, das Don Philippe die Wahrheit in diesem Punkt sprach.

»Kommen wir zu Punkt fünf«, fuhr der Emperador fort. »Gern würden wir Ihnen behilflich sein, doch leider wissen wir von MODROR selbst nicht viel. Alle Instruktionen erhielten wir von Cau Thon. MODROR hat uns in seine Pläne nicht eingeweiht. Schon seit Monaten haben wir nichts mehr von ihm durch Cau Thon gehört. Er ist wohl unserer überdrüssig geworden.«

»Was ist mit dir, Cauthon Despair? Du musst doch etwas wissen?«, fragte Perry Rhodan den Silbernen Ritter.

»Nein, ich weiß auch nicht mehr als alle anderen. Mehr habe ich nicht zu sagen«, ließ Despair verlauten.

Rhodan glaubte ihm nicht, konnte es aber nicht beweisen.

»Liebe Freunde, ich denke es wird nun Zeit, Dorgons Standpunkt zu erläutern«, mischte sich Kaiser Volcus ein.

»Ich bitte darum«, sagte Perry Rhodan höflich, aber reserviert. Ihm gefiel der aalglatt wirkende Mann nicht.

»Vielen Dank, lieber Perry Rhodan«, erwiderte Volcus überfreundlich. »Ich möchte betonen, dass ich grundsätzlich gegen die aggressive Politik des Quarteriums bin. Jedoch halte ich Commanus’ Idee, das dorgonische Reich zu expandieren, nicht für verkehrt. Dies liegt durchaus im grundlegenden Interesse des dorgonisches Volkes. Daher können wir auf die besetzten Gebiete in den Estartischen Galaxien nicht verzichten. Wir sind aber bereit, die Estarten als vollwertige dorgonische Bürger anzuerkennen und würden ihnen sogar innenpolitische Autonomie gewähren«, erklärte der Kaiser.

Sam machte eine ablehnende Geste.

»Das ist inakzeptabel. Alle besetzten Gebiete müssen geräumt werden«, verlangte der Somer.

Dies wiederum lehnte Volcus strikt ab.

»Ja? Ich verstehe Sie ja sehr gut, mein Lieber. Aber diese Welten sind unser Staatseigentum. Damit stehen wir aber auch in der Pflicht, Sie und Ihre Artgenossen vom dorgonischen Wohlstand partizipieren zu lassen.« Volcus lächelte milde.

»Das ist unerhört«, regte sich Sam auf.

Unvermittelt sprang Adelheid von ihrem Sitz auf und fuchtelte wild mit den Armen herum.

»Schluss mit dem Gequatsche! Vergesst nicht, dass das Riff vor unserer Haustür steht. Nistant ist auferstanden. Das ist höchst bedrohlich. Noch gefährlicher sogar als das Quarterium! Deshalb sollten wir jetzt kurzen Prozess machen. Entweder das Quarterium kapituliert oder wir radieren Cartwheel aus«, keifte die Oberhexe.

Erneut sprang Leticron von seinem Sitz auf und ballte die Fäuste.

»Das könnte dir so passen, du alte verschrumpelte Hexe! Aber vorher kämpfen wir bis zum letzten Atemzug und nehmen so viele wie möglich von euch mit in den Tod, und dich zerquetsche ich als erstes wie eine Laus!«, drohte der Überschwere grimmig.

Es entstand ein heftiges Wortgefecht, an dem sich fast alle Abgesandten beteiligten, so dass Sam sich genötigt sah, die Konferenz vorerst abzubrechen und auf den nächsten Tag zu vertagen.

*

In den folgenden Stunden setzte Perry Rhodan all sein diplomatisches Können und seine lange Erfahrung ein, um die Konferenz zu retten und alle Beteiligten zu Zugeständnissen zu bewegen. So sicherte der Emperador Aurec zu, langsam, aber sicher Truppen von Saggittor abzuziehen. Zum Kernstück seiner Bemühungen machte Rhodan die Einstellung der Artenbestandsregulierung. Es gelang ihm sogar, Eorthor zu überzeugen, dass ein Waffenstillstand den Häftlingen eher nutzen würde als ein langer, verlustreicher Krieg.

»Die Artenbestandsregulierung geschieht im Interesse MODRORS. Wenn sie eingestellt wird, schadet dies seinen Plänen. Und das ist auf jeden Fall gut für uns«, war Rhodans Meinung.

Eorthor nickte zustimmend.

»Das ist korrekt. Wenn das Quarterium die sofortige Einstellung der Artenbestandsregulierung anordnete, würde ich einem vorläufigen Waffenstillstand zustimmen. Sollte das Quarterium nicht Wort halten, was wir schnell bemerken würden, erlischt der Waffenstillstand und Cartwheel wird ohne Pardon angegriffen«, sagte der Alysker.

»Das ist akzeptabel«, meinte Perry Rhodan.

Da Eorthor dem Waffenstillstand zustimmte, konnte auch Adelheid nichts mehr machen und musste klein beigeben.

Mit diesem Kompromiss hatte Perry Rhodan einen Teilerfolg erzielt. Der Emperador und sein Stab blieben unangetastet, damit sie die Bedingungen für den Waffenstillstand umsetzen konnten. Über die weiteren Punkte sollte zu einem späteren Zeitpunkt weiterverhandelt werden. Der intergalaktische Krieg schien nun tatsächlich vor dem Ende zu stehen.

*

Am 15. März 1308 NGZ wandte sich der Emperador per Trivid an das Volk von Cartwheel und verkündete den Waffenstillstand.

»Volk von Cartwheel! Nach langem, zähem und heldenhaftem Ringen gegen einen übermächtigen Feind ist es uns gelungen, einen ehrenhaften Waffenstillstand zu erzielen. Dieser Krieg hat tiefe Wunden auf beiden Seiten geschlagen. Unsere Aufgabe ist es nun, diese Wunden heilen zu lassen. Dazu werde ich eine Anzahl neuer Reformen in Cartwheel einbringen. Reformen, die dem Wohl aller Bürger dienen sollen und die eine befriedigende Lösung für jedermann bringen werden.

Die Bedingungen, die unsere Gegner an einen dauerhaften Frieden knüpfen, sind hart für das Quarterium, manchem von uns mögen sie als ungerecht erscheinen. Und damit haben die, die das meinen, vielleicht sogar recht. Doch wichtiger als das Recht ist der Frieden! Um diesen Frieden zu bekommen, werde ich meinen Stolz hintanstellen, meine lieben Mitbürger! Denn meine größte Sorge gilt Ihrem Wohl.

Das Wohl Cartwheels und seiner Bewohner ist mein größtes Anliegen, denn ich bin für die Völker dieser Galaxie verantwortlich. Daher ist es mein Bestreben von nun an, ein neues Cartwheel zu schaffen. Ein Cartwheel, in dem Menschen und Nichthumanoide sowie die Hohen Mächte miteinander in Frieden koexistieren können. Ich bin überzeugt, dass es mir zusammen mit Perry Rhodan, der mir seinen guten Willen glaubhaft demonstriert hat, gelingen wird. Wenn wir alle es nur wollen, werden wir es schaffen, aus Cartwheel wieder einen Ort des Friedens und der Gerechtigkeit zu machen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.«

Die Reaktionen in Cartwheel auf die Ansprache des Emperadors waren unterschiedlich. Der größte Teil der Bevölkerung war froh, dass der Krieg vorbei zu sein schien und ihnen eine Invasion mit ungewissem Ausgang für Leib und Leben erspart blieb. Viele Cartwheeler waren aber auch ratlos und desorientiert. Sollte alles, was in den vergangenen Jahren geschehen und aufgebaut worden war, umsonst gewesen sein?

Ein, wenn auch kleinerer Teil reagierte wütend und empört. Besonders jene, die von den Enteignungen der Nichthumanoiden profitiert hatten, fürchteten nun um ihre Gewinne. Die Wirtschaftsvertreter sahen den Aufschwung, das Wachstum und den Wirtschaftsstandort Cartwheel in Gefahr, wenn sie den Nichthumanoiden wieder Löhne zahlen mussten.

All dies wollte sich Uwahn Jenmuhs zunutze machen. Öffentlich ergriff er in einer Trivid-Ansprache von Bostich aus Partei gegen den Emperador und widersprach ihm.

»Volk von Cartwheel! Ihr seid verraten worden. Verraten vom Emperador und seiner Clique, die nur Angst um ihre Macht haben. Um sich ihre Posten zu sichern, haben sie Cartwheel an unsere Todfeinde verkauft. Wenn man einen Krieg gewinnen will, muss man dem Feind zeigen, dass man niemals aufgeben wird!

Wir müssen uns wehren und Cartwheel bis zum letzten Atemzug verteidigen. Mit einer mächtigen Gegenoffensive werden wir den Feind aus Cartwheel hinausjagen und ihm nachsetzen! Wir werden ihm immer wieder aufs Haupt schlagen, bis ihm die Gehirnmasse herausquillt! Wir werden das Sternenportal in der Lokalen Gruppe zurückerobern und dann wird man uns um Frieden anbetteln. Doch dann werden wir die Bedingungen diktieren.

Volk von Cartwheel, lasst uns weiterkämpfen. Die Herrschaft über das Universum ist diesen Einsatz wert. Ich stand schon kurz vor dem Endsieg, als ich durch unfähige Generäle und Politiker verraten wurde. Ich habe keinen einzigen Fehler gemacht. Meine Strategie war grandios, aber mein Feldzug wurde von den eigenen Leuten sabotiert. Wenn ihr mir vertraut, werde ich euch zum totalen Sieg führen.«

Einige Fanatiker stimmten Uwahn Jenmuhs durchaus zu, doch sein Ansehen hatte durch seine peinlichen Niederlagen und Eskapaden gelitten. Sogar bei den Arkoniden war seine Beliebtheit drastisch gesunken, denn der Verrat an Imperator Bostich, der bis nach Cartwheel durchgedrungen war, hatte ihn viel Sympathie gekostet.

*

Einen Tag nach Jenmuhs Ansprache trafen sich Werner Niesewitz, Reinhard Katschmarek und Alcanar Benington bei Stephanie de la Siniestro zu einem Geheimgespräch. Auf die Teilnahme von Uwahn Jenmuhs war bewusst verzichtet worden. Man traute ihm nicht mehr über den Weg.

»Habt ihr die Rede von Jenmuhs auch gesehen?«, fragte Stephanie.

»Jawohl haben wir. Ich fand sie irgendwie beeindruckend. Er erinnerte mich an eine berühmte Persönlichkeit aus meiner Jugendzeit«, meinte Reinhard Katschmarek.

»Er hat ein bisschen zu dick aufgetragen, fand ich«, urteilte Werner Niesewitz. »Wir müssen jetzt kühl und besonnen handeln. Jenmuhs ist mir zu impulsiv und zu selbstverliebt.«

»Strategisch ist er ein Amateur. Er hat zwar in einigen Dingen durchaus recht, aber nur ein wirklich genialer Stratege kann das Blatt noch wenden«, tönte Alcanar Benington selbstbewusst. Es war offensichtlich, an welchen genialen Strategen er dachte.

»Ich nehme an, dabei denkst du an dich?«, folgerte Stephanie. Sie verzog angewidert die hübsche Nase.

»Gewiss doch. Gebt mir den Oberbefehl über die quarterialen Streitkräfte, und ich führe uns zum Sieg«, ereiferte sich Benington.

»Hm, dazu bräuchten wir aber zuerst einen neuen Emperador. Ich nehme an, jeder von euch hält sich dazu für geeignet«, spottete Stephanie. Die Männer schwiegen.

»Was ist mit Jenmuhs? Wäre der nicht gut?«, fragte Katschmarek schließlich.

»Auf keinen Fall. Diesen Mann können wir unmöglich als Nachfolger für meinen Vater präsentieren. Er ist unberechenbar und durch seine Schuld haben wir den Feldzug in der Lokalen Gruppe verloren. Wegen dieses fiesen Fettsacks wäre sogar ich beinahe in Gefahr geraten«, lehnte Stephanie ab. Ihre Wangen röteten sich in aufsteigender Wut.

»Außerdem ist sein Stern selbst bei seinen arkonidischen Offizieren am Sinken. Bei allen anderen ist er sowieso schon unten durch«, gab Werner Niesewitz zu bedenken.

»Was ist mit Leticron? Er ist stark und ein guter Kämpfer«, schlug Benington vor.

Stephanie schüttelte erneut den Kopf.

»Nein, als Überschwerer ist er kein vollwertiger Mensch und obendrein nicht sehr telegen. Für diplomatische Auftritte nicht zu gebrauchen, außerdem etwas zu stark und eigenwillig für meinen Geschmack. Es wäre unmöglich, ihn zu kontrollieren.«

Nun sah Stephanie selbstbewusst in die Runde.

»Nein, meine Herren! Es muss kein Mann sein, der die Geschicke Cartwheels lenkt. Als Tochter des Emperadors wäre es an mir, als neue Emperatriz die Linie fortzuführen. Ich bin sicher, das Volk würde das akzeptieren.«

»Eine neue Katharina die Große also. Warum nicht?«, stimmte Niesewitz zu. Stephanies Führungsanspruch erschien logisch. Sie würde keine Schwäche zeigen.

»Katharina die Große? War das nicht eine Sängerin?«, fragte Katschmarek ratlos und erntete böse Blicke von allen Seiten.

»Ich halte diese Idee für gut, Stephanie«, meinte Alcanar Benington. »Du bist die geborene Herrscherin. Aber zuerst sollten wir uns ruhig verhalten. Erst wenn dein Vater seine Sympathien beim Volk und den Eliten verliert, können wir zuschlagen. Bis dahin ist er unantastbar. Wir würden ihn sonst nur zum Märtyrer machen. Es muss aber so aussehen, als würden wir Cartwheel vor Anarchie und Chaos retten.«

Dem stimmten alle Beteiligten zu. Man beschloss also, auf den geeigneten Moment zu warten, um dann zuzuschlagen.

10. Schöner Frieden

Cascal kratzte sich am Hinterkopf und starrte auf das halbvolle Glas Vurguzz vor sich.

Nun war der Krieg offiziell erstmal vorbei. Zumindest gab es eine Waffenruhe! Er verstand nicht, wie Rhodan mit diesen Bastarden vom Quarterium kooperieren konnte. Es gab sogar einen hochfeierlichen Festakt zu Ehren des Waffenstillstandes. Natürlich war Joak als General der Ligaflotte eingeladen.

Noch während alle Honoratioren wortreich den Waffenstillstand als ihr Werk anpriesen, setzte sich Cascal an den Tresen. Grimmige Gedanken stiegen in ihm auf. Früher war der Kommandosessel eines Raumschiffes sein Lieblingsplatz gewesen, nun war es der Barhocker vor dem Tresen. Welch ein Abstieg!

Es dauerte nicht lange, da gesellten sich Jan Scorbit und seine Freundin Caroline Nyndorff zu ihm. Nyndorff grüßte Cascal mit einer Umarmung! Sie war Unteroffizier in der Freyt-Kompanie. Er war Befehlshaber der 777. Raumeingreifdivision. Irgendetwas passte nicht in dieser Situation! Aber egal, sollten sie doch alle machen, was sie wollen.

»Ach, General Cascal, ist doch schön, dass endlich Frieden ist. Dann können Jan und ich unsere Liebe richtig auskosten. Wir sind ja so verliebt ineinander und das perfekte Traumpaar!«

»Schön für Sie beide«, meinte Joak und leerte den Vurguzz.

Jan wirkte auch nicht mehr ganz nüchtern.

»Lass sie reden, Mann! Ich will trinken! Wo ist mein alter Kumpel Henner? Endlich können wir wieder gemeinsam saufen wie zu guten alten USO-Zeiten!«

Da kam auch schon Oberst Henner von Herker. Mit oder ohne quarteriale Uniform wirkte er gleichermaßen unsympathisch. Caroline verwickelte ihn sofort in ein Gespräch.

»Hach, ist er nicht süß, General? Wir sind ja so ein perfektes und harmonisches Paar und haben die monatelange Trennung gut überwunden. Immerhin haben wir beide ja unsere Pflicht an den Fronten getan!«

Jan Scorbit und Henner von Herker hatten inzwischen drei Gläser arkonidischen Doppelkorn geleert.

»Sehr süß, mit dem Feind zu saufen.«

»Ach wissen Sie, wer ist schon Freund und Feind? Früher waren die beiden heldenhaft in der USO tätig und haben 1298 NGZ das Attentat auf Siniestro verhindert. Das Quarterium ist gar nicht so übel. Ich habe gehört, die bezahlen die Soldaten auch sehr gut.«

Caroline nahm das vierte Glas in die Hand und stieß mit seinem Gegenüber an. Er blinzelte verschwörerisch.

»Wo wir bei dem Thema sind: Ich denke, ich hätte eine Beförderung verdient nach meinen Leistungen auf WANDERER und Tefrod!«

Cascal hielt sein Glas hoch und blickte es sinnend an.

»Schreiben Sie ein Gesuch. Es wird irgendwann auf meinem Schreibtisch landen.«

»Hm, das dauert aber lange. Darf ich eine Zigarette haben?«

Er reichte ihr die Packung. Caroline nahm einen tiefen Zug und blickte Joak treuherzig an.

»Kommen Sie, ich bin doch eine Gute! Das weiß ich! Frauen wie ich sind zu höherem Dienst beim Militär geboren.«

»Prost!«, grölten Jan und Henner einander lautstark zu. Caroline blickte verlegen zu Boden. Ganz offenbar war ihr das Gehabe der beiden Männer nun doch peinlich.

Eine weitere Gruppe kam näher: Mathew Wallace, Remus, Jonathan, Elyn und Pyla. Cascal stöhnte innerlich auf. Caroline begrüßte erst einmal alle mit einer überschwänglichen Umarmung.

Die Runde diskutierte fröhlich, bis auf Jonathan, der ähnlich trübsinnig wie Joak wirkte.

»Hast du mal eine Zigarette?«, fragte jemand.

»Schon wieder?«, wies Cascal ihn ab, doch diesmal war es Pyla.

Die Buuralerin schien sich sehr an die Genussmittel der Terraner zu gewöhnen. Sie bedankte sich artig und hob ihr Glas. Joak stieß mit ihr an.

»Du hast dich wohl in den paar Monaten gut eingelebt?«

Pyla nickte und lächelte.

»Naja, es geht so. Meine Familie fehlt mir sehr und meine Freunde. Das ganze Dorf war eine große Familie. Aber sonst geht es mir prächtig, danke sehr. Und dir?«

Cascal bemerkte, dass ihre Art aufgesetzt wirkte. Sicherlich litt sie darunter, dass alle Menschen, die ihr etwas bedeuteten, nun tot waren. Aber sie schien es zu überspielen, und suchte offenbar im Alkohol Trost. Nun, das konnte er selbst auch ganz gut.

»Mir? Ja, prächtig!«, antwortete er sarkastisch. Sie bemerkte das aber nicht und stieß mit ihrem Glas noch mal an das seine.

Joaks Gedanken kreisten um Anya. Er hatte sie heute gesehen. Sie war in Begleitung ihres Noch-Ehemannes Krizan gewesen. Offenbar schien auch sie einer quarterial-terranischen Versöhnung positiv gegenüberzustehen.

»Ach, darf ich mir noch mal ’ne Zigarette nehmen?«, fragte nun Caroline von der anderen Seite.

»Sehe ich aus wie ein Automat?«, wollte Joak wissen und warf ihr die Kippen zu.

»Du bist aber gemein. Diese Caroline macht doch einen netten Eindruck!«

Pyla grinste. Dann kam Mathew Wallace zu ihr und begann zu flirten. Sie ließ sich begeistert darauf ein. Für Joak war hier wohl keine Verwendung außer als Zigarettengeber. Er ließ die Leute allein und ging zu Jonathan.

»Wollen wir uns abseits besaufen und traurig sein?«

»Bin ich schon. Nichts dagegen, weiterzumachen!«

Joak nickte, bestellte eine neue Flasche Vurguzz und beschloss, diese gepflegt mit Jonathan zu leeren und so den Abend zu beenden.

11. Gedankenkontrolle

Rodrom

Die Tage vergingen und Willy brachte mir dreimal täglich die Mahlzeiten. Er hatte erklärt, er hätte mit dem Wachoffizier gesprochen und ihn an die Gesetze des Galaktikums erinnert. Was für ein Narr! Wäre ich an seiner Position, würde ich die Gefangenen langsam und qualvoll zugrunde gehen lassen und mich an ihren Qualen weiden.

Wir redeten viel, und ich sponn dem naiven Willy eine traurige Geschichte meines Lebens vor, in einer besonders sentimentalen Version. Er schluckte es! Ganz traurig wurde der Idiot dabei.

Wie konnte er mir für eine Flucht nützlich sein? Sollte ich ihm vorgaukeln, ich liebte ihn und würde mit ihm durchbrennen? Nein, ich hatte meinen Stolz. Ihm zu sagen, er sei mein einziger Freund, war viel besser. Ich freute mich schon, wenn ich in sein enttäuschtes Gesicht sah, die Wehmut in seinen Augen las, wenn er die Wahrheit erfuhr.

Ich musste hier raus. Oder vielleicht auch nicht! Womöglich nicht. Eorthor hatte mich zwar all meiner Seelen beraubt, doch mein eigener Geist war nach 190 Millionen Jahren auch sehr stark. Suggestion, Empathie und Telepathie konnte ich womöglich beherrschen.

»Willy, setz dich. Bleib ruhig und öffne deinen Geist!«

»Was?«

Tue es einfach, du Idiot!

»Konzentriere dich! Denke an nichts!«

Das wird ihm nicht schwerfallen.

Er starrte mich mit sinnfreiem Gesichtsausdruck an. Ich versuchte, in seinen Geist einzutauchen, seine Gedanken zu lesen, durch ihn zu sehen. All das war früher so selbstverständlich gewesen und nun eine Anstrengung.

Öffne deinen Geist, Willy Ossy. Lass mich fühlen, was du fühlst, denken, was du denkst und durch deine Augen sehen. Ich brauchte mehrere Anläufe, dann war es endlich soweit. Ich spürte eine telepathische Verbindung zu dem Terraner. Endlich!

»Nun geh, Willy!«

Der Terraner erhob und verabschiedete sich, als sei nichts gewesen. Doch fortan konnte ich ihm telepathische Befehle geben und sehen, was er sah.

Ich lehnte mich zurück, legte die Beine übereinander und schaute mir das terranische Trivid in aller Ruhe an. Meine Gedanken waren bei meiner neuen Eroberung.

Willy ging brav zum Wachoffizier und meldete sich ab.

»Habt ihr wieder so lange miteinander geredet? Gut, dass die Alysker das nicht mitbekommen«, sagte der klobige Oxtorner mit dem Namen Cranto Soth.

»Ja, ja! Ist auch nur ein Mensch, der arme Kerl. Alle hackt ihr auf ihm herum. Er hat keine Freunde und niemand hört ihm zu«, verteidigte Willy mich.

»Na, dann habt ihr zwei ja was gemeinsam. Frag ihn doch, ob er dich knallt«, rief ein zweiter Wachmann namens Maryo und lachte laut.

Willy tat dieser Spruch sehr weh, denn er mochte den Mann sehr. Ich spürte, dass er in den Terraner verliebt war. Wie süß! Doch Maryo Wydder verschmähte Willys Zuneigung. Eine traurige Liebesgeschichte, die zweifellos kein Happy End fand. Dafür würde ich schon sorgen.

Als Willy den Inhaftierungsblock verließ, steckte er eine Codekarte in eine Konsole. Ein Lämpchen piepte, und Willy nahm die Karte wieder heraus. Anschließend wurde er von einem Scanner abgetastet. Nun endlich durfte er den Trakt verlassen. Doch damit war er noch längst nicht außerhalb des Sicherheitsbereichs. Er schritt an Zellen der Quarterialen vorbei und dachte darüber nach, ob diese durch das Waffenstillstandsabkommen wohl freigelassen wurden.

Waffenstillstand? Das konnte doch nicht der Ernst des Emperadors de la Siniestro sein? Dieser feige Verräter!

Wie konnte er es wagen! Das war ungeheuerlich! Es gab keinen Widerstand mehr in Siom Som! Die Pläne meines Meisters waren in Gefahr!

Eorthor stand kurz vor einem weiteren Sieg! Ich musste das verhindern. Ich musste hier heraus! Willy Ossy trottete weiter. Als er nun endlich den Sektor mit den Gefangen hinter sich ließ und abermals kontrolliert wurde, ging er in einen Korridor. Er dachte unentwegt an Maryo und wie schön es wäre, wenn sich beide lieben würden. Lange ertrug ich diese schnulzige Trauertirade nicht mehr. Der war ja noch schlimmer als Cauthon Despair! Am liebsten würde ich jetzt jemanden töten, aber das ging nicht. Vielleicht Willy?

Nein! Ich brauchte ihn noch.

*

Willy begab sich in eine Transmitterhalle und ließ sich auf die Station SOLARIS STATION abstrahlen. Dort war die Freyt-Kompanie, seine Einheit, stationiert. Diese Ligakompanie gehörte zu den Elitetruppen und war Teil von Joak Cascals 777. Raumeingreifdivision. Deshalb wurden einige Unteroffiziere also zu meiner Bewachung beordert. Außerdem wollte Perry Rhodan offenbar ein Auge auf mich halten und misstraute dem guten, alten Eorthor.

Willy Ossy erkannte Joak Cascal an einem Stehimbiss. Nun, offenbar legte Cascal dieser Tage wenig Wert auf die Etikette. Als er zum Imbiss ging, kreuzte er den Weg eines dicken Mannes mit Brille und schütterem, langen Haar. Er schlug wie wild auf eine Trommel und predigte das kosmogeniale Zeitalter, sang für das Heil des Universums und betete für die Ankunft des Rideryons.

Interessant!

Bleib stehen!

Willy Ossy hielt sofort inne.

Frage ihn nach seinem Namen!

»Wer bist du?«

Der dicke Mann hörte auf zu trommeln. Er war umgeben von wahrhaft illustren Gestalten. Einer Frau, so abschreckend, wie eine nur sein konnte. Ein Springer, ein Unither und ein Blue gehörten offenbar zum Gefolge des Trommlers.

»Isch bin Grimm T. Caphorn, Anführer der Kosmogenialen Gemeinschaft des Universums und Gründer von Channel KosmoGenial. Isch trommle für den kosmischgenialen Ausgleichle des Universums und für die Ankunft desch Riffsch, denn esch wird unsch alle erlöse tun!«

Ein Sektenführer also. War er nur wahnsinnig oder wusste er mehr über das Rideryon? Grimm T. Caphorn. Ein Name, den ich mir vorerst merken sollte. Seine Aura gefiel mir. Sie war chaotisch.

Ich befahl Willy weiterzugehen, und er tat es. An dem Stehimbiss befanden sich Joak Cascal, Roi Danton, Jonathan Andrews, Elyn und eine Blondine.

»Hey, Willy! Komm doch her«, rief Andrews.

Willy watschelte zu ihnen und grüßte Cascal nach militärischer Vorschrift.

Die anderen grüßten Willy Ossy. Andrews stellte den Unteroffizier jenen vor, die ihn offenbar nicht kannten. Die Blondine hieß Pyla und stammt von dem Rideryon. Das erstaunte mich. Tatsächlich?

»Was gibt es Neues von Rodrom?«

»Wie? Das weiß ich nicht. Ich bin unschuldig«, stotterte Willy.

Dieser Vollidiot. Ich rief ihn zur Ordnung!

»Ach so, ja, der Gefangene! Der schaut finster drein und redet jede Menge bösen Kram. Aber alles in Ordnung«, erklärte Willy nun.

Cascal schien ihm zu glauben.

»Wer ist dieser Rodrom?«, wollte Pyla wissen.

Willy hegte keine Sympathie für diese Frau. Er war eifersüchtig, weil sie sich offenbar mit all den schönen Männern gut verstand. Wie gern hätte er mal was mit Cascal, Danton oder Jonathan gehabt. Deshalb schwieg er.

Elyn erzählte der Rideryonin über mich. Sie ließ natürlich kein gutes Haar an mir und bezeichnete mich in fast jedem Satz als Mörder. Danke, danke für die Komplimente, süße Tochter Eorthors. Welch Vergnügen es mir bereiten würde, dich von oben bis unten aufzuschlitzen!

»Holla, das klingt aber richtig grausam«, meinte Pyla, die auf mich keinen so intelligenten Eindruck machte. Ihr Tod würde keinen großen Spaß machen. Da gab es interessantere Frauen. Amüsieren würde er mich trotzdem.

»Hört ihr auch den Trommler dort? Er redet ständig von der Ankunft des Rideryons. Ich wusste gar nicht, dass meine Heimat schon solchen Einfluss auf euch hat«, meinte die Buuralerin interessiert.

»Chérie, sobald etwas Neues irgendwo auftaucht, sehen viele Menschen darin eine neue Hoffnung, einen Messias oder dergleichen«, erklärte Roi Danton.

»Nistant ist aber unser Erlöser«, sagte Pyla leise und schaute in Richtung des Trommlers. Ihre Augen wurden groß und feucht.

Was zum Kosmokraten hatte ich alles verpasst? Willy, die Ratte, dachte nun daran, dass Nistant der Erbauer des Rideryons sei und Roi Danton sowie dieser Pyla half, aus dem Rideryon zu fliegen! Nistant lebte? Unmöglich! War es tatsächlich gelungen, die ewigen Gefängnisse von Brok’Ton und Cul’Arc ausfindig zu machen?

Viel hatte sich ereignet, seitdem ich das Kreuz der Galaxien verlassen hatte. Zu viel.

»Gibt es schon ein Datum, wann wir endlich aufbrechen?«, wollte Jonathan wissen. »Ich will diesem Medvecâ persönlich den Kopf abschlagen!«

»Nein, Johnny! Das ist viel zu gefährlich. Er ist der Herr der Finsteren und wird dich auch töten.«

Pyla blickte Andrews besorgt an.

»Es steht noch nicht fest, wann wir aufbrechen. Ambush arbeitet an einem Apparat, mit dem wir die Barriere des Nebels überwinden können«, sagte Elyn.

Willy verstand gar nicht, worum es ging. Ich schon! Offenbar planten sie einen Vorstoß ins Rideryon. Danton und sein Blondchen, die ich nun liebend gern zu Tode foltern würde, hatten offenbar Kontakt mit den Ylors gehabt!

Ich hatte vorerst genügend Informationen. Willy »die Ratte« Ossy verabschiedete sich von den anderen und ging in sein Quartier. Es war klein und roch nach Essen und Fäkalien. In der Mitte seines Wohnraumes stand eine Art Altar mit einer Tigerdecke. Ich wollte gar nicht wissen, was er damit tat, also klinkte ich mich vorerst aus seinen Gedanken aus, um selbst über einiges nachzudenken.

Die Ylors …

12. Entropisches

Constance Zaryah Beccash befand sich auf dem Weg zur Hohen Hexe Adelheid. Sie durchschritt den Palastkomplex auf Som, in dem sich die Entropen eingerichtet hatten. Das runde Gebäude mit den weißen Wänden und hohen Türmen war noch immer an einigen Stellen beschädigt. Baugerüste standen an der Fassade, ganze Flügel waren noch gesperrt und die Trümmer eines der hohen Türme lagen in großen Haufen vor einer Mauer.

Der Regierungssitz der Estarten, zwischenzeitlich der Dorgonen und Quarterialen und nun der Entropen und Estarten hatte in den letzten drei Jahren einiges über sich ergehen müssen. Er wirkte wie ein verblasstes Relikt aus alter Zeit. Die Hauptwelt der Somer wurde zum Zentrum des Intergalaktischen Krieges in jenen Tagen.

Adelheid empfing Constance in ihrem Audienzraum. Sie hatte sich bereits gut eingerichtet. Überall hingen dreidimensionale Fotos von Vögeln, und hier und da flatterte auch einer durch die Gegend.

»Zu schade, dass dieser Sam abgelehnt hat, meiner Sammlung beizutreten. Nun ja. Ah, Constance!«

Überfreundlich begrüßte Adelheid die Lilim.

»Ich mache mir etwas Sorgen um dich. Du solltest Cauthon Despair liquidieren, doch stattdessen bandelst du mit ihm an. Du hast sogar mit ihm verhandelt. Ja, das ist mir nicht entgangen.«

Adelheid blickte Constance gönnerhaft an.

»Und hast du schon deinen geliebten Lydkor vergessen? Er ist wieder da!«

»Was?«

Constance verstand gar nichts. Lydkor war zurück?

»Wo ist Lydkor?«

»Er lebt und ist hier. Das Quarterium hat ihn freigelassen. Jedoch hat ihn Stephanie de la Siniestro manipuliert. Er denkt, das Quarterium sei gar nicht so schlimm. Du wirst ihn wieder auf Kurs bringen und dich von Despair lossagen!«

Die alte Hexe klatschte zweimal in die Hände. Zwei Tertiärentropen brachten Lydkor in die Vogelhalle. Constance schrie vor Freude auf und fiel ihrem Geliebten um den Hals. Er erwiderte ihre Zärtlichkeiten. Sie hatte schon befürchtet, dass er tot war.

»Wie süß! Zwei Liebende, die vom Quarterium verführt werden«, sagte Adelheid sarkastisch. »Ihr müsst euch nun entscheiden. Despair, Stephanie und das Quarterium oder Entropia und eure Liebe. Beides könnt ihr nicht haben.«

Gelassen setzte sich Adelheid auf ihren Stuhl. Constance dachte über diese Worte nach. Lydkor blickte verschämt auf den Boden. Ob er etwas mit Stephanie de la Siniestro gehabt hatte? Der Gedanke machte Constance wütend. Aber Lydkor für Despair aufgeben? Cauthon war ein Mörder, ein Sohn des Chaos. Er symbolisierte alles, was sie von Grund auf verabscheute. Nur weil ihre alte Mentorin sie dazu ermutigte, ihn zu bekehren, hieß nicht, dass es richtig war. Sie wusste es nicht.

Doch sie musste sich jetzt entscheiden.

*

Constance fühlte sich nicht sonderlich wohl, die quarteriale Zone Soms aufzusuchen. Doch sie musste mit Despair noch einmal reden. Das war sie ihm schuldig. Sie machte sich auf den Weg.

Überall wehten Fahnen mit dem quarterialen Emblem. Hologramme wurden auf Hauswände projiziert, auf denen das quarteriale Zeichen zu erkennen waren. Die Straßen wirkten aufgeräumt, deutlich besser gepflegt als der Regierungssitz der Estarten.

Doch überall war die Präsenz des Militärs zu sehen. Bewaffnete Soldaten patrouillierten in jeder Straße. Energetische Sperren hinderten jeden Gleiter am Durchflug und zwangen die Piloten, sich kontrollieren zu lassen. Sicherheit stand hier an erster Stelle. In den Parks standen mobile Abwehrkanonen und Shift-Panzer. Nicht nur die Abwehrbereitschaft moderner Anlagen wurde großgeschrieben, sondern auch die Einsatzbereitschaft zu jeder Sekunde.

Constance erreichte den Palast. Die quarterialen Wachen waren äußerst unhöflich und musterten die Hexe abfällig. Nach endlosen zwanzig Minuten erschien endlich Cauthon Despair am Eingangsbereich.

»Wir gehen in die Gartenanlagen«, sagte er knapp und führte die Lilim in die prächtige Anlage.

»Die Dinge haben sich seit unserem letzten Gespräch zum Vorteil für euch entwickelt«, begann der Silberne Ritter das Gespräch.

»Haben sie das? Mein Freund Lydkor gehörte zu den Angreifern auf die Welt Siniestro. Aber er hat überlebt.«

»Ah, der gefangene Entrope. Ich habe gehört, man hat ihn freigelassen.«

Despair war also informiert.

»Ja, er ist wieder frei! Und ich bin sehr glücklich darüber. Ich gehöre zu ihm.«

Der Silberne Ritter blieb stehen.

»Ich verstehe. Und du bist gekommen, um mir das zu sagen?«

Constance hatte nichts übrig für den Weg des Kosmotarchen MODROR. Sie wollte sich aber auch nicht mit Despair streiten. Es war sinnlos, denn Despair war ein ebenso loyaler Diener MODRORS, wie sie SI KITU treu ergeben war.

»So ist es. Es tut mir leid, dass ich dir vielleicht Hoffnungen gemacht habe, aber es gibt keine. Wir stehen auf den gegnerischen Seiten der Front und keiner von uns wird von seiner Position abweichen. Auch wenn nun kurzzeitig Frieden herrscht.«

Despair schwieg. Constance war sich nicht sicher, was er nun dachte oder fühlte. Bestimmt war er enttäuscht. Sie konnte das gut verstehen, doch es war Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Constance gehörte zu Lydkor. Sie war ihrem Volk verpflichtet und nicht einem quarterialen Massenmörder. Sie war nicht die Person, die dem Silbernen Ritter Absolution erteilte und ihn bekehrte. Diese Rolle war für jemand anderes erdacht, wenn es überhaupt jemandem möglich war.

»Mir ist durch die Rückkehr von Lydkor klar, dass ich ihn liebe. Und dass wir keine Zukunft haben. Es tut mir leid. Sage dich vom Quarterium los, entsage MODROR und ich werde freundschaftlich für dich da sein.«

»Was für eine infantile Ansprache, Hexe! Zuerst schmeichelst du dich ein, gaukelst mir etwas vor und nun lässt du mich fallen. Typisch. Du solltest besser gehen, bevor ich dich enthaupte!«

Constance wurde blass.

»Bitte, bitte. Solch hässliche Worte an so eine Schönheit?«, hörten sie eine Stimme im Hintergrund. Sie gehörte dem neuen Kaiser Dorgons Volcus.

Der Monarch wurde von Osbarus und Kruppus begleitet. Osbarus hielt ein Glas Champagner in der Hand. Kruppus und Volcus beäugten die Hexe mit Wohlgefallen.

»Hallo die Herren Kaiser und Senatoren! Ach, Cauthon witzelte nur etwas herum. Wir sind doch Kumpels«, sagte sie aufgesetzt und versuchte mit ihrer Ausdrucksweise in Männersprache zu kommunizieren. Sie lachte dabei, wippte auf der Stelle von links nach rechts und versuchte ihre Worte mit den eher unbeholfenen Bewegungen zu untermauern.

»Kumpel?«, wiederholte Despair in einem seltsamen Unterton. Volcus I. näherte sich Constance und küsste ihren Handrücken.

»So lieblich. Wollen Sie mich heiraten, edle Lilim? Ich lege Ihnen ein Kaiserreich zu Füßen.«

»Oh, das ist ’ne Menge! Ein Kaiserreich ist viel.«

Constance kicherte, während Despair ungerührt blieb.

Volcus lachte amüsiert. Kruppus glotzte Constance aus seinen Schweinsaugen lüstern an. Die Lilim spürte die Lust bei ihm deutlich. Der Anführer der Prettosgardisten war ihr nicht geheuer.

»Wenn ich nicht schwul wäre, wärst du meine Auserwählte«, sagte er und starrte ihr fest in die Augen, dann in den Ausschnitt.

»Da habe ich ja mal richtig Glück«, gackerte Constance erleichtert.

Kruppus sah sie finster an.

»Ich bin nicht schwul.«

»Dann haben die Männer ja Glück«, gab Despair zynisch von sich. Constance spürte, dass er genervt und enttäuscht war. Was hatte sie falsch gemacht? Sie musste ihm doch die Wahrheit sagen. Einer Freundschaft stand doch nichts im Wege, auch wenn es schwer war. Aber nicht mehr. Doch Despair war sicherlich gekränkt und wütend. Denn er war nun wieder allein. Aynah hatte wohl vorgehabt, dass Constance ihn von dieser Einsamkeit erlösen sollte, doch die Lilim war nicht die Richtige dafür. Sie hatte Lydkor, sie hatte die Entropen und wollte nicht die Frau eines Mörders werden.

Constance wandte sich wieder Volcus zu. Ihn ging ihr Gespräch nichts an.

»Nun, der Quarteriumsmarschall und ich wollten uns etwas unterhalten. Jetzt, da wir einen Waffenstillstand haben, sollten wir unseren vermeintlichen Gegnern zuhören«, meinte sie.

Volcus blickte sie irritiert an. Dann gewann er sein charmantes Lächeln wieder zurück.

»Ich würde mich auch gern mit Ihnen unterhalten. Heute Abend beim Festmahl?«

Constance wurde rot. Kaiser Volcus lud sie zum Essen ein. Wenn das Adelheid und Niada wüssten!

»Es ist mir eine Ehre, Kaiser!«

Volcus küsste erneut ihre Hand.

»Und mir erst. Ihr Antlitz wird den dorgonischen Palasthallen zu ungekannter Schönheit verhelfen. Ich werde Sie davon überzeugen, meine Kaiserin zu werden.«

Constance kicherte sehr verlegen.

»Dann ist unser privates Gespräch wohl hiermit beendet. Guten Tag, die Herren!«, sagte Despair finster und wollte losgehen. Kruppus stand ihm dabei ihm Weg. Despair packte ihn und stieß ihn zur Seite.

»Cauthon! Warte doch!«, rief Constance hinterher, doch der Silberne Ritter hörte nicht auf sie. Sie hatte es wohl endgültig vermasselt. Er reagierte wie ein kleines Kind, nur weil sie die Einladung des Kaisers annahm und nicht verstand, dass sie Lydkor ihm vorzog.

»Och, der geht jetzt wohl heulen. Wir können auch gleich essen, meine Liebste! Außerdem sollten wir auf das gängige Du übergehen. Du darfst mich Gottkaiser nennen, Constance.«

Volcus lächelte milde. Es war so ein charmantes Lächeln. Constance war ganz hin und weg. Sie stimmte zu.

»Na dann Prost«, meinte Osbarus und leerte sein Glas.

*

Der dorgonische Palast war deutlich schöner als das quarteriale Gebäude. Volcus I. bewies Geschmack. Es wirkte nicht so militärisch. Weiße Statuen dorgonischer Kaiser und historischer Persönlichkeiten zierten die Flure und Säle. Dorgonische Landschaftsgemälde hingen an den Wänden. Es war hell, die Farben Gold, Rot und Weiß dominierten die Einrichtung.

Nach einem sehr delikaten Mahl und zahlreichen Komplimenten von Volcus erzählte Constance viel über sich. Das schien ihn sehr zu interessieren. Er gab ihr das Gefühl, dass er sich wirklich um sie kümmerte.

»Und dieses Riff ist also eine Gefahr, korrekt? Es heißt, dass die vielen Todesfälle offenbar auf diese Ylors zurückzuführen sind. Sie sind auf der Jagd«, erklärte Volcus.

Constance stimmte zu.

»Es heißt, dass das Riff großes Unheil bringt. Die Ylors sind sicher die Vorboten des Chaos. Nistant ist neben MODROR die schlimmste Geißel im Universum.«

»Und du gehörst zu den größten Schönheiten des Universums«, sagte Volcus charmant.

Constance wurde wieder rot. Der Kaiser setzte sich direkt neben sie und kam mit seinem Kopf näher an den ihren.

Die Gedanken an Despair waren verflogen, als seine Lippen ihre berührten. Sie spürte seine Hände auf ihrem Körper. Sanft streichelte er ihre Schenkel. Sie lehnte sich zurück. Seine Zunge fuhr über ihre Halsbeuge. Er war so gefühlvoll. Ganz anders als der silberne Klotz Cauthon.

Aber Lydkor! Wieso musste sie jetzt an ihn denken? Wie er sich wohl fühlen würde, wenn er wüsste, was sie hier trieben? Es würde ihm das Herz brechen, wenn er wüsste, dass Volcus im Moment an ihr knabberte. Sie öffnete die Augen und stieß Volcus von sich.

»Nein! Aufhören!«

Volcus sah sie verstört an.

»Es tut mir leid. Ich kann nicht. Ich …«

»Du lehnst einen Kaiser ab? Ich kann dir alles schenken! Gold, Schmuck, Sklaven, ja sogar ganze Planeten! Und unvergessliche sexuelle Abenteuer.«

Constance spürte zum ersten Mal eine gewisse Arroganz im sonst so liebevoll wirkenden Kaiser.

»Ich weiß, danke! Aber das geht mir alles etwas zu schnell. Lydkor …«

Volcus stand auf.

»Du verzichtest auf einen Gottkaiser wegen eines gemeinen Soldaten?«

Constance erhob sich wütend.

»Ja! Ich kann ihm das nicht antun.«

Volcus schwieg.

»Es tut mir leid. Danke für das Essen und meine besten Empfehlungen an das dorgonische Volk.«

Constance verließ mit schnellen Schritten den Palastsaal. Sie wusste nicht mehr, was sie tun oder denken sollte. Sie hatte soeben wohl die vorteilhafteste Partie, die es gab, ausgeschlagen, und ihr dämmerte, dass sie ab jetzt einen Feind hatte. Doch sie gehörte zu Lydkor. Das wusste sie nun definitiv. Weder ein Volcus noch ein Cauthon Despair konnten das ändern!

13. Boten des Chaos

Cauthon Despair

Ich blickte traurig auf die Stadt Som herab.

Meine Gedanken kreisten um Constance!

Mir vorzustellen, dass sie es mit Kaiser Volcus oder diesem stumpfsinnigen Entropen Lydkor trieb, kostete mich beinahe den Verstand. Ich war wütend und traurig zugleich, hätte sie am liebsten auf Knien angefleht, es nicht zu tun. Und doch war wieder der Zorn in mir, der mich durchaus dazu bringen könnte, dieser kleinen Hexe ihr Köpfchen abzuschlagen.

Immer wieder wurde ich bitter enttäuscht. So sehr wünschte ich mir Liebe und Hoffnung, doch es war in meinem Leben nicht vorgesehen. Schon damals, als Brettany und ich uns näherkamen, war ich bereit gewesen, mein Leben zu ändern! Als sie mir klar machte, dass sie keinen Mörder lieben konnte, blieben die Zweifel an MODROR dennoch. Aber es gab nichts, was mich von meinen Taten abhielt.

Die Ermordung von Commanus, Arimad und all den anderen. Die Auslöschung der Senatoren auf Dom, der Verrat an der Liga Freier Terraner, der erbitterte Krieg in der Lokalen Gruppe.

Erst als mir ausgerechnet Anya Guuze in M 87 ins Gewissen redete und mir die tapsige Hexe Constance über den Weg lief und groß erklärte, sie hätte den Auftrag, mich zu erretten, hatte ich tatsächlich Mut geschöpft, die Dinge zu verändern.

Womöglich änderten sich die Dinge wirklich. Ein Frieden stand vor der Tür. Das Quarterium hatte die Chance, sich von seinen Verbrechen loszusagen. Wir mussten die Artenbestandsregulierung abschaffen, die Übeltäter bestrafen und Buße tun.

Doch war ich bereit, für meine Verbrechen einzustehen? Nein! Zu viel Blut hatte ich vergossen, als dass es so enden durfte. Ich würde vor Rhodan nicht zu Kreuze kriechen! Ein ehrenvoller Frieden war Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden. Und tatsächlich hatte es uns der so friedliebende Rhodan möglich gemacht. Die Bedingungen waren akzeptabel und verhinderten vermutlich unseren Untergang. Zum jetzigen Zeitpunkt wären wir den 300.000 Schlachtschiffen des Feindes nicht gewachsen. Sie würden Cartwheel bezwingen.

Und wieder dachte ich an Constance. Sie wälzte sich vermutlich zu dieser Stunde mit Volcus oder ihrem Lydkor im Bett. Der Gedanke daran schmerzte so bitter. Mein Herz brannte. Doch ich würde mich nicht in Tatenlosigkeit ergeben. Es würde mir ein Vergnügen bereiten, eines Tages die Entropen und den Kaiser auszuradieren. Volcus und Constance würden mit ihrem Leben dafür bezahlen!

»Finstere Gedanken?«

Ich hatte die Anwesenheit meines Bruders des Chaos gar nicht wahrgenommen. Zu sehr war ich mit Constance beschäftigt.

Ich drehte mich um. Cau Thon schenkte mir ein feines Lächeln. Ich konnte es nicht erwidern.

»Wo wart ihr? Wir hätten MODRORS Hilfe in der Lokalen Gruppe gut gebrauchen können!«

»Ich weiß«, sagte Cau Thon leise. »Eine Million unserer Raumschiffe wurden im Kreuz der Galaxien vernichtet. Rodrom versagte kläglich in Manjardon. Und doch verlangt MODROR, dass wir ihn befreien.«

Das klang nicht erfreut. Ich glaubte Cau Thon. Er war auf gewisse Art und Weise immer ehrlich gewesen. Kein geisteskranker Sadist wie Rodrom oder Goshkan.

»Wo befindet sich Rodrom?«

»Die Alysker halten ihn auf einem Raumschiff gefangen. Medvecâ, der Fürst der Ylors, steht mit Rodrom mental in Verbindung. MODROR ist nicht willens, ihn aufzugeben.«

Medvecâ! Demnach arbeiteten die Ylors und MODROR zusammen. Vielmehr dienten sie ihm, vermutete ich.

»Wir werden also den Irren befreien«, sagte ich trocken. »Und dann?«

»Vorher wird MODROR das Blatt zu unseren Gunsten wenden. Durch den Verlust seiner gigantischen Flotte ist er zwar militärisch vorerst eingeschränkt, aber nicht handlungsunfähig.«

Cau Thon schmunzelte.

»Noch fühlt sich Perry Rhodan sicher. Doch in wenigen Tagen wird sich alles ändern. Kehre nach Cartwheel zurück und warte auf mein Zeichen. Es wird nicht zu übersehen sein.«

Cau Thon sprach wieder einmal in Rätseln. Und doch wusste ich, dass sehr bald Perry Rhodan und seine Verbündeten der todbringende Zorn des Kosmotarchen MODROR treffen würde …

Chaos

18. März 1308 NGZ, Inhaftierungsraumschiff KFN-7-15-4739

Spieglein, Spieglein an der Wand. Wer ist der Dümmste im ganzen All?

Willy, die Ratte! Niemand ist tausendmal dümmer als er!

Sein Leben zu beobachten, ja es gar zu fühlen, seine dümmlichen Gedanken zu lesen, das war Schwerstarbeit.

Natürlich konnte ich es nicht lassen und forschte in seinem Inneren. Sein Tigeraltar war sein Heiligtum und der Pelz so schön flauschig bei seinen Liebkosungen. Dieser Willy war ein armer Wicht. Allein und traurig. Aber zu gutmütig, um aus seiner festen Welt auszubrechen. Lieber spielte er weiterhin den Trottel.

War er wirklich solch ein Trottel oder spielte er es?

Vermutlich! Und doch war dieser Tor vermutlich mein Weg in die Freiheit. Er war so herrlich labil. Labile Menschen waren besonders empfänglich für Manipulationen.

Durch ihn hatte ich bereits einiges herausgefunden. Ich befand mich also auf dem Kosmokratenraumschiff mit der einfallsreichen Bezeichnung KFN-7-15-4739.

KFN für Kosmokratenflotte Nesjor. Die 7. Flotte, 15. Brigade, das 4739. Raumschiff.

Die 15. Brigade hielt sich zwischen Som-Ussad und Som auf. Sie befand sich mit Absicht abseits der wichtigen Welten. Eorthor wollte mich offenbar verstecken. Immerhin wurde ich von 4999 anderen Raumschiffen bewacht. Es war unwahrscheinlich, dass eine verbündete Flotte mich befreite.

Nein, nein, nein! Die Befreiung musste anders vonstattengehen. Ich betrachtete mich im Spiegel und zog aus lauter Langeweile Grimassen. Die Wachmannschaft wusste sicher von meinen Gesprächen mit Willy, hatte sie vielleicht sogar abgehört. Was sie jedoch nicht ahnten, war, dass er unter meinem Einfluss stand. Ich musste mich nicht mehr mit Willy unterhalten – ein mentaler Befehl genügte.

Im Rahmen des Waffenstillstandes sollten tatsächlich quarteriale Soldaten gegen Ligaterraner ausgetauscht werden. Willy wusste zu berichten, dass auch Gefangene der KFN-7-15-4739 entlassen werden sollten. Nun, wenn das keine Einladung zur Flucht war, was dann?

Der kleine, dumme Willy war ein williges Werkzeug in meinen Händen. Er wusste nicht, wie viel Macht er in Wirklichkeit besaß. Allerdings nur durch die Übertragung meines Geistes.

Mein Geist, mein göttliches Ego, war noch immer weitaus stärker als alle Kreaturen dieser Galaxie zusammen! Bald würde ich wieder frei sein und dann würde diese Galaxie erneut im Chaos versinken!

Ich versuchte, meine Haare etwas zu richten und die lichten Stellen auszumerzen. Wurde ich auf meine alten Tage noch eitel? Dabei war die körperliche Erscheinung so unbedeutend! Wie gern würde ich all diese nutzlosen Fleischklumpen von der Last ihres bedeutungslosen Lebens befreien, und mich zuerst! Ich klatschte in die Hände. Alle auf einmal wie Fliegen mit einem Handschlag zerquetschen. Die ganzen impertinenten atmenden Würmer zu einem toten Brei zerkleinern, und mein eigenes Bewusstsein erstrahlen lassen.

Chaos! Die Zerstörung der Ordnung! Nur so konnte dieses Universum noch gerettet werden.

Ich verstand diese Sterblichen nicht. Sie taten so moralisch hochstehend und verpönten Tod und Gewalt! Dabei waren sie teilweise grausamer als ich selbst. Sie töteten, mordeten, betrogen tagtäglich. Jeden Tag eine schlechte Tat zu begehen, schien das Motto aller Fleischlichen zu sein.

Dieses dunkle Potential war eigentlich herrlich. Und trotz aller Brutalität gab es immer wieder unzählige Kreaturen, die sich für Friede, Freude und Eierkuchen einsetzten.

Perry Rhodan war einer dieser ekelhaften Antihelden! Und im Moment befand er sich auf der Siegesstraße! DORGON war geheilt, die Eroberung und somit Manipulation der Terraner in der Milchstraße gescheitert. Eorthor, Aurec, Rhodan und die Entropen hatten die Oberhand gewonnen. Doch sie wussten nichts! Sie hatten keine Ahnung von den wahren Plänen meines Meisters! Noch war absolut gar nichts verloren!

Nein, MODROR hatte solch starken Widerstand sogar erwartet. Im Gegensatz zu anderen Hohen Mächten und eitlen Möchtegerneroberern unterschätzte er weder DORGON noch Perry Rhodan und seine Gefährten! Rhodan mochte zwar ein kleines Rädchen im Universum sein, doch er verstand es, das Getriebe immer wieder zum Stoppen zu bringen.

*

Klick, klack – Perry Rhodan ist ein Sack!

Oh, so langsam schien mein Verstand selbst in den Nebel des Chaos zu versinken. Das war wenig verwunderlich, denn Willy Ossy kostete mich jeden Nerv. Dieses bedeutungslose Wesen war so einfach, so langweilig und nervenaufreibend uninteressant.

Doch es gab eine Alternative zu Ossy. Dank der mentalen Überwachung dieses Vollidioten war es mir gelungen, die Gedanken anderer Wesen aufzuspüren. Durch Willys Berichte wusste ich, dass die Ylors in Siom Som bereits aktiv waren.

Medvecâs Geist war stark. Er strahlte wie ein Leuchtfeuer. Doch erst die Gedanken und Empfindungen seiner wahrlich diabolischen und sadistischen Braut Natalia hatten mich auf ihn aufmerksam gemacht. Was war nur aus der biederen, braven Nataly Andrews geworden? Das Vorzeigeweibchen war zu einer Bestie mutiert. Herrlich! Chaos war verführerisch. Wieso braver Blümchensex, wenn man die Ektase aus Lust, Gier und Tod in vollen Zügen auskosten konnte?

In Natalias Gedanken zu lesen, ihre Empfindungen zu spüren, war die reinste Wonne für mich. Besonders gefiel mir die Geschichte, in der sie ein ganzes Dorf auf dem Rideryon ausradierte. Sie quälte einen Behinderten und tötete ihn grausam. Welch Hochgenuss!

Nur diese Pyla hatte überlebt. Das war das Mädchen, welches bei Danton war. Sie entflammte meine Phantasie. Wie sehr wünschte ich mir, dass ich auch endlich wieder jemanden töten konnte. Ganz langsam natürlich. Ich wollte zuerst die Angst spüren. Das war das Vorspiel. Die Qualen des Opfers durchleben, die Furcht in den Augen lesen, das schnelle Pochen des Herzens hören und das Zittern des Körpers fühlen. Und dann ging es erst richtig los. Langsam würde ich mein Opfer ausweiden. Mir reichte ein Messer. Es musste nicht einmal spitz sein. Das machte noch mehr Spaß!

Medvecâ wusste, wo ich mich befand. Sollte mein Plan mit dem debilen Terraner scheitern, würde ihm etwas einfallen.

Nein, noch besser! Wieso nicht beide zusammenführen? Willy besaß eine Codekarte und Medvecâ einen überragenden Intellekt und technologisches Wissen! Außerdem hatte er die DNS eines Alyskers, irgendwie zumindest.

Er würde mich befreien! Und das würde ein Blutfest werden. Ich atmete tief durch. Die Zeit der Lähmung verrann für mich. Bald würde ich frei sein.

*

Tick, tack – Perry Rhodan ist immer noch ein Sack!

14. Bestimmungen

18. März 1308 NGZ, IVANHOE II

Gal’Arn machte sich Sorgen um das Wohl seines ehemaligen Schülers Jonathan Andrews. Schon lange sah er sich nicht mehr direkt als Mentor von Jonathan, denn er war in Gal’Arns Augen bereits ein würdiger Ritter der Tiefe von Shagor. Doch als Freund machte er sich Sorgen! Der Verlust von Nataly hatte ihn in ein tiefes Loch gerissen. Er war geradezu manisch-depressiv. Einmal sinnierte er deprimiert über seine ehemalige Frau, dann war er trotzig heiter und wollte es der Frauenwelt beweisen. Dass er dabei oftmals peinlich und unwürdig wirkte, störte ihn selbst wenig.

Gal’Arn versuchte, Andrews mit Unterweisungen, Übungen und Meditation zu stabilisieren. Doch bisher fehlte der Erfolg. Andrews hatte längst nicht mit Nataly abgeschlossen. Es war auch schwer möglich. Sobald die Expedition ins Riff startete, würden sie sich vermutlich über den Weg laufen. Was dann geschah, würde wahrscheinlich wenig erfreulich werden.

Um selbst einen klaren Kopf zu bewahren, übte Gal’Arn in einem Trainingsraum auf der IVANHOE II den Schwertkampf. Diese Übungen entspannten ihn. Anschließend wollte er über der Holographie eines Sternenhimmels meditieren. So fühlte er sich dem Kosmos sehr nahe.

Während seiner Trainingseinheit betrat eine weibliche Person den Trainingsraum. Der Ritter der Tiefe erkannte in der blonden jungen Frau die Rideryonin Pyla.

Sie grüßte freundlich und kam auf ihn zu. Gal’Arn beendete seine Übung und senkte das Caritschwert.

»Wie geht es Ihnen? Und ich wollte fragen, wie es Jonathan so ergeht. Er wirkt ja ziemlich traurig.«

»Danke für die Anteilnahme, junge Dame! Er wird mit der Zeit über die Wandlung seiner Gefährtin hinwegkommen. Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg. Nataly ist jetzt ein Feind. Das erschwert die Situation sehr.«

Pyla nickte.

»Ich kannte sie immer nur als Feind. Naja, und was machen Sie so?«

Gal’Arn hatte das Gefühl, dass Pyla langweilig war. Auf der anderen Seite war sie neugierig oder wissbegierig. Eine lobenswerte Eigenschaft. Immerhin versuchte sie, die neue Welt zu erforschen und sie kennenzulernen.

»Ich trainiere. Ein Ritter der Tiefe von Shagor muss den Kampf mit dem Schwert beherrschen. Anschließend wollte ich etwas meditieren.«

»Ja, meditieren kann ich auch ganz gut. Obwohl ich dabei meistens einschlafe. Ich bin halt eine Nudel manchmal. Man kann hier so viel machen und doch fehlt mir etwas.«

»Eine Aufgabe?«

Pyla nickte.

»Ich bin nun schon mehr als zwei Monate meistens auf der IVANHOE. Es ist interessant, diese neuen Dinge kennenzulernen. Trivid, Radio, Musikdatenträger, Hologramme, Computerspiele, Duschen ohne Wasser und all das. Aber irgendwie möchte ich auch was Sinnvolles tun. Nur hat Admiral Jeamour …«

Sie druckste etwas herum. Gal’Arn schmunzelte. Er forderte die Syntronik auf, zwei weiche Schemel aus Formenergie herzustellen. Als das geschah, bat er Pyla, Platz zu nehmen.

»Jeamour hat keine Verwendung für dich?«

»Ne, ich glaube, der mag mich nicht so sehr. Er meinte, ich sei eine Ablenkung für die Crewmitglieder. Das verstehe ich nicht.«

»Nach welcher Art von Aufgabe suchst du?«

»Weiß nicht! Ich möchte nichts Stumpfsinniges machen. Etwas Spannendes, Soziales. Ich will mein Ding durchziehen und machen, was ich will!«

»Einer Berufung folgen und seinen Willen durchsetzen, sind zwei verschiedene Dinge«, belehrte sie Gal’Arn.

Pyla sah ihn fragend an.

»Aber ich kann doch tun, was ich will! Ist doch mein Leben. Da muss ich doch nicht Rechenschaft ablegen!«

»Doch! Sieh mal, deiner Bestimmung folgst du aus dem Herzen heraus. Weil du fest daran glaubst, es sei dein Schicksal. Es erfüllt dich innerlich mit Glück und Zufriedenheit.«

Der Ritter machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. Pyla sah ihn mit ihren großen blauen Augen an.

»Doch es ist ein gefährlicher Grad, wenn man glaubt, dass man tun und lassen kann, was man will. Es kann zu Rücksichtslosigkeit führen. Damit verletzt du andere und verlierst irgendwann deine Werte und Prinzipien. Verstehst du das?«

»Hm, ich glaube schon.«

Sie schaute nachdenklich drein und stand dann auf.

»Vielen Dank, Herr Ritter der Tiefe. Ich werde dann mal etwas darüber grübeln. Man sieht sich, wie das bei den Terranern heißt.«

Gal’Arn verneigte sich und blickte der Buuralerin nachdenklich hinterher. Dann führte er sein Training fort.

15. Trommeln für den kosmischen Ausgleich

20. März 1308 NGZ, SOLARIS STATION

Joak Cascal las die Nachricht wieder und wieder. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte er sich annähernd glücklich. Die Mitteilung seines alten Freundes ließ ihn Hoffnung schöpfen. Er hatte ihn richtig vermisst. Sie waren durch dick und dünn gegangen.

Nun befand sich Sandal Tolk auf dem Weg zur SOLARIS STATION. Sein alter Weggefährte war nach fast einem Jahr Kur auf dem Weg der Besserung und wollte unbedingt wieder ins Geschehen eingreifen.

Genüsslich stieß er mit Jonathan Andrews an und nahm einen Schluck aus der Bierflasche. Die beiden saßen an einer der vielen Bars auf dem Promenadendeck von SOLARIS STATION.

Es war 14:30 Uhr. Da hieß es eigentlich »kein Bier vor vier«, aber nachdem ja nun Friede, Freude und Eierkuchen eingekehrt waren, hatte Cascal sowieso nichts zu tun. Er verstand Rhodan nicht. Man hätte mit Eorthor und den Entropen einfach in Cartwheel einfallen sollen. Stattdessen kroch man diesem Massenmörder de la Siniestro und seiner Clique in den Hintern!

Rhodan war schon immer ein viel zu blinder Pazifist gewesen. Um Menschenleben zu schützen, ließ er die Mörder Abermillionen von Lebewesen ungestraft davonkommen. Cascal hätte dieses ganze Pack, allen voran Despair, zur Rechenschaft gezogen. Und nebenbei auch diesen widerlichen Krizan Bulrich. Wie konnte sich Anya nur wieder mit ihm versöhnen? Das war ihm unverständlich!

Cascal seufzte. Dann erkannte er in einer Eskorte von quarterialen, kaiserlichen Gardisten die Verlobte von Orlando de la Siniestro. Uthe Scorbit! Die hatte sich ziemlich verändert seit jener Zeit, als sie Cascal und Tolk damals aus der Raumzeitfalte gerettet hatte. Das war nun 17 Jahre her. Uthe war eine schöne Frau, auch wenn sie sich zu alt kleidete. Sie wirkte mit ihrer hochgesteckten Frisur, ihrer Brille und der zwar figurbetonten, aber sehr prüden Kleidung stets etwas lehrerhaft. Man musste sozusagen unter die Oberfläche zu sehen versuchen, dachte er sich und grinste in sich hinein.

Uthe erkannte Cascal und Andrews und ging zu ihnen.

»Hallo, Tag! Wie geht es euch?«, fragte sie höflich, mit einem Lächeln, dass Joak zu aufgesetzt wirkte.

»Beschissen, Uthe! Ach Uthe, schön, dass du da bist. Ich brauche Trost«, jammerte Jonathan.

»Och, was ist denn los?«, fragte Uthe und streichelte seine Schulter. Dabei kicherte sie wieder überschwänglich.

»Nataly ist ein Vampir geworden und hat mich verlassen.«

»Ach so. Das wusste ich ja gar nicht. Na, das tut mir aber leid. Und sonst?«

Joak hätte sich beinahe an seinem Bier verschluckt bei so viel Oberflächlichkeit. Die Scorbit hatte sich offenbar an den quarterialen Hof gewöhnt. Ob Rosan Orbanashol genauso geworden war? Joak konnte es sich nicht vorstellen.

Uthe war immer eine biedere Frau gewesen, die das Abenteuer hasste. Deshalb hatte sie vor neun Jahren ihren Ehemann Remus gedrängt, nach Terra zu ziehen. Doch Remus hatte einige Jahre später einen Job auf SOLARIS STATION angenommen und schon waren sie wieder in Abenteuer verwickelt. Es kam zur Scheidung und Uthe warf sich Orlando de la Siniestro an den Hals.

Einem Feind! Und an ihn hatte sich Uthe gewöhnt. Oder hatte sie sich verändert?

Jonathans Verlust war zu schmerzhaft für so etwas. Sie blickte um sich.

»Hach, diese Station habe ich eigentlich gar nicht vermisst. Aber ich wollte etwas einkaufen. Terranische Mode und so weiter. Das Leben am Hof ist wirklich anstrengend. Bin sehr viel unterwegs. Aber alles klasse. Und nun haben wir endlich Frieden.«

Jonathan war inzwischen dem Ruf eines Blues gefolgt, der mit gebrochener Stimme fragte: »Wolle Rose kaufe?« Andrews schenkte Uthe die Blume.

»Wollen wir uns mal wieder treffen? Nur so zum Reden?«

Uthe kicherte verlegen.

»Och, das ist aber lieb von dir. Aber nein, danke! Ich muss auch gleich wieder weiter. Viel zu tun.«

Sie seufzte.

»War nett, mit euch geplaudert zu haben. Auf Wiedersehen!«

Uthe kehrte in die Mitte der Gardisten zurück und flanierte weiter über das Promenadendeck. Joak blickte ihr kopfschüttelnd hinterher. Wie konnte sich ein Mensch so verändern? Die Macht des Quarteriums schien offenbar auf viele zu wirken. Es ging Joak nicht den Kopf, wieso vernünftige Terraner sich diesem Regime anschlossen. Aber es gab immer noch zahlreiche Wirrköpfe, die im Quarterium eine Art legitimen Nachfolger des Solaren Imperiums sahen. Von Uthe hatte er mehr erwartet.

»Das war wohl ein Korb«, meinte Jonathan konsterniert. Er stürzte den Inhalt seines Glases hinunter und seufzte tief. »Blöde Kuh!«

Cascal fiel kein flotter Spruch ein. Da waren sie nun, die Helden und Heroen der Terraner und Alliierten. Sie hockten in einer Einkaufsmeile, tranken und trauerten ihren Holden hinterher. Fehlte eigentlich nur noch Aurec als Dritter im Bunde, doch der klammerte sich verzweifelt an die bevorstehende Riff-Expedition, um Kathy zu retten. Vermutlich hatte Eorthor recht und es gab keine Hoffnung mehr für Scolar. Aurec gab sich einer Illusion hin und würde bald auf dem Boden der Tatsachen landen. Dann könnten sie zu dritt hier hocken und sich besaufen, bis die Reinigungsroboter sie aus dem Gebäude schleiften.

Monotone Geräusche auf einer Empore des Promenadendecks ließen Joak aufhorchen. Eine bunt zusammengewürfelte Menge stand vor einem verschwitzten, dicklichen Terraner und hörte ihm beim »kosmischen« Trommeln zu. Dieser Grimm T. Caphorn geisterte schon seit Tagen auf SOLARIS STATION herum und warb für seine »Kosmogeniale Idee«. Er wollte offenbar mit seinem Sender »Channel KosmoGenial« ins ganze Universum senden und die frohe Botschaft vom Zeitalter des Riffs verkünden. Ein Spinner, weiter nichts!

Cascals Blick wanderte zu einem Dreiergrüppchen. Wo er gerade an Spinner dachte: Mit heiterem Lächeln kamen ihnen Roi Danton, die kokette Pyla und Elyn entgegen. Ob die auch einen Einkaufsbummel machten? Nun, für Pyla war das ganze Leben zwischen den Sternen sicherlich aufregend.

»Bonjour, ihr trüben Gestalten. Grämt ihr euch immer noch?«, fragte Danton wenig diplomatisch.

»Hättest du besser auf meine Nataly aufgepasst, wäre das alles nicht passiert. Vermutlich wäre dann auch noch Pylas Familie am Leben«, beschuldigte Andrews Rhodans Sohn. Der wurde schlagartig ernst. Die Anschuldigung ging ihm an die Nieren.

»Wäre es mir möglich gewesen, diese Untaten zu verhindern, ich hätte es getan. Doch Nataly ging aus freien Stücken zu Medvecâ! Sie hat ihr Schicksal selbst gewählt und mir keine Chance gelassen, sie daran zu hindern!«

»Die Schlampe kann mich mal. Hallo, Pyla! Wie wäre es mit uns beiden?«

Die Rideryonin grinste verlegen, doch Elyn stellte sich schützend vor sie.

»Denk nicht mal dran, Jonathan! Was soll das? Nutze nicht ihre Verwirrtheit aus, weil sich ihr komplettes Leben geändert hat.«

»Ich bin doch auch verwirrt, weil sich meins verändert hat …«

»Wollen wir nicht lieber einen von euren leckeren Vurguzz trinken?«, schlug Pyla vor, offenbar unbeeindruckt von Elyns Psychoanalyse.

»Gehen wir lieber etwas essen«, meinte Jonathan und stand auf.

*

Der Weg führte sie in ein angesehenes Lokal, in dem allerdings auch Uthe Scorbit dinierte. An ihrer Seite war Judta Mykke, die Frau des Arbeitsministers Diethar Mykke. Keine nette Gesellschaft. Uthe wirkte etwas verstört, als sie die Gruppe sah, grüßte aber freundlich und konzentrierte sich dann wieder schnell auf ihr Essen.

»Wie kann man nur so verräterisch sein. So eine Schlange!«, jammerte Jonathan. »Und außerdem würde ich sie gern mal …«

»Ruhe jetzt«, herrschte Elyn ihn an.

Der Ober brachte die fünf an einen Tisch mit gutem Ausblick auf das Sternenportal. Jeder bestellte sich etwas zu essen und die entsprechenden Getränke.

»Puh, es ist ganz schön schwer, sich hier zurechtzufinden. Aber alle sind sehr nett zu mir. Das muss ich schon sagen«, meinte Pyla.

»Hier ist es zu nett«, fand Danton. »Garçon! Wir wünschen, mit den quarterialen Delegierten zu speisen. Stellen Sie doch bitte die Tische zusammen!«

»Merci«, fügte Pyla grinsend hinzu. »Ja, ich und meine Hypnoschulungen. Die sind sehr gut zu mir.«

Cascal war schon öfter aufgefallen, dass die Rideryonin gern Dinge so ansprach, als wären es lebende Wesen. Zweifellos war Pyla eine interessante Frau. Ziemlich erfrischend. Vor allem, wenn man sich die beiden verdutzten Visagen der quarterialen Weibsbilder Mykke und Scorbit ansah, als der Kellner ihnen Dantons Wunsch mitteilte. Widerwillig stimmten sie zu.

Trotzdem mochte Joak das Essen, als es endlich serviert wurde, nicht richtig schmecken. Es herrschte eine peinliche Stille am Tisch, die Roi Danton jedoch offenbar amüsant fand.

»Nun, meine Damen, ich bin gespannt, was uns die Zukunft bringt. Ihr Gatte wird den Arbeitsmarkt neu strukturieren müssen, da nun die ganzen Sklavenarbeiter wegfallen.«

»Also das ist doch die Höhe. So etwas muss ich mir nun wirklich nicht bieten lassen!«, ereiferte sich Judta Mykke.

»Ich muss auch sagen, dass es ziemlich unhöflich ist«, meinte Uthe. »Ich habe das Quarterium nun über Monate hinweg kennengelernt. Es ist nicht alles falsch dort. Es gibt schlechte, aber auch sehr nette und gute Menschen dort.«

»Vielleicht Lagerkommandant da Gohd?«, entgegnete Cascal bissig.

»Was für ein Lager kommandiert der Gute denn?«, wollte Pyla wissen.

»Ein Todeslager«, antwortete Joak.

»Ups! Wieso wird der Mann denn nicht verhaftet?« Pyla schüttelte verständnislos den Kopf.

»Das ist eine berechtigte Frage«, meinte Joak und blickte Judta und Uthe vorwurfsvoll an.

»Das ist ja eine reine Hetzkampagne! Ich beschwere mich bei der LFT-Botschaft über Sie, Cascal!«

Judta Mykke warf ihre Serviette wütend auf den Tisch. Der Angesprochene grinste.

»Zu dumm, aber das Quarterium hat alle LFT-Mitarbeiter in Cartwheel entweder ausgewiesen oder interniert. Sie können sich bei keinem beschweren.«

Mykkes Blick wurde finster. Dann fing sie an zu schluchzen. Elyn, Jonathan und Pyla sahen sich verstohlen an.

»Pöh, wenn die Frau mit so einem Mörder unter einer Decke steckt, kann sie heulen, bis sie dehydriert«, meinte die Buuralerin in ihrer gewohnt leichtfertigen Art.

Uthe schüttelt empört den Kopf.

»Kein Wunder, dass das Ansehen der Liga Freier Terraner so gelitten hat, wenn unterbelichtete Freudenmädchen hier nun das Wort ergreifen dürfen!«

Sie warf einen finsteren Blick auf Pyla. Die setzte sich sehr gerade hin.

»Offenbar hat Joak recht. Im Quarterium leben nur böse Menschen«, erwiderte die Rideryonin leise.

Nun fing Roi Danton an zu lachen.

»Genau das hatte ich mir gewünscht, als ich bat, die Tische zusammenzurücken. Was gibt es Schöneres als schlechte Stimmung und derbe Sprüche beim Essen? Fast wie eine Familie!«

Der gatasische Kellner brachte Getränke. Zu Cascals Freude stellte er ihnen gleich zwei Flaschen Vurguzz hin. Doch auch Danton, Jonathan und Pyla freuten sich über die Ankunft des grünen Schnapses.

Nachdem sich jeder eingeschenkt hatte, deutete Pyla auf eine Gruppe, die gerade das Restaurant betrat.

»Das ist doch dieser Wahrsager, der über das Rideryon trommelt«, meinte sie. »Wollen wir ihn mal fragen, woher er das alles weiß?«

Cascal hatte wenig Lust auf noch mehr Verrückte am Tisch. Natürlich sah das Roi Danton ganz anders. Er stand auf und schlenderte zu der illustren Runde, die sich gerade nach einem freien Tisch umsah. Ein Blue, ein Unither, ein Springer und zwei unglaublich hässliche Schachteln. Schließlich gesellte sich Caphorn zu ihnen. Er war verschwitzt, die Haare wirr und ungewaschen. Wild schnaufte er vor sich hin, als er die Tischrunde begrüßte.

Danton stellte die anderen vor. Caphorn war besonders zu den Damen freundlich. Als er erfuhr, dass Pyla aus dem Riff stammte, sah er sie ehrfürchtig an.

»Und Sie habe den Gottle Nistant bereits getroffe? Hauhauhau! Des isch a Ding! Zu mir tut er immer spreche tun. Isch kriege imme eine Epidemie von ihm im Schlafle.«

Er meinte vermutlich Epiphanie. Auf Cascal machte dieser Caphorn eher den Eindruck eines Spinners.

»Nun, erzählen Sie uns bitte über Ihre Visionen und Ihr eigentliches Ziel.«

»Ach wisschen Schie, es ischt scho so spät. Der Nistant hat mir gesagt tun, dasch isch nach Som soll. Noch heute! Aber isch lade Sie alle herzlich auf mein Schiffle, der CAPTAIN TOM, ein! Kommen Sie morgen zu mir, dann erzähle ich alles.«

Er warf einen Blick auf Pyla.

»Besonders willkommen ischt ein Kind desch Riffs. So schön wie eine zarte Blume im Schwarzwald. Du muscht komme, kloines Riffkindle. Du bischt ein geschegnetes Kind.«

Pyla starrte den Sektenguru mit verkniffenem Gesicht an, so als würde sie ihn für einen Idioten halten, womit sie nicht einmal Unrecht hatte. Caphorn verabschiedete sich und ging eiligen Schrittes zu seinen Leuten. Pyla schüttelte den Kopf.

»Ich habe kaum etwas von dem verstanden, was er gesagt hat. So eine seltsame Sprache. Aber ich soll irgendwohin, richtig?«

»Ja, er hat dich auf sein Raumschiff eingeladen.«

»Na, das überlege ich mir lieber noch einmal genau. Allein will ich dort sowieso nicht hin.«

»Es wird sich bestimmt jemand als Begleitung finden. Wir sollten diesen Kerl beobachten. Oftmals stecken hinter solchen skurrilen Geschichten interessante Geheimnisse«, erklärte Danton.

»Wir lassen Sie jetzt mit Ihren Verschwörungstheorien allein«, meinte Judta Mykke und stand auf. Uthe erhob sich ebenfalls und verabschiedete sich sehr kühl von allen.

Cascal stimmte Danton zu. Es gab schon oftmals harmlos wirkende Irre, die gefährlich waren. Pyla sollte die Einladung irgendwann annehmen. Vermutlich würde er sie begleiten. Zumindest hatte er dadurch eine Aufgabe.

Die Gruppe verließ das Restaurant, begab sich zu den Hangars und stieg in ein Beiboot, welches sie durch das Sternenportal zur IVANHOE II brachte. Joak Cascal hatte ein komisches Gefühl, als er einen Blick auf SOLARIS STATION warf. So, als würde er diese Station nie wiedersehen.

16. URUNGAAR

22. März 1308 NGZ, Som

Perry Rhodan sinnierte über die letzten Tage. Bei ihm und seinen Verbündeten machte sich Erleichterung breit, während der Emperador und seine Begleiter an diesem Tag Siom Som in Richtung Cartwheel verließen. Die Waffenruhe war unterzeichnet und der intergalaktische Krieg vorerst beendet.

Mit einem Festakt war der geschlossene Waffenstillstand zelebriert worden.

Perry Rhodan wurde von den Medien als Friedensstifter gewürdigt. Ganz so optimistisch waren Rhodan, Aurec und Sam jedoch noch nicht. Der Waffenstillstand mit dem Quarterium musste sich erst noch bewähren.

»Ich hoffe, das Quarterium meint es wirklich mit der Waffenruhe ernst und wir bekommen bald einen dauerhaften Frieden«, sagte Sam noch etwas sorgenvoll.

»Wir hoffen es, aber bei de la Siniestro und seinem Hofstaat weiß man nie, was wirklich in deren Köpfen vorgeht«, meinte Perry Rhodan. »Jedenfalls lasse ich 15.000 Schiffe der Terranischen 8. Flotte unter dem Kommando von Joak Cascal und Admiral Higgins vorläufig bei Som-Ussad stationieren.«

»Auch ich werde 100.000 Schlachtschiffe in Siom Som stationieren. Dies habe ich mit Aurec abgesprochen«, erklärte Eorthor. »Es ist noch nicht abzusehen, wie MODROR auf diese Entwicklung reagiert.«

»Erfreut wird der bestimmt nicht sein«, vermutete Aurec, der am liebsten sofort zum Riff aufgebrochen wäre.

Doch der Saggittone wusste, dass er noch Geduld aufbringen musste.

*

Während der nächsten beiden Tage bereitete Aurec auf der IVANHOE II seine Expedition vor.

Der mächtige SUPREMO-Raumer hatte einen Durchmesser von 2500 Metern ohne Ringwulst. Mit dem Ringwulst, welcher in einem zylinderförmigen Ende mündete, war die IVANHOE II 3000 Meter lang. Sie gehörte zum Typ SUPREMO A-Spezial. Nur die EL CID war größer. Sie verfügte über ein Metagrav-Triebwerk und ein dorgonisches Tachyonen-Triebwerk.

Mit 250 Transform-Geschützen, 500 MVH-Geschützen, dem dorgonischen Hypertron-Impulser, Semi-Transit-Feld und Transonator glich die IVANHOE II einer fliegenden Kampfstation. Jedoch konnte das volle Potenzial selten genutzt werden, da für den SUPREMO-Raumer meist zu wenige Crewmitglieder zur Verfügung standen, vor allem, um die 20 Kreuzer á 50 Meter Durchmesser, 250 Space-Jets, 6000 Jäger und 1000 Shifts zu bemannen.

Nachdem die Crew der IVANHOE II 1305 NGZ mitsamt ihrem Schiff vom Quarterium desertiert war, litt es an chronischem Personalmangel, welcher durch USO-Agenten und später Liga-Soldaten nicht komplett aufgefüllt werden konnte. Zwar waren inzwischen genügend Piloten für die Beiboote an Bord, im Vergleich zu anderen SUPREMO A-Raumern fehlte es aber an der Infanterie. Ein SUPREMO-Raumer des Quarteriums fasste noch einmal 25.000 Infanteristen für ihre Raumlandedivision. Insgesamt waren über 52.000 Besatzungsmitglieder für ein SUPREMO A-Raumschiff vorgesehen. Was sie aktuell hatten, war im Vergleich dazu fast eine Notbesatzung.

Jetzt patrouillierte die IVANHOE II am Rand des Riffs und nahm Messungen und Sondierungen vor. Zwei Tage verliefen ereignislos, bis sich Perry Rhodan mit einem Hyperkomspruch bei Aurec meldete.

»Perry! Ist was passiert?«, fragte der Saggittone besorgt, als er Rhodans ernsten Gesichtsausdruck sah.

Der Terranische Resident nickte düster.

»Ich habe soeben die Nachricht aus der Lokalen Gruppe erhalten, dass URUNGAAR dort gesichtet wurde. Es sieht so aus, als käme nun MODRORS Gegenschlag.«

»Verdammter Mist! Das war ja zu befürchten. Und was machen wir jetzt?«, fragte Aurec konsterniert.

»Du hältst hier die Stellung, falls es zu einem Angriff auf Siom Som kommt. Ich breche mit der LEIF ERIKSSON zum Sternenportal auf und treffe mich dort mit der Flotte. Wahrscheinlich ist dort ein Angriff zu erwarten«, erklärte Rhodan.

»Viel Glück, Perry.«

»Danke, das können wir alle brauchen.«

*

Ohne weitere Verzögerung flog die LEIF ERIKSSON durch das Sternenportal in die Lokale Gruppe zur SOLARIS STATION und traf sich dort mit dem Gros der LFT-Flotte. Die Schlacht hatte bereits begonnen. MODRORS gewaltige Kampfstation URUNGAAR bewegte sich langsam, aber unaufhaltsam auf SOLARIS STATION zu.

»Sie wollen SOLARIS STATION vernichten. Wir sollten die Station sofort evakuieren«, meinte Reginald Bull aufgeregt.

»Ja, veranlasse alles Notwendige, Bully«, stimmte ihm Perry Rhodan zu.

»Zu spät! Die Hurensöhne sind durchgebrochen!«, rief General McHenry und deutete auf den Bildschirm.

URUNGAAR brach durch die terranischen Abwehrreihen und nahm SOLARIS STATION konzentriert unter Feuer.

Unter starkem Beschuss flackerte der grüne Schirm und hörte dann auf zu leuchten. Nur das geübte Auge erkannte in dem Feuerinferno den Unterschied: Das blaue Hintergrundleuchten fehlte.

Wenige Sekunden später explodierte der Kern der Station in einem gewaltigen Feuerball. Die Außenbereiche wurden abgesprengt, trieben davon und vergingen in kleineren Feuerbällen.

SOLARIS STATION war vernichtet.

»Oh, mein Gott«, murmelte General McHenry.

Selbst der raubeinige Militarist war sichtlich erschüttert. Die gesamte Besatzung der Station hatte den Tod gefunden.

»Sir, URUNGAAR nimmt Kurs auf das Sternenportal«, meldete der Ortungsoffizier.

»Diese Schweine wollen türmen«, regte sich General McHenry auf. »Alle Einheiten hinterher und angreifen.«

Perry Rhodan beschlich ein ungutes Gefühl.

»Gegen URUNGAAR haben wir keine Chance. Alle Einheiten sofort vom Sternenportal abdrehen!«, befahl der Terranische Resident.

URUNGAAR hatte inzwischen die Energiestationen des Portals erreicht und nahm sie alle unter Feuer, bis sie in einer verheerenden Explosion vergingen. Das Sternenportal brach zusammen. Ohne sich weiter um die fliehenden LFT-Einheiten zu kümmern, drehte URUNGAAR ab, nahm Fahrt auf und verschwand kurz darauf im Hyperraum. MODRORS Überraschungsangriff war gelungen. Das Sternenportal und SOLARIS STATION waren zerstört worden.

17. Tolks späte Ankunft

Am 24. März 1308 NGZ erreichte die VASCO DA GAMA mit ihren Begleitschiffen und Flottentendern das Sternenportal und schlitterte mitten in ein Gefecht. Sandal Tolk beobachtete die Zerstörung von SOLARIS STATION. Das achthundert Meter durchmessende Raumschiff der NOVA-Klasse nahm nicht mehr am Kampfgeschehen teil.

Die nächste Phase der Vernichtung begann. URUNGAAR feuerte auf die vier quadratischen Stationen des Sternenportals. Als die erste Station in einer Explosion verging, erlosch das Flackern im runden Radius der Portalstationen. URUNGAAR vollendete das zerstörerische Werk mit der Vernichtung der anderen drei Transmitterstationen.

Ein Schock für Sandal Tolk! Wie sollte er nun nach Siom Som kommen? Wie sollte die LFT das bewerkstelligen? Die dort stationierten Truppen waren abgeschnitten. Ohne zu zögern begab sich der Barbar von Exota Alpha zur LEIF ERIKSSON, um mit Perry Rhodan in Kontakt zu treten.

MODRORS Raumstation verschwand im Hyperraum. Die Schlacht hatte nur kurz angedauert, aber verheerende Folgen für die strategische Planung der Liga Freier Terraner.

Julian Tifflor kümmerte sich erst einmal um die Rettungsaktion. Vereinzelt trieben Wrackteile und Rettungskapseln von SOLARIS STATION umher, die Überlebende enthalten könnten. Tolk konnte hier nichts tun. Er wollte mit Perry Rhodan sprechen. Als er endlich die Erlaubnis erhielt, Rhodans Besprechungszimmer zu betreten, bekam er eine Diskussion zwischen Reginald Bull, General McHenry und Rhodan selbst mit.

»Damit haben wir nicht gerechnet, dass MODROR das Sternenportal zerstören würde. Das bedeutet, dass das Quarterium die Lokale Gruppe nicht mehr angreifen kann«, meinte Bully.

»Richtig, wir kommen aber auch nicht mehr kurzfristig nach Cartwheel oder Siom Som. Damit hat MODROR seine Vasallen vorerst gerettet. Die Frage ist, was plant er nun, wenn er die Lokale Gruppe nicht mehr angreifen will? Vergessen wir auch nicht, dass 150.000 unserer Schiffe nun abgeschnitten sind«, sagte Perry Rhodan.

»Es wäre möglich, dass MODROR nun Siom Som angreift, denn das dortige Portal ist ja noch intakt«, meinte McHenry.

»Wir müssen Aurec und die anderen warnen«, meinte Reginald Bull.

»Das möchte ich übernehmen, Sir! Ich fliege mit hunderttausend Schiffen der Terranische 8. Flotte und kosmokratisch-saggittonischen Flotte nach Siom Som, um Aurec und Sam zu unterstützen, falls es dort zu einer erneuten Invasion kommt«, bot sich McHenry an.

Perry Rhodan nickte.

»Also gut, wir haben keine andere Wahl.«

»Ich breche so schnell wie möglich auf«, versicherte der General.

»Ich will auch mit!«, warf Tolk ein.

Rhodan, Bully und McHenry drehten sich überrascht um, als sie ihn hörten. Sie hatten sein Eintreten nicht bemerkt.

»Sandal Tolk«, stieß Bully überrascht aus.

Der Hüne nickte.

»Melde mich wieder zum Dienst. Ich will nach Siom Som.«

Rhodan kannte den Barbaren von Exota Alpha lange genug, um zu wissen, dass ihn nichts von dieser Entscheidung abbringen würde.

»Ich wusste gar nicht, dass du wieder bei uns bist«, begrüßte ihn Bully.

»Überraschung«, erwiderte Tolk wortkarg. »Was ist nun?«

Rhodan lächelte. Er war sichtlich froh, dass Tolk wieder unter ihnen weilte.

»Natürlich hast du die Erlaubnis! Die können dich dort sicher sehr gut gebrauchen.«

»Ich und Bully kehren nach Terra zurück. Lieber würde ich mit Ihnen und Tolk fliegen, aber ich muss mich auch wieder um die Regierungsgeschäfte zu Hause kümmern. Wir werden die Lage jedoch genauestens beobachten. Hier gibt es jedenfalls nichts mehr, was wir tun könnten«, entschied Rhodan schweren Herzens.

18. Hass

Rodrom

Herrlich ist es und traurig zugleich. Perry Rhodan ist weg! Das Sternenportal zur Lokalen Gruppe ist vernichtet und somit ein Großteil der terranischen und feindlichen Truppen von Siom Som abgeschnitten. Sie werden eine Weile brauchen, um über den herkömmlichen Weg die Galaxie zu erreichen.

Schade ist das, denn ich hätte Rhodan so gern das Kehlchen durchgeschlitzt. Immerhin herrscht auf dem Gefängnisraumschiff unter den terranischen Wachsoldaten helle Aufregung. Meine faden Landsleute, die Alysker, sind hingegen gewohnt ruhig. Zumindest bekomme ich das durch die Sichtweise von Willy Ossy mit, der ebenfalls große Angst hat, niemals mehr nach Hause zu kommen.

Willys Zuhause! Die Kolonie Güssow in der Eastside ist seine Heimat. Eine völlig unbedeutende Welt von terranischen Siedlern, die vor allem die Gataser und Apaser mit terranischen Waren beliefern. Ich grinste. Nein, mein lieber Knuddelsack! Du wirst niemals mehr Güssow wiedersehen. Dafür werde ich schon sorgen.

Willy weiß nichts von besonderen Sicherheitsmaßnahmen gegenüber meiner Person. Nun, woher soll der Kommandant des Raumers auch wissen, dass ich weiß, was alle wissen?

Ich bin isoliert und kommuniziere mit Ossy nur noch telepathisch. Ich habe ihn verbal beleidigt und beschimpft. Im Grunde genommen ist es nicht einmal eine Lüge, doch Willy glaubt natürlich, dass es nur ein Trick von mir ist. Hauptsache, die Wachmannschaften, die sicher jeden Tag fleißig die Videoüberwachung auswerten, werden es mir abkaufen.

Menschen sind herrlich dumm und manipulierbar! Sie denken so eingleisig.

Es kribbelt in meinem Magen! Erneut überkommt mich der Drang, endlich jemanden zu töten! Furchtbar! Seitdem ich körperlich bin, kann ich es kaum kontrollieren. Vielleicht sollte ich es als Ausgleich mit Sex probieren? Nein, das ist langweilig. Es sei denn, sie stirbt langsam, windet sich in Todesqualen und schreit ihre Verzweiflung heraus, während ich sie stoße. Wenn sie es wert ist.

Ach ja, das erinnerte mich an das Techtelmechtel mit einem Mädchen, damals vor Äonen, als ich zu mir zu finden begann. Während ich in ihr war und sie voller Ektase stöhnte, fing ich an, sie langsam zu erwürgen. Tränen standen in ihren hervorquellenden Augen, während sie sich unter mir wand. Ich war auf das Timing besonders stolz. Als ich kam, ging sie! Für immer.

Ein wunderbares Gefühl, die Kontrolle über ein Leben zu besitzen und es langsam auszulöschen! Das Letzte zu sein, was eine schöne Frau an der Schwelle zur Ewigkeit wahrnimmt, was ihr erlöschendes Sein erfüllt.

Kontakt …

Rodrom!

Ah, Fürst Medvecâ! Endlich können wir eine stabile Kommunikation aufbauen.

Deinen Helfer haben wir gefunden. Wir haben den Code entschlüsselt und werden dir in Kürze einen Besuch abstatten.

Ich lachte laut wie ein kleines Kind. Ups!

Und wie wollt ihr die Wachen überlisten? Es sind immerhin auch Alysker darunter. Sie sind erfahrener als die Terraner.

Ich kenne meine Brüder sehr gut. Dank deines terranischen Busenfreundes gelangen wir mit legalen Codekarten an Bord des Inhaftierungsraumschiffes. Dann werden wir dich befreien. Überlasse die Einzelheiten meinen Ylors und mir.

Zurücklehnen und warten? Eine unangenehme Aufgabe für eine Gottheit! Es juckt in meinen Fingern, selbst Hand an den Feind anzulegen!

19. Abgeschnitten

In Siom Som hatte man bereits den Ausfall des Sternenportals registriert. Aurec war mit der IVANHOE II zum Portal geflogen und traf sich dort mit Joak Cascal und Admiral Higgins.

»Wir müssen registrieren, dass das Sternenportal ausgefallen ist. Unsere Schiffe, die wir schickten, kamen nicht in die Lokale Gruppe. Sie flogen einfach hindurch, als würde es nicht funktionieren«, erklärte der Admiral.

»Was ist mit dem Durchgang nach Cartwheel?«, fragte Cascal.

»Funktioniert nach wie vor. Wir schickten erfolgreich ein Schiff hin und zurück«, berichtete der Admiral.

»Ich habe mit Eorthor gesprochen. Er ist der Ansicht, das MODROR durch URUNGAAR das Sternenportal zerstört hat«, sagte Aurec.

»Das bedeutet, wir sind von unserer Flotte dort abgeschnitten«, folgerte Cascal.

Aurec nickte grimmig.

»Ja, und Perry von uns. Wir sind also vorläufig auf uns allein gestellt. Aber wir haben ja noch die Unterstützung von Eorthor, Osiris und den Entropen. Außerdem wird sich Perry bestimmt etwas einfallen lassen, um uns Hilfe zu schicken.«

»Sicher, aber das kann dauern. In der Zwischenzeit sollten wir uns auf einen Angriff MODRORS vorbereiten. Außerdem besteht die Gefahr, dass unsere lieben quarterialen Freunde es sich wieder anders überlegen und uns bald besuchen«, bemerkte Cascal zynisch.

*

Auch auf Paxus blieb die neue Entwicklung nicht verborgen. Diabolo informierte den Emperador in dessen Palast über die neue Lage.

»Eine neue Entwicklung, Emperador. Ich bin sicher, Sie werden überrascht sein.«

Der alte Spanier winkte lässig ab.

»Was sollte mich jetzt noch überraschen?«

»Unsere Agenten in Siom Som haben uns gemeldet, dass MODROR durch die Kampfstation URUNGAAR das Sternenportal der Lokalen Gruppe zerstört hat. Außerdem wurde SOLARIS STATION vernichtet. Damit hat sich das Kräfteverhältnis wieder zu unseren Gunsten verschoben.«

»Oh?«, machte der Emperador. Dass MODROR sie auf die Weise unterstützen würde, damit hatte er in der Tat nicht gerechnet.

»Und auf welche Weise?«

»Nach Berichten der CIP befanden sich etwa 150.000 Schiffe der Alliierten in der Lokalen Gruppe. In Siom Som haben sie jetzt noch etwa 200.000 Schiffe. Wir hingegen verfügen noch über 250.000 Schiffe.«

»Aha! Das bedeutet, ein Angriff der feindlichen Flotte ist vorläufig nicht zu erwarten.«

»Das ist anzunehmen. Die Frage ist: Wie geht das Quarterium nun vor?«

Der Emperador überlegte kurz. Ein neuer Feldzug kam vorerst nicht in Frage. Aber der Zeitpunkt für Verhandlungen war nun günstiger geworden. Das Quarterium hatte jetzt auf einmal eine deutlich bessere Ausgangsposition als vorher.

»Wir brauchen nach wie vor dringend eine Atempause«, meinte der alte Spanier. »Aber wir werden uns nicht mehr bevormunden lassen. Ich werde daher neue Verhandlungen aufnehmen. Meine Tochter Stephanie soll nach Siom Som fliegen. Da Perry Rhodan außer Reichweite ist, kann sie mit Aurec verhandeln. Der ist recht vernünftig.«

»Wenn Sie meinen, dass Stephanie die Richtige dafür ist …«

»Aber selbstverständlich, Diabolo. Sie soll Aurec eine Aussiedlung der Saggittonen anbieten. Ich werde großzügig verkünden, dass alle Wesen Cartwheel verlassen dürfen, die es wollen. Auf diese Weise werden wir die Störenfriede ganz friedlich los.«

»Da haben Sie recht, Emperador. Aber befürchten Sie nicht, dass MODROR von Ihrem Vorgehen und Ihren Friedensverhandlungen nicht sehr begeistert ist?«

Der alte Spanier wurde bleich. In der Tat machte ihm das Sorgen. Andererseits hatte er momentan gar keine andere Wahl, als sich seine verbliebene Macht durch Verhandlungsgeschick zu sichern. Die quarteriale Flotte war angeschlagen und kurzfristig kam eine neue Offensive nicht in Frage. Aber ob MODROR diese Argumente auch verstehen würde?

»Wir müssen abwarten, bis MODROR sich meldet, falls er sich überhaupt mal wieder meldet«, versuchte sich Don Philippe zu beruhigen.

Aber es blieb ein Gefühl der Unsicherheit.

20. Die Veränderungen

Am 25. März 1308 NGZ überbrachte Stephanie de la Siniestro Aurec auf Som das Angebot ihres Vaters.

Als Gegenleistung sollten die Alliierten von Repressalien gegen die Führung des Quarteriums absehen. Aurec gab an, das Angebot wohlwollend prüfen zu wollen. Er selbst hätte es nur zu gern angenommen, wusste aber, dass er sich zunächst mit seinen Verbündeten beraten musste. Für alle Fälle wollte der Saggittone die Verteidigung Siom Soms und Som-Ussads organisieren. Da momentan nicht abzusehen war, ob die größere Gefahr von Cartwheel oder vom Riff ausging, ließ Aurec die Flotte zweiteilen. Die eine Hälfte bewachte das Sternenportal, die andere beobachtete das Riff. Der Rest verweilte auf Etustar. Vom TLD hatte Aurec mittlerweile eine Aufstellung über die neuerlichen militärischen Kräfteverhältnisse erhalten.

Der Saggittone hoffte, dass sich ein Zusammenprall dieser Streitkräfte vermeiden ließ. Ihm war aber auch klar, dass MODROR früher oder später zuschlagen würde. Die Frage war nur, wann und wo.

*

Stephanie de la Siniestro reiste noch am selben Tag weiter nach Dorgon. Dort traf sie sich auf der Hauptwelt Dom mit dem neuen Kaiser Volcus, um das Verhältnis zwischen dem Quarterium und dem Dorgonischen Reich aufzufrischen.

Als er »nur« Protector Dorgonis war, hatte sie bereits ein kleines Techtelmechtel mit ihm gehabt. Nun galt es, ihn auch als Kaiser zu befriedigen. Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, mit dem er sie begrüßte, hatte sie gute Chancen.

»Ah, Stephanie! Ich bin entzückt über eine so schöne Botschafterin. Das hätte ich nie zu hoffen gewagt, deinen Glanz in meinem bescheidenen Palast erleben zu dürfen«, schmeichelte Volcus.

Wohlwollend registrierte sie die Lüsternheit in den Augen des Kaisers. Die Männer waren doch alle gleich und Stephanie kam das durchaus gelegen. Natürlich wollte Volcus wieder mit ihr schlafen, wie immer. Nach dem üblichen Vorgeplänkel endeten die »Gespräche« stets in des Kaisers Schlafzimmer. Und so kam es auch diesmal.

»Ich war wieder gut, was? Wie ist es so, von einem Kaiser genommen zu werden?«, fragte Volcus, der sich sogar der terranischen Sitte der »Zigarette danach« angenommen hatte.

Er hatte das in einem terranischen Film gesehen und fand es so cool, dass er es fortan laufend praktizierte.

»Das ist schon was Besonderes«, log Stephanie, die Volcus nicht gerade für einen besonders guten Liebhaber hielt, aber einen begeisterten Ausdruck auf ihr Engelsgesicht zauberte. Es ging um Politik.

»Aber ich bin deiner würdig. Immerhin bin ich die Tochter eines Emperadors. Ich denke, dies sollte der Auftakt einer neuen, vielversprechenden Allianz sein. Mit dir an meiner Seite kann ich viel erreichen.«

»So? Und woran denkst du?«, fragte Volcus etwas misstrauisch.

»Dorgon und das Quarterium sollten zu einem neuen Schlag gegen Siom Som ansetzen. Der Zeitpunkt ist günstig. Sie rechnen jetzt nicht mit einem Angriff, da sie denken, wir sind geschwächt. Aber auch sie haben den Großteil ihrer Flotte verloren. Und wenn die Dorgonische Flotte den Hauptangriff führt …«

Volcus unterbrach Stephanies Redefluss.

»Also nein, das kommt nicht in Frage. Einen neuen Krieg riskiere ich nicht, nachdem wir eben erst Frieden geschlossen haben. Das wäre nicht ratsam«, lehnte der dorgonische Kaiser ab.

»So, du traust dich wohl nicht. Deine Vorgänger waren allesamt wagemutiger«, zeigte sich Stephanie enttäuscht.

»Darum sind sie auch allesamt tot. Ich hingegen möchte noch ein bisschen leben und mein Kaisertum genießen. Wenn es geht, auch gern mit dir.«

Volcus kicherte in sich hinein und küsste Stephanie, die davon wenig angetan war, ihn aber nicht wegschob. Noch nicht.

»Und wenn unsere Feinde Cartwheel angreifen und zerstören wollen? Dann wird Dorgon ihr nächstes Opfer sein«, meinte sie.

»Keine Sorge, das Dorgonische Kaiserreich wird weder der LFT noch deren Verbündeten gestatten, Cartwheel oder Siom Som anzugreifen. In diesem Fall würden wir euch zu Hilfe eilen. Darauf kannst du dich verlassen. Gleich morgen werde ich dies öffentlich verkünden. Wir erneuern unseren Verteidigungspakt«, versicherte Volcus.

Damit war Stephanie de la Siniestro erst einmal zufrieden. Sie hoffte, später mehr erreichen zu können. Volcus hatte sich seine Belohnung verdient.

21. Der Weg des Barbaren

Sandal Tolk

Am 30. März 1308 NGZ baten mich Rhodan und Bully zu einer erneuten Besprechung, an der General McHenry und Julian Tifflor teilnahmen.

»Meine Herren, ich bin mir über einige Dinge noch nicht ganz im Klaren«, erklärte Rhodan. »Nach Monaten des Krieges hatte ich beschlossen nach Terra zurückzukehren, doch die Gefahr durch das Quarterium, Dorgon und vor allem MODROR scheint mir noch zu groß.«

»Ich sage, wir fliegen mit allem, was wir haben, nach Siom Som und sorgen dort und in Cartwheel endlich für Ruhe!«

Um seine Worte zu untermauern, schlug Bull mit der Faust auf den Tisch. Dafür erntete er einen rügenden Blick von Rhodan.

»Wenn URUNGAAR in der Lage war, so einfach hier aufzutauchen, wer sagt uns, dass es nicht auch im Solsystem auftaucht?«, gab Tifflor zu bedenken. Dann wandte er sich an Rhodan. »Ich weiß, dass du im Zwiespalt bist. Die Rückkehr nach Terra ist deine Pflicht. In den nächsten Monaten wird vermutlich nichts an der Front in Siom Som geschehen.«

Tifflor führte aus, dass sie mit dem herkömmlichen Metagravflug immerhin eine Distanz von fast vierzig Millionen Lichtjahren zurücklegen mussten. Die schnellsten Raumschiffe der LFT, die neuen INVINCIBLE II-Kreuzer, konnten einen dauerhaften Überlichtfaktor von Hundert erreichen. Auch die Kosmokratenschiffe der Flotte NESJOR waren zu einem schnelleren, permanenten Flug in der Lage.

»Mit Flottentendern, Transportern und Versorgungsraumern brauchen wir aber vielleicht mehr als ein Jahr bis nach Siom Som. Vielleicht sogar zwei, bis die letzten Raumschiffe die estartische Galaxie erreichen«, mahnte Tifflor.

»Mit den INVINCIBLE-Kreuzern wäre es nur ein halbes Jahr«, warf Bully gelassen ein. »Der Rest folgt eben später. Wir geben doch jetzt nicht klein bei und fliegen nach Hause!«

Perry Rhodan lehnte sich tief in den Sessel zurück und schien über die Worte seiner beiden Freunde nachzudenken.

»Julian, ich weiß, worauf du hinauswillst. Natürlich würde ich am liebsten nach Siom Som reisen. Doch ebenso sehr habe ich eine Verantwortung als Politiker gegenüber den Bürgern der Liga.«

Tifflor schmunzelte.

»Mit Roi Danton und Aurec hast du sehr fähige Helfer in Siom Som. Und wenn du erlaubst, fliege ich mit. Ob ich nun auf Mirkandol versauere, oder mit einer Flotte nach Siom Som fliege, beides verflucht mich vorerst zur Tatenlosigkeit. Sollte MODROR einen Angriff auf die Milchstraße wagen, seid ihr hier, um drauf aufzupassen. Und ich kann Roi und Aurec zur Seite stehen.«

Rhodan nickte.

»Also gut, dann bleibt es bei meinem gestrigen Entschluss.« Er schien Bulls hochroten Kopf zu bemerken. »Wir wissen nicht, wohin URUNGAAR geflogen ist. Gut möglich, dass es plötzlich in der Milchstraße auftaucht. Wir sollten erst einmal nach Terra zurückkehren und uns dort den Bürgern zeigen.«

Reginald Bull brummte etwas vor sich hin. Sandal Tolk konnte die Enttäuschung des Residenzministers gut nachvollziehen. Bull war ein Kämpfer, der sich vor nichts versteckte. Tolk wäre auch nicht zufrieden, wenn er jetzt wieder nach Hause müsste. Zumal er ein ganzes Jahr lang dort sein musste.

»Na gut!«, murmelte Bull.

Rhodan lächelte milde.

»Vielleicht finden unsere Wissenschaftler einen Weg, schneller nach Siom Som zu gelangen. Vielleicht gibt es auch ein zweites Sternenportal, durch das URUNGAAR jetzt fliegt? Weise die Wachflotten an, nach MODRORS Raumstation zu suchen, obgleich ich mir wenig Hoffnung mache, dass wir sie finden werden.«

Bull nickte trotzig.

»Wir haben schon ganz anderes gefunden. Ich mache mich mit der ROAD AMUNDSEN auf den Weg. Falls wir uns nicht mehr sehen, tretet den bösen Buben von mir ordentlich in den Hintern!«

22. Aus den Chroniken Cartwheels

Die junge Frau vom Rideryon

Nach der Friedenskonferenz und der Zerstörung des Sternenportals in der Lokalen Gruppe ist offiziell etwas Ruhe in Siom Som eingekehrt.

Und doch brodelt es unter dem Mantel der Diplomatie. Stephanie de la Siniestro diktierte Aurec und seinen Verbündeten einen neuen Status quo, da das Kräfteverhältnis fortan ausgeglichener war. Kurz danach reiste sie nach Dom, um mit Kaiser Volcus zu verhandeln.

Obgleich die Lage immer noch angespannt war, da sich das Kräfteverhältnis zwischen LFT, Entropen, FES, Saggittonen und Alysker auf der einen und dem Quarterium und Dorgon auf der anderen Seite die Waage hielt, schienen die meisten Wesen den Frieden zu genießen. Es gab nicht wenige Verbrüderungen zwischen Ligaterranern und Quarterialen. Ein Zeichen, wie sehr die Leute den Frieden herbeisehnten. Und doch würde es keinen echten Frieden auf Dauer geben.

Die Ankunft des Riffs beunruhigte viele Leute sehr. Was verbarg sich dahinter? Die Interessen der Völker des Riffs waren unterschiedlich. Die permanenten Angriffe der Ylors auf estartische Siedlungen störte die knappe Verschnaufpause, die wir alle so dringend nötig hatten. Und die Ylors brachten mich wieder zu meiner Nichte.

Die Trauer um Nataly saß noch sehr tief in mir, sowie in ihrem Ehemann Jonathan. Stundenlang saßen wir beim Cognac vor dem Kamin und sinnierten, wie die Katastrophe geschehen konnte. Wir hatten beide den liebsten Menschen verloren. Unsere Herzen umgab eine tiefe Leere.

Die Galaxie schien kurzzeitig den Atem anzuhalten. Der Waffenstillstand war allen Völkern recht. Ligasoldaten, Saggittonen, Estarten, Dorgonen und Quarteriale leckten ihre Wunden oder brachten in zahlreichen Übungen ihre Flotten in strategisch wirkungsvolle Positionen.

Som glich einer kunterbunten Ansammlung aller möglichen Bevölkerungen. Es war ein Kuriosum, dass die Anlagen der LFT und ihrer Verbündeten an Paläste und Oberkommandos der Dorgonen und Quarterialen angrenzten. Die Einwohner Soms mussten jeden Tag aufs Neue zahlreiche Marschparaden aller Nationen über sich ergehen lassen. Jeder Macht wollte auf sich aufmerksam machen.

Die Dorgonen unter ihrem neuen Kaiser Volcus zelebrierten ihre Macht am lautesten. Immer wieder wurde betont, dass Volcus den Frieden mit allen Nationen wollte. Es blieb beim Prunk, es gab keine Übergriffe.

Obwohl sich nach drei langen Kriegsjahren wohl jedes Lebewesen in der estartischen Föderation nach Frieden sehnte, waren die Verbrechen der Dorgonen und des Quarteriums längst nicht vergessen.

Es herrschte eine seltsame Stimmung vor. Emperador de la Siniestro schickte des Öfteren seine Frau Rosan und die Verlobte seines Sohnes Uthe Scorbit nach Som, um sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Er verstand es, seine Sympathieträger einzusetzen. Viele wussten, dass weder Rosan noch Uthe Scorbit im Herzen quarterial waren. Vielmehr war Rosan zur Hochzeit gezwungen worden und Uthe dem vielleicht falschen Charme des Sohnes des Emperadors erlegen. Das öffnete ihnen die Herzen.

Und es zeigte auch, dass nicht alle im Quarterium bösartige Monstren waren. Es gab gute Menschen in Cartwheel, wenn auch nicht zu viele. Sicherlich zählten Rosan und Uthe hinzu, ebenso Brettany, die Tochter des Emperadors. Vielleicht schlummerte auch viel Gutes und Ehre in Orlando de la Siniestro und den Generälen da Rohn und Sizemore. Zumindest hatte der Liga-Militärattaché Henry »Flak« Portland öfter davon erzählt.

Portland hatte nun übrigens wieder sein altes Amt inne. Er sollte Perry Rhodan regelmäßig Berichte über die Entwicklung und seine Einschätzung zu Dorgon und dem Quarterium schicken. Es würde Monate dauern, bis diese Berichte ihn erreichten.

Mein alter Freund Speaky Mohlburry war mit seiner FOCUS auch im Orbit von Som. Zusammen mit Portland verbrachte ich viele Abende. Sie lenkten von dem Verlust Natalys ab. Meine Nichte war der einzige Sonnenschein in meinem alten Leben gewesen. Dieses Licht war erloschen. Schwärze regierte mein Herz.

*

Am Abend hatte sich etwas Sonderbares ergeben. Vielleicht aber auch etwas, was mir guttun würde. Portland hatte Perry Rhodans Sohn mitgebracht. Wir unterhielten uns über das Riff. Es war atemberaubend, was Danton zu berichten wusste. Sofort wurde in mir die Sehnsucht geweckt, das Rideryon in all seinen Details zu beschreiben. Es war zu gewaltig, als dass man auf Berichte verzichten könnte.

Jedoch wusste ich nicht, wie ich die ganzen Recherchen hätte allein bewältigen können. Danton schlug vor, dass ich mich um die Buuralerin Pyla kümmern sollte. Sie war im Grunde genommen heimatlos und ging Danton manches Mal auch auf die Nerven. Eine Art Ziehvater oder guter Onkel mit viel Verständnis und Weisheit würde der labilen Dame vielleicht weiterhelfen. Sie könne mir helfen und war schließlich eine Bewohnerin des Riffs.

Während ich über diesen Vorschlag nachdachte, wollte Speaky unbedingt die Exklusivrechte für die Berichterstattung der bevorstehenden Expedition. Danton erklärte, er müsse es mit Aurec und Sam abklären. Speaky wollte am liebsten an der Expedition teilnehmen, doch Danton war nicht so begeistert von der Idee. Stattdessen fragte er mich, ob ich an der Expedition teilnehmen wolle. Ziemlich viele Vorschläge von Danton auf einmal.

*

Ich schlief eine Nacht darüber und unterhielt mich auch mit Jonathan, der offenbar ein Auge auf diese Pyla geworfen hatte. Er schwankte jedoch mit seinen Bemerkungen zwischen »liebes Mädchen«, »geiles Stück« und »hirnlose Zicke«. Wenig ermutigende Aussagen für das Bewerbungsgespräch am nächsten Tag.

Pyla war eine hochgewachsene Blondine mit leuchtenden blauen Augen. Sie war hinreißend, und ich konnte mir gut vorstellen, dass es ihr an Verehrern nicht mangelte. Sie war freundlich, zugleich aber schüchtern. Dennoch verstand sie es mit ihrer kokett-naiven Art, einen Mann um den Finger zu wickeln.

Für mich war jedoch wichtig, dass sie lesen und schreiben konnte und den Haushalt zu führen verstand. Sie bereitete einen deliziösen Nudelsalat vor. Damit hatte sie bei mir gewaltige Pluspunkte gesammelt.

Nun, ich konnte eine Assistentin gebrauchen. Und sie benötigte eine Aufgabe, da hatte Danton völlig recht. Schließlich akzeptierte ich, und Pyla schien glücklich darüber zu sein. Ich teilte ihr mit, dass ich an der bevorstehenden Expedition als Chronist der Ereignisse teilnehmen werde und auf ihre Hilfe zählte. Pyla war einverstanden, obgleich ich das Gefühl hatte, dass sie nicht so recht wusste, worauf sie sich einließ.

*

Pyla arbeitete sich ein. Sie berichtete viel von ihrem Leben in dem Dorf und ihrer Zeit auf dem Tholmond2727, dem sogenannten Piratennest. Außerdem schwärmte sie viel von Mathew Wallace und Roi Danton.

In den ersten Tagen war sie wenig hilfreich bei der Arbeit. Sie war nicht unbedingt sehr fleißig und brauchte viele Pausen. Anstatt an den Recherchen der Schlacht von Tefrod von Juli bis September 1307 NGZ zu arbeiten, stöberte sie im Somnetz nach Möbeln für unser neues Heim auf Som.

Nun, für Pyla war diese Welt neu. Sie war erst wenige Monate in Siom Som und sie kam aus einer primitiven Umgebung. Dennoch arrangierte sie sich ausgesprochen gut. Das zeigte, dass sie über eine exzellente Auffassungsgabe verfügte. Sie sprach wenig über den Tod ihrer Familie und Freunde. Offenbar versuchte das junge Mädchen, diesen Alptraum zu verdrängen. Stattdessen spielte sie die heitere, oberflächliche Blondine. Ich beschloss, sie gewähren zu lassen.

Am Abend des 28. März 1308 NGZ informierte mich Henry Portland, dass Sato Ambush und der Posbi Lorif das Gerät für die Durchquerung des Nebels um das Riff fertiggestellt hatten. Es würde nun getestet werden.

Am 15. April 1308 NGZ sollte die Expedition mit der IVANHOE II und DUNKELSTERN starten. Ich sagte meine Teilnahme zu. Wir waren bereit.

*

Am Morgen des 2. April 1308 NGZ ertappte ich Pyla bei einer ihrer vielen Pausen. Sie lag auf der Couch, eine Schachtel Schokolade auf dem Bauch, und schaute Trivid. Es schien sie nicht einmal zu stören, dass ich sie dabei entdeckte.

»Mein liebes Kind, was macht denn der Bericht der Schlacht um Tefrod?«

»Fast fertig, Herr Jaaron!«

So recht glaubte ich ihr nicht, denn sie machte nicht den Eindruck, als wäre sie voller Tatendrang. Stattdessen verfolgte sie eine esoterische Sendung auf dem Kanal »KosmoGenial«.

Eine schreckliche Hexe tanzte zu tumber Trommelmusik herum, während ein Blue auf einer Flöte vor sich hin trällerte. So ein Schwachsinn! Und dafür verplemperte sie ihre Zeit! Ich hatte schon einiges von diesem Sektenguru Grimm T. Caphorn gehört. Er predigte vom Zeitalter des Riffs und versammelte jede Menge esoterisch angehauchte Wesen auf seinem Raumschiff CAPTAIN TOM.

Caphorn trommelte für ein freies Siom Som und betete zum Moralischen Kode, dass Nistant als Erlöser kam. Jetzt plötzlich verstand ich, wieso Pyla sich das anguckte. Es ging schließlich um ihre Heimat! Es war nur natürlich, dass sie sich dafür interessierte.

»Den dicken Mann habe ich vor einiger Zeit auf der Raumstation am Sternenportal getroffen«, erzählte sie. »Da trommelte er auch schon. Ob er weiß, was er tut?«

»Ich weiß es nicht. Bei solchen spirituellen Wesen kann es sich um geniale Geister oder völlige Spinner handeln.«

»Er hat mich zu einer Besichtigung auf sein Raumschiff eingeladen. Wir haben doch noch Zeit bis zur Expedition. Wollen wir uns das nicht anschauen?«

Pyla sah mich bittend an. Ihre Neugier war sichtlich groß. Und es war tatsächlich die Frage, ob Grimm T. Caphorn ein Schwachsinniger war oder mehr über das Riff wusste. Pyla sprang mit frischem Elan von der Couch und hüpfte in den Sessel daneben. Sie tippte etwas in den Rechner und präsentierte mir stolz die Onlinepräsenz von Caphorn. Dort stand die Reiseroute der CAPTAIN TOM.

Demnach erreichte sie in zwei Tagen den Orbit von Som und blieb dort für einen Tag. Sie hatten dann genügend Zeit, sich nach der Besichtigungstour auf die Expedition zum Riff vorzubereiten.

»Ich mache bis dahin auch den Bericht über die Schlacht in Vircho fertig und arbeite auch Berichte des Aufeinandertreffens der XXXII. SHIFT-Division des Quarteriums und der Freyt-Kompanie ein.«

Sie sah mich mit ihrem herzlichen Lächeln an, das jeden Mann umstimmen konnte.

»Also gut! Aber wehe, der Bericht ist nicht pünktlich fertig. Dann fliegen wir nicht dorthin«, drohte ich so streng ich konnte, obwohl ich nie gut darin und immer viel zu nachlässig war.

Jaaron Jargon

23. Eine wenig knusprige Hexe

4. April 1308 NGZ

Aurec war das neue Kräfteverhältnis nicht entgangen. Ihm war klar, dass die Dorgonen zusammen mit den Quarterialen der Flotte der Alliierten überlegen waren.

»Du machst dir Sorgen, nicht wahr?«, fragte ihn Gal’Arn während des Abendessens.

Aurec nickte schwer.

»Ja, allerdings. Zum einen wegen Kathy. Diese Ungewissheit nagt an mir. Außerdem sehe ich mit Sorge, wie die Quarterialen zusammen mit den Dorgonen wieder ein militärisches Übergewicht erlangen.«

»Du glaubst, dass sie den Frieden brechen und wieder angreifen werden?«

»Ich bin mir nicht sicher. Als sie um Frieden baten, waren sie angeschlagen und meinten es womöglich ehrlich, aber mittlerweile sind wir wieder dabei, in eine Defensivposition zu geraten, und das gefällt mir nicht. Der Emperador gibt sich zwar im Moment zahm, ich weiß aber durch die USO, dass es im Quarterium eine große Clique von Scharfmachern – angeführt von Uwahn Jenmuhs – gibt, die nur darauf warten, wieder losschlagen zu können. Und wer weiß, was passiert, wenn MODROR wieder auftaucht und das Quarterium zum Handeln zwingt.«

Nun war auch Gal’Arn nachdenklich geworden.

»Ich verstehe, was du meinst. Aber wir haben doch Verbündete. Sprich doch mit den Entropen. Mit ihrer Hilfe sollten wir die Estartischen Galaxien schützen können.«

»Ja, das werde ich machen. Das wird wohl das Beste sein«, meinte auch Aurec.

*

Am nächsten Tag suchte Aurec Constance Zaryah Beccash auf und bat sie, für ihn ein Treffen mit der obersten Hexe Adelheid zu arrangieren. Constance zeigte sich freundlich und war einverstanden. Schon wenig später wurde Aurec auf das siebentausend Meter durchmessende Eiraumschiff SI KITU, Adelheids Flaggschiff, zu einem Treffen eingeladen.

Der Saggittone wurde in Adelheids Audienzsaal geführt. Der Raum kam Aurec äußerst seltsam und bizarr vor. Die Decke ging weit nach oben, ähnlich wie bei einer Kuppel. Als Aurec nach oben blickte, glaubte er dort Vögel zu erkennen. Er musste schon näher hinsehen. Bei genauerem Hinsehen erkannte er tatsächlich Vögel in Käfigen. Je intensiver er sich umsah, umso mehr Vögel entdeckte er.

Es waren auch viele Holobilder zu sehen. Einige Vögel flogen frei herum und entluden überall ihren Kot. Überhaupt war in diesem Raum viel Vogelkot, zu Aurecs Ekel. Das war nicht gerade eine Residenz, wie er sie von einer Staatsführerin erwartete. Aber die Entropen und vor allem ihre Hexen waren schon immer überaus merkwürdig gewesen. Schließlich erblickte er Adelheid, die am Ende des Saales hinter einem riesigen Tisch saß. Sie war umgeben von Palmen und anderem Grünzeug. Außerdem saß neben ihr, auf einer Stange, ein zweischnabeliger Papagei.

»Arschloch! Arschloch!«, rief der Vogel Aurec in bestem Interkosmo zu.

»Danke, gleichfalls«, gab der Saggittone trocken zurück. Das Ganze kam ihm immer unwirklicher vor.

»Tritt näher, Saggittone. Du musst meinen Vogel entschuldigen. Er kennt nur dieses eine Wort Interkosmo, das ich ihm beigebracht habe, weil es die perfekte Beschreibung für die Galaktiker ist«, erklärte Adelheid und kicherte dabei in sich hinein.

Dabei bebten ihre unzähligen Falten und Runzeln. Auf ihrer Nase befand sich eine dicke Warze, die hin und her schlackerte.

»Ich bin Saggittone«, bemerkte Aurec, der eigentlich am liebsten wieder gegangen wäre.

»Schon gut, schon gut. Sei nicht so eine Mimose. Nimm Platz, Saggittone«, sagte Adelheid in mildem Tonfall.

»Du bist also Aurec, der mächtige Held, hä? Der Beschützer der lieben Terraner.«

»Ich bin ihr Freund und Verbündeter.«

»Dachte ich mir schon. Und was führt dich zu mir? Constance sagte, es wäre dringend.«

»Wie du sicher schon weißt, ist durch die Vernichtung des Sternenportals in der Lokalen Gruppe durch MODRORS Raumstation eine neue, brisante Situation für Siom Som entstanden. Das Quarterium und die Dorgonen sind uns nun wieder zahlenmäßig überlegen. Wir sind sicher, dass Perry Rhodan uns Unterstützung schickt, wissen jedoch nicht, wann sie eintrifft. Wenn sich nun die Hardliner des Quarteriums wieder durchsetzen oder MODROR dem Quarterium den Angriff befiehlt und diese sich mit den Dorgonen verbünden oder von MODROR Unterstützung erhalten, gerieten wir hier in eine prekäre Lage. Aus diesem Grund bitte ich dich, unser Bündnis zu erneuern und uns weiterhin militärisch zu unterstützen«, erklärte Aurec mit ernster Miene.

Adelheid starrte Aurec an, als wäre er ein lästiges Insekt. Dann fing sie unvermittelt an, hysterisch aufzulachen. Die oberste Hexe schüttelte sich geradezu vor Lachen. Aurec sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren.

»Darf ich fragen, was daran so komisch ist?«, fragte der Saggittone in scharfem Tonfall.

Die Hexe hörte auf zu lachen und blickte Aurec verächtlich an.

»Was daran so komisch ist? Das werde ich dir sagen, Saggittonenmann! Du bist es! Du und deinesgleichen – Männer! Ihr Männer seid doch einfach nur primitiv, dumm und schwanzgesteuert.«

»Ich muss doch sehr bitten!«

»Unterbrich mich gefälligst nicht, Saggittonenmann! Ihr Männer seid es doch, die immer wieder Kriege anzetteln und dann nicht wissen, wie sie da wieder herauskommen. Und wir Frauen, die wahre Krönung der Schöpfung, sollen euch dann Trost spenden, wenn ihr anfangt herumzuheulen, und sollen euch in eurem Machowahn dann anhimmeln und euch sagen, wie toll ihr doch seid. Schwächlinge, das seid ihr in Wahrheit! Ihr müsstet uns Frauen auf Knien darum bitten, die Macht zu übernehmen.«

»Ist das deine Antwort?«, fragte Aurec eisig. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht mit solch einem abstrusen Ausbruch.

Adelheid kicherte hässlich.

»Meine Antwort ist folgende, Saggittone: Ich wäre, in meiner grenzenlosen Großmut dazu bereit, eurem Sauhaufen 100.000 entropische Schlachtschiffe zur Verfügung zu stellen. Und ich wäre vielleicht sogar dazu bereit, dir zu verraten, wie man schnellstens mit der Lokalen Gruppe Verbindung aufnehmen kann. Aber nur unter einer Bedingung!«

»Und die wäre?«, erkundigte sich Aurec unbehaglich. Er fürchtete schon, die Alte könnte ihn sexuell attraktiv finden.

»Nicht was du denkst«, wiegelte Adelheid ab, als hätte sie Aurecs Gedanken gelesen. »Ihr Männer könnt doch immer nur an das Eine denken. Aber mach dir keine falschen Hoffnungen. Ich bin kein leichtes Mädchen so wie meine Vorgängerin, wenngleich dir da einiges entgeht. Aber ich habe eine andere Aufgabe für dich. Warte mal.«

Adelheid kramte in der Schublade ihres Schreibtisches und holte zu Aurecs grenzenloser Verwunderung einen antiquierten Dolch daraus hervor.

»Du musst dich vorher selbst foltern. Mit diesem Messer schneidest du dir mehrmals den Handrücken auf, bis es richtig schön blutet«, verlangte die Entropin.

Aurec überlegte kurz, ob es nicht besser war, einfach wieder zu gehen, anstatt die Spielchen dieser offensichtlich Geistesgestörten mitzumachen. Aber vielleicht war es eine Art Prüfung, um ihn auf die Probe zu stellen. Außerdem stand die Sicherheit einer ganzen Galaxie auf dem Spiel. Daher entschloss sich der Saggittone, diesen Wahnsinn mitzumachen. Kurzentschlossen griff er sich das Messer und ritzte sich damit mehrfach in den Handrücken. Adelheid sah sich das Ganze sichtlich zufrieden an.

»Na bitte, geht doch. Man muss nur wollen. Was ist schon so ein bisschen Blut für einen Macho-Supermann wie dich. Außerdem ist das die gerechte Strafe für dein pubertäres Verhalten«, kicherte die Alte schadenfroh.

Aurec musste sich sehr beherrschen, um der Entropin nicht einfach den Hals umzudrehen. Der Schmerz machte ihn reizbar.

»Ich hoffe, du bist nun zufrieden.«

Die Hexe winkte lässig ab.

»So einigermaßen. Aber ich registriere deinen guten Willen. Eigentlich solltest du dich für deine Dummheit selbst geißeln, aber ich bin heute guter Stimmung, also lassen wir es.«

Aurec kochte innerlich vor Wut. Nur mühsam konnte er sich beherrschen.

»Naja, ich sehe schon, länger kannst du Prachtmann dein aufschäumendes Testosteron nicht mehr zügeln. Aber ich bin großzügig. Du kannst auf die Flotte der Entropen zählen, falls die Quarterialen wieder frech werden sollten. Erwarte aber nicht, dass wir unsere Geheimnisse mit euch teilen. Dies kommt aus sicherheitspolitischen Gründen nicht in Frage.«

»Und wie sollen wir nun die Lokale Gruppe erreichen?«, fragte Aurec konsterniert.

»Das überlasse getrost mir, mein Junge. Und nun darfst du gehen. Du bist entlassen.«

Aurec wollte noch etwas entgegnen, doch als er zum Sprechen ansetzte, lud einer der frei herumfliegenden Vögel eine Ladung Kot auf seiner Schulter ab. Schallend lachte die Hexe Adelheid auf.

»Gutes Vögelchen«, kicherte sie.

Nun hatte Aurec genug. Wutentbrannt und ohne jedes weitere Wort verließ er Adelheids Audienzsaal und die SI KITU, bevor er noch auf die Idee kam, sich an Adelheid zu vergreifen und damit neue diplomatische Verwicklungen zu provozieren.

Noch nie in seinem ganzen Leben war der Führer der Saggittonen so gedemütigt worden.

*

Nachdem sich der Saggittone einigermaßen beruhigt hatte, setzte er sich mit Joak Cascal und Gal’Arn zusammen, um ihnen über sein Treffen mit der Entropin zu berichten.

»Noch nie habe ich so etwas Unwürdiges erlebt. Diese Frau ist offensichtlich geistesgestört. Sie ist noch schlimmer als Katryna«, schloss er seinen Bericht.

»Und die war schon schlimm. Davon kann ich ein Liedchen singen«, stimmte Joak Cascal zu.

Er hatte selbst erlebt, wie Katryna, Adelheids Vorgängerin, versucht hatte, ihn zu manipulieren und gegen Perry Rhodan aufzuhetzen. Erst spät hatte Cascal sie durchschaut.

»Ich werde einfach nicht klug aus solch einem Verhalten. Es ergibt einfach keinen Sinn«, meinte Aurec konsterniert.

»Irrationales Verhalten muss auch nicht unbedingt Sinn ergeben«, fand Cascal.

»Ich glaube nicht, dass die Entropen irrational handeln. Sie scheinen irgendein Ziel zu verfolgen«, warf Gal’Arn nachdenklich ein.

Aurec nickte bedächtig.

»Das wäre möglich. Die Frage ist nur, welches Ziel. Diese Entropen sind so plötzlich aufgetaucht, dass wir gar keine Zeit hatten, Näheres über sie zu erfahren. Sie wissen viel über uns, aber wir wissen doch ziemlich wenig über sie.«

»Das sehe ich auch so«, sagte Gal’Arn. »Ich halte es für sehr wichtig, dass wir mehr über die Entropen herausfinden. Ich hätte da auch schon eine Idee, wie wir das anstellen.«

24. Alte Bündnisse

5. April 1308 NGZ

Auf Paxus hatten sich mittlerweile die Wogen wieder geglättet. Durch die überraschende Wendung der militärischen Lage sah sich der Emperador imstande, einige Zugeständnisse wieder rückgängig zu machen. Damit konnte er seinen Kritikern im Volk und der Politik etwas Wind aus den Segeln nehmen. Der alte Spanier saß innenpolitisch wieder so fest im Sattel, dass die Verschwörer keine Chance auf einen erfolgreichen Putsch sahen und ihre Pläne auf unbestimmte Zeit zurückstellten.

Stephanie, Benington, Katschmarek und Niesewitz beschlossen, die Situation zu beobachten und sich dann wiederzutreffen, wenn es notwendig sein sollte. Davon wusste der Emperador nichts. Durch geschicktes Argumentieren gelang es ihm, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass seine Verhandlungstaktik dem Quarterium die nötige Zeit verschafft und vor der totalen Niederlage bewahrt hatte. Zwar wetterte Uwahn Jenmuhs weiterhin gegen den Emperador, doch er war so unbeliebt geworden, dass man ihm kaum noch Beachtung schenkte. Es war mittlerweile auch bekanntgeworden, dass Jenmuhs durch seine Eigenwilligkeit großen Anteil an der Niederlage in der Lokalen Gruppe hatte.

Zufrieden lehnte sich Don Philippe in seinem Sessel zurück und nippte an einem Glas sinistrischen Rotwein.

»Man gönnt sich ja sonst nichts«, meinte der alte Spanier. »Eigentlich können wir doch ganz zufrieden sein, mein Freund Diabolo«, sagte er zu dem Posbi. »Wir haben wieder Frieden und Stabilität. Das ist es doch, was wir wollten.«

»Das erzählen Sie mal den Angehörigen der vielen Gefallenen.«

Der Emperador winkte unwirsch ab.

»Ach, bei Raum- und Verkehrsunfällen kommen jedes Jahr genauso viele um.«

»Hm, naja. Was soll nun mit den Extraterrestriern in den Lagern geschehen? Ziehen Sie nun Ihre Reformen durch und lassen sie laufen?«, fragte Diabolo.

»Die würde ich am liebsten möglichst schnell loswerden. Am besten, sie verlassen Cartwheel. Dann haben wir endlich Ruhe«, meinte Don Philippe.

»Die Frage ist nur, was MODROR davon hält.«

»Ach, der kümmert sich doch schon seit Monaten nicht mehr um uns. Vielleicht hat er uns einfach vergessen. Wer weiß schon, was in den Hirnen dieser Überwesen vorgeht, sofern sie überhaupt noch ein Gehirn haben.«

Kaum hatte der alte Spanier diesen Satz ausgesprochen, platzte Cauthon Despair in sein Arbeitszimmer.

»Ich hatte Ihnen doch befohlen, auf dem Flaggschiff zu bleiben. Außerdem wollte ich nicht gestört werden«, beschwerte sich der Emperador.

Der Silberne Ritter beachtete die Einwände des alten Spaniers nicht.

»URUNGAAR ist am Sternenportal aufgetaucht. Cau Thon hat uns befohlen, sofort bei ihm zu erscheinen.«

Der alte Spanier wurde leichenblass. Hatte MODROR Cau Thon und seine Station URUNGAAR geschickt, um sich zu rächen und ihn für sein Vorgehen zu bestrafen?

»Sie sollten besser keine Zeit verlieren, Emperador«, riet Diabolo.

*

Wenige Minuten später begaben sich der Emperador und Cauthon Despair per Transmitter auf die EL CID und flogen zum Sternenportal. Dort verharrte MODRORS Kampfstation URUNGAAR reglos vor dem Portal.

Wie ein düsterer Rachengel, dachte der Emperador unbehaglich. Er hatte sich jedoch nichts vorzuwerfen. Hätte MODROR URUNGAAR eher geschickt, hätte man das Portal an der Lokalen Gruppe sicher halten können. So war ihm gar nichts anderes übriggeblieben, als zu verhandeln. Mit einer Space-Jet flog man hinüber nach URUNGAAR und landete in einem der riesigen Hangars. Es verstrichen jedoch mehre Stunden, bis man sie empfing.

Man lässt uns absichtlich warten, wusste der Emperador.

Schließlich durften Don Philippe und Cauthon Despair die Space-Jet verlassen und wurden von einigen in Kutten gehüllte Wachen in eine düstere Halle geleitet. Dort saß Cau Thon auf einer Art Thron.

»Willkommen, meine treuen Freunde! Ich habe euch erwartet.«

Die Wörter »treue Freunde« sprach Cau Thon in unüberhörbarem Spott aus.

»Wir …«, begann der Emperador, doch Cau Thon gebot ihm mit einer herrischen Geste zu schweigen.

»Ihr wollt mir sicher erklären, warum ihr euch nach Cartwheel zurückgezogen habt und warum ihr mit diesen Hunden, die unsere Todfeinde sind, verhandelt habt. Seid euch bewusst, dass MODROR enttäuscht von euch ist.«

Der Emperador setzte zum Sprechen an, aber vor lauter Furcht versagte ihm die Stimme. Daher übernahm Cauthon Despair die Initiative.

»Der Emperador hatte keine andere Wahl, so zu handeln. Nach der Niederlage am Sternenportal, die nur durch das Eingreifen der Kosmokraten entstand, mussten wir uns zurückziehen. Da MODROR uns keine Hilfe schickte, die Kosmokraten jedoch unsere Feinde massiv unterstützten, hatten wir keine andere Wahl, als zu verhandeln.«

»Wir mussten Zeit gewinnen, um den Gegner hinzuhalten. Das war doch mein Plan. Und er ist ja auch gelungen. Das müsst Ihr zugeben«, warf der Emperador ein, der wieder mehr Selbstsicherheit gewann.

Cau Thon lachte leise.

»Soso. Wenn das so ist, habt ihr eine zweite Chance verdient. MODROR ist sonst nicht so gnädig, aber da ihr Söhne des Chaos seid, ist er milde gestimmt.«

Er braucht uns. Er wird uns nichts tun, schoss es dem Emperador durch den Kopf.

»Wir danken MODROR dafür«, sagte er ehrerbietig und verneigte sich vor Cau Thon.

Cau Thon erhob sich von seinem Thron. In seiner rechten Hand hielt er einen langen Metallstab, mit dem er demonstrativ auf den Boden aufstampfte, dass es durch die ganze Halle klang.

»MODROR erwartet dafür von euch, dass ihr euch wieder zum Kampf bereitmacht. Cartwheel muss quarterial bleiben und Siom Som wieder ganz quarterial werden.

Wir bereiten einen neuen Angriff vor! Schon heute wird Rodrom aus den Klauen Eorthors befreit werden …«

25. Chaos, Hass und Tod – Die Befreiung des Ungeheuers

Rodrom, 6. April 1308 NGZ

Es war 5:45 Uhr in aller Frühe. Ich lag auf meiner Pritsche und starrte an die weiße Decke. Sie war steril, wie der gesamte Raum. Alles weiß! Ich hätte rot oder schwarz bevorzugt, aber mich fragte ja niemand. Sie hatten den Austausch der Gefangenen immer wieder verschoben. Heute fand er endlich statt.

Die Eingangstür zum Vorraum meiner Zelle glitt auf. Mein Freund Willy »die Ratte« Ossy betrat den Raum. Oh, er hatte sich hübsch gemacht, trug nun blonde Strähnchen im Haar. Seine Augen waren mit feinem Lidschatten untermalt.

»Morgen«, sagte er leise.

Wie jeden Tag schob er das Tablett mit dem Essen durch die Strukturlücke des Schutzschirmes.

»Einen guten Morgen, lieber Willy.«

Keine Sorge, mein Lieber! Bald ist es vorbei. Dann werden wir glücklich zusammen sein. Ich werde dir helfen, einen echten Hengst zu finden, der dich glücklich macht. Du wirst unter meinen Gefolgsleuten respektiert werden!

Ich fühlte, dass diese Worte den Terraner beruhigten. Er dachte an einen smarten Mann, der ihn liebevoll umgarnte, zärtlich zu ihm war und ihm das Gefühl gab, geliebt zu werden. Wie süß! Der kleine Willy mit seinem Freund hopsten vergnügt am Strand, fassten sich an den Händen, drehten sich im Kreis und waren so verliebt ineinander.

Das war offenbar seine Motivation! Noch immer gab es so viele Randgestalten im System der Menschen. Sie hatten es nie verstanden, alle Menschen vollwertig zu integrieren. Doch solch ein Ausguss der Gesellschaft kam dem Chaos immer zugute.

»Findet heute nicht der Gefangenenaustausch statt?«, fragte ich.

»Ja! Aber woher weißt du das? Wir haben niemals drüber geredet!«

Och, er spielte seine Rolle wirklich bravourös.

Ich klatschte langsam dreimal in die Hände. Willy sah mich verdutzt an. Er verstand nicht. Wie konnte er auch. Er war eine Amöbe im Vergleich zu mir!

Ein Ruck ging durch das Raumschiff.

»Und nun beginnt es«, sagte ich feierlich und stand auf.

Ich zupfte meine Kleidung zurecht, legte die Haare halbwegs ordentlich und räusperte mich. Es waren nur noch Sekunden bis zur Befreiung. Doch da stürmten bereits terranische und alyskische Wachmannschaften in den Vorraum der Zelle.

»Morgen, meine Herren! Was verschafft mir die Ehre des Besuches?«

Sie schwiegen. Natürlich! Sie atmeten und besaßen ein Hirn, doch sie waren stupide Soldaten. Die redeten nicht ohne Befehl!

Endlich betrat ein Alysker den Raum. Es war der Kommandant des Raumschiffes, dessen Bezeichnung ich längst wieder vergessen hatte. KNF-09121963? Das stand für ein universales Ereignis, das jetzt keine Rolle spielte und keinen Gedanken wert war. Es war auch egal. Das Raumschiff würde sowieso bald im Hyperraum verweht werden. Der Alysker erregte bei Willy Gefühle. Natürlich, so ein hochgewachsener Mann mit feinem Gesicht und langen, seidigen blonden Haaren musste für den armen Kloß ein wahrer Traummann sein.

»Unteroffizier Ossy, Sie stehen unter Arrest!«

»Was? Wieso? Ich habe doch nichts getan! Ich bin nur ein armer, kleiner Willy!«

Der Alysker mit dem Namen Thrimidge blickte mich voller Verachtung an.

»Was hast du mit dem Terraner gemacht?«

»Ich? Ich möchte von ihm mein Frühstück haben. Zwei Brötchen. Zwei. Und ein Ei, Orangensaft und Tee aus alyskischen Kräutern.«

Thrimidge wurde wütend.

»Wir haben …«

Er schwieg! Offenbar wollte er mir nicht erzählen, dass sie offenbar Probleme an Bord hatten. Womöglich Eindringlinge? Das Licht fing an zu flackern. Der Schutzschirm leuchtete auf. Der Alysker wurde zusehends unruhiger.

Willy hörte nicht auf, sich ständig zu entschuldigen.

Schreie hallten aus den Gängen. Thrimidge ließ sich einen Statusbericht aus der Kommandozentrale geben.

»Die Energiegeneratoren wurden deaktiviert, die Kommunikation geblockt. Die Eindringlinge wissen genau, wo sie zuschlagen müssen. Es müssen Terraner oder Alysker sein, denn ich kann keine anderen Impulse orten«, meldete der Sicherheitschef über Funk.

Ich lachte! Aus heiterem Himmel überkam mich ein Lachanfall. Das war höchst selten, ich hatte in den letzten 190 Millionen Jahren so gut wie niemals gelacht. Es musste dieser Körper sein. Ich fing an, wie ein Wesen aus Fleisch und Blut zu reagieren.

Ich wollte mich entschuldigen, aber dieses verdutzte Gesicht des mädchenhaften Alysker brachte mich dazu, Tränen zu lachen. Heute Morgen hatte dieser selbstverliebte Pfau vermutlich noch seine schönen Haare zwei Stunden lang gekämmt, und nun stand er kurz davor zu sterben! Herrlich! Ich räusperte mich.

»Nun … nun möchte ich aber wirklich mein Frühstück. Zwei Brötchen, ja? Ein Ei! Ein Glas Orangensaft und einen Tee.«

Ich schleckte mit der Zunge über die spröden Lippen. Thrimidge wirkte sehr angespannt.

»Raumschiffzentralrechner: Befehl AZ-1«, sagte Thrimidge ernst. Dann sah er voller Verachtung erneut zu mir herüber.

»Was auch immer dein Plan war, er wird nicht in Erfüllung gehen. Wir versiegeln diese Sektion und werden die Luft absaugen. Ehe deine Retter deine Zelle erreichen, sind wir alle erstickt!«

»Und mein Frühstück?«

Die terranischen Soldaten sahen den Alysker verwundert an. Damit hatten sie wohl nicht gerechnet. Ich übrigens auch nicht.

Sie servierten mir mein Frühstück nicht. Und Willy verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte sein smarter Held Thrimidge einfach alle sterben lassen?

»Sir, wäre es nicht sinnvoller, den Typen einfach zu erschießen?«, fragte ein Sergeant, den Willy als Petr Vizzar kannte.

»Nein, es wäre nicht ehrenvoll, einen Gefangenen zu erschießen«, antwortete der Alysker.

»Aber ihn und seine Wachmannschaft zu ersticken, oder wie? Hören Sie, ich bin Soldat der LFT und selbst wenn Perry Rhodan persönlich diesen schwachsinnigen Befehl geben würde, würde ich ihn nicht befolgen«, begehrte der Sergeant weiter auf und richtete nun die Waffe auf Thrimidge.

Auch dieser Maryo Wydder folgte der Aktion seines Vorgesetzten. Willy war nun völlig hin- und hergerissen.

»Revidieren Sie den Befehl sofort!«

Anarchie und Chaos! Die Alysker und Terraner waren sich nicht einig! Der uralte Volksgenosse war bereit zu sterben, die sterblichen, gewöhnlichen Terraner klammerten sich an ihr kümmerliches Dasein. Amüsant!

»Das werde ich nicht tun! Rodrom muss sterben!«

»Kann er ja, aber wieso sollen wir dabei drauf gehen?«

Vizzar ging zur Steuerungskonsole und wollte offenbar den Schutzschirm deaktivieren.

»Ich warne dich, Terraner!«, drohte Thrimidge.

Doch der Sergeant hörte nicht. Er gab munter weiter irgendwelche Befehle ein. Thrimidge zog seinen Thermostrahler und schoss Vizzar in den Rücken. Willy schrie panisch auf. Mit letzter Kraft drückte Vizzar eine Taste und der Schutzschirm erlosch.

Ich war frei!

Wydder zielte mit zitternden Händen auf den Alysker. Die anderen drei Terraner verhielten sich ruhig. Willy zitterte vor sich hin. Plötzlich verwandelte sich einer der Terraner in einen Ylors. Er entwaffnete Wydder und Thrimidge. Schnell stürmte ich heraus und drückte den Alysker gegen die Wand.

Die anderen beiden Terraner wurden von dem Ylors entwaffnet. Ich erkannte ihren Anführer. Es war Medvecâ höchstpersönlich!

»Gib mir ein Messer! Jetzt!«, brüllte ich in die Runde.

Ich hörte ein leises Lachen des Fürsten der Ylors. Er schritt auf mich zu und reichte mir einen Dolch. Ah, endlich! Ich zitterte schon vor Aufregung! Gierig presste ich meinen Körper an den von Thrimidge. So war es intensiver, als ich ihm in den Hals stach. Das Blut spritzte in mein Gesicht. Ich leckte es mit der Zunge von den Lippen. Ein köstlicher, süßlicher Geschmack. So war der Tod. Eine einzige Wohltat. Doch Thrimidge war ein Spielverderber. Er starb würdevoll, gab keinen Laut von sich, hielt den Körper bis zuletzt ruhig. Ich schnitt ihm die Kehle durch und sah zu, wie er langsam verblutete.

Doch das gab mir keine Befriedigung. Er hatte mich betrogen.

»Rodrom, wir müssen weg«, mahnte Medvecâ.

»Es sind noch vier«, sagte ich knapp.

Ich hob die Waffe von Sergeant Vizzar auf und ballerte die beiden bedeutungslosen Terraner nieder. Das brachte mir aber auch keinen Kick! Sie waren so schnell tot gewesen.

Willy und sein dämlicher Freund Maryo Wydder waren noch übrig. Ich ging zu diesem Wydder.

»Willy, du wolltest doch, dass er dir dein Innerstes offenbart, hm? Was willst du am meisten? Hah?«

Ich sah Willy an.

»Was?«

Ich zitterte, war wie in einem Rausch. Ich wusste doch die Antwort. Willy wollte sein Herz! Ich stach hinein. Der Terraner schrie wie am Spieß. Oh ja, so gefiel mir das! Ich packte seine Rippen und durchbrach sie. Es gab ein hässliches Geräusch. Ich packte sein immer noch pochendes Herz und riss es heraus. Dann gab ich es Willy.

»Hier ist sein Herz. Nur für dich. Ist es nicht schön?«

»Nein«, jammerte Willy und weinte.

Ich drückte ihm das Stück Fleisch ins Gesicht. Willy schrie.

»Rodrom, wir müssen los«, mahnte Medvecâ erneut.

»Gleich, gleich, gleich!«

Ich hatte noch etwas zu erledigen.

»Willy, ich hatte dir doch versprochen, dass ich dir sein Herz schenke. Und nun willst du es nicht? Wie undankbar von dir! Was stelle ich jetzt mit dir an?«

Willy weinte und jammerte, er wisse es nicht.

Hm! Ich packte ihn und zog ihn mit. Vielleicht ließ ich ihn sogar am Leben! Auf dem Korridor wurden wir von Natalia und Veritor erwartet.

»Der Transmitter steht bereit«, erklärte Veritor.

Ich kreuzte meinen Blick mit Natalia. Sie war heiß. Ich sah das lodernde Feuer der Grausamkeit in ihren Augen brennen! Wir gingen zum Transmitter. Der Weg dorthin war mit Leichen gepflastert. Ein Dutzend Ylors standen bereit und warteten auf uns.

»Was wird jetzt aus mir?«, fragte Willy.

Ich sah Natalia vielsagend an. Sie erwiderte meinen Blick mit einem diabolischen Lächeln.

»Du wirst die Hauptattraktion einer kleinen, aber feinen Feier!«

Ich schritt durch den Transmitter. Endlich war ich frei! Meine Rache an Rhodan, Aurec und Eorthor würde grausam sein! Ich würde ihnen das Chaos bringen!

26. Channel KosmoGenial

Aus den Chroniken Cartwheels

Jaaron Jargon, 7. April 1308 NGZ

Die ersten drei Monate des neuen Jahres waren ereignisreich gewesen. Sie hatten einen neuen Kaiser der Dorgonen und den Wendepunkt im Intergalaktischen Krieg gesehen. Es herrschte Frieden und doch schien dieser nach der Vernichtung des Sternenportals in der Lokalen Gruppe erneut zu wanken.

Aurec bereitete emsig die Expedition ins Riff vor, um seine geliebte Kathy Scolar zu finden. Kaum einer teilte die Hoffnung, Kathy vor ihrem Schicksal als Untote noch retten zu können. Pyla und ich bereiteten uns auf den Besuch auf der CAPTAIN TOM vor. Grimm T. Caphorn würde uns dort erwarten und die esoterische Seite seiner kosmogenialen Bewegung verdeutlichen.

Anschließend würden meine Assistentin und ich die letzten Vorbereitungen für die Expedition ins Riff treffen. Ich war sehr gespannt auf das Riff und dankbar, dass mir das Schicksal diese Möglichkeit gewährte, dieses kosmische Wunder erkunden zu dürfen.

Pyla informierte mich, dass Grimm T. Caphorn untröstlich war, das Treffen verschieben zu müssen. Der neue Termin war der 14. April 1308 NGZ. Caphorn hatte auch Vertreter des Quarteriums eingeladen und lud uns statt auf die CAPTAIN TOM auf die Welt Herton IV ein, wo einer seiner größten Gönner lebte, der somerische Geschäftsmann und Esoteriker Caatu.

Nach Absprache mit Roi Danton, der uns anbot mitzukommen, stimmten wir der Einladung zu und waren gespannt, was uns auf dem rund siebentausend Lichtjahre entfernten Planeten erwartete.

Aurec hatte die Expedition zum Riff auf den 20. April 1308 NGZ verschoben. Das kam uns recht gelegen. Danton ließ durchblicken, dass diese Zeit für eine andere Mission benötigt wurde, um mehr über die Entropen herauszufinden.

Epilog – Die Magie des Chaos

Ich war frei! Medvecâ hatte seinen Erzfeind Eorthor überlistet. Der Fürst der Ylors schlug vor, ich sollte ihn zum Rideryon begleiten. Alles zu seiner Zeit! Mir war nicht nach Sicherheit. Ich wollte die Dinge auskosten und für Chaos und Anarchie sorgen!

Diese dekadenten und hirnlosen Körperwesen sollten wissen, dass Rodrom wieder frei war.

Chaos war unberechenbar. Die Kunst des Chaosstiftens lag darin, Unerwartetes zu tun und Willkür herrschen zu lassen. Doch zuerst ließ ich mir von Cau Thon Bericht erstatten.

Das Quarterium hätte doch beinahe MODROR verraten. De la Siniestro und Despair wurden weich, wollten lieber an den Rockzipfeln von Frauen hängen. Mir waren Menschen suspekt, die an die Liebe glaubten. Ich kannte so etwas nicht und das war gut so. Meine Liebe galt dem Chaos und dem Tod. Es gab nichts Schöneres im Universum, als etwas zu vernichten!

MODROR würde irgendwann etwas Neues daraus erschaffen, deshalb war er der Gott. Doch ich sah mich als Vollstrecker, als jener, der diesen erbärmlichen Fleischstückchen ihre Grenzen aufzeigte. Und nun war es an der Zeit, dass diese Wesen die Magie des Chaos kennenlernten. Es war Zeit, wieder auf die Jagd zu gehen und für Chaos zu sorgen!

Ende

Im nächsten Roman schreibt Leo Fegerl über die Unternehmung der Terraner, Saggittonen, Estarten und ihrer Verbündeten, mehr über die geheimnisvollen und eigenwilligen Entropen herauszufinden. Gemeinsam begeben sie sich auf Expedition nach

ENTROPIA

DORGON-Kommentar

Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, mal einige Gedanken loszuwerden, die mir durch den Kopf gehen.

Als ich mit Band 105 [von 180 alter Zählung, Anm.d.R.] den Kommentar von Nils übernommen habe, war meine Situation mit meiner Heutigen nicht zu vergleichen. Wie alle Leserinnen und Leser kannte ich die weitere Entwicklung nicht und konnte deshalb völlig unvoreingenommen über den Fortgang der Handlung spekulieren. Das ist mir natürlich heute so nicht mehr möglich, da ich als Teil des Autorenteams über den geplanten Fortgang der Handlung genau im Bilde bin. Deshalb habe ich mich, viele werden es vielleicht bemerkt haben, in dieser Hinsicht sehr zurückgehalten, da ich mir etwas komisch vorgekommen wäre, wenn ich über den Fortgang der Handlung spekuliert hätte, die ich bereits genau kenne.

Wir werden innerhalb des Glossars eine neue Reihe beginnen, in der wir uns nach und nach genauer mit dem Überbau der DORGON-Serie beschäftigen werden. Dabei wird natürlich auch auf den Überbau der Mutterserie eingegangen, sofern dieser für DORGON relevant ist.

Beginnen möchte ich mit einer Bestandsaufnahme, die zugegeben subjektiv ist.

Es ist gekommen, wie es kommen musste. Zum voraussehbaren Scheitern der Appeasementpolitik des Terranischen Residenten verkneife ich mir hier jede Bemerkung, treffender als Rodrom kann man es wohl nicht ausdrücken:

Klick, klack, Perry Rhodan ist ein Sack!

Auch ist es bezeichnend, dass ein irrsinniger Massenmörder mit dem Machtpotential einer Superintelligenz am Leben gelassen und nur eingesperrt wird, ein Militärgericht und ein Erschießungskommando hätte in diesem Fall wohl ungezählten Leben Qualen und Tod erspart. Aber ich komme hier bereits wieder auf eine Themenschiene, die ich mir eigentlich verkneifen wollte.

*

Worüber ich mir hier eigentlich meine Gedanken machen wollte, ist der Begriff und die Vorstellung des Chaos, wobei dieses innerhalb des PR-Kosmos inzwischen wohl als Synonym und Umschreibung für Gewalt und Terror herhalten muss, eine Definition, mit der ich überhaupt nicht einiggehe. Mir ist in keiner Weise klar, was das Chaos mit Massenmord, Vergewaltigung und Ausbeutung zu tun hat.

Vergegenwärtigen wir uns hier noch mal die PR-Kosmologie, auf die auch DORGON aufbaut:

Das Universum wird von zwei einander widerstrebenden Grundkräften angetrieben: Ordnung und Chaos.

Hier sei mir gleich die Anmerkung gestattet, warum das von Willi Volz begründete Zwiebelschalenmodell ab der Stufe der Superintelligenzen nur eine bipolare Entwicklung zulässt.

Es gibt gute und böse Superintelligenzen, Materiequellen und Materiesenken, Kosmokraten und Chaotarchen, also nur Schwarz oder Weiß.

Das passt nicht in ein modernes, physikalisch untermauertes Weltbild, dessen Reiz für mich gerade darin besteht, dass alles, was möglich und wahrscheinlich ist, irgendwo (!) und irgendwann (!) auch realisiert wird. Hier sei mir nur der Hinweis auf die Quantenphysik und Heisenbergs Unschärferelation erlaubt, auf die wir innerhalb des Glossars schon mehrmals eingegangen sind.

Dagegen stellen für mich Chaotarchen und Kosmokraten Extrempunkte der Evolution dar, quasi pervertierte (!) Grenzzustände, die einer vielfältigen Evolution konträr entgegenwirken.

Innerhalb des PR-Kosmos wurde diese Begrenzung wohl auch von Kurt Mahr erkannt, anders ist die von ihm geschaffene »Dritte Macht« neben Kosmokraten und Chaotarchen nicht zu interpretieren. SI KITU als Hüterin der Thermodynamik hat die Aufgabe, die Macht der beiden Extreme zu beschneiden. Leider konnte Kurt Mahr seine Absicht wohl nicht mehr vollenden, sein Tod ließ die »Mutter der Entropie« innerhalb des PR-Kosmos unbeschäftigt zurück, wo gerade aktuell ihr Eingreifen höchst notwendig wäre.

Doch lassen wir SI KITU durch die Feder Kurt Mahrs selbst zu Wort kommen:

»Ich bin eine der Mächte, die den Kosmos lenken; aber ich bin weder so erhaben wie die Kosmokraten noch so verrucht wie die Chaotarchen. Ich bin der Wicht, der zwischen beiden hin und her hüpft. Ich bin die Essenz des Zufalls. Meine Aufgabe habe ich mir selbst zugemessen. Ich gehorche niemand und niemand gehorcht mir. Ich bin die sanfte Anarchie, der spontane Gedanke, der zusätzliche Schlag deines Herzens. Ich bin – wenn ich mich in deiner Sprache ausdrücken soll – die Hüterin des Zweiten Gesetzes der Thermodynamik.

Die Kosmokraten handeln ihm zuwider, indem sie eine starre Ordnung erschaffen und diese bis ans Ende der Zeit aufrechterhalten wollen. Oh, gewiss, es wäre eine vorzügliche Ordnung: eine solche, in der alles seinen Platz hat, kein Unrecht geschieht, Katastrophen nicht stattfinden. Aber starre Ordnung darf nach dem Zweiten Gesetz nicht sein, also werden die Kosmokraten ihr Ziel verfehlen.

Die Chaotarchen auf der anderen Seite propagieren die Unordnung. Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden, wenn sie nur nicht das Chaos mit einem Schlag erzielen wollten. Denn auch solches lässt das Zweite Gesetz nicht zu. Es spricht von einer steten Zunahme der Entropie, von einem allmählichen Zunehmen der Unordnung. Auch den Chaotarchen wird der Erfolg versagt bleiben.«

Kurt Mahr »Finale in der Tiefe« (PR 1271)


Genau diese Erweiterung des Zwiebelschalenmodells war unser Ansatzpunkt, als wir mit den Kosmotarchen DORGON und MODROR eine weitere Ebene außerhalb des normalen Modells schufen. Wichtig ist uns jedoch dabei gewesen, das grundlegende Modell von Willi Volz nicht zu verlassen, sondern weiter auszubauen und zu modernisieren, was auch zu einer veränderten Sicht auf die Entropie im Lichte der Quantenmechanik und Quantenkosmologie führt. Doch dazu in einem späteren Kommentar.

Und nun noch ein ganz persönlicher Kommentar!

Wer, in aller Welt, brachte den Autor des vorliegenden Romans auf die Idee zu meinen, dass die Verballhornung ehrbarer landmännischer Idiome in irgendeiner Weise witzig wäre?

Un wie, un jetzt werr i abbeer richtig a’fresse, kommt d’Autor d’zu, d’landmännisch Idiome z’verwechsle?

Jens, mei liabr Scholle du, ’s scheint sich über’m Weißwurschtäquator nonet rumsproche habe, dass do unne net blos Schwoba lebba, sondern a Badenser, also Gelbfüssler! Un de Schwarzwold ghert de Gelbfiassler un net de Schwoba! Un desholb sag i ebbe, Fischkepf sollte bei ihrem Plattdeutsch bleibbe! Abbr drum brauchscht koi Flädsch raziehe!

Sorry, aber dieser lange Kommentar musste sein!

Jürgen Freier

GLOSSAR

Kosmologischer Hintergrund

Die wissenschaftliche Grundlage des DORGON-Kosmos bildet Werner Heisenbergs »Unschärferelation«, die kurz gesagt bedeutet, dass quasi jede Veränderung eines Zustandes der Materie – jede Entscheidung, die zu dieser Veränderung geführt hat – zu einer Trennung der Realität führt, es entstehen jeweils zwei parallele Welten (→ Everetts »Viele-Welten-Interpretation«).

»Die Existenz vieler Welten ist eine Folge der alternativen Interpretation des quantenmechanischen Messprozesses und stammt von H. Everett (1957). Sie besagt, dass mit jeder Messung einer quantenmechanischen Messgröße (Observablen) eine Aufspaltung in alle möglichen Realisierungen der Messgröße, also in viele Welten, stattfindet. Eingebettet in den Formalismus der Quantenkosmologie verspricht diese Deutung die Existenz von Paralleluniversen. Dies wurde natürlich bisher nicht nachgewiesen – weder direkt, noch indirekt.« (Andreas Müller, 2014, Spektrum. https://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/viele-welten-theorie/513 [12.07.2020])

»Mit jeder durchgeführten Messung spaltet ein zuvor unbestimmter Zustand in viele Welten auf! Anders gesagt: Alles was möglich ist, also endliche Wahrscheinlichkeit hat, geschieht. Unsere Welt, unser Universum, ist nur ein ganz bestimmtes. Alle anderen, die ebenso alternativ möglich wären, gibt es auch, nur nicht in unserem Universum! Im Rahmen der Quantenkosmologie führt dies zur Hypothese, dass Paralleluniversen existieren.« (Andreas Müller, 2014, Spektrum. https://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/kopenhagener-deutung/234 [12.07.2020])

Demgegenüber steht die Kopenhagener Deutung (ursprünglich von Max Born 1925/26), die nicht so weit geht wie die »Viele-Welten-Interpretation«:

»Das Entscheidende an der Kopenhagener Deutung ist die Beziehung zwischen Wellenfunktion und Messprozess: Gemäß Borns neuer Interpretation befindet sich das quantenmechanische Teilchen vor der Messung gleichzeitig an allen Orten, wo die Wellenfunktion nicht verschwindet! Erst im Moment der Messung ›kollabiert‹ die Wellenfunktion und das Teilchen lokalisiert an einem bestimmten Ort. Die Quantenphysiker sagen: Vor der Messung ist ein Zustand eine kohärente Überlagerung aller möglichen Zustände, nach der Messung steht dann ein bestimmter der möglichen Zustände fest.« (Andreas Müller, 2014, Spektrum. https://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/kopenhagener-deutung/234 [12.07.2020])

Diese Vorstellungen kann man auch folgendermaßen formulieren:

Alles ist möglich, wahrscheinlich und deshalb irgendwo realisiert!

Eine präzisere Formulierung erhielt das Auftreten von Paralleluniversen in der Quantenkosmologie. In dieser Theorie wurde der Quantisierungsapparat, der bisher auf Teilchen angewendet wurde, auf das Universum als Ganzes übertragen.

Dieser Formalismus mündet in Wellenfunktionen für ein Universum und in der Möglichkeit, ganze Universen mit Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren zu erzeugen bzw. zu vernichten. Der Vakuumzustand – »kein Universum« – wird »VOID« genannt, angeregte Zustände sind Baby-Universen. In Form eines Quantenschaums könnten viele Baby-Universen koexistieren. Auf der Quantenskala könnten sich einzelne makroskopische Universen gebildet haben, weil sie durch Inflation aus den Baby-Universen hervorgingen, das wäre dann der Big Bang.

Quantenphysikalische Zustände werden mit der WellenfunktionPSI«) beschrieben. Das Betragsquadrat dieser Wellenfunktion kann gerade so interpretiert werden, dass es eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit für einen Zustand angibt. Beschreibt die Wellenfunktion ein Teilchen, so ist das Absolutquadrat der Wellenfunktion eine Wahrscheinlichkeitsverteilung dafür, das Teilchen an einem bestimmten Ort anzutreffen.

Heute muss die Theorie der Paralleluniversen durch die String-Theorie ergänzt werden, durch die die Fundamentalkräfte der Physik vereinheitlicht werden sollen.

Es ist wohl ohne Probleme zu erkennen, dass das DORGON-Universum ein abgespaltenes Parallel-Universum des Universums der Mutterserie darstellt.

Vertrag von Som (13. März 1308 NGZ)

Nachdem der dorgonische Konsul Volcus nach der Ermordung Elgalars und der anschließenden Hinrichtung seines Mörders Carilla von Legat Falcus zum Kaiser ausgerufen wurde, schlägt Perry Rhodan vor, dass die Konfliktparteien auf Som zu einer Friedenskonferenz zusammenkommen und versuchen, die bestehenden Differenzen auf dem Verhandlungsweg zu lösen.

Die am Konflikt beteiligten Mächte gehen auf diesen Vorschlag ein, wenn ihre Beweggründe und Interessen auch höchst unterschiedlich sind:

  • Für Perry Rhodan und die LFT bietet eine Lösung am Verhandlungstisch die Möglichkeit, den Bruderkrieg der menschlichen Sternenreiche zu vermeiden und dadurch vermutlich Milliarden Lebewesen zu retten. Voraussetzung für den Residenten der LFT ist dabei, dass innerhalb des Quarteriums die Artenbestandsregulierung aufgegeben und die Entsorgungslager auf den entsprechenden Planeten in Cartwheel aufgelöst werden.
  • Für Volcus I. geht es in erster Linie darum, seine noch junge Herrschaft zu festigen und vor allem der Kolonialherrschaft Dorgons über die ehemaligen estartischen Galaxien den Schein intergalaktischer Rechtmäßigkeit zu geben. Um seine innenpolitische Situation zu stärken, muss er die Aufstände innerhalb der ehemaligen Mächtigkeitsballung ESTARTUS beenden. Ein Erfolg der Konferenz würde für ihn ein nicht zu unterschätzender Prestigegewinn darstellen, der sich ohne Zweifel propagandistisch ausnutzen lassen würde.
  • Für Sam und die Führung der FES dagegen bietet die Konferenz die Möglichkeit, Souveränität und Unabhängigkeit der estartischen Völker wiederherzustellen. Allerdings muss der Somer erkennen, dass weder der Resident der LFT noch Aurec als Vertreter der demokratischen Opposition Cartwheels bereit sind, für die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der estartischen Völker den Krieg mit Dorgon weiterzuführen. Für beide ist es völlig ausreichend, dass das dorgonische Kaiserreich garantiert, den estartischen Völkern ein lokal beschränktes Mitwirkungsrecht und ihren gewählten Vertretern ein Rederecht im dorgonischen Senat zu geben.
  • Für das Quarterium dagegen geht es darum, den Einfluss der LFT in Cartwheel so gering wie möglich zu halten und vor allem zu verhindern, dass die quarteriale Staatsführung, mit dem Emperador an der Spitze, sich für die begangenen Verletzungen der Freiheits- und Wesensrechte gerichtlich verantworten muss. Dass die ehemaligen Republiken Saggittor und Akon wieder die Unabhängigkeit erlangen, ist für die Führung des Quarteriums zwar ärgerlich, muss jedoch in der momentanen Lage in Kauf genommen werden. Vor allem ist der Emperador daran interessiert, den gesamten Komplex Artenbestandsregulierung zu verschleiern und zu beschönigen, was ihm anscheinend gegenüber Perry Rhodan auch gelingt.

Unter diesen Gesichtspunkten können die am 15. März 1308 NGZ getroffenen Regelungen, die im Vertrag von Siom schriftlich und digital niedergelegt wurden, und vor allem den Rückzug des Quarteriums aus Siom Som und die Auflösung der Entsorgungslager beinhalten, nur als Erfolg der Diplomatie des Emperadors betrachtet werden.

Bezeichnend ist die Stellungnahme General Cascals, als er auf die Paraphierung des Vertrages angesprochen wurde:

»Da hat Siniestro wohl wieder alle besoffen geredet und sie dann über den Tisch gezogen!«

Was in besonderem Maße auffällt, ist, dass die quarteriale Herrschaft über Erendyra mit keinem Wort erwähnt wird und diese nach wie vor weiterbesteht.

Kräfteverhältnisse und strategische Lage in den estartischen Galaxien nach Vernichtung des Sternenportals in der Lokalen Gruppe

Saggittor, LFT und FES

Som:

48.900 KK-Spindelraumer unter saggittonisch/alyskischem Kommando, 5000 Schlachtschiffe der Terranischen 8. Flotte, 8000 estartische Raumschiffe, 3000 USO-Raumer, 7000 saggittonische Schlachtschiffe

Som-Ussad:

47.600 KK-Spindelraumer unter saggittonisch/alyskischen Kommando, 9000 Schlachtschiffe der Terranischen 8. Flotte, 5000 estartische Raumschiffe, 1000 USO-Raumer, 5000 saggittonische Schlachtschiffe

Etustar und Boldar:

10.000 saggittonische Schlachtschiffe, 1000 Raumer der LFT, 1000 USO-Raumer, 10.000 estartische Raumer

Quarterium

Som:

15.000 SUPREMO-Raumschiffe

Som-Ussad:

95.000 SUPREMO-Raumschiffe

Übrige estartische Galaxien:

20.000 SUPREMO-Raumschiffe

Dorgonisches Kaiserreich

Som:

40.000 Adlerschiffe

Som-Ussad:

70.000 Adlerschiffe

Übrige estartische Galaxien:

90.000 Adlerschiffe


Die aus verschiedenen Quellen durch den Ligadienst zusammengestellte Gegenüberstellung dürfte hinsichtlich der Stärke des Quarteriums äußerst unzureichend sein. Es fällt auf, dass es weder den Nachrichtendiensten der LFT noch der Neuen USO gelungen ist, genauere Informationen über die Entwicklung in Erendyra zu erlangen. Bekannt ist lediglich, dass sich Leticron sofort nach Abschluss des Vertrages von Som wieder in diese Galaxie zurückgezogen hat.

Des Weiteren berichten die Flotteneinheiten, die inzwischen am Sternenportal Siom Soms bei Som-Ussad einer gewaltigen Übermacht des Quarteriums und des Dorgonischen Kaiserreiches gegenüberstehen, dass sie seit ihrer Ankunft größere Schiffsbewegungen vom Sternenportal in Richtung Erendyra beobachten. Außerdem stellten spezielle Überwachungskreuzer auf Basis von Schweren Kreuzern der PROTOS-Klasse durch Hypertaster fest, dass aus MODRORS Zentralgalaxie Barym ein ständiger Schiffsverkehr Richtung Erendyra erfolgt.

Aus der Verteilung der zur Verfügung stehenden Flotten ist klar ersichtlich, dass sowohl das Quarterium als auch das Dorgonische Kaiserreich das Sternenportal Siom Soms bei Som-Ussad unter allen Umständen halten wollen. Hiermit haben sie gegenüber den Alliierten den nicht zu unterschätzenden strategischen Vorteil, dass sie im Fall weiterer kriegerischer Auseinandersetzungen Verstärkungen und Nachschub ohne Zeitverzögerungen heranführen können.

Ein weiteres Problem, das sich aus der gegenwärtigen Flottenverteilung ergibt, ist, dass der Dunkle Himmel nahezu ungeschützt bleibt. Hierbei erhebt sich die Frage, ob die Strategie von Aurec und Joak Cascal richtig ist, die eigenen Kräfte um Som zu massieren, worin wohl der Wunsch zum Ausdruck kommt, Som unter allen Umständen zu halten. Diese Entscheidung könnte in der Zukunft noch verhängnisvoll werden, wenn das Quarterium oder die Dorgonen die Einladung annehmen und den Dunklen Himmel erobern. Gerade der Verlust von Etustar hätte wohl für die ganzen estartischen Völker verheerende Auswirkungen, denn die ehemalige Zentralwelt der Singuva gilt als das letzte Symbol vergangener Größe und verkörpert gleichzeitig die Hoffnung auf die Wiederkehr ESTARTUS und somit die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Insgesamt hat sich durch die Vernichtung des Sternenportals der Lokalen Gruppe die strategische Lage schlagartig zugunsten des Quarteriums und des Dorgonischen Kaiserreiches geändert. Es zeigt sich überdeutlich, dass das Zaudern des Terranischen Residenten, seinen strategischen Vorteil durch das Eingreifen Eorthors auszunutzen, verhängnisvolle Folgen haben kann, indem gerade durch seinen vermeintlichen Erfolg eines Waffenstillstandes der Keim zu einem neuen Krieg gelegt wird.

Als einziger Hoffnungsschimmer bleibt für Cascal und Aurec, die Entropen in ihr Bündnis einzugliedern, was jedoch angesichts der Irrationalität der entropischen Führung äußerst problematisch erscheint.

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