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Band 111

Rideryon-Zyklus

Entscheidung am Sternenportal

Uwahn Jenmuhs greift nach der absoluten Macht

Jens Hirseland

Cover

Prolog

Seit dem Sieg der heldenhaften Töchter und Söhne Tefors, Terras und Saggittors über das diabolische Quarterium im November 1307 NGZ hat sich zwischen dem Quarterium und der Terranischen 8. Flotte ein Katz-und-Maus-Spiel entwickelt. Sich im Leerraum zwischen Galaxien zu verstecken, ist einfacher, als jemanden dort zu finden.

Es existieren zwei quarteriale Raumflotten, nämlich jene des feisten und brutalen arkonidischen Gos’Shekur Uwahn Jenmuhs und die des finsteren und manipulativen Emperadors de la Siniestro, welche insbesondere in der Nähe der Draco-Galaxie nach Perry Rhodans Raumschiffflotte suchen. Rhodan selbst vermeidet eine Schlacht. Verfolgt dieser relativ Unsterbliche eine geniale Taktik oder ist er im hohen Alter einfach nur feige geworden?

Die Weihnachtszeit ist ohne große Zwischenfälle verlaufen. Das Jahr wechselte – zumindest nach galaktischer Zeitrechnung – in das Jahr 1308 NGZ. Wir schreiben den 5. Januar, und es hat es kaum Feindkontakt gegeben.

Trotz unserer unvorstellbaren Technologie mit millionenfacher Überlichtgeschwindigkeit ist das gegenseitige Abtasten ein Zeitspiel. Die Distanzen in der Lokalen Gruppe sind nicht in wenigen Tagen zu überwinden. Jedes Suchmuster ist mit Bedacht zu wählen. Das Quarterium scheint sich taktisch aufgeteilt zu haben: Während die Emperadorflotte auf Absicherung am Sternenportal aus ist, sucht die Flotte des Gos’Shekur unermüdlich nach Rhodan.

Doch welche Strategie hat Perry Rhodan? Ist er überhaupt der richtige Mann am Steuer? Wieso sollte gerade er wieder einmal die Verteidigung der Milchstraße übernehmen?

Nun, ja, er ist der Richtige. Das schreibe ich aus tiefster Überzeugung. Das Galaktikum hüllt sich in Schweigen, ignoriert die Bedrohung durch das Quarterium. Der Kristallimperator Bostich bezeichnet die Angelegenheit als eine terranische Fehde. Welch Hohn. Millionen Arkoniden auf quarterialer Seite sind involviert. Doch vielleicht paktiert ja Bostich mit Jenmuhs. Das wäre wohl das Ende der Liga Freier Terraner. Die LFT würde bei einem Angriff beider Sternenreiche aufhören zu existieren.

Ich kann nur Vermutungen anstellen, welche Strategie Rhodan verfolgt. Doch eines ist klar: Er muss eine Allianz der beiden Imperien verhindern und sei es nur auf dem Wege, das Quarterium so zu schwächen, dass es nie zu einem Krieg in der Milchstraße kommt.

Meine Gebete sind mit den tapferen Männern und Frauen in ihren Stahlkolossen im Weltraum, welche die Freiheit und Demokratie der Milchstraße gegen die aggressiven Invasoren verteidigen.

Roppert Mohlburry, Korrespondent auf der FOCUS am 5. Januar 1308 NGZ

1. Terranische 8. Flotte

Zehntausende Kugelraumer schwebten in der Leere des Weltraums. Die Raumschiffe wiesen unterschiedliche Größen auf. Von 50 bis 1500 Meter waren alle Kampf-Klassen vertreten. Vereinzelt streiften einige von ihnen durch die Leere, andere waren in keilförmigen Pulks formiert. Keilförmige Raumjäger flitzten zwischen ihnen hindurch.

Gut die Hälfte der Verbände hielten taktische Manöver ab. Die Ringwulstraumer der Liga Freier Terraner vermischten sich mit den diskusförmigen weißen Schiffen der Blues, den hellen Pyramidenschiffen der Kemeten, den nachtschwarzen Kugelraumern der Haluter, den Scheibenschiffen der Saggittonen und den abstrakten Fragmentraumern der Posbis. Gemeinschaft war es, worauf die Besatzungen beim kommenden Konflikt setzten.

Perry Rhodan beobachtete im großen Holo seines Konferenzraums das Treiben der sich formierenden Flotte. Der Unsterbliche verzog den Mund, empfand zugleich aber Stolz. Er erwog die Chancen. Der Gos’Shekur Uwahn Jenmuhs irrte sich, und das verschaffte ihnen wertvolle Zeit.

Der Möchtegern-Despot nahm an, Rhodans Flotte würde sich noch in der Zwerg-Galaxie Draco aufhalten, und dort suchte er ihn. Doch in Wahrheit befand sich die Terranische 8. Flotte zehntausend Lichtjahre außerhalb der Galaxie in Warteposition. Nur gelegentlich ließ Rhodan schnelle Einheiten der Posbis oder kemetische Pyramidenschiffe nach Draco ausrücken, um dort für Verwirrung zu sorgen und die Quarterialen glauben zu lassen, man befände sich noch dort.

Die bunte Flotte aus Einheiten der LFT, republikanischen Akonen, Blues, Posbis, Haluter und Saggittonen musste sich zusammenfinden, dann würde sie ein ernst zu nehmender Machtfaktor sein. Die tausend Pyramiden-Schlachtschiffe der Kemeten, die unter dem Kommando von Horus und Anubis standen, waren aufgrund ihrer überlegenen Technologie die zehnfache Zahl wert.

Insgesamt verfügte die Flotte über zweiundsiebzigtausend Schiffe. Zwanzigtausend weitere standen unter dem Kommando von Henry Portland und Aurec bereit. Nach dem Sieg auf Vircho hielten sie keinen direkten Kontakt mit Rhodan, um seinen Standort nicht zu verraten.

Rhodan begann die Lagebesprechung, an der neben den beiden Kemeten Horus und Anubis noch Reginald Bull, General McHenry und Admiral Higgins teilnahmen. Er wandte den Blick von der Flotte ab und setzte sich zu seinen Gesprächspartnern an den großen, länglichen Weißglastisch mit den abgerundeten Kanten. Auffordernd nickte er den Anwesenden zu.

»Gestern hatten einige kemetische Einheiten und Posbi-BOXEN Feindkontakt bei einem Erkundungsflug innerhalb Dracos. Es gab keine Verluste, da sich die Schiffe befehlsgemäß wieder zurückzogen. Sonst keine weiteren besonderen Vorkommnisse in der Zwerg-Galaxie«, berichtete Admiral Higgins.

»Die Quarterialen werden sich nicht ewig täuschen lassen«, mahnte General McHenry. Er schlug mit einer Faust auf den Tisch. »Wir können sie nicht bis in alle Ewigkeit hinhalten. Wir sollten jetzt angreifen und knallhart zuschlagen. Das würde sie völlig überrumpeln.«

»Ganz meine Meinung. Treten wir Jenmuhs in seinen fetten Hintern«, ereiferte sich Reginald Bull und lief dabei im Gesicht rot an.

Rhodan schmunzelte über die blumige Ausdrucksweise seines alten Freundes. Das war eben typisch Bully. Am liebsten immer mit dem Kopf durch die Wand. Jenmuhs zynische Menschenverachtung machte ihn zu einem hinterhältigen Gegner. Fetter Hintern, jawohl. Es tat gut, ihn so simpel zu sehen.

»Auch ich bin dieser Ansicht«, stimmte der Kemete Anubis zu. »Wir sollten den Feind vernichten, wo wir ihn treffen können.«

»Das würde uns aber auch viele Opfer kosten und der Ausgang der Schlacht wäre ungewiss. Wir müssen unsere Kräfte sparen«, gab Rhodan zu bedenken.

General Scott C. McHenry winkte unwirsch ab.

»Der Soldat ist zum Sterben da, das ist nun mal sein Los. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.«

Perry Rhodan dachte wehmütig an Zeiten zurück, als Militaristen wie McHenry nicht gebraucht wurden. Doch mittlerweile hatten sich die Zeiten zum Leidwesen des Unsterblichen geändert. Man brauchte wieder Leute wie General McHenry, um einen Krieg zu gewinnen. Von seinem Standpunkt aus hatte der General vielleicht sogar recht, aber Perry Rhodan war das Leben heilig, auch das seiner Feinde. Und er versuchte, Opfer zu vermeiden, wo immer er konnte.

»Mag sein, General. Aber ich würde einer großen Massen-Vernichtungsschlacht gern aus dem Weg gehen«, erklärte er deshalb.

»Ich teile Rhodans Standpunkt. Außerdem könnte unsere Hinhalte-Taktik dazu dienen, dass der Feind aus Ungeduld Fehler begeht, die uns zum Vorteil gereichen«, pflichtete Horus dem Terraner bei.

So beschloss man, vorerst die Hinhalte-Taktik beizubehalten.

*

Zwei Tage später, am 7. Januar suchte Anubis Perry Rhodan und Reginald Bull auf deren Flaggschiff auf. Rhodan und Bull saßen in Rhodans Quartier und spielten schweigend an ihren Mikropositroniken. Rhodan erhob sich aus dem knarzenden braunen Ledersessel, den er sich mitgenommen hatte, und begrüßte Anubis. Der Shak’Arit mit seiner schwarzen Haut und dem Schakalskopf hätte auf die beiden auch vertraut gewirkt, wenn sie ihn noch nicht gekannt hätten. Immerhin war Anubis eines der populären Wesen aus der terranischen Mythologie. Ob man sich mit Ägyptologie nun auskannte oder nicht, das Aussehen des Kemeten gehörte zum kulturellen Gemeingut der Terraner.

Die Kemeten, ein Völkerverbund aus der Galaxie Chepri, heute unter dem Namen Cartwheel bekannt, hatten vor Jahrtausenden auf Terra gewirkt. Erst vor knapp zehn Jahren war es der Archäologin Denise Joorn gelungen, ihre Identität und die Existenz der alten »Götter« wie Osiris, Anubis oder Horus zu beweisen.

»Ich bringe Neuigkeiten. Einem unserer Erkundungsschiffe ist es gelungen, ein quarteriales Kurierschiff aufzubringen. Der gefangene Bote sagte aus, Uwahn Jenmuhs hätte ihm befohlen, Kontakt mit dem arkonidischen Imperator Bostich aufzunehmen und ihn um militärische Unterstützung zu ersuchen. Der Bote sollte geheime Gespräche zwischen Bostich und dem Quarterium arrangieren.«

Reginald Bull stieß einen Pfiff aus.

»Das kommt nicht überraschend. Nur, dass der Knilch so lange brauchte, um über seinen Schatten zu springen. Die Quarterialen brauchen also neue Verbündete.«

»Wenn sich Jenmuhs und Bostich verbünden, dann sieht es schlecht für uns aus«, meinte Perry Rhodan düster.

»Also sollten wir doch sofort losschlagen«, empfahl Bully.

»Es gibt noch weitere Informationen«, fuhr Anubis fort. Rhodan und Bull blickten den Kemeten erwartungsvoll an.

»Der Kurier sagte weiter aus, dass er den Auftrag erhielt, mit der verbotenen Opposition auf Arkon Kontakt aufzunehmen. Offenbar besteht schon länger Kontakt zwischen Jenmuhs und dieser Organisation«, berichtete Anubis.

Rhodan und Bull starrten ihn erstaunt an.

»Jenmuhs steckt voller Überraschungen. Offenbar will er nicht nur uns an den Kragen, sondern auch den guten alten Bostich über die Klinge springen lassen«, schlussfolgerte der Terranische Resident.

»Und er wird dann natürlich Bostichs Nachfolger als Imperator. Wenn er uns dann erledigt hat, hat er die ganze Milchstraße im Sack. Das kann spaßig werden, gegen den Typen war Iwan der Schreckliche ein freundlicher Mensch«, ergänzte Bully.

»Das müssen wir verhindern.«

»Und wie, Perry? Wie sollen wir denn von hier aus Kindermädchen für Bostich spielen? Selbst wenn wir ihn warnen, würde er uns womöglich gar nicht glauben.«

»Wir selbst können natürlich von hier aus nichts tun. Aber wir können unseren besten TLD-Agenten schicken: Stewart Landry. Er soll nachforschen, was wirklich an der Sache dran ist und, wenn nötig, ein Attentat auf Bostich verhindern.«

»Gut, ich werde das sofort veranlassen. So viel ich weiß, befindet er sich auf Zalit.« Bull machte sich auf den Weg.

Rhodan wandte sich an den Kemeten, der noch immer im Raum stand.

»Wir danken dir für die Informationen, Anubis. Sie sind sehr wertvoll für uns.«

»Ihr braucht mir nicht zu danken. Allerdings hätte ich gern noch eine Information von euch.«

»Und die wäre?«

»Wer ist Iwan der Schreckliche?«

2. Agent im Einsatz

Auf Zalit waren die Nächte lang.

Stewart Landry streichelte durch das kupferfarbene Haar seiner Gespielin. Sie stöhnte lustvoll auf, als er ihren rotbraunen Hals küsste. Dabei ging Landry eigentlich nur seiner Agententätigkeit im Voga-System nach. Seine Aufgabe war es, militärische und wirtschaftliche Informationen über das Kristallimperium zu sammeln.

Dazu gehörten auch die Stützpunkte auf Zalit. Als Geschäftsmann getarnt, unterhielt der Terraner regen Kontakt zu einer wohl proportionierten Zaliterin, der ihn bis in das Schlafgemach seines Hotelzimmers führte. Er ließ kurz von der Dame ab und genoss einen Schluck des exzellenten zalitischen Weins, der sich galaxieweiter Beliebtheit erfreute.

Dabei bemerkte er die runde Spürsonde, gespickt mit unzähligen Antennen, die durch das offene Fenster des Bungalows hereinschwebte. Die Sonde bahnte sich ihren Weg direkt auf das Bett zu. Landry schob die Zaliterin von sich, die einen mürrischen Laut von sich gab und ihn aufforderte weiterzumachen.

Die Sonde wiederum gab ein Piepen von sich. Landry zog den Thermostrahler unter dem Kopfkissen hervor und war entschlossen, den Eindringling zu vernichten, doch der Schuss wurde mühelos von dem fremden Gerät absorbiert.

»Hören Sie gefälligst auf mit diesem Unfug, Landry!«, schnarrte eine Stimme aus der Sonde.

Das war zu viel für die Zaliterin, die einen Schrei ausstieß, eiligst ihre Sachen vom Fußboden aufsammelte und aus dem Bungalow verschwand. Stewart Landry erhob sich indessen aus dem Bett und ging, mit der Waffe im Anschlag, langsam auf die Sonde zu.

»Nun machen Sie schon«, schnarrte das Gerät.

Landry ließ die Waffe sinken und wirkte noch erstaunter.

»Sir, ähm Mister Bull, sind Sie das?«, fragte er unsicher.

Die Sonde öffnete eine Außenklappe und brachte ein kleines Hologramm zum Vorschein. In diesem erschien das Gesicht von Reginald Bull.

»Allerdings, wie Sie nun unschwer erkennen können. Würde es Ihnen etwas ausmachen, sich etwas anzuziehen?«, fragte Bull amüsiert.

»Ähm, natürlich nicht, Sir. Sofort, Sir«, versicherte Landry und zog sich rasch an.

»Tut mir leid, dass wir Sie bei Ihrem Schäferstündchen unterbrochen haben, Landry, aber es gibt wichtige Neuigkeiten«, erklärte sein Vorgesetzter.

»Das war rein dienstlich, Sir.«

»Sicher, für Resident und Vaterland. Wie auch immer – Sie bekommen einen neuen Auftrag. Da dieser vordringlich ist, haben wir diese Sonde benutzt, die uns die Kemeten freundlicherweise zu Verfügung gestellt haben, um Sie schnellstmöglich zu finden«, erklärte Bull.

»So viel Aufwand wegen mir, Sir? Ich fühle mich geschmeichelt«, gab Landry trocken zurück.

»Bilden Sie sich nur nicht zu viel ein, Landry. Sie sind nun mal in der Nähe des Einsatzortes.«

»Worum geht es, Sir?«

»Was wissen Sie über die verbotene arkonidische Opposition?«

»Da gibt es mehrere Splittergruppen. Die bedeutendste ist die sogenannte Gos’Shekur Faust. Sie ist eine militante Sonderorganisation, die im Geheimen operiert. Ihr Ziel ist ein Bündnis zwischen Arkon und dem Quarterium. Wir vermuten, dass sie Uwahn Jenmuhs treu ergeben ist. Finanziert wird sie sicherlich von Jenmuhs selbst, aber auch von einflussreichen arkonidischen Adligen und durch die nicht unbeträchtlichen Gewinne einer Scheinfirma. Beweisen ließ sich das bislang aber nicht. Der TLD hatte auch wenig Anlass, sich darum zu kümmern«, erklärte Landry.

»Das wird sich nun ändern. Die Kemeten haben vor der Milchstraße einen quarterialen Kurier abgefangen, der im Auftrag von Jenmuhs mit Imperator Bostich über ein Bündnis mit dem Quarterium verhandeln sollte. Sein Auftrag war aber auch, Kontakt mit der verbotenen Opposition aufzunehmen. Daher vermutet Perry Rhodan, dass Jenmuhs doppeltes Spiel treibt. Finden Sie heraus, was hinter dieser Gos’Shekur Faust steckt und was Jenmuhs wirklich vorhat.«

»Ich breche sofort nach Arkon I auf, Sir.«

»Gut. Wir können nur hoffen, dass Sie etwas herausfinden, was einen Keil zwischen Arkon und das Quarterium treibt, denn wenn die beiden Reiche sich miteinander verbünden, sitzen wir in der Falle«, beendete Reginald Bull das Gespräch. Landry war wieder allein. Er atmete tief durch. Zu allein, dachte er bedauernd. Dann begann er zu packen.

*

Stewart Landry flog – als Geschäftsmann getarnt – bereits am nächsten Tag nach Arkon I. Die Reise in das drei Lichtjahre entfernte Nachbarsystem dauerte nicht einmal eine halbe Stunde. Die Kontrollen auf dem Raumhafen Shuluk waren jedoch nicht zu unterschätzen, wenn er Pech hatte, konnten sie langwierig werden. Landry stieg aus der Raumfähre aus und sah sich um. Langsam ging er auf das Kontrolltor zu, welches von drei grimmig dreinblickenden Arkoniden bewacht wurde.

Die Menschen und Extraterrestrier standen in einer Schlange und wurden nacheinander durch das Tor gewinkt. In der Sonde hatte Bull einige technische Spielereien der Kemeten versteckt. Angeblich waren sie sicher vor jeglicher Ortung. Die Teile waren in Landrys tragbarem Rechner eingebaut. Er hoffte, dass dieser Ortungsschutz wirklich so gut war.

Als er an der Reihe war, ging er ohne zu zögern durch den Abtastungsbogen. Nichts geschah. Es funktionierte. Er ließ sich die Erleichterung nicht anmerken und ging gemessenen Schrittes zum Ausgang der großen Raumhafenhalle. Die Stadt Shulukai wartete auf ihn.

Shuluk war ursprünglich nur ein kleines Landefeld gewesen, war inzwischen aber mit einem Durchmesser von rund hundertzwanzig Kilometern der größte Raumhafen auf Arkon I. Er lag auf der westlichen Seite Laktranors am inneren Bogen des sichelförmigen Binnenmeeres Sha’shuluk.

Landry blickte auf den imposanten Ringwall, der zweitausend Meter hoch aufragte. Der Raumhafen wirkte aus der Luft wie ein gigantischer Krater. Shulukai erstreckte sich von seiner Außenseite aus in die Ebene. Landry war hier schon öfter gewesen. Es gefiel ihm in dieser Stadt, denn sie war nicht typisch arkonidisch. Die Architektur der 35-Millionen-Metropole war zweckmäßiger und erinnerte ihn sogar an die Bauweise auf Terra.

Nachdem Landry im Hotel Zoltral eingecheckt hatte, begab er sich zu seiner ersten Spur.

Er knüpfte erste Kontakte mit der Gos’Shekur Faust, indem er sich einen Termin bei dem Börsenspekulanten Mad Mukkel verschaffte. Mukkel war halb Arkonide, halb Plophoser und als Anhänger des Quarteriums bekannt. Er unterhielt Glücksspieleinrichtungen in der ganzen Milchstraße und war auch dank der Unterstützung arkonidischer Adliger besonders in Shulukai Besitzer etlicher Casinos. Der TLD vermutete schon länger, dass Mukkel Kontakte zur Gos’Shekur Faust unterhielt.

Da Landry sich als schwerreicher Geschäftsmann ausgab, wurde er schon bald in Mad Mukkels luxuriöses Büro vorgelassen. Sein Besitzer, ein schlanker Mann von durchschnittlicher Erscheinung, musterte Landry mit rot unterlaufenen Augen.

»Willkommen, Mister …«

»Moore, Sean T. Moore«, antwortete Landry. Dies war sein Tarnname seit seinem letzten Auftrag auf Zalit.

»T steht für Timothy«, erklärte er lächelnd und übergab Mukkel eine Visitenkarte.

»Aha«, machte der und sah missmutig drein. Dabei tränten seine Augen heftig.

»Ich hoffe, das ist kein Grund zum Weinen. Stimmt etwas nicht?«, fragte Landry irritiert, der die Mimik seines Gegenübers nicht einschätzen konnte.

»Nein, nein. Nur eine Allergie«, murmelte Mukkel und griff zu einem Nasenspray, das er ausgiebig inhalierte.

»Ja, die Nasennebenhöhlen, die können einem trotz aller medizinischen Fortschritte zu schaffen machen. Meine Tante Alma zu Beispiel …«

»Setzen Sie sich, Mister Moore«, unterbrach ihn Mukkel emotionslos.

Landry lächelte zuvorkommend und nahm Platz. Sonderlich höflich war dieser Mukkel nicht. Aber die Anhänger des Quarteriums waren auch nicht gerade für ihre guten Manieren bekannt.

»Was wollen Sie von mir?«, fragte Mukkel gerade heraus. Landry spürte sein Misstrauen.

»Ich bin Geschäftsmann. Ich handle mit Waffen und Maschinen.«

»Vernichtung und Wiederaufbau, das war stets eine lukrative Kombination«, stimmte Mad Mukkel etwas höflicher zu.

»Gewiss, Mister Mukkel. Doch dies allein füllt mich nicht aus. Ich möchte mich auch politisch engagieren. Ich habe großen Respekt vor dem Quarterium. Männer wie der Emperador, Cauthon Despair und nicht zuletzt Uwahn Jenmuhs sind es, die die Menschheit wirklich voranbringen. Perry Rhodan und seine Clique haben abgewirtschaftet. Sie sind schwach und viel zu tolerant den Aliens gegenüber, die uns immer mehr auf der Nase herumtanzen und unsere Gutmütigkeit ausnutzen«, redete sich Landry in Rage.

Tatsächlich hellte sich Mukkels Miene ein wenig auf. Landry meinte sogar, die Andeutung eines Lächelns entdecken zu können.

»Das stimmt in der Tat. Auch ich finde das Quarterium durchaus sympathisch. Nur die Stärksten können überleben, das Schwache muss vernichtet oder unterworfen werden. So sind nun einmal die Naturgesetze«, erklärte der Geschäftsmann, der Landry dadurch noch unsympathischer wurde.

»Richtig, das Quarterium hat das erkannt. Leider sträubt sich die LFT noch dagegen.«

»Ganz meiner Meinung. Doch was kann ich für Sie tun?«, kam Mukkel auf den Punkt.

»Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie gewisse Kontakte zum Quarterium unterhalten. Ich möchte diesen Machtblock, der uns eine Zukunft sichert, tatkräftig unterstützen, und zwar mit einer Spende von mehreren Millionen Galax. Da Arkon noch neutral ist, erscheint es mir sinnvoll, die Angelegenheit ohne Aufsehen abzuwickeln. Ich hoffe, Sie können mir dabei behilflich sein«, erklärte Landry. Damit war der Köder ausgeworfen, aber würde sein Gegenüber anbeißen?

Mukkel schien angestrengt zu überlegen. Er blickte seinen Besucher mit seinen roten, von dicken Tränensäcken umgebenen Augen skeptisch an.

»Das klingt ziemlich gut. Sie werden jedoch verstehen, dass ich Sie zunächst überprüfen muss. Außerdem muss ich meine Vorgesetzten kontaktieren.«

Damit hatte Landry gerechnet. Es war alles vom TLD vorbereitet. Die Überprüfung von Sean T. Moore würde ein positives Ergebnis bescheinigen.

»Das erwarte ich sogar von Ihnen als gewissenhaftem Geschäftspartner. Da Sie allerdings nur ein Mittelsmann sind, werden Sie verstehen, dass ich als nächstes direkt mit Ihren Vorgesetzten sprechen möchte. Immerhin handelt es sich um eine stattliche Summe«, versetzte Landry.

Mukkel lächelte säuerlich.

»Gewiss, Mister Moore. Und nun entschuldigen Sie mich, ich habe noch viel zu tun.«

Landry verabschiedete sich und verließ das Gebäude. Der TLD-Agent hatte sich einen Gleiter gemietet, mit dem er in den Bungalow des Hotels Zoltral zurückkehrte, in dem er auf Kosten des TLD abgestiegen war.

Der Bungalow lag direkt am Binnenmeer Sha’shuluk und bot eine herrliche Aussicht. Die Reichen und Schönen tummelten sich am anliegenden Strand und verprassten ihr Geld.

Landry fiel auf, dass ihm ein Gleiter folgte, und zwar schon seit er Mukkels Gebäude verlassen hatte.

Der TLD-Agent stieg aus, ging ein Stück und bemerkte, dass zwei Arkoniden, die aus dem anderen Gleiter gestiegen waren, ihm folgten. Ließ Mukkel ihn beschatten? Landry beschloss, vorsichtig zu sein. Er tat so, als hätte er seine Verfolger nicht bemerkt, und betrat seinen Bungalow.

*

Einige Stunden lang tat sich nichts. Doch als es dunkel wurde, bemerkte er, wie sich jemand an der Tür zu schaffen machte. Landry ging in das Badezimmer und aktivierte die Nasszelle. Dann versteckte er sich in einer dunklen Ecke und wartete. Es dauerte nicht lange, bis sich die Eingangstür öffnete und die beiden Arkoniden den Bungalow betraten. Sie begannen, sein Zimmer zu durchsuchen.

»Kann ich Ihnen behilflich sein, meine Herren?«, unterbrach Landry ihre Betätigung.

Ohne zu zögern, stürzten die beiden Arkoniden auf ihn zu. Den ersten konnte er paralysieren, doch der zweite packte ihn am Arm und wollte ihm den Paralysator entreißen, dabei fiel die Waffe zu Boden. Es gelang Landry jedoch, den Gegner mit einem Dagorgriff zu Fall bringen, dann warf er sich auf ihn und betäubte ihn mit einem gezielten Schlag auf den Kopf. Zur Sicherheit paralysierte er den Angreifer zusätzlich.

»Arkonidische Gastfreundlichkeit«, murmelte der TLD-Agent und durchsuchte die beiden Betäubten.

Als er ihre Ausweise fand, stieß er einen leisen Fluch aus. Die beiden kamen nicht von Mad Mukkel, wie Landry vermutet hatte, sondern gehörten dem arkonidischen Geheimdienst Tu-Ra-Cel an. Das bedeutete, diese gefürchtete Organisation wusste Bescheid, dass er hier agierte. Landry beschloss, den Bungalow zu verlassen und sich ein anderes Domizil zu suchen. Er hoffte, dass Mukkel schon bald mit ihm Kontakt aufnahm, damit er vorankam, bevor sich die Tu-Ra-Cel zu sehr einmischte.

3. Hoffnungen und nochmals Hoffnungen …

Draco-Galaxie, 12. Januar 1308 NGZ

Die fünfzigtausend Schiffseinheiten des Emperadors hatten die Draco-Galaxie erreicht. Bald trafen sie auf den Flottenverband von Uwahn Jenmuhs, und Don Philippe ersuchte den Arkoniden um ein Gespräch an Bord der EL CID. Der Gos’Shekur hatte jedoch keine beruhigenden Nachrichten. Nach wie vor hatte er Perry Rhodans Flotte, die man inzwischen bei den Quarterialen die »Geisterflotte« nannte, nicht stellen können.

»Diese feigen Schakale weichen mir aus, weil sie meine Macht und meine strategischen Fähigkeiten fürchten. Doch ich versichere Ihnen, Emperador, es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich sie aus ihren Rattenlöchern jage, und wenn es Monate dauern sollte!«, versicherte der fette Arkonide seinem Vorgesetzten. Dabei schwabbelte sein ganzer feister Körper vor Erregung.

»Es dauert schon Monate. Wir haben aber keine Zeit mehr, verehrter Jenmuhs. Unsere Lage hat sich seit dem Tod von Torsor und der Niederlage bei Tefrod dramatisch verschlechtert. Es ist zu befürchten, dass uns Aurec mit diesen verdammten Entropen bald nachsetzt. Dann könnten wir zwischen zwei Fronten geraten«, klagte der Emperador. Sein Gesicht legte sich in düstere Falten.

»Ach was, wir sind Quarteriale. Wir haben jetzt hundertvierzigtausend Schiffe. Damit sind wir unschlagbar«, wischte Jenmuhs die Bedenken des uralten Spaniers hinweg.

Doch dieser blieb skeptisch und sah Cauthon Despair, der ebenfalls zugegen war, fragend an.

»Was meinen Sie, Despair?«

»Rhodan ist ein alter Fuchs. Er hat Jenmuhs seit Monaten aufgehalten und dabei wertvolle Zeit gewonnen. Wir haben zwar jetzt eine vereinigte Flotte, die ausreicht, um Rhodans Flotte zu schlagen, aber unsere Kräfte genügen nicht, um die Milchstraße anzugreifen, da der Großteil der LFT-Flotte die Kolonien und das Solsystem schützen wird. Außerdem müssen wir in der Tat damit rechnen, dass uns Aurec und die Entropen in den Rücken fallen. Das müssen wir unbedingt verhindern.«

»Ach Unsinn! Wir müssen Rhodan sofort angreifen und vernichten«, ereiferte sich Jenmuhs.

»Ach nein! Was Sie nicht sagen! Warum haben Sie es dann nicht schon längst getan? Wegen Ihrer Inkompetenz sitzen wir jetzt hier fest, anstatt neue Operationen vornehmen zu können«, gab der Silberne Ritter kalt zurück.

Der fette Arkonide sah ihn hasserfüllt an.

»Dafür sollte ich von Ihnen Genugtuung fordern, Blechmann!«

»Ach ja, bitte! Tun Sie mir doch den Gefallen«, gab Despair unbeeindruckt zurück und fasste an sein Schwert.

»Aber, meine Herren!«, schritt der Emperador mit einer gebieterischen Geste ein. »Ich muss doch sehr bitten! Wir haben schon genug Feinde. Wir müssen nicht auch noch aufeinander losgehen.«

»Nun gut, dann will ich mal nicht so sein und die Sache auf sich beruhen lassen«, lenkte Uwahn Jenmuhs ein.

Despair schwieg und dachte sich seinen Teil.

»Im Übrigen stimme ich Marschall Despair zu«, fuhr der Emperador fort. »Ohne Unterstützung durch MODROR müssen wir mit unseren Kräften haushalten. Daher stoppe ich hiermit alle Militäraktionen innerhalb von Draco. Stattdessen werden wir unsere Flotte hier an dieser Stelle zusammenziehen, bis wir wissen, wo sich Rhodans Flotte befindet. Wir werden ihm nicht den Gefallen tun und unsere Kräfte zersplittern.«

Uwahn Jenmuhs war davon nicht begeistert, stimmte aber widerwillig zu.

»Ich hoffe, dass wir schon bald das Kristallimperium auf unserer Seite haben. Ich habe einen Unterhändler zu Bostich gesandt, um Verhandlungen über ein Bündnis aufzunehmen«, erklärte er schnaufend.

»Und?«

»Ich habe noch keine Nachricht von diesem Schwachkopf von Unterhändler. Man ist nur von unfähigen Gefolgsleuten umgeben.«

»Womöglich ist er von den Terranern abgefangen worden«, mutmaßte Despair.

»Möglich, ich hab ihn schon vor Wochen losgeschickt«, räumte Jenmuhs widerstrebend ein.

»Dann werden wir einen weiteren Boten entsenden«, entschied der Emperador. »Aber diesmal jemand von hohem Rang, damit der Imperator sieht, wie ernst uns die Angelegenheit ist. Ich werde meine Tochter Stephanie schicken. Sie hat bereits ein Bündnis mit dem neuen dorgonischen Kaiser Volcus geschlossen, nun soll sie Bostich alle vertretbaren Zugeständnisse machen. Wir müssen uns mit den Arkoniden verbünden. Wenn Bostich in der Milchstraße losschlägt und sich mit unserer Flotte vereinigt, ist Perry Rhodan erledigt und wir gewinnen diesen Krieg.«

*

Da niemand Einwände hatte, wurden alle Vorbereitungen getroffen. Don Philippe kehrte in sein Quartier zurück, in dem sich auch Rosan befand, und rief seine Tochter zu sich, um ihr den Plan zu unterbreiten.

Stephanie war angetan von dem Vorhaben, sie traute sich die schwierige diplomatische Aufgabe durchaus zu. Außerdem witterte sie eine Chance, sich ihrer Gegnerinnen zu entledigen.

»Eine höchst delikate Angelegenheit, lieber Vater. Ich schlage vor, dass mich Rosan begleitet. Sie als Halbarkonidin kennt sich gut aus mit den Gepflogenheiten der Arkoniden und könnte sicherlich bei dieser Mission von großem Nutzen sein«, schlug sie daher zur großen Überraschung der Anwesenden vor.

»Rosan nach Arkon? Also, ich weiß nicht. Mir wäre es lieber, sie bliebe bei mir«, meinte Don Philippe skeptisch.

Auch Rosan war ziemlich erstaunt. Was hatte Stephanie vor? Sie versuchte, das überfreundliche Grinsen ihrer Stieftochter zu interpretieren. Wieso sollte sie mitkommen? Gut, sie war Halbarkonidin und aus edlem Hause, doch sicher keine Freundin von Bostich und seinem Hof. Wollte sie zurück nach Gos’Ranton? Sie hatte keine schönen Erinnerungen an den Ort, an dem sie die ersten 21 Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Erinnerungen an ihre Stieffamilie, die Orbanashols, kamen hoch. Mit Schaudern dachte sie an ihren tyrannischen Stiefvater Spector, ihre lieblose Mutter Thorina und ihren Verlobten Attakus zurück.

Sie alle waren schon lange tot. Spector und ihre Mutter waren auf der LONDON I vor 22 Jahren ums Leben gekommen, und Attakus hatte vor 17 Jahren auf der LONDON II den Tod gefunden. Rosan hatte nie den Kontakt zu ihren Verwandten gesucht. Sie verabscheute die arkonidische Etikette des Adels zutiefst. Dumme, reiche und verwöhnte Snobs, die sich für etwas Besseres hielten! Sie sah sich um und seufzte. Bei den de la Siniestros war es nicht viel besser.

Sie dachte an ihre hypothetischen Fluchtpläne. Nun hatte sie die Chance, ganz leicht in die Milchstraße zu gelangen. Von dort aus war eine Flucht möglich. Sie kannte sich auf Gos’Ranton gut aus. Das könnte ihr zum Vorteil gereichen.

Wenn es ihr gelang, zu fliehen und in die terranische Botschaft zu kommen, war sie wieder frei. Sie beschloss, diese Gelegenheit zu nutzen. Lächelnd stand sie auf und schmiegte sich an den Emperador.

»Ich finde Stephs Idee großartig, lieber Phili. Endlich kann ich beweisen, dass ich zu Recht die neue Emperatriz bin und etwas Gutes für mein Volk tun. Ich kenne mich mit dem arkonidischen Hochadel aus. Vor Jahren hätte ich beinahe dort eingeheiratet und meine Mutter unterhielt beste Beziehungen zu einigen hoch angesehenen arkonidischen Familien. Ich bin sicher, ich kann Stephanie gut beraten. Außerdem wird Imperator Bostich beeindruckt sein, wenn du ihm deine Tochter und deine Frau als Unterhändler schickst. Wenn dein Plan gelingt, wird bald Frieden sein, und wir können uns endlich unserer Ehe widmen und die Ruhe genießen.«

Dies alles überzeugte Don Philippe letztendlich.

»Nun gut, dann soll es so sein. Wir wollen zusammenhalten wie eine Familie, dann überwinden wir auch alle Schwierigkeiten. Es freut mich, dass ihr zusammenarbeiten wollt.«

Rosan bekam fast ein wenig Mitleid mit dem alten Mann, weil sie ihn bitter enttäuschen würde, aber ihr blieb keine andere Wahl. Ganz allein wollte sie mit Stephanie aber nicht reisen. Daher dachte sie an Uthe und Brettany, die vielleicht auch die Chance zur Flucht nutzen wollten.

»Ich kann aber unmöglich allein reisen, Philippe. Ich möchte, dass mich Brettany und Uthe als Hofdamen begleiten.«

»Das ist eine gute Idee«, pflichtete Stephanie ihr zu ihrem Erstaunen bei. »Außerdem sollte Cauthon Despair uns als militärischer Berater begleiten.«

»Nun gut, diese Entscheidung ist aber freiwillig. Jeder soll für sich selbst entscheiden. Die Mission könnte gefährlich werden«, meinte der Emperador.

»Am arkonidischen Hof sind wir sicher. Die Terraner werden es nicht wagen, dort etwas zu unternehmen«, versicherte Stephanie. Das unschuldige Lächeln auf ihrem Gesicht glich dem eines Engels.

*

Don Philippe traf sich mit Cauthon Despair, um ihm Stephanies Vorschlag zu unterbreiten. Der Silberne Ritter war jedoch alles andere als begeistert.

»Ich werde hierbleiben. Erstens bin ich für diplomatische Missionen wenig geeignet und zweitens will ich bei der Flotte bleiben für den Fall, dass Rhodan oder Aurec uns angreifen sollten«, lehnte er ab.

»Das sehe ich ein, Despair. Ich brauche Sie hier dringender. Stephanie ist erfahren genug in diplomatischen Verhandlungen. Ich wäre allerdings beruhigter gewesen, wenn Sie auf Rosan aufgepasst hätten«, erklärte Don Philippe.

»Ich halte es für keine gute Idee, sie dorthin zu schicken. Sie wird wohl kaum für das Quarterium sprechen, wenn sie mit Bostich zusammentrifft.«

»Sie hätten sie sehen sollen, Despair. Sie war so begeistert. Ich glaube, dass sie endlich akzeptiert hat, die Emperatriz des Quarteriums zu sein, und dass sie sich ihrer Verantwortung für das quarteriale Volk bewusst geworden ist.«

Despair war völlig anderer Meinung, aber er schwieg, denn mit Verliebten sachlich zu diskutieren, wäre ein sinnloses Unterfangen.

*

Stephanie frohlockte. Endlich würden ihr Rosan und Uthe Scorbit ausgeliefert sein. Am Abend vor der Abreise traf sie sich heimlich mit den beiden Zubarov-Schwestern, um sie zu instruieren. Sie hatte sich die beiden CIP-Agentinnen als Leibwächterinnen für Rosan und Brettany offiziell zuteilen lassen.

»Ich hoffe, Sie haben den Auftrag auch begriffen. Noch einmal: Die arkonidische und die terranische Schlampe müssen sterben. Meiner Schwester darf aber nichts passieren. Außerdem muss es aussehen, als würde es sich um ein Attentat der Terraner handeln. Das dürfte Bostich ziemlich empören und ihn an unsere Seite treiben. Alles klar?«, fragte sie beide Zubarov-Schwestern, die unbeweglich wie Betonklötze vor ihr standen.

»Völlig klar«, meinte Utha Zubarov und strich sich über ihren Schnurrbart.

»Wenn uns nicht wieder irgendein Dilettant dazwischenfunkt, wird es gelingen«, versicherte ihre jüngere Schwester Maryna.

»Gut, dann ist Rosan Nordment bald nur noch Geschichte«, schloss Stephanie und lächelte kalt.

*

Auch Uwahn Jenmuhs hatte Pläne für die Konferenz. Er befand sich allein in seinem Thronsaal und kommunizierte mit zwei Hologrammen, während er ein fettiges Hühnchen in sich hineinschob.

»Es ist eine Fügung des Schicksals, dass Sie die Mission begleiten. Sie wurden bereits über Ihre Aufgabe informiert. Bei dieser Konferenz muss Imperator Bostich sterben. Lassen Sie es so aussehen, als ob die Terraner dahinterstecken, dann wird das empörte Kristallimperium sich uns mit Freuden anschließen und schon bald wird ein neuer Imperator das Reich regieren. Alles klar?«, fragte er seine Gegenüber.

»Völlig klar«, meinte Utha Zubarov und strich sich über ihren Schnurrbart.

»Wenn uns nicht irgendein Dilettant dazwischenfunkt, wird es gelingen«, versicherte ihre jüngere Schwester Maryna.

Zufrieden unterbrach Jenmuhs die Verbindung und stieß einen herzhaften Rülpser aus. Sein Hunger war längst nicht gestillt. Er riss einen Schlegel aus dem Brathähnchen heraus und biss herzhaft hinein. Schmatzend lehnte er sich in seinen Sessel zurück. Der ewige Nörgler de la Siniestro würde bald eines Besseren belehrt werden. Jenmuhs würde Rhodans Flotte vernichten und selbst über Arkon regieren. Seine Getreuen der Gos’Shekur Faust würden nach dem Tod von Bostich den Putsch komplettieren, eine Interimsregierung bilden und Terra und seine Verbündeten angreifen.

Nach dem endgültigen Sieg würde Jenmuhs der unumschränkte Begam und Gos’Shekur über die ganze Milchstraße werden. Als nächstes würde er de la Siniestro und seine Brut ausradieren, bis ihm niemand mehr im Wege stand. Dann würde er der Herrscher aller Menschen sein! Er würde alle Aliens aus der Galaxis deportieren und dafür Sorge tragen, dass der Mensch der Herr des Universums sein würde!

Jenmuhs summte fröhlich bei dem Gedanken, bald der Beherrscher der ganzen Milchstraße zu sein. Dann griff er erneut zum Brathähnchen. Ein Schlegel war noch übrig.

4. Verbündete

15. Januar 1308 NGZ

Aurec und Perry Rhodan hatten lange auf diesen Moment gewartet. Sie standen sich nach fast sechs Monaten wieder gegenüber und schüttelten ihre Hände. Der Terraner, der Saggittone und die entropische Hexenmeisterin Katryna waren im Besprechungsraum versammelt.

Katryna war die Oberbefehlshaberin der Entropen in diesem Sektor, obgleich sie selbst keine eigentliche Entropin war. Die Lilim, allgemein als Hexen bezeichnet, waren menschenähnlich. Sie besaßen parapsychische Fähigkeiten. Die Flotte der Entropen hatte sich zum vereinbarten Treffpunkt begeben, um mit Aurec und Rhodan über die weiteren Schritte zu beraten.

Der Saggittone berichtete von dem Sieg über das Quarterium im Tefa-System und der Rückkehr von Gal’Arn und dessen Gefährten. Er informierte in knappen Worten über deren Erlebnisse in M 87.

»Ich hatte bereits von Torsors Tod erfahren. Damit sind wir zumindest eine Sorge los. Dies sind sehr ermutigende Nachrichten«, meinte Rhodan optimistisch.

»Freut euch nicht zu früh, Terraner«, widersprach die Entropin. »Schon bald wird das Riff Siom Som erreichen. Nistant ist wiedergeboren! Wisst ihr überhaupt, was das bedeutet? Das Ende des Universums steht bevor.«

Perry Rhodan verdrehte möglichst unauffällig die Augen. Schon oft hatte man ihm das Ende des Universums prophezeit, doch es existierte immer noch.

»Und was schlägst du vor, Katryna?«, fragte er die Hexe.

»Das Riff mit allem was wir haben angreifen und Nistant und seine Anhänger vernichten, falls das überhaupt noch möglich sein sollte.«

»Schon wieder Krieg? Es muss doch einen anderen Ausweg geben«, mahnte der Unsterbliche.

»Es gibt keinen anderen Weg als die völlige Vernichtung der Riffaner. Wenn ich es dir sage, dann stimmt das auch, Terraner«, erwiderte Katryna pikiert.

Rhodan schüttelte ablehnend den Kopf.

»Bevor ich Hals über Kopf in einen weiteren Krieg ziehe, möchte ich mir erst selbst ein Bild von den Riffanern machen«, beschied er.

5. Intrigen im Kristallimperium

Rosan de la Siniestro und Uthe Scorbit wechselten einen vielsagenden Blick, als das SUPREMO-Schlachtschiff aus dem Hyperraum fiel und im Holo vor ihnen die Planeten des arkonidischen Sonnensystems sichtbar wurden.

Rosan blickte auf ihr Chronometer. Gerade war der 20. Januar 1308 NGZ angebrochen. Brettany schlief tief und fest im Sessel. Aus Sicherheitsgründen wollten alle drei Frauen gegenseitig auf sich aufpassen, denn sie alle misstrauten Stephanie. Selbst die sonst so gutgläubige Brett schenkte ihrer eigenen Schwester kein Vertrauen mehr. Zu offensichtlich war ihre Ablehnung gegenüber Uthe und Rosan und zu aufgesetzt war ihre freundliche Art, die sie beiden zurzeit entgegenbrachte.

Rosan nutzte es aus, dass Brettany schlief, um mit Uthe über ein ernstes Thema zu sprechen.

»Bist du sicher, dass du mit mir kommen willst, sollte es zu einer Flucht kommen?«, fragte sie ihre alte Freundin unverblümt.

Uthes grüne Augen blitzten entschlossen auf.

»Ja! Ich weiß, es ist nicht fair gegenüber Orly, doch wir beide gehören nicht hierher. Der Unterschied zwischen dem Quarterium und der LFT ist zu groß, um noch erträglich zu sein. Ich kann unter diesen Mördern nicht mehr leben.«

Rosan war erleichtert. Sie hatte eine Zeit lang die Befürchtung gehabt, Uthe hätte die Seiten gewechselt aus Liebe zu Orlando. Doch offenbar war ihre Freundin nur aus Enttäuschung zum Sohn des Emperadors gegangen statt aus innerer Übereinstimmung. Sie glaubte sowieso, dass Uthe tief im Herzen immer noch Remus liebte, und dass dies noch ein Grund war, wieso sie lieber wieder zur LFT zurück wollte.

Abgesehen vom moralischen Kampf, den beide führten, mussten sie sich auch vor einem erneuten Attentat in Acht nehmen. Noch immer wussten sie nicht, wer hinter dem Anschlag auf ihr Leben gesteckt hatte, bei dem Yasmin Weydner ihr Leben verloren hatte. Damals waren sie im Schlosspark auf Siniestro von Aufsehern der de la Siniestros überfallen worden. Doch jemand im Hintergrund hatte die Fäden gezogen und Yasmin ermordet, wohl eher aus Versehen, denn Rosan wusste, dass man es auf sie abgesehen hatte.

Doch wer? Beide hatten einen gemeinsamen Feind: Uwahn Jenmuhs! Er hatte ihnen niemals den Tod seines Bruders Hajun auf der LONDON II vor siebzehn Jahren vergeben, und offenbar war er auch nicht schuldlos am Mord an Wyll gewesen. Despair hatte bestimmt in seinem Auftrag gehandelt, jedenfalls wenn man Brettany glaubte. Das entlastete den Mörder zwar nicht, aber zeigte, wie sehr Uwahn Jenmuhs sie hasste.

Dutzende arkonidische Raumschiffe umgaben inzwischen das quarteriale Schiff. Rosan fuhr ein kalter Schauer über den Rücken. Sie waren vom Regen in die Traufe gekommen. Bostich handelte nur im Interesse des Kristallimperiums und war weder ein Freund Rhodans noch de la Siniestros. Den Bündnispakt 1305 NGZ hatte er doch nur geschlossen, um sich abzusichern. Sie waren keineswegs sicher auf Gos’Ranton.

Stephanie betrat das Quartier und klatschte laut in die Hände. Brettany schreckte hoch.

»Och, hab ich dich geweckt? Der Schönheitsschlaf hat nichts genutzt, meine Liebe«, sagte Steph süffisant. »Geh und mach dich hübsch, damit unsere Gastgeber nicht erschrecken.«

Brett schüttelte fassungslos den Kopf, stand jedoch wortlos auf und ging ins Bad. Rosan musterte Stephanie mit Abscheu.

»Der Imperator erwartet uns. Lassen wir ihn nicht warten«, sagte die Tochter de la Siniestros und blickte beide Frauen aus zusammengekniffenen Augen an. »Ach ja, benehmt euch, in Ordnung? Ein Mischling und eine Landpomeranze am kaiserlichen Kristallhof. Köstlich. Doch ich will nicht, dass ihr die Gespräche vermasselt, klar?«

Rosan empfand Erleichterung. Das war die boshafte Giftnatter, als die sie Stephanie kannte. Sie lächelte überlegen und legte alle Arroganz ihres arkonidischen Erbteils in ihre Worte.

»Keine Sorge, Bostich wird sich in unserer Gesellschaft wohl fühlen. Sicherlich um einiges wohler als in deiner.«

Stephs Miene gefror, dann lachte sie aufgesetzt.

»Sicher! Dann los!«

*

Ohne Zwischenfälle gelangte das quarteriale Botschaftsschiff nach Thek-Laktran, dem Regierungssitz des Kristallimperiums. Die vier Frauen blickten gleichermaßen fasziniert aus dem Gleiter, wobei Stephanie und Rosan ihre Ergriffenheit mit zur Schau getragener Souveränität zu tarnen versuchten.

Die geschichtliche Bedeutung des Ortes war fast körperlich spürbar. Hier hatten schon vor dem Bau des Kristallpalastes der Zwölferrat und der Große Rat getagt. Auf einem Hochplateau mit einer Fläche von zweitausend Quadratkilometern – einem Quadrat von etwa fünfundvierzig Kilometern Seitenlänge – breiteten sich die wichtigsten Einrichtungen des Imperiums aus.

Das Zentrum bildete der Kristallpalast mit seiner Parklandschaft. Um diesen herum gruppierten sich Ministerien, Botschaften, Verwaltungszentren und Geheimdienstzentralen. Es waren gewaltige Gebäudekomplexe in der typischen Trichterbauweise Arkons. Bis zu fünfhundert Meter ragten die Khasurne in den Himmel, während die dazugehörigen subplanetaren Anlagen bis zu acht Kilometer in die Tiefe reichten.

Unter der Erde erstreckten sich alte Bunkeranlagen – zum Teil noch aus der Zeit der Methankriege – und gewaltige Syntroniken, die alle Gebäude auf dem Hügel der Weisen miteinander vernetzten und an Leistungsfähigkeit nur dem alten Robotregenten nachstanden. Die wunderschön gestalteten Parkanlagen der Oberfläche ließen nichts davon vermuten.

Hier befanden sich die Wohnungen der höchsten Würdenträger des Imperiums, hier wurden die Botschafter und Gesandten befreundeter bzw. integrierter Völker untergebracht. Vermutlich würden die quarterialen Besucherinnen auch dort residieren. Was jedoch für Rosans Fluchtpläne viel wichtiger war: In diesem Komplex befand sich die terranische Botschaft. Sie beugte sich nach vorn.

In den Hängen des Hügels erhob sich die She’Huhan-Grotte, im Volksmund auch als »Tempel« bezeichnet. Deutlich entmythologisiert, war sie auch als die »Halle der Geschichte« bekannt. Hier standen unter anderem die Statuen der Zwölf Heroen, sowie die Götterstatuen der She’Huhan, der Sternengötter.

Dann konzentrierte sie sich auf das vor ihnen aufragende Gebäude. Das Zentrum des Thek-Laktran war der Gos’Khasurn, der Kristallpalast des Imperators, Hirn und Nervenzentrum der Regierung. Der Bau des Palastes, rekapitulierte sie, begann um 17.529 v. Chr. unter Zakhagrim III. Seitdem war immer wieder an ihm gebaut worden. Seit Jahrtausenden erfolgten unter allen Imperatoren Umbauten, innenarchitektonische Umgruppierungen, Einbauten neuer Techniken und Anlagen. Dies führte dazu, dass in späteren Jahrtausenden noch nicht mal der Robotregent einen kompletten Plan des Gebäudes und seiner Einrichtungen besaß.

Abtastungen und Durchleuchtungen, sollte sie jemand versuchen, scheiterten an den unzähligen Absicherungen, Tarnungen, Kraft- und Deflektorfeldern. Zahlreiche Geheimgänge durchzogen den Bau, die sowohl mit modernster Technik aber auch mit klassischen mechanischen Systemen und Fallen gesichert waren. Obwohl im Grunde unübersichtlich und aufgrund seiner unbekannten Elemente auch nicht den höchsten Sicherheitsanforderungen entsprechend, kam für die arkonidischen Imperatoren ein Neubau aus Gründen der Tradition nicht in Frage.

Die funkelnde, kristalline Mauerwerkstruktur des Palastes erhob sich fast tausend Meter hoch. Allein der Sockel des Palastes besaß einen Durchmesser von fünfhundert Metern, das Rund des Innenhofes tausendfünfhundert Meter. Der Gleiter flog ein, und die Frauen staunten. Terrassen stiegen vom zentralen Garten bis zur achthundert Meter höher gelegenen Oberkante an. Der Palast wurde auch Perle Arkons genannt, denn er war mehr als nur der Wohnsitz des Imperators. Hier tagten auch der Große Rat und der Zwölferrat. Er war Stätte prunkvoller Empfänge, die die unumschränkte Macht des Imperiums symbolisierten.

Nach der Landung wurden die Besucherinnen ins Innere geführt. Der Prunk war unvorstellbar. Erneut ließ Rosan Revue passieren, was jeder Arkonide wusste. Im Palast gab es drei, allein dem Imperator vorbehaltene Operationssäle. Jedes Zimmer verfügte über eine Verbandsstation für erste Hilfe, die regelmäßig von Medorobotern versorgt und ergänzt wurden. Der Festsaal, eine gewaltige Prunkhalle für Empfänge, fasste mehr als zehntausend Gäste. Gleichzeitig war der Palast Zentrum der Tradition und eine Art lebendes Museum. In einem Konferenzsaal neben dem Saal der Weisen fand sich beispielsweise ein zwanzig Meter langer Tisch, der aus einem ursprünglich fünfundzwanzig Meter durchmessenden Bmerasath, einem blau schimmernden Halbedelstein, geschliffen wurde. Diesen brachte der Arkonide Petesch einst aus der Öden Insel als Geschenk für den Imperator mit. Zahlreiche weitere Zeugnisse arkonidischer Expansion zierten die weiten Hallen des Palastes.

Imperator Bostich war der hohe Besuch bereits angekündigt worden und er erwartete seine erlauchten Gäste mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugier. Zunächst empfing der Herrscher des Kristallimperiums Stephanie und ihr Begleiterinnen offiziell mit dem üblichen Pomp, dann wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt. Bostich bot seinen Gästen Platz an und setzte sich an den Kopf eines Konferenztisches.

»Ich bin beeindruckt von der Schönheit der quarterialen Delegation«, schmeichelte er den vier Frauen. »Seien Sie jedoch versichert, dass dies keinesfalls meine Urteilskraft trüben wird.«

»Eure tausendäugige Majestät ist im ganzen Universum für seine Klugheit bekannt. Ich bin sicher, Ihr werdet die richtige Entscheidung treffen«, schmeichelte Stephanie zurück. Rosan war es recht, dass sie als Sprecherin auftrat. Bostichs Aufmerksamkeit war nichts, was sie sich gewünscht hätte. Der mächtige Mann lächelte verbindlich.

»Nun, wir werden sehen. Lassen Sie hören, was das Quarterium dem Kristallimperium vorzuschlagen gedenkt.«

»Mein Vater, der Herrscher von Cartwheel, schlägt Euch ein Bündnis vor. Wir zusammen gegen die LFT und ihre Verbündeten. Zusammen werden wir die Macht der Terraner in der Milchstraße endlich brechen. Mein Vater bittet Euch, mit mindestens zweihunderttausend Schiffen Terra und die LFT zu attackieren, während unsere Flotte Perry Rhodan in der Draco-Galaxie angreift.«

Bostich zog die Stirn in Falten.

»Gewiss, die Aussicht, die LFT und Perry Rhodan ein für alle Mal loszuwerden, klingt verlockend. Doch die Kämpfe könnten verlustreich für Arkon werden. Vergesst nicht die Drohung der Posbis vor wenigen Monaten. Bis jetzt wäre ein Kriegseintritt mit zu vielen Risiken verbunden«, mahnte er.

»Das Quarterium wird Euch großzügig bei Euren Wünschen entgegenkommen und Euch ebenfalls im Kampf gegen die Posbis unterstützen. Zerstören wir sie zuerst, dann gibt es keine Gefahr mehr«, versicherte Stephanie.

Sie war bereit, alles zu versprechen, um den Imperator zu überzeugen. Später, wenn die Terraner geschlagen waren, konnte man weitersehen.

Bostich lächelte verschlagen.

»Nun, ich denke, die Hälfte der Milchstraße wäre ein angemessener Preis.«

Rosan hörte dem Geplänkel mit unbeteiligter Miene zu, doch innerlich brodelte es in ihr. Sie musste eine Gelegenheit finden, die Terraner zu warnen, doch zurzeit sah sie keine Möglichkeit dazu. Ständig waren Leibwächter um sie herum. Es musste eine Möglichkeit geben!

6. Gos’Shekur Faust

An anderer Stelle auf Arkon I traf sich Stewart Landry erneut mit Mad Mukkel, der ihm das Wohlwollen seiner Auftraggeber signalisierte und ihm ein Treffen mit dem Anführer der Organisation Gos’Shekur Faust vorschlug. Er nahm selbstverständlich an, denn er hoffte, nun einen entscheidenden Schritt weiterzukommen.

Das Treffen fand in einer abgelegenen, stillgelegten Fabrikanlage statt. Die quadratischen Gebäude waren mit dicken, grauen Rohrleitungen verbunden. Es gab viele tote, dunkle Winkel und Ecken. Die Beleuchtung war fahl. Ein Ort, der geradezu geschaffen war für ein geheimes Treffen, fand er.

Das kantige Gesicht mit den kleinen Augen und die tiefen Furchen, die seine Wangen durchzogen, verlieh dem Gos’Shekur Faust-Mittelsmann kein Vertrauen erweckendes Erscheinungsbild.

Mukkel führte ihn quer durch die Anlage in eine große Halle. Sie war in mehrere, offene Etagen aufgeteilt, die über Leitern und Antigravs erreichbar waren. Gerätschaften gab es kaum noch, sie waren längst demontiert worden. Dort stand ein halbes Dutzend Arkoniden. Einer aus der Gruppe, ein bieder aussehender Mann mittlerer Statur, trat auf sie zu und begrüßte den Neuankömmling.

»Guten Abend, ich habe Sie bereits erwartet. Ihr Name?«

»Moore, Sean T. Moore«, stellte sich der TLD-Agent mit einem charmanten Lächeln vor. Er wollte dem Mann die Hand schütteln, doch der Arkonide reagierte nicht.

»Und mit wem habe ich die Ehre?«, wollte er wissen.

»Ich bin der Mann, den Sie suchen, der Anführer der Gos’Shekur Faust. Mein Name ist Maryn da Hamanol. Merken Sie sich diesen Namen gut, denn es wird das Letzte sein, was Sie sich merken können, Sean T. Moore, oder sollte ich lieber sagen: Stewart Landry?«

Dem enttarnten Spion gefror das Lächeln. Er sah, wie die Begleiter des Arkoniden ihre Waffen zückten und auf ihn anlegten.

»Aber ich bitte Sie, Mister da Hamanol, dies muss ein Missverständnis sein«, versuchte er sich zu retten, doch der Blick seines Gegenübers gefiel ihm gar nicht.

»Sparen Sie sich Ihre plumpen Versuche, Terraner. Auch wir haben unsere Verbindungen. Die Kollegen von der CIP wissen ziemlich gut über Sie Bescheid. Die Frage ist jetzt nur, wie viel Sie wissen.«

»Tja, wer weiß das schon«, murmelte Landry konsterniert. Dann bekam er einen Schlag auf den Kopf und ihm wurde schwarz vor Augen.

*

Als er wieder aufwachte, konnte er sich nicht bewegen. Er lag ausgestreckt auf einer Liege, Arme und Beine waren mit Metallriemen gefesselt. Er starrte an die graue Decke, an der runde Lichter montiert waren, die auf ihn hinab schienen. Unheimlicher war jedoch der Energiestrahler, der etwa zwei Meter über ihm schwebte. Er blickte nach rechts. Die Wände waren so grau wie die Außenanlagen, der Raum vermochte vielleicht zwanzig Quadratmeter groß sein. Er war schmucklos. Neben seiner Liege stand ein alter Tisch mit einigen Schaltern. Darauf befand sich ein breiter Monitor, dessen blinden Schirm der Terraner sehen konnte. Als er den Blick nach links wandte, erblickte er die beiden Arkoniden.

Maryn da Hamanol und Mad Mukkel betrachteten ihn mit kalter Freude.

»Wieder erwacht, doch wie es aussieht nur für einen kurzen Moment. Nun, Landry, da ihr Terraner ja wohl ein Faible für alte Filme habt, habe ich mich entschlossen, Ihnen einen Abgang zu verschaffen, der Sie sicher beeindrucken wird.«

Maryn da Hamanol deutete auf den Energiestrahler. Der Arkonide gab ein Zeichen und der Strahler wurde aktiviert. Eine sich windende Linie aus Energie entstand, die rhythmisch die Farbe wechselte. Gelb – grün – anthrazit, dann ein Funkenregen wie sprühende Gischt, aus dem sich mit zartem Blauton ein erneut fokussierter Strahl formte. Vor, zurück, vor, vor, zurück, vor, vor, zurück … langsam bewegte sich die zweifellos tödliche Ladung auf Landry zu.

»Ein Fiktivspiel? Okay danke. Ich bin beeindruckt. Das deckt meinen Bedarf an Kultur für heute, Sie können aufhören«, sagte der Gefesselte beunruhigt.

Der Arkonide schnaubte. »Oh, wie geistreich ihr Terraner immer seid. Euer Mundwerk war schon immer größer als euer Verstand. Wie dem auch sei: Schon bald wird eine neue Macht über die Milchstraße herrschen. Aber das braucht Sie nicht weiter zu bekümmern, denn Sie werden es nicht mehr miterleben. Eigentlich schade, aber im Gegensatz zu euren lächerlichen Filmhelden wird es für Sie kein Entrinnen geben.«

Landry Gedanken rasten. Er suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit, um Zeit zu gewinnen. Der Energiestrahl bildete metallisch zuckende Zacken.

»Ich nehme an, dass Sie der neue Machthaber über die Milchstraße sein werden?«, fragte er da Hamanol, während das Gebilde näher tanzte.

»Ich bin nur ein bescheidener Diener meines Herrn. Ich wurde lediglich dafür ausersehen, während einer Übergangsphase für Ordnung zu sorgen«, antwortete der Arkonide. Er verzog die Lippen. Glanz trat in seine Augen.

Landry verlegte sich aufs Provozieren. Sein Hemd war nass von Schweiß. »Sie sind also nur ein Lakai von Uwahn Jenmuhs. Wir dachten uns schon, dass er dahintersteckt. Sie vergessen nur, dass Ihnen mein Tod gar nichts nutzt. Was ich weiß, das weiß auch der TLD. Andere werden mir folgen.«

»Die werden zu spät kommen«, warf Mad Mukkel hämisch ein und erntete dafür von Hamanol einen bösen Blick. Die Vorfreude in seinem zerfurchten Gesicht blieb.

Zu Recht, dachte Landry, denn nun wusste er, dass schon sehr bald etwas von der Gos’Shekur Faust geplant war. Vermutlich wollte da Hamanol Bostich stürzen oder beseitigen und dann selbst als Marionette für das Quarterium, verkörpert von Uwahn Jenmuhs, den Thron besteigen. Diese Erkenntnis nutzte dem TLD-Agenten allerdings nichts mehr, wenn er in zwei Hälften zerschnitten war. Der Energiestrahl wanderte näher und näher. Vor, zurück, vor, vor, zurück. Dreimal zurück. Einmal vor. Er schabte an seiner Haut.

Hamanol sah auf sein Chronometer. »Es wird Zeit, zum Ende zu kommen. Sterben Sie wohl, Landry.« Die beiden wandten sich zum Gehen.

Stewart Landry schloss mit seinem Leben ab, als plötzlich eine Detonation die Halle erschütterte. Draußen schien ein Kampf zu entbrennen. Mukkel eilte zum Tisch und betätigte einige Schalter. Auf dem Monitor erschien ein Bild aus der Halle. Ringsherum tauchten unvermittelt arkonidische Soldaten auf, die das Feuer auf da Hamanol und seine Leute eröffneten. Die Rebellen erwiderten das Feuer und zogen sich ins Innere der Halle zurück.

Landry starrte gebannt auf den Energiestrahl, der immer näher tanzte, schon den unteren Teil der Liege zerschnitten hatte und sich nun seinem Körper näherte. Die Dämpfe des verbrannten Kunststoffes ließen ihn husten. Sein Körper wand sich in Todesangst.

Dann endlich kam Rettung. Aus dem Augenwinkel registrierte Landry, dass eine Arkonidin vor ihm auftauchte und mit einem Schuss den Strahler zerstörte. Die farbige Energiebahn erlosch. Dankbar betrachtete Stewart Landry die schöne Frau, die ihren Strahler wieder einsteckte.

»Das muss ein Traum sein, ein rettender, schöner Engel, der mir zu Hilfe kommt«, ächzte er. Ein erneuter Hustenanfall schüttelte ihn.

Die Arkonidin blickte ihn voller Verachtung an.

»Mein Name ist Seryklya ta Helonk. Ich bin kommandierende Mascantin der Tu-Ra-Cel und für die persönliche Sicherheit des göttlichen Imperators verantwortlich. Sie werden mir alles sagen, was ich wissen will oder ich werde mit der Prozedur fortfahren«, sagte sie mit klirrender Kälte in der Stimme.

Spielchen mit der arkonidischen Geheimpolizei waren in Landrys Lage nicht angesagt. Jetzt, wo der Tod wieder ferner gerückt war, begann er zu frieren. Mit klappernden Zähnen berichtete er Seryklya ta Helonk, so ausführlich es ging. Er wollte von diesem Tisch! Ein Blick ins Gesicht der Frau reichte, um zu verstehen, was er dafür tun musste.

»Ich vermute, Maryn da Hamanol und seine Leute wollen Imperator Bostich stürzen und Hamanol soll dann als Interimskaiser gekrönt werden. Anschließend sackt das Quarterium das Kristallimperium ein und verfügt dann über die arkonidische Flotte«, schloss er. Reichte das?

Die Arkonidin nickte. »Das deckt sich mit meinen Informationen.«

Landry zog an seinen Fesseln. »Könnten Sie mich vielleicht aus meiner misslichen Lage befreien?«

»Eigentlich sollte ich Sie als terranischen Spion liquidieren lassen. Da wir aber – dank Ihrer Hilfe – das lang gesuchte Versteck der Gos’Shekur Faust gefunden haben, will ich großzügig sein«, sagte Seryklya ta Helonk gönnerhaft und ließ Landry befreien. Vorsichtig setzte er sich auf. Sein Kopf pochte. Er wollte seine Schwäche verbergen.

»Zu gütig, Gnädigste.«

Die Arkonidin wandte sich wortlos ab und ließ sich von einem ankommenden Soldaten unterrichten. Anschließend kehrte sie zu Landry zurück.

»Wir haben alle, bis auf zwei, getötet. Raten Sie, wer entkommen konnte.«

»Da Hamanol und Mad Mukkel«, seufzte Landry. Übelkeit stieg in ihm auf.

»In der Tat. Sie sind durch einen geheimen Transmitter im Innern der Anlage entkommen. Der Transmitter zerstörte sich daraufhin selbst. Damit haben wir sie aus den Augen verloren«, berichtete die Arkonidin. Hörte er einen unterschwelligen Vorwurf in ihrer Stimme?

»Das würde ich nicht unbedingt sagen«, meinte er. Vorsichtig setzte er einen Fuß auf den Boden, dann den zweiten. Violette Schwellungen bildeten sich um seine Handgelenke. »Ich bin überzeugt, dass schon in den nächsten Stunden oder gar Minuten ein Anschlag auf Imperator Bostich geplant ist. Wo hält er sich zur Stunde auf?«

»Im kaiserlichen Palast. Er konferiert mit der quarterialen Delegation. Die würden nicht wagen, etwas zu unternehmen, solange die Quarterialen dort sind.«

»Doch, die würden. Darauf können Sie wetten. Wir müssen sofort los. Kann ich Sie begleiten?«, fragte Landry.

»Da die Zeit drängt, bin ich ausnahmsweise bereit, mit einem primitiven Terraner zusammenzuarbeiten«, stimmte Seryklya zu.

Landry musste zugeben, dass er im Moment nicht allzu kultiviert wirkte. »Der primitive Terraner bedankt sich.«

Am Hofe des Zhdopanthi

Im Kristallpalast des Imperators fand zur gleichen Zeit eine prunkvolle Feier zu Ehren der quarterialen Gäste statt. Stephanie de la Siniestro verstand sich gut mit Bostich, und es schien nur eine Frage der Zeit, bis das Bündnis geschlossen werden konnte. Die Prinzessin rechnete schon für den nächsten Tag damit. Als Krönung des Ganzen sollten Rosan und Uthe sterben, dann war ihre Mission perfekt.

Rosan suchte indessen immer verzweifelter nach einer Möglichkeit, aus dem Palast herauszukommen, doch da sie auf Schritt und Tritt überwacht wurde, schien der Fluchtplan undurchführbar. Sie saß am selben Tisch mit Stephanie und Imperator Bostich. Das war nicht gerade die Gesellschaft, die sie bevorzugte. Unbehaglich stellte sie fest, dass der Kristallimperator sie neugierig musterte.

»Es ist erstaunlich, dass der Emperador eine halbblütige Renegatin zu seiner Gemahlin macht. Wenn ich Sie mir aber so ansehe, kann ich seine Gründe nachvollziehen«, sagte Bostich und lachte, als hätte er einen guten Witz gemacht. Er lehnte sich zurück, um sie von oben bis unten und vor allem in der Körpermitte zu mustern. Sein Gefolge stimmte in das Gelächter ein. Rosan hatte Mühe, sich zu beherrschen, aber sie machte gute Miene zum bösen Spiel. Bostich setzte sich wieder gerade hin.

»Rosan de la Siniestro. Eine angeheiratete Orbanashol und doch vom arkonidischen Adel. Der Tod von Spectre hat mich damals sehr traurig gestimmt. Er war ein guter Mann«, sagte Bostich nachdenklich.

Rosan lächelte verlegen. Was sollte sie sagen? Dass sie ihren Stiefvater gehasst hatte? Ihr kam eine Idee.

»Ich sah ihn damals sterben, Imperator.«

Nun hatte sie Bostichs Aufmerksamkeit.

»Er ertrank in den Fluten, als die LONDON sank. Ein Gitter hatte seinen Fluchtweg versperrt. Ist es nicht seltsam, mein Herr?«

»Was?«

»Dass derjenige, der für das Grauen verantwortlich war, nun ein Verbündeter des Quarteriums ist? Rodrom hat Ihren Freund und meinen Stiefvater auf dem Gewissen und nun kooperieren wir mit ihm und seinem Meister.«

Stephanie blickte Rosan kalt an. Innerlich jubelte diese, als sie das Gesicht des Imperators sah. Bostich schien nachzudenken. Er nippte an seinem Glas jagryllianischen Weins. Rosan bevorzugte den Nettoruna. Genüsslich nahm sie einen großen Schluck, als sie bemerkte, wie Stephanie nach Worten rang, um Bostich von seinen gefährlichen Gedankenspielereien abzuhalten.

»Die Wege einer Entität sind unergründlich«, warf die Tochter des Emperadors ein und lachte laut. Das erlesene Collier glitzerte auf ihrem Busen.

Bostich lehnte sich zurück und schien Stephanie mit seinem Blick zu durchdringen. Er lächelte nicht, sondern sah sehr ernst aus.

»Ich bin kein Freund von Entitäten, seitdem SEELENQUELL das Kristallimperium besetzte. Einzig ES scheint vernünftig zu sein, denn er hat mir einen Zellaktivator verliehen.«

»Nur großen Persönlichkeiten wird diese Ehre zu teil. Meinem Vater auch. Sehen Sie es denn nicht, Bostich? Sie und mein Vater sind die neue Führung der Menschen. Rhodan und Atlan haben ausgedient! Jetzt ist die Ära von Bostich und de la Siniestro angebrochen!«

Stephanies Augen glänzten fanatisch. Nun hatte sie den Kristallimperator wieder auf Kurs gebracht. Er lächelte. Rosan musste schnell handeln.

»Vielleicht könnte ich meinen Freundinnen morgen einmal die Schönheit von Gos’Ranton zeigen«, machte sie einen weiteren Versuch, auf diese Weise aus dem Palast hinauszukommen. Von Stephanie erntete sie dafür einen bösen Blick, doch Bostich stimmte zu: »Sicher, warum nicht? Von Arkons Glanz und Gloria können alle anderen nur träumen. Nirgendwo gibt es so viel zu bewundern wie hier.«

»Davon bin ich überzeugt, Zhdopanthi«, erwiderte Rosan. Ihre Chancen, mit Brettany und Uthe entfliehen zu können, waren gestiegen.

»Wir werden sehen, ob die Zeit es der Emperatriz gestattet«, wandte Stephanie mit giftigem Unterton ein. Sie kehrte tatsächlich die Außenministerin heraus!

Rosan schüttelte kaum unmerklich den Kopf. Sie fragte sich immer noch, warum Stephanie sie und Uthe unbedingt dabeihaben wollte, denn mit den Verhandlungen hatte sie nur wenig zu tun.

»Die Emperatriz ist eigene Herrin ihrer Zeit und muss der Außenministerin sicher keine Rechenschaft ablegen, wenn sie ihre alte Heimat wiedersehen möchte.«

Bostich lachte amüsiert.

»Entschuldigung, ich muss mir mal das Näschen pudern«, säuselte Stephanie und verließ die Tafel.

*

Stephanie begab sich zur Toilette. Dort aktivierte sie einen Interkom und nahm Verbindung mit Utha Zubarov auf.

»Rosan und ihre Freundin müssen verschwinden. Noch heute Nacht«, befahl sie den beiden CIP-Agentinnen, die sich als quarteriale Leibwächterinnen relativ frei im Palast bewegen durften.

»Verstanden, wir haben bereits Vorkehrungen getroffen. Meiden Sie die Nähe der Emperatriz«, antwortete Utha.

*

Als Stephanie abgeschaltet hatte, wandte sich Utha an ihre Schwester Maryna.

»Sehr günstig. Wir erledigen beide Aufträge zusammen. Dann können wir uns absetzen. Hast du die Bombe bereit?«

Maryna deutete auf einen Servierwagen neben ihr. Auf ihm befanden sich allerlei Delikatessen. In der Mitte stand eine große, weiße Torte. Maryna nahm das Oberteil ab. Darunter befand sich ein Sprengsatz. Mit ihm sollten sowohl Bostich als auch Rosan und Uthe Scorbit ins Jenseits befördert werden.

»Gut, das wird unser Meisterstück«, meinte Utha.

Die beiden CIP-Agentinnen hatten die Unübersichtlichkeit des Palastkomplexes ausgenutzt. Dank alter Pläne von Jenmuhs und der Gos’Shekur Faust war es ihnen gelungen, den Sprengsatz unbemerkt in den Hauptteil des Palastes zu bringen. Die Gos’Shekur Faust hatte in Bostichs Reihen Freunde, die den beiden CIP-Assassinen ermöglichten, auch in nächster Nähe ungestört und unkontrolliert zu operieren. Der Putsch war bestens vorbereitet. Niemand ahnte, dass sich zwei Killerinnen direkt vor ihrer Nase befanden.

Die beiden CIP-Agentinnen positionierten den Servierwagen in der großen Halle. Über eine installierte Fernsteuerung dirigierten sie den Wagen auf die Tafel von Bostich zu. Unter den vielen Servos fiel er nicht weiter auf.

»Ah, das Dessert, endlich«, freute sich Bostich.

Nachdem sich Utha vergewissert hatte, dass sich der Servowagen am richtigen Platz und unmittelbarer Nähe von Bostich, Rosan und Uthe Scorbit befand, aktivierte sie den Zeitzünder. Sie stellte ihn auf fünf Minuten ein. Dann drehten sich die beiden Schwestern um, da sie die Halle verlassen wollten. Doch vor ihnen stand jemand, den sie nicht erwartet hatten.

»Gut Abend, meine Damen. So sieht man sich wieder. Je später der Abend, desto schöner die Gäste«, sagte Stewart Landry. Neben ihm stand eine bewaffnete Arkonidin mit zwei Soldaten.

Sofort brach ein Raunen und Gemurmel unter den Gästen los. Naats stellten sich vor Bostich, der aufstand und auf Landry und die Zubarovs zu ging. Seine Leibgarde eskortierte ihn.

»Was ist hier los? Wer sind Sie?«, wollte der Imperator wissen.

Bevor jemand antworten konnte, überstürzten sich die Ereignisse. Utha und Maryna Zubarov reagierten blitzschnell, als sie erkannt hatten, dass Landry sie identifizieren konnte. Sie hatten schon vor Jahren eine Auseinandersetzung mit ihm gehabt. Die beiden Agentinnen zogen ihre Waffen und begannen zu feuern. Dabei töteten sie die beiden Begleitsoldaten von Seryklya ta Helonk. Utha warf sich auf die Arkonidin und streckte sie mit einem Hieb zu Boden. Panik brach im Saal aus. Alle liefen durcheinander, nur Imperator Bostich ging langsam zum Tisch zurück und setzte sich wieder auf seinen Platz. Als ginge ihn das Getümmel nichts an, nahm er einen Schluck aus seinem Weinglas, während Rosan aufstand und weglief.

Seryklya versuchte, den Imperator zu schützen, doch Utha zwang sie wieder zu Boden, während Maryna auf Bostich anlegte. Im letzten Moment warf sich Stewart Landry auf sie, sodass der Schuss fehlging.

Inzwischen hatte sich die Arkonidin auf die Füße gekämpft und dirigierte eine Spezialeinheit der Tu-Ra-Cel zwischen Bostich und die beiden Attentäterinnen. Wenig später wurde ein Schutzschirm aktiviert, der den gesamten Bereich um Bostichs Thron umschloss.

Maryna Zubarov umklammerte Landry und nahm ihn in einen Würgegriff. Dem TLD-Agenten blieb die Luft weg. Er sah, wie Utha Zubarov auf ihn zukam und ein Vibratormesser zückte. Landry nahm alle Kraft zusammen, richtete sich mit Maryna auf dem Rücken auf und versetzte ihrer Schwester einen so heftigen Tritt, dass sie zu Boden sank.

Dabei wurde jedoch die Fernsteuerung des Servierwagens, die Utha bei sich trug, beschädigt. Der Servowagen setzte sich mit Höchstgeschwindigkeit in Bewegung und erfasste Landry und Maryna Zubarov, die beide auf seine Ladefläche plumsten. Dabei fiel der Kuchen darauf herunter.

Der Servowagen raste mit seiner menschlichen Last auf den gegenüberliegenden, groß angelegten Balkon. Noch immer rangen Landry und Zubarov miteinander. Die CIP-Agentin setzte dem TLD-Agenten schwer zu. Im Eifer des Gefechts merkten jedoch beide nicht, dass sich der Servowagen dem Balkongeländer näherte. Als sie es bemerkten, war es fast zu spät. Maryna schrie entsetzt auf und ließ von Landry ab. Dieser versetzte ihr einen Stoß und sprang vom Wagen, der mit der Frau gegen das Geländer prallte, es durchbrach und mit ihr in die Tiefe fiel.

»Maryna!«, hörte Landry Utha Zubarov brüllen, dann sah er ihre hasserfüllte, wütende Fratze vor sich. Ungläubig sah er, wie das hässliche Mannweib einen ihrer Schuhe auszog und damit auf ihn zielte.

»Vorsicht vor dem Schuh! Das Ding ist tödlich!«, rief eine Stimme.

Sie gehörte Brettany de la Siniestro, die mit Rosan und Uthe auf den Balkon geeilt kam.

Utha Zubarov warf schon mit dem Schuh nach Landry, der in letzter Sekunde auswich. Der Schuh flog gegen eine Fensterscheibe und zertrümmerte sie. Utha versetzte Landry einen heftigen Tritt in den Unterleib, der ihn zu Boden gehen ließ. Dann zog sie ihren zweiten Schuh aus und zielte auf den TLD-Agenten.

Brettany begriff, dass Landry das gleiche Schicksal drohte wie Yasmin Weydner. Sie wusste, dass sie der Mörderin der guten und loyalen Freundin gegenüberstand, die auf dieselbe skurrile Art und Weise getötet worden war. Blitzschnell griff sie nach dem ersten Schuh, der auf dem Boden herumlag. Sie wog ihn in der Hand und merkte, dass er keine gewöhnliche Fußbekleidung war. Entschlossen zielte sie, warf ihn auf die CIP-Agentin und traf sie am Kopf. Der Effekt war umwerfend. Ungläubig blickte Utha Brettany an, torkelte noch ein paar Schritte und fiel dann vom Balkon in die Tiefe. Stewart Landry rappelte sich wieder auf, torkelte zur Brüstung und sah nach unten, wo die beiden Leichen der Zubarovs lagen.

»Das war für Yasmin«, rief Brettany den toten Angreiferinnen zu. Seryklya ta Helonk kam zu Landry.

»Sind Sie in Ordnung, Terraner?«, erkundigte sie sich.

»In Ordnung wäre übertrieben, aber ich spüre meine Knochen noch.«

»Was waren das für Kreaturen der Unterwelt? Noch nie sah ich solche Frauen!«, staunte die Arkonidin.

»Ob das weibliche Wesen waren, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall haben Utha und Maryna Zubarov für den CIP gearbeitet. Auf ihr Konto gehen zahlreiche Morde«, erklärte Landry. Ta Helonk blickte ihn an.

»Der Imperator wünscht, Sie zu sehen.«

»Dann wollen wir seine Majestät nicht warten lassen.«

Als sie wieder hineingingen, fiel ihnen Uthe Scorbit auf, die sich über einen Kuchen beugte.

»Schon toll, dass dieser Kuchen gar nicht zermantscht ist. Das Rezept hätte ich gern. Nur komisch …«

Sie hob das Stück an.

Landry wurde bleich. Er erkannte sofort, dass der Kuchen nur eine Attrappe war.

»Weg da!«, rief er Uthe zu und schubste sie weg.

Dann packte er den angeblichen Kuchen, rannte wieder auf den Balkon und warf ihn über das Geländer. Noch während des Falls explodierte die Sprengladung. Die Detonation warf Landry und einige der Gäste zu Boden. Als sich einige Augenblicke später der Staub und die Aufregung langsam legten, stand Landry wieder auf. Einige Arkoniden wollten Landry festnehmen, doch Imperator Bostich gebot ihnen Einhalt. Bemüht, seine würdevolle Haltung zu wahren, schritt er auf Landry zu.

»Ich muss schon sagen, ich bin überaus erstaunt. Agenten des Quarteriums versuchen mich umzubringen, während ein Agent des TLD mir das Leben rettet.«

»Ich tat meine Pflicht, Imperator. Utha und Maryna Zubarov handelten im Auftrag von Uwahn Jenmuhs. Jenmuhs ist auch der Drahtzieher der Gos’Shekur Faust, deren Ziel es war, nach Eurem Tod die Macht über das Kristallimperium zu übernehmen und sich dann dem Quarterium zu unterstellen«, klärte Landry den Imperator auf.

»Ist das so?«, fragte Bostich, noch immer schwer beeindruckt.

»Wir können seine Angaben bestätigen, Imperator. Wir haben das Versteck der Gos’Shekur Faust gefunden und ausgehoben. Nach dem Anführer Maryn da Hamanol wird noch gefahndet«, berichtete Seryklya ta Helonk.

Der Imperator drehte sich um und sah Stephanie de la Siniestro heraneilen.

»Eure Majestät, ich bin überrascht und erschüttert über diesen terroristischen Anschlag. Ich bin sicher, all dies ist eine terranische Intrige«, versuchte sie die Situation in ihrem Sinne zu nutzen.

»Ach wirklich? Behandelt das Quarterium so seine Verbündeten? Auf solch ein Bündnis legt Arkon keinen Wert. Ich kündige das Bündnis daher auf. Stattdessen ziehe ich eher ein Bündnis mit der LFT in Erwägung, um gegen das Quarterium vorzugehen.«

»Aber, Majestät …« Doch Bostich schnitt Stephanie das Wort ab.

»Schweigen Sie! Sie haben schon genug geredet. Seien Sie froh, dass Sie diplomatischen Schutz genießen. Ich befehle Ihnen und Ihrer Delegation, Arkon und das Kristallimperium umgehend zu verlassen!«

»Aber wir würden gern bleiben«, meldete sich Rosan zu Wort. Die Panik in ihrer Stimme war echt. Mit der Abreise starb die Hoffnung, dem Quarterium entkommen zu können.

»Mein Befehl gilt auch für das Weib des verräterischen Emperadors. Euch Orbanashols kann man nicht mehr trauen! Geht oder ihr seid alle des Todes«, wies Bostich sie schroff ab. Dann wandte er sich an seine Garde.

»Wache! Geleitet die Damen und ihr Gefolge zum Raumhafen. Lasst sie nicht aus den Augen, bis sie ihr Schiff bestiegen haben«, befahl der Imperator.

Völlig verstört verließ Stephanie mit Rosan, Brettany und Uthe den Palast. Rosan wollte sich noch wehren, sah Hilfe suchend zu Landry, doch die arkonidischen Wachen schoben sie weiter.

Rosan hörte auf, sich zu wehren. Es hatte keinen Sinn mehr. Bostich würde nicht auf sie hören. Sie sah zu Uthe und Brettany und erkannte die Enttäuschung in ihren Gesichtern.

»Dann hat Uwahn Jenmuhs also Yasmin auf dem Gewissen. Er wollte meinen Tod, um seinen Bruder zu rächen«, hörte Stephanie Rosan sagen.

Doch ihre Erleichterung war im Moment zweitrangig. Sie wusste nicht, wie sie diese diplomatische Katastrophe ihrem Vater erklären sollte.

Schon wenige Stunden später verließ die quarteriale Delegation Arkon I und flog zurück zur Draco-Galaxie. Imperator Bostich ließ über die Medien verkünden, dass Uwahn Jenmuhs zur Persona non grata im Kristallimperium erklärt wurde und jeglichen Rang verlor. Mit Schimpf und Schande wurde er zum Essoya erklärt, den die Gerichtsbarkeit des Kristallimperiums erwartete, sollte er sich jemals wieder in dessen Einflussbereich wagen.

7. Entscheidung bei der Draco-Galaxie

23. Januar 1308 NGZ

Perry Rhodan schmunzelte und ließ sich in den knarzenden Ledersessel in seinem Quartier auf der LEIF ERIKSSON sinken, nachdem ihm Stewart Landry von den Ereignissen am Hofe von Bostich berichtet hatte.

»Das sind wirklich gute Neuigkeiten. Dass die Quarterialen jetzt noch einen Angriff auf die Milchstraße wagen, bezweifle ich sehr. Ohne die Hilfe des Kristallimperiums wäre das ein zu großes Wagnis für sie«, meinte Rhodan zu Reginald Bull, General McHenry und der Entropin Katryna, die mit ihm konferierten.

»Dann ist der Zeitpunkt gekommen, um in die Offensive zu gehen. Wir sollten das Quarterium angreifen«, schlug Katryna vor.

»Ganz richtig«, pflichtete ihr General McHenry bei. »Reißen wir diesen verdammten Hundesöhnen den Arsch auf.«

Rhodan schüttelte den Kopf.

»Nein, dies würde noch immer zu schweren Verlusten auf unserer Seite führen. Vielleicht werden die Quarterialen jetzt einsichtiger und lassen mit sich verhandeln.«

»Eher friert die Hölle zu«, meinte McHenry martialisch.

Doch Perry Rhodan blieb bei seiner Haltung. Er wollte wachsam sein und abwarten, was die Gegenseite unternahm.

*

An Bord der EL CID war der Emperador sichtlich geschockt von den Neuigkeiten, die ihm seine Tochter überbrachte. Er wanderte durch den zweihundert Quadratmeter großen Saal, dem das Wort Kabine nicht gerecht wurde. Die dunkelroten Wände waren mit Gemälden aus der Renaissance geschmückt, meist Replikas, denen man ihre Herkunft nicht ansah. Der Boden war aus weißem Marmor. Vereinzelt standen Möbel und Sitzgelegenheiten, allesamt kunstvoll verziert und mit rotem und grünem Saum in hölzernem Gestell gebaut. Die hintere Wand war ein einziger Monitor, auf dem das Weltall in Echtzeit, aufgenommen durch eine Außenbordkamera, projiziert wurde. De la Siniestro selbst kreiste im Inneren um seinen goldenen Thron und den massiven, zehn Meter langen Holztisch.

»Ist das auch alles wahr?«, fragte er entgeistert.

»Leider ja, Vater. Dieser dumme Fettsack hat mit seinen Flintenweibern alles zerstört, worauf wir hingearbeitet haben. Dabei war das Bündnis schon so gut wie gesichert. Jenmuhs hat alles kaputt gemacht«, berichtete Stephanie. Welche Rolle sie dabei gespielt hatte, verschwieg sie natürlich.

Sie blieb mit gebührendem Abstand am einen Ende des großen Tisches stehen, nahm nicht Platz, sondern behielt Haltung.

Der Emperador betrachtete eine Replika der »Dame mit dem Hermelin« von Leonardo da Vinci. Er schüttelte den Kopf und wandte sich an ein anderes Bild. Er nickte leicht. »Melencolia I« von Albrecht Dürer entsprach eher seiner Stimmung. Die geflügelten Engel blickten bitter in diesem chaotischen Bild drein. So fühlte er sich auch gerade.

Die Empörung war einem kalten, ruhigen Zorn gewichen. So nahm Don Philippe Kontakt mit Jenmuhs Flaggschiff auf und stellte den Gos’Shekur zur Rede.

»Ich erwarte, dass Sie sich dazu erklären, Jenmuhs«, verlangte der Emperador wütend, nachdem er ihn mit den Fakten konfrontiert hatte.

»Das kann bis später warten«, wiegelte der Arkonide ab. »Meine Flotte hat ein Signal von Rhodans Flotte außerhalb Dracos aufgefangen. Das bedeutet, wir haben ihn! Ich fliege mit meiner Flotte hin und schnappe ihn mir. Dann haben wir wieder alle Trümpfe in der Hand. Ich melde mich dann später bei Ihnen.«

Bevor Don Philippe etwas entgegnen konnte, schaltete Uwahn Jenmuhs ab. Der Emperador bekam allmählich das Gefühl, dass etwas gegen den Gos’Shekur unternommen werden musste. Dieser Mann nahm sich allmählich zu viel heraus. Doch noch war er ein wichtiger Machtfaktor innerhalb des Quarteriums. Dies musste gut überlegt werden.

*

Ohne eine Reaktion des Emperadors abzuwarten, setzte sich Uwahn Jenmuhs mit seinen einundneunzigtausend Schiffen in Marsch. Ziel war die Terranische 8. Flotte in der Nähe der Draco-Galaxie.

Der schwabbelige Arkonide war nervös und rutschte auf seinem breiten Sessel aus Formenergie, der sich elegant und ergonomisch an die Verlagerung der Fleischmassen anpasste, hin und her. Dabei aß er ein großes Stück Descaer-Kuchen. Jenmuhs liebte die süße Glasur und die ebenso süße Füllung des handgroßen Leckerbissens. Dass sein Plan, die Macht auf Arkon zu übernehmen, gescheitert war, bedeutete für ihn einen herben Rückschlag. Doch endlich, nach der langen Wartezeit, hatten seine Späher Rhodans Flotte lokalisiert. Wenn Jenmuhs nun den Terraner und seine Flotte vernichtete, konnte der Krieg in der Milchstraße noch gewonnen werden.

Mit Bostich und seinem Imperium konnte man dann noch immer fertig werden. Jenmuhs würde dafür sorgen, dass ein Bürgerkrieg im Kristallimperium ausbrach und dass das Volk ihn dann als seinen Retter begrüßen würde. Doch zuvor gedachte er, einen glorreichen Sieg bei der Draco-Galaxie zu erringen. Diesen konnte er dann dem Emperador vorzeigen, wenn er ihm gegenübertrat. Doch als nächstes brauchte er ein zweites Stück Descaer.

*

Der Emperador hatte inzwischen Cauthon Despair über die Lage informiert, nachdem er ihn in seinen Audienzsaal geladen hatte. Der Silberne Ritter war außer sich vor Wut und schlug mit den Fäusten auf den massiven Holztisch, der trotz seines Gewichts erzitterte.

»Was hat dieser Wahnsinnige getan? Der Fettsack gehört an die Wand gestellt und als Saboteur erschossen«, regte er sich auf.

De la Siniestro betrachtete auf der linken Wand das Gemälde »Ritter, Tod und Teufel«. Er glaubte, in diesem Bild zumindest Cauthon Despair auf dem Ross zu erkennen. Welche Rolle nahm er selbst hier wohl ein? Den Teufel? Oder den Tod?

Oberst Tantum trat herein und salutierte. Der Kommandant der EL CID nahm seine graue Mütze vom Kopf und entblößte sein schütteres, graubraunes Haar.

Noch mehr schlechte Neuigkeiten?

»Was gibt es?«, fragte der Emperador nervös.

»Wir erhielten soeben die Meldung, dass Uwahn Jenmuhs und seine Flotte die Terraner lokalisiert und soeben den Angriff gestartet haben«, meldete der Kommandant der EL CID.

»Was? Ohne meine Erlaubnis? Wie kann er es wagen?«, echauffierte sich der alte Spanier.

Auch Despair konnte es nicht fassen. Er ballte die Hände zu Fäusten.

»Ohne unsere Unterstützung? Ich hätte dieses Schwein aufspießen sollen wie ein Spanferkel. Rhodan hat sich doch jetzt garantiert mit Aurec und den Entropen vereinigt. Damit sind sie Jenmuhs weit überlegen. Ein Angriff unter diesen Umständen ist heller Wahnsinn. Befehlen Sie Jenmuhs den sofortigen Rückzug auf die Ausgangsposition!«

»Ja, Sir.«

Tantum kehrte um, kam jedoch nach einigen Minuten wieder zurück. Sein Gesicht war verkniffen.

»Nun, was ist?«, fragte Despair gereizt.

»Wir haben Kommunikationsschwierigkeiten. Wir bekommen keine Antwort von Jenmuhs Flotte«, erklärte Tantum.

*

Die anrückende Flotte blieb den Terranern nicht lange verborgen. Der Alarm gellte durch die LEIF ERIKSSON. Perry Rhodan rannte in die Zentrale und traf dort einen atemlosen Scott McHenry.

»Sieht nicht so aus, als wollten die verhandeln«, spottete der LFT-General.

Rhodan überging diese Bemerkung. Ihm war klar, dass sich nun eine Schlacht nicht mehr vermeiden ließ.

»Treffen Sie alle Vorbereitungen zur Abwehr, General. Informieren Sie die Entropen, dass wir ihre Hilfe brauchen«, ordnete der Terranische Resident an.

»Mit Vergnügen, Sir. Denen ziehen wir die Hosen stramm«, freute sich der General.

Nur wenige Minuten später eröffnete ein Verband SUPREMOS in keilförmiger Formation das Feuer auf die Vorhut der Terranischen 8. Flotte und Pyramiden-Schlachtschiffe der Kemeten. Die Detonationen der Transformgeschütze hüllten dutzende Kugelraumer der Terraner in eine infernalische Feuerwolke. Noch jedoch hielten die mehrfach gestaffelten Paratron-Schutzschirme stand. Die Distanz zwischen den feindlichen Einheiten war groß. Eine Raumschlacht in diesem Stadium glich eher einem Verschleißkrieg. Welcher Schutzschirm würde zuerst zusammenbrechen? Die Taktik bestand nun darin, dass die Raumschiffkommandanten sich koordinieren mussten, gemeinsame Ziele auszusuchen, um durch punktuellen Beschuss einzelner Raumer diese schneller zu vernichten.

Als wirksame Gegenmaßnahmen waren schnelle Positionswechsel von Nöten, um dem Beschuss zu entrinnen. Je weiter die Flotten voneinander entfernt waren, desto koordinierter verlief die Schlacht. Je näher sie sich kamen, je geringer der Abstand, desto schwerer wurden die Berechnungen, desto gewagter die Manöver. Bei Geschwindigkeiten von nahezu Lichtgeschwindigkeit war ein Abstand von Millionen Kilometern nicht mehr viel und verging schnell.

Die Terranische 8. Flotte erwiderte das Feuer pausenlos, während die Kemeten mit Hilfe ihres UTRANS-Triebwerks schnelle Positionswechsel und unerwartete Angriffe durchführen konnten. Als die Quarteriale Flotte mehr und mehr in die Gefechte mit den Kemeten, Terranern und nun auch Posbis eintrat, materialisierte eine 150.000 Raumer starke Flotte der Entropen am Rand des Sektors.

An Bord der ARKON

Nervös wartete Jenmuhs auf die Meldungen seiner Offiziere.

»Das wird ein Schlachtfest. Diesmal jage ich dich aus dem Universum, Perry Rhodan«, frohlockte er siegessicher. Als sich niemand bei ihm meldete, schaltete Jenmuhs zur Kommandozentrale.

»Nun, was ist los? Wieso werde ich nicht auf dem Laufenden gehalten, Admiral?«, fragte er bei Terz da Eskor an.

Der Admiral wirkte sichtlich nervös und rang nach Worten.

»Was ist denn? Reden Sie! Oder ich degradiere Sie zum gemeinen Soldaten!«, brüllte Jenmuhs aufgebracht.

»Gos’Shekur, wir müssen uns sofort zurückziehen. Wir werden überall von zahllosen Einheiten der Entropen angegriffen. Wir stehen zwischen ihnen und den Terranern. Sie sind uns weit überlegen. Wir haben bereits mehrere hundert Schiffe verloren«, berichtete da Eskor bleich.

Jenmuhs konnte es nicht fassen.

»Was? Aber das ist völlig unmöglich. Das gibt es doch nicht«, brabbelte er. Er fuhr im Sitz hoch, reckte das Doppelkinn. »Wir sind Arkoniden. Wir sind die Krönung der Schöpfung. Wir können nicht verlieren.«

»Wir müssen uns sofort von hier absetzen und versuchen, zum Emperador durchzubrechen«, beschwor ihn Mandor da Rohn.

»Niemals! Wir kapitulieren nie! Wir kämpfen und siegen, denn einer von uns ist mehr wert als zehn von denen!«, befahl Jenmuhs.

So kämpfte die Quarteriale Flotte auf verlorenem Posten. Sie wehrten sich tapfer und so gut sie konnten, doch die Übermacht aus Terranern, Posbis, Kemeten, Saggittonen und Entropen war zu groß. Die Quarteriale Flotte verlor 21.000 SUPREMO-Schiffe durch Vernichtung. Weitere 33.000 waren manövrierunfähig geschossen worden, sodass ihre Besatzungen kapitulieren mussten. Außerdem waren 17.000 Schlachtschiffe stark beschädigt und nicht mehr voll einsetzbar. Als Admiral da Rohn Uwahn Jenmuhs diese Zahlen überbracht, sackte der in seinem Sessel ächzend zusammen.

»Mein Gos’Shekur. Wir müssen uns sofort zurückziehen. Noch haben wir genug Schiffe, um die Umklammerung durchbrechen zu können. Aber wenn wir nicht sofort handeln, kann ich für Euer Leben nicht länger garantieren«, warnte da Rohn Jenmuhs eindringlich. Der fette Arkonide bekam es mit der Angst zu tun.

»Mein Leben gefährdet? Das wertvollste von allen? Das darf nicht sein! Rufen Sie den Emperador um Hilfe. Er muss mich retten!«, kreischte Jenmuhs.

»Das haben wir bereits getan. Der Emperador befiehlt den sofortigen Rückzug. Wir müssen seiner Order folgen, bevor es zu spät ist.«

»Ja! Ja, mobilisieren Sie alles, was nötig ist, um mich zu retten. Wir brechen durch und vereinigen uns mit der Flotte des Emperadors«, befahl Jenmuhs panikerfüllt. Er hatte nun endlich begriffen, dass er die Schlacht verloren hatte.

Mit einer taktischen Meisterleistung gelang es Terz da Eskor und Mandor da Rohn, den Gegner abzulenken und sich mit dem Rest der Flotte vom Kampfgeschehen abzusetzen. Da Perry Rhodan auf eine Verfolgung verzichtete, gelang dies ohne weitere große Verluste. Insgesamt hatte das Quarterium bei dieser Schlacht 54.000 Schiffe mit fast allen Besatzungen verloren.

An Bord der EL CID

Am 26. Januar 1308 NGZ gelang es der restlichen Flotte von Uwahn Jenmuhs, sich mit der Flotte des Emperadors zu vereinigen. Reumütig musste der fette Arkonide den Gang zum Emperador antreten und seine schwere Niederlage eingestehen.

De la Siniestro saß auf seinem goldenen Thron mit dem roten Saum. Despair stand neben ihm. Ganz klassisch stand der Ritter neben seinem Kaiser. De la Siniestros Blick war voller Verachtung.

»Uwahn Jenmuhs, ich bin entsetzt und zutiefst enttäuscht über Ihr eigenmächtiges Verhalten. Durch Ihre Schuld hat das Quarterium nicht nur eine schwere Niederlage erlitten, sondern auch einen lebenswichtigen Verbündeten verloren«, sagte Don Philippe bitter. »Da Sie offenbar nicht in der Lage sind, meine Autorität anzuerkennen und darüber hinaus schwere taktische Fehler begangen haben, entziehe ich Ihnen hiermit das Kommando über Ihre Flotte sowie alle weiteren militärischen Befugnisse. Bis auf Weiteres übernimmt Marschall Despair das Oberkommando über die Flotte.«

»Nein! Das dürfen Sie nicht! Das können Sie nicht tun!«, begehrte Jenmuhs auf.

»Doch, das kann er. Seien Sie froh, dass der Emperador so gnädig ist, Sie am Leben zu lassen. Aber bitte, tun Sie mir doch den Gefallen und verweigern Sie auch diesen Befehl«, sagte Cauthon Despair kalt und legte die Hand auf den Knauf seines Schwertes.

Resigniert senkte Jenmuhs den Kopf.

»Ich weiche der rohen Gewalt und gehe. Aber nur unter Protest.«

»Reichen Sie Ihren Protest auf dem Dienstweg ein«, spottete Despair. »Bedanken Sie sich beim Emperador, dass ich Sie nicht tranchiere, so wie Sie es verdient hätten.«

Ohne ein weiteres Wort verließ Uwahn Jenmuhs die Kabine. Despair sah ihm finster hinterher.

»Wegen diesem Narren ist die Eroberung der Milchstraße gescheitert. Jetzt können wir nur noch eines tun: Rückzug.«

Don Philippe nickte zustimmend.

»Ja, ich erteile sofort den Rückzugsbefehl zum Sternenportal der Lokalen Gruppe. Außerdem müssen wir NGC185 räumen. Ich befürchte, dass uns bald eine Invasion Cartwheels bevorstehen könnte.«

Despair war derselben Ansicht.

»Ja, wie ich Perry Rhodan und seine Leute kenne, werden sie sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.«

*

Als der Rückzug der restlichen quarterialen Flotte bekannt wurde, herrschte an Bord von Perry Rhodans Flaggschiff große Erleichterung.

»Wir haben es mal wieder geschafft, Perry«, freute sich Reginald Bull.

»Ja, Bully. Die Milchstraße hat erst einmal Ruhe. Nun sollten wir dafür sorgen, dass es auch so bleibt«, meinte Rhodan.

»Was hast du vor?«

»Wir gehen nun in die Offensive. Auch wenn ich kein Freund großer Militäraktionen bin, so möchte ich doch sichergehen, dass die Quarteriale Flotte nicht noch einmal vor den Toren der Milchstraße aufkreuzt. Informiere Aurec und die Militärführer, dass wir eine Operation starten, um das Sternenportal zurückzuerobern.«

8. Quarteriale Sorgen

Bericht General Mandor da Rohn, Oberkommando Quarteriale Flotte

Im Februar 1308 NGZ hatte sich die militärische Lage im Kampf um die Lokale Gruppe dramatisch verändert.

Nach den Niederlagen in Andromeda und bei der Draco-Galaxie hatte die Quarteriale Armada den Rückzug antreten müssen. Die Invasion der Milchstraße und die Besetzung Andromedas waren im Grunde gescheitert. Zu verdanken war dies zum einen der unerwarteten Hilfe der Entropen, die die Flotte der LFT tatkräftig unterstützt hatten, und zum anderen der Unfähigkeit des selbstherrlichen Arkoniden Uwahn Jenmuhs, der sich selbst zwar für den größten Strategen des Universums gehalten hatte, aber an seinem maßlosen Ehrgeiz und Wahnsinn gescheitert war.

Das strategisch so wichtige Bündnis mit dem Kristallimperium hatte er durch ein heimtückisches Attentat auf Imperator Bostich, welches zudem auch noch fehlgeschlagen war, zunichtegemacht. Noch verheerender war der Angriff auf die Terranische 8. Flotte, die zwischenzeitlich durch die Entropen und Aurecs Streitkräfte aus Andromeda verstärkt worden war. Blindlings war er den überlegenen Kräften in die Falle gegangen und hatte dabei eine schwere Niederlage einstecken müssen. Mehr als fünfzigtausend Schiffe samt Besatzungen waren dabei verloren gegangen. Zwar wurde Jenmuhs anschließend von Emperador de la Siniestro seines Postens enthoben, doch es war zu spät, um das militärische Desaster noch rückgängig machen zu können. So blieb der Quarterialen Flotte nur der Rückzug zum Sternenportal.

Dort sammelte das Quarterium seine Streitkräfte von immerhin noch hunderttausend SUPREMO-Schlachtschiffen. Doch durch das Eingreifen der Entropen verfügte Perry Rhodan über zweihunderttausend Schiffe und war damit weit in der Übermacht. Das Kräfteverhältnis hatte sich zu Ungunsten des Quarteriums verändert. Don Philippe de la Siniestro beschloss, mit seiner Familie nach Cartwheel zurückzukehren und übertrug Cauthon Despair die Verteidigung des Sternenportals. Um die Raumstation SOLARIS STATION sicherten die quarterialen Streitkräfte den Bereich des Sternenportals.

*

Der Hangarbereich vor dem zweihundertfünfzig Meter durchmessenden SUPREMO-Kreuzer ISABELLA glich einer barocken Festivität. Vor der langen, ausgefahrenen Gangway war ein Zelt mit rotgelbem Stoffdach errichtet worden. Ein langer, roter Teppich markierte den Weg des Monarchen durch den Hangar zu seinem Beiboot, welches ihn zurück in die Heimat bringen sollte. Seine Kammerdiener tranken Wein, speisten Geflügel und redeten viel.

Cauthon Despair kannte die wenigsten von ihnen mit Namen. Es waren Modeberater, Friseure, Personal Trainer und allerlei unwichtiges Gefolge des Herrschers über Cartwheel. Sie machten der Form halber einen kleinen Staatsakt aus der Abreise des Emperadors. Dabei musste er nur von seiner pompösen Kabine einige Stockwerke mit dem Antigrav zum Hangar, von dort in die ISABELLA und dann einige hundert Millionen Kilometer zum Sternenportal. Und dann war das Schiff bereits in Cartwheel.

Als der uralte Spanier eintraf, standen alle auf und ein Kammerdiener eilte mit einem prunkvollen Pokal herbei, den de la Siniestro huldvoll entgegennahm. Auf seinen Wink hin schlemmten alle weiter. So hörte keiner zu, als der Emperador dem Silbernen Ritter noch ein paar Instruktionen gab.

»Es ist besser, wenn ich nach Cartwheel zurückkehre, um dort die Verteidigung vorzubereiten. Wir müssen auf alles gefasst sein. Rhodan könnte nun daran denken, uns einen Besuch in Cartwheel abzustatten.«

Despair nickte düster.

»Ja, das wäre ihm zuzutrauen. Es könnte aber auch sein, dass er sich darauf beschränkt, die ESTARTU-Galaxien zu befreien. Andererseits, wenn er Cartwheel erobert, ist der Krieg entschieden. Das könnte verlockend für ihn sein. Auf jeden Fall wird er versuchen, das Sternenportal einzunehmen, denn dann haben wir keine Möglichkeit mehr, die Milchstraße zu attackieren, können aber selbst jederzeit angegriffen werden.«

»Darum müssen Sie seine Pläne unbedingt zunichtemachen, Despair. Ich übertrage Ihnen die volle Befehlsgewalt. Ganz Cartwheel blickt auf Sie.«

»Das wird nicht einfach werden. Mit diesen verfluchten Entropen sind sie uns überlegen.«

Der Emperador hob den Pokal mit dem importierten terranischen Wein. Er prostete Despair zu.

»Ich werde noch einmal hunderttausend Schiffe zum Sternenportal beordern. Sie werden als Notreserve auf der anderen Seite, also auf der Seite Cartwheels, stationiert werden.«

Despairs Gesicht blieb hinter seinem Visier verborgen, doch sein Körper straffte sich. Er empfand wieder Zuversicht.

»Wir werden Rhodan und seinen Verbündeten die Suppe nicht nur versalzen, sondern dafür sorgen, dass sie daran ersticken.«

*

Despair verließ den Hangar und betrat den Antigrav zum Kommandodeck, auf dem auch sein Quartier lag. Die Zuversicht hielt nicht lange an. Despair hatte ein ungutes Gefühl, als hätte Rhodan noch nicht alle Trümpfe ausgespielt. Mit äußerster Vorsicht und Akribie wollte er sich auf die bevorstehende Schlacht vorbereiten. Er musste auf alles gefasst sein.

Als er seine Kabine betrat, wurde er sogleich von seiner Ordonnanz Virginia Mattaponi begrüßt. Ihre hyperaktive Art, ihn zu umsorgen, war einerseits elektrisierend, aber auf der anderen Seite oftmals auch nervig. Für heute beschloss Despair, sich von ihr aufheitern zu lassen. Es war offensichtlich, dass sie in ihn verliebt war, und das gefiel ihm. Schon oft hatte er darüber nachgedacht, es einfach mit sich geschehen zu lassen. Virginia war keine Brettany, doch sie war nicht verkehrt, und sie mochte ihn. Dabei war sie durchaus schön zu nennen, hatte eine beeindruckende Energie und achtete auf jede seiner Bewegungen. Sie schien ihn zu akzeptieren, wie er war. Sollte er sie ermutigen?

Doch Virginia war heute anders als sonst. Natürlich war sie freundlich, schenkte ihm ein Lächeln, aber sie wirkte irgendwie abwesend.

»Dort steht dein Essen. Auf dem Schreibtisch liegen Berichte der Flotte. Ich muss los.«

»Wohin?«

»Och, zu einem Freund.«

»Einem Freund?«

Cauthon wusste, was das bedeutete. Er las es ihren Augen ab. Sie leuchteten, als sie ihren Freund erwähnte.

»Ja, er ist Leutnant und befehligt eine Staffel Raumjäger. Er ist so lieb und nett zu mir. Nicht so wie manch andere Leute.«

Das klang wie ein Vorwurf. Sicher war es auch so gemeint. Cauthon hatte ihr in der Tat wenig Anlass gegeben, sich Hoffnungen zu machen. Er hatte sie zu selten wirklich gut behandelt. Meistens war er ihr gegenüber mürrisch und reserviert gewesen in den Monaten, in denen sie ihm diente. Es war kein Wunder, dass sie sich andere Gesellschaft suchte.

»Wenn etwas ist, bin ich über das Interkom zu erreichen. Die Arbeit habe ich für heute erledigt. Bis dann!«

Hastig verließ sie die Kabine. Cauthon realisierte, dass er Virginia Mattaponi verloren hatte, bevor er sich überhaupt im Klaren gewesen war, dass er ihr Herz gewinnen wollte. Natürlich hatte sie ihm gutgetan in den letzten Monaten und ihm den Hauch eines normalen Lebens gegeben. Da war jemand gewesen, die sich um ihn gekümmert hatte. Sie hatte nicht nur ihre Arbeit als Assistentin hervorragend gemacht, sondern sich um ihn persönlich gekümmert. Sie hatte gekocht, seine Kabinen aufgeräumt und sogar renoviert. Gut, das war nicht unbedingt schön geworden. Aber diese Aufmerksamkeit, die sie ihm entgegenbrachte, hatte ihm gutgetan.

Alles vorbei. Er hatte die Chance verpasst. Traurig nahm er den Deckel vom Teller ab. Sie hatte Spaghetti gemacht. Sein Lieblingsessen. Doch Hunger hatte er nicht. Mechanisch öffnete er die Halterung seines Helms und nahm ihn vom Kopf.

Lustlos rührte er mit der Gabel in den Nudeln herum. Er stand auf, nahm den Teller und warf ihn in den Konverter.

Nicht einmal Virginia hatte sich wirklich in ihn verliebt. Zumindest nicht so tiefgehend, dass sie auf ihn warten würde. Nun vergnügte sich mit einem adretten Offizier des Quarteriums. Einen Mann, der nicht so verschlossen war wie er, und sie bestimmt so richtig glücklich machte. Da konnte er als finsterer Sohn des Chaos nicht mithalten.

In einem Wutanfall kippte er den Tisch um. Warum mussten ihn alle immer wieder verraten? Er war allein, ganz allein. Niemandem konnte er vertrauen.

Cauthon wandte sich den Berichten der Flotten zu. Akribisch las er die Meldungen durch. Hass stieg in ihm hoch. Es gab jemanden, der für alles büßen würde.

Rhodan! Er würde dafür sorgen, dass der Weltraum vor dem Sternenportal Rhodans Grab werden würde!

9. Terranische 8. Flotte

Nur ein Lichtjahr vom Sternenportal entfernt waren die Terranische 8. Flotte und die verbündete sogenannte »Entropia-Flotte« in Stellung gegangen und warteten auf den Einsatzbefehl. Doch Perry Rhodan zögerte noch, ihn zu erteilen. Es widerstrebte ihm, eine neue, blutige Schlacht einzuleiten, die wiederum unzähligen Terranern das Leben kosten würde.

Nachdenklich betrachtete Rhodan die Projektion eines Panoramafensters im Konferenzraum an Bord des terranischen Flaggschiffes LEIF ERIKSSON. Terranische Kugelraumer mit und ohne Ringwulst standen im Raum zwischen den keilförmigen Pyramidenschiffen der Kemeten, den dunklen, eiförmigen Raumern der Entropen und den abstrakten Fragmentraumern der Posbi sowie den eleganten Scheibenschiffen der Saggittonen. Der Anblick dieser Flotte mit ihren unterschiedlichen Raumschifftypen beeindruckte Perry immer wieder.

Der Saggittone Aurec stand neben ihm.

»Ich ahne, was in dir vorgeht, mein terranischer Freund. Ich beneide dich nicht. Wie immer du dich entscheidest, es kann Leben retten oder kosten.«

Perry Rhodan nickte schwer.

»Das ist die Bürde der Unsterblichkeit. Immer und immer wieder werden wir vor solche Entscheidungen gestellt und tragen dabei die drückende Last der Verantwortung. Du siehst, die Unsterblichkeit hat auch ihre Schattenseiten.«

»Ich vermute, du willst weitere Opfer unter allen Umständen vermeiden?«, erriet der Saggittone Rhodans Gedanken.

Der Unsterbliche nickte zustimmend.

»Ja, das würde ich gern. Aber ob es möglich ist, ist eine andere Frage.«

Die Unterhaltung wurde durch die eintretenden restlichen Teilnehmer der angesetzten Konferenz unterbrochen. Es waren Reginald Bull, Admiral Higgins und General McHenry. Begleitet wurden sie von den beiden Hexen Katryna und Constance Zaryah Beccash. Als alle Platz genommen hatten, fragte General McHenry:

»Sir, wann bekommen wir den Einsatzbefehl? Die Flotte ist bereit loszuschlagen.«

»Auch die entropische Flotte steht zum Angriff bereit«, fügte Katryna hinzu.

Perry Rhodan blickte nachdenklich in die Runde, dann sagte er:

»Es wird vorläufig keinen Einsatzbefehl geben. Die Flotte bleibt in den derzeitigen Positionen rund um das Sternenportal.«

Ungläubig blickten General McHenry und Katryna ihn an. Der Terraner fasste sich zuerst.

»Warum? Wir haben sie in der Zange, Sir! Wir müssen sie jetzt angreifen, bevor sie Verstärkung aus Cartwheel erhalten oder das Sternenportal verminen oder gar sprengen.«

»Wir sind ihnen jetzt überlegen. Greifen wir sie an und vernichten sie«, unterstützte Katryna den General mit zischender Stimme.

Admiral Higgins räusperte sich.

»Vielleicht hat der Resident gute Gründe für seinen Entschluss, die er uns gern mitteilen würde«, mahnte er.

»Danke, Admiral. In der Tat ist es so«, meinte Rhodan, dankbar, wieder zu Wort kommen zu können. »General, was Sie sagen, ist vom militärischen Standpunkt sicher richtig, aber es gibt noch andere Standpunkte im Leben, die wichtig sind.«

McHenry blickte verständnislos drein.

»Ach ja? Wir haben jetzt die Gelegenheit, einen großen militärischen Sieg zu erringen, der diese Auseinandersetzung ein für alle Mal beenden wird.«

»An solchen fragwürdigen Siegen bin ich wenig interessiert. Ich habe schon zu viele Kriege mitgemacht. Sie alle stehen in den Geschichtsbüchern. Doch wenn es darauf ankommt, wenn es zu einem neuen Konflikt kommt, sind die Kriege und ihre Sieger wieder vergessen. Jedenfalls bin ich nicht gewillt, einfach so zigtausende von Raumschiffbesatzungen auf beiden Seiten zu opfern, ohne den Versuch unternommen zu haben, zu verhandeln.«

McHenry schlug wütend mit der Faust auf den Tisch.

»Das kann doch wohl nicht wahr sein! Sie wollen mit diesen Stinktieren verhandeln? Wir können sie nicht nur aus der Lokalen Gruppe werfen, wir können durch das Sternenportal nach Cartwheel vordringen und nach Paxus, in den Palast von diesem verdammten alten Sack de la Siniestro marschieren und ihm Feuer unter seinen faltigen Hintern machen«, ereiferte er sich.

»Die Flotte der Entropen wird euch dabei unterstützen. Uns ist kein Opfer zu groß. Wir haben keine Angst«, pflichtete Katryna dem General bei.

»Bedingungslose Kapitulation ist das Einzige, was für diese Verbrecher noch in Frage kommen kann«, polterte McHenry. Rhodan unterdrückte ein Seufzen. Seine Opponenten sollten sich ernst genommen fühlen.

»Es besteht vielleicht die Möglichkeit, dass das Quarterium, nach seinen schweren Niederlagen, Verhandlungen gegenüber aufgeschlossener ist. Wie der TLD erfahren hat, wurde Uwahn Jenmuhs abgesetzt. Er ist bereits wieder nach Cartwheel zurückgekehrt und hat keine militärische Machtposition mehr. Der Emperador lässt nun vielleicht mit sich reden. Wir werden ihm unsere Bedingungen mitteilen und ihm die Chance geben, diesen Krieg zu beenden. Eine blutige Schlacht um das Sternenportal wäre dann vielleicht nicht mehr notwendig«, erklärte er.

McHenry winkte unwirsch ab.

»Ob nun Jenmuhs, Despair oder dieser alte Sack, ist doch völlig scheißegal! Das sind doch alles Hurensöhne!«

Admiral Higgins räusperte sich pikiert.

»Ich muss doch sehr bitten, General! Bitte mäßigen Sie Ihren Tonfall, es sind zivilisierte Menschen und Damen anwesend.«

McHenrys Gesicht lief rot an.

»Verdammt noch mal, wir sind im Krieg! Sie alle hier scheinen das Ganze für ein Spiel zu halten. Aber im Krieg zählen keine guten Manieren, sondern dass man überlebt und siegt. Und das tut man am besten, indem man so viele feindliche Bastarde wie möglich zur Hölle schickt. Einen Krieg muss man total führen, wenn man ihn gewinnen will, und nicht halbherzig. Wenn es nach mir ginge, würde ich nach Cartwheel einmarschieren und die quarterialen Planeten solange mit Arkonbomben bepflastern, bis diese Bastarde um Gnade winseln«, ereiferte sich der General. Sein Gesicht hatte den Farbton einer reifen Tomate erreicht.

Perry Rhodan blickte den General ruhig an.

»Zum Glück geht es nicht nach Ihnen, General. Sie hätten gut in die Zeit gepasst, in der ich aufwuchs. Aber ich dachte, Leute Ihres Schlages wären ausgestorben, doch ich habe mich geirrt. Wie dem auch sei: Bevor wir uns in weitere militärische Abenteuer stürzen, werde ich versuchen zu verhandeln«, wies ihn der Unsterbliche zurecht.

McHenry schnaubte verächtlich.

»Ich habe Sie mal für einen großen Mann gehalten. Vielleicht waren Sie das früher einmal, aber heute sind Sie nur ein jämmerlicher Feigling.«

»Das geht zu weit, McHenry!«, brüllte Reginald Bull, der bislang geschwiegen hatte. Rhodan winkte ab.

»Schon gut, Bully. Es scheint, der General ist überarbeitet. Eine Pause wird ihm sicher guttun, damit er seine Gedanken wieder ordnen kann.«

Mit versteinerter Miene wandte sich Rhodan wieder McHenry zu.

»General McHenry, Sie sind hiermit auf unbestimmte Zeit beurlaubt. Ihr Kommando übernimmt bis auf weiteres Admiral Higgins. Erholen Sie sich!«

McHenry schnappte nach Luft.

»Aber … das können Sie doch nicht tun, Sir. Ich bitte Sie …«

»Das wäre alles, General. Sie können wegtreten!«, unterbrach ihn Rhodan ungerührt.

Sichtlich geschockt verließ McHenry den Konferenzraum. Fast hatte Rhodan schon wieder Mitleid mit ihm, aber nur fast. Der Weg, den der kampfwütige General vorschlug, würde zu viele Leben kosten, um mit ihm Mitleid zu empfinden. Das Schott glitt zischend hinter ihm zu.

»Wer soll denn nun mit dem Quarterium verhandeln?«, fragte Reginald Bull in die Stille.

»Ich stelle mich freiwillig zur Verfügung. Ich bin bereit, mit Cauthon Despair zu sprechen. Vielleicht kann ich ihn überzeugen«, meldete sich Constance Zaryah Beccash zu Wort.

»Was denn, du?«, fragte Katryna verwundert. Constance wandte ihr eine abweisende Miene zu.

»Ja, ich. Oder traust du mir das etwa nicht zu?«

»Bitte mach es doch. Ist ja dein Risiko«, gab Katryna schnippisch zurück. Sie schüttelte pikiert den Kopf.

»Ich bin einverstanden«, sagte Perry Rhodan. »Vielleicht können Sie ja Cauthon Despair überzeugen. Hoffen wir das Beste.«

»Und befürchten wir das Schlimmste«, murmelte Reginald Bull. Ihm war gar nicht wohl zumute.

10. Intrigen und Liebe

Katryna war ganz und gar nicht zufrieden mit dem Verlauf der Konferenz. General McHenry hatte in der Sache recht, aber er war ein ungeschickter Narr in diplomatischen Dingen. Durch seine »Beurlaubung« hatte Katryna einen potenziellen Verbündeten verloren, der Einfluss bei Rhodan besaß. Doch es gab noch einen anderen General, der zu den Freunden Perry Rhodans zählte, und den die Entropin auf ihre Seite ziehen konnte: Joak Cascal. Sie musste sich um ihn kümmern.

Joak Cascal hatte auf die Konferenz verzichtet und sich krankgemeldet. Trübsinnig lag er auf dem Bett in seinem Quartier, zur Rechten eine Flasche Vurguzz und zur Linken eine Schachtel Zigaretten. Beides führte er sich abwechselnd zu Gemüte und trauerte nach wie vor Anya Guuze nach. Er konnte ihre Zurückweisung einfach nicht überwinden. Noch schlimmer traf es ihn, dass sie seit einer Weile in ihrer Freizeit immer wieder mit einem LFT-Soldaten gesehen wurde. Konkurrenz? Vermutlich! Das Leben konnte so ungerecht sein.

Cascals Leidensgedanken wurden durch den Summton an seiner Tür unterbrochen.

»Herein, wenns kein Haluter ist«, rief der General unwirsch.

Zu seinem großen Erstaunen trat die Entropin Katryna ein.

»Sehe ich aus wie einer dieser hässlichen Riesen«, fragte die Hexe mit einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen, das Cascals Lebensgeister wiedererweckte.

»Aber nein, mitnichten. Ist nur ein alberner Spruch unter Soldaten«, entgegnete dieser, noch immer überrascht. »Was führt Sie zu mir, Katryna?«

»Ich habe Sie auf der Konferenz vermisst, General Cascal.«

»Bitte nennen Sie mich Joak. Ich fühlte mich nicht wohl.«

»Ist das Ihre Medizin?«, fragte die Entropin und deutete auf die leeren Vurguzz-Flaschen und Zigarettenkippen auf Cascals Nachttisch.

»Nur zur Linderung«, sagte Joak verlegen. Er schob mit dem Ellbogen die halbleere Flasche neben ihm unter die Decke.

»Die Einsamkeit kann sehr schmerzhaft sein, aber wir Entropen kennen ein gutes Mittel dagegen«, sagte Katryna leise und küsste Cascal. Dann zog sie ihr Kleid aus und begann, auch ihn auszuziehen. Der Terraner ließ sich die »Behandlung« nur zu gern gefallen.

Später lagen sie gemeinsam in seinem Bett und Cascal rauchte zufrieden eine Zigarette. Katryna schmiegte sich an ihn.

»Du hast mich gar nicht gefragt, wie die Konferenz gewesen ist«, flüsterte sie ihm ins Ohr.

»Naja, was soll schon Besonderes gewesen sein? Sicherlich greifen wir bald das Sternenportal an«, meinte Cascal gelangweilt.

»Im Gegenteil. Perry Rhodan will mit dem Quarterium verhandeln.«

Joak furchte erstaunt die Stirn.

»Nun, ich nehme an, man wird sie zur bedingungslosen Kapitulation auffordern.«

»Du irrst dich schon wieder. Rhodan will Frieden mit ihnen schließen. Constance wird mit Cauthon Despair verhandeln.«

»Ausgerechnet mit diesem Teufel. Ich glaube nicht, dass das sinnvoll ist«, meinte Cascal unbehaglich.

Katryna stellte erfreut fest, dass sie ihn richtig eingeschätzt hatte. Er war empfänglich für sie und ihre Argumente. So konnte sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Sie würde noch einige Nächte investieren müssen, dann fraß er ihr aus der Hand. Sie wechselte das Thema.

Katryna traf sich in den nächsten Tagen regelmäßig mit Cascal in dessen Kabine. Nach leidenschaftlichen Liebesspielen versuchte sie, den General auf ihre Linie zu bringen.

»Verhandlungen mit dem Quarterium sind sinnlos. Perry Rhodan ist auf einem Irrweg, wenn er das glaubt. Das gesamte Quarterium und die Söhne des Chaos sind allesamt nur Werkzeuge MODRORS. MODROR will nicht verhandeln, er will nur alles zerstören. Darum müssen er und seine Werkzeuge erbarmungslos bekämpft werden, genau wie das Riff«, flüsterte sie ihm jedes Mal ins Ohr.

»Nur der totale Krieg gegen diese erbarmungslosen Feinde kann die Menschheit retten. Entweder wir oder die. Eine andere Wahl gibt es nicht«, wiederholte sie immer wieder. Zufrieden stellte sie fest, dass ihre Einflussnahme allmählich Wirkung zeigte.

»Ich glaube du hast recht, Katryna. Ich werde mit Rhodan darüber sprechen. Aber er ist sehr stur. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, führt er es auch durch«, meinte der General.

»Meinst du? Ich dachte, selbst der legendäre Perry Rhodan wird einsehen müssen, dass er seine geliebte Menschheit nur dann retten kann, wenn er MODROR, das Quarterium und auch das Riff mit Stumpf und Stiel ausrottet. Du hast so viel Erfahrung, meinst du nicht, dass es so kommen wird?«, schmeichelte Katryna.

*

Joak Cascal war sich inzwischen sicher, dass Katryna nicht unrecht hatte. Das Wohl der Menschheit und der Milchstraße wog letztendlich schwerer als das Wohl der Feinde und ihrer Untertanen. Aber Cascal wusste auch, dass Perry Rhodan für solch drastische Methoden, wie sie Katryna vorschlug, niemals zu haben sein würde. Es musste doch einen Mittelweg geben. Um auf andere Gedanken zu kommen, begab sich der General in die Bordkantine.

Dort herrschte reger Betrieb, so dass Cascal nach einem geeigneten Platz Ausschau halten musste. Er hätte auch in die Offiziersmesse gehen können, aber er wollte unter normalen Menschen sein. Als er nach einem freien Platz Ausschau hielt, entdeckte er an einem Tisch sitzend Anya Guuze. Zu seinem Leidwesen unterhielt sie sich angeregt mit einem jungen, gutaussehenden, glatt geschniegelten Offizier. Ihr neuer Freund offenbar. Beide schienen gutgelaunt und lachten.

Eifersucht, pure Eifersucht stieg plötzlich in Cascal hoch. Für solch einen Lackaffen hatte Anya ihn sausenlassen? Wütend wollte er kehrt machen und wieder gehen, als Anya ihn erkannte und ihm zuwinkte. Cascal spürte, dass er besser gehen sollte. Andererseits zog es ihn magnetisch zu Anya hin, und so ging er zu ihr.

»Hallo, Joak. Wie geht es dir?«, fragte die junge Frau freundlich. Sie war schöner denn je.

»Ging schon mal besser«, gab Cascal mürrisch zurück.

»Darf ich dir Leutnant Wesley vorstellen? Er kommt von der Akademie und war bester seines Jahrgangs«, erklärte Anya.

Der junge Leutnant erhob sich steif und salutierte. Cascal schätzte ihn als Streber und Karrieretypen ein. Er fand ihn wenig sympathisch.

»Sir, es ist mir eine Ehre Sie kennenzulernen, Sir«, grüßte der Leutnant.

»Ach wirklich?«

»Und wie. Auf der Akademie haben wir viel über Ihre alten Geschichten gelernt. Sehr interessant, Sir, und lehrreich.«

Alt? Cascal fühlte Wut in sich hochsteigen. Dieser Typ hatte etwas, was ihn reizte. Oder war es die blanke Eifersucht, die ihn schüttelte?

»Alte Geschichten? Du hältst mich wohl für ein Museumsstück, du Rotzlöffel!«, fuhr Cascal den verdutzten Leutnant an, der bleich vor Schreck wurde.

»Ähem, nein, Sir. Das habe ich damit nicht sagen wollen. Ich meine nur, dass Ihre Geschichten schon lange her sind«, stammelte Wesley verstört.

»Der fängt ja gleich an zu heulen. Und so eine Flachpfeife ist dir lieber als ich?«, wandte sich Cascal an Anya.

»Joak, bitte nicht so. Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt gehst«, erwiderte Anya traurig. Doch sie steigerte damit nur Cascals Wut.

»Ach, ich soll gehen? Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen!«

Leutnant Wesley nahm all seinen Mut zusammen und stellte sich zwischen Cascal und Anya. Mittlerweile war die halbe Kantine auf den Zwischenfall aufmerksam geworden, die Gespräche verstummten, Leute blieben stehen, um nichts zu verpassen.

»Sir, bei allem Respekt: Ich muss Sie bitten, meine Freundin in Ruhe zu lassen.«

»Ach, deine Freundin? Das ist zufällig mein Mädchen. Wenn du sie haben willst, musst du sie dir verdienen«, brüllte Cascal und verpasste dem verstörten Leutnant einen Kinnhaken, der ihn quer über den Tisch schleuderte, wobei er Essen und Geschirr zu Boden fegte. Dann wandte er sich wieder an Anya, die aufgesprungen war. Sie war so verblüfft, dass sie weder Ketchup noch Getränkespuren auf ihrer Kleidung beachtete.

»Schau mir in die Augen, Kleines«, zitierte Cascal ein altes Sprichwort und küsste Anya leidenschaftlich. Dann verließ er die Kantine, ohne sich umzusehen.

Streit

Der Vorfall sprach sich natürlich schnell herum und auch Perry Rhodan erfuhr davon. So wurde Joak Cascal zum Terranischen Residenten zitiert. Auch Aurec war bei dem Gespräch anwesend. Rhodan war alles andere als begeistert.

»General Cascal, ich bin äußerst ungehalten über Ihr Benehmen. Sie haben sich wie ein pubertierender Schuljunge benommen. Sie sind General und somit ein Vorbild und eine Respektsperson für die Mannschaft und Ihre Untergebenen. Stattdessen verprügeln Sie einen Ihrer Untergebenen wegen einer privaten Eifersüchtelei. So etwas ist unentschuldbar«, erklärte der Unsterbliche. Rhodan wählte absichtlich die förmliche Anrede.

»Der Knilch hat mich provoziert und sich über mich lustig gemacht«, verteidigte sich Cascal. Seine finstere Miene bewirkte, dass Rhodan sich entspannte und zum gewohnten Du überging.

»Selbst wenn es so war, gibt es dir noch lange nicht das Recht, ihn zusammenzuschlagen.«

Cascal schüttelte den Kopf. Die Erinnerung an Anyas Gesicht ließ ihn Rhodan fast vergessen.

»Ich habe ihn nicht zusammengeschlagen, ich habe ihm lediglich einen einzigen Kinnhaken verpasst. Ich konnte ja nicht ahnen, dass das Bübchen nur aus Zuckerwatte ist. Wenn dies das Beste ist, was unsere Akademie zu bieten hat, dann gute Nacht. Dann sollten wir besser gleich aufgeben und vor dem Quarterium zu Kreuze kriechen.«

»Ich finde, wir sollten die Sache nicht aufbauschen. Es genügt doch, wenn Joak sich entschuldigt und wir die Sache vergessen. Er hat aus Liebe zu Anya Guuze gehandelt«, versuchte Aurec die Wogen zu glätten.

Rhodan schüttelte den Kopf.

»Er ist ein hoher Offizier, da ist es mit einer Entschuldigung nicht getan. Nun, wenn er psychische Probleme hat, muss er sich zu unserer Kosmopsychologin Angela Knallfass in Behandlung begeben, dann müsste man kein weiteres Aufhebens um den Vorfall machen. Als General trägt er schließlich eine große Verantwortung für seine Untergebenen. Psychisch angeschlagen wäre er nicht in der Lage, Verantwortung für seine Untergebenen zu übernehmen, und bei gesunder Psyche ist sein Verhalten unentschuldbar«, meinte er und wandte sich wieder Cascal zu.

»Wärest du bereit, dich in Behandlung zu unserer Bordpsychologin zu begeben?«

Cascal schnappte nach Luft.

»Ich soll zu dem Knallfrosch, dieser Seelenklempnerin? Ich bin doch nicht bekloppt! Im Übrigen bin ich mir meiner Verantwortung durchaus bewusst – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Terranischer Resident.«

»Wie darf ich das verstehen?«, fragte Rhodan, überrascht über diese Wendung. Cascal war von problematischer Disziplin, aber stets loyal gewesen.

»Anstatt hier untätig herumzusitzen und darauf zu warten, dass der Feind immer stärker wird, sollten wir lieber angreifen. Der Gegner ist angeschlagen, das müssen wir ausnutzen. Wir müssen ihn attackieren, wo immer wir können, dürfen ihn nicht zur Ruhe kommen lassen. Wir müssen die Quarterialen zurück nach Cartwheel treiben und sie dort mit Mann und Maus vernichten.

Und dann nehmen wir uns MODROR und das Riff vor. Erst wenn alle unsere Feinde tot und vernichtet sind, haben wir endlich Ruhe. Aber dazu sind Sie ja offenbar nicht Manns genug«, redete sich Joak Cascal immer mehr in Rage. »Der Perry Rhodan, den ich früher kannte, hätte sich nicht vor Angst in die Hosen gemacht.«

Zornig schlug Rhodan mit der Faust auf den Tisch.

»Jetzt habe ich aber genug! Spinnen denn hier alle meine Generäle? Da du offensichtlich ein Problem mit meiner Politik hast, ist es wohl das Beste, wenn ich dich von deinen Aufgaben vorläufig entbinde. Zumindest solange, bis du wieder bei Sinnen bist, sofern das überhaupt noch mal der Fall sein wird.«

Cascal wollte aufbrausen. Dann hielt er inne, salutierte grimmig und verließ die Kabine. Aurec stieß einen Seufzer aus.

»Ja, bitte?«, fragte Rhodan.

»Ich halte das für keine gute Idee, Perry. Ihn von seinen Aufgaben zu entbinden, wird ihn noch mehr destabilisieren«, meinte der Saggittone.

»Joak Cascal ist zweifellos einer meiner besten Leute. Aber so, wie er sich benimmt, richtet er womöglich noch schwereren Schaden an. Wir kommen jetzt in die entscheidende Phase dieses Konflikts. Da brauche ich Leute, auf die ich mich ohne Wenn und Aber verlassen kann und die bedingungslos zu mir stehen. Diesen Eindruck habe ich aber derzeit weder von General McHenry noch von Joak Cascal, und darum bleibe ich bei meiner Entscheidung«, beharrte der Unsterbliche.

»Wenn es so weitergeht, haben wir bald keine Generäle mehr«, hielt Aurec dagegen und wechselte das Thema.

11. Der goldene Käfig

Rosan de la Siniestro lag gelangweilt auf ihrer weichen, cremefarbenen Couch und starrte an die Decke. Sie hatte keine Lust, ihr Buch weiterzulesen, und die Propaganda-News und Sendungen über INSELNET interessierten sie auch nicht. Der schwarze Mikro-Rechner lag abgeschaltet auf dem Boden. Die weiße Decke war interessanter. Ein Weberknecht krabbelte bedächtig auf der Decke entlang. Ein Spiel mit der Zeit. Würde der Reinigungsservo auftauchen, war das Schicksal des Arachnoiden besiegelt. Ihrer Freundin Uthe, die in dem Sessel kauerte, erging es nicht anders. Sie spielte mit den Fransen des Kissens. Rosan puhlte einen roten Fussel vom Oberteil ihres roten Anzugs. Sie schnippte die Fasern mit den Fingern weg. Dann gähnte sie.

Sie waren weiterhin Gefangene des Quarteriums und lebten in ihrem goldenen Käfig. Uthe war es mehr oder weniger freiwillig, doch mehr und mehr zweifelte sie an Orlando de la Siniestro. Sie hatte Rosan eingestanden, dass sie viel an ihren Ex-Ehemann Remus dachte und einfach nicht in dieser Diktatur leben könne.

Rosan hatte keinen lebenden Mann, an den sie denken konnte, aber auch sie wollte Cartwheel verlassen, um ihrer selbst willen.

»Orly hat erzählt, dass der Angriff auf das Sternenportal nur noch eine Frage von Tagen ist. Die gesamte Region um Paxus ist im Alarmzustand«, berichtete Uthe. »Ein Durchbruch ist zu bezweifeln. Sie werden wohl nicht kommen und Paxus oder Siniestro befreien.«

Rosan seufzte. Das Quarterium war viel zu stark. Es würde mühelos Cartwheel verteidigen. Und Rhodan würde nicht so ein Risiko eingehen. Stattdessen würde er nur versuchen, das Quarterium aus der Lokalen Gruppe zu drängen. An sich war das sehr schön, doch es würde ihnen in ihrer misslichen Lage nicht weiterhelfen. Dabei waren sie auf Arkon I so nahe dran gewesen!

»Gehen wir etwas essen«, schlug Rosan schließlich vor. Sie hatte Hunger. Uthe stimmte zu. Die beiden Damen begaben sich in den Hauptspeisesaal des Madrider Königsschlosses auf Siniestro und bestellten bei den Bediensteten die Mahlzeiten ihrer Wahl.

Der goldene Speisesaal blendete Rosan immer wieder aufs Neue. Gold beherrschte den kompletten Raum. Die Muster des Bodens waren goldene Kreuze, die unzähligen antiken Stühle an der schier endlos langen Tafel waren mit goldenen Polstern ausgestattet. Acht Kronleuchter mit funkelnden Kristallen hingen von der weißen Decke, die natürlich mit goldenen Verzierungen geschmückt waren. Die Gemälde waren in goldenen Farben gehalten und selbst die roten Vorhänge hatten goldene Muster. Vor den Fenstern standen goldene Sockel mit Pokalen und Kelchen, auf deren Köpfen Kronen ruhten.

Die Tafel war so lang, dass sie in der Mitte des Saals durch einen Torbogen führte. Dieser pompöse Wahn war nicht einmal dem Hirn ihres Gatten entsprungen, sondern entsprach tatsächlich der Architektur des Vorbilds auf Terra, dem Palacio Real in Madrid. Uthe und Rosan setzte sich an das Kopfende, welches ihnen am nächsten war.

Ihr Speisewunsch entsprach gar nicht dem würdevollen, königlichen Ambiente, doch die Bediensteten zeigten mit keiner Miene, wenn sie befremdet waren. Während Rosan genüsslich den Kartoffelsalat und die Würstchen in sich hinein schob, starrte Uthe aus dem Fenster.

»Was ist?«, fragte Rosan.

Uthe deutete auf die beiden Personen im Garten. Nun sah Rosan sie auch. Stephanie unterhielt sich mit einem quarterialen Offizier. Nach der Uniform zu urteilen, war er ein Oberst. Rosan wusste gar nicht, dass sich Stephanie mit solchen »niedrigen« Liebhabern abgab, doch die Art, wie sie den Kopf schief legte und die Hüften wiegte, ließ keine anderen Schlüsse zu.

»Erkennst du ihn nicht?«, fragte Uthe besorgt.

Rosan schüttelte den Kopf. Irgendwo hatte sie diesen Mann sicherlich schon einmal gesehen, doch sie wusste nicht genau wo.

Uthe half ihr auf die Sprünge.

»Das ist Henner von Herker! Früher war er mal ein Freund von Remus und Jan gewesen. Das ist lange her und ich glaube nicht, dass er mich mag. Er wollte früher was von mir …«

Jetzt fiel es Rosan wie Schuppen von den Augen. Sie erinnerte sich an den unsympathischen Terraner mit den Glubschaugen. Von Herker war zusammen mit seinem Kumpel früher bei der USO gewesen. Rosan hatte sich einmal mit ihm angelegt. Hoffentlich erinnerte er sich nicht mehr daran. Stephanie sah die beiden nun auch, winkte und kam mit Oberst von Herker im Schlepptau in den Speisesaal.

»Meine Lieben! Schmeckt es euch? Ach, Rosan isst mal wieder Würstchen. Das passt ja zur Figur.«

Stephanie kicherte.

»Richtig, rank und schlank wie ein Wiener Würstchen. Und du bist mal wieder auf Trophäenjagd?«

»Darf ich euch Oberst von Herker vorstellen?«, fuhr Stephanie mit arrogantem Blick fort. »Ein verdienter Offizier des Quarteriums. Er hat Schlachten in Siom Som, M 87 und Andromeda geschlagen.«

Von Herker salutierte und grinste breit.

»Ich kenne die beiden Damen nur zu gut.«

Rosan gefiel der Unterton in der Stimme nicht.

»Tatsächlich? Wer hätte das gedacht. Die feine Rosan und die beinahe jungfräuliche Uthe. Beide so bedacht auf ihr Image als Ladys …«

Uthe warf ihr Besteck erbost auf den Tisch.

»Das ist ja wohl die Höhe! Ich habe mit dem niemals etwas gehabt. Auch wenn er es sich sehr gewünscht hat! Und Rosan ebenfalls nicht.«

»Nur ein Scherz, kleines Dummchen. Ach, Henner, Sie müssen wissen, dass Uthe wohl bald meine Schwägerin werden wird. Sie ist die Verlobte meines Bruders Orlando. Und, tja, meine Stiefmutter kennen Sie ja bereits.«

Henner nickte grinsend. Seine Glubschaugen ruhten auf Rosans Ausschnitt. Sie musste keine Telepathin sein, um zu wissen, was er von ihr wollte.

»Nun, und welche Befehle führen Sie nach Siniestro?«, fragte Rosan schließlich, um das unangenehme Schweigen zu brechen.

»Oberst von Herker wird der Leibgarde der Familie zugeteilt werden. Da der Feind vor der Tür steht, fühle ich mich sicherer, wenn wir fähige Beschützer haben.«

Rosan atmete tief durch. Das bedeutete, dass dieser widerliche Typ die ganze Zeit in ihrer Nähe sein würde.

»Ich habe die Ehre, die Holsteiner-Division von dem Herrn Generalmarschall Peter de la Siniestro zu kommandieren. Sie wird für das Wohl und die Sicherheit aller de la Siniestros und Regierungsmitglieder sorgen«, sagte von Herker pathetisch.

Uthe seufzte.

»Dann mach deine Pflicht und lass uns in Ruhe essen. Dann fühlen wir uns sicherlich wohler!«

Rosan schmunzelte. Henner von Herker jedoch bedachte die beiden mit einem tödlichen Blick. Nun betrat auch Brettany den Speisesaal. Stephanie verdrehte die Augen.

»Lassen wir die Kinder allein. Oberst von Herker, ich werde Ihnen helfen, sich schnell an die neue Umgebung zu gewöhnen. Guten Appetit, Stiefmütterchen! Oh, das Fett in den Würstchen ist ja so gut für die Haut. Verhindert Faltenbildung. Nun ja, ein wenig.«

Von Herker salutierte. Beide verließen den Raum. Brettany blickte ihnen verwundert hinterher.

»Wer war das?«

»Jemand, der uns noch Ärger machen wird«, antwortete Uthe ernst.

12. Hoffnung?

Constance Zaryah Beccash bereitete sich mental auf die Verhandlung mit Cauthon Despair vor. Noch wusste sie aber nicht, ob sie überhaupt stattfinden würde. Perry Rhodan hatte eine Botschaft an Cauthon Despair gesandt und um ein Treffen gebeten, aber bislang noch keine Antwort erhalten. Sie ging im Geiste das Gespräch mit dem Silbernen Ritter durch, bereitete sich mit Gegenargumenten auf seine Ansichten vor, suchte nach der richtigen Wortwahl. Schon oft hatte sie mit ihrer direkten Art ihre Gegenüber vor den Kopf gestoßen. Das sollte besser nicht passieren.

Perry Rhodan hatte ihrem Vorschlag, die Verhandlungsführung zu übernehmen, zugestimmt. Er wusste offenbar, dass Constance und Despair eine gewisse Beziehung zueinander aufgebaut hatten, seitdem sie sich in M 87 begegnet waren. Constance war dankbar für das Vertrauen, dass dieser Terraner in sie setzte. Mehr Vertrauen als es ihre Lilim-Schwestern in sie hatten. Weder Katryna noch die alte Adelheid trauten Constance viel zu. Das ließen der Rat sie immer wieder deutlich spüren.

Die junge Hexe stocherte in ihrem Essen und vertrieb sich die Wartezeit in einer Kantine der LEIF ERIKSSON.

Hier war alles so eingerichtet, wie Restaurants wohl zu Jugendzeiten von Perry Rhodan und Reginald Bull ausgesehen hatten. Ein langer Tresen mit Sitzhockern, dann kleine Speisenischen mit gepolsterten Bänken. Rot, weiß, silber herrschten als Farben hier vor. An den Wänden hingen uralte Bilder von Terranern, die wohl Musik früher gemacht hatten. Eine blonde Frau zog einen Kussmund. Eine Elvis Monroe und Marilyn Presley oder so. Deshalb hieß diese Kantine »American Diner«.

Serviert wurden hauptsächlich Fries und dicke Burger in allen Variationen. Das mochte Constance sehr. Sie hatte sich einen großen Cheeseburger bestellt und diese sogenannten Fries reichlich in roter und weißer Sauce getränkt. Es schmeckte ihr.

Beim Herumschauen fiel ihr Anya Guuze auf, die ihrer geschätzten Mentorin Aynah so sehr glich. Die Entropin beobachtete die Terranerin akribisch, um festzustellen, ob sie auch irgendwelche Gesten wie Aynah anwandte. Da sie dabei wenig dezent vorging, fiel es Anya bald auf, dass sie observiert wurde. Sie stand von ihrem Tisch auf und setzte sich zu Constance.

»Kann es sein, dass du mich beobachtest?«, fragte die Terranerin geradeheraus.

Constance errötete und begann zu kichern. Dann wurde sie aber schnell wieder ernst.

»Hast du das bemerkt?«

»Das war nicht weiter schwer, ehrlich gesagt. Warum tust du das?«

»Wie ich schon einmal bemerkte: weil du meiner Mentorin Aynah ähnelst. Es heißt auch, du würdest Nistants Ajinah ähneln«, erklärte Constance.

»Ja, das habe ich schon mitgekriegt. Ich kann mir aber beim besten Willen keinen Reim darauf machen, warum mir die skurrilsten Männer den Hof machen. Angefangen hat es mit diesem Brok’Ton und dann kam Nistant, der mich für seine Ajinah hielt. Ich weiß aber nicht das Geringste von einer Ajinah oder einer Aynah. Ich habe noch nie etwas von denen gehört«, erwiderte Anya konsterniert. »Ich möchte eigentlich auch nur meine Ruhe haben. Die Männer, mit denen ich etwas hatte, reichen mir schon.«

Constances Blick wurde sehr ernst, als sie Anya direkt ansah.

»Du kannst dies nicht alles einfach so abtun. Bedenke: Wenn du doch etwas mit Ajinah zu tun hast und Nistant dir den Hof macht, ist es von kosmischer Bedeutung.«

Anya schwieg betreten. Sie verstand nicht, worauf die entropische Hexe hinauswollte und zog es daher vor zu schweigen. Sie weigerte sich, darüber nachzudenken, denn das Ergebnis ihrer Überlegungen hätte sie vermutlich erschreckt. Sie wollte nichts mehr mit diesen seltsamen Dingen zu tun haben. Und doch war sie mitten drin.

Die Erinnerungen an die schrecklichen Ereignisse ließen sie nicht los. Zuerst auf Objursha. Damals war ihre Welt zusammengebrochen, als ihr geliebter Ehemann sein wahres Gesicht gezeigt und sie die Gräuel in dem Entsorgungslager mitbekommen hatte. Sie war selbst gefoltert worden. Sie hatte die unheimlichen Drachen gesehen, die offenbar die Vitalenergie der Entsorgten regelrecht inhalierten. Dann die Ereignisse auf Ednil, die Entführung durch die Ur-Perlians, die Begegnung mit Brok’Ton. Wieso nur sie?

Anya war in eine Geschichte verstrickt, die sie nur schwerlich verstand. Warum ausgerechnet sie? Was passierte mit ihrem Leben?

SOLARIS STATION

23. Februar 1308 NGZ

Beim Übersetzen war Constance ins Dunkel getaucht, denn in diesem Sektor existierte keine Sonne, die Licht auf die Objekte spenden konnte. So sah Constance lange Zeit nur die Lichter der entfernten Galaxien, ehe sie die Eigenbeleuchtung von SOLARIS STATION ausmachte.

Langsam schälte sich die Silhouette der Raumstation aus der Finsternis. Dann sah sie unzählige blinkende Positionslichter. Die Flotte des Quarteriums! Ihr Treffen mit Cauthon Despair stand nun kurz bevor. Ihr Raumschiff landete im Hangar. Sie stieg aus und wurde bereits vom Silbernen Ritter erwartet. Constance zupfte sich die Haare zurecht, versuchte ihre Nervosität zu verbergen.

»Hallo, Cauthon. Nett, dich wiederzusehen.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Constance. Schade, dass es unter solchen Umständen geschehen muss. Du willst also vermitteln?«, gab sich Despair freundlich.

»Ja, ganz recht. Ich hoffe, es bringt was.«

Beide gingen gemessenen Schrittes durch den Hangar und erreichten den Antigrav. Schweigend schwebten sie drei Etagen höher. Constance folgte dem Silbernen Ritter in ein schmuckloses Quartier mit dunkelgrünen Wänden und einem grauen Boden. Ein Servoroboter stellte in diesem Moment Getränke und Gebäck auf einem metallischen Tisch ab. Zwei breite Sessel standen je am Kopfende. Offenbar war der Raum gerade für sie hergerichtet worden.

Despair bot der Hexe einen Platz an und schickte sein Gefolge hinaus, damit sie ungestört waren. Sie nahm Platz. Er blieb stehen.

»So sehr ich deine Bemühungen auch schätze, Constance«, sagte der Silberne Ritter dann, »so befürchte ich doch, dass sie nutzlos sind. Wir stehen nun einmal auf völlig verschiedenen Seiten. Das Quarterium muss MODROR dienen und gehorchen. Da gibt es keinen Kompromiss.«

Constance wirkte enttäuscht.

»Ist das deine Vision? Sklave von MODROR zu sein? Willst du, dass alle anderen im Universum dein Schicksal teilen?«

Der Silberne Ritter wanderte langsam im Raum umher.

»Wir müssen MODROR gehorchen«, blieb Despair stur.

»Solange keine der Parteien von ihren Ansichten abweicht, wird es keinen Frieden geben«, gab Constance zu Bedenken.

Despair blieb stehen.

»Das ist richtig. Wenn MODROR denn Frieden wünscht, dann wäre ich der Erste, der dem zustimmen würde. Ich wäre froh, wenn der Krieg vorbei wäre.«

Nun sprang Constance auf. Sie warf einen kurzen Blick auf die Getränke, entschied sich aber, nichts zu nehmen. Sie blickte Despair eindringlich an.

»Dann höre dir doch wenigstens die Vorschläge an, die zu überbringen ich gekommen bin.«

»Also gut, lass hören«, stimmte Despair zu.

»Ich möchte vorweg betonen, dass es sich dabei um die Vorschläge Perry Rhodans und nicht der Entropen handelt«, erklärte Constance.

»Zur Kenntnis genommen. Ich höre.«

Sie ging zu ihm, stellte sich direkt vor den Silbernen Ritter.

»Perry Rhodan fordert für einen Frieden drei wichtige Dinge: Erstens: Rückzug vom Sternenportal der Lokalen Gruppe. Zweitens: Rückzug aus allen estartischen Kolonien und besetzten Gebieten in Cartwheel. Und drittens: die sofortige Schließung aller Entsorgungslager sowie Freilassung und Entschädigung aller Inhaftierten. Dies sind seine Bedingungen.«

Cauthon Despair schwieg eine Weile, dann sagte er: »Das habe ich mir gedacht. Das ist völlig inakzeptabel. Selbst wenn der Emperador und ich mit all dem einverstanden wären, würde MODROR das niemals zulassen. Es gibt nur Sieg oder Niederlage. Wie ich schon sagte: Es gibt keinen Kompromiss, so sehr ich dies bedauere. Auch dein Charme und dein Liebreiz können meine Loyalität zu MODROR nicht erschüttern.«

Constance nickte enttäuscht. Ihr wurde klar, dass sie versagt hatte. Sie hatte Cauthon Despair nicht läutern können. Offenbar hatte sich ihre Mentorin entweder in ihr oder in Despair getäuscht.

Sie wich zurück und ging Richtung Ausgang. Dann blieb sie stehen, warf noch einen Blick auf ihn und schloss: »Dann gibt es nichts mehr zu sagen. Leb wohl, Cauthon.«

*

Die Hexe hatte den Raum verlassen. Despair blieb allein in der dunklen Kabine zurück. Er dachte noch eine Weile über Constance Zaryah Beccash nach. Genauso wie Brettany war sie unerreichbar für ihn. Die ideologischen Gegensätze waren zu groß. Als Sohn des Chaos war sein einziger, ständiger Begleiter die Einsamkeit. Er verließ den Raum und begab sich in den Hangar. Mit der BREEN verließ er SOLARIS STATION.

Der Silberne Ritter kehrte niedergeschlagen zurück an Bord der EL CID. Das Scheitern der Verhandlungen bedeutete, dass die Schlacht nun unausweichlich war. Schon bald würden terranische, saggittonische, galaktische und entropische Schlachtschiffe in Scharen angreifen. Die Stunde der Entscheidungsschlacht war angebrochen. Obsiegte das Quarterium hier, würden sie vermutlich sogar den Krieg gewinnen können. Eine Niederlage bedeutete das endgültige Ende ihrer Eroberungspläne für die Milchstraße.

Was auch immer in den nächsten Tagen geschah, es würde Millionen Tote fordern. Dieses Kräftemessen von Hunderttausenden Raumschiffen würde als die vielleicht größte Schlacht in diesem intergalaktischen Krieg eingehen.

Despair überlegte, ob er nicht selbst in einen Raumjäger steigen sollte. Nein, er hatte ein anderes Ziel: die LEIF ERIKSSON!

Das wäre ein Duell. Die EL CID versus Rhodans LEIF ERIKSSON. Rhodan gegen Despair im kalten Weltraum. Allerdings wäre das Duell schnell zuende. Die LEIF ERIKSSON war ein 1800 Meter durchmessender Kugelraumer der ENTDECKER-Klasse. Sie besaß 8 Transformkanonen mit einer Sprengkraft von 4000 Gigatonnen, dazu 20 weitere Transformgeschütze mit einer Sprengkraft von 1000 Gigatonnen, des Weiteren 60 MVH-Geschütze und Raumtorpedos. Die Defensive bestand aus einem sechsfach gestaffelten Paratronschirm und einem fünffach gestaffelten -Schirm. 60 leichte Kreuzer der CERES- und VESTA-Klasse dienten als Beiboote, außerdem 100 MICRO-Jets und vereinzelte Space-Jets und Korvetten.

Die EL CID hingegen hatte einen Durchmesser von 5000 Metern. Sie war auf Krieg ausgelegt. 500 Transformgeschütze mit unterschiedlicher Sprengkraft, die geringste bei 500 Gigatonnen, 750 MVH-Geschütze, dazu dorgonische Transonator und Hypertron-Impulser. Die EL CID vereinte dorgonische und terranische Technologie in einem. 9000 Jäger, 10 Kreuzer und 400 Space-Jets dienten als Unterstützung. Die EL CID war der LEIF ERIKSSON weit überlegen. Sie war das mächtigste Raumschiff der Menschheit, abgesehen von der legendären SOL.

Dieser Gedanke entzückte ihn. Und wenn er dabei starb, hatte er wenigstens einen ruhmreichen Abgang. Es gab doch nichts, was ihn hier hielt. Niemand würde ihn vermissen, keiner um ihn weinen, kein Herz wäre gebrochen.

Er war zum Symbol der quarterialen Macht, aber auch ihres Schreckens geworden. Er war der Inbegriff dessen. Damit musste er leben. Einsamkeit führte ihn in den Hass und gab ihm seine Stärke.

Ausgerechnet jetzt lief ihm Virginia über den Weg. Sie trug ihre quarteriale Uniform sogar ordnungsgemäß hochgeschlossen. Als sie ihn erblickte, salutierte sie und grüßte knapp.

Den Mann hinter Despair, den er erst jetzt bemerkte, begrüßte sie viel freundlicher. Sie gab ihm eine Umarmung und einen Kuss. Jetzt wurde es Despair zu dumm.

»Ordonnanz!«

Virginia drehte sich um und wurde wieder ernst.

»Was gibt es, Sir?«

Despair warf einen Blick auf den Leutnant. Das Visier verbarg seine Miene, aber der junge Mann wurde trotzdem nervös. Er wandte sich ihr zu.

»Wartet nicht Arbeit auf dich? Schon bald werden die Terraner und ihre Alliierten angreifen. Ich benötige deine Hilfe bei den Vorbereitungen.«

Virginia blickte ihn mit einer Mischung aus Wut und Enttäuschung an. Despair wusste nicht, ob es richtig war, was er tat, aber es störte ihn, dass sie nicht mehr für ihn da war, sondern für einen anderen. Es erinnerte ihn an Sanna Breen. Sanna hatte ihm so viel Zeit damals geschenkt, doch kaum war dieser Valerus aufgetaucht, war er abgemeldet. Es endete mit dem Tod von Sanna und Valerus. Virginia sollte nicht das gleiche Schicksal ereilen.

Despair wandte sich an den Leutnant, der sich mittlerweile gefangen hatte.

»Und Sie? Haben Sie nichts zu tun?«

»Sir, bei allem Respekt, Sie behandeln Miss Mattaponi ziemlich unfair. Und Sie können auch mich nicht so herumschikanieren. Ich bin Leutnant Marvrek von Bergel. Die von Bergels sind sehr einflussreiche Geschäftsleute auf Mankind.«

»Na und?« Despair packte ihn am Hals und hob ihn hoch.

»Ihr Einfluss nützt Ihnen hier gar nichts, Leutnant. Wagen Sie es niemals wieder, mich zu kritisieren oder Miss Mattaponi nahe zu kommen. Andernfalls wird Ihre Einheit eine Erkundungsmission zur Terranischen 8. Flotte fliegen, mit Ihnen in einer Sondermission. Da kann so ein superkluger Überflieger wie Sie sich bewähren.«

Von Bergel röchelte. Despair schleuderte ihn gegen die Wand, warf einen Blick auf die verdutzte Virginia und ging in seine Kabine. Dort verdaute er seinen Wutanfall. Dabei empfand er immer noch den tiefen Wunsch, Perry Rhodan in den nächsten Tagen zu töten.

13. Die Schlacht um das Sternenportal

Bitter enttäuscht kehrte Constance zur LEIF ERIKSSON zurück. Der 1800 Meter durchmessende Kugelraumer ohne Ringwulst lag direkt vor. Sie hoffte, die Space-Jet würde noch ein paar Minuten brauchen, doch zu ihrer Enttäuschung landete das Schiff schnell im Hangar.

Sie hatte versagt, konnte Despair nicht überzeugen und machte sich Vorwürfe, als sie Perry Rhodan über den Fehlschlag informierte. Sie suchte Rhodan in seiner Kabine auf und nahm Platz auf dem knarzenden Sessel. Gern nahm sie sein Angebot an, ein Glas Vurguzz zu trinken. Den brauchte sie jetzt auch.

Rhodan war gefasst.

»Viele haben versucht, Despair zu läutern und sind gescheitert. Ich selbst habe einst an seine gute Seite geglaubt und versagt.«

Constance wusste das nicht. Die wunderschöne Hexe forschte in Rhodans graublauen Augen, um zu erahnen, was er jetzt fühlte. Sie war nicht in der Lage, seine Emotionen zu spüren, denn offenbar war er imstande, diese zu verbergen. Alles, was die Hexe fühlte, war ein ausgeglichenes Muster, doch sie bezweifelte, dass Rhodan so ruhig war.

War er doch nicht, oder?

»Es schlummert auch Gutes in ihm. Ihm ist wohl so viel Schreckliches widerfahren, dass er zu diesem Monster geworden ist. Ich sollte ihn nicht so schnell aufgeben.«

»Ehrenwert, Constance, jedoch möchte ich Ihnen keine falschen Hoffnungen machen.«

»Ich weiß …«

»Nun, ich muss jetzt eine Entscheidung treffen. Eine Schlacht ist nicht mehr vermeidbar. Bitte informieren Sie Katryna, dass ich sie sprechen möchte.«

Constance nickte automatisch. Alle Entropen würden sich auf diese Schlacht freuen. Sogar ihr Freund und Lebensgefährte Lydkor würde voller Fanatismus kämpfen. Nur Constance freute sich nicht auf das Ereignis. Damit glich sie wohl den Terranern, denn auch ein Perry Rhodan hätte lieber die Schlacht verhindert, doch nun blieb dem Terraner keine Wahl mehr. Er musste diesen Krieg, den er so gern vermieden hätte, zu einem bitteren Ende führen. Das Morden in den Entsorgungslagern Cartwheels musste gestoppt werden.

So schnell wie möglich berief Perry Rhodan eine Konferenz ein, an der neben Aurec und Reginald Bull auch Katryna und alle Militärführer teilnahmen. Auch Joak Cascal und General McHenry wurden reaktiviert, obwohl Rhodan kein gutes Gefühl dabei hatte. Aber er brauchte jetzt seine besten Leute. Betreten berichtete der Resident den Konferenzteilnehmern vom Scheitern der Gespräche.

»Nun bleibt uns leider keine andere Wahl mehr, als anzugreifen. Wir werden am 15. April das Sternenportal angreifen und einnehmen. Bitte arbeiten Sie so schnell wie möglich die Angriffspläne aus.«

»Selbstverständlich, Sir. Unser Planungsstab ist schon seit längerem mit dieser Aufgabe betraut«, erklärte Admiral Higgins.

General McHenry frohlockte.

»Verlassen Sie sich nur ganz auf mich, Sir. Wir verpassen diesem Rostkübel Despair einen Arschtritt, dass er mit seiner Rüstung nach Paxus scheppert.«

Katryna schwieg, was nicht nur Perry Rhodan, sondern auch Joak Cascal überraschte.

*

Constance Zaryah Beccash begab sich niedergeschlagen an Bord des Raumschiffes ENTROPA 127-D. Hier war auch ihr Lebensgefährte Lydkor stationiert.

Sie wollte noch einige schöne Momente mit ihm verbringen, bevor die Schlacht begann. Als sie zur Sektion seiner Division kam, wurde sie von Denker00077, dem Oberbefehlshaber der Division, und Lydkor erwartet. Der Tertiärentrope Kalmahn stand hinter den beiden. Alle begrüßten die Hexe ihrem Stand entsprechend.

»Komm bitte mit«, bat sie ihren Freund. Er folgte ihr ohne Widerworte. Es war auch nicht schicklich für einen Mann, einer Lilim zu widersprechen. Doch Lydkor hatte es ab und an doch getan. Je mächtiger er im Militär wurde – zweifellos eine Domäne der Männer – desto mehr wuchs auch sein Selbstbewusstsein. Doch Constance hatte nie die Absicht gehabt, ihn zu unterdrücken. Sie wollte einen gleichberechtigten Partner, der auf sie einging, verstand und ihre Entscheidungen akzeptierte.

Beide gingen in ihre Kabine. Constance legte sich auf die Couch und erzählte von ihrer Begegnung mit Cauthon Despair, von ihrem inzwischen festen Glauben, dass er nicht wirklich ein böses Geschöpf war und ihrer Traurigkeit, dass er dennoch so stark an MODROR festhielt.

Lydkor schien das alles herzlich wenig zu interessieren. Er fing an, von der bevorstehenden Schlacht zu reden.

»Vermutlich werden wir diesen Cauthon Despair töten. Ich wünschte, ich könnte ihn persönlich zur Strecke bringen.«

Constance erschreckte diese Ansicht. Sie wollte nicht, dass Despair etwas geschah. Sie hatte irgendwie angefangen, ihn zu mögen auf eine gewisse Art und Weise.

Constance wusste nicht, ob sie sich dafür schämen sollte oder nicht.

»Das missfällt meiner Lilim wohl?«

Sie sah Lydkor traurig an. Natürlich wusste er, dass sie glaubte, Despair sei nicht komplett böse. Sie hatten darüber gesprochen und gestritten.

»Nun, es wird dir auch missfallen, wenn ich dir von meiner Mission berichte. Eine Sondereinheit unter meinem Kommando soll nach Siniestro durchbrechen, um die Kaiserfamilie zu liquidieren!«

»Was? Das ist … nicht unsere Art!«

Lydkor lachte.

»Katryna hat recht. Du bist wirklich naiv und brauchst mehr Führung als jeder entropische Mann. Wir müssen Feuer mit Feuer bekämpfen! Und ich wurde für diese ehrenvolle Aufgabe ausgewählt.«

Constance wollte das nicht glauben. Als sie in seinen Augen forschte und seine Gefühlslage spürte, wusste sie aber, dass es wahr war.

»Es ist gefährlich! Cartwheel ist eine Festung. Es ist …« Sie stockte. »Die Entropen wollen doch nicht Cartwheel direkt angreifen? Das ist Wahnsinn!«

Lydkor lachte selbstgefällig.

»Wir sind die stärkste Macht im Universum. Katryna wird uns zum Sieg führen. Dann wird sie bestimmt die Hohe Hexe werden.«

Lydkor schien vom Ehrgeiz zerfressen zu sein. So kannte Constance ihn gar nicht. Er hatte sich im Krieg schrecklich verändert. Innerhalb weniger Monate war er zu einem Fanatiker mutiert.

»Du klingst schon wie ein Mann, Constance! Du bist eine Lilim, solltest mich eigentlich zu meinen Taten anspornen. Doch du bist ängstlich und feige!«

»Feige?«, wiederholte sie überrascht. »Ich sorge mich um dich, weil ich dich liebe! Aber das zählt sicher nicht. Fein, geh in deinen Krieg. Du wirst nicht zurückkehren. Sie werden dich töten!«

»Dann ist das ein Abschied!«

Lydkor drehte sich um und rannte aus der Kabine. Constance lief ihm hinterher, doch er war bereits weg. Sie fing an zu weinen. So wollte sie sich nicht von ihm verabschieden.

Sie fiel auf die Knie und betete zu SI KITU, dass er diesen Einsatz überstehen würde.

*

Kurz nach der Konferenz suchte Katryna Cascal in dessen Kabine auf.

»Hi, Baby. Ich weiß ja, wie toll ich bin, aber ist der Zeitpunkt jetzt nicht etwas ungünstig? Es gibt noch viel vorzubereiten. Aber heute Abend stehe ich dir gern zur Verfügung«, sagte Joak cool lächelnd.

»Du notgeiler Narr! Ich bin nicht hier, um mich mit dir zu paaren. Ich brauche deine Hilfe in militärischer Hinsicht«, fauchte ihn Katryna an.

»Äh, ach so, das wusste ich ja nicht. Worum geht es denn?«, fragte Cascal ziemlich überrascht.

»Ich wusste von Anfang an, dass Rhodans Verhandlungsplan zum Scheitern verurteilt war«, erklärte Katryna in hochmütigem Ton.

»Ja, ich war etwas verwundert, dass du auf der Konferenz so schweigsam warst«, sagte Cascal.

»Weil ich insgeheim bereits einen Angriffsplan entworfen habe. Dazu benötige ich aber die Hilfe deiner 777. Raumeingreifdivision.«

»Verstehe, aber warum hast du Rhodan nichts davon erzählt?«

»Dann wäre es ja kein Geheimplan mehr. Außerdem braucht er davon vorerst noch nichts zu wissen. Er erfährt es noch früh genug.«

»Und wie sieht dein Plan aus?«, fragte Cascal unbehaglich.

»Eigentlich recht simpel. Die Entropen fliegen zusammen mit 777. Raumeingreifdivision einen direkten Angriff auf Paxus. Dort werfen wir eine Bombe ab, die den ganzen Planeten auf einen Schlag zerstört. Wenn wir Glück haben, erwischen wir die ganze Führungsclique des Quarteriums dabei«, erklärte die Hexe.

Cascal rang entsetzt nach Luft.

»Und die Zivilbevölkerung?«

»Geht drauf. Das sind nun mal Kollateralschäden. Ich verstehe gar nicht, warum du fragst. Also, was ist? Bist du dabei?«

Wütend schüttelte Cascal den Kopf.

»Den ganzen Planeten mit der gesamten Bevölkerung vernichten? Bei so einer Schweinerei mache ich nicht mit. Das geht doch entschieden zu weit.«

Mit einem Mal verfinsterte sich Katrynas Gesicht. Entsetzt sah Joak Cascal, wie es zu einer hässlichen, diabolischen Fratze wurde, die einem antiken Dämon glich.

»Du jämmerlicher Feigling! Ich habe meine wertvolle Zeit mit einem feigen Schwein verschwendet. Du willst ein Krieger sein? Ein Nichts bist du!«, kreischte Katryna ihn an.

»Ähem, unsere Beziehung ist hiermit beendet. Mit Schreckschrauben und Knusperhexen möchte ich nichts zu tun haben«, erwiderte Cascal scheinbar ungerührt, obwohl er innerlich zutiefst erschrocken war.

Ihn wurde auf einmal klar, dass er sich in letzter Zeit wohl ziemlich danebenbenommen hatte. Bevor Katryna, die sich langsam wieder beruhigte, etwas entgegnen konnte, verließ Cascal die Kabine und ging direkt zu Rhodan, um mit ihm zu sprechen. Es dauerte jedoch etwas, bis Rhodan Zeit für ihn hatte.

»Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen. Ich war leider etwas angespannt in letzter Zeit«, eröffnete Cascal dem angenehm überraschten Residenten.

»So könnte man es ausdrücken«, sagte Rhodan mit einem leichten Schmunzeln im Gesicht. »Wir wollen das vergessen. Ich kann nicht auf dich verzichten, Joak.«

»Heißt das, ich bin wieder voll im Dienst?«

»Allerdings, keine Zeit mehr für amouröse Abenteuer oder Ähnliches«, meinte Perry Rhodan.

Cascal Miene verfinsterte sich, denn ihm fiel wieder Katryna ein, wegen der er ja eigentlich gekommen war.

»Da ist etwas, dass ich berichten muss, Sir.«

Cascal erzählte Rhodan von seinem Treffen mit Katryna und ihrem waghalsigen Plan.

Rhodan wurde bleich.

»Das kann doch unmöglich Katrynas Ernst sein.«

»Ich fürchte doch. Wenn du sie gesehen hättest … Das war tödlicher Ernst.«

Rhodan versuchte, Katryna in ihrer Kabine zu erreichen, doch es meldete sich niemand. Rhodan kontaktierte die Kommandozentrale.

»Stellen Sie fest, wo sich die Entropin Katryna derzeit aufhält«, befahl er dem diensthabenden Offizier. Doch wenig später erhielt der Terraner die Meldung, dass Katryna die LEIF ERIKSSON verlassen hatte.

»Verflucht, was hat die jetzt vor?«, zischte Joak Cascal.

Eilig verließen Rhodan und Cascal die Kabine und begaben sich in die Kommandozentrale. Dort empfing sie Reginald Bull mit hochrotem Kopf.

»Perry, es ist nicht zu glauben!«, echauffierte sich Bully.

»Was ist los?«, fragte Rhodan mit düsterer Vorahnung.

»Diese Knusperhexe ist völlig verrückt geworden. Sie hat der entropischen Flotte den Befehl gegeben, direkt auf das Sternenportal zuzufliegen. Was soll das? Wieso greifen die denn ohne uns an?«

»Sie wollen diesen Krieg wohl mit einem Schlag beenden«, murmelte Rhodan.

14. Angriff der Entropen

Die Entropen waren von Katryna im Vorfeld in Alarmbereitschaft versetzt worden. Die Hexe hatte zwar immer noch mit der Hilfe Joak Cascals und der Terraner gerechnet, aber sie war fest entschlossen, es auch ohne deren Unterstützung zu wagen. Mit einem blitzschnellen Schlag wollte sie das Quarterium überrumpeln, durch das Sternentor hindurch stoßen und Paxus vernichten. Die Terraner sollten ihr dabei eigentlich die Flanken sichern, und das Feuer auf sich ziehen.

Nun musste sie eben entropische Schiffe opfern. Dies war bedauerlich, aber nicht zu ändern. Schon vor ihrem schnellen Abflug von der LEIF ERIKSSON hatte Katryna ihren Kommandeuren den Angriffsbefehl gegeben. Als sie an Bord ihres Flaggschiffes eintraf, war alles zum Angriff bereit. Die gesamten hundertfünfzigtausend Schiffe der entropischen Flotte rückten gegen das Sternenportal vor.

Cauthon Despair blieb der Angriff nicht lange verborgen, dennoch kam er zu diesem Zeitpunkt für ihn überraschend, denn er hatte mit einem gemeinsamen Angriff von LFT und Entropen gerechnet. Doch nun griffen die Entropen allein an. Die Hälfte ihrer Schiffe verwickelten die quarterialen Einheiten in Gefechte.

Die anderen fünfundsiebzigtausend Schiffe brachen durch in Richtung Sternenportal. Dabei fielen zahlreiche ihrer Schiffe den frisch angelegten Minenfeldern zum Opfer. Doch der Minengürtel war noch nicht vollständig geschlossen worden, daher gelang dem Gros der entropischen Flotte der Durchbruch. Besorgt beobachtete Despair die Situation, als ihm ein Offizier eine Eilmeldung brachte. Despair überflog sie gerade, als General da Rohn mit besorgter Miene zu ihm kam.

»Marschall, die Entropen sind bis zum Sternenportal vorgedrungen. Wir werden sie nicht alle daran hindern können hindurch zu fliegen. Wir müssen sofort unsere Reserven in den Kampf schicken«, meldete der Arkonide.

»Lassen Sie sie durch. Keinen unnötigen Widerstand. Konzentrieren Sie sich auf die, die nicht hindurch wollen«, sagte Despair zu da Rohns Überraschung.

»Aber, Marschall, dann brechen sie nach Cartwheel durch«, protestierte der General.

»Sollen sie ruhig. Sie werden eine schöne Überraschung erleben. Sorgen Sie lediglich dafür, dass nur die Hälfte der Entropen durchkommen kann«, erklärte Despair und reichte dem General die Meldung, die er soeben erhalten hatte. Beim Überfliegen der wenigen Worte breitete sich ein Grinsen auf dem Gesicht des Generals aus.

»Ich verstehe. Ich gebe sofort die notwendigen Befehle«, sagte da Rohn, als er die Meldung gelesen hatte, und machte sich eilig davon.

Despair hatte aus Cartwheel die Nachricht erhalten, dass man dort Abwehrvorbereitungen getroffen hatte und die Entropen warm empfangen würde. So musste sich Despair dann nur noch mit der Hälfte der feindlichen Truppen auseinandersetzen. Verwundert stellte der Silberne Ritter fest, dass die terranischen Truppen nicht in den Kampf eingriffen. Er hoffte, dies zu seinem Vorteil ausnutzen zu können.

Durch den unerwarteten Vorstoß der Entropen geriet Perry Rhodan in Zugzwang. Die Terranische 8. Flotte war noch nicht angriffsbereit, da sie bislang in Warteposition gelegen hatte. Andererseits konnte er nicht tatenlos abwarten, was am Sternenportal geschah. Nach Rücksprache mit den Flottenkommandeuren befahl Rhodan, die LFT-Flotte in den Kampf zu schicken, sobald sie einsatzbereit war, was allerdings noch einige Stunden dauern konnte.

*

Unterdessen gelang rund siebzigtausend Schiffen der Entropen der Durchbruch. Fünftausend Einheiten waren dem Abwehrfeuer und den Raumminen der quarterialen Abwehr zum Opfer gefallen. Der Rest konnte das Sternenportal ungehindert passieren, da die Quarterialen nur wenige und ungeschickte Angriffe flogen. Am 25. Februar 1308 NGZ erreichte die entropische Flotte Cartwheel.

Ungeduldig wartete Leticron, der Corun von Paricza, auf die eingehenden Meldungen. Er war auf Befehl des Emperadors so schnell wie möglich aus Erendyra herbeigeeilt, um die Verteidigung Cartwheels zu organisieren, da Don Philippe einen Angriff auf die Heimatgalaxie durch das Sternenportal befürchtete. Immerhin hatte Perry Rhodans Verhandlungsangebot ihm genug Zeit verschafft, über einhunderttausend weitere Schlachtschiffe am Portal zusammenzuziehen. Zusammen mit der Verteidigungsflotte Cartwheels standen ihm nun fast zweihunderttausend SUPREMO-Schiffe zur Verfügung. Außerdem hatte man einen tief gestaffelten Abwehrgürtel aus Raumforts und Raumminen rund um das Sternenportal in Cartwheel errichtet. Leticron verzog verächtlich die Mundwinkel. Auf Perry Rhodans Schwäche konnte man sich stets verlassen. Nun wartete der Überschwere auf Meldungen vom Sternenportal. Sein Adjutant kam auf ihn zu gehastet.

»Nun, Poleycra, was gibt es? Sprich!«

»Ein Kurierschiff von Marschall Despair ist eingetroffen. Er hat Ihre Nachricht erhalten und meldet, dass der feindliche Angriff begonnen hat. Die Entropen können jeden Moment hier eintreffen. Despair will dafür sorgen, dass die nur zur Hälfte durchbrechen können. Aber sie können jede Minute hier eintreffen«, meldete Poleycra.

»Gib sofort Alarm. Sie können nicht alle auf einmal hier erscheinen. Sowie die ersten feindlichen Schiffe auftauchen, sofort mit allem, was wir haben, unter Beschuss nehmen«, befahl Leticron.

»Ja, Herr!«, bestätigte Poleycra und hastete davon.

Entschlossen ballte Leticron die Faust. Er würde seinen Feinden einen heißen Empfang bereiten.

15. Angriff auf Cartwheel

Rosan schreckte hoch, als Sirenen über Siniestro aufjaulten. Sie stürmte aus ihrem Gemach auf den Flur. Uthe und Brettany liefen ihr entgegen.

»Siebzigtausend feindliche Raumschiffe haben Cartwheel erreicht. Man befürchtet Angriffe auf Paxus, Mankind und Siniestro«, erklärte Brett.

Für einen kurzen Moment dachte Rosan an ihren Ehemann. Der Emperador weilte auf Paxus. Doch war es schlimm, wenn er starb? Vermutlich nicht. Er gehörte zu den Feinden.

Brett war ganz bleich. Sie tat Rosan leid. Ihr Bruder und ihr Vater schwebten in Gefahr. Auch Uthe schien sich Gedanken um Orlando zu machen. Plötzlich herrschte helle Aufregung auf dem Schloss. Holsteiner Gardisten rannten umher und brüllten Befehle.

Nun kam auch Stephanie aus ihrem Zimmer. Ihr Haar war zerzauset und sie trug ihren Satinmantel. Rosan glaubte, hinter ihr einen Mann durch ihren Raum huschen zu sehen. Vermutlich hatte sie mal wieder ihren Spaß gehabt.

»Was ist los?«

»Keine Ahnung, aber wir finden es heraus. Wo ist denn dein toller Oberst? Noch bei dir im Bett?«

Steph warf Rosan einen kalten Blick zu. Plötzlich zitterte der Boden. Ein Bombenangriff! Die LFT und ihre Verbündeten bombardierten tatsächlich Siniestro! Unglaublich!

Rosan rannte auf den Balkon. Ein blaugrüner Schutzschirm war über das Schloss gespannt worden. Sie sah am Himmel etwa ein Dutzend entropische Eiraumschiffe und Jäger. Sie wurden von SUPREMOS, Kreuzern, Jägern und Space-Jets gejagt. Die FLAK-Batterien des Schlosses eröffneten mit einem lauten Knallen das Feuer.

Die Energieladung eines entropischen Raumschiffes entlud sich über dem Schutzschirm. Über ihnen färbte sich der Himmel in ein feuriges Rot. Die Frauen hinter Rosan schrien entsetzt auf – doch der Schutzschirm hielt dem Inferno stand. Die quarterialen Raumschiffe gewannen rasch die Oberhand und vernichteten ein entropisches Schiff nach dem anderen.

Nach fünf Minuten war der Horror vorbei. Eine entropische Raumfähre stürzte in die Gärten des Palastes.

»Das sehen wir uns an«, beschloss Rosan.

»Hältst du das für eine gute Idee?«, wollte Uthe wissen.

Rosan blickte sie ernst an, nickte nur. Sie hoffte, dass Uthe dies verstand. Womöglich war das eine Chance, mit den Alliierten in Kontakt zu treten. Sie mussten es versuchen.

»Macht was ihr wollt. Ich gehe wieder ins Bett«, erklärte Stephanie und stolzierte zurück in das Schloss.

Brettany signalisierte, dass sie auch mitkommen würde. Rosan zog sich etwas anderes an. Auch Uthe wechselte ihre Sachen. Sie kam in einer engen, blauen Kombination aus ihrem Zimmer, die sehr ihre weiblichen Rundungen betonte.

Brettany hatte gleich drei Strahler besorgt. Rosan wusste, dass die vorsichtige Prinzessin nicht unrecht hatte. Vielleicht sahen die Entropen Feinde in ihnen. Die drei eilten durch den kunstvollen Garten und erreichten nach ein paar Minuten das rauchende Wrack.

Henner von Herkers Holsteiner waren noch nicht hier. Das sprach nicht gerade für diese Truppe.

Brettany zielte mit dem Strahler auf das Schiff. Etwas rührte sich dort. Plötzlich krochen zwei Entropen aus dem Raumschiff. Für Rosan und Uthe war der Anblick der blauhäutigen Humanoiden eine Premiere.

Die Uniformen der beiden Entropen waren zerfetzt. Der eine hatte eine tiefe Wunde an der Stirn. Offenbar waren es Entropen verschiedener Gattung. Zuerst kletterte ein humanoider, glatzköpfiger Mann aus dem Wrack. Er wankte, beugte sich nach vorn. Der zweite, ein weitaus größerer Entrope schob ein Trümmerteil beiseite. Er musste drei Meter groß sein, hatte vier Arme und drei Augen. Ungeschickt stapfte er aus den Trümmern, stupste den anderen an, der daraufhin beinahe nach vorn fiel. Dann richtete sich der kleine Entrope auf und starrte in Richtung der drei Frauen. Entsetzen zeigte sich auf seinem Gesicht.

»Ihr … ihr seid Frauen!«

»Scharfsinnig«, erwiderte Uthe.

»Aber quarteriale Frauen! Das ist ein Unterschied! Ihr seid Dreck!«, sagte der Dreiäugige.

»Charmant. Ich glaube, ihr seid nicht in der Position, um uns zu drohen«, antwortete Brettany und zielte mit ihrem Strahler auf die beiden. Rosan hob beschwichtigend eine Hand.

»Haben Sie die Möglichkeit, von hier zu fliehen?«

Der zweiäugige Entrope starrte Rosan irritiert an.

»Sie haben richtig gehört. Wir sind im Grunde genommen Gefangene des Quarteriums und würden gern zurück in die Milchstraße. Zu Perry Rhodan!«

»Höre nicht auf sie, Lydkor! Diese Schlangen gehören zur Familie de la Siniestro. Ich erkenne ihre Gesichter aus der Datenbank. Wir sollten sie töten!«

»Uns töten?«, rief Uthe aufgeregt. »Oh, jetzt verstehe ich! Sie sind Killer! Der Angriff galt den de la Siniestros! Reizend!«

Der zweiäugige Entrope nickte.

»Wir haben kläglich versagt. Ich habe Schande über mich, mein Volk und meine Lebensgebieterin Constance Zaryah Beccash gebracht …«

Resigniert setzte er sich auf ein Wrackteil. Brettany wurde hellhörig. Sie ging zwei Schritte näher an ihn heran.

»Constance ist Ihre Freundin? Cauthon hat mir von ihr erzählt … Sind Sie Lydkor?«

»Der Silberne Ritter«, murmelte der Entrope verächtlich, nachdem er überrascht hochgefahren war und sich wieder gesetzt hatte. »Ich wünschte, ich hätte die Möglichkeit, ihn zu töten. Doch so …«

Plötzlich griff er nach Bretts Waffe. Der andere Entrope schlug Uthe ihren Strahler aus der Hand. Ehe Rosan reagieren konnte, hatte er sie schon gepackt und warf sie zu Boden.

Sie waren überwältigt! Doch in diesem Moment stürmten von allen Seiten die Holsteiner-Gardisten aus den Gartenanlagen. Der erste Schuss fiel und traf den vierarmigen Entropen direkt in den Kopf. Er brach tot zusammen. Uthe schlug Lydkor die Waffe aus der Hand. Innerhalb weniger Sekunden waren sie wieder frei.

Henner von Herker ging mit festem Schritt auf den Entropen zu und zog seinen Strahler. Rosan stellte sich vor den Gefangenen.

»Halt! Er ist ein Kriegsgefangener und muss dementsprechend behandelt werden«, forderte sie.

Sowohl Henner von Herker als auch Lydkor starrten Rosan entgeistert an.

»Das ist eine militärische Operation, Emperatriz! Ich habe hier das Kommando!«

»Ich bin die Kaiserin! Sie werden es wohl nicht wagen, meinen Befehlen zu widersprechen, Herr Oberst?«

Henner von Herker rang mit sich. Rosan sah ihm deutlich an, dass er sie hasste. Dann warf er einen ebenso unfreundlichen Blick auf Uthe. Sie erwiderte ihn herausfordernd.

»Du hast die First Lady gehört. Der Gefangene soll gut behandelt werden. Entsprechend den Statuten des Galaktikums, verstanden? Kein Entsorgungslager, keine Folter! Du haftest uns für sein Wohl!«

»Vorerst!«, sagte von Herker zähneknirschend. »Abführen!«

Rosan blickte den Holsteinern mit dem Entropen hinterher. Sie hatte kein gutes Gefühl. Vermutlich hatte sie dem Entropen ein paar Stunden geschenkt, doch irgendwann würden sie ihn töten.

*

Katryna frohlockte. Ihr Plan schien aufzugehen. Der Durchbruch durch das Sternenportal war gelungen. Nun galt es, als nächsten Schritt nach Paxus zu gelangen und den Planeten völlig zu zerstören. Wenn das nicht genügte, beabsichtigte Katryna, so viele Planeten zu vernichten, bis das Quarterium bedingungslos kapitulierte. Diese Narren! Perry Rhodan und Joak Cascal würden ihr vor Dankbarkeit die Füße küssen, wenn sie ihnen den Sieg verkündete. Sie waren eben Männer. Sie waren triebhaft und kamen sich so unglaublich toll vor. Dabei waren sie einfältig wie Hunde. Katryna wandte sich an den Kommandanten ihres Schiffes, einen Denker und Primärentropen.

»Unsere Flotte soll sich sammeln und dann nach Paxus durchbrechen«, ordnete sie an.

»Das ist nicht so einfach«, gab der Kommandant zurück.

»Wieso das? Wir haben sie doch überrascht«, wunderte sich Katryna.

»Offensichtlich waren sie nicht so überrascht, wie wir gehofft hatten. Ihr Widerstand und ihre Abwehrstellungen sind stärker als von uns erwartet. Außerdem haben sie mindestens zweihunderttausend Kriegsschiffe gegen uns aufgeboten«, erklärte der Denker.

»Und wenn schon! Vernichtet sie und brecht durch!«

»Dazu bräuchten wir unsere restliche Flotte, doch es kommt kein Nachschub mehr durch das Sternenportal. Man könnte fast geneigt sein zu sagen, dass wir in der Falle sitzen«, meinte der Kommandant fast heiter.

Zu Katrynas Entsetzen behielt der Denker recht. Durch Leticrons ausgeklügelte Abwehrstrategie wurde die Flotte der Entropen mehr und mehr dezimiert. Zwar gelang es den Entropen, weiter nach Cartwheel hinein zu gelangen, doch ihre Verbände wurden immer weiter auseinandergezogen und erlitten dabei hohe Verluste. Auch die Rückkehr zum Sternenportal wurde ihnen versperrt, und es kamen keine entropischen Verstärkungen mehr durch das Sternentor, denn auf der anderen Seite des Portals verhinderte Cauthon Despair in einer strategisch klugen Abwehrschlacht, dass weitere entropische Einheiten durchbrechen konnten. Ihm zugute kam der Umstand, dass eine Koordination zwischen den Entropen und der Terranischen 8. Flotte so gut wie nicht vorhanden war. So konnte Despair einen Keil zwischen entropische und terranische Einheiten treiben.

Zufrieden beobachtete Leticron an Bord seines Schiffes den Verlauf der Schlacht. Es war ihm gelungen, die Entropen einerseits vom Sternenportal hinein nach Cartwheel zu locken, aber andererseits von Paxus und den anderen wichtigen Welten fernzuhalten. Leticron war sich sicher, dass die Entropen Paxus und die Hauptwelten angreifen wollten. Er selbst hätte nicht anders gehandelt. Er wunderte sich nur über die überhastete Strategie der Entropen und wieso keine terranischen Schiffe an dem Angriff beteiligt waren. Gab es womöglich Meinungsverschiedenheiten zwischen den feindlichen Alliierten? Während Leticron darüber nachdachte, meldete sich der Emperador bei ihm.

»Nun, Leticron, wie ist die Lage?«, fragte der alte Spanier beunruhigt.

»Es sieht gut für uns aus. Wir haben den Feind zersplittert. Wenn die Entropen keine Verstärkung erhalten, werden wir sie bald vernichtet haben.«

»Gut, ich hoffe, Despair ist Herr der Lage bei SOLARIS STATION.«

»Davon gehe ich aus, Emperador.«

Während Leticron sprach, kam Poleycra in die Zentrale und salutierte ehrerbietig.

»Was gibt es?«, wollte Leticron wissen.

»Wir haben Funksprüche der Entropen abgehört. Den Oberbefehl über die feindliche Flotte hat die Hexenmeisterin Katryna Lyta Sharonaa. Wir haben ihr Flaggschiff lokalisiert. Sollen wir es angreifen und vernichten?«, fragte der Adjutant.

Leticron wollte die Frage bejahen, doch der Emperador hatte die Meldung mit angehört und kam dem Überschweren zuvor.

»Nein, keinesfalls! Ich will sie lebend haben. Sie wäre eine wertvolle Geisel, durch die wir mehr über die Entropen und Rhodans Pläne erfahren können.«

Leticron gefiel das zwar nicht, aber die Argumentation des Emperadors war nicht von der Hand zu weisen. Auch Leticron war neugierig zu erfahren, wieso die Entropen ohne Rhodans Unterstützung angegriffen hatten. Er wandte sich an Poleycra.

»Du hast den Befehl des Emperadors gehört. Fordert die Entropen zur sofortigen Kapitulation auf. Wenn sie sich weigern, entert ihr das Flaggschiff und nehmt diese Katryna gefangen.«

»Ja, Herr!«, bestätigte Poleycra ergeben und eilte aus der Zentrale.

»Wir kriegen sie«, versicherte Leticron dem Emperador.

»Das wäre schön. Diese Hexenmeisterin soll sehr gut aussehen, wie man so hört«, meinte der alte Spanier mit einem Unterton, der Leticron nicht gefiel.

Die Flotte der Entropen war im Verlauf der Schlacht immer mehr zersplittert und dezimiert worden. Da die Verteidiger sich mit den Gegebenheiten in Cartwheel besser auskannten, waren sie im Vorteil. Sie griffen immer wieder in verschieden Formationen und mit unterschiedlichen Taktiken an, auf die sich die Denker der entropischen Schiffe nur schwer einstellen konnten. Zu sehr war die entropische Taktik darauf ausgerichtet gewesen, nach Paxus vorzustoßen und den Planeten zu vernichten. Man hatte einen Überraschungsschlag geplant, doch nun war man selbst überrascht worden.

»Wir müssen Paxus erreichen und zerstören. Koste es, was es wolle! Es sind doch nur noch wenige Lichtjahre!«, schrie Katryna ihren Kommandanten an.

»Dies ist leichter gesagt als getan. Wir sind nicht in der Lage, in den Hyperraum einzutauchen. Ich fürchte, der Angriff ist fehlgeschlagen. Wir sollten versuchen, zurück zum Sternenportal zu gelangen. Das dürfte schon schwierig genug werden«, meinte der Denker.

Acht Lichtjahre waren sie von Paxus noch entfernt. Zwei Lichtjahre vom Sternenportal. So nah und doch so fern.

Katryna hätte vor lauter Wut am liebsten auf den Primärentropen eingeschlagen, aber eine Meldung hinderte sie daran.

»Wir erhalten eine Nachricht von den Quarterialen«, meldete ein Sekundärentrope.

»Lass hören!«, forderte Katryna ihn auf.

Auf dem Bildschirm erschien der Überschwere Poleycra.

»An die Hexenmeisterin Katryna! Du und deine Streitkräfte sind besiegt. In seiner Großmut will der Emperador von Cartwheel dir dein Leben schenken, wenn du auf der Stelle kapitulierst«, verkündete er.

»Du und dein Emperador könnt euch euren Großmut in den Hintern stecken«, fauchte Katryna zurück.

»Wie du willst. Dann werden wir euch entern.«

Poleycra verschwand wieder vom Bildschirm und der entropische Kommandant blickte besorgt drein.

»Passt dir was nicht?«, fragte Katryna gereizt.

»Zu kapitulieren ist unter diesen Umständen eine durchaus kluge Option. Wir sind nämlich von unseren Verbänden abgeschnitten worden und von Quarterialen eingekreist«, gab der Primärentrope zu bedenken.

»Das sagst du mir erst jetzt? Wozu bist du eigentlich ein Denker? Dummer Mann! Männer an Bord bringen nur Unglück«, fauchte Katryna ihn an.

Die Hexenmeisterin befahl, zum Sternenportal durchzubrechen. Doch es war schon zu spät. Die Quarterialen vernichteten alle ihre Begleitschiffe, bis nur noch Katrynas Flaggschiff übrig war. Die Gegner trieben sie vor sich her, bis sie ihr Schiff einholten und enterten. Dabei gingen die Überschweren rigoros und rücksichtlos vor. Wer Widerstand leistete, wurde niedergemacht. Die Entropen leisten zwar erbitterte Gegenwehr, konnten aber das Vordringen der Grautruppen nicht verhindern. Schließlich stürmten sie die Kommandozentrale und töteten alle bis auf Katryna. Widerstandlos ließ sie sich festnehmen.

*

Inzwischen war auch die Abwehrschlacht um Cartwheel endgültig entschieden. Da die Entropen sich weigerten zu kapitulieren, wurden fast alle siebzigtausend Schiffe vernichtet. Nur einige wenige konnten sich durch das Sternenportal retten. Am 27. Februar war der Kampf beendet, und Katryna wurde nach Paxus gebracht.

Dort wurde der deutliche Sieg mit großer Erleichterung aufgenommen. Die Serie der Niederlagen schien gestoppt worden zu sein. Der Emperador wandte sich per Trivid in einer Ansprache an die beunruhigte Bevölkerung Cartwheels und verurteilte den Angriff der Entropen aufs Schärfste. Er versicherte, die Lage sei wieder unter Kontrolle, und lobte den Einsatz der Quarterialen Flotte. Die regierungstreuen Medien schlachteten den Sieg propagandistisch aus und hoben besonders die Gefangennahme Katrynas hervor. Auch die Führungsspitze des Quarteriums demonstrierte Zuversicht. Man hatte den Entropen, die bisher dem Quarterium eine Niederlage nach der anderen zugefügt hatten, endlich selbst eine schwere Niederlage zugefügt.

Auf Anraten von Marschall Sizemore wollte man die defensive Strategie fortsetzen. Cauthon Despair verteidigte das Sternenportal und Leticron und Sizemore die Heimatfront. Wenn es den Entropen wieder gelingen sollte durchzubrechen, würden sie wieder auf den starken quarterialen Abwehrriegel treffen. Auf diese Weise wollte man den Gegner ausbluten lassen, um ihm dann mit einer Gegenoffensive zu antworten und endgültig zurückzuwerfen. Der Emperador war wieder optimistischer und hoffte, das Blatt noch einmal wenden zu können. Früher oder später musste MODROR Verstärkung schicken, dann würde man es schaffen. Das Wichtigste war nun, den Feind von Cartwheel fernzuhalten, dies schien durchführbar. Außerdem hatte man mit Katryna eine wertvolle Geisel.

»Wo ist diese entropische Hexe untergebracht?«, erkundigte sich der Emperador bei Leticron, als sie wieder in seinem Palast auf Paxus waren.

»Sie sitzt da, wo sie hingehört – im Hochsicherheitstrakt des CIP-Gefängnisses. Wenn es nach mir ginge, käme sie gleich in ein Entsorgungslager«, entgegnete der Überschwere.

»Aber, aber! So behandelt man doch keine Dame. Ich wünsche, dass sie in den Palast gebracht und gut behandelt wird – natürlich unter strenger Bewachung.«

Leticron brummte missmutig.

»Ich glaube nicht, dass sie eine zweite Rosan Orbanashol ist, der ich nach wie vor nicht traue. Diese Katryna ist noch viel gefährlicher. Ich kann nur vor ihr warnen. Die Terraner ließen Hexen früher auf dem Scheiterhaufen brennen. Wir sollten diesem Beispiel folgen.«

Don Philippe winkte jedoch ab.

»Sie ist doch nur eine zarte Frau. Ich möchte mir erst ein persönliches Bild von ihr machen, bevor ich über ihr Schicksal entscheide. Außerdem kann sie uns vielleicht wertvolle Informationen geben, die uns weiterhelfen.«

»Überlasst sie mir und meinen Folterexperten, und sie wird uns jede gewünschte Information geben«, meinte Leticron.

»Ach, wie primitiv. Nein, ich versuche es erst auf meine Weise. Lassen Sie sie zu mir bringen, Leticron.«

»Wie Sie wünschen«, grummelte der Überschwere missmutig.

16. Das Schicksal eines Entropen

Schwarze Rauchwolken stiegen aus der Ferne in den Himmel. Während der Palacio Real beinahe unversehrt war, mussten die Kämpfe bei New Madrid und Redhorse Point erbittert gewesen sein. Doch seit einigen Minuten war die Schlacht entschieden. Hunderte SUPREMO-Raumschiffe schoben sich grollend durch den Himmel. Die Entropen waren besiegt. Schnell machten Soldaten der Holsteiner-Einheiten die Meldung, die Schlacht sei gewonnen. Die Entropen wären in ganz Cartwheel besiegt.

Rosan, Uthe und Brettany hatten sich von dem Schock des Angriffes erholt. Viel war nicht zu Bruch gegangen. Ein paar Vasen und Gläser waren bei den Erschütterungen zu Boden gefallen. Allerdings war ein Nebenhaus in Flammen aufgegangen. Die Unterkunft der Bediensteten, welche immerhin fünfhundert Quadratmeter groß war, brannte noch immer lichterloh. Roboter der Feuerwehr von New Madrid begannen mit ihren Gleitern die Löscharbeiten und spannten eine Vakuumkuppel über den Brandherd, um dem Feuer den Sauerstoff zu entziehen.

Rosan fragte sich, wie fanatisch die Entropen waren, wenn sie bereitwillig zu so einem Himmelfahrtskommando aufbrachen. Sie mussten doch gewusst haben, dass sie keine Chance hatten.

Stephanie stolzierte in bester Laune in den Aufenthaltssaal und begrüßte Rosan, Uthe und Brettany.

»Ein herrlicher Tag. Ein großer Sieg für das Quarterium!«, jubelte Stephanie.

Die anderen schwiegen. Natürlich dachte sie nicht an die unzähligen Toten. So etwas interessierte die Tochter des Emperadors nicht. Peter kam wenige Sekunden später hinzu. Er wirkte so verstört wie immer.

»Ich … ich habe gehört, dass meine Holsteiner gute Arbeit geleistet haben und die Damen gerettet haben?«

Peters pockiges Gesicht war blass wie eh und je, und doch regte sich etwas in ihm. So etwas wie Stolz.

»Ja, das haben sie. Das hast du gut gemacht, Peter«, antwortete Brettany. »Doch in der Behandlung von Gefangenen müssen sie noch einiges lernen. Eine gute Soldateneinheit handelt auch ehrenvoll.«

»Pah! Was weißt du schon. Du bist ein Mädchen! Ist es unehrenvoll, wenn man einen wilden Eber erschießt, wenn er dich angreift? Wohl kaum! Und mehr sind die Entropen auch nicht. Sie sind Tiere! Grunzende, stinkende Tiere!«

Peter lachte grell auf.

Brettany blickte konsterniert, Uthe warf Rosan einen vielsagenden Blick zu. Dann fuhren einige Gleiter vor. Die Tür öffnete sich, und der Emperador höchstpersönlich betrat das Schloss.

Seine Kinder gingen ihm zur Begrüßung entgegen, Rosan hingegen blieb sitzen und trank lieber noch einen Schluck Wein.

»Ihr seid tapfer gewesen«, lobte de la Siniestro seine beiden Töchter.

»Die Holsteiner haben die Damen beschützt. Auf meine Gardisten kannst du dich verlassen«, versicherte Peter.

De la Siniestro nickte.

»Gut! Nun habe ich noch dringende Geschäfte zu erledigen. Ich werde die Anführerin dieses Angriffes verhören. Das wird sehr gefährlich.«

»Wollen wir nicht ein Familienessen daraus machen? Offenbar willst du ja mit ihr essen, sonst würde dein persönlicher Speisesaal nicht hergerichtet werden«, mischte sich Rosan grinsend ein.

De la Siniestro wurde rot und lachte verlegen.

»Diplomatie, mein Liebes! Wir müssen unsere Feinde gut behandeln, sonst können wir niemals Frieden schließen.«

»Ach?«, sagte Brett an Peter gerichtet.

»Nun geht, meine Lieben! Lasst Papa die Reichsgeschäfte tätigen.«

Rosan stand nun auf und ging zur Treppe.

»Wenn du erwartest, dass ich eine eifersüchtige oder verständnisvolle Ehefrau spiele, kannst du lange warten. Mir ist das gleichgültig. Schönen Abend!«

17. Katrynas Heißhunger

Noch am selben Abend wurde Katryna in den Salon im Palast des Emperadors gebracht, der ein Diner zu zweit servieren ließ. Die Familie fügte sich seinen Anordnungen. Diabolo hatte Rosan und Uthe in Begleitung von drei Holsteiner Gardisten in ihre Unterkünfte eskortiert und die Türen verschließen lassen. Die Holsteiner hatten den Befehl, die beiden Frauen zu bewachen. So konnte es zwischen ihnen und der Hexenmeisterin zu keiner unerwünschten Begegnung kommen.

»Ich heiße Sie auf Paxus herzlich willkommen, Señora Katryna. Bitte nehmen Sie Platz.«

Skeptisch setzte sich die Entropin an den reich gedeckten Tisch.

»Sie werden sicherlich hungrig sein. Betrachten Sie dieses bescheidene Mahl als kleine Wiedergutmachung für die Ungelegenheiten, die Sie erlitten haben«, sagte der alte Spanier liebenswürdig.

Katryna registrierte überrascht, dass der Emperador ihr freundlich gesonnen war. Offenbar fand er sie höchst attraktiv. Die Hexenmeisterin war sich ihrer Ausstrahlung auf Männer wohl bewusst und nutzte diese immer wieder für ihre Zwecke. Sie entspannte sich.

Männer waren wie Hunde. Sie folgten ihr blindlings, wenn man ihnen genügend Aufmerksamkeit schenkte, ein paar Leckerlis gab und sie mit der Peitsche züchtigte, wenn es angebracht war. Was für einen Hund das Fressen, war für einen Mann der Sex. Bekam er ihn, war er ihr hörig!

Das wollte sie auch dieses Mal tun. Anfangs hatte sie vorgehabt, dem Emperador einfach ins Gesicht zu spucken, doch nun beschloss sie, ihre Strategie zu ändern und dem alten Mann, den sie hässlich und abstoßend fand, entgegen zu kommen.

»Oh, vielen Dank, Eure Exzellenz! Ich bin halb verhungert. Zurzeit geht so viel Anstrengendes vor sich, da tut es richtig gut, an einen zivilisierten Ort zu kommen inmitten all dieser Barbarei. Welch köstliches Mahl!«, schmeichelte Katryna.

Sie wusste, dass der Emperador aus einer Epoche der Terraner stammte, in der die Männer die Frauen für schwach und hilflos hielten und sich als ihre Beschützer aufspielten. Sie hielten sich für Kavaliere. Katryna konnte zwar mit solcher chauvinistischen Romantik nichts anfangen, würde aber ihre Taktik daran ausrichten, um den Emperador für sich zu gewinnen. Sie wollte die hilflose Frau mimen. Fast verschluckte sie sich an ihrem ersten Bissen, so sehr amüsierte sie der Gedanke.

Dabei war der männliche Beschützerinstinkt doch schon sexistisch genug. Hätte es ihr nicht zum Vorteil gereicht, würde sie es diesem Macho zeigen! Die terranischen Männer beschützten die Frauen nicht, sie unterdrückten sie. Ihre Heiterkeit verwandelte sich in Gereiztheit.

»Essen Sie, Señora, damit Sie wieder zu Kräften kommen.«

Katryna tat so, als würde sie mit Heißhunger essen und trinken.

»Ach, das tut gut«, seufzte sie theatralisch und legte ihre Hand auf ihre Stirn. »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, Emperador. Sie sind so ganz anders, als ich erwartet hatte. Mit solch einem galanten, ritterlichen Verhalten hatte ich unter diesen Umständen nicht gerechnet.«

Der alte Spanier schmunzelte leicht verlegen. Katryna dankte Lilith, dass dieser einfältige Mann auf ihr Getue hereinfiel. Wahrscheinlich regte sich schon einiges bei ihm. Doch nur deshalb war er so höflich zu ihr. Er wollte ihren Körper! Das war das Einzige, was einen Mann interessierte. Primitiv und so unendlich berechnend waren die Männer! Wie Schweine und Affen gaben sie sich seit vielen Evolutionsstufen immer wieder derselben Sache hin und ließen ihr Handeln und Tun davon beeinflussen. Ihr Gehirn hatte sich nicht weiterentwickelt – ganz im Gegensatz zu dem einer Frau. Frauen waren beherrschter, cleverer und intelligenter. Deshalb waren sie von Mutter Natur – auch eine Frau – als Primärgeschlecht vorgesehen! Sie würde diesem hier seinen Platz schon zeigen.

»Aber das ist doch selbstverständlich. Das hätte jeder andere doch auch getan«, meinte der Emperador bescheiden, aber selbstgefällig.

Katryna hatte kurz den Faden verloren, so sehr hatte sie über den »Abschaum Mann« nachgedacht. Hastig antwortete sie dem Emperador mit säuselnder Stimme und funkelnden Augen: »Nein, nein! Ritterlichkeit ist durchaus nicht selbstverständlich heutzutage. Wenn ich nur an diesen groben Klotz denke, diesen Leticron …«

»Sie müssen es ihm nachsehen, Señora. Er ist nun einmal nur ein Krieger«, antwortete Don Philippe mild lächelnd.

Katryna erwiderte das Lächeln des alten Mannes mit einem aufgesetzten Lachen. Über die schlechten Witze der Männer zu lachen, schmeichelte ihnen immer. Sie kamen sich dann besonders männlich vor.

»Es scheint mir, man hat mich falsch über sie informiert. Man sagte mir, Sie seien eine blutrünstige Bestie, aber vor mir sehe ich einen höchst zivilisierten, kultivierten Mann. Vielleicht müssen beide Seiten ihren Standpunkt noch einmal überdenken.«

Der Emperador war angenehm berührt. Gleichzeitig fühlte er sich von der Entropin erotisch angezogen.

»Vielleicht sollten wir uns näher kennenlernen. An einem intimeren Ort können wir sicherlich besser darüber diskutieren«, meinte Don Philippe.

Katryna triumphierte innerlich. Dieser alte Lustgreis war scharf auf sie. Das war die einmalige Gelegenheit mit ihm allein zu sein und den Gegner zu töten. Es galt, jedes Misstrauen auszuräumen.

Also tat die Hexe damenhaft zurückhaltend, aber je mehr Don Philippe auf sie einredete, desto mehr reduzierte sie ihren Widerstand. Schließlich gab sie nach und folgte ihm zu seinem Schlafgemach, vor dem zwei Wächter postiert waren.

»Wachen, lasst uns allein«, befahl der Emperador den Wächtern, die sogleich entschwanden. Dann führte er Katryna in sein Schlafgemach.

»Wie schön doch Ihr Palast ist«, schwärmte die Hexe heuchlerisch und verschaffte sich mit einem Rundblick eine Orientierung über die Örtlichkeiten. Sie malte sich bereits aus, wie es wäre, wenn bekannt würde, dass sie den Emperador des Quarteriums getötet hätte. Würde SI KITU persönlich sie ehren und zur Hohen Hexe ernennen? Dann würde sie alle Lilim beherrschen! Das war von Kindheit an ihr Ziel gewesen! Sie würde die Hohe Hexe Adelheid und ihre Brut in Rente schicken! Das Lächeln, das sie dem Emperador zeigte, war echt.

»Noch vor kurzem wollten Sie dies alles zerstören«, gab Don Philippe zu bedenken.

Sie schüttelte den Kopf, dann setzte sie sich wie schüchtern auf das große, weiche Bett. Mit der Hand fuhr sie über den Bezug, lehnte sich lasziv zurück und spreizte die Beine ein wenig. So dass er nicht zu viel und nicht zu wenig von ihren Schenkeln sah. Natürlich wanderten seine Augen dorthin.

»Da kannte ich Sie noch nicht. Ich hätte beinahe einen schrecklichen Fehler begangen. Das ist alles die Schuld von Perry Rhodan. Er hat mich gegen Sie aufgehetzt.«

Der alte Sack setzte sich neben sie.

»Wir sollten an diesem schönen Abend nicht von Politik reden«, meinte der Emperador und küsste Katrynas Hand. Die Hexe musste sich zusammennehmen, um nicht vor Ekel zu erschauern, doch die Aussicht, den Kopf des Quarteriums töten zu können, ließ sie alles andere vergessen.

»Sonst bin ich eher zurückhaltend, aber du machst mich schwach«, hauchte sie dem alten Mann ins Ohr und streichelte ihn. Jetzt war er in ihrer Hand. Doch als sie schon zum tödlichen Angriff ansetzen wollte, klopfte es heftig an der Tür.

»Mach auf, Vater! Ich bin es, dein Sohn!«, grölte eine Stimme von draußen.

Der Emperador stand ächzend auf. Unwirsch öffnete er die Tür. Vor ihm stand sein Sohn Peter in einer Galauniform aus dem 18. Jahrhundert.

»Was ist denn? Ich wünsche, jetzt nicht gestört zu werden. Das habe ich dir doch vorhin gesagt«, fuhr der alte Spanier seinen Sohn an.

»Aber Vater! Wir waren doch für heute Abend verabredet. Doch wolltest dir doch meine Modellsoldaten ansehen und mit mir den Sieg feiern«, erinnerte Peter seinen Vater.

»Ach ja, richtig. Leider muss ich für heute absagen, Peter. Ich habe noch dringende Verhandlungen zu führen«, beteuerte der Emperador.

Peter erblickte nun Katryna im Schlafgemach seines Vaters. Hasserfüllt starrte er sie an.

»Verhandlungen mit der da? Da gibt es nichts zu verhandeln! Hexen gehören auf den Scheiterhaufen! Tod allen Entropen! Ich hasse sie! Ich hasse sie so sehr!«, echauffierte sich Peter rot anlaufend.

Katryna hatte sich inzwischen auf das Bett gelegt und betrachtete den irrsinnigen Sohn des Spaniers gelangweilt. Noch ein dummer Mann, der seine animalischen Instinkte nicht im Zaum halten konnte.

Nun war der Emperador wütend.

»Schluss jetzt! Benimm dich gefälligst. Verschwinde und lass mich in Ruhe!«, rief er und knallte die Tür zu. Dann wandte er sich wieder an Katryna.

»Ich bitte um Verzeihung. Er ist ein wenig … naiv und temperamentvoll, aber ansonsten ein guter Kerl.«

»Da bin ich aber beruhigt. Deine Ausstrahlung und deine autoritäre Art haben mich noch mehr beeindruckt. Du bist ein Mann nach meinem Geschmack«, entgegnete Katryna und fuhr sich verführerisch mit den Händen über den Körper.

»Ich schlage vor, dass wir die Verhandlungen fortsetzen. Komm zu mir«, lockte sie Don Philippe, der sich dies nicht zweimal sagen ließ.

Lüstern blickte er sie an und zog seinen Gehrock aus. Dann nahm er sie in Arme und küsste sie. Doch während er das tat, vollzog sich eine Wandlung mit Katryna. Ihr Sukkubus-Gesicht kam zum Vorschein. Hörner wuchsen ihr aus dem Kopf, ihre Hände wurden zu Klauen und ihre Zähne erinnerten an die Reißzähne eines Wolfes. Flügel wuchsen aus ihrem Rücken und ein langer Schweif wirbelte aus ihrem Hinterteil. Entsetzt ließ der Emperador von ihr ab.

»Was ist denn nun los?«, fragte er entgeistert.

»Nun bist du des Todes«, antwortete ihm Katryna und starrte ihn voller Hass an.

*

Unwillig stampfte Leticron durch die Korridore des Palastes. Es gefiel ihm nicht, dass Don Philippe so viel Zeit mit dieser Hexe verbrachte. Der alte Narr würde in seiner Lüsternheit aus Katryna noch eine zweite Rosan Orbanashol machen. Leticron hielt diese Frau für gefährlich. Je eher man sie beseitigte, desto besser.

Der Überschwere wurde von Peter de la Siniestro aus seinen düsteren Gedanken gerissen. Wutentbrannt und mit hochrotem Kopf kam ihm der Klon-Sohn des Emperadors entgegen.

»Ärger gehabt?«, fragte Leticron höflich, obwohl es ihn eigentlich nicht im geringsten interessierte. Peter war offensichtlich geisteskrank und hatte ständig Ärger mit irgendjemanden.

»Es ist unglaublich! Mein eigener Vater vergisst unsere Verabredung. Und anstatt mit mir zu spielen, vergnügt er sich in seinem Schlafzimmer mit dieser Hexe«, erklärte Peter.

»Mit Katryna?«, fragte Leticron beunruhigt.

»Jawohl, mit dieser Entropen-Hexe. Selbst die Wache hat er weggeschickt. Ich hasse sie! Ich hasse sie so sehr!«

Das gefiel Leticron nicht. Der Emperador war ohne Bewachung ganz allein mit dieser gefährlichen Frau, von der niemand wusste, was sie eigentlich plante. Der Überschwere wurde unruhig. Ihm fielen Despairs Berichte ein, nach denen die Hexe Constance über parapsychische Fähigkeiten verfügte und sogar in der Lage war, ihren Körper zu verformen. Was, wenn jede Hexe das tun konnte? Bestimmt jedoch eine Hexenmeisterin wie Katryna!

Er rannte zum Gemach des Emperadors, um nach dem Rechten zu sehen. Als er auf das Schlafzimmer zuging, hörte er de la Siniestro schreien.

*

Voller Grauen starrte Don Philippe auf das Wesen, das er vor wenigen Sekunden noch begehrt hatte, und sah ungläubig, wie aus dem Rücken der Hexe Drachenflügel wuchsen. Der alte Spanier hatte schon viel gesehen und sich an vieles gewöhnt in der für ihn neuen Zeit, aber das war für ihn, der noch aus dem 18. Jahrhundert stammte, dann doch zu viel. Er konnte nur noch voller Entsetzen schreien.

Das Wesen, das zuvor noch Katryna gewesen war, versetzte ihm einen Krallenhieb am Arm und verursachte eine blutende Wunde. Erneut schrie der Emperador auf.

Im selben Moment splitterte die Tür aus den Angeln. Leticron stürmte herein. Auch der abgebrühte Überschwere hielt vor Erstaunen einen Moment inne. Dann aber fasste er sich blitzschnell. Hinter ihm war Peter hereingekommen und fing nun auch zu schreien.

Leticron sah, dass Peter wie gewöhnlich einen Säbel bei sich trug, und griff ihn sich. Laut brüllend und die Zähne fletschend kam Katryna auf ihn zu gestürmt. Leticron griff den Säbel mit aller Kraft und trennte Katrynas Kopf mit einem einzigen wuchtigen Hieb ab. Er rollte direkt vor Peters Füße. Der Sohn des Emperadors starrte entsetzt auf den Kopf, dann taumelte er zurück. Kreidebleich war auch Don Philippe. Sein Arm blutete leicht.

»Sind Sie verletzt?«, fragte Leticron besorgt.

Der alte Spanier winkte ab.

»Es geht schon. Nur ein Kratzer. Was für eine Kreatur der Hölle war das nur?«

»Das war Katryna. Ich sagte schon, dass man diese Hexen nicht unterschätzen soll. Und schon gar nicht sollte man sie in sein Schlafzimmer lassen.«

»Tja, ist eigentlich schade. Sie sah so toll aus. Nur fünf Minuten später …«

»Dann wären Sie jetzt tot, Emperador.«

»Ich verdanke Ihnen mein Leben, Leticron.«

»Eigentlich eher Ihrem Sohn. Wenn er mich nicht aufmerksam gemacht hätte …«

»Der gute Peter. Wo ist er denn?«, fragte der Emperador und sah sich suchend um.

»Das liegt er.«

Leticron deutete auf den Fußboden an der Wand. Dort lag Peter de la Siniestro. Er war in Ohnmacht gefallen.

18. Die Schlacht

Die Schlacht am Sternenportal der Lokalen Gruppe tobte indessen weiter. Cauthon Despair verteidigte mit seiner Flotte nach wie vor den unmittelbaren Raum um das Sternentor, während Leticron es sich nicht nehmen ließ, eine Raumsonde mit Katrynas Kopf an Bord durch das Sternenportal an die Entropen zu schicken.

Der Tod Katrynas und die Vernichtung ihrer halben Flotte versetzte den Entropen einen Schock. Am 5. März 1308 NGZ stellten sie den Angriff auf das Sternenportal ein. Auch die Terranische 8. Flotte sah ohne ihre Unterstützung keine Möglichkeit für einen siegreichen Angriff. Es war zu einem Patt gekommen.

Auf der LEIF ERIKSSON wurde von einem quarterialen Roboterschiff ein groteskes Geschenk übermittelt. Die Sonde hatte einen Kasten in gebührendem Abstand zur LEIF ERIKSSON im Weltraum ausgesetzt und mit einem leichten Traktorfeld in Richtung des terrranischen Schlachtschiffs in Bewegung gesetzt. Die Ortungsergebnisse hatten keine Gefahr erkannt. Der Inhalt, der an Bord gebracht wurde und sich nun im Besprechungsraum neben der Kommandozentrale befand, war jedoch zutiefst verstörend.

Schockiert betrachtete Constance Katrynas abgetrennten Kopf, der in einem hübsch verzierten Paket lag. Daneben eine Schreibfolie, auf der stand:

Liebesgrüße aus Cartwheel. Nur nicht den Kopf verlieren. Leticron

»Es ist entsetzlich«, meinte Constance mit Tränen in den Augen. »Sie war immer so stark, sie schien unverwundbar zu sein. Und nun dies.«

»Niemand ist unverwundbar«, meinte Perry Rhodan und legte tröstend eine Hand auf Constances Schulter.

»Wie soll es nun weitergehen? Wer wird die Entropen führen?«, fragte Aurec.

»Ich habe eine Nachricht in die Heimat gesendet. Die obersten Hexen müssen entscheiden, wie es weitergeht«, meinte Constance.

»Ohne die Hilfe der Entropen können wir das Sternenportal nicht einnehmen. Katryna hat mit ihrer Irrsinnstat dem Quarterium in die Hände gespielt. Cauthon Despairs Abwehrriegel ist jetzt zu stark für uns«, klagte Reginald Bull.

»Andererseits sind sie nicht stark genug, um uns anzugreifen. Beide Seiten befinden sich in einer Pattsituation«, entgegnete Perry Rhodan. Der Freund aus alten Tagen betrachtete ihn forschend. Konnte es sein, dass Perry gar nicht so betrübt über die jetzige Situation war?

*

An Bord der EL CID lenkte Despair die Abwehr. Die Flotte hielt sich gut, doch ewig konnte dies nicht weitergehen. Despair musste eine Entscheidung erzwingen – durch die Vernichtung der LEIF ERIKSSON! Rhodans Tod würde den Widerstand brechen.

»Oberst Tantum, formieren Sie einen Flottenverband zu unserer Unterstützung, nur große Schiffe. Wir werden die LEIF ERIKSSON angreifen.«

Rhodans Raumschiff war nur zwei Millionen Kilometer von SOLARIS STATION entfernt, welche immer noch hart umkämpft war. Fast zwei Dutzend Schiffe sicherten Rhodans Flaggschiff ab. Sie bildeten einen Kreis um das Herzstück der Terranischen 8. Flotte. Sie wollten ihren Helden schützen, doch Despair würde diesen Wall zerbrechen.

Virginia Mattaponi betrat die Zentrale. Ihre Augen waren wässrig. Despair hatte jetzt keine Zeit für sie. Aber seine Ordonnanz kam direkt auf ihn zu.

»Was gibt es?«, fragte er barsch.

Sie schniefte und sah Cauthon aus geröteten Augen an.

»Von Bergel ist tot. Sein Geschwader wurde vor wenigen Minuten aufgerieben.«

»So ist nun einmal der Krieg.«

»Kennst du denn gar kein Mitgefühl? Schert dich das Leben all deiner Besatzungsmitglieder gar nichts? Sie verehren dich und so schätzt du sie? Ich vergöttere dich und du bist nur kalt zu mir.«

Es war jetzt nicht an der Zeit, um darüber zu diskutieren. Am liebsten hätte er die aufgeregte Frau der Kommandozentrale verwiesen, doch vermutlich hätte sie dann noch mehr Ärger bereitet.

»Virginia, wir reden später darüber. Wir bereiten uns auf einen Angriff gegen die LEIF ERIKSSON vor. Damit erzwinge ich die Entscheidung und das Blutvergießen wird enden.«

»Neue Ortungsmeldungen, Sir!«, brüllte Oberst Tantum entsetzt. »Zehn, nein fünf…«, die Stimme Tantums überschlug sich, »zigtausende Schlachtschiffe materialisieren plötzlich. Eine gigantische Raumstation … wir …«

Despair starrte wie paralysiert auf die Anzeigen. Tantum hatte recht. Der Raumschifftyp war Despair unbekannt. Es gab zwei Möglichkeiten: entweder es waren Verbündete Rhodans oder Streitkräfte von MODROR.

*

Rhodan beobachtete den Kurs der EL CID. Es würde offenbar bald zu einem Angriff kommen.

»Sir, bitte kommen Sie sofort in die Zentrale. Es ist sehr dringend«, ertönte die Stimme von Admiral Higgins aus dem Interkom.

»Was ist denn los, Higgins?«, wollte Rhodan wissen.

»Eine riesige Anzahl von unbekannten Raumschiffen trifft in diesem Moment aus dem Sternenportal aus. Es sind schätzungsweise mindestens hunderttausend Einheiten und es werden immer mehr. In ihrer Mitte befindet sich eine riesige Raumstation«, meldete Higgins erregt.

Rhodan wurde unruhig. Sollte MODROR dem Quarterium zu Hilfe kommen? Dann blieb ihnen nur noch die sofortige Flucht.

»Ich bin schon unterwegs«, sagte der Terraner.

Eiligst begaben sich Rhodan, Bull, Aurec und die Hexe Constance in die Kommandozentrale der LEIF ERIKSSON. Auf dem Panoramabildschirm waren unzählige Raumschiffe zu sehen, die sich um eine gewaltige Raumstation gruppierten.

»Haben Sie den Schiffstyp identifizieren können, Admiral Higgins?«, erkundigte sich Rhodan, während er in seinem Sessel Platz nahm.

»Noch nicht, Sir. Ich schätze, dass es sich um etwa zweihunderttausend Einheiten handelt.«

»Wenn das MODRORS Flotte ist, dann sitzen wir aber total in der Patsche«, unkte Reginald Bull.

»Sir, die fremden Schiffe greifen die Positionen der Quarterialen Flotte an!«, meldete ein Offizier aufgeregt.

»Was?«, fragte Rhodan ungläubig.

»Sir, ein eingehendes Hyperkomgespräch«, meldete der Funker.

»Legen Sie es auf den Schirm, Sparks«, befahl Rhodan.

Kurz darauf erschien ein hagerer, düster wirkender Mann mit spitzen Ohren auf dem Bildschirm.

»Ich bin Eorthor, Kommandeur dieser Kosmokratenflotte und der Raumstation NESJOR sowie durch die Kosmokraten zum Raumherrn berufen. Wir sind hier, um das Sternenportal von den feindlichen Kräften MODRORS zu säubern«, erklärte er nüchtern, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt.

»Ich heiße Sie herzlich in der Lokalen Gruppe willkommen, Eorthor. Ihre Hilfe ist uns sehr willkommen«, begrüßte Rhodan erleichtert den Alysker. Er wusste von Elyn, dass Eorthor ihr Vater war.

»Das kann ich mir denken. Wir werden die Sache schon regeln. Sie und ihre Flotte brauchen sich vorerst nicht mehr einzumischen«, sagte Eorthor in gönnerhaften Tonfall.

»Aber …«

Mit einer herrischen Geste brachte Eorthor den Terraner zum Schweigen.

»Wir sprechen später, wenn ich meine Arbeit erledigt habe. Dann bringe ich Ihnen auch Ihre Freunde Alaska Saedelaere und Osiris mit.«

Ohne eine Antwort Rhodans abzuwarten, schaltete der Alysker ab.

»Reizendes Kerlchen. Typischer Kosmokratenbürokrat«, spottete Reginald Bull.

»Kann man wohl sagen«, stimmte Perry Rhodan zu. »Aber in diesem Fall höchst willkommen.«

19. Rückzug

Der Angriff kam für die Quarteriale Flotte völlig überraschend. Man hatte sich nach der Niederlage der Entropen und dem Tod Katrynas vorerst vor weiteren Angriffen sicher gefühlt. Doch nun griff völlig unerwartet diese gewaltige Flotte an. Von allen Seiten kamen sie und zerstörten mit ihren überlegenen Waffen Schiff um Schiff. Hilflos musste Cauthon Despair an Bord der EL CID zusehen, wie sich seine Flotte in ihre Bestandteile auflöste. Die Quarteriale Flotte wehrte sich so gut sie konnte, aber gegen diese Übermacht war sie chancenlos.

»Was sollen wir tun? Es sind einfach zu viele. Unsere Einheiten befinden sich bald in völliger Auflösung«, meldete da Rohn entsetzt dem Quarteriumsmarschall.

Cauthon Despair blickte ihn düster an. Ihm war klar, dass es nur noch eines gab.

»Geben Sie den Befehl zum Rückzug. Wir räumen das Sternenportal und ziehen uns mit dem, was noch übrig ist, nach Cartwheel zurück.«

Während da Rohn sich daran machte, Despairs Befehl in die Tat umzusetzen, blickte Despair aus dem Fenster und betrachtete den Verlauf der Schlacht. Er beneidete Perry Rhodan um dessen Verbündete. Sie ließen ihn nicht im Stich, im Gegensatz zu MODROR. Zum ersten Mal in seinem Leben war Cauthon Despair bitter enttäuscht von MODROR.

So schnell sie konnte, setzte sich die Quarteriale Flotte in Richtung Cartwheel ab, dabei erlitt sie nochmals erhebliche Verluste. Mehr als fünfzigtausend Schiffe gingen bei diesem Debakel für das Quarterium verloren. Es blieb nicht einmal mehr die Zeit, SOLARIS STATION zu räumen. Die quarteriale Besatzung musste bedingungslos kapitulieren. Nach acht Monaten Besatzungszeit musste das Quarterium die Lokale Gruppe endgültig verlassen.

20. Der Raumherr der Kosmokraten

Aurec und Elyn betraten den Hangar 43. In Kürze würde ein Kurierboot landen. Beide waren aufgeregt, denn für Aurec war die Nachricht, dass sich Saggittonen an Bord der Raumschiffe befanden, eine große Überraschung gewesen. Elyn hingegen wollte ihren Vater wieder in die Arme schließen. Sie war glücklich, dass er sich endlich durchgerungen hatte, den Terranern und ihren Verbündeten zu helfen.

Das kleine Raumschiff setzte sanft auf den Metallboden auf. Drei Wesen stiegen aus. Das erste Geschöpf identifizierte Aurec als den Holpigon Utzmuk. Das Molluskenwesen war vor mehr als zehn Jahren in DORGON aufgegangen, nachdem Rodrom mit dem SONNENHAMMER die Galaxie Saggittor vernichtet hatte. Damals hatten die Völker nicht genügend Raumschiffe zur Evakuierung einer ganzen Galaxie. Jene Wesen aus Saggittor – ob nun Saggittonen, Holpigons, Trötter, Varnider oder Multivons –, die sich nicht retten konnten, wurden von DORGON aufgenommen, der Aurec versprochen hatte, sich um sein Volk zu kümmern.

Der zweite Mann war ein Terraner. Aurec wusste, dass er Alaska Saedelaere hieß und ebenfalls ein relativ Unsterblicher war. Der Zellaktivatorträger wirkte blass und müde.

Zuletzt stieg Eorthor aus.

»Vater!«, rief Elyn glücklich und rannte auf ihn zu. Sie fiel ihm um den Hals, was dem unsterblichen Alysker offenbar unangenehm war, denn es störte seinen würdevollen Auftritt. Aber offenbar konnte er sich der Liebe seiner Tochter nicht erwehren. Zögerlich erwiderte er ihre Umarmung und schloss sie dann fest in seine Arme.

Aurec freute sich über Elyns Glück. Sie war eine herzensgute und ebenso wunderschöne Frau. Ihr langes, schwarzes Haar war zusammengebunden, so dass Aurec die Freude auf ihrem Gesicht sehen konnte. Langsam entließ sie ihren Vater aus der Umarmung und lächelte verlegen. Ihre großen violetten Augen waren wässrig vor Freude.

Utzmuk kroch in einer schleimigen Spur auf Aurec zu. Der Saggittone beugte sich herab, um auf Augenhöhe mit dem Schneckenwesen zu sein.

»Es freut mich sehr, dich wiederzusehen. Bitte berichte mir, was mit euch geschehen ist.«

»DORGON hatte uns aufgenommen und ein Zuhause gegeben. Wir lebten im Paradies, bis der Virus Prosperoh den Kosmotarchen verunreinigte. Doch Atlan und seine Gefährten haben uns gerettet. Für viele von uns ist die Zeit im Paradies nun vorbei – denn wir werden von Euch gebraucht, mein Herr!«

Aurec verzog fragend das Gesicht. Der Holpigon streckte sich weit nach vorn, reckte seinen Kopf mit den beiden Stilaugen in Richtung Aurec. Die Stile standen weit voneinander ab, ein Zeichen der Vertrautheit bei den Holpigons. Waren sie misstrauisch, so waren die Augen dicht aneinander, um sich zu schützen. Die voneinander abstehenden Stilaugen signalisierten Aurec jedoch Freundschaft und Offenheit seitens des Holpigon.

»Alle zweihunderttausend Schiffe sind von Saggittonen bemannt. Ein Teil der vergeistigten Saggittonen, Varnider, Holpigons, Trötter und Multivons sind zurückgekehrt, um ihrem Volk zu dienen. Du bist der Kanzler, wir unterstehen deinem Befehl.«

Die Schnecke machte den Ansatz einer Verbeugung. Nun begriff Aurec so langsam. Millionen Saggittonen waren zurückgekehrt. Er hatte nun auch die Verantwortung für sie. Beinahe für ein ganzes Volk.

Seine Brüder und Schwestern waren auf diesen Raumschiffen verteilt.

»Wieso sind sie hier?«, fragte Aurec bewegt.

»Es ist unsere Aufgabe. DORGON hatte es von Anfang an so vorgesehen. Er hatte aus der Vernichtung Saggittors eine Tugend gemacht und uns aufbewahrt, bis der Tag gekommen war, damit wir die Kosmokratenflotte von NESJOR bemannen durften.«

Aurec fühlte sich in diesem Moment grenzenlos dankbar, weil DORGON ihm einen Teil seines Volkes zurückgebracht hatte. Es gab wieder mehr Hoffnung. Und doch …

»Wird es nicht schwer für euch sein? Ihr habt in einem Paradies gelebt und nun …«

Der Holpigon lachte, wobei er gelbe Brocken weit durch die Gegend spuckte.

»DORGON hat uns viel gegeben, aber nicht alles. Es war ein schönes Leben, jedoch nicht so tief und fest in DORGON, wie es anderen Konzepten vergönnt ist. Wir haben keine kosmischen Wunder erlebt und lebten stets in dem Bewusstsein, dass dieser schöne Urlaub eines Tages vorbei sein wird.«

Aurec brauchte eine Weile, um das alles zu verarbeiten. Und er sah auch gleich ein großes Problem auf sich zukommen. Es war beinahe zwei Meter groß, hatte spitze Ohren und einen Gesichtsausdruck, der Unheil verhieß. Neben ihm tänzelte eine glückliche Alyske.

»Aurec, das ist mein Vater Eorthor!«

Der Saggittone richtete sich auf und grüßte den mächtigen Alysker, der so unendlich alt war. Eorthor betrachtete ihn abschätzend.

»Für einen sterblichen Grünschnabel hast du viel geleistet, Saggittone. Meine Tochter berichtet nur Gutes über dich.«

»Und ich kann nur Gutes über Elyn sagen. Sie war in den letzten Jahren eine gute Freundin und wichtige Stütze für uns alle. Du kannst stolz auf deine Tochter sein, Eorthor!«

Der Alyske wirkte überrascht, sah zu seiner Tochter, als würde er ihr das gar nicht zutrauen.

»Nun denn! Wo befindet sich Perry Rhodan? Ich muss ihn instruieren.«

»Rhodan wird sich nichts befehlen lassen«, erwiderte Aurec. Elyn sah ihren Vater ob seines Kommentars über sie wütend an.

Eorthor hingegen blickte sich im Hangar um und ignorierte den Saggittonen.

»Elyn, zeige mir bitte, wo ich Rhodan finde. Es eilt. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Offenbar war der Alyske die Situation peinlich. Sie blickte aus aufgerissenen violettblauen Augen zu Aurec und sagte schließlich: »Folge mir einfach, Vater. Ich bringe dich zu ihm. Doch Aurec hat recht. Du bist nicht Rhodans Befehlshaber, sondern Verbündeter. Vergiss dies bitte nicht.«

Eorthor schüttelte genervt den Kopf.

»Nein, du irrst dich. Ich bin der Raumherr der Kosmokraten!«

*

Zwischenzeitlich war auch Osiris eingetroffen. Er war mit der HOR-ATEP zur LEIF ERIKSSON geflogen. Alle Beteiligten trafen sich nun im großen Besprechungsraum, in dem Perry Rhodan bereits wartete.

Die Begrüßung mit Eorthor fiel knapp aus, was an dem Alysker lag. Ganz im Gegensatz zu ihm freuten sich Osiris und Alaska, Rhodan und Reginald Bull wiederzusehen. Saedelaere und der Kemete berichteten Rhodan von ihren Erlebnissen im Kreuz der Galaxien und auf Manjardon.

Beeindruckt setzte sich Perry Rhodan in seinen Sessel und lauschte den Berichten. Eorthor ging ungeduldig auf und ab, ließ aber den Terranern ihre Zeit, um die Abenteuer von kosmischer Bedeutung zu verarbeiten. Aurec war immer noch von der Rückkehr der Saggittonen beeindruckt. Elyn wurde bleich, als Osiris erzählte, das Kreuz der Galaxien sei durch eine siebendimensionale Bombe vernichtet worden. Sie blickte ihren Vater mit wässrigen Augen an.

Aurec wusste, wie sie sich fühlte. Er hatte zwar eben einen Teil seines Volkes wiedergefunden, aber er kannte das Gefühl, als so viele seiner Rasse starben. Es gab jetzt nur noch jene paar tausend Alysker, die die Kernbesatzung von NESJOR bildeten.

Instinktiv stellte er sich neben Elyn und legte ihr tröstend die Hand auf ihre Schulter. Sie hatte ihm selbst schon oft genug Mut und Hoffnung gemacht. Es war nur fair, sich zu revanchieren.

»Das sind mal wieder höchst kosmische Vorgänge«, meinte Perry Rhodan, als Osiris und Saedelaere ihre Erzählungen beendet hatten.

»In der Tat«, stimmte ihm Eorthor zu. »Daher ist es von größter Wichtigkeit, dass jemand das Kommando führt, der diesen kosmischen Vorgängen gewachsen ist. Aus diesem Grund übernehme ich das Oberkommando über die alliierte Flotte.«

»Aha, und warum Sie?«, fragte Aurec respektlos.

Eorthor warf dem Saggittonen einen strafenden Blick zu.

»Ich bin dir zwar keine Rechenschaft schuldig, Saggittone, aber ich will dir sagen, dass ich vom Kosmokraten Sipustov höchstpersönlich beauftragt wurde, diesen Krieg zu gewinnen – und genau das beabsichtige ich zu tun!«

Eorthor sah sich herausfordernd unter den Anwesenden um, so als erwarte er Widerspruch. Als keiner kam, wollte er fortfahren, doch ein Offizier platzte in die Besprechung. Er war nicht allein. Eine seltsam wirkende, uralte Frau war in seiner Begleitung.

»Was soll das? Wer wagt es mich zu unterbrechen?«, herrschte Eorthor den jungen Offizier an, der sich entschuldigend an Perry Rhodan wandte.

»Verzeihung, Sir, aber diese, ähem, Dame ist soeben hier eingetroffen und wünscht Sie und Constance Zaryah Beccash dringend zu sprechen«, erklärte der Mann verlegen.

Constance, die bislang schweigend in ihrem Sessel gesessen hatte, war aufgesprungen.

»Adelheid! Du hier?«

Die angesprochene alte Frau entblößte ihre gelben, löchrigen Zähne zu einem Lächeln. Ihr struppiges, graues Haar war auf dem Rücken gebunden. Ein rotschwarzes Kopftuch umschloss ihr Haupt. Farblich passte es zu dem wallenden, dunkelroten Gewand, welches ihr bis zu den Knöcheln reichte. Kurz genug, um ihre krummen Zehen, durchzogen von schwarzen Adern, in den roten Sandalen genau zu erkennen. Die Zehennägel waren gelbgrünlich, dick und lang. Mit einem in sich gewundenen dunkelbraunen Stock in der rechten Hand stützte sie sich ab.

»Constance, mein liebes Kind. Ich freue mich, dich wiederzusehen«, begrüßte die Alte Constance freundlich.

»Wer ist diese Kreatur?«, fragte Eorthor ungehalten.

»Wer ich bin? Das fragst du, du junger Popanz? Ich bin Adelheid!«, stellte die Alte resolut klar und klopfte dabei mit ihrem Stock auf den Boden.

»Die sieht aus wie aus Grimms Märchen. Da kann man ja Alpträume kriegen«, raunte Reginald Bull Perry Rhodan zu.

Rhodan räusperte sich verlegen.

»Das ist ja schön und gut, meine Dame. Aber wir befinden uns in einer wichtigen Besprechung, die eigentlich nicht gestört werden sollte.«

Adelheid kicherte schrill und demonstrierte damit, dass sie sich um Rhodans Einwand herzlich wenig kümmerte.

»Adelheid ist die Vorsitzende des Hohen Rates der Hexen. Sie ist die Hohe Hexe der Lilim! Sie hat mehr Recht hier zu sein als ich«, stellte Constance fest.

»Nach dem tragischen Tod von Katryna übernehme ich vorerst auf Beschluss des Hohen Rates die Befehlsgewalt über die Entropischen Verbände«, erklärte Adelheid.

»Dann sind Sie selbstverständlich willkommen. Ich begrüße Sie an Bord der LEIF ERIKSSON«, sagte Perry Rhodan.

Eorthor ergriff ungeduldig das Wort.

»Mir ist das Einerlei, wer die Entropen oder die Terraner kommandiert. Denn den Oberbefehl über die gesamte Operation habe ich. Und ich erkläre hiermit, dass unser nächstes Ziel die Eroberung von Cartwheel ist.«

Perry Rhodan hatte dies befürchtet.

»Ich halte das für vorschnell. So etwas muss gut überlegt werden. Nach ihrer schweren Niederlage können sie uns nicht mehr angreifen«, gab der Terraner zu bedenken.

Eorthor blickte Rhodan unwillig an.

»Gerade weil sie geschwächt sind, ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um schnell zu handeln und diese Schlangengrube auszuräuchern. Das Quarterium ist geschwächt, und ehe MODROR erneut zu ihren Gunsten eingreift, muss der Sieg errungen werden. Und das geht am besten mit der Einnahme Cartwheels.«

»Ich finde, das klingt durchaus logisch«, meinte Aurec.

Auch Reginald Bull, Osiris und die Entropen sprachen sich dafür aus, so dass auch Perry Rhodan widerstrebend zustimmte.

»Also gut, dann greifen wir an. Aber wir brauchen eine Atempause. Wir haben seit Monaten im Kampf gestanden, und unsere Truppen brauchen einen Monat Ruhe.«

»Auch die entropische Flotte muss wieder aufgefrischt werden«, pflichtete Adelheid dem Terraner bei.

»Ihr werdet nicht mehr benötigt. Um Cartwheel zu erobern, brauche ich keine Unterstützung durch die Hexenbrut!«

Adelheid maß den Alysker mit einem Blick, der diesen zurückschrecken ließ. Doch bevor die Situation eskalieren konnte, griff Perry Rhodan ein und erklärte:

»Die LFT ist mit der Entropischen Volksgemeinschaft verbündet und wird sich an dieses Bündnis halten.«

»Nun gut. Ich gebe euch und euren Truppen einen Monat Zeit. Am 25. April 1308 NGZ eurer Zeitrechnung werden wir Cartwheel angreifen«, bestimmte Eorthor und verließ grußlos den Raum.

Epilog

Im Palast des Emperadors auf Paxus herrschte eine niedergeschlagene Stimmung. Nur Rosan und Uthe wirkten beim Essen seltsam vergnügt. Doch das verwunderte den Emperador nicht. Beide waren eigentlich Fremdkörper im Quarterium. Und doch waren sie nun Besitz der Familie de la Siniestro. Irgendwann würde er vielleicht ihren Willen brechen.

Rosan saß etwa zwanzig Meter von ihm entfernt am anderen Ende der langen Tafel, wie es sich für sein Weib gehörte. Neben ihr Uthe. Wie zwei Fremdkörper. An seiner Seite des Tisches saßen Brettany, Stephanie, Orlando und Peter, seine lieben Kinder. Niemand sprach.

Despair und Diabolo befanden sich ebenfalls an der Tafel, speisten aber natürlich nichts. Auch dem Emperador wollte das Essen nicht schmecken. Es war fad, und sein Magen zog sich zusammen. Traurig betrachtete er den goldenen Raum, sah zur weißgoldenen Decke hoch. Wütend schob er den Teller so weit von sich, dass dieser von der Tischkante fiel und klirrend auf dem Boden zersprang.

»Oh mein Gott, womit habe ich das verdient?«, klagte der alte Spanier. Sein faltiges Gesicht war leichenblass.

»Hundertfünfzigtausend Raumschiffe haben wir verloren. Und wofür? Für nichts!«

»Tja, Sie sind wieder fast da, wo Sie angefangen haben, Emperador«, meinte Diabolo. Der positronisch-biologische Roboter empfand weniger Gefühle als die anderen. Despair rührte sich nicht.

»Schlimmer noch! Nun, da Perry Rhodan mit einer Armada vor den Toren Cartwheels steht, steht die Existenz des Reiches auf dem Spiel.«

»Sie hätten eben mit Perry Rhodan verhandeln sollen, solange unsere Verhandlungsposition noch günstig war. Jetzt haben wir nicht mehr viel zu bieten – außer den besetzten ESTARTU-Galaxien.«

Der Emperador hob die Hände. Es sah aus wie ein Flehen. »Ja, ich hätte verhandeln sollen. Das sehe ich ein. Und ich würde auch verhandeln, um das Quarterium zu retten. Aber wie wird MODROR reagieren, wenn ich das tue?«

Hilfesuchend sah der Emperador Cauthon Despair an. Doch der Silberne Ritter blieb stumm. Schließlich räusperte er sich. Seine Stimme klang heiser.

»Ich weiß es nicht, Emperador. MODROR hält es anscheinend nicht für nötig, sich zu melden. Seit August letzten Jahres haben wir weder etwas von ihm noch von Cau Thon gehört. Vielleicht hat auch MODROR ernsthafte Probleme, von denen wir nichts wissen«, mutmaßte Despair.

»Das bedeutet, Sie müssen selbst eine Entscheidung treffen, Emperador. Und das möglichst bald«, sagte Diabolo eindringlich.

Ratlos sackte der Emperador auf seinen Thronsessel. Er sah ein, dass der Posbi recht hatte. Ohne MODRORS Anweisungen musste er selbst zwischen Krieg und Frieden entscheiden. Doch diese Entscheidung war schwer, und die Zeit lief ihm davon. Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt war Don Philippe de la Siniestro ratlos.

Ende

Das Quarterium ist in die Enge gedrängt. Droht Cartwheel die Invasion? Kann Perry Rhodan ein milliardenfaches Blutvergießen verhindern? Wird das Quarterium gar kapitulieren? Mehr darüber schreibt Jens Hirseland in Band 112 mit dem Titel

QUO VADIS, QUARTERIUM?

DORGON-Kommentar

Kommentar I

Die Gefahr für die Lokale Gruppe scheint endgültig abgewendet worden zu sein. Durch den Größenwahn und die rassistische Überheblichkeit von Uwahn Jenmuhs ist das Quarterium plötzlich in die Defensive gedrängt worden und muss den Brückenkopf am Sternenportal der Lokalen Gruppe aufgeben. Allerdings, und das sei hier bemerkt, von einer endgültigen Niederlage kann noch keine Rede sein.

In dieser Situation ist für mich äußerst interessant, welche Taktik die LFT unter der Führung des Terranischen Residenten weiterverfolgen wird. Wird Perry Rhodan tatsächlich den Emperador direkt in Cartwheel angreifen oder kommt es zu einem, meiner Meinung nach, scheinheiligen Kompromiss mit dem Despoten der Insel?

Jürgen Freier

Kommentar II

Das Ringen um die Macht ist das zentrale Thema dieses Romans, der an spektakulären Schauplätzen spielt und viele Protagonisten zusammenbringt. So dass sie die viel zu zahlreichen Fäden des Rideryon-Zyklus dann doch endlich mal zu übersichtlichen Handlungssträngen verknüpfen.

Uwahn Jenmuhs greift nach der Macht! Der mit Grausamkeit und ungehemmter Genusssucht durch die Zyklen schwabbelnde Arkonide will sich im Machtgefüge des arkonidischen Reiches an die Spitze setzen, erst im Kristallimperium, dann überall. Im vermeintlichen Endspurt begegnet er seinen Konkurrenten. Seine nie ausgesprochenen Leitgedanken »Bostich muss weg« und »Ich will Imperator sein anstelle des Imperators« trifft auf wenig Gegenliebe.

Die Aussicht, Jenmuhs entsorgt zu sehen, versetzt die Lektorin in gute Laune, ist die Figur des Schwergewichtigen doch charakterlich flach, hat zu wenig Widersprüche und Kanten, als dass die Ausgestaltung auf Dauer interessant bleiben könnte.

Der Prolog beginnt mit ungehemmtem Pathos, jedoch mit Lobpreis der »Guten«, was später im Roman sein Pendant in einem ebenso subjektiven Monolog aus der Sicht des Generals da Rohn vom Quarterium findet.

Auch die panoramische Perspektive des Anfangs wird weitergeführt, und zwar gründlich: Es gibt gigantische Flottenaufmärsche in galaxienweiten Räumen, es gibt Reisen von Siniestro und Zalit nach Arkon I und durch das Sternenportal. SOLARIS STATION ist auch mal wieder dabei.

Mit Stewart Landry schaut ein Agent des TLD nach dem Rechten. Er hat sein Bond-Girl, viel High-Tech und aufmerksame Vorgesetzte. Dabei trifft er Personen wie den Halbarkoniden Mad Mukkel, im offiziellen Beruf Börsenspekulant und Verbindungsmann zur Organisation Gos’Shekur Faust, die aus einem terranischen präastronautischen (Bond-)Film eine originelle Möglichkeit entwickelt hat, ihre Gegner auf unappetitliche Weise loszuwerden. Dann plötzlich kommt die Tu-Ra-Cel ins Spiel.

Charaktere wie Joak Cascal, Anya Guuze samt neuem Galan und die Lilim Katryna treffen aufeinander, von denen jeder sein eigenes Süppchen kocht. Wir haben bei der Überarbeitung die Beschreibungen der Räume verstärkt und die Emotionen der Protagonisten, so dass das Personenspektrum trotz der Überfülle klare und überschaubare Unterscheidungen entwickelt hat. Es ist unheimlich viel los, und die Handlungen spielen an interessanten Orten wie dem Festsaal der de la Siniestros auf ihrem Planeten und dem Sternenportal.

Die Bandbreite der Figuren ist jedenfalls enorm. Da ist die intrigante Katryna, die andere für ihre Zwecke einspannt, und die allzu liebe Hexe Constance, die überraschenderweise von ihrem Entropen für ihre Weichheit kritisiert wird. Das Kriegshandwerk hat den Mann überheblich werden lassen, jedenfalls ihr gegenüber.

Anderes überaus vertrautes Personal wie die Quarteriumsgröße Oberst von Herker, den sich Stephanie angelacht hat – unter anderem ihn – kann wieder Situationen zum Schlechten wenden. Auch dieser Protagonist ist so langsam ein wenig abgegriffen, und zwar nicht nur von Stephanie.

Im Gegensatz zu manch anderem DORGON-Roman treten relativ viele Größen aus der Originalserie auf, was bei aller Detailfülle den kosmischen Charakter des Geschehens wahrt. Es gibt aber im Kleinen deutlich mehr Einrichtungsgegenstände, also umrissene konkrete Räume, in denen beraten, geplant, intrigiert, gekämpft und geliebt wird, letzteres mit der Einschränkung, dass einander liebevoll zugewandte Paare kaum vorkommen. Es bleibt also turbulent, wobei die klaren Beschreibungen ebenso wie die oft wenig gehemmten Temperamente der Protagonisten das Interesse wach halten.

Sehen wir, was sich aus der »Entscheidung am Sternenportal« ergibt, und wer letztlich mit wem kuschelt.

Alexandra Trinley

GLOSSAR

Terranische 8. Flotte

Das Oberkommando über die Terranische 8. Flotte haben der terranische Admiral Nepomuk Nathaniel Higgins und General Scott C. McHenry. Das Flaggschiff der Terranische 8. Flotte ist die MONTGOMERY, ein 1800-Meter-Raumer der ENTDECKER-Klasse. Die Terranische 8. Flotte wird in fünf Verbände unterteilt mit je einem Oberbefehlshaber im Rang eines Admirals oder Generals.

Anzahl der Einheiten
  • 3 × ENTDECKER-Klasse (1800 m Durchmesser)
  • 1000 × NOVA-Klasse (800 m Durchmesser)
  • 5000 × ODIN-Klasse (500 m Durchmesser)
  • 10.000 × INVINCIBLE II-Klasse (260 m Durchmesser)
  • 10.000 × VESTA-Klasse (100 m Durchmesser)
  • 10.000 × CERES-Klasse (100 m Durchmesser)

Gesamtstärke: 36.003 Schiffe


Hinzu kommen diverse Spezial-Einheiten, Space-Jets und Minor-Globes. Die Terranische 8. Flotte wird durch Spezialstreitkräfte der Alliierten ergänzt.

Anzahl der Einheiten
  • 5000 × 3000-Meter-BOX mit Relativschirmen der Posbis
  • 10.000 × 3000-Meter-BOX ohne Relativschirme der Posbis
  • 5000 × Scheibenraumer der Saggittonen
  • 2000 × Kugelraumer der Akonischen Republik
  • 2000 × Kugelraumer der Neuen USO
  • 1000 × Schwarze Schiffe der Haluter
  • 5000 × Blues-Einheiten

Gesamtstärke der Alliierten: 30.000 Schiffe

Zusammensetzung der Kampfgruppen
  • Verband I »Morgenröte«
    • Flaggschiff: MONTGOMERY
    • Kommodore: Admiral Nepomuk N. Higgins
  • Verband II »Cereaus«
    • Flaggschiff: SHERMAN
    • Kommodore: General Scott C. McHenry
  • Verband III »Gobi«
    • Flaggschiffe: DERINGHOUSE, BISMARCK
    • Kommodore: General Manuel Joaquin »Joak« Cascal & Admiral Chad Roy
  • Verband IV »Saggittor«
    • Flaggschiff: SAGRITON
    • Kommodore: Admiral Rendera
  • Verband V »Freikorps Milchstraße«
    • Flaggschiff: GALAKTIKUM
    • Kommodore: Mirus Traban und der Posbi Quohlfahrt
Taktische Einschätzung

Die Terranische 8. Flotte gegen Mitte des Jahres 1307 NGZ ist nur noch bedingt mit der 8. Flotte vergleichbar, die im Frühjahr MODROR am Sternentor der Milchstraße gegenüberstand. Die Vorgänge um den falschen Planeten WANDERER und der Massenmord an Millionen friedliebenden Wesen rufen endgültig das Zentralplasma der Hundertsonnenwelt auf den Plan. Terras treuester und wertvollster Verbündeter kann, wenigstens teilweise, die fehlenden schweren Einheiten ausgleichen und ein Gegengewicht zu der überragenden Kampfkraft der SUPREMO A- und SUPREMO B-Schlachtschiffe bilden. Dazu kommt, dass die mit Relativschirmen ausgerüsteten BOXEN für die quarterialen Schiffe faktisch unangreifbar sind.

Als besonderer Glücksfall erweist sich die Indienststellung der INVINCIBLE II-Klasse. Diesem neu konzipierten überschweren Angriffskreuzer hat das Quarterium faktisch nichts entgegenzusetzen. Nun erweist es sich als entscheidender Vorteil für die LFT, dass es der quarterialen Rüstungsindustrie nicht gelungen war, die Prototypen der FLASH OF GLORY- und VIPER-Klasse zur Serienreife zu entwickeln.

Als weiterer entscheidender Vorteil der LFT-Streitkräfte erweist sich die Überlegenheit der Raumjäger. Sowohl die in der Milchstraße und Andromeda eingesetzte NIMROD II-Klasse als auch vor allem die in M 87 eingesetzten SAPHYR II-Raumjäger sind ihren quarterialen Gegenstücken weit überlegen. Die Kämpfe in Andromeda, der Milchstraße und M 87 sollten zeigen, dass sich Masse letztendlich nicht gegen Klasse durchsetzen kann.

Auch bei den Raumlandeeinheiten erweist sich die Konzeption der REDS als überlegen. Die 5er-Einheiten aus MODULA-Roboter und vier Raumsoldatinnen oder Raumsoldaten sind im direkten Kampf entsprechenden quarterialen Einheiten überlegen. Mit zunehmender Dauer des Krieges verschiebt sich dieses Kräfteverhältnis weiter zugunsten der LFT, da die quarterialen Truppeneinheiten immer weniger bereit sind, sich von der Militärführung des Quarteriums als Kanonenfutter verheizen zu lassen. Auf der Seite der LFT dagegen wurde mit allen Mitteln versucht, das Leben der Raumlandeeinheiten zu sichern.

Bemerkungen

Die Terranische 8. Flotte verfügt neben den Flotteneinheiten auch über 100 Raumeingreifdivisionen (RED) für planetarische Einsätze. Jede RED hat eine Stärke von 50.000 Soldaten. Insgesamt stehen der Terranische 8. Flotte also fünf Millionen Bodentruppen zur Verfügung. Die Bezeichnungen der REDS ist nicht von 1 – 100, es wurden die terranischen Nummerierungen übernommen. Da der LFT knapp 1000 REDS mitsamt ihren Kompanien zur Verfügung stehen (Reservisten eingeschlossen), sind die Nummerierungen querbeet.

Besonders ist zu bemerken, dass jedem Teilverband 3000 Schiffe der 3000-Meter-BOX-Klasse angehören, von denen ein Drittel mit Relativschirmen ausgerüstet ist. Diese Schiffe ersetzen innerhalb der Terranischen 8. Flotte die nicht vorhandenen Großkampfschiffe.

Der IV. Verband Saggittor besteht aus nur 5000 Schlachtschiffen der Saggittonen. Dies sind versprengte Einheiten von Vorposten in der Lokalen Gruppe und der Schutztruppe vom Sternenportal, die über den »Normalweg«, also nicht durch das Sternenportal, von Etustar in die Lokale Gruppe geflogen sind. Admiral Rendera, Kommandant der SAGRITON, hat offiziell das Kommando. Wenn jedoch Kanzler Aurec an Bord ist, geht das Kommando auf ihn über.

Der V. Verband besteht aus den Einheiten der Alliierten: den Posbis, Halutern, Akonen und den Blues. Oberbefehl hat der Exil-Regent der akonischen Republik in Cartwheel Mirus Traban und der persönliche Bevollmächtigte des Zentralplasmas der Hundertsonnenwelt Quohlfahrt.

Raumeingreifdivisionen

Als Raumeingreifdivisionen werden die Raumlandetruppen an Bord von Kriegsschiffen bezeichnet. Diese Truppen sind für den Bodenkampf im Falle eines planetarischen Konflikts vorgesehen. Insgesamt gibt es innerhalb der Terranischen 8. Flotte 100 sogenannte REDS. Jede RED hat eine Stärke von 50.000 Mann. Eine RED wird mit je vier Kompanien à 250 Mann Truppenstärke auf 50 INVINCIBLE II-Kreuzer aufgeteilt.

Die besondere Schlagkraft der REDS ist auch darin begründet, dass zu jeweils 4 RED-Kompanien von 1000 Mann 300 MODULA-Roboter gehören. Diese werden nach dem HOST-Prinzip durch jeweils 10 Kommando-Roboter geführt, die als vollwertige Posbis ausgeführt sind. Diese Konzeption geht auf die enge Zusammenarbeit mit dem Zentralplasma zurück, da dieses die Bedrohung durch MODROR auch für sich als existenzgefährdend ansieht.

Die Auswahl der INVINCIBLE II-Kreuzer ist absichtlich gewählt, da man kleine, wendige Schiffe den großen Schlachtschiffen vorzieht, um schneller auf einem Planeten landen zu können. Die INVINCIBLE II-Kreuzer sind für dieses taktische Konzept mit entsprechenden Landungsbooten ausgestattet. Zur Deckung der Landungsboote sind zusätzlich jeweils 5 Staffeln NIMROD II-Raumjäger an Bord. Eine Staffel besteht aus 10 Jägern.

Oberbefehlshaber der Raumeingreifdivisionen ist General Scott C. McHenry. Ihm stehen 100 Generäle, Oberste und Majore als Kommandanten ihrer jeweiligen Divisionen zur Verfügung. Populärster Kommandant einer Raumeingreifdivision ist General Manuel Joaquin »Joak« Cascal, der auf eigenen Wunsch den Befehl über die 777. RED übernommen hat. Flaggschiff des 50 Kreuzer starken und 50.000 Mann großen Verbandes ist die DERINGHOUSE.

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