Band 120
Die Rhodanjäger
Perry Rhodan ist ein Mythos, den es auszurotten gilt
Autor: Nils Hirseland
Cover: Gaby Hylla
Innenillustrationen: Gaby Hylla, Stefan Wepil, Raimund Peter
DORGON ist eine nichtkommerzielle Fan-Publikation der PERRY
RHODAN-FanZentrale. Die FanFiktion ist von Fans für Fans der PERRY
RHODAN-Serie geschrieben.
Hauptpersonen des Romans
Nathaniel Creen
Ein Kopfgeldjäger sucht nach Rhodanmystikern und seiner
Vergangenheit
Hunter
Rhodanjäger und Kommandant der NOVA
Kuvad »Tai« Soothorn
Ein obskurer Springer
Atlan
Der relativ Unsterbliche muss sich diplomatisch geben
Kulag Milton
Ein rudynischer Raumschiff-Tycoon
Eleonore
Die Positronik der NOVA
Inhalt
Hauptpersonen des Romans 2
Inhalt 3
Was bisher geschah 4
Prolog 5
1. Jäger 10
2. Atlan 16
3. Die ter Campernas 22
5. Die Springer-Sippe 37
6. Der mächtige Galax 44
7. Trafalgar 47
8. Die CASSIOPEIA 59
9. Trafalgars Geheimnis 67
Vorschau 76
Glossar 78
Impressum 82
Was bisher geschah
Wir schreiben das Jahr 2046 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, was
dem Jahre 5633 alter terranischer Zeitrechnung entspricht. Ein
Begriff, mit dem die Galaktiker nichts mehr anzufangen wissen. Es
ist die Epoche des Cairanischen Friedens, in der Terra ein Mythos ist
und Perry Rhodan eine Märchengestalt.
Terra ist verschwunden und förmlich aus der Geschichte der Milch-
straße getilgt. Durch den Posizid wurden galaxisweit Daten von-
Positroniken gelöscht. Mit der Datensintflut wurden Unmengen an
sich widersprechenden Daten eingespielt.
Das Terranische Odium, eine sechsdimensionale Strahlung,
verhindert, dass Galaktiker an Terra denken können. So ist nach
mehr als 500 Jahren aus der Milchstraße eine Galaxie geworden, in
der das Wirken der Terraner in den vergangenen 3.600 Jahren
vergessen zu sein scheint.
In der Liga Freier Galaktiker wird dank Reginald Bull die
Erinnerung an die Erde und den Mond hochgehalten, doch selbst
nach Perry Rhodans und Atlans Rückkehr ist es schwer, das fehlende
Wissen und Misstrauen zu überbrücken.
In dieser Zeit steht der Kopfgeldjäger Nathaniel Creen in den
Diensten der Camperna Agency Cloud Company. Als Pilot der
Space-Jet NOVA sucht er nach Flüchtigen. Sein Kommandant ist der
harte tefrodische Kopfgeldjäger Hunter.
Sie suchen nach Terranern, nach so genannten Rhodanmystikern,-
jenen, die an die Existenz der Erde glauben.
Sie jagen sie, denn sie sind DIE RHODANJÄGER …
Prolog
Jene Herzlosen schenkten einst zu viel Liebe.
Das Licht der Mondsichel drang durch die brüchige Wolkendecke.
Messadora lag mit ihrer Tochter auf dem weichen Heu vor dem Stall und
schaute in den Himmel. Die Sterne funkelten herrlich. Am Horizont zog ein
Gewitter auf, doch noch war das drohende Unwetter etwas entfernt.
Den Augenblick ge nießen. Es waren diese Momente, die sie glücklich
machten. Arm in Arm mit ihrem Kind die Ruhe genießen und die Sterne
beobachten.
Messadora streichelte durch das rote Haar ihrer Kleinen. In ihren hellblauen
Augen spiegelten sich die Sterne am Firmament.
Würden sie jemals zwischen den Sternen reisen können, so wie es der
legendäre Perry Rhodan einst getan hatte? Die Urälteste Niada hatte von
Zeiten der Raumfahrt und dem Großen intergalaktischen Krieg gesprochen,
wenn sie den richtigen Obstschnaps getrunken hatte. Es war nie eine
Chronik im eigentlichen Sinn gewesen, und die Urälteste hatte die
Geschichten nur widerwillig erwähnt. Messadora hatte das Gefühl, dass die
Urälteste einfach manchmal ihr Herz erleichtern musste.
Dabei dachte sie an das Gedicht des Herzens der Sterne. Jede Frau kannte
es, jede erlernte die namenlosen, tragischen Verse.
Grausam eisig, wie der kalte Weltraum
– mein Dasein eingekerkert in einem Alptraum.
Hörst du – oh mein Herz der Sterne – mein grenzenloses Begehren?
Oh, wann wirst du je zu mir zurückkehren?
Höre meine Stimme aus den Tiefen des Alls.
Meine Liebe wird nie vergehen, nicht einmal, falls
der Kosmos vergeht in den Gluten der Supernoven,und jedes Leben dahin
wird vergehen.
Melancholisch war dieses Gedicht. Es steckte so viel Sehnsucht darin. Doch
es war auch so negativ geschrieben. Die Urälteste hatte nie verraten, wem
es gewidmet war.
»Maka, ist das ein Asteroid?«, fragte Messidiri und streckte den Finger
zum Himmel.
Sie sah eine goldene Lichtspur, die durch das Firmament zog.
»Das ist eine Sternschnuppe. In alten Zeiten durfte man sich etwas
wünschen, wenn man eine Sternschnuppe sah.«
»Was denn?«
»Das ist geheim, meine Tochter! Komm, wünsch dir was.«
»Ja, Maka, ich wünsch mir einen Hund.«
Messadora lachte. Ihre Tochter sollte es doch nicht verraten. Aber einen
Hund sollte sie bekommen. Langsam war Messidiri alt genug für ein
Haustier, um die nötige Verantwortung für ein kleines Lebewesen zu
übernehmen.
Blitze zuckten am Firmament. Die idyllische Stimmung würde bald
enden. Ein Gewitter zog heran.
Sie stand auf und packte die Sachen zusammen. Ihre Blicke schweiften
über das Tal und ihre Heimatstadt. Sie war hell erleuchtet. Es war noch viel
zu früh für die Bewohner, um ins Bett zu gehen. Über der Stadt zuckten
grüne und blaue Blitze. Der Himmel wurde dunkler. Ein fahles rotes und
grünes Leuchten durchzog das Firmament Es war ein wenig unheimlich. Sie
fing an, die Sachen zu packen und suchte schon jetzt einen Unterschlupf,
sollten sie es nicht mehr rechtzeitig schaffen. In etwa 100 Metern befand
sich ein Stall.
»Maka?«
»Ja, Schatz? Komm, es regnet gleich. Und über den Hund sprechen wir
noch.«
»Aber Maka.«
Das Grollen wurde lauter. Das Gewitter kam immer näher.
»Es braucht Verantwortung für ein Haustier. Besonders für einen Hund.
Vielleicht könnten wir mit einem Silberfisch anfangen oder einer Krosten-
Spinne aus dem Tal. Was meinst du?«
Bei der großen Mutter, es wurde windig und das Donnern immer lauter.
Wie es dröhnte!
»Maka!«, schrie ihre Tochter.
Nun blickte Messadora hoch. Aus der Sternschnuppe war ein Feuerball
geworden, der immer größer wurde. Ihr stockte der Atem. Ein Asteroid
hielt auf sie zu! Was sollte sie tun? Sie packte ihre Tochter. Weglaufen. So
schnell es ging.
Das Dröhnen wurde konstant.
Weg! Nur weg hier.
Doch Messidiri riss sich los.
»Sieh doch, Maka!«
Etwas schimmerte rostig golden im Feuerball. Der spitze Bug schoss aus
den Flammen hervor. Das Gefährt war wie ein Vogel gebaut, mit rostig-
goldener Hülle und einem hohen Turm im Zentrum. Die Ausmaße mussten
gewaltig sein. Es musste mehrere Kilometer lang sein.
Ein Raumschiff!
Messadora zitterte vor Angst. Messidiri hingegen blickte fasziniert nach
oben. Das gigantische Raumschiff flog über ihren Köpfen hinweg. Es war
viel schlimmer als das Gewitter und der einsetzende Regen. Die Welt schien
in einer Apokalypse aus Feuer und Lärm unterzugehen.
Da fiel ihr weitere Zeilen ein.
Doch nein – du erstickst der Welten Träume so herzlos,
mein Zorn wächst unendlich und so sinnlos,
so überlasse ihre gepeinigten Seelen zum Trost meinem Abenteuer,
auf dass sie verbrennen im kataklystischen Feuer,
mögen sie an des Schwarzen Loches Sog terminieren,
auf dass ihre Seelen auf ewig in Qualen vegetieren.
Das Raumschiff wurde langsamer, bis es bewegungslos über der Stadt
schwebte. Die Bewohner mussten Todesangst spüren, so wie Messadora.
Ein gewaltiger Blitz schien die Erde zu teilen. Dann färbte sich der
Himmel.
Was war geschehen?
Nicht weit von ihr stand eine Frau in Weiß. Anmutig und unheimlich
zugleich. Es war ihre Maka.
Aber ihre Maka war tot. Und doch stand sie dort, so schön in ihrem
Totenkleid. Sie schwebte in einem weißen Leuchten an ihnen vorbei. Sie
wurde immer jünger, von einem Großmütterchen, zu einer Dame im besten
Alter, einer schönen Frau, einem Teenager, dann zu einem Kind, einem
Baby und schließlich verschwand sie.
»Maka, wer sind diese Leute?«
Um sie herum waren fremde Wesen. Monströse, majestätische Tiere und
Wesen aus längst vergangenen Zeiten. Was geschah hier, im Namen der
großen Mutter?
Die Stadt verblasste.
Die Schreie verstummten.
Stille kehrte ein.
Messadora umarmte ihre Tochter, hielt sie umklammert. Verzweifelt
schaute sie um sich, suchte Vertrautes. Was war aus ihrer Stadt geworden?
Der Stall war verschwunden. Stattdessen stand dort ein riesiger Baum mit
mächtigen Ästen. Alles war hier so fremd. Wo waren sie? War das noch ihre
Heimat?
»Maka, was machen wir jetzt?«
Messadora wusste keine Antwort.
»Jemand sagte einst, Furcht beeinflusst die Starken, die Schwachen, die
Ängstlichen, die Noblen und die Verruchten. Furcht ist mein Verbündeter
Messadora schrie auf. Auch Messidiri schrie. Vor ihnen stand ein Mann.
Sein dunkles, nasses, langes Haar hing ihm in Strähnen ins Gesicht, denn
es regnete noch immer. Er trug eine schwarze Kombination und einen
ebenso pechschwarzen Umhang, doch sein Gesicht spiegelte den blanken
Horror wider. Wie eine Leiche wirkte es, aus dem modrigen Grabe
auferstanden, und so blickte Messadora in eine Fratze des Todes. Die
Augen in der Totenmaske leuchteten golden und lebendig, so anziehend wie
ein Schwarzes Loch. Die fahle Haut war durchzogen von Falten und
zerfressen vom Tod.
»Grausam, eisig, wie der kalte Weltraum. Mein Dasein eingekerkert in
einem Alptraum.
Hörst du, oh mein Herz der Sterne mein grenzenloses Begehren? Oh,
wann wirst du je zu mir zurückkehren?«
Messadora erschrak ob dieser Verse.
»Ihr kennt das Gedicht des Herzens der Sterne?«, fragte sie.
»Mit jedem einzelnen Wort. Denn ich durchlebe es jeden Tag erneut.«
Er kam näher. Die feuchte Erde machte bei jedem seiner Schritte
schmatzende Geräusche.
Mit zittriger Stimme fragte sie: »Wer seid Ihr, Herr?«
»Ich bin jener, dessen gepeinigte Seelen der Anderen mein sind. Der
Überbringer des Untergangs und des Neubeginns. Die Zeit verändert sich.
Das Gesetz wurde geändert.«
»Ich … ich verstehe nicht, Herr!«
Die wandelnde Leiche stand nun vor ihr. Gekleidet wie ein Edelmann,
doch mit dem Gesicht des Todes.
»Ich weiß, dass du mich nicht verstehen kannst. Deine Generation hat
längst vergessen. Ihr wisst nicht, wie es ist, durch das dunkle, kalte All
zwischen den Sternen zu reisen.«
Zwischen den Sternen reisen? Für einen kurzen Moment trat ihre Angst
vor dem finsteren Mann in den Hintergrund. Die Neugier überwog.
»Die Urälteste erzählte Geschichten davon. Sie lehrte uns auch das
Gedicht vom Herzen der Sterne«, berichtete Messadora.
Das Zeitchaos bricht an. © Gaby Hylla
Sie schöpfte ein wenig Hoffnung, am Leben zu bleiben. Dann kehrte die
Furcht zurück und die Sorge um ihre Tochter.
»Aber Herr, dürfen mein Kind und ich jetzt nach Hause gehen?«
Der Fremde mit dem Totengesicht blickte sich um.
»Euer Heim existiert nicht mehr. Verloren im Strudel der Zeitenwende.
Die Stadt ist weg. So auch die Urälteste Niada. Die Hexe.«
Erschrocken schlug sich Messadora die Hand vor den Mund. Der Fremde
sprach ein verbotenes Wort. Niemand durfte eine Bürgerin ihres Volkes so
bezeichnen. Dann begriff sie, dass diese Blasphemie ihr geringstes Problem
war. Denn die Stadt war verschwunden. Das Tal war leer, kein Licht war zu
sehen und kein Geräusch zu hören. Welche Macht besaß dieses Wesen,
wenn es eine ganze Stadt verschwinden lassen konnte?
»Ihr vermochtet mich einige Jahrhunderte zu täuschen, doch nicht auf
ewig. Dem gierigen Schlund der Zeit konntet ihr nicht entrinnen. Niada
vermochte ihre Kosmogene Chronik schützen, doch nicht jedes Geheimnis
konnte sie vor ihrem Tode für sich behalten. Ich kenne nun den Standort der
Cagehall und werde sie finden. Und ich werde alle Kosmogenen Chroniken
an mich bringen, sei dir dessen gewiss.«
Das unheimliche Wesen stutzte.
»Du hast keine Ahnung, wovon ich spreche?«
Messadora schüttelte den Kopf. Ihre Gedanken rasten. Sie verstand nicht,
was er sagte.
»Bitte Herr, lasst mich und mein Kind gehen.«
»Welches Kind?«
Erschrocken blickte sich Messadora um. Neben ihr stand nicht mehr
Messidiri, sondern eine ältere Frau, die zusehends dahinwelkte. Ihr letztes
ersticktes Wort war »Maka«.
»Messidiri? Nein!«
Wieso alterte sie so schnell? Ihr ganzes Leben verblühte in grausamer
Eile. Sie musste ihr helfen. Nur wie?
»Aufhören«, schrie sie.
Doch es war zu spät, ihre Tochter verloren. Aus dem Kind war eine
Greisin geworden, die verging wie eine Blume im Winter. Die Haut
vertrocknete und bröckelte ab, die Haare fielen aus, das Fleisch verfaulte.
Alles innerhalb weniger Sekunden. Der Körper ihrer Tochter zerfiel zu
Staub.
Messadora hörte nicht auf zu schreien.
Ihre Tochter war tot. Einfach so tot. Ihr ganzes Leben war ihr geraubt
worden.
Was ging hier nur vor?
Der Fremde streckte den Arm in ihre Richtung aus. Die Bewegung seiner
Hand endete, ehe er sie berührte. Und da geschah es: Sie wurde ruhig. Die
Gedanken und Erinnerungen an Messidiri verflogen.
Hatte sie überhaupt eine Tochter? Nein.
Wer war sie überhaupt?
Wo war ihre Maka nur? Sie hatte solche Angst und wimmerte.
Maka, wo warst du nur? Sie sollte ihr helfen.
Sie blickte gebannt und doch voller Angst in die lodernden Augen des
Fremden. Und der sprach: »O Tochter des Seins! Lege jeden Tag
Rechenschaft vor dir ab, ehe du zur Rechenschaft gezogen wirst. Denn
unangemeldet kommt der Tod, und dann musst du deine Taten
verantworten.
Heute ist dein Tod gekommen. So lege Rechenschaft vor mir ab.«
Weinend fiel Messadora auf die Knie. Sie konnte keinen klaren Gedanken
mehr fassen. Alle tot. Alles weg. Der Regen fiel in Strömen auf sie
hernieder. Blitze züngelten am Himmel, gefolgt von ohrenbetäubendem
Donner.
Der Fremde mit der Totenmaske beugte sich herab. Er hob sanft ihr Kinn.
Sie schluchzte.
»Wer seid Ihr, Herr?«
»Ich bin Nistant. Fürchtest du den Tod, Hexe?«
»Ja… ich!«
Nistant nahm seinen Dolch, schnitt ihre Kehle durch. Messadora starrte
ihn entsetzt an. Das Blut spritzte aus ihrem Hals, tränkte ihre Kleidung.
Langsam sackte sie zusammen. Behutsam legte Nistant sie auf den
matschigen Boden.
»Ich vergebe dir dein bedeutungsloses Leben, Tochter des Seins.«
Sein Blick richtete sich auf das Raumschiff. Er ließ den Regen auf sein
Gesicht prasseln und gewann diesem Unwetter mehr ab als jedem
Sonnenschein. Blaue Blitze mischten sich in das Gewitter dieser Welt. Die
Zeit fraß diesen Planeten auf. Der Moment war gekommen, diesen Planeten
zu verlassen.
Die STERNENMEER sollte Kurs setzen.
Kurs Richtung Dorgon.
1. Jäger
25. Januar 2046 NGZ
Milchstraße
Nathaniel Creen – Kopfgeldjäger
und Navigator der NOVA
Die NOVA beendete den Flug durch den Hyperraum und materialisierte
270.000 Kilometer vor dem Mond Mashritun 6A, einem von insgesamt 26
Begleitern, die den Braunen Zwerg Mashritun umkreisten. Dieser
Himmelskörper war aufgrund seiner großen Masse kein echter Planet, aber
auch keine Sonne, da er zu wenig Masse hatte, um eine Wasserstofffusion
in seinem Kern in Gang zu setzen. Mashritun war jedoch schwer genug, um
eine Deuteriumfusion zu auszulösen.
Braune Zwerge nahmen eine besondere Stellung in der Kategorisierung
der Himmelskörper ein. Man könnte auch sagen, sie gehörten nirgendwo
richtig dazu. So wie ich.
Wie auch immer, in den mir bekannten Erinnerungen war ich noch nie in
diesem binären System im äußeren Bereich des sogenannten Perseus-Armes
gewesen. Innerlich zählte ich die Daten auf. Die Doppelsonnen trugen die
Bezeichnung Mashritun A und B. Insgesamt sechs Planeten kreisten um sie.
Das äußere, sechste Gestirn war der Braune Zwerg Mashritun 6. Ein Mond
der äußersten Welt war mein Ziel. Zwei der Trabanten waren in der
habitablen Zone. Die Hauptwelt hieß Mashratan.
Ich hatte das seltsame Gefühl, dass ich dieses System kannte. Dabei
wusste ich genau, dass ich niemals hier gewesen war. Soweit ich mich
erinnern konnte, und das war nicht viel, denn die meisten Jahre meines
Lebens lagen im Dunkel einer Amnesie.
Die NOVA näherte sich weiter dem Mond Mashritun 6A, der nur spärlich
besiedelt war. Auf der kargen, öden Landschaft wuchsen nur wenige
Pflanzen. Die Atmosphäre war dünn. Wer hier lebte, der wollte nicht
gefunden werden.
Es gab keine großen Siedlungen, nur kleine Dörfer, meist um einen
Raumhafen gebaut. Dort wurde illegaler Handel betrieben. Aktivitäten, die
vor den Cairanern wie auch vor den Ladhonen verborgen bleiben sollten.
Die Cairaner waren die stärkste Macht in der Milchstraße, und die
Ladhonen vermutlich die brutalste Kraft. Jedenfalls wollte sich niemand mit
einer von beiden Parteien anlegen. Das Mashritun-System war zu
unbedeutend, um den Cairanischen Frieden zu gefährden, und für die
Ladhonen war es offenbar nicht lukrativ genug. Deshalb zog es keine
Aufmerksamkeit auf sich.
»Eleonore, was weißt du über das System?«
Die Frage galt der Bordpositronik der NOVA. Die Space-Jet der
CORBIA-Klasse war ein längst ausrangierter Prototyp aus den
Flottenbeständen der Liga Freier Galaktiker.
»Möchtest du wissenschaftliche Fakten oder Folklore?«
»Erst einmal die Fakten.«
Das anmutige und zugleich ausdruckslose Gesicht einer Frau erschien als
Hologramm auf meiner Konsole. In meiner Gegenwart verwendete
Eleonore hin und wieder das selbst gewählte Bild einer blonden
Menschenfrau mit blauen Augen.
Sie ratterte mit ihrer kraftvollen, emotionslosen Stimme die
astronomischen Daten herunter, die ich ohnehin schon nachgelesen hatte.
Der fünfte Planet Mashratan wurde von knapp 500 Millionen Wesen
besiedelt. Obwohl diese heiße Wüstenwelt nicht unbedingt lebensfreundlich
war, schien sich bereits seit Jahrtausenden eine Kultur von akonischen
Kolonisten dort zu halten.
»Der Folklore nach kämpfte der legendäre Oberst Kerkum gegen
Terramystiker und Perry-Rhodan-Verschwörungstheoretiker, die er mit
Hilfe des damaligen Kristallbarons Bostich besiegen konnte. Mehr finde ich
in den Datenbanken.«
Das reichte mir.
Die NOVA erreichte die Atmosphäre des Mondes. Es gab hier keine
orbitalen Kontrollen. Raumfahrer kamen und gingen, wie sie wollten. Es sei
denn, sie waren im Zwist mit Banden oder Klans, so dass rivalisierende
Feinde sie schon im Anflug abschossen. Auf Mashritun 6A gab es weder
große Raumabwehrgeschütze noch eine eigene Administration. Die Region
war ein rechtsfreier Raum, die Zuflucht von Gesetzeslosen, Kriminellen
und Geflüchteten, die verborgen bleiben wollten.
Da wir in keinem Zwist mit irgendeiner der hiesigen Bande lagen, war die
NOVA sicher. Wir begannen den Landeanflug.
Eine dreidimensionale Hologrammkarte mit den Abtastungsergebnissen
zeigte mir eine Siedlung in einem Tal. In deren Zentrum befand sich ein
knapp zwei Kilometer durchmessender Landeplatz für Raumschiffe, um
den herum ein Dutzend kuppelförmiger Gebäude errichtet war. Es handelte
sich um Werkstätten, Bars, Diners und vermutlich auch Bordelle.
Mein Kommandant Hunter pflegte zu sagen, dass es auf jedem Planeten
und Mond Schlampen gab. Er musste es wissen.
Die NOVA aktivierte ihre Antigravfelder und landete auf einer freien
Stelle des Landesfeldes. Mit einem Durchmesser von 35 Metern fand sie
schnell einen Platz. Nur drei weitere Raumschiffe standen dort: ein
kugelförmiger, 50 Meter durchmessender Frachter der arkonidischen
Kristallbaronien, ein mehandorischer Walzenraumer und ein diskusförmiger
Raumer der Jülziish. Im Hintergrund ragten einige ausrangierte
Kugelraumer der Arkoniden, der Liga Freier Galaktiker und der Akonen
empor. Ich wusste nicht, ob sie einsatzfähig waren oder als
Rohstofflieferanten und Ersatzteillager dienten.
Ich aktivierte auf dem Touchpad vor mir eine Datei, und im Hologramm
erschien die hässliche Fratze des von mir Gesuchten . Zuerst fiel mir die
Zahnlücke bei den oberen Schneidezähnen auf. Die drei blauen
Tätowierungen im Gesicht waren markant, aber nicht ästhetisch. Auf der
Stirn hatte er einen Kreis mit einem dreiseitigen Propeller, unter dem
rechten Auge ein wellenförmiges Muster und unter dem linken Auge bis zur
Wange laufende, gemusterte Striche. Der geflochtene braune Bart, das lange
braune Haar mit Dreadlock-Erweiterungen und Münzen an deren Ende
rundete das Bild ab.
Er gehörte zu den Mehandor. Sie waren galaktische Händler und
entstammten den Kristallbaronien der Arkoniden. Umgangssprachlich
wurden sie auch Springer genannt, weil sie mit ihren Walzenschiffen von
Sonnensystem zu Sonnensystem sprangen, um ihre Geschäfte zu betreiben.
Eine Springerwalze stand auf dem Landefeld, allerdings gehörte sie sicher
nicht zur Soothorn-Sippe, zu der der Gesuchte gehörte. Vielleicht waren die
Mehandor auch misstrauisch, da ein Kopfgeld von 2000 Galax auf Soothorn
ausgesetzt war, und sie wollten keinen Ärger mit uns oder der Soothorn-
Sippe. Doch das waren nur Vermutungen.
Die NOVA setzte auf. Ich gab ein Signal an Hunter, auch wenn ich nicht
wusste, wo mein Boss steckte. Vermutlich schlief er seinen Rausch aus.
»Eleonore, falls Hunter aufwacht…«
»Informiere ich ihn über deine Handlungen. Jedoch leidet er noch an den
Nachwirkungen unseres virtuellen sexuellen Ereignisses. Er konsumierte
dabei zu viel von dem lepsonischen Rauschmittel.«
Prächtig. Hunter hatte ein Programm für Eleonore geschrieben. Sie
erschuf aus Formenergie einen weiblichen Körper, um ihn zu befriedigen.
Jedenfalls war Hunter wohl nicht zu gebrauchen. Ich musste den Job alleine
erledigen.
Ich erhob mich, setzte meinen Helm auf und bewaffnete mich. Eleonore
würde während meiner Abwesenheit gut auf die NOVA aufpassen. Besser
als Hunter. Ich verließ die Zentrale, bog nach rechts ab und erreichte den
schmalen Antigrav, in dem ich zwei Decks tiefer schwebte, und aus dem
röhrenförmigen Schacht ausstieg. Dann wandte ich mich nach rechts, ging
um den Antigrav herum und aktivierte den Ausstieg. Die Luke öffnete sich
und glitt surrend auf den Boden des Landeplatzes.
Es regnete. Mich störte das nicht, ich war in meinem alten Raumanzug
geschützt. Ein Überbleibsel aus meinem vorherigen Leben, was immer das
für eins gewesen sein mochte. Die Rüstung war grau, schmutzig und an
einigen Stellen verrostet. Ich hatte sie immer wieder geflickt, auch das
gläserne Visier, das zerbrochen gewesen war. Es war durch eine Rundbrille
und ein Atemsystem ersetzt worden.
Ein löchriger dunkler Umhang hing mir über die Schultern bis zu den
Kniekehlen. So ganz passte das optisch nicht zusammen, doch ich besaß
kein Geld für eine teure Reparatur. Auch von diesem Kopfgeld würde
Hunter zwei Drittel für sich beanspruchen.
Ich verließ den Schutz der NOVA. Auf dem Landefeld hatten sich große
Pfützen gebildet. Der Himmel war grau, und nur das orangefarbene
Leuchten am Horizont verriet die Position des Braunen Zwergs. Vor mir
lagen drei Gebäude. Sie schimmerten rostbraun durch den Regen und
wirkten ebenso zusammengeschustert wie meine eigene Rüstung.
Ein einsamer schwarzer, kugelförmiger Roboter mit vier Tentakeln und
einem großen blauen Auge im Zentrum schwebte surrend einige Meter an
mir vorbei.
Auf dem Gebäude links blinkte ein Schriftzug in großen Lettern:
MUCKHAIN.
Ich ging darauf zu. Kurz bevor ich den Eingang erreichte, glitt die schwere
metallische Tür knarzend in die Wand. Ein Unither trat heraus, blieb abrupt
stehen und starrte mich aus großen schwarzen Augen an. Der Rüssel im
grauen Gesicht des Galaktikers baumelte leicht von links nach rechts, dann
wich der Unither nach rechts aus und schritt an mir vorbei.
Ich betrat das Muckhain. Es entpuppte sich als eine Kneipe mit illustren
Besuchern aus der Galaxis. Im Hintergrund spielte eine Art Schunkelmusik.
In dem großen Raum standen zehn runde Tische, von denen sieben besetzt
waren. Menschen, Blues, Topsider, zwei weitere Unither und ein
kegelköpfiger Peepsie zählten zu den Gästen. Es wurde ruhig, als sie mich
am Eingang bemerkten, und alle starrten mich an. Davon ließ ich mich
nicht aus der Ruhe bringen und ging ein paar Schritte weiter. Die Tür
schloss sich.
Das Muckhain war dreckig und dunkel, eben eine typische Raumfahrer-
Spelunke. Die Tische und Stühle waren aus Stahl. Immerhin blieb mir
durch den Filter meines Atemsystems der Maske der ranzige Geruch
erspart, den ich in diesem Etablissement vermutete. Die Besucher rauchten
und tranken.
Rechts von mir befand sich ein langer Tresen, an dem weitere Gäste
saßen. Zwei Arkoniden, ein Zaliter, ein Jülziish und ein Springer.
Letzterer redete laut und gestikulierte wild. Er trug eine blaue Mütze und
einen ebenso blauen Overall. Das Haar war braun und lang. Ich ging
gemächlich zum Tresen und hörte dem Gerede des Springers zu.
»Ich sage euch, das ist wahr. Perry Rhodan ist zurück. Atlan auch. Die
waren auf Rudyn über den Jahreswechsel.«
Die NOVA über dem Mond Mashritung. © Raimund Peter
Der Jülziish begehrte schrill auf.
»Du bist ein Schwurbler, Mensch! Es gibt keinen Perry Rhodan. Das ist
pure Phantasie. Erfunden von der grün karierten Kreatur der listigen
Poesie.«
Der Blue hob die sechsgliedrige rechte Hand und winkte der Barkeeperin
zu.
»Noch ein Glas Milch, Mony
Der Tellerkopf auf dem langen Stielhals verharrte in der Bewegung.
Vermutlich hatte er mich mit seinem hinteren Augenpaar entdeckt. Wusste
der Blue, wer ich war? Dann neigte er den Kopf zur Theke, denn die
kurzhaarige, ältere Frau servierte ihm ein großes Glas Milch. Auf diese
Spezies wirkte Milch so wie hochprozentiger Vurguzz auf uns.
»Ach, Garülly, du hast ja keine Ahnung, mein Freund. Ich glaube, dass
sogar Terra mal existiert hat. Ich habe meine Quellen und ich weiß alles,
denn mir entgeht nichts. Gar nichts!«, prahlte der Springer.
Die Arkoniden und der Zaliter lachten abfällig.
Der Springer zündete sich eine Zigarette an und leerte das Glas mit der
grünen Flüssigkeit vor ihm.
»Doch, doch. Vor 500 Jahren hat eine Thora Thetin zusammen mit dem
höchst gefährlichen Ritter der Tiefe Shabazza Terra und dessen Trabanten
zerstört. Die Cairaner haben das vertuscht und neue Welten dort platziert.
Die Superintelligenz GECKO hat alle Daten und Erinnerungen manipuliert.
Ich sag es euch. So war es!«
Ich erreichte den Tresen und stellte mich neben den Springer. Dessen
Blick streifte mich. Das reichte aus, um ihn zu identifizieren. Er war der
Gesuchte, der sich selbst »Tai« nannte, was in arkonidischer Sprache so viel
wie »groß« bedeutete. Groß war der Typ jedoch nicht. Vielleicht gerade mal
1,65 Meter. Gierig starrte der Springer auf sein zweites Glas Vurguzz. Er
ergriff es und leerte es in einem Schluck. Dann nahm er zwei Schluck aus
seinem Bierglas.
»Seitdem du hier bist, erzählst du uns seltsame Geschichten, Tai«, murrte
der dunkelhäutige Zaliter und strich sich mit der linken Hand durch sein
kupferfarbenes Haar. Seine roten Augen blickten mich misstrauisch an.
»Und wer bist du?«
»Ein Suchender
Der Zaliter lachte missbilligend.
»Such woanders, Fremder!«
Ich legte die linke Hand auf den Tresen. Die rechte Hand blieb unten,
griffbereit am Holster meines Strahlers.
Die betagte Barkeeperin fragte mit rauchiger Stimme, was ich trinken
wollte.
»Nichts.«
»Das ist eine Verzehrkneipe. Trink oder verpiss dich«, raunte die Alte.
»Einen Vurguzz für den Springer. Auf meine Rechnung.«
»Na also, geht doch.«
Sie nickte und machte sich ans Werk.
Tai freute sich über den Drink und lachte.
»Prost, mein unbekannter Freund.«
Und schon war auch dieses Glas leer. Tai gab ein wohliges Grunzen von
sich.
»Wieso nennst du dich Tai?«, fragte ich.
Der Springer lachte erneut los.
»Mein zweiter Spitzname ist der dreibeinige Herrscher, wenn du verstehst,
was ich meine.«
Tai lachte weiter.
»Auf meinen Rüssel ist jeder Unither neidisch.«
»Jeder Siganese ist besser bestückt«, murmelte einer der Arkoniden.
Tai schien das zu überhören. Was sollte er auch tun? Die beiden
Arkoniden und der Zaliter waren athletisch gebaut und dem Mehandor
physisch deutlich überlegen. Selbst der von Milchkonsum getrübte Blue
wäre mit dem Möchtegern-Herrscher fertig geworden.
Nun leerte er sein Bier und bestellte gleich nach.
»Ach ja, nicht nur der ist groß bei mir. Schaut mal meinen Bizeps.«
Er spannte die Muskeln seines rechten Oberarms an. Das Ergebnis war
wenig beeindruckend.
»Stundenlanges hartes Training. Allein das Aufwärmen dauert sechs
Stunden.«
Ich verlor die Geduld. Die vier am Tresen waren keine Freunde des
Springers, sondern vermutlich nur Trinkkumpane. Offenbar war Tai allein.
Ich beschloss, Klartext zu reden.
»Dein Name ist nicht Tai. Du bist Kuvad Soothorn, ungeliebtes Mitglied
der Soothorn-Sippe. Du hast die Tochter des Patriarchen Warsun
geschwängert, wolltest sie nicht heiraten und bist untergetaucht. Es folgte
die Ächtung deiner eigenen Sippschaft. Auf Rudyn, Olymp und in den
Kristallbaronien bist du wegen Fahrerflucht, Flugflucht, Diebstahl, Hehlerei
und Betrug gesucht. All das ist jedoch noch nicht so schlimm. Weißt du,
was schlimm ist? Du hast Schulden bei der Familie ter Camperna.«
Kuvad »Tai« Soothorn starrte mich entsetzt an. Verstohlen blickte er sich
um.
»Denk nicht mal an Flucht. Das ist der Deal. Ich bringe dich zu den ter
Campernas und du begleichst deine Schuld. Oder du fliehst, ich töte dich
und bringe deine Leiche zu den ter Campernas. Deine Entscheidung.«
Der Zaliter und seine beiden arkonidischen Begleiter traten einige Schritte
zurück. Sie wollten offenbar keinen Ärger und setzten sich an einen der
freien Tische. Nur der Jülziish blieb am Tresen und starrte in sein
Milchglas.
»Hör zu, Mann. Ich bezahle das Kopfgeld. Ich bin nur gerade etwas
klamm. Wir machen einen anderen Deal, okay, Freund?«
Sie waren doch alle gleich. Nun flehte dieser Springer um Gnade und
schlug in seiner Verzweiflung utopische Deals vor.
Der Zaliter erhob sich wieder vom Nachbartisch.
»Wie hoch ist denn das Kopfgeld?«
Falsche Frage. Sie überlegten tatsächlich, mir das Kopfgeld streitig zu
machen. Gut, dass sie nicht wussten, dass die Liga Freier Galaktiker 4.500
Galax und die Kristallbaronien sogar 10.000 für die Ergreifung boten.
Dagegen waren die 2.000 Galax von ter Camperna mickrig. Dummerweise
arbeiteten wir für die CACC, die Camperna Agency Cloud Company.
Tai drehte sich um.
»Ich bin in mindestens zwölf Sternensystemen zum Tode verurteilt. Das
Kopfgeld ist immens.«
Was für ein Idiot.
»Er ist ein kleiner Gauner. Das ist nicht euer Kram«, sagte ich ruhig, die
rechte Hand immer noch am Holster meines Strahlers.
Nun standen auch die zwei Arkoniden auf.
»Der Springer kommt mit uns. Du gehst«, forderte der Zaliter.
»Schlechte Idee«, kommentierte ich.
Der Zaliter zog seinen Strahler. Ich aktivierte meinen
Individualschutzschirm. Da feuerte der Zaliter auch schon. Der Strahl
wurde von meinem Schutzschirm absorbiert. Ich zog meinen Nadlerstrahler
und erwiderte den Beschuss. Der Zaliter besaß keinen Schutzschirm. Der
glutheiße Strahl bohrte sich durch seine Brust, er brach zusammen. Die
beiden Arkoniden zogen ihre Waffen. Plötzlich wirbelte der Blue herum
und erschoss einen von ihnen. Mein zweiter Schuss traf den anderen
Arkoniden in den Bauch. Der Blue feuerte erneut und verschmorte das
Gesicht des Arkoniden.
Ich sah ihn verdutzt an. Natürlich sah er meinen Gesichtsausdruck nicht,
aber vielleicht interpretierte er meine Körperhaltung als Frage. Der Jülziish
flackerte auf einmal. Als ob… eine Projektion.
Die Holografie erlosch und die wahre Identität kam zum Vorschein. Ich
blickte in die grünen Augen eines Tefroders mit samtbrauner Haut und
kurzem rot-schwarzen Haar. Das kantige Gesicht passte zur muskulösen,
kräftigen Erscheinung des Rhodanjägers. Gut, dass ihm während seiner
Maskerade niemand zu nahe gekommen war, denn sonst hätte man schnell
erkannt, dass die Proportionen nicht zu denen eines Jülziish passten.
»Ich dachte, du schläfst deinen Rausch aus«, sagte ich zu meinem Chef.
Hunter verzog seinen Mundwinkel.
»Deshalb musst du noch viel lernen.«
»Wolltest du mich testen?«
Ich fühlte mich wie ein Schuljunge. Immerhin arbeiteten wir bereits einige
Jahre zusammen. Etwas mehr Vertrauen würde mir guttun.
»Ich wollte nur ein Glas Milch…«
Hunter nahm das halbvolle Glas und leerte es. Dann blickte er auf die drei
Leichen. Die anderen Gäste hatten inzwischen das Weite gesucht, und auch
die Barkeeperin hockte ängstlich unter dem Tresen. Hunter ging zu Kuvad
Soothorn, packte ihn am Hals und grinste.
»Nun, deine Optionen sind abgelaufen. Großmütterchen wartet schon auf
dich.«
Soothorn röchelte und versuchte vergeblich, sich aus dem Griff zu lösen.
Hunter zog den Springer weiter nach vorne. Ich verstand, packte die Hände
und legte ihm Energiefesseln an. Widerstandslos folgte Tai uns zur NOVA
und ließ sich in die Arrestzelle sperren.
Wir verließen den ungastlichen Mond Mashritun 6A und bald darauf das
System. Unser Ziel war das ATOSGO-Resort der CACC.
2. Atlan
27. Januar 2046 NGZ
Rudyn, Solare Residenz
Atlan blickte mit gemischten Gefühlen aus dem breiten Panoramafenster
seiner Suite in der Solaren Residenz über die Skyline von Neu Terrania. Die
Grenzen zwischen der neuen Metropole und der schillernden
Regenbogenstadt Genzez verschwammen immer mehr. Das Ergebnis war
mit seiner vielfältigen Architektur, welche die Baukunst vieler galaktischer
Spezies wiedergab, eine schöne Stadt.
So sehr sich Reginald Bull in den letzten knapp 500 Jahren bemüht hatte,
auf Rudyn eine neue Erde zu erschaffen, so sehr wirkte es doch nur wie
eine Kopie. Das war nicht das echte Terrania.
Es war nicht die Stadt, die Perry Rhodan vor 3660 Jahren als desertierter
Astronaut in der Wüste Gobi mit der Hilfe arkonidischer Technologie
gegründet und gegen die misstrauische Bevölkerung Terras verteidigt hatte.
Das war nicht der Planet Terra, auf dem Atlan viele Jahrtausende
verbracht hatte und der ihm mehr Heimat gewesen war als Arkon selbst.
Auf den ersten Blick glich die Großstadt natürlich dem alten Terrania, doch
seinem geübten Auge fielen sofort die Unterschiede auf. Beispielsweise
fehlte der Salzsee, der von der Residenz aus immer gut zu sehen gewesen
war.
Wehmütig dachte Atlan an den Goshunsee im Nordosten der Stadt zurück
und an seine Bungalows dort. Dieser schöne Fleck in Terrania war ein
Rückzugsort für die Unsterblichen gewesen. Ein Ort, an dem sie manchmal
ein ganz normales Leben führen konnten.
In den 500 Jahren ihres Suspenionsfluges auf der RAS TSCHUBAI hatten
sie viel verpasst. Nicht nur den Raptus Terrae, also das komplette
Verschwinden der Erde und des Mondes aus dem Solsystem, sondern auch
die völlige Demontage des Vermächtnisses aller Terraner. Perry Rhodan galt
als müde belächelte Legende, so wie einst König Artus, und Terra war ein
Mythos. Wie auch Atlan selbst und Gucky.
Durch den unerklärlichen Posizid und die ihm folgende Datensintflut
waren sämtliche in Positroniken gespeicherte Informationen über die
Geschichte der Milchstraße gelöscht oder völlig verzerrt worden.
Falschmeldungen und Legenden bestimmten die Geschichtsschreibung.
Schlimmer noch war ein sechsdimensionaler Effekt auf die Galaktiker,
durch den es ihnen Unbehagen bereitete, an Terra zu denken und sich der
Wahrheit zu stellen. Sie verschlossen sich vor den bisherigen Tatsachen und
akzeptierten die alternativen Fakten als Wahrheit.
Atlan nahm einen Schluck aus seinem Weinglas. Der zalitische 2020er
Nettoruna schmeckte ordentlich, war jedoch kein Vergleich zu den Trauben
auf Arkon. Er seufzte. Seine Heimatwelt, sogar sein ganzes Heimatsystem
lag unter eine Sphäre und war unerreichbar. Wie lange noch?
Steckten nur die arroganten Cairaner hinter all dem? Atlan wagte, es zu
bezweifeln. Welches Motiv hatten die Cairaner, die Erinnerung an die
terranische Geschichte so vollständig zu vernichten?
Vielmehr hatte er das Gefühl, dass es sich um eine persönliche Vendetta
handelte. Zweifellos hatten Perry, Bully und er sich im Laufe der letzten
dreitausend Jahre so einige Feinde gemacht. Die meisten waren längst tot,
aber nicht alle. Oder galt diese Geschichtsverfälschung und der Raub Terras
nicht ihnen, sondern ES? Waren die Cairaner nur das Aufräumkommando
einer Superintelligenz, um die Spuren von ES in der Milchstraße zu
verwischen? Nun, die Terraner und ihre Geschicke waren untrennbar mit
ES verbunden, es wäre also eine logische Erklärung. Aber ein Gefühl sagte
ihm, dass dem nicht so war.
Fakten sind hilfreicher als ein Bauchgefühl, warf sein Extrasinn ein.
Beheimatet in einem sonst brachliegenden Bereich des Gehirns war der
Extrasinn eine mahnende, innere Stimme. Er war schon über viele
Jahrtausende Atlans Begleiter, nachdem er vor ebenso vielen tausend Jahren
nach den Prüfungen der ARK SUMMIA durch hyperenergetische
Aufladungen aktiviert worden war. Der Logiksektor in seinem Gehirn gab
ihm Ratschläge, war der Grund für sein fotografisches Gedächtnis und
ziemlich sarkastisch.
Der Super-Duper Sales Manager Yeremiah Cloudsky. © Gaby Hylla
Atlan schüttelte den Kopf. Die Lage war jedenfalls noch viel zu verworren.
Vielleicht würde Perry Rhodan in der fernen Galaxis Vecuia auf neue
Informationen stoßen und einige Rätsel lösen.
Darauf wollte Atlan nicht warten, und außerdem mussten sie selbst in der
Milchstraße ihre Hausaufgaben machen. Immerhin operierte die USO
bereits im Geheimen. Sie mussten mehr über diese aalglatten Cairaner
herausfinden. Welche Rolle spielten die kriegerischen Ladhonen und wie
konnte man den Posizid und die Datensintflut rückgängig machen. Welche
Möglichkeiten gab es, diese Strahlung abzustellen?
Atlan fühlte sich in dieser Epoche der Milchstraße wie in einer dunklen
Zeit. Die Geschichte schien vergessen oder neu geschrieben zu sein, das
Altbekannte existierte nicht mehr. Mehr denn je empfand er, wie sehr Terra
ein Ankerpunkt in seinem Leben gewesen war.
Etwa 8.000 vor Christus war er auf Terra notgedrungen sesshaft
geworden. In jener Zeit hatte er von der Superintelligenz den
lebensverlängernden Zellaktivator erhalten. Nach der Zerstörung von
Atlantis durch die Druuf lebte er fast 10.000 Jahre im unfreiwilligen Exil
auf der Erde, hatte den Aufstieg und Fall vieler Zivilisationen erlebt und
war an der Entwicklung der Menschheit nicht ganz unbeteiligt gewesen.
So gesehen war Terra mehr Heimat als Arkon. Auch im Leben Perry
Rhodans und ihrer gemeinsamen Freunde. Es war ihr Zuhause. Verblieben
waren Erinnerungen im Terraneum, einem Museum in Neu Terrania und die
Solare Residenz, die nun als Wahrzeichen über Neu Terrania schwebte.
Die von Antigravfeldern gehaltene Solare Residenz war in Form einer
stählernen Orchidee gebaut und 1.010 Meter hoch. Der maximale
Durchmesser lag bei 575 Meter. Die breiteste Stelle befand sich oben an
den fünf metallischen »Blütenblättern«, in denen sich die Wohnanlagen,
Büros, Geschäfte und Versorgungseinheiten, aber auch die technischen
Einrichtungen befanden. Es gab fünf Lebensbereiche, die alphabetisch
bezeichnet wurden. Die Solare Residenz war Wahrzeichen, Regierungssitz,
kulturelle Einrichtung, Markt, Museum und wegen ihres
Überlichtantriebs sogar Raumschiff in einem. Noch nie war ihm so
bewusst geworden wie in diesem Moment, wie wertvoll die Residenz war
und welch Geborgenheit und Erinnerungen sie in dieser Zeit bot.
Es ist Zeit, oh alter Beuteterraner, mahnte der Extrasinn.
Es war in der Tat Zeit, denn er musste an einem Meeting mit Vertretern
aus der Wirtschaft teilnehmen. Reginald Bull hatte ihn darum gebeten. Es
ging um Geschäfte z CACC. Die unterhielten gute Verbindungen zu den
Cairanern. Das wollte Bully sich zunutze machen. Atlan mochte diese
politischen Scharmützel nicht, auch wenn er sie beherrschte. Er bevorzugte
einen direkten Weg.
Atlan richtete den Kragen seiner weißen Kombination und verließ die
Suite. Auf dem hellen Gang mit den vielen breiten Fenstern begegnete er
zwei kugelförmigen Servoroboter und einem verschwitzten Rudyner, der
forschen Schrittes an ihm vorbeiging, ohne zu grüßen. Er war vermutlich im
Terminstress. Der Antigravlift am Ende des Korridors brachte Atlan drei
Etagen nach oben.
Im sogenannten Lebensbereich B, einer der fünf Blütenblätter der
Residenz, befanden sich diverse kleinere Besprechungsräume. Dort wurde
er von einem silbernen, humanoiden Roboter erwartet. Nach einer
Individualabtastung ließ das mechanische Wesen ihn passieren.
Der Raum mit dem grauen Teppich war durch eine große Glaswand
lichtdurchflutet. Im Zentrum stand ein großer ovaler Glastisch. Reginald
Bull erhob sich zur Begrüßung. Hastig sprang ein kleiner, blauhäutiger
Glosneke mit strubbeligem, rötlich-orangefarbigem Haar auf.
»Hallo und guten Tag«, sagte der Glosneke und stellte sich vor Atlan, der
ihn um zwei Köpfe überragte. »Wenn ich mich vorstellen darf, Herr Aslan.
Mein Name ist Cloudsky, Yeremiah Cloudsky. Ich bin VIP Top Senior
Lifecycle Super Sales Manager der CACC.«
Atlan musterte den ferronischen Kolonisten. Der Glosneke trug ein
blauweiß-kariertes Hemd und braune Hosen. Glosneken galten im
Allgemeinen als sehr monetär eingestellt. Es hieß, sie würden ihre eigene
Großmutter verkaufen. Ihm fielen die großen Segelohren auf. Und ... Atlan
behielt die Ruhe, obwohl er ihm zum Loslachen war, denn eine kleine
Spinne krabbelte gemütlich am linken Ohr des Verkäufers entlang, was dem
Glosneken aber gar nicht auffiel.
Er hat dich mit einem sprechenden Löwen verwechselt, sagte der
Extrasinn.
Die Ähnlichkeit seines Namens und der Figur eines sprechenden Löwen
der Trivid-Serie war Atlan im ersten Moment gar nicht aufgefallen. Er tat
weiterhin, als hätte er es überhört. Cloudsky wirkte nervös und wollte das
sehr offensichtlich mit aufgesetzter Coolness überspielen. Er sprang
dynamisch wieder auf seinen Platz und trommelte mit den Händen auf den
Tisch. Der Arkonide nahm nun auch Platz. Er sah die Tassen auf den
Plätzen von Bull und Cloudsky. Ein Servoroboter brachte ihm nun auch
eine große Tasse Kaffee. Erwartungsvoll richteten sich die Blicke auf
Reginald Bull.
Der kräftige Terraner mit dem kantigen Gesicht und den roten
Stoppelhaaren schlürfte genüsslich seinen Kaffee. Auch Atlan griff nach
einer vollen Tasse, denn von dem schwarzen Getränk konnte er nie genug
haben. Bull setzte die Tasse ab, lehnte sich tief in den schwarzen Sessel und
fing an zu sprechen: »Vielen Dank für dein Kommen, Yeremiah. Atlan ist
seit Jahrtausenden ein geschätzter Freund, und ich baue auf seine
Expertise.«
Cloudsky lachte und nickte.
»Ja, ja. Ich hörte schon, dass ihr alle an Perry Perkins glaubt.«
Atlan atmete tief durch. Das hier war doch reine Zeitverschwendung.
»Nun, lieber Reginald. Vielleicht kannst du uns ja über den Sinn dieses
Treffens erhellen?«
Bull schien der Zynismus seines alten Freundes nicht zu entgehen. Er
räusperte sich.
»Geschäfte, mein lieber. Geschäfte. Yeremiah, da Atlan fast 500 Jahre
nicht mehr in der Milchstraße war, könntest du ihm die CACC kurz
vorstellen?«
Cloudsky klatschte in die Hände und stand auf.
»Die Camperna Agency Cloud Company ist seit Jahrzehnten die führende
Tourismus-Organisation in der Galaxis. Wir versüßen die schönste Zeit im
Jahr. Mit der ATOSGO und anderen Resort-Raumschiffen fliegen wir zu
atemberaubenden Welten und bieten unseren Gästen ein einmaliges
Erlebnis.«
Er wedelte dabei mit den Händen umher, als würde er dirigieren, und
starrte an die Decke.
»Doch das ist nicht alles. Wir sind ein Big Player, die Milliarden fließen in
Sturzbächen auf unsere Konten. Alle anderen sind Amateure. Unsere Work-
Life-Balance ist optimal konfiguriert. Unsere glücklichen Mitarbeiter lieben
das einmalig perfekte paradiesische Arbeitsklima und dürfen mit einem
Dienstrad sogar radeln. Das ist der Wahnsinn! Doch das
Familienunternehmen der ter Campernas bietet weitaus mehr
Die Augen des Mannes glänzten. Er wanderte im Raum umher und redete
sich in Rage.
»Vopp ter Camperna ist das Positronikgenie der Galaxis. Wenn es einem
gelingen wird, den Posizid rückgängig zu machen, dann ihm. Oh ja, nur
ihm, meine Herren. Sein Bruder Topp ist ein Energiebündel im
Unterhaltungssektor. Es gibt kein Vergnügen, für das Topp ter Camperna
nicht sorgen kann. Sie sind Multitalente, und ihr Horizont erweitert sich
immer weiter und weiter
Der Glosneke wurde immer lauter.
Dann hielt er inne, reckte die Arme in die Höhe und flüsterte: »The sky is
the limit.«
Atlan war klar, dass er einen Idioten vor sich hatte. Ob er wusste, dass er
eine terranische Sprache verwendete? Offenbar gab es noch Fragment als
Slogans, die in Englisch gesprochen wurden. Er wechselte einen
vielsagenden Blick mit Bully.
»Danke«, sagte der Resident der LFG.
Cloudsky starrte ihn an. Er war richtig ins Schwitzen geraten. Dann nickte
er und setzte sich. Er nahm das bereitstehende Glas Wasser und leerte es in
einem Zug.
»Kurzum gesagt, die CACC ist ein unabhängiger Wirtschaftsgigant,
geschätzt von der LFG, den Cairanern, den Kristallbaronien, den Tefrodern
und vielen mehr. Wenn die LFG einen exklusiven Deal mit uns möchte,
dann muss sie ein lukratives Angebot machen. Wir spielen nicht in der
Wüstenprovinz von Mashratan, sondern im Oberhaus, in der Galaxisliga.«
Atlan wusste, dass es Bull nicht um wirtschaftliche Interessen ging.
Vielmehr reizte ihn die Verbindung zu den Cairanern. Wie tief gingen die
Kontakte der CACC? Gab es die Möglichkeit, dass die LFG oder die USO
sie nutzen konnten?
»Beeindruckend, Yeremiah. Ich verstehe nun«, heuchelte er und wandte
sich an Bull. »Alter Freund, wir brauchen diese Leute. Wäre Homer G.
Adams hier, würde er mir zustimmen.«
Bull schmunzelte. Das terranische Finanzgenie Homer G. Adams hätte
Cloudsky vermutlich höchstens in der Postzentrale eines unterentwickelten
Kolonialplaneten eingestellt. Atlan vermisste Adams. Er war über
Jahrtausende nicht nur ein ruhiger und sachlicher Ökonom gewesen,
sondern auch ein verlässlicher Freund seit Perry Rhodans Mondlandung.
Das Schicksal von Adams war ebenso ungewiss wie das der Erde.
»Ich möchte die Galaktiker verbinden. Gerade die Cairaner müssen enger
an die Völkergemeinschaft gebunden werden. Wir müssen einfach mehr
zusammen unternehmen. In der Freizeit funktioniert das am besten.
Natürlich werden wir keine Cairaner ins Ephelegon-System lassen, doch
wenn cairanische Gäste auf euren Resorts sind, erhöht sich die Chance auf
Verständigung.«
Cloudsky lehnte sich lässig zurück. Er nickte verständnisvoll.
»Klaro, ich verstehe genau. Sie möchten unsere Reiseveranstaltungen
nutzen, um Galaktiker und Cairaner in ein Bett zu kriegen, wenn ich das
mal so ausdrücken darf.«
Cloudsky nickte wieder und wirkte dabei gönnerhaft. Die Spinne seilte
sich inzwischen von seinem Ohr ab, und er bemerkte es immer noch nicht.
Bully lachte schallend und zeigte mit dem Finger auf den Glosneken.
»Der Mann ist Gold wert.«
Der Superverkäufer stimmte ins Lachen ein und wiederholte Bulls Geste.
»Die CACC lässt also ihre Kontakte bei den Cairanern spielen, damit
möglichst hochrangige Vertreter an den Reisen teilnehmen«, fasste Atlan
zusammen. »Natürlich hochrangige Artgenossen, wie ein Kurator, ein
Konsul oder ein Legat.«
»Selbstverständlich, nur Big Business.«
Der Blauhäutige streckte grinsend den Daumen in die Höhe.
Bull blickte ihn nun erwartungsvoll an.
»Und der Preis?«
»Ach ja«, Cloudsky räusperte sich. »Natürlich, der Preis. Der muss
angemessen sein. Wir sind absolute Profis. Wir sind auf dem Top Level
ausgebildet. Unser Motto ist: professionelle, lebensübergroße Alleskönner
natürlich, kurz PLAN. Denn den haben wir. Den Plan.« Er lachte schallend.
»Versteht ihr? Plan… den haben wir. Den Plan«
Er lachte weiter, während Bull zunehmend genervt wirkte. Atlan verbarg
seine Antipathie, so gut er konnte.
»Zehn Millionen?«, schlug Bull vor.
»Das ist etwas wenig. Ich schlage hunderttausend vor«, antwortete der
Glosneke.
Bull und Atlan wechselten einen irritierten Blick.
»Deal«, sagte Bull. »Einhunderttausend Galax pro cairanischen Gast, mit
dem wir ein Gespräch führen konnten. Die CACC informiert uns, sobald
ein cairanischer Gast bei euch an Bord ist.«
Cloudsky starrte ihn entgeistert an. Er blickte verlegen auf den Tisch, dann
zu Bull und nun zu Atlan. Offenbar war ihm der Fehler seiner Kalkulation
inzwischen aufgefallen.
»Wir sind bereit, den Preis auch zu erhöhen, sollte die Matriarchin nicht
einverstanden sein«, warf Atlan diplomatisch ein.
Cloudsky nickte und schaffte es, weiter zu lächeln.
»Du wirst doch unser Gast beim großen Empfang sein?«
Bull spielte damit auf die nächste jener langweiligen Partys von
Industriellen und Politikern an, die in Kürze im großen Konferenzsaal der
Residenz abgehalten werden würde. Atlan musste auch dorthin, obwohl ihm
gar nicht danach war. Doch es galt, Personen zu treffen, die mehr über die
Cairaner wussten. Sicherlich hatte Bully in den letzten fast 500 Jahren ohne
durchschlagenden Erfolg ähnliche Taktiken angewendet. Aber was blieb
Atlan anderes übrig, als es nicht auch zu versuchen? Die CACC war solch
ein weiterer Versuch.
Cloudsky sagte zu und bedankte sich. Dann sprang er auf, verabschiedete
sich, schnappte seine Tasche und ging schnellen Schrittes aus dem Saal.
Kaum war er aus der Tür, rannte er den Korridor entlang. Atlan warf Bully
sich einen fragenden Blick zu und blickten ihm durch die Glaswand
hinterher.
»Na ja«, meint der Terraner. »Wenn man muss, dann muss man…«
Bull wurde wieder ernst.
»Es gibt noch etwas, worüber wir reden sollten.«
Er aktivierte ein Hologramm. Auf einer Sternenkarte der Milchstraße
leuchteten einige Punkte. Atlan blickte ihn fragend an.
»In diesen Systemen und aus Handelsrouten sind seltsame Phänomene
aufgetaucht. Hyperstürme, Hyperleuchten. Wie eine Art Wetterleuchten.
Temporäre Anomalien im Raum-Zeit-Gefüge…«
»Was für Anomalien?«
»Raumfahrer berichteten von Amnesie, Erscheinungen aus der
Vergangenheit oder von unbekannten Personen aus der Zukunft. Sie waren
nur von kurzer Dauer und verschwanden mit den Hyperstürmen und
Hyperleuchten wieder. Es gibt bisher 24 Meldungen dieser Art in den
letzten drei Wochen. Davon 20 aus dieser Woche.«
Bully zuckte ratlos die Schultern.
»Da diese Anomalien temporär sind, haben wir keine Möglichkeit, sie
genauer zu untersuchen.«
»Stecken die Cairaner dahinter?«, fragte Atlan.
Bull stand er auf, atmete tief durch und wanderte um den Tisch.
»Als Terra verschwand, gab es auch Phänomene. Vielleicht geschieht das
jetzt mit der ganzen Galaxis.«
Atlan beunruhigte diese neue Entwicklung. Sie mussten sie aufmerksam
beobachten.
»Ich würde an deiner Stelle ein Kommuniqué an alle LFG-Raumschiffe
senden und auf die temporalen Anomalien nennen wir sie mal so
hinweisen. Wissenschaftler sollen besonders wachsam und bereit sein, falls
so eine Anomalie auftaucht, sie zu erforschen.«
Bully nickte. Er stützte sich mit den Fäusten auf dem Tisch ab.
»Als ob wir nicht schon genug Probleme hätten…«
3. Die ter Campernas
CACC Prime-Resort ATOSGO
28. Januar 2046 NGZ
Nathaniel Creen
Die NOVA fiel aus dem Hyperraum. Eleonore hatte eigenständig den Kurs
geändert, um einem Hypersturm auszuweichen. Die Stürme im Weltraum,
Anomalien mit zuckenden Blitzen und einer Art Leuchten hatten in den
vergangenen Tagen zugenommen. Eleonore hatte ein Update der
Sternenkarten vorgenommen und war dabei auf Einträge von anderen
Raumfahrern gestoßen. Ich wusste nicht, welche Auswirkungen diese
Phänomene hatten, jedenfalls war anscheinend bisher keiner zu Schaden
gekommen.
Ich saß allein in der Cockpit-Kanzel der modifizierten, alten Space-Jet und
überprüfte die Koordinaten. Das Raumschiff befand sich 2.700 Lichtjahre
vom Mashritun-System entfernt. Der alte HAWK-IV-Konverter benötigte
eine Wartung. Es wurde Zeit, dass wir die ATOSGO erreichten, sonst würde
die NOVA antriebslos im All treiben. Ich sendete ein verschlüsseltes Signal,
denn wir mussten vorsichtig sein. Die Gefahr durch Cairaner, Ladhonen
oder On-Piraten entdeckt zu werden, war groß. Auch durch Späher der Liga
Freier Galaktiker gefunden zu werden, wäre für die CACC zumindest
peinlich, denn offiziell galt die Organisation der ter Campernas als normale
Tourismusorganisation. In der LFG wusste wohl niemand von Raganas
anderweitigen Geschäftsmodellen – die Kopfgeldjagd war nur eine davon.
Ich sah ungeduldig auf das Chronometer, während die Minuten
verstrichen. Gedankenverloren blickte ich dann auf das pyramidenförmige
Artefakt mit der unbekannten Schnittstelle an dessen Boden. War es nur
mein »Glücksbringer« oder steckte mehr dahinter? Jedenfalls war die
Peripherie nicht kompatibel zu bekannten Rechnern oder Positroniken.
Auch eine Funkverbindung war nicht möglich. Ich hatte diese dreißig
Zentimeter hohe Pyramide nie geöffnet, um sie nicht zu beschädigen, und
Scans des Inneren hatten keine Ergebnisse geliefert. Die weißgoldene
Legierung des Objektes schirmte alle Abtastungen ab.
Außer meiner Rüstung war das Artefakt das Einzige, was ich von Beginn
an dabeigehabt hatte. Es musste wohl etwas bedeuten. Hunter hatte schon
oft vorgeschlagen, es zu öffnen, doch ich hatte Angst, es dadurch zu
zerstören.
Ein grünes Blinken lenkte mich ab. Das Signal leuchtete auf der
holografischen Sternenkarte vor mir.
»Die ATOSGO«, meldete Eleonore.
Das Raumschiffhotel war 1,4 Millionen Kilometer von uns entfernt. Ich
sendete einen Bestätigungscode und steuerte die NOVA in seine Richtung.
Die Außenbordkameras lieferten ein Bild der zweitausend Meter
durchmessenden, diskusförmigen Scheibe. Sie schimmerte in einem
grauweißen Ton. Die ATOSGO war 600 Meter hoch, in der Mitte befand
sich ein Hangar mit einer Ausdehnung von tausend mal siebenhundert mal
dreihundert Metern. Ein blauer Lichtstrahl leuchtete bis tief in die Bucht
hinein.
Das CACC Resort Raumschiff ATOSGO. © Raimund Peter
Auf der »Oberseite« des Diskus wölbte sich eine transparente Kuppel über
Gärten, Seen, Strände und Freizeiteinrichtungen. Im Inneren des
Raumschiffhotels befanden sich die Kabinen und Suiten der Passagiere, die
Quartiere der Crew und Büros natürlich neben Lagerhallen und den
technischen Einrichtungen wie dem Antrieb, der Energieversorgung und
den Schutzschirmgeneratoren.
Die ATOSGO bezog während ihrer Urlaubsflüge Position in der
Atmosphäre des ausgesuchten Planeten, war daher der Gravitation
unterworfen und entsprechend den planetarischen Bedingungen konstruiert.
Es gab also ein »Oben« und »Unten«, was im Weltraum keine Rolle spielte.
Die NOVA steuerte auf den großen Hangar zu, der für ein anderes
Raumschiff vorgesehen war. Noch machten die Offiziellen ein Geheimnis
darum, jedoch sollte das neue Schiff bei der nächsten Reise präsentiert
werden.
Als die NOVA nur wenige tausend Kilometer entfernt war, öffnete sich
eine Strukturlücke im mehrfach gestaffelten Schutzschirm.
Zugleich betrat Hunter die Zentrale.
»Dann werde ich unseren Gast wecken.«
Schon war er wieder verschwunden. Ich folgte den blau leuchtenden
Markierungen, aktivierte den Antigrav und schaltete das Triebwerk ab. Die
NOVA schwebte langsam zu ihrem Landeplatz. Sanft setzte die Jet auf. Das
Manöver war reine Routine. Ich nahm die Pyramide und verstaute sie in
meiner Tasche, dann setzte ich den Helm wieder auf. Es gab nur wenige
Lebewesen, die mich ohne Helm kannten, und so sollte es auch bleiben. Ich
verließ die Zentrale, ging rechts zum Antigrav und ließ mich schwerelos in
die untere Etage abgleiten. Dort stand bereits Hunter mit dem Springer, der
wieder einmal redete und um sein Leben winselte.
»Jungs, es ist nicht zu spät. Sucht ihr noch einen Ingenieur für euer
schönes Raumschiff? Ich kann das machen.«
»Laut deiner Akte warst du Metzger und Steinmetz. Keine
Voraussetzungen für einen Maschinenchef«, stellte Hunter fest und schubste
Soothorn zur Luke. Beinahe wäre der Springer gestolpert, doch er fing sich.
Er rückte die Mütze zurecht und grinste uns an.
»Ich bin vielseitig. Ich kann alles reparieren oder zerlegen. Ob nun ein
Schwein ausweiden oder einen HAWK-Kompensationskonverter nur
andere Innereien.«
Hunter schubste ihn weiter; hastig musste Kuvad Soothorn die Rampe
hinunterrennen, um nicht zu fallen. Hunter folgte ihm. Gemessenen
Schrittes ging ich hinterher und blickte mich im Hangar um. Es herrschte
der übliche Betrieb. Ein paar Roboter schoben Kisten hin und her, und zwei
Putzfrauen taten ihren Dienst. Sie schrubbten mit echten Besen den Boden.
Vermutlich hatten sie wieder einmal bei der Reinigung einer Suite versagt
und mussten Strafdienst ableisten. Dabei mussten sie auf antiquierte
Reinigungsutensilien zurückgreifen. Hunter ging zu den beiden.
»Holga, du Elendige. Und Cyba. Habt ihr etwa die Matriarchin
enttäuscht?«, fragte er spöttisch.
Holga war Rudynerin, sie trug den Spitznamen »Die Elendige«, den ihr
Ragana ter Camperna selbst verliehen hatte, als sie einmal angemerkt hatte,
dass Holga mit einer neuen Frisur nicht mehr ganz so elendig aussehen
würde. In der Tat war die Rudynerin mit ihrem schmalen, verbrauchten
Gesicht keine Augenweide. Sie seufzte und setzte zu einer Antwort an,
doch Hunter hob die Hand.
»Es kümmert mich nicht, was du verpatzt hast. Wisch den Boden weiter
Cyba blickte die beiden Kopfgeldjäger verständnislos an.
»Alles Mist. Wisch, wisch machen«, meinte sie.
Cyba stammte aus einer sehr primitiven unithischen Kolonie, die keinerlei
Kontakt mehr zu ihrer zivilisierten Spezies hatte. Sie verstand kaum
Interkosmo.
»Alles Mist«, wiederholte Hunter. »Und du bist mit deinem fetten Rüssel
im Gesicht auch einfach nur abstoßend hässlich.«
Er sagte die Worte mit so viel Charme und einem liebevollen Lächeln,
dass Cyba es wohl als Kompliment auffasste. Sie nickte und sagte: »Ja, ja,
danke!«
Hunter verzog angewidert das Gesicht. Er fühlte sich Angehörigen anderer
Spezies überlegen, und damit befand er sich bei der CACC in bester
Gesellschaft. Er packte Kuvad und schob ihn weiter nach vorne. Wir
verließen den Hangar.
Die Zeit der Übergabe war gekommen.
Die Etage 25 war dem höherrangigen Personal vorbehalten. Die führenden
Angestellten hatten in dieser Sektion ihre Quartiere und Büros. Im Zentrum
der Etage befand sich der Bereich der ter Camperna-Familie. Hunter und
ich waren selten dort.
»Ui, hier sind wir aber bei feinen Leuten«, meinte Tai, als sie aus dem
Antigrav stiegen.
Die Wände waren weiß, ein grauer Marmorboden war in der gesamten
Empfangshalle verlegt. Vor ihnen stand sich ein weißer Tresen mit der
schwarzen Aufschrift »Camperna Büro« auf. Dahinter stand eines der
grimmigsten Wesen der Milchstraße: Bytta Wolden. Sie war Imarterin und
wies den charakteristischen tonnenförmigen Brustkorb auf. Ihre Haut war
blassgrün, ihr platinblondes Haar kurz geschnitten. Sie musterte die
Ankömmlinge abfällig.
»Wo wollt ihr hin mit diesem Ding da?«
Sie zeigte auf den Springer.
»Gorlü, das musst du dir ansehen«, rief Wolden nach hinten.
»Was ist denn nun schon wieder? Ich maloche hier und habe keine Zeit für
so was. Weißt du das?«
Aus dem Hintergrund schlurfte eine schlanke Jülziish heran. Wie für ihre
Spezies üblich, hatte sie ein Vorder– und ein Hinteraugenpaar auf ihrem
tellerförmigen Kopf, der auf einem Stielhals ruhte. Dort befand sich auch
der Mund. Ihre blaue Haut war größtenteils von einem knallroten Fellsaum
bedeckt.
Ich kannte diese Quasselstrippe nur zu gut. Gorüküüana Lorübüllyvalütün,
kurz Gorlü genannt. Sie gehörte zusammen mit Wolden zum Sekretariat
und bildete mit ihrer imartischen Kollegin das »Duo des Schreckens«. So
nannten die unteren Chargen sie jedenfalls.
»Ach, ist der hässlich. Was bringt ihr denn so einen Müll hier an? Soll der
etwa für uns arbeiten? Noch so ein Nichtskönner«, jammerte die Blue.
Bytta Wolden schüttelte langsam den Kopf.
»Es kann doch nicht sein, dass ich 250 Prozent arbeite, während andere
nicht mal auf 2,5 Promille kommen.«
»Der hat bestimmt die 2,5 Promille noch im Blut. Wir haben ihn beim
Saufen geschnappt«, erklärte Hunter.
Gorlü machte eine theatralische Geste.
»Setzt euch mal hin!«. Sie betätigte eine Taste am Tresen, und hinter
ihnen bildeten sich drei Sessel aus Formenergie. Kuvad nahm sofort Platz,
und auch Hunter setzte sich. Ich bevorzugte es, stehen zu bleiben.
Bytta Wolden und Gorlü widmeten sich anderen Themen.
»Hast du gehört, dass die elendige Holga schon wieder Schulden bei der
Familie gemacht hat?«
»Nein, nicht wahr?«
»Doch, die hat so viele Kredite bei der CACC, die gehört faktisch ja schon
der Familie.«
Mit Familie meinte die Blue mit ihrer schrillen, unangenehmen Stimme
die ter Campernas, die allgemein so bezeichnet wurden.
»Und die macht auch immer so schlecht sauber, Gorlü! Das kannst du dir
nicht vorstellen. Aber ich putze der nicht hinterher. Ich nicht. Wer bin ich
denn? Raumfahrerarsch, oder wer? Ich hab’ so viel zu tun, so viel
Vorbereitung wegen dieser großen Veranstaltung.«
»Oha«, piepste Gorlü gellend. »Ich auch, ich auch. Die sind ja alle
verrückt und verbreiten so viel Hektik. Die ganze ATOSGO wird
ausgebucht sein.«
Bytta Wolden seufzte und betrachtete ihre Mikro-Positronik,
umgangssprachlich MiTron genannt. Dann winkte sie eilig die Jülziish zu
sich.
»Schau mal. Ist doch wieder schlimm, was Tarnaite angezogen hat.«
Gorlü schrie ohrenbetäubend. Sie glitt mit ihrer Stimme wieder in den
Ultraschallbereich. Jülziish nahmen Frequenzen mit bis zu 1,6 Gigahertz
wahr. Für Menschen war das sehr unangenehm, sie kommunizierten eher in
Bereich zwischen zehn und neunzehn Kilohertz.
»Die Titten flutschen ja beinahe raus. Schrecklich, schrecklich. Die hat
doch so einen fetten Hintern. Da kann man das doch nicht tragen. Woher
hast du die Aufnahme?«
Bytta lachte trocken.
»Ich habe Kameradrohnen, um die Reinigungskräfte zu überwachen. Die
hat Vopp ter Camperna entwickelt. Das sind kleine Nanoroboter, die sich
tarnen können. Genial, oder?«
»Leider sind die ganzen faulen Putzen nicht von der mattblauen Kreatur
der Tüchtigkeit geküsst worden, so wie wir beide.«
Die Imarterin nickte wohlwollend. Sie schob sich von ihrem Pult ab, der
schwebende Stuhl glitt rückwärts. Ächzend wuchtete sie ihren massigen
Körper aus der Sitzgelegenheit und seufzte erneut.
Ich war ob des Schauspiels gelangweilt. Hunter starrte auf den Boden,
während Tai den Raum betrachtete und debil vor sich hin grinste.
»Du hast einen schönen Vorbau, grünhäutige Schönheit«, sagte er in
Richtung Bytta Wolden gewandt.
Das erste Mal grinste sie über beide Wangen und entblößte dabei ihre
silbern glitzernden Zähne.
»Na, vielleicht können wir ja doch etwas mit dir anfangen«, meinte sie
verzückt.
»Das werde nur ich entscheiden!«
Erschrocken drehte sich Bytta um. Eine untersetzte Arkonidin mit
schulterlangem Haar schritt den Korridor entlang. Ihre roten Augen
richteten sich auf den Gefangenen. Bismaria da Enta war die Leiterin der
Etage. Sie war Assistentin der ter Campernas und für die Organisation
zuständig. Die Betreuung von Gefangenen fiel offenbar darunter. Ihre
Schals wedelten in der Luft, als sie forschen Schrittes näherkam. Hunter
hustete. Ich wusste aus Erzählungen, dass die Arkonidin ein starkes Parfüm
trug. Hunter hatte den Geruch als eine Mischung aus »alter Oma und
Raumhafen-Toilette« bezeichnet. Er musste es wissen. Tefroder hatten
einen besonders gut ausgeprägten Geruchssinn. Glücklicherweise filterte
meine Maske diesen speziellen Duft.
Hunter stand auf und zog Kuvad Soothorn mit sich.
Die Arkonidin blieb stehen, rückte zwei ihrer Schals zurecht und musterte
den Springer abfällig.
»Nun denn, diese Essoya hat also Schulden bei uns?«
Essoya war arkonidisch und eine abfällige Bezeichnung für Lebewesen.
Eigentlich bezeichnete das Wort eine Art Kohlkopf, der widerlich stank. Bei
den Arkoniden war es eine häufig verwendete Beleidigung.
»Nach dem Steckbrief hat er drei unbezahlte Puffrechnungen bei Topp ter
Camperna in Höhe von 17.323,65 Galax«, berichtete Hunter.
Tai zuckte mit den Schultern.
»Die sieben Nutten hätten mir eigentlich Geld zahlen müssen.«
Bismaria verzog angewidert das Gesicht.
»Zuzüglich des Kopfgelds schuldet der Springer uns 19.323 Galax. Nun,
Springer, hast du das Geld?«
Tai schüttelte den Kopf.
»Nicht gerade bei mir, aber …«
Sie winkte ab.
»Schweig! Du wirst auch von der Liga und den Kristallbaronien gesucht.
Das bedeutet, du bist vogelfrei. Nun gut.«
Sie seufzte, wirkte ernsthaft echauffiert und fühlte sich sichtlich unwohl in
Anwesenheit des Springers.
»Was kannst du?«
»Alles, Lady. Ich kann alles.«
»Meine Damen?«, rief sie in Richtung Bytta Wolden und Gorlü. »Wäre
der etwas für das Reinigungspersonal?«
»Nein«, rief Wolden entsetzt.
»Dann technisches Personal. Creen, begleitest du unseren neuen
Mitarbeiter zur Registrierung?«
»Wenn es sein muss …«
Der Weg führte uns durch den hellen Korridor. Kuvad Soothorn schlurfte
für andere sicher mitleiderregend hinter mir her. Ich empfand allerdings
weder Mitleid noch Sympathie für den Springer. Der Typ war ein
Taugenichts und Angeber. Schulden bei einem Bordell zu machen, war
ebenso peinlich wie beschämend. Ich hielt nichts von Prostituierten. Ich
mochte eigentlich sowieso kaum irgendwelche Lebewesen. Die meisten
waren verlogen und egoistisch, zu keinerlei großen, kosmischen Taten
fähig. Deshalb glaubte ich auch nicht an die Geschichten über diesen Perry
Rhodan. Sie passten nicht ins Bild dieser Galaxis.
Schließlich blieben wir vor einer Tür auf der linken Seite stehen. Nach
zwei Sekunden glitt sie nach rechts in die Wand. Ich sah zwei Schreibtische,
an denen sich sehr unterschiedliche Personen befanden.
Rechts saß der Hauri Cilgin At-Karsin an einem aufgeräumten weißen,
runden Tisch. Er hatte einen Monitor vor sich stehen. Daneben lagen ein
paar wohl geordnete Zettel und eine Mappe. Seine dunklen Augen in dem
hageren, eingefallenen Gesicht des schlaksigen Hauri starrte mich an. Die
schwarz-grauen Augen lagen tief in den Höhlen. Die schmalen Lippen
waren zusammengepresst, als würde er unter Schmerzen leiden. Der Kopf
des hellhäutigen, fast schon blassen Hauri war haarlos, die spitzen, langen
Ohren sehr gerade gewachsen. Er trug ein sandfarbenes Oberteil mit
weißem Kragen und einem Muster, welches wie sich umarmende Äste und
Blätter aussah.
Auf der anderen Seite lümmelte sich die Personalchefin, Boffelia Bokk,
die über ihr Interkom ein Gespräch führte. Ich bekam ein paar Bruchstücke
mit. Es ging ums Abendessen. Nudeln oder Salat war die Frage, also
handelte es sich um ein Privatgespräch. Die Rudynerin mit dem blauem,
wirren Haar war beleibt und kleidete sich ähnlich wie Bismaria da Enta.
Ihre grünen Augen ruhten für eine Sekunde auf mir, ehe sie sich wieder
ausgiebig dem Gespräch widmete.
Auch Cilgin At-Karsin blickte nun ungeduldig zur Bokk. Er räusperte
sich.
Der Buchhalter der CACC erhob sich wie in Zeitlupe. Mit zitternden
Lippen zwang er sich zu einem Lächeln.
»Guten Tag, Herr Kopfgeldjäger!«
Er betonte das Wort Kopfgeldjäger.
»Wer … wer ist denn unser neuer Freund?«
Bokk seufzte und verdrehte die Augen. Sie fühlte sich offenbar in ihrem
Privatgespräch gestört.
»Ich bin Kuvad Soothorn. Aber alle nennen mich Tai! Das bedeutet auf
Arkonidisch groß. Ich bin der neue Raumschifftechniker
»So, so«, meinte Karsin. »Ist das so, Herr Kopfgeldjäger?«
Dieser Hauri war mir unsympathisch, denn er war aalglatt und schmierig.
Obendrein war er feige und konnte sich nicht gegen seine Chefin
durchsetzen. Er kuschte vor Bokk, vor da Enta und natürlich auch vor den
ter Campernas.
»Soothorn soll seine Kredite bei Topp abarbeiten. Er wird dann wohl im
handwerklichen Bereich eingesetzt werden. Ich will ihn nur abgeben.«
»Hm«, brummte Karsin. »Mhm!«
»Und mein Kopfgeld abholen. 2.000 Galax.«
»Oh… ohh. So einer ist der Große also. Nun, ich werde in meiner
Positronik nachsehen.«
Karsin setzte sich hin und prüfte mein Anliegen, indem er auf den Monitor
blickte und offenbar etwas las. Er ließ sich viel Zeit dafür. Ich war genervt.
Die unsympathische Bokk telefonierte immer noch und erzählte nun von
ihren wunden Stellen am Bein, die sich mal ein Mediker anschauen müsste.
»Ah… ach ja. Da ist der Eintrag. Ein kleiner Eintrag. Ein Eintraglein,
würde ich sagen«, erzählte Karsin. »2.000 Galax Belohnung für Hunter und
Creen, sollten sie den Flüchtigen Kuvad Soothorn ergreifen. Hm, nun.«
Karsin warf mit offenem Mund einen Blick auf Tai und musterte ihn von
oben bis unten. Dann blickte er wieder auf seinen Bildschirm.
»Ja, das Bild stimmt überein. Hast du einen ID-Ausweis?«
»Einen echten oder gefälschten?«, fragte Soothorn.
Der Hauri seufzte.
»Ja… nun. Dann überspringen wir das. Ich muss gestehen…« Er stieß ein
heiteres, aufgesetztes Lachen aus. »Ich muss gestehen, ich kann dir das
Kopfgeld gerade nicht in bar auszahlen. Ich überweise… hm, Moment…
jetzt. Ja, jetzt ist die Überweisung auf euerem Konto eingegangen, Herr
Kopfgeldjäger. Schönen Tag noch!«
Karsin starrte nun konzentriert auf seinen Bildschirm. Für den Hauri war
das Gespräch wohl beendet. Bokk plapperte immer noch über das Interkom.
Ich schubste Soothorn in ihre Richtung.
Bokk blickte mich verständnislos an. Nebenbei schminkte sie sich, und
ich warf einen Blick auf ihre mit Lippenstift und sonstigen Schminksachen
gefüllte Schublade.
»Du kannst sowieso nicht fliehen, Springer! Warte hier, bis die ausgeredet
hat. Ich habe besseres zu tun.«
Ich ließ den verdutzten Gefangenen zurück und verließ den Raum. Kaum
war ich wieder auf dem Korridor, kam Hunter auf mich zu.
»Die Alte will uns sprechen. Neuer Auftrag.«
Nun ging es also ins Zentrum der Etage. Die Korridore waren rund
angelegt. Rezeptionisten und Angestellte arbeiteten in den äußeren Büros
und bewohnten die angrenzenden Quartiere. Im inneren Kreis lebte die
Familie der ter Camperna. Wir stellten uns auf das Laufband an der Seite,
um den Weg schneller zurückzulegen. So fuhren wir am großen Saal vorbei,
in dem Empfänge und Partys abgehalten wurden. Das Laufband endete
direkt danach an einer großen Tür mit der Aufschrift »TER CAMPERNA«.
Hier wohnten Ragana, die Matriarchin, ihr Mann Heshnat, ihre
onryonischen Ziehsöhne Vopp und Topp und die Familie Vopps, immerhin
sieben Kinder, und seine rudynische Ehefrau Stasya. Ein Großteil der
Familie befand sich jedoch auf der SEESTERN im Orbit von Taris VI.
Wir traten durch die Tür, die im Unterschied zu den Bürotüren nicht in die
Wand glitt, sondern sich nach innen öffnete. Es hieß, so wurden früher
Türen geöffnet. Wir betraten ein großes Foyer, das ziemlich zugemüllt war.
Dort schrubbte Tarnaite Grazus den Boden. Die Kammerzofe der Ragana
war eine der wenigen sympathischen Wesen hier. Die pummelige Dienerin
mit der blauen Haut, den dunklen Haaren und den großen, orangefarbenen
Augen wirkte wie immer unglücklich. In ihrem niedlichen Gesicht mit der
Stupsnase spiegelte sich Traurigkeit wider. Sie sah zu uns hoch.
»Die Kinder haben ein Kaninchen ausgeweidet. Und ich darf das
wegmachen.«
»Wenn sie ein paar Jahre älter sind, solltest du aufpassen, dass sie dich
nicht ausweiden«, spottete Hunter. »Wo ist sie?«
Tarnaite deutete auf die dritte Tür. Bevor wir weitergehen konnten, öffnete
sie sich bereits. Zwei dunkelhäutige Kinder rannten schreiend heraus, sie
waren eine Mischung aus Rudyner und Onryonen. Sie waren die Kinder des
Onryonen Vopp ter Camperna und der Rudynerin Stasya. Biologisch waren
Onryonen und Menschen demnach kompatibel. Die beiden Sprösslinge der
ter Campernas grüßten nicht, sie beachteten uns nicht einmal, sie rannten
und schrien vor sich hin. Ich blickte ihnen hinterher.
»So süße Jungs. Mein ganzer Stolz«, hörte ich hinter mir jemand sagen.
Die ältere Stimme war fein, freundlich und doch bestimmend und
distanziert. Ich drehte mich um, und da stand sie in ihrem grünen Kostüm.
Ihr silbernes Haar war voll und schulterlang. Das Gesicht eingefallen, ihrem
Alter von 208 Jahren entsprechend. Ihre roten Augen schienen voller
Energie und Tatendrang, und trotz des hohen Alters zu leuchten. Der
markante, wohl geschnittene feine Oberlippen- und Kinnbart dominierte die
Mundpartie.
Das war Ragana ter Camperna, die Matriarchin der CACC, der Camperna
Agency Cloud Company. Ihr Vater war ein einflussreicher Mehandor, ihre
Mutter eine arkonidische Adelige aus den Kristallbaronien gewesen. Das
Erbe hatte sich die ter Camperna mit ihrem inzwischen senilen
onryonischen Ehemann Heshnat Trushk geteilt. Es hieß, er sein ein On-Pirat
gewesen, jene berüchtigten Hyperraummarodeure der Onryonen, die ihre
Überfälle auf Raumschiffe aus dem Linearraum starteten.
On-Piraten nutzten mit dem On-Permanenzgenerator die Möglichkeit, sich
permanent im Linearraum aufzuhalten. Sie lebten dort in ihren
Raumnestern. Heshnat Trushk war wohl so ein On-Pirat und hatte Ragana
vor mehr als 110 Jahren geholfen, die Macht über ihre Springer-Sippe zu
erringen. Beide hatten vor knapp 60 Jahren geheiratet, nachdem Trushks
damalige Frau unter mysteriösen Umständen gestorben war. Ich hatte den
Alten bisher nur als physisches Wrack erlebt, der mit ansehen musste, wie
seine Ehefrau ihn mit einem der Techniker betrogen hatte. Angeblich
schlurfte er noch nachts durch die Korridore der 25. Etage.
Die beiden Kinder Vopp und Topp stammten aus der vorherigen
Verbindung des Onryonen, doch Ragana hatte sie adoptiert und betrachtete
sie und ihre Ausgeburten als ihre eigene Familie.
Jedenfalls war Ragana die Herrin und Meisterin der CACC. Zwar führten
ihre Söhne Teilbereiche des Unternehmens, doch Ragana war die Chefin.
»Nun, Sie haben den säumigen Geschäftspartner meines Sohnes gefunden.
Sehr gut. Er wird sich nützlich machen«, sagte sie und schaute Tarnaite
Grazus dabei zu, wie sie den Boden säuberte. Sie lächelte milde. »Die
kleinen Racker sind ja so verspielt. Sie lieben es, mit Tieren zu spielen,
wissen Sie?«
»Bezaubernde Kinder«, erwiderte Hunter, während ich auf die Blutlache
blickte, die vom Kaninchen stammte.
Ragana wollte gesiezt werden. Eine Form der Anrede, die selten war. Sie
empfand sie als respektvoller und erwartete, dass sich ihre
Gesprächspartner nach dieser Gepflogenheit richteten.
Hunter räusperte sich.
»Sie haben einen Auftrag für uns?«
Sie stemmte die Ärmchen in die Hüften und stöhnte.
»Ja, es ist sehr viel zu tun, meine Herren. Der Deal mit Kulag Milton,
dann die Verhandlungen mit Cairanern, Liga Freier Galaktiker und
Ladhonen. Es ist anstrengend, alles im Einklang zu halten.«
Sie hielt inne, dann stieß sie mit dem Fuß den Eimer um, in dem die
Überreste des Tieres waren. Alles schwappte auf den Boden. Tarnaite sah
sie fragend an.
»Lass dir das eine Lehre sein, mein Kind. Das war nicht sauber. Ich dulde
keine Schlamperei, verstanden?«
»Ja«, flüsterte Tarnaite devot. Die Augen wurden wässrig. Sie tat mir ein
wenig leid. Doch so war das Leben. Man räumte den Müll anderer weg. Im
Grunde genommen waren wir Kopfgeldjäger nichts anderes als Putzleute.
Nur, dass wir keine Innereien vom Boden schrubbten, sondern sie vielleicht
dort verteilten, und immerhin riskierten wir unser Leben bei unseren
Einsätzen. Im Unterschied zu den Putzen.
»Unser Auftrag?«, fragte Hunter ungeduldig.
Die Matriarchin wandte sich einem mächtigen Schrank zu. Sie lugte hinter
die Schrankwand, wischte mit dem Finger in der kleinen Spalte entlang,
entdeckte jede Menge Staub und seufzte leise.
»Meine Kontakte bei den On-Piraten, immerhin Artgenossen meiner
Familie, haben bei einem Überfall auf eine Handelskarawane der Springer
einen interessanten Fund gemacht. Von Rhodanmystikern geschriebene
Märchen, die jedoch für bare Münze genommen werden. Sie preisen Perry
Rhodan an und behaupten, es habe Terra und Rhodan wirklich gegeben.«
»Es heißt jedoch, dass Rhodan tatsächlich existiert und auf Rudyn war«,
wandte ich ein.
Die Alte winkte ab.
»Hochstapler. Wir werden wohl bald diesen Möchtegern-Atlan
kennenlernen. Arme, verrückte Terraidioten. Es ist im Interesse des
Cairanischen Friedens, dass so ein Aberglaube nicht noch geschürt wird.
Finden Sie die Urheber dieser Schundliteratur und informieren mich dann.
Ach ja…«
Sie öffnete den Schrank und nahm ein Heft heraus. Darauf war das
Konterfei eines Mannes zu sehen, der einen Raumfahrerhelm trug. Hinter
ihm schwebte ein Kugelraumer zwischen Planeten. Der Titel hieß »Der
Unsterbliche«. Darunter stand »Ein ganzes Sonnensystem ist bedroht nur
Perry Rhodan kann die Rettung bringen.«
Ich betrachtete das Cover. Ragana blätterte durch die Seiten und reichte es
mir anschließend.
»Nur Perry Rhodan kann die Rettung bringen«, rezitierte Ragana. »Sie
sehen, wie gefährlich dieser Mythos ist. Er macht Hoffnung, wo keine
besteht. Es gibt kein Terra, und es gibt keinen Perry Rhodan. All das ist eine
Erfindung von diesem Reginald Bull, um sich selbst zu legitimieren. Je eher
wir die Köpfe der Galaktiker reinwaschen, desto besser. Und die Cairaner
werden uns wohlgesonnen sein.«
Hunter räusperte sich. Er fuhr mit der Hand über seinen Dreitagebart.
»Offiziell sind wir doch Partner der Liga Freier Galaktiker. Sie planen
einen großen Deal mit denen. Und jetzt sollen wir das bekämpfen, wofür
die stehen?«
Ragana lachte und entblößte ihre gelb-schwarzen Zähne.
»Politik, mein lieber Hunter. Das ist Politik. Kontaktiert die Springer-
Sippe der Soothorns. Deren Karawane wurde überfallen. Sie sollen uns
sagen, wer die Fracht in Auftrag gegeben hat. Und nehmen Sie diesen
Soothorn mit. Es könnte nützlich sein, wenn sie sehen, dass wir ihn haben.«
Hunter gab mir ein Zeichen. Ich steckte das Heftchen ein.
Sie grinste erneut.
»Meine Herren, ab jetzt sind Sie wieder Rhodanjäger
Ragana wandte sich ihrer Dienerin zu und belehrte sie über die Staubreste
hinter dem Schrank.
Der Rhodanjäger Hunter. © Gaby Hylla
4. Der Tycoon Milton
29. Januar 2046 NGZ
Solare Residenz, Rudyn
Atlan betrat den großen Festraum.
Der Saal, eigentlich nur Konferenzraum an der Unterseite des
Blütenblattes der Orchidee, war festlich geschmückt und voller Politiker
und Geschäftsleute der LFG. Er erblickte Rudyner, Arkoniden, Jülziish,
Unither, Cheborparner, Topsider und viele andere Vertreter galaktischer
Spezies. An der Decke zogen holografische Sternschnuppen entlang,
Sternennebel bildeten sich und vergingen, Planeten und Sonnen zogen ihre
Bahnen.
Ein Blick aus dem Fenster zeigte die leuchtende Skyline von Neu Terrania
mit hunderten winziger Punkte, die wie Leuchtkäfer vorbeizogen. Es waren
Gleiter und kleine Raumschiffe, die ihre Beleuchtung aktiviert hatten, da es
draußen dunkel war.
Aus den Lautsprechern dröhnte eine undefinierbare Musik, die vermutlich
den Zeitgeist des 23. Jahrhunderts NGZ widerspiegelte. Zu der ruhigen
Synthesizer-Musik sang eine männliche Stimme so etwas wie »Shub-A-
Dooe«.
»Hört sich an wie eine Rave-Party aus der dekadenten arkonidischen
Zeit!«
Gucky jammerte über die Musik und wedelte mit den Armen. Das braune
Fell des Ilts glänzte weich. An seinem Hinterteil ragte der breite Schwanz
heraus. Er trug eine rote anstatt der typischen gelben oder grünen
Kombination.
»Wenn mich nicht alles täuscht, stammt die Musik von dem legendären
terranischen Komponisten Peter Thomas, der auch eine Hymne an Perry
Rhodan komponiert hatte«, erklärte Atlan.
»Vermutlich stammt die aus Bullys Privatsammlung. Ich bezweifele, dass
der Posizid kulturelle Daten verschont hat.«
Gucky spielte damit auf den Raub aller digitaler Daten im 19. Jahrhundert
der neuen Galaktischen Zeitrechnung an. Alle offenbar vernetzten
Positroniken wurden galaxisweit gelöscht und wenig später mit einer Flut
an Daten neu befüllt. Doch diese Daten widersprachen den Tatsachen und
der Geschichte der Milchstraße. Die Erinnerung an Terra, an das Solare
Imperium und die Taten der Menschheit sind gelöscht und durch alternative
Fakten ersetzt worden. Die Galaktiker hatten sich im Laufe der
Jahrhunderte an die neuen Wahrheiten gewöhnt.
Einzig die Liga Freier Galaktiker schien ein Bollwerk gegen die
Unwissenheit zu sein. Reginald Bull und Icho Tolot hielten das Wissen an
Terra hoch. Doch es war schwer, so als ob man versuchen würde, immer
und immer wieder zu erklären, der Weihnachtsmann sei real. Jedoch war es
in diesem Fall tatsächlich die Wahrheit, auch wenn man sich die nötige
Skepsis natürlich bewahrte.
Wer glaubte an einen Planeten, der nicht existierte ? Und warum sollte
jemand an Errungenschaften einer Spezies glauben, wenn in den
Datenbanken darüber nichts erwähnt wurde?
Sie waren in einer seltsamen Zeit gestrandet. Wie wäre es wohl einem
Römer ergangen, wenn dieser nach dem Zusammenbruch des Römischen
Reiches in die Zukunft gereist wäre? Es gab im Frühmittelalter dunkle
Jahrhunderte, in denen sich die Menschen nicht der Errungenschaften und
Geschichte ihrer Vorfahren bewusst waren oder sein wollten. Das Wissen
und die Errungenschaften aus der Vergangenheit waren zum Teil
verlorengegangen. Auch wenn Bull Schadensbegrenzung betrieb, so lebte
der Großteil der Milchstraße in einer gigantischen Unwissenheit ob ihrer
eigenen Historie. Das waren die Tatsachen, mit denen Atlan, Gucky und
alle Besatzungsmitglieder der RAS TSCHUBAI nach ihrem fast 500 Jahre
andauernden Suspensionsflug zurechtkommen mussten. Nun mussten sie
Pläne schmieden, um dieses Chaos zu beenden. Vielleicht würde es ja Perry
Rhodan auf seiner Expedition gelingen. Möglicherweise konnte Atlan selbst
die Fassade der cairanischen Macht zum Bröckeln bringen.
»Grübelst du nach oder hältst du Zwiegespräche?«, fragte Gucky.
»Hm«, machte Atlan nur.
Gucky breitete die Arme in einer ratlosen Geste aus.
»Dann mischen wir uns mal unters Volk«, sagte der Mausbiber und
watschelte voran.
Atlan aktivierte die Spiegelfunktion seines Interkoms. Der Arkonide trug
eine blauweiße Kombination mit einem weißen, halblangen Umhang, der
bis zu den Knien reichte. Alles saß perfekt. Er steckte den Interkom in die
Hosentasche, dann folgte er Gucky. Knapp 30 Meter entfernt entdeckte er
Bull im Gespräch mit Terranern. Bully gestikulierte wild und verschüttete
dabei einiges aus seinem Bierglas.
Atlan schob sich mehr oder weniger sanft zwischen den Gästen durch,
während Gucky sich frech telekinetisch drei Meter in die Luft hob und im
Schneidersitz über ihren Köpfen zu Bully schwebte. Der Resident erwartete
die beiden.
»Ich habe schon jetzt genug von der Party«, murmelte Atlan.
Ein Servoroboter brachte Getränke. Atlan nahm Wein. Einige der
Anwesenden starrten Gucky und ihn an, als wären sie ein Phantom oder
Geist. Im Grunde genommen waren sie das auch für sie. Andere schienen
sich nicht darum zu kümmern, wer sie waren. Atlan fühlte sich wie der
nerdige Gast auf einer Party voller toller Typen, die ihn entweder völlig
übersahen oder wie einen Freak musterten. Es war ein surreales Gefühl. Er
war der über 13.000 Jahre alte Atlan, doch nur wenige nahmen Notiz
davon. Einige schenkten ihm Glauben, bei anderen spürte er das
Misstrauen.
Durch den Posizid und die Datensintflut war eigentlich kaum etwas
gewiss von dem, was vor dieser Zeit gesehen war. Es war ein Wunder, dass
die Milchstraße nicht in ein totales Chaos und in Degeneration verfallen
war, wie es unter der Herrschaft von Monos der Fall gewesen war.
Es gibt zwei stabilisierende Faktoren: Den Cairanischen Frieden und die
Liga Freier Galaktiker. Sie verhindern den völligen Zerfall ins Chaos,
kommentierte Atlans Extrasinn.
Atlan nippte an seinem Getränk und verzog das Gesicht.
»Nicht dein Jahrgang?«, fragte Bull.
»Kein Nettoruna jedenfalls. Weinbau ist nicht Rudyns Stärke.«
Ein weißhaariger Mann mit Bierbauch in teuren Klamotten kam auf sie zu.
Gefolgt von einer steif wirkenden Arkonidin.
Ihr Haar war hochgesteckt. Sie blickte verkniffen und unfreundlich drein,
während sich der dicke Mann sichtlich amüsierte, als er auf sie zuging.
»Darf ich vorstellen? Das ist Kulag Milton. Im privaten Sektor unterhält
er die größten Raumschiffwerften in der Liga«, stellte Bull vor.
Der beleibte Mann mit den wasserblauen Augen reichte Atlan die Hand.
»Angenehm. Du bist?«
Atlan schluckte seinen Ärger runter und reichte die Hand.
»Kulag, das ist Atlan«, erklärte Bull verständnislos.
»Ach ja, stimmt ja. Deine sonderbaren Schauspieler, die deine Legende
von Terra untermauern sollen.«
Milton lachte und steckte die Hände in die Hosentasche. Dabei wölbte er
seinen umfangreichen Bauch weiter nach vorne.
»Ich nehme dir diese Scharade nicht übel. Wenn die Galaktiker an etwas
glauben, ist das gut.«
»An was glaubst du?«, fragte Atlan.
Milton wurde ernst und wippte abschätzend mit dem Kopf.
»An den Galax. Ich bin Selfmade-Billiardär, ich bin reich. Wirklich reich.
Daran glaube ich.«
Die Arkonidin hinter ihm räusperte sich.
»Ah, darf ich meine Lebensabschnittspartnerin vorstellen? Sagreta da
Maag.«
Ihr Blick verriet nur pure Abscheu ihm gegenüber. Ihre roten Augen
musterten ihn wie ein lästiges Insekt. Ihr Händedruck war stark. Sie war
wohl keine zartbesaitete Kristallbaronin.
Wenn die nur glauben würde, wer du bist, würde sie dich mit etwas mehr
Ehrfurcht behandeln, meinte der Extrasinn.
Die Arkoniden von heute sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren.
Auch sie leiden unter den Manipulationen.
»Ich habe übrigens die schnellsten und teuersten 60 Gleiter in der
Galaxis«,
»Tatsächlich? Ich besaß mal ein ganzes Imperium. Ich nehme an, mir
gehörten da mehr als 60 Gleiter«, erwiderte Atlan kühl.
»Du spielst deine Rolle sehr gut für einen mittelklassigen Schausteller«,
meldete sich Sagreta nun zu Wort. Ihre Mundwinkel zuckten leicht. Sie war
offenbar angespannt, genervt oder angewidert von ihm.
Vermutlich alles zusammen.
Atlan musste dem Extrasinn zustimmen.
Die Arkonidin applaudierte leise und nickte Bull zu.
»Tolle Inszenierung«, sagte sie laut. »Doch wir alle wissen, dass Perry
Rhodan nur ein Mythos ist. Eine Lügengeschichte. Genauso wie seine
Gefährten. Dass du dich erdreistest, dich als ehemaligen Imperator Arkons
auszugeben.«
Milton räusperte sich.
»Saddy, nicht jetzt!«
Sie verdrehte die Augen und wandte sich von der Gruppe ab.
Kulag Milton winkte lächelnd ab.
»Wenn du wirklich Atlan bist, dann wirst du sicherlich nach einer
Immobilie auf Rudyn suchen. Mal unter uns zwei Chorknaben...«
Atlan und Yermiah Cloudsky auf dem Empfang in der Solaren Residenz. © Gaby Hylla
Er kam ihn unangenehm näher und dämpfte die Stimme.
»Ich habe absolute Top-Immobilien am Wasser. Sowohl auf Rudyn als
auch auf Benjamin.«
»Ich wohne in der Solaren Residenz. Ich werde es mir überlegen.«
Die Musik wechselt inzwischen zu einem klassischen Stück. Es war ihm
unbekannt, die Orchestrierung klang modern und fremdartig. Vermutlich
moderne Klassik, denn die terranischen Werke von einst waren im Posizid
ebenfalls verlorengegangen bis auf Bullys Musiksammlung, die
vermutlich noch aus Schallplatten aus Vinly und Kassetten aus Hartplastik
mit ellenlangen Kunststofffolien als Tonspeicher bestand.
Atlan bemerkte, dass Milton ihn verständnislos ansah. Dann ermahnte er
sich, dass er ja hier war, um Kontakte in Politik und Wirtschaft zu
schließen.
»Also gut, alter Knabe, ich habe doch großes Interesse an ein Luxushaus.
Es würde mich freuen, wenn du mir einige der Domizile vorstellst.
Natürlich nur die besten.«
Als sich Sagreta da Maag ihnen wieder zuwandte, ergriff Atlan ihre Hand
und schenkte ihr ein charmantes Lächeln.
»Ich hoffe doch sehr, dass diese arkonidische Kristallschönheit uns
begleiten wird?«
Atlan gelang erstmals, ein Lächeln auf das strenge Gesicht der Arkonidin
zu zaubern.
Sie schien ihre Meinung über ihn zu ändern. Zumindest bemühte sie sich
um Freundlichkeit. Das geschäftliche Interesse schien nun zu überwiegen
»Selbstverständlich. Ich bin die Gesellschaft dieser Braas’coi satt.«
Atlan schmunzelte. Genau so schätzte er Sagreta ein. Braas’coi war ein
eher rassistischer Ausdruck für Nicht-Arkoniden.
Milton legte die Hand auf seine Schulter.
»Ich verkaufe die luxuriösesten Häuser auf ganz Rudyn. Da kenne ich eine
Geschichte«, sagte er und nahm einen Schluck aus dem Glas mit
goldbrauner Flüssigkeit. »Da wollte doch ein Blues ein Luxushaus mit 20
Zimmern für seine Bagage kaufen. Das lag daran, dass er so viele Kinder
hatte. Und da kam er an und wollte über einen Kredit mit Laufzeit von 100
Jahren mit mir verhandeln. Was habe ich getan? Ich habe mit ihm einen
Rundflug in meinem hoch modernen und extrem teuren Gleiter, einem
Milton GTYZ-2000 Platin übrigens nach mir benannt –, gemacht.
Wohin?«
Milton lachte. Seine Augen leuchteten vor Freude. Er nahm einen
weiteren Schluck.
»200 Kilometer abseits der Stadt besitze ich eine alte Farm. Die ist seit
Jahren unbewohnt, so richtig verranzt und abbruchreif. Die habe ich ihm für
125.000 Galax angeboten und gesagt, dass genau das der einzige Platz für
ihn und seine Familie auf Rudyn ist. Und weißt du was? Er hat sie gekauft.
Er hat mir sogar einen Gefallen damit getan. Die Armut anderer geht mir
auf den Sack. Also weniger die Armut als die Armen selbst. Immer wollen
die was umsonst haben. Ich war ein Wohltäter für ihn. Der war froh, in der
Bruchbude zu leben. Kann man sich das vorstellen?«
Atlan atmete tief durch.
»Mir ist wohl die Pointe der Geschichte entgangen.«
Milton Kulag starrte ihn verdutzt an.
Atlan wollte sich das bedeutungslose Gefasel dieses Mannes nicht länger
anhören. Dass Reichtum im 21. Jahrhundert NGZ noch immer so viel
Bedeutung hatte, betrübte ihn. Er hatte gegen so viele Gegner gekämpft und
sie bezwungen. Die Gier war jedoch offensichtlich nicht so einfach
totzukriegen.
Bull winkte ihn zu sich. Atlan verabschiedete sich höflich von seinem
Gesprächspartner. Der Erste Resident stand mit Yeremiah Cloudsky
zusammen.
Der Arkonide erhaschte noch einige Sätze der Konversation.
»Wir sind ein Galactic Player und der größte Weltraumhotel-Anbieter der
Milchstraße. Außerdem revolutionieren wir den Positroniksektor. Wir
spielen in einer ganz anderen Liga. Mit uns fließen die Trilliarden Galax.
The sky is the limit!«
Cloudsky kam ihm wieder viel zu nah. Er grinste zu ihm hinauf und war
so nahe an seinem Kopf, als wollte er sein Ohr abknabbern. Atlan
verschaffte sich etwas Platz, ging zwei Schritte zurück und einen seitwärts
und hätte beinahe einen Bistrotisch umgeworfen. Zwei Unither und ein
Topsider starrten ihn ungehalten an. Die Rüsselwesen, die an aufrecht
gehende Elefanten erinnerten, vertieften sich wieder in ihre Konversation.
Das Echsenwesen hingegen blickte ihn noch eine ganze Weile finster an.
Der Glosneke räusperte sich und grinste debil.
»Yeremiah wollte mich gerade über die Fortschritte im Kampf gegen den
Posizid erhellen.«
Aus den Worten Bulls hörte er reichlich Spott heraus. Cloudsky schien es
jedoch ernst zu meinen.
»Wir Glosneken sind monetär eingestellte Wesen. Alles hat seinen Preis.
Und da gilt auch wieder das Motto: The sky is the limit.«
Cloudsky fing an zu lachen. Er war jedoch der Einzige, der über seinen
Witz amüsiert war.
»Nun, vielleicht kannst du mir ja ein paar Anhaltspunkte geben«, sagte
Atlan.
Cloudsky nahm Haltung an, schien auf 1,72 Meter zu wachsen und hielt
bedeutungsvoll die linke Hand in die Höhe.
»Stell dir vor, Aslan! Es gelingt uns, die Datensintflut zu revidierenund
alle Dateien wieder richtig zu klassifizieren Der Sohn der edlen der edelsten
Ragana ter Camperna, Vopp ter Camperna, ist ein Positronik-Genie. Der
beste Kybernetiker und Positroniker in der Milchstraße. Mit dem Vermögen
der CACC stehen ihm ungeahnte Ressourcen zur Verfügung.«
Cloudsky redete sich regelrecht in Rage, gestikulierte wild und tänzelte
von links nach rechts. Seine grünen Augen schienen vor Eifer zu leuchten.
»Wir können die Geschichte der Milchstraße in Ordnung bringen. Das
digitale Chaos beenden und die Wahrheit über den Raub von Mars und
Venus herausfinden. The sky is the limit.«
Er lächelte überlegen, starrte ihn herausfordernd an, als wollte er sagen:
Na, jetzt bist du aber überrascht von meiner Genialität?
»Terra und Luna wurden entführt. Mein Name ist Atlan, nicht Aslan. Das
war ein Löwe in Narnia. Chaos scheint auch im Geist der Galaktiker zu
herrschen.«
»Ja, ja, der Resident hat mir schon von deiner Rückkehr und Krankheit
erzählt.«
Der Glosneke lächelte milde und schlug Bully freundschaftlich auf die
Schulter, als wären sie uralte Kumpel. Damit konnte er Atlan nicht
beeindrucken. Allerdings hatte er den Arkoniden neugierig gemacht. War
dieser Vopp ter Camperna ein Genie oder auch so ein Hampelmann wie sein
Super-duper-Sales-Manager?
»Aslan und Mars sind ein Mythos. Raptus hin und Raptus her. Was ist
wahr? Vopp ter Camperna kann die Antwort finden. Sir, das ist ein
lukratives Geschäft für beide Seiten.«
Cloudsky zog eine Chipkarte aus seiner Hemdtasche und reichte sie ihm
wichtigtuerisch.
»Meine Karte, meine Vita und alle Kontaktinformationen. Wir werden
ohnehin in engem Kontakt stehen wegen der Sache mit den Cairanern. Wie
dem auch sei. Aslan, bei dir macht es klack und geh zur CACC.«
Mit einem Schnalzen zeigte er mit dem Finger auf Atlan und lächelte.
Dann wurde er wieder ernst, drückte sich an ihn, als wolle er kuscheln. Der
Glosneke ergriff seine Hand und drückte fest zu.
»Denke an meine Worte. Wir können dir Antworten geben. Denk immer
daran: The sky is the limit.«
Cloudsky ließ los. Mit einem Augenzwinkern verabschiedete sich der
Glosneke: »Ciaoy«. Dann rannte er wie vom Okrill gebissen los und
verschwand in der Menge.
Atlan und Bully blickten dem Super-Sales-Typen noch eine Weile entnervt
hinterher. Reginald leerte ein Glas Vurguzz und seufzte. »Die Milchstraße
ist ein Irrenhaus geworden. Durch den Posizid und die Datensintflut, durch
die sechsdimensionale Strahlung, die Gedanken an Terra mit Qualen
verhindert, sind so viele Verrückte entstanden. Wir müssen die Erde finden
und das alles rückgängig machen. Ich halte das nicht noch mal 500 Jahre
aus.«
Atlan war erst seit wenigen Monaten wieder in der Milchstraße und
verstand mehr und mehr, was Bully meinte und wie er in den letzten 500
Jahren gelitten haben musste. Welch Anstrengungen es kostete, in einer
Galaxis zu leben, in der die Bewohner ihre Vergangenheit ablehnten,
verdrehten und in Phantasiegeschichten lebten. Verschwörungstheoretiker
und Möchtegernhistoriker sponnen sich ihre eigene Geschichte der
Milchstraße zusammen, verschlossen die Augen vor Tatsachen, schufen
alternative Fakten und lebten damit ganz gut.
Die Galaktiker heute kannten und beherrschten weiterhin die Raumfahrt,
doch sie lebten geistig in Primitivität oder zumindest in einer gewissen
Verwirrtheit.
Wird eine Lüge oft genug erzählt, ist sie irgendwann wahr. Aus Terra war
ein Mythos geworden. Möglich, dass hier auf Rudyn die Erinnerung an
Terra am ehesten hochgehalten würde. Doch in weiten Teilen der
Milchstraße galt das nicht unbedingt.
Er nahm einem vorbeischwebenden Servoroboter zwei Gläser Vurguzz
vom Tablett und reichte eines Bully.
Er stieß mit seinem alten Freund an.
»Auf die Erde. Wir finden sie, Reg.«
»Auf die Erde!«
5. Die Springer-Sippe
2. Februar 2046 NGZ
7.400 Lichtjahre vom Ephelegon-System entfernt
Nathaniel Creen
Ich saß alleine im Cockpit und genoss die Ruhe. Einzig Eleonore war bei
mir, doch war sie überhaupt ein Lebewesen? Es wirkte so, dass sie
manchmal bemüht war, als solches zu wirken, statt nur die Positronik einer
alte Space-Jet zu sein. Eleonore hatte wieder einen Hologrammkörper
gewählt, den einer gut aussehenden blonden Frau mit blauen Augen. Sie sah
mich emotionslos an, während ich in dem PERRY RHODAN-Heft blätterte.
Rhodan und seine Gefolgschaft hielten sich im Wega-System auf. Dort
suchten sie nach dem Planeten des Ewigen Lebens, während die Wega
drohte, sich zu einem Roten Riesen der Spektralklasse M aufzublähen, um
als weißer Zwerg zu enden. Die Geschichte wurde auf das Jahr 1976 datiert.
Das war noch gar nicht so lange her. Ich verstand die Hintergründe noch
nicht so ganz.
»Du liest verbotene Literatur«, stellte Eleonore fest. »Ist sie interessant?«
»Sie ist in der Liga Freier Galaktiker sicher nicht verboten. Und ja, ist sie.
Ob etwas Wahres dran ist?«
»Meine Datenbank kann keine Hinweise darauf finden. Immerhin
existiere ich als Positronik bereits seit 800 Jahren.«
Ich wollte Eleonore nicht beleidigen, doch sie war auch Opfer des
Posizids und der Datensintflut gewesen. Die offizielle Erklärung der Liga
Freier Galaktiker zu den beiden Ereignissen wurde aber angezweifelt. Viele
Galaktiker sahen das nur als eine gut ausgedachte Finte von Resident
Reginald Bull, um seinen Terramythos zu begründen. Als ob es möglich
wäre, den Speicher aller Positroniken zu löschen und neue Daten
einzuspielen. Höchst unwahrscheinlich. Was war mit den Positroniken, die
zu diesem Zeitpunkt offline waren, und welche Fraktion besaß die Macht,
um so eine Manipulation durchzuführen? Und zu welchem Zweck? Nur um
die Erinnerung an Perry Rhodan und Terra zu löschen? So argumentierten
zumindest die Rhodanmystiker und andere Verschwörungstheoretiker. Sie
fanden in der Liga Freier Galaktiker, dem neuen Tamanium und Teilen der
Kristallbaronien Zustimmung. Andernorts wurden sie als Schwurbler und
Perrydioten bezeichnet.
Ich musste jedoch zugeben, dass viele Geschichten aus der Vergangenheit
sehr widersprüchlich waren. Es gab diverse Versionen bestimmter
Ereignisse. Müsste es nicht eine einheitliche Geschichtsschreibung in so
einer fortschrittlichen Galaxis geben? Doch wer war ich schon, um das zu
beurteilen? Ich kannte nicht einmal meine Geschichte. Ich wusste weder
wie alt ich war, noch woher ich kam. Mein Leben lag in einem Nebel aus
Vergessenheit.
Meine Erinnerungen reichten nur 16 Jahre zurück. Ich war damals in
einem fremden Raumschiff aufgewacht und hatte vor Ladhonen fliehen
müssen.
Alles, was ich bei mir gehabt hatte, war diese Rüstung und ein Beutel mit
dem pyramidenförmigen Artefakt.
Eine Weile hatte ich mich damals auf GONGOLIS befunden, jenem
galaktischen Habitat aus vier miteinander verbundenen Raumschiffen. Ich
hatte den Status als Fristbürger erhalten. Auf GONGOLIS war ich ein
Außenseiter gewesen, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt.
2038 hatte ich Hunter getroffen und mich ihm als Navigator angeschlossen.
Seitdem lebte ich auf der NOVA und auf den Resorts der CACC.
Die Hoffnung, meine Erinnerung an mein wahres Ich würde
zurückkehren, war geschwunden. Ich hatte mein Leben nicht akzeptiert,
mich aber damit arrangiert. Rührte daher meine unerklärliche Wut? Es war
ein unterschwelliger Hass auf die Gesellschaft, den ich mir nicht erklären
konnte. Paradox, denn im Grunde genommen war mir vieles egal, was
geschah. Die Probleme meiner Bekannten auf den CACC-Resorts berührten
mich nicht. Die Schicksale jener, die wir jagten, kümmerten mich wenig.
»Leben und sterben lassen« war das Motto von Hunter, und ich hatte es
verinnerlicht.
Die NOVA beendete die Linearetappe. Eleonore setzte sich neben mich an
die Konsole. Sie imitierte das Verhalten einer Co-Pilotin, dabei war sie als
Positronik fest mit der NOVA verbaut, und konnte das Schiff auch ohne
Erscheinung als Hologramm steuern und weitere Daten liefern. Es war
trotzdem angenehm, dass sie neben mir saß.
»In zwei Millionen Kilometern Entfernung befinden sich sieben
Springerwalzen«, berichtete sie und aktivierte die Außenbordkameras. Auf
einem dreidimensionalen Bild sah ich den kleinen Verband der
Raumschiffe. Sechs der Raumer hatten eine Länge von 400 Metern bei
einem Durchmesser von 80 Metern. In der Mitte des kleinen Pulks
schwebte das Hauptschiff die SOOTHORN I mit einer Länge von 1.500
Metern und einer Breite von 300 Metern. Das war unser Ziel.
Die Mehandor lebten auf ihren Raumschiffen und sprangen von
Sonnensystem zu Sonnensystem, um nach Ressourcen zu suchen und
Handel zu treiben. Die Springer waren wohl das bekannteste Händlervolk in
der Milchstraße.
Doch sie hatten mit Überfällen durch die On-Piraten und den Ladhonen zu
kämpfen. Eben solch ein Überfall hatte uns diese pikante Fracht in die
Hände gespielt.
»Ich sende eine Grußbotschaft im Namen von Ragana ter Camperna«,
sagte Eleonore und blickte mich an.
Ihre blauen Augen waren schön, aber leer. Sie hatte für ihr Hologramm
eine schöne Hülle gewählt, doch sie wirkte nicht lebendig. Eben wie eine
Projektion aus einem Computer. Keine Mimik, keine Gestiken. Sollte ich
das Eleonore sagen? Vielleicht ein anderes Mal.
»Ich habe Antwort erhalten. Der Patriarch Warsun Soothorn ist bereit, uns
zu empfangen.«
»Informiere Hunter und Kuvad Soothorn. Der wird sich bestimmt auf das
Familientreffen freuen.«
»Nein, das geht nicht. Ich bin krank. Hyperschnupfen von Lepso«, rief
Kuvad Soothorn aufgeregt. Der sonst so coole Mehandor wirkte nervös.
Natürlich war er das, denn er hatte ja seine Großnichte geschwängert und
sitzengelassen. Hunter schubste Soothorn zur Seite. Dann ließ er sich auf
einem der vier Sessel im Cockpit nieder und legte die Beine auf die
Konsole. Er blickte verdutzt zu Eleonores Hologramm.
»Wie siehst du denn aus?«
»Nun, ich dachte, diese Erscheinung sei angenehm für euch.«
»Dazu trägst du zu viel«, erwiderte Hunter. »Löse dich auf und mach
deine Arbeit.«
»Zu Befehl…«
Das Hologramm der Positronik erlosch. Hunter war mal wieder sehr
charmant gewesen.
»Aber echt jetzt, ihr könnt mich da nicht mitnehmen. Warsun wird mich
am Bart aufhängen lassen. Das könnt ihr nicht machen. Ich bin viel zu
wertvoll für euch.«
Das Geschwätz des Springers nervte mich jetzt schon. Ich legte ihm
Energiehandschellen an. Er starrte mich entsetzt an.
»Wenn du weiter quatscht, dann paralysiere ich dich. Überlege es dir gut.«
Meine Drohung schien zu wirken. Soothorn schwieg.
Ich setzte mich wieder an die Konsole und deaktivierte den Autopiloten.
Ich navigierte die NOVA gerne selbst. Offenbar lag mir die Fliegerei im
Blut. Die NOVA flog zwischen zwei Walzenraumern und steuerte den
Hangar der SOOTHORN-1 an. Die Walze war modular aufgebaut, die
Innenteile dienten als riesige Warencontainer und konnten vom Rumpf
abgetrennt werden. Eines der Containermodule fehlte. Ich landete die
Space-Jet in einem Hangar an der Seite. Nachdem die NOVA aufsetzte,
drehte ich mich um.
»Deine Familie erwartet dich bereits sehnsüchtig«, sagte ich zu Soothorn,
der ganz bleich geworden war.
»Kuvad Soothorn! Du Nachgeburt einer räudigen curinamischen
Äquatorziege! Du wagst es? Du wagst es?«
Die letzten Worte brüllte der über zwei Meter große, breitschultrige Sprin-
gerpatriarch Warsun Soothorn. Sein braunroter Bart wackelte dabei.
»Warsun, liebster Großonkel von allen. Du liegst völlig falsch. Ich wurde
entführt. Ich bin unschuldig«, redete sich Soothorn mit zitternder Stimme
heraus. Oder versuchte es zumindest.
Ich blickte mich um. Wir befanden uns in einem großen Raum, der
offenbar eine Art Gemeinschaftssaal darstellte. In der Mitte stand eine
große Tafel, an der jede Menge bärtige Mehandor saßen. Der Patriarch
selbst thronte mit einem eigenen Tisch auf einer Empore direkt dahinter.
Zur linken Seite stand das Buffet. Zur rechten Seite ein breiter Tresen. Eine
monotone Musik wummerte im Hintergrund. Hunter und ich gingen
langsam näher.
Kuvad Soothorn © Gaby Hylla
»Ich wurde entführt. Von den beiden«, rief Soothorn und zeigte mit dem
Finger auf uns. »Ich wollte doch gerade zurück zu dir, um meine Pflichten
als Vater zu erfüllen.«
Er erhob sich und schob mit seinem dicken Bauch den Tisch weg.
»Aagrina!«
Aus einer Nische trat eine kleine Frau. Ihre Figur war gedrungen, wirkte
unproportioniert. Der Kopf war auch unverhältnismäßig groß zum
restlichen Körper. Sie hatte hellrote Augen und schielte. Die rotbraunen
Haare waren kurz geschnitten.
»Liebste«, rief Kuvad und breitete die Arme aus.
»Du hast mich verlassen«, schrie Aagrina mit piepsiger Stimme.
»Ich kann es ihm nicht einmal verübeln, dass er geflohen ist bei der
Alten«, flüsterte Hunter mir zu. Dann räusperte er sich und trat hervor.
»Bei allem Respekt, großer Raumschiffhändler. Wir sind nicht wegen
Kuvad hier. Er ist Eigentum der CACC und hat einen Marktwert von
50.000 Galax.«
»50.000? Das ist doch Wucher«, entgegnete Warsun. Dann wurde er ruhig
und setzte sich wieder. Er winkte Aagrina wieder zurück, und sie
verschwand in der Nische, aus der sie gekommen war. Wir gingen die
dreistufige Treppe zur Empore hoch und nahmen in den breiten Sesseln
Platz.
»Schleierbrühe?«, fragte der Patriarch. Ohne eine Antwort abzuwarten,
klatschte er in die Hände. Zwei schlaksige Roboter servierten die heiße
Suppe. Ich reichte sie an Kuvad Soothorn weiter, der gierig zulangte.
»Seht ihn euch doch an. Er ist so nützlich wie ein Riss im Raumanzug.
Ein Nichtsnutz.«
»Aber Großonkel! Ich bin der beste Techniker der Galaxis. Ich kann
alles«, warf Tai, der Möchtegernegroße, ein.
Warsun schüttelte den Kopf.
»Der ist nicht einmal 50 Galax wert«, stellte der Patriarch fest.
Das Feilschen ging los. Darauf hatte ich gar keine Lust, aber Hunter
offenbar schon.
»Er steht bei uns mit 30.000 Galax in der Kreide. Hinzu kommt eine
Gefahrenzulage, wir mussten immerhin drei zwielichtige Galaktiker dafür
erledigen.«
Der Springer lehnte sich zurück und zündete sich einen grünen, dicken
Räucherstab an. Er zog genüsslich daran und stieß den grünen Rauch
wieder aus. Dann hustete er.
»Sagt mir, was er für Schulden hat.«
Es war eigentlich ein Brauch der Springersippen, ihre Mitglieder
auszulösen. Zwar erwartete die Schuldner zumeist eine harte Strafe, doch
die Sippen wollten ihre Handelsbeziehungen nur selten aufs Spiel setzen.
»Puffschulden bei Topp ter Camperna«, erwiderte Hunter.
»Ach, beim guten, alten Topp? Was für eine Frechheit. Schämst du dich
nicht?«
Kuvad hatte die Suppe ausgelöffelt und zuckte mit den Schultern. Dann
grinste er.
»Du kennst das doch…«
»Oh ja«, meinte Warsun und lachte. »Kennt ihr diese flauschige
haspronische Schönheit bei Topp?«
Hasproner hatten ein weiches, dichtes blaues Fell. Ich hatte jedenfalls
noch nie ein Bordell von ter Camperna aufgesucht.
»Ist mir etwas zu flauschig«, erwiderte Hunter.
Warsun lachte.
»Es ist des Springers Eigenart, dass er die Frauen mag behaart.«
Das hatte ich schon irgendwo einmal gehört. Jedenfalls lachten beide
Springer lauthals. Ich hatte genug, zog das Perry Rhodan-Heft aus der
Tasche und warf es auf den Tisch. Warsun wurde umgehend ernst. Er
erkannte das Heft. Das war eindeutig. Er griff zu seinem Humpen Bier und
leerte es in einem Zug; dabei floss die goldgelbe Flüssigkeit teilweise in
seinen Bart.
»Woher habt ihr das? Was immer das auch ist.«
»Benimm dich nicht wie ein Kleinhändler«, provozierte Hunter. »Das ist
Fracht von einem deiner Schiffe. Es wurde von On-Piraten überfallen.
Ragana hat überall ihre Kontakte. Sie ist besorgt, dass
Verschwörungstheorien von deinen Raumschiffen aus in die Milchstraße
gebracht werden. Terra ist ein Mythos und soll es auch bleiben!«
»Sollte sich herausstellen, dass ihr an dem Überfall beteiligt gewesen seid,
dann schneide ich euch beiden die Köpfe ab und schicke sie Ragana zurück.
Mit Schleife!«
Hunter hob beschwichtigend die Hände.
»Die On-Piraten sind nicht unsere Angelegenheit. Ragana hat jedoch
einen Deal mit ihnen, dass sie ihr alles über Aktivitäten von
Rhodanmystikern berichten.«
»Was wollt ihr jetzt?«
Warsun war wütend. Er blickte finster auf Kuvad, der sich von dem
Roboter eine Flasche Vurguzz bringen ließ. Er öffnete die Flasche mit dem
grünen Schnaps und fing fröhlich an zu trinken. Wie lange würde es dauern,
bis Warsun einen Wutanfall bekam?
»Wir wollen wissen, wer der Auftraggeber ist. Wer hat diesen Schund
verfrachtet und was sollte das Ziel sein?«
»Haltet ihr mich für einen Verräter? Ein Mehandor gibt nie die Kontakte
seiner Handelspartner weiter. Das müsstet ihr wissen.«
»Du kriegst deinen Großneffen geschenkt, wenn du uns den Kontakt
nennst«, schlug Hunter vor.
Warsun sprang auf, riss die Flasche Vurguzz an sich und schlug damit
Kuvad auf den Kopf. Die Flasche zerbrach. Kuvad fiel blutend vom Stuhl.
»Ich sagte schon, dass er nicht einmal 50 Galax wert ist. Ich nenne euch
den Zielort. Ihr erlasst Kuvad die Schulden.«
Hunter blickte mich an. Mit der Information des Zielplaneten könnten wir
etwas anfangen. Doch der Name des Kontakts wäre besser.
»Gegenvorschlag«, begann der Tefroder. »Du nennst uns den Namen der
Welt, Kuvad ist schuldenfrei. Du nennst uns außerdem den Kontakt, und
wir reden mit den On-Piraten. Sie werden dich dann in Ruhe lassen. Ragana
hat Einfluss.«
»Und wieso nutzt sie ihren Einfluss nicht, um einen loyalen und
altgedienten Handelspartner zu beschützen?«, fragte Warsun.
Hunter lächelte verschmitzt.
»Alles hat seinen Preis. Nicht wahr, Großhändler?«
Kuvad stöhnte und rappelte sich langsam wieder auf. Er fasste sich an die
blutende Schläfe.
»Was… was ist mit dem Vurguzz passiert?«
Er setzte sich wieder hin. Einer der Roboter kam näher und versorgte die
Wunde mit etwas Biomolplast.
Ich saß entspannt auf dem bequemen Stuhl. Warsun würde uns nichts tun.
Er wusste, dass Ragana nicht nur Kontakte zu den On-Piraten, sondern auch
zu den Ladhonen unterhielt. Von denen wollte er bestimmt keinen Besuch
bekommen. Außerdem waren Hunter und ich in der Lage, uns zu
verteidigen. Zwar hatten wir unsere Strahler in der NOVA gelassen, doch
ich sah nur eine Handvoll kampffähiger Springer in dem Raum. Mit denen
wären wir fertig geworden.
»Ich lehne diesen Deal ab und erneuere mein altes Angebot.«
Warsun wischte sich das Bier aus dem strubbeligen Bart. Hunter blickte
mich fragend an. Er würde hoffentlich keine Dummheiten machen. Wir
sollten den Deal eingehen und dann weitersehen. Vielleicht würde ein
erneuter Überfall durch die On-Piraten den Springerpatriarchen zur
Vernunft bringen.
Hunter nickte.
»Also gut. Der Penner gehört dir
»Trafalgar
Das war offenbar der Name des Planeten. Ich hoffte, dass Eleonore etwas
damit anfangen würde.
»Geht es genauer?«, wollte Hunter wissen.
»Sucht nach Cuthbert Collingwood auf Trafalgar. Und nehmt dieses Stück
Scheiße mit.«
Warsun zeigte auf Kuvad Soothorn.
»Aber... Ich dachte, ich bin frei?«
»Bevor du mir nicht 50.000 Galax bringst, bleibst du verstoßen,
Großneffe. Die Herren der CACC werden dich bestimmt mitnehmen.
Ansonsten ist die nächste Schleuse der Ausgang.«
Mist! Wir hatten den Typen weiterhin am Arsch. Ich war mir bei Hunter
nicht sicher, doch ich würde selbst diesen Penner nicht in den sicheren Tod
schicken. Ich stand auf, packte Tai und schubste ihn nach vorne. Hunter
spreizte die Finger und legte sie sich kurz an die Schläfe. Das war ein
tefrodischer Abschiedsgruß. Er lächelte. »Die Brühe war in Ordnung. Bis
bald, Patriarch!«
Warsun grummelte angefressen und wandte sich ab. Wir hatten zumindest
einen Hinweis. Die Welt Trafalgar und ein Mann namens Cuthbert
Collingwood. Unser Sekundärziel, Kuvad loszuwerden, hatten wir leider
nicht erreicht.
Die NOVA verließ den Hangar der SOOTHORN I. Eleonore meldete sich
mit Daten über Trafalgar.
»Trafalgar ist der dritte Planet der Sonne Victory. Ursprünglich hieß der
Planet Magadona und war eine arkonidische Kolonie. Der Planet wurde vor
400 Jahren von der Liga Freier Galaktiker in Trafalgar umbenannt,
nachdem Raumadmiral Horatio Nelson eine Flotte von Topsidern in der
Schlacht um Trafalgar, einem sehr wertvollen Hyperkristall, vernichtend
geschlagen hat. Die Flotte der topsidischen Armada wurde von Spaniern
geführt, Kolonisten der Topsider. 200 Jahre später wurde Trafalgar von den
Topsider erobert, dann von den Ladhonen verwüstet, und seit 100 Jahren
spielt die Welt keine Rolle mehr im galaktischen Geschehen.«
Genau der richtige Ort, wenn man nicht gefunden werden will. Offenbar
gehörte Trafalgar nicht mehr zur LFG. Das würde unsere Investigation
erleichtern.
Eleonore hatte die Zielkoordinaten ermittelt und bereitete die NOVA für
die erste Linearetappe vor. Ich warf einen letzten Blick auf die
Springerwalzen. Sie wurden immer kleiner, je mehr die NOVA
beschleunigte, und waren bald nicht mehr auszumachen. Dann ging die
Space-Jet in den Überlichtflug.
Unser nächstes Ziel war das Victory-Sonnensystem.
6. Der mächtige Galax
2. Februar 2046 NGZ
Rudyn, Neu Terrania
Atlan wanderte in der hellen, zwanzig Zimmer großen Villa umher. Sie war
prunkvoll und hatte einen großen Garten mit See. Das Grundstück grenzte
an das Anwesen einer Trivid-Schauspielerin und den Besitz eines Mining-
Industriellen. Der Besitzer des Grundstücks gegenüber war ihm noch nicht
bekannt.
Er begab sich auf den Balkon und warf einen Blick auf den Garten, durch
den sich ein kleiner Fluss zwischen dem penibel geschnittenen Rasen
schlängelte. Eine zehn Meter hohe weiße Mauer umgab das gesamte
Grundstück. Für Sichtschutz war gesorgt, jedoch überragte die drei Etagen
hohe Villa den Zaun um gut fünf Meter. Atlan bemerkte die Projektoren, die
einen Sichtschutz aus Energie bilden konnten, um Blicke von oben zu
verhindern.
Er ging wieder hinein, und die Helligkeit in dem Raum blendete ihn ein
wenig. Die Wände waren weiß, der weißgraue Fußboden spiegelte das
Licht.
Hier gab es alles, was das Herz begehrte: Eine komplette positronische
Hausanlage, einen Simulationsraum im Keller für Sport, einen
Multimediaraum mit fünfzehn Sitzplätzen und eigener Bar, eine große
Küche und mehrere Bäder, eines davon sogar mit einer Dschungeldusche.
Sagreta da Maag stolzierte mit ihren silbernen High Heels klackernd über
den Boden. Sie trug eine eng anliegende rote Jacke, einen kurzen roten
Rock, der viel Bein zeigte, die in schwarze Nylonstrümpfe gehüllt waren.
Am Hals, den Handgelenken und den Fingern trug sie jede Menge
Schmuck.
Kulag Milton lümmelte gelangweilt auf einer weißen Couch und spielte
an seiner MiTron herum.
Als sie Atlan bemerkten, blickten sie den Arkoniden erwartungsvoll an.
»Netter Schuppen. Wie teuer?«
»Nun, die Lage ist exklusiv. Wir bieten es dir zu einem Schnäppchen von
152 Millionen Galax an«, antwortete Sagreta da Maag hochnäsig.
»Hm«, machte Atlan nur und sah sich weiter um.
Die Arkonidin hüstelte und grinste. Sie blickte Milton vielsagend an. Ein
Blick, der Atlan nicht entging, so als wollte sie ihrem Geliebten mitteilen:
»Ich hatte es doch gesagt.« Sie vermuteten, dass Atlan nicht genug Geld
besaß, und das entsprach sogar der Tatsache, denn seine Bankkonten auf
Terra waren mitsamt dem Planeten verschwunden, und auch seine Depots
auf Arkon waren unerreichbar, denn das System lag unter der Bleisphäre. Er
war sich aber sicher, dass Bully ihm einen großzügigen Kredit gewähren
würde.
»Ich kaufe es«, sagte er schließlich.
Da Maag war erstaunt, ihre Mundwinkel zuckten, während Kulag Milton
laut lachte. Er holte aus der Küche eine Flasche Nettoruna und drei Gläser.
»Ein 2000er Nettoruna von Zalit. Ein edler Tropfen.«
Der weißhaarige Terraner, der sich selbst als Rudyner bezeichnete, füllte
die Gläser. Für Atlan waren alle Kolonisten Terras irgendwie Terraner und
ganz besonders in dieser Zeit. Er selbst war ja auch ein Beuteterraner, wie
ihn seine Freunde und sein Extrasinn immer gerne bezeichneten.
Sie stießen an. Sagreta wirkte jedoch sehr verhalten und blickte ihn
skeptisch an, als sich ihre Gläser leise klirrend berührten. Offenbar war sie
nur freundlich gewesen, um Atlan vorzuführen. Es wunderte ihn nicht, dass
die Erinnerung an ihn bei den Arkoniden, Zalitern und anderen Vertretern
aus den Kristallbaronien getrübt war, denn seine Geschichte war eng mit
Terra und Perry Rhodan verbunden. Jedoch hatte er bereits in M13
Arkoniden getroffen, die ihn erkannt hatten. Es war eine seltsame Zeit, denn
es gab Wesen, die wussten, dass er Realität war, und andere glaubten nicht
so recht dran, während eine dritte Gruppe in ihm nur einen Hochstapler
oder einen Schauspieler sah. Es war beängstigend, in wie kurzer Zeit
Jahrtausende der Geschichte aus den Köpfen der Galaktiker ausgelöscht
worden waren.
»Schatz, holst du die Verträge?«, fragte Milton freundlich.
»Natürlich«, sagte die Arkonidin kurz angebunden und verließ den Raum.
Milton blickte ihr hinterher.
»Für ihr Alter hat sie noch einen knackigen Hintern, oder?«
»Hm«, antwortete Atlan knapp.
Milton nahm einen Schluck aus dem Weinglas.
»Das erinnert mich an eine tolle Jugendgeschichte. Damals war ich im
Interkomsupport der größten Softwarefirma der Liga. Ich hatte da immer
eine Akonin mit tiefer, erotischer Stimme über Interkom, und wir begannen
zu flirten und trafen uns. Gott, ich war vielleicht 25 oder so und sie
mindestens dreimal so alt. Aber immer noch sexy und verdammt reich.
Richtig reich, weißt du? Wir hatten eine Affäre, soffen den teuersten Wein
und trieben es in den luxuriösesten Hotelsuiten. Doch dann…«
Er leerte das Glas und füllte es wieder auf.
»Dann stellte sich heraus, dass sie die Frau eines Kriminellen war. Ganz
schwerer Typ. Drogen, Waffen, Sklavenhandel. Ja, ich wollte die Affäre
beenden, doch sie erpresste mich und wollte weiter meinen Körper. Der war
damals schon eine Wucht. Ich hatte aber Glück. Drei Monate später wurden
sie von den Cairanern hochgenommen, weil sie und ihr Mann den
Cairanischen Frieden störten. Sie verschwanden, und ich war frei und
behielt die vielen Geschenke.«
»Du Glücklicher…«
»Das Glück ist mit dem Tüchtigen«, sagte Milton und wurde ernst. Er sah
Atlan mit festem Blick an. »Ich hatte den Cairanern einen Tipp gegeben.
Ich sagte damals, dass eine kriminelle Bande mit Drogen sowie Waffen
handelt und außerdem den Mythos Terra als Wahrheit verkündet. Da waren
die beiden ganz schnell von der Bildfläche verschwunden.«
Unterschätze diesen Typen nicht, mahnte der Extrasinn.
Milton mochte zwar ein unsympathischer Idiot sein, doch er war nicht nur
durch Zufall an seine Billionen Galax gekommen.
Sagreta kam mit einem MiTron in der Hand zurück, der den digitalen
Kaufvertrag darstellte. Atlan signierte mit einem Daumenabdruck auf dem
Touchpad.
»Ich schicke dir eine Kopie an die Solare Residenz.«
Kulag Milton klatschte in die Hände.
»Hervorragend. Diese Prachtvilla gehört jetzt dir. Ich hätte sie ja selber
gekauft, doch meine ist die gegenüber und hat 40 Zimmer. Jedem das seine,
nicht wahr?«
»Natürlich«, sagte Atlan und lächelte. »Ich werde die Transaktion sogleich
veranlassen. Wartet einen Moment.«
Atlan zog sich in einen Nebenraum zurück und stellte über Interkom eine
Verbindung mit Reginald Bull her.
»152 Millionen für ein Haus? Bist du übergeschnappt?«, rief Bully mit
hochrotem Kopf und sprang aus seinem Sessel. Er donnerte die Fäuste auf
den Tisch. Kurzzeitig war nicht mehr im Display des Interkoms zu sehen.
Atlan blieb gelassen, denn er hatte mit so einer Reaktion gerechnet.
»Es ist für einen guten Zweck.
»Es ist für einen guten Zweck«, äffte Bull nach und setzte sich wieder so
hin, dass er über die Kamera zu sehen war. »Ich hoffe, du errichtest da ein
Waisenhaus.«
»So etwas in der Art.«
Bull schwieg und tippte etwas ins Interface seiner Positronik.
»Miltons Bankverbindung habe ich ja. Na dann, mal eben 152 Millionen
Galax ausgegeben, ohne auch nur etwas davon zu haben. So meinte ich das
nicht, als ich sagte, du sollst dich mit der Wirtschaft der LFG anfreunden.
Ach ja, wenn du fertig bist, müssen wir über die temporalen
Hyperanomalien sprechen. Es sind wieder einige aufgetaucht.«
Atlan beunruhigten diese Phänomene. Er fragte sich, ob die Cairaner
dahinter steckten oder der Drahtzieher hinter dem Raptus Terrae. Es war
genauso gut möglich, dass die Cairaner jene waren, die für den Raub von
Terra verantwortlich waren.
Atlan bestätigte, bedankte sich höflich und beendete die Verbindung. Er
rief jemand anderes an und teilte mit, dass der Deal abgeschlossen sei und
dass er sie erwarten würde.
Atlan kehrte in das große Wohnzimmer zurück. Sagreta saß auf einem
Sessel neben Milton, die Beine übereinandergeschlagen. Sie musterte Atlan.
Ihr Lächeln sah gezwungen aus.
»Die Transaktion wurde durchgeführt.«
Milton bestätigte Atlans Aussage. Den Rest machte die Positronik der
Stadtverwaltung und beglaubigte den Kauf innerhalb von zwei Minuten
online.
»Nun, wir sind dann jetzt Nachbarn«, flüsterte Sagreta leidenschaftslos.
»Nein«, erwiderte Atlan. Er blickte aus der Fensterfront. Vier Gleiter
schwebten zum Anwesen und setzten auf dem Landeplatz auf. Da Maag
stand auf und starrte ungläubig auf den Vorhof. Es stieg eine großköpfige
Jülziishe Familie aus. Zögerlich näherte sie sich der Villa. Sie wurden von
Gucky begleitet, der sie ermunterte weiterzugehen.
»Deine Geschichte mit den Blues hat mich sehr berührt, Milton«, fing
Atlan an. Er wandte sich der Weinflasche zu und füllte sein Glas auf. Die
Jülziish-Familie trat ins Wohnzimmer. Ein Mann, seine Frau und ihre
fünfzehn Kinder.
»Was soll dieses Pack hier?«
Sagreta wirkte angewidert.
Milton starrte Atlan entgeistert an. Der Tycoon schien die Blues zu
erkennen. Es waren die aus seiner Geschichte, jene, über die er sich lustig
gemacht hatte und denen er eine überteuerte Bruchbude auf dem Lande
verkauft hatte. Atlan hatte sie schnell ausfindig machen können.
»Nun, Kulag und Sagreta. Das sind eure neuen Nachbarn. Sie mieten die
Villa.«
»Was?«
Milton wuchtete sich aus dem Sofa. Das gelang ihm erst im zweiten
Anlauf. Sein Bauch schwabbelte auf und ab. Ächzend hievte er sich hoch
und zeigte mit dem Finger auf die Blues.
»Das können die sich doch gar nicht leisten.«
»Atlan hat uns ein sehr großzügiges Angebot gemacht. Wir zahlen nur
zehn Galax im Monat«, berichtete der Jülziish mit hoher Stimme.
»Das ist nicht rechtens. Ich werde die Polizei verständigen.«
Sagreta erhob sich auch, schnaubte wütend und blickte Atlan finster an.
Ihr Gesicht zuckte, und ihre Stimme klang, als würde sie vor Wut gleich
anfangen zu weinen.
»Das ist jetzt mein Haus. Ich bestimme, wer hier wohnt. Gewöhnt euch an
eure neue Nachbarschaft.«
Atlan nahm einen kräftigen Zug aus dem Weinglas und grinste die beiden
an.
Sagreta stöckelte zu ihm. Sie rang weiterhin mit der Fassung. Angewidert
blickte sie zur Familie der Blues. Es war dieser typische arrogante
arkonidische Gesichtsausdruck, den Atlan bei seiner Spezies so verachtete.
Sagreta schien die Blues als Ungeziefer zu betrachten, die ihr Domizil
befallen hatten. Sie wendete sich ab und verließ wortlos das Haus. Kulag
Milton ging langsam auf den Unsterblichen zu. Er kratzte mit dem
Zeigefinger an seinem Nasenflügel.
»Weißt du, das war unklug«, begann er und betrachtete den Nagel seines
Zeigefingers. »Ich bin stinkreich. Wenn ich will, kann ich deinem
Kumpanen Bull eine Menge Schwierigkeiten bereiten. Ich habe die besten
Anwälte, die besten Medienanstalten und bin sehr wütend. Du wirst das
Pack rauswerfen. Du wirst vom Kaufvertrag zurücktreten. Du wirst die
Villa gründlich desinfizieren. Verstanden?«
Atlan musste lachen. Er wollte es nicht einmal, doch er war wirklich
erheitert.
»Ich war am Ende der Zeit dieses Universums. Denkst du ernsthaft, ich
hätte die Spur von Angst vor dir?«
Milton guckte Atlan mit einer Mischung aus Verwunderung und
Ungläubigkeit an. Er lachte, stockte, dann lachte er wieder. Sein Kopf lief
rot an, dann winkte er ab und wirkte nun völlig verunsichert.
»Guter Schauspieler«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf Atlan.
»Guter Dialog. Echt stark.«
Immer noch lachend verließ Kulag Milton die Villa. Die Blues fingen an,
sich heimisch zu machen. Die Kinder tobten durch die Räume und
kicherten schrill.
Atlan blickte Milton nachdenklich hinterher. Offenbar nahm der Tycoon
ihn nicht ernst, doch das war ihm eigentlich egal. Er sah die Freude der
Jülziishen Familie.
Das war es wert gewesen.
7. Trafalgar
5. Februar 2046 NGZ
Victory-Sonnensystem
Nathaniel Creen
»Ich hatte auf Olymp ein Schätzelein, Schätzelein, ja Schätzelein. Die war
so hübsch und ließ mich immer rein, das war fein, ja so fein«, trällerte
Kuvad Soothorn vergnügt vor sich hin.
Ich hätte den Springer am liebsten aus der Schleuse geworfen. Ein Blick
ins verkniffene Gesicht von Hunter verriet mir, dass er ähnlich dachte. Der
Springer redete, seitdem wir von der SOOTHORN I aufgebrochen waren,
ununterbrochen. Offenbar kompensierte er damit seine Nervosität, die er
zweifellos hatte, nachdem er von seiner Sippe offiziell verstoßen worden
war. Zwar hatte sie ihn freigekauft, doch er musste das Geld nun verdienen,
um sich bei seinem Patriarchen auszulösen. Ich hatte Hunter überzeugt,
dass wir den Typen erst einmal für uns arbeiten ließen. Ich wusste aber
nicht, ob die Entscheidung so gut war. Vielleicht würden wir ihn auch auf
Trafalgar lassen.
Der Springer besaß einen reichhaltigen Fundus an langweiligen
Geschichten, in denen er sich als Held glorifizierte. Vermutlich waren die
meisten dieser Erzählungen erfunden. Ich sehnte mich nach der Ruhe
zurück, die ich hatte, als ich allein im Cockpit der NOVA saß. Ohnehin
störte ich mich an der Gesellschaft anderer Wesen. Ich war mein ganzes
Leben lang allein gewesen. Es war ein Fluch und ein Segen zugleich.
Natürlich sehnte ich mich nach zärtlicher Zweisamkeit, nach Freunden,
doch je weniger mir das vergönnt war, desto größer war die Abneigung
gegenüber anderen. Ich fühlte mich besonders unwohl, wenn ich mich unter
glücklichen Wesen befand.
Soothorn starrte mich an.
»Wieso trägst du eigentlich immer diese Maske?«
»Weil er hässlich ist«, antwortete Hunter.
Nelson-City auf der Welt Trafalgar: © Stefan Wepil
Seine Worte schmerzten, doch er hatte recht. Ich war entstellt, mein ganzer
Körper war von Narben und Beulen übersät. Auf GONGOLIS war die
medizinische Versorgung für Fristbürger schlecht gewesen. Nur wer Geld
besaß, konnte sich einer Schönheitsoperation unterziehen. Ich sparte noch
immer dafür, und kleinere Operationen hatte ich bereits bezahlen können.
Die Mediker des Resorts hatten von einer Art unbekannten Immunkrankheit
gesprochen, welche eine genaue Untersuchung meines Körpers verhinderte.
Es war so, als ob etwas in meinem Inneren Messwerte verhinderte. Als ob
ich etwas in mir hätte, das verhindern wollte, dass die Mediziner meine
Physis untersuchten. Es waren bei mir auch keine Individualimpulse
messbar.
Ich wusste nicht einmal genau, welcher Spezies ich angehörte. Genetische
Proben hatten mich immerhin in den Stamm der Lemurer eingeordnet. Ein
Mediker der LFG hatte eine genauere Vermutung gehabt. Ich war Terraner
oder zumindest ein Kolonist, denn meine DNS entsprach denen von
Nachfahren von Terranern am ehesten, hatte er gesagt. Nun, es gab aber
keine Terraner und es hatte sie nie gegeben, und sollte es doch der Fall sein,
wäre ich das, was ich derzeit bekämpfte. Wüsste Hunter davon, würde er
mich vermutlich gleich erschießen.
Vielleicht stammte ich von Rudyn, Plophos oder Olymp. Meine DNS wies
zumindest darauf hin und da ich keine roten Augen oder Brustplatte
besaß, konnte ich die Arkoniden ausschließen.
Einige Ärzte hatten vorgeschlagen, mich zu öffnen, um mal
nachzuschauen. Doch ich hatte abgelehnt. Immerhin waren kleinere,
erschwingliche kosmetische Behandlungen möglich gewesen, welche die
Schwellungen zurückgehen ließen. Doch sie kamen immer wieder zurück.
Deshalb trug ich die Maske. Sie verbarg nicht nur meine Hässlichkeit,
sondern war auch ein Schutz. Sie war Symbol dafür, dass ich ein
Außenseiter war – und dass ich allein war.
Kuvad Soothorns Lachen riss mich aus meinen trüben Gedanken.
»Ich kenne da eine hübsche dicke Epsalerin, die nimmt jeden. Soll ich sie
dir mal vorstellen?«
Hunter riet mir, ich sollte aufstehen und Soothorn den Arm brechen. Doch
ich ballte nur die Hand zur Faust und schlug Soothorn ins Gesicht. Das
musste reichen. Das Lachen des Springers verstummte. Hunter lachte umso
mehr.
»Wenn ich diese gemütliche Männerrunde einmal stören dürfte. Wir
erreichen das Victory-System«, meldete unsere Positronik Eleonore.
Ich rief über das Touchpad in der Konsole vor mir das Datenblatt des
Systems auf. Das im Sternenhaufen Demetria gelegene System hatte nur
zwei bekannte Planeten, Exeter und Trafalgar. Ein Asteroidengürtel deutete
darauf hin, dass es noch eine weitere Welt gegeben hatte, die jedoch in der
Schlacht von Trafalgar von der topsidischen Armada vernichtet worden
war.
Die NOVA steuerte Trafalgar an. Die Sauerstoffwelt besaß zwei
Kontinente mit den Namen Eliza und Jamy. Die Lebensbedingungen waren
bestens, es gab normale Jahreszeiten wie Frühling, Sommer, Herbst und
Winter sowie ein gesundes Ökosystem.
Die NOVA passierte den einzigen Mond der Welt, Farclas. Dort gab es
keine Atmosphäre; Krater bestimmten das Bild der Oberfläche. Trafalgar
wirkte mit seinen beiden dominierenden grünen Kontinenten und den
großen Ozeanen auf den ersten Blick idyllisch. Ich vermutete jedoch, dass
dieses Bild ein Trugschluss war. Denn auf Farclas registrierte ich keine
bewohnten Siedlungen. Dort befanden sich nur verlassenen Stationen,
Minen und zerfallene Forschungsstationen. Eine Zivilisation, die nicht
einmal ihren eigenen Mond bevölkerte, musste wohl in großen
Schwierigkeiten stecken.
Wir tauchten in Trafalgars Atmosphäre ein und nahmen Kurs Richtung
Kontinent Eliza.
Nelsontown galt als Hauptstadt des Planeten. Die Stadt lag am südlichen
Lauf des Flusses Trafalgar. Weiter im Osten, am Ufer des Trafalgar-River,
lagen die Ruinen der alten Hauptstadt Trafalgar-City, die im Krieg mit den
spanischen Topsidern zerstört worden war. Nelsontown war eine dicht
gebaute Stadt mit quadratischen Hochhäusern und vielen Landeplattformen
für kleine Raumschiffe an den Seiten der Gebäude. Es gab einen großen
Raumhafen, der an einen Markt grenzte. Der Basar war teilweise offen,
teilweise überdacht. Dichter Smog lag über der Metropole mit knapp 8,7
Millionen Einwohnern, ein Drittel der gesamten Bevölkerung. Die Stadt
wirkte auf mich sehr industriell und war ein krasser Gegensatz zur üppigen
und gesunden Natur.
Ein Fluglotse des Nelsontowers sendete uns Landekoordinaten. Ich
manövrierte die NOVA selbst und setzte die Space-Jet unweit des Basars
auf den Boden.
»Gehen wir«, sagte Hunter knapp.
Offenbar meinte er damit auch Tai. War mir neu, dass der Trottel nun zur
Crew gehörte. Vielleicht war es aber besser, ihn mitzunehmen. So konnte er
auf der NOVA kein Unheil anrichten. Nachdem wir den Space-Jet verlassen
hatten, beobachtete ich die Umgebung. Es befanden sich kleinere
Kugelraumer, Walzenschiffe und Diskusraumer auf dem Landefeld.
Schwere Gleiter schwebten surrend zwischen den Schiffen umher. Roboter
verluden Waren. Trafalgar war reich an Bodenschätzen.
Ein Rollband transportierte uns zum Basar. Es gab hunderte Stände. Sie
waren von Energieschirmen überdacht, die blau, grün, rot und gelb
schimmerten. Der Boden des Basars war sandfarben. Es gab hunderte
Stände auf den ersten Blick. Ich ließ die Atmosphäre auf mich wirken und
blickte durch die Menge. Das Stimmengewirr wurde von Musik aus
verschiedenen Richtungen untermalt: Trommeln, Flöten und Geigen waren
zu hören.
Einige Meter entfernt standen zwei Cheborparner und aßen Gebäck. Die
Cheborparner waren optisch eine eher furchteinflößende Gattung, denn sie
trugen Hörner, ihre schmalen Gesichter waren kantig, ein Schweif und
hufeisenförmige Füße ließen sie wie aufrecht gehende Ziegenböcke wirken.
Auffällig waren die langen roten Greifzungen, die aus ihren Nasenlöchern
heraushingen.
Ein Topsider ging an ihnen vorbei. Das etwa zwei Meter große
Echsenwesen mit der langgezogenen Schnauze blickte kurz in Richtung der
Cheborparner, dann verschwand es in der Menge. An einem anderen Stand
feilschten zwei gurkenförmige, gelbe Swoons auf Schwebeplattformen mit
einem kegelköpfigen Ara um den Wert von medizinischer Ausrüstung. Aus
der Masse ragten die Tellerköpfe einiger Jülziish hervor. Insgesamt eine
bunte Mischung an Galaktikern; die meisten waren jedoch Tefroder,
Akonen, Arkoniden oder Rudyner. Wo sollten wir auf dem belebten
Marktplatz Informationen über Perry Rhodan finden?
Wir teilten uns auf. Soothorn und Hunter mischten sich unters Volk, und
ich setzte langsam meinen Weg in den nördlichen Bereich fort.
»Ich kann dir bei deiner Suche helfen,«, meldete sich Eleonore über mein
Interkom. Sie hatte einen privaten Kanal gewählt, damit Hunter und
Soothorn unser Gespräch nicht hören konnten.
»Du wärst mir eine Hilfe, Eleonore«, antwortete ich.
Ich kramte zwei faustgroße, runde Kameraroboter aus der Tasche und
aktivierte ihren Tarnmodus. Unsichtbar schwebten sie etwa drei Meter hoch
in die Luft und teilten sich auf. Sie waren direkt mit Eleonore verbunden; so
gesehen waren es die Augen der Positronik. Es waren aber nicht nur reine
Kameras in mehreren Modi. Sie scannte auch die Umgebung nach dem
Material, aus welchem das Perry Rhodan-Heft hergestellt worden war.
»Erweitere deine Suche auf den Namen Cuthbert Collingwood.
Möglicherweise fällt er ja in einem Gespräch. «
Ich ging weiter, quetschte mich durch die Menge. Ich war froh, einen
Raumanzug zu tragen, denn ich mochte diese Ansammlung von Wesen
nicht. Sie stanken, schwitzten, trugen Krankheiten in und auf sich. Ich
drängte mich vorbei an Epsalern, die ebenso breit wie klein waren, vorbei
an zwei muskelbepackten Ertrusern mit roter Irokesenfrisur. Ich wurde
etwas nach links abgedrängt und ließ mich kurz mit der Masse treiben. An
der Seite befand sich ein Club. Eine blauhaarige menschliche Frau tanzte
oben ohne vor sich hin. Ihre Attraktion waren offenbar die drei Brüste, die
auf und ab wippten. Jedenfalls schauten ihr eine Menge Leute zu.
Gegenüber saß ein grinsender Peepsie in einem knallroten Kostüm und
spielte ein Multi-Instrument.
»Ich habe etwas gefunden«, meldete sich Eleonore. »Etwa 200 Meter
entfernt befindet sich ein Stand. Die Mikrofone der Kamera haben die
Wörter Danton, Demeter und Michael aufgefangen.«
»Und was soll mir das sagen?«
»Nun, Roi Danton war dem Mythos nach der Kunstname von Perry
Rhodans Sohn Michael.«
Das konnte ein Hinweis sein. Ich quetschte mich weiter zwischen den
dicht gedrängten Körpern hindurch. Meine Laune wurde immer schlechter.
Konnte dieser fette Epsaler sich nicht einmal einen Millimeter bewegen?
Nein, er stand einfach nur dumm herum. Ich schubste ihn weg und war über
meine eigene Kraft überrascht. Er taumelte und wäre beinahe hingefallen.
Als er mich erblickte, schien er Respekt zu haben. Gut so! Das fühlte sich
gut an.
Ich erreichte den Stand. Am Verkaufstresen diskutierten eine rothaarige
Akonin mit samtbraunem Teint und ein Dron. Das massive, echsenartige
Wesen zuckte hin und wieder unter dem Gekeife der Akonin zusammen.
Dron waren Wesen mit einem stark ausgeprägten Ehrgefühl.
»… war kein arkonidischer Kristallbaron vor 200 Jahren. Roi Danton ist
der Sohn Perry Rhodans. Sein echter Name ist Michael. In Anlehnung an
den terranischen Revolutionär George Danton nannte er sich Roi Danton.
Roi ist das französische Wort für König. Und dieser Dreispitz ist eine
Fälschung. Das Material ist gerade mal 120 Jahre alt. Das ist doch ein
Witz.«
Die Akonin war sichtlich wütend. Sie stemmte die Arme in die Hüfte.
Der Dron schob den schweren Schweif mehrmals von links nach rechts
und reinigte damit unfreiwillig den Boden.
»Willst du mich als Betrüger bezeichnen?«, fragte der etwa 1,90 Meter
große Echsenmann mit der braunschwarzen Schuppenhaut. Die rote Zunge
des Dron zischte zweimal schnell aus dem Mund und wieder zurück. Er
breitete seinen fein beschuppten, bunten Halskragen aus. Damit verliehen
die Dron ihren Worten Nachdruck.
»Ich bezeichne dich als Unwissenden«, konterte die Akonin.
Sie trug eine braune Hose und braune Stiefel, die eher zum Wandern und
zum Klettern gedacht waren. Der Oberkörper war in eine schwarze Jacke
gehüllt. Zwei Taschen waren am Mehrzweckgürtel befestigt. Sie wirkte
jedenfalls nicht wie eine Touristin. Ihr langes, dunkelrotes Haar war zu
einem Zopf zusammengebunden. Sie war schlank, etwa 1,75 Meter groß
und hatte eigentlich eine markante, angenehme Stimme. Jedoch verlieh ihr
das Gezeter einen unangenehmen Tonfall.
Die Frau drehte ihren Kopf und blickte mich an. Sie hatte große,
bernsteinfarbene Augen, eine lange, spitze Nase und schmale Lippen. Ich
schätzte sie auf achtzig bis neunzig Jahre, was für akonische Verhältnisse
wohl die Bezeichnung »im besten Alter« verdiente.
»Was?«, zischte sie in meine Richtung.
»Ich stehe hier nur«, sagte ich.
Sie verdrehte die Augen und wandte sich wieder dem Dron zu, der die
Hände vor die Brust verschränkte und sich etwas nach hinten lehnte. Dabei
stützte sein breiter Schwanz ihn ab.
»Verlasse meinen Stand, Akonin! Ich lasse mich nicht beleidigen.«
Sie spuckte ihn an. Das überraschte mich. Dann drehte sie sich um,
verdrehte die Augen und ging ein paar Schritte, um gleich wieder
anzuhalten und kehrtzumachen. Aufgebracht zeigte sie auf etwas in seinem
Stand.
»Das ist doch lächerlich. Ich beleidige dich nicht. Ich sage nur die
Wahrheit.«
Der Dron plusterte wieder seinen Halskragen auf, der nun blaurot
schimmerte.
»Da«, schrie sie und zeigte mit dem Finger auf eine Art
Kommunikationsgerät. Der Dron drehte sich um. Seine kräftige Hand nahm
den Kasten, auf dem sich ein bananenförmiger Aufsatz befand, der über
einer geringelten Schnur mit dem Apparat verbunden war. Auf dem kleinen
Kasten selbst war eine Scheibe mit Löchern und Zahlen darin.
»Das ist ein Telefon«, sprach der Dron gewichtig. »Es ist mehr als 4.000
Jahre alt und definitiv terranisch. Es stammt von Terra.«
»Lachhaft«, widersprach die Akonin. »Telefone wurden in der
prärhodanistischen Zeit verwendet. Es sieht zwar echt aus, der Hörer hat
einen integrierten Lautsprecher und ein Mikrofon, doch die Wählscheibe…
die Wählscheibe!«
Sie seufzte und schüttelte den Kopf.
»Die Nummern von 1 bis 0 sind in Interkosmo. Doch die Terraner
verwendeten zu der Zeit, als sie diese Telefone nutzten, kein Interkosmo.
Sie verwendeten ihre indo-arabischen Ziffern. Das ist eine Fälschung.«
»Du willst mich als Fälscher beleidigen? Verschwinde endlich, oder …«
Der Dron zog einen Strahler. Jetzt wurde es interessant. Ich durfte die
Akonin nicht umkommen lassen. Sie wusste offenbar sehr viel über den
Mythos Terra und vermutlich wusste sie auch, wen man auf Trafalgar über
Rhodan ausquetschen konnte. Ich legte meine rechte Hand an den Holster,
in der sich meine Waffe befand, näherte mich und blieb stehen.
»Das ist der Deal, Dron! Du steckst deine Waffe ein. Die Akonin geht
ihres Weges.«
»Sonst?«, fragte das Echsenwesen mit aufgeplustertem Halskragen.
»Sonst erschieße ich dich.«
Die Akonin blickte mich interessiert an. Sah ich da ein Schmunzeln auf
ihren Lippen?
Der Dron grummelte und schob die Waffe weg. Ich wandte mich der
Akonin zu.
»Wir gehen spazieren.«
»Meine Eltern sagten, ich soll nicht mit fremden Männern gehen.«
»Nathaniel Creen, ich bin ein Suchender auf dieser Welt.«
»Hm«, machte sie. »Larida Yoon. Archäologin, Terraforscherin.«
Jackpot!
Ich sollte Hunter besser erst einmal nichts davon berichten. Er hatte eine
Aversion gegen alle Galaktiker, die behaupteten, Perry Rhodan und Terra
existierten wirklich.
»Ich wäre mit dem Dron alleine fertig geworden«, meinte sie.
»Dron sind gute Kämpfer. Auch wenn er ein Händler war, so steckt ein
Krieger in ihm. Außerdem sind Dron sehr sensibel, wenn es um ihre Ehre
geht. Deine provozierende Art hätte ihn vermutlich zu einem Schuss
verleitet.«
Wir suchten uns eine Nebenpassage, die weniger besucht war. Hier waren
wir ungestört. Sie bestellte bei einem fliegenden Servoroboter einen Kaffee.
Während wir gingen, wurde das Getränk zubereitet und ihr ausgehändigt.
Sie bezahlte mit einer Karte, die der Roboter scannte. Ich verzichtete auf
ein Getränk.
Sie war nicht unattraktiv, wirkte sehr natürlich.
»Was suchst du?«, fragte sie mich.
Ich nahm das PERRY RHODAN-Heft aus meiner Tasche. Ihre Augen
schienen größer zu werden, ja zu leuchten, vor Freude zu leuchten. Sie
nahm es, ohne zu fragen.
»Das ist eine Silberedition.«
»Das bedeutet?«
»Woher hast du sie? Suchst du mehr davon?«
»Ich suche den Autor. Den Verleger. Wer schreibt diese Geschichten? Wo
werden sie publiziert und wer vertreibt sie auf welchen Planeten?«
Sie hielt inne und musterte mich skeptisch.
»Du arbeitest für die Cairaner oder andere faschistische Organisationen,
die mit allen Mitteln verhindern wollen, dass die Wahrheit über Terra und
Perry Rhodan ans Licht kommt.«
Sie lag nicht ganz falsch damit. Ich war wohl zu plump vorgegangen.
Diplomatie war eine Kunst, die ich nicht beherrschte.
»Ich sollte gehen.«
»Ich werde dich nicht aufhalten, Larida Yoon.«
Sie ging ein paar Schritte.
»Moment noch«, rief ich. Sie blieb stehen, drehte sich um. Sie wirkte jetzt
verunsichert. Sie konnte mich nicht einschätzen.
»Mein Heft.«
Sie blickte auf das Heft mit dem Titel »Der Unsterbliche« und reichte es
mir. Ich nahm es schweigend und steckte es in die Tasche. Zögerlich drehte
sie sich wieder um, ging los, wurde schneller und eilte dann davon.
Eleonore meldete sich über mein Interkom.
»Ich habe ihre Individualimpulse gespeichert, und einer der
Kameraroboter folgt ihr. Sie dürfte uns nicht entkommen.«
Nein, Larida Yoon würde uns nicht entkommen.
Ich lag auf meinem Bett in meiner Kabine auf der NOVA. Eleonore
projizierte sich als Hologramm in Form einer blonden, blauäugigen Frau
ans Fußende. Ihr gütiges Gesicht schenkte mir ein warmes Lächeln. Es tat
gut, dass sie hier war. Dabei war sie eigentlich keine Frau, nicht einmal ein
Lebewesen. Nur eine künstliche Intelligenz. Und doch, sie existierte oder
etwa nicht? Sie hatte sich bewusst für dieses Aussehen entschieden und
dafür, sich jetzt in meinem Quartier aufzuhalten. Es gab durchaus Beispiele
dafür, dass sich Roboter weiterentwickeln konnten und eine Art
Bewusstsein erlangten. Die Posbis waren eine Spezies mit biologischen
Komponenten, einem lebendigen Plasma, wodurch sie zu Individuen
wurden. Eleonore besaß so eine Komponente nicht.
Hunter wusste nichts von unserem Treffen. Für ihn war Eleonore zuerst
ein Computer und in zweiter Linie ein Sexbot, den er benutzte, wann immer
ihm danach war. So konnte sich die Positronik auch nicht weiterentwickeln,
falls das überhaupt möglich war.
»Was macht die Akonin?«, fragte ich.
»Sie ist vorsichtig. Sie verwendet inzwischen einen Impulsblocker, doch
den Roboter kann sie nicht abschütteln. Sie hat sich mit einem tefrodischen
Mann getroffen. Sie scheinen sich zu kennen, diskutierten und gingen in
einen Imbiss, um zu essen. Ich kann jedoch nicht verstehen, was sie sagen.
Der Roboter sollte ja Abstand wahren.«
»Du hast recht. Danke für den Bericht.«
»Ich bin ein Gegenstand, du musst dich nicht bedanken. Bedankst du dich
bei der Tür, die sich öffnet?«
Das ließ ich nicht gelten.
»Die Tür unterhält sich nicht mit mir. Als Positronik bist du kein
Gegenstand. Du bist hochintelligent, musst viele Berechnungen
durchführen und Entscheidungen treffen. Du unterhältst dich mit mir. Du
triffst die Entscheidung, mir einen Einwand mitzuteilen.«
»Das ist verwirrend. Ich habe eine Programmierung, der ich folgen muss.
Wie kann ich dann eigene Entscheidungen treffen? Ich folge doch nur
vorgegebenen Routinen, auf die mein Speicher zurückgreift.«
»Das ist wohl eine eigenständige Weiterentwicklung.«
Sie musste aber noch an ihrer Mimik arbeiten, denn sie blickte mich
ausdruckslos an.
Mein Interkom summte.
»Das ist Hunter. Er benutzt das interne Netz der NOVA für die
Übermittlung«, erklärte Eleonore.
»Dir entgeht wohl nichts«, sagte ich und meldete mich mit »Ja« am
Interkom.
Hunter beorderte mich zu sich. Das Hologramm von Eleonore erlosch,
und ich verließ die Kabine. Geradeaus befand sich der Antigrav, der mich
eine Etage höher brachte. Die NOVA war klein, schon hatte ich das Cockpit
erreicht. Hunter saß in seinem Stuhl, die Beine auf das Steuerpult gelegt
und rauchte. Kuvad Soothorn saß auf einem der hinteren Stühle und paffte
auch. Die beiden hatten ein gemeinsames Hobby gefunden.
»Ich habe noch gar keinen Bericht von dir gehört«, stellte der Tefroder
fest.
»Genau«, ergänzte Soothorn mit drohendem Unterton.
»Schnauze«, rief Hunter dem Springer zu. »Also?«, fragte er nun wieder
an mich gewandt.
Ich hatte da ein ganz mieses Gefühl. Hunter war so unberechenbar. Doch
es wäre auch falsch gewesen, ihm nichts von der Akonin zu berichten. Also
sagte ich ihm, was ich wusste. Er hörte gespannt zu, schnippte die Kippe
auf den Boden und sah zu, wie ein winziger kugelförmiger Roboter diese
desinte grierte.
»Wann wolltest du mir das denn erzählen, Kumpel?«
Die Betonung auf Kumpel war sonderbar.
»Um ehrlich zu sein, wollte ich es dir gar nicht berichten. Ich befürchte,
du wirst voreilig handeln – und wir werden nichts herausfinden.«
Soothorn lachte und meinte: »Ei, ei, ei! Du solltest den Chef nicht so
hintergehen.«
Was sollte das eigentlich?
»Dein mangelndes Vertrauen macht mich wütend. So wütend, dass ich
diesen Springer am liebsten erschießen würde.«
»Was?«, rief Soothorn entsetzt. Sein Lachen und seine dümmlichen
Kommentare waren ihm jetzt vergangen.
Hunter nahm die Beine vom Pult und stand auf.
»Doch wir machen es auf deine Weise. Wir sind nett zu Frau Perrypedia.
Vielleicht führt sie uns zu einem Nest von Rhodanmystikern.«
Er lächelte verschmitzt.
»Und wenn sie nichts weiß, vielleicht ist sie ja noch für eine schnelle
Nummer gut.«
Hunter war erstaunlich gelassen und verließ die Zentrale. Manchmal
konnte er sehr jähzornig werden, doch vielleicht würde er mich später
bestrafen. Ich blickte zu Kuvad Soothorn, und der Springer fing wieder an,
dümmlich zu grinsen.
»Mach dich nützlich, Soothorn!«, sagte ich. Er sprang auf, richtete seine
Mütze und rief »Aye, aye!«
Die Störenfriede waren weg, und Eleonore erschien mit ihrem
Hologramm.
»Wollen wir unsere Observation fortführen?«, fragte sie.
»Mit Vergnügen.«
Die Observation der Archäologin und ihres Begleiters war ermüdend. Sie
verbrachten lange in dem Restaurant, wechselten dann in ein wenig
ansehnliches Hotel und schliefen in getrennten Zimmern. Wenn sie
vermuteten, ich sei ein Agent der Cairaner, würden sie sich weiterhin
vorsichtig verhalten. Ich nahm einen Schluck Kaffee. Nur Eleonore und ich
befanden sich seit Stunden im Cockpit. Hier musste ich keine Maske tragen,
mich nicht verstecken.
»Wie schmeckt Kaffee?«, fragte sie.
»Herb, bitter
»Nach meinen Daten ist das nicht etwas, das als wohltuend empfunden
wird.«
Ich schmunzelte.
»Doch, Kaffee wirkt belebend. Ein Energieboost. Es gibt auch welche, die
versüßen sich den Kaffee und verdünnen ihn mit Milchprodukten. Ich trinke
ihn sehr schwarz.«
»Das ist eine Kombination aus deinem Geschmacksempfinden sowie eine
Hemmung der Adenosinrezeptoren im zentralen Nervensystem durch das
Koffein. «, stellte die Positronik fest. »Ich wäre neugierig, wie Kaffee
schmecken würde.«
»Kannst du denn neugierig sein?«
Sie schwieg für ein paar Sekunden. Dann sagte sie: »Offenbar. Oder es ist
eine Routine von mir. Wenn ich nicht neugierig wäre, wäre ich nachlässig
mit der Wartung der NOVA, in der Berechnung von Flugrouten und dem
Erkennen von potenziellen Gefahren. So gesehen, ist Neugierde wohl ein
Teil meiner Programmierung.«
Hunter betrat die Zentrale. Als er mich sah, verzog er das Gesicht.
»Setz den Helm wieder auf, Freak.«
Das schmerzte, doch ich war nichts anderes von ihm gewohnt.
Dabei war Hunter am Morgen auch nicht gerade eine Augenweide. Das
Haar war zerzaust, und dicke, violette Augenringe dominierten sein
Gesicht.
Er sah das Hologramm von Eleonore.
»Was soll der Mist denn schon wieder? Du bist eine Positronik und kein
Mensch. Deaktiviere das Holo.«
»Zu Befehl«, erwiderte Eleonore. Ich hörte eine Nuance an Widerstand in
ihrer sonst gleichmütigen Stimmlage. Ihre Projektion löste sich auf. Ich
trank meinen Kaffee auf und setzte den Helm auf.
»Schon besser«, murmelte Hunter, zündete sich eine Zigarette an und
hustete nach dem ersten Zug erst einmal herzhaft. Wenig später betrat
Soothorn das Cockpit. Er trug zwei Tassen heißen Kaffee in der Hand, und
im Mund hing eine qualmende Zigarette.
»Bitte, Chef.« Er gab Hunter eine Tasse.
»Süß, ihr beiden«, kommentierte ich.
Hunter nahm einen Schluck.
Tai lachte gehässig.
»Der Chef erkennt meine Fähigkeiten. Eifersüchtig?«
»Ich erkenne, dass du ein guter Lakai bist. Bilde dir nichts darauf ein,
Springer!«
Das saß. Hunter war heute wieder in bester Laune. Soothorn schwieg,
setzte sich auf seinen Stuhl, trank den schwarzen Muntermacher und
rauchte weiter.
»Wisst ihr, auf Lepso, da war ich wer. Da wussten die mich zu schätzen.
Ich hatte so viele Jobangebote als Chefingenieur auf großen Raumschiffen.
Und hier weiß mich niemand zu schätzen. Ach ja, sagt mal, habt ihr eine
Muckibude auf dem Schiff? Mein Bizeps muss mal trainiert werden.«
Er demonstrierte die Muskeln seines rechten Arms.
»Der Schnucki muss trainiert werden. Sechs Stunden Aufwärmen, sechs
Stunden hartes, gnadenloses Training. Die Frauen stehen drauf.«
»Geh Kisten schleppen«, antwortete ich.
Hunter schnippte die brennende Kippe in Richtung Tai Soothorn. Der sah
den Tefroder verdutzt an, lachte verunsichert und fuhr fort: »Meine
Freundin wird mich auch vermissen. Ich sag euch, ein Top-Model. Hupen
wie ein Kugelraumer. Knackarsch und absolut durchtrainiert. Und zwischen
den Laken ein Luder, sag ich euch.«
Er lachte.
»Die hatte ich auf einem Raumhafen kennengelernt. Das hat sofort
gefunkt. Ich war ja erst zögerlich, wollte nicht, dass sie mich nur wegen
meines Charmes und guten Aussehens will. Aber, was soll ich sagen?«
Ich glaubte ihm kein Wort.
»Und hatte ich euch mal erzählt, als ich Maschinenchef auf einem Schiff
war, das von On-Piraten und Ladhonen verfolgt wurde, war es mein
Verdienst, dass wir entkamen. Ich entwickelte eigentlich den Maud-Diogo-
Akzelerator. Das glaubt ihr nicht, oder? Wahnsinn. Ich wusste, dass die
Gezeitenkräfte des Linearraums angemessen werden und zur Steigerung der
Geschwindigkeit genutzt werden konnten. Man brauchte nur einen
günstigen Richtungsvektor. Ich habe es Hypersegeln genannt. Weil ich ja
auch ein toller Segler auf einigen Welten bin und Meisterschaften
gewonnen habe. Aber irgendein drittklassiger Wissenschaftler hat die
Erfindung für sich beansprucht. Glaubt man das?«
Nein, tat ich nicht. Der Springer tischte uns ein Raumfahrergarn nach dem
anderen auf.
Eleonore meldete sich. Ich war dankbar für diese Unterbrechung.
»Die Akonin und ihr tefrodischer Begleiter begeben sich in ein
Restaurant.«
»Du hast nichts rausgefunden?«, fragte Hunter.
»Nein«, lautete meine Antwort.
Er verdrehte die Augen. Dann beobachtete er das Video, welches uns
durch den Roboter zugespielt wurde. Er musterte den Begleiter der Akonin.
»Die Galaxis ist klein«, flüsterte er. »Ich kenne den Tefroder. Jevran
Wigth. Ein selbsternannter Historiker und loyaler Speichellecker von Vetris-
Molaud.«
Damit meinte er den Maghan des Tamaniums, des Reichs der Tefroder.
Vetris-Molaud war Zellaktivatorträger und damit relativ unsterblich. Er
pflegte eine Allianz mit der Liga Freier Galaktiker und gehörte somit zu
jenen, die die Existenz von Terra und Perry Rhodan anerkannten. Ja,
Molaud behauptete sogar öffentlich, dass er Perry Rhodan gekannt hatte.
Viele vernünftige Galaktiker sahen den Maghan und Reginald Bull als
treibende Kraft der Terra-Lüge und damit als jene, die den Cairanischen
Frieden vehement stören wollten.
»Schluss mit den Spielchen. Das ist persönlich«, entschied Hunter.
»Warte«, sagte ich eindringlich. »Wenn er dich erkennt, werden wir an
keine Informationen kommen.«
Ich hatte eine Idee.
Eleonore war unsere Augen und Ohren, als sie das »Terra-In« betrat. Sie
hatte die Steuerung des Beobachtungsroboters mit der Kamera und dem
Mikrofon übernommen und um einen Formenergieprojektor ergänzt. Sie
trat wieder als blauäugige, blonde Frau aus Formenergie in Erscheinung
und wirkte absolut authentisch. Hunter, Soothorn und ich befanden uns
etwa 200 Meter entfernt auf einem Dach. Der »terranische Diner«, wie er
bezeichnet wurde, hatte die Form eines Bahnwaggons und war silbern.
Solche alten Gefährte sah man nur auf Welten, die noch keine Raumfahrt
beherrschten. Ein roter Anstrich unten und zwischen den Fenstern verlieh
dem stehenden Speisewagen ein markantes Aussehen.
Eleonore stand am Eingang und ließ ihren Blick von oben bis unten durch
das Restaurant schweifen. Der Boden war schwarzweiß gekachelt, während
die Wände und Decke silbern gestrichen waren. Die Stühle und Tische
waren im selben Rot wie die Außenwand gehalten. Musik spielte, deren Stil
ich nicht zuzuordnen vermochte. Vor Eleonore befand sich ein
langgezogener Tresen mit Sitzhockern und allerlei unüberschaubaren
Angeboten an der Tafel. An den Wänden waren Bilder von Personen
projiziert, die bunte Kostüme trugen.
Ein Servierroboter schwebte auf Eleonore zu.
»Howdy, ein Platz für zwei?«
Der Roboter trug ein weißes Kleid mit einem Faltenrock, eine
platinblonde Perücke und Lippenstift. Eleonore war darüber offenbar
irritiert. Sie musterte das mechanische Geschöpft.
»Sag was«, flüsterte ich.
Dabei war es unsinnig, leise zu reden, niemand würde meine
Kommunikation mit ihr hören, da meine Anweisungen ohnehin zur NOVA
gingen und von dort digital an ihr Alter Ego übermittelt wurden.
»Howdy? Ich bin eine Person.«
Sie blickte sich um und erkannte Jevran Wigth und Larida Yoon an einem
der Tische. Eleonore hob den Finger und zeigte in die Richtung.
»Einen Tisch dort.«
»Okidoki, Sweety! Folge mir
Eleonore platzierte sich zwei Tische neben den beiden. Sie waren in guter
Reichweite, um jedes Wort zu verstehen.
»Schon was bestellen?«
Eleonore hatte die Karte innerhalb von einer Sekunde studiert.
»Ich wähle einen Liter Coke, den Cheeseburger mit Fries und Ketchup
und im Anschluss das Terra-Ice Alaska.«
»Da hat aber jemand Hunger, wo versteckst du das nur, wenn du immer so
viel isst? Ach, ich traue mich ja gar nicht, so viel zu essen«, meinte der
Servierroboter.
»Du bist ein Roboter und kannst nichts essen«, erwiderte Eleonore
nüchtern.
»Nun werde mal nicht gleich persönlich«, rügte der Roboter sie und surrte
davon.
Dabei konnte Eleonore auch nicht essen. Sie würde die Nahrung innerhalb
des Formenergiekörpers behalten. Unsere Positronik im Außeneinsatz
konzentrierte sich auf das Gespräch zwischen der Akonin und dem
Tefroder.
»… Presley meets Goradon. Und alle denken, das ist ein Märchen-Diner«,
sagte Larida Yoon.
»Der Servierroboter hat sich als Thora verkleidet«, stellte Jevran Wigth
fest.
»Nein, das ist Marilyn Monroe, ein Film- und Musikstar aus Rhodans
Jugend. Sie starb ein paar Jahre vor der Mondlandung.«
»Solange diese Monroe nicht stirbt, bevor sie unser Essen bringt …«
Der Tefroder schmunzelte. Yoon lachte auch. Sie nahm einen Schluck von
ihrem Getränk, in dem sich viele Eiswürfel befanden.
»Ein Tefroder und eine Akonin sitzen mal wieder in der einzig
genehmigten Erinnerung an Terra. Und sie wird nur genehmigt, weil jeder
denkt, dass hier alles ein ideologiefreier Witz ist. Es ist einfach…« Sie
seufzte frustriert. »Eine Vergewaltigung der Geschichte. Verdammte
Cairaner!«
»Nicht so laut«, sagte Wigth besänftigend. »Niemand weiß, ob die
Cairaner dahinterstecken.«
Eleonore in dem Diner auf Trafalgar. © Gaby Hylla
»Wer denn sonst?«
Er zuckte mit den Schultern.
Nach einer Weile des Schweigens brachte der Marilyn Monroe-Roboter
das Essen.
»Chicken Wings mit Fries für die Lady und ein Doppel-Chopper-
Hamburger mit Speck und Fries für den Gentleman.«
Sie schwebte zu Eleonore und servierte die Coke und den Cheeseburger.
»Nicht alles auf einmal essen«, riet ich ihr.
»Ich habe noch niemals gespeist. Mein Verhalten könnte irritierend sein.«
»Immer in kleinen Häppchen«, schlug Hunter vor, der sichtlich genervt
war. Ihm gefiel die Idee nicht, doch sie kamen Yoon und Wigth dadurch
sehr nahe. Eleonore beobachtete Wigth, der seinen Burger verspeiste. Sie
wollte vermutlich lernen. Jedoch der Tefroder hastig und gierig.
Eleonore macht es ihm nach und stopfte sich den Burger in den Mund. Sie
achtete darauf, dass sich ihre Proportionen nicht veränderten. Ihr
Formenergiekörper hätte ja den Mund jederzeit vergrößern können. Sie tat
also so, als würde sie kauen. Das Ketchup benetzte ihre Lippen und das
nähere Umfeld ihres Mundes. Bei Wigth hingegen hing Kraut im Bart.
Eleonore wischte sich die unfreiwillige Schminke aus dem Gesicht.
»Wir sollten Trafalgar verlassen«, schlug Larida Yoon vor.
»Du denkst, wir werden noch verfolgt?«, vermutete Jevran Wigth.
Sie nickte.
»Dieser maskierte Typ aus dem Basar geht mir nicht aus dem Kopf.
Woher hatte er das PERRY RHODAN-Heft?«
»Er könnte es von überall herhaben.«
»Mag sein, aber wieso ist er auf Trafalgar? Wie ist die Verbindung
zwischen dieser Welt und dem PERRY RHODAN-Heft?«
»Wir kennen die Antwort.«
Wigth nahm einen weiteren Bissen und kaute genüsslich das Gemisch aus
Fleisch, Speck, Salat und Brötchen.
Yoon hingegen leerte ihr Glas. Sie blickte aus dem Fenster, stieß einen
Seufzer aus und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Wir schon. Aber der doch nicht. Es war kein Zufall, dass dieser Creen
auf Trafalgar ist. Ebenso wenig, dass er mich auf dem Basar getroffen hat.«
»Vielleicht hast du auch nur seine Aufmerksamkeit erregt. Nehmen wir
mal an, dieser Creen sucht auf Trafalgar nach Hinweisen zu seiner Perry
Rhodan-Lektüre. Wie ich dich kenne, warst du nicht unauffällig, als du mit
dem Dron über Michael Rhodan diskutiert hast.«
Sie schwieg.
»Kontaktieren wir Collingwood?«, fragte Wigth.
Es fing nun an zu regnen. Mir machte das wenig aus, Hunter und Kuvad
Soothorn wurden nass. Hätten sie mal an Prallfelder gedacht. Ich lauschte
weiter gespannt der Konversation zwischen Jevran Wigth und Larida Yoon.
»Wenn wir Collingwood informieren, riskieren wir, dass man uns
entdeckt«, wandte Yoon ein.
»Na ja«, erwiderte Wigth und nahm einen Schluck. »Wenn wir einfach
verschwinden, bleibt Collingwood im Ungewissen über eine potenzielle
Gefahr. Weder die Liga noch das Tamanium dürfen laut Vertrag mit den
Cairanern im Victory-System operieren. Wir können also keine Hilfe holen.
Riskieren wir es, Collingwood nicht über Creen zu informieren, und hoffen,
dass alles gut wird?«
»Oder informieren wir Collingwood und tun diesem Rhodanjäger einen
Gefallen?«
»Jetzt ist er schon ein Rhodanjäger?«
»Was denn sonst?«
Jevran Wigth wirkte nachdenklich. Er tupfte mit einer Serviette den Mund
ab.
»Also gut, wir schützen Collingwood durch Kontaktsperre. Lass uns das
Victory-System verlassen.«
Sie wollten den Planeten verlassen? Daraus würde nichts werden.
8. Die CASSIOPEIA
5. Februar 2046 NGZ
Rudyn, Neu Terrania
Atlan wusste, dass etwas nicht stimmte. Es war die Art, wie die Menschen
ihn musterten, als er seinen Spaziergang durch den Buntpark von Genzez
machte. Diese Anlage erstrahlte in vielfältigen Farben, die man kaum alle
erfassen konnte. Blumen aller Art von den verschiedensten Planeten, große
und kleine mit prächtigen rosafarbenen, blauen, grünen, gelben und roten
Blüten. Einige Pflanzen meterhoch, andere wiederum klein und kaum zu
erkennen. Mammutbäume mit gelben, braunen, grünen und sogar violetten
Blättern säumten den Weg durch den Park. Es war herrlich idyllisch. Am
liebsten hätte er sich auf einer Wiese niedergelassen und ein Picknick
gemacht. Dabei fehlten ihm jedoch die drei wichtigsten Faktoren.
Etwas zu Essen.
Ein edler Wein.
Eine angenehme weibliche Gesellschaft.
Vielleicht fällt es dem Schwerenöter auf, dass die rudynischen Damen dich
am liebsten lynchen wollen, warf sein Extrasinn ein.
Natürlich war es ihm aufgefallen. Nicht nur die Frauen, sondern auch die
Männer und Wesen welchen Geschlechts auch immer blickten ihn mürrisch
an. Er hörte unfreundliches Tuscheln hinter sich. Worte wie »Lügner«,
»Kriegstreiber« oder »Schwurbler«.
Ihn ärgerte wiederum die Dummheit der Leute, die die Geschichte und
Fakten ignorierten. Sie hatten ihm die Laune verdorben. Er brach den
Spaziergang ab und kehrte auf schnellstem Weg über einen nahegelegenen
Transmitter zurück zur Solaren Residenz. Dort watschelte ihm Gucky
entgegen. Er trug seinen gelben Overall mit schwarzen Stiefeln und einem
blauen Muster auf der Brust. Der Mausbiber entblößte seinen Nagezahn zur
Begrüßung.
»Du hast da wohl jemandem ans Bein gepieselt.«
Gucky betätigte einen Knopf auf seinem portablen Trivid, das das
Holovideo eines Senders abspielte. Atlan hatte Mühe, sich auf dem Holo
zurechtzufinden. Laufschrift und Werbeeinblendungen lenkten vom
eigentlichen Inhalt ab. Nun hörte er dem Nachrichtensprecher zu, einem
perfekt frisierten Rudyner mit androgynem Gesicht.
»… Gelder aus der Staatskasse oder woher hat der Resident so viel Geld?
Ist dieser neue Feudalismus ein Vorzeichen für das, was uns blüht, wenn
Perry Rhodan und Atlan die Herrschaft übernehmen? Das ganze Viertel ist
nun in Angst vor den neuen Nachbarn. Ist der Kauf der Immobilie
Realitätsverlust, übertriebene Wohltat oder abscheuliches Gönnergehabe?
Tycoon Kulag Milton spricht jedenfalls von Vorspiegelung falscher
Tatsachen.«
Das Bild des Rudyners Milton erschien nun. Er wirkte angegriffen, als er
auf der Einfahrt einer luxuriösen Villa interviewt wurde.
»Dieser Atlan hat mir versichert, dass er die Immobilie zur Eigennutzung
erwirbt. Dass eine Jülziishe Großfamilie einzieht, war nie Bestandteil des
Vertrags. Die Nachbarn sind verunsichert. In diesem Viertel wohnt die
ökonomische Elite der Liga Freier Galaktiker. Sie genießen ihre wenige
freie Zeit hier. Was bezweckt Atlan damit? Dieser Mann spuckt doch auf
die rudynische Wirtschaft, wenn er 152 Millionen Galax regelrecht
verschwendet, nur um sich als Wohltäter aufzuspielen. Ein Affront gegen
jeden hart arbeitenden Rudyner und jede hart arbeitende Rudynerin. Und
unterstützt wird er von Reginald Bull. Die Überweisung kam vom Konto
des Residenten. Welches dubiose Spiel treiben sie? Bull leiht seinem
Kumpel mal kurz 152 Millionen Galax? Ich erachte das alles als sehr
fragwürdig. Sind Atlan und Perry Rhodan nur Erfindungen von Reginald
Bull? Wer kann denn das beurteilen? Ich war nicht dabei. Niemand von uns.
Wir alle glauben das, was Bull erzählt, und sind vielleicht in einem Fake-
News-Konstrukt gefangen. Vielleicht ist es auch an der Zeit, dass wir mal
offen mit den Cairanern reden. Ich sehe Bull und seine irren Kettenhunde
Atlan, Gucky, Icho Tolot und Perry Rhodan als Gefahr für die Demokratie
und die Freiheit der Liga Freier Galaktiker
Die Ansicht wechselte wieder zum Moderator, der die Frage stellte, ob
jemand wie Bull zurechnungsfähig sei. Jemand, der seinem Kumpel mal
152 Millionen Galax lieh, damit der einer Familie aus der sozialen
Unterschicht eine Villa spendierte, dem sollte man glauben, dass es einen
Planeten gab, der entführt wurde?
Atlan sah Gucky ernst an.
»Bully hat vermutlich schlechte Laune?«
»Oh ja«, meinte der Ilt. »Er trinkt gerade die zweite Flasche Bourbon.«
»Bourbon? So schlimm?«
Er nahm Gucky bei der Hand. Der Ilt verstand Atlan auch ohne Worte und
teleportierte mit ihm zu Bully. Der zuckte nicht einmal zusammen, als die
beiden in seinem Wohnzimmer materialisierten. Bull saß in seinem braunen
Ledersessel und starrte auf seinen Kamin oder vielmehr auf die Statue der
STARDUST auf dem Kaminsims. In seiner rechten Hand hielt er ein volles
Glas mit Whiskey, in der anderen ein Glas Bier.
»500 Jahre lang hatte ich die LFG relativ unter Kontrolle. Ich habe mich
auf den Tag gefreut, an dem ihr zurückkehren würdet. Ihn herbeigesehnt.
Ich hätte es wissen müssen.«
Er nahm einen Schluck Whiskey, dann einen Schluck Bier.
»Kaum seid ihr wieder hier, stiftet ihr Unruhe und bringt die Ordnung ins
Chaos.«
»Chaos in die Ordnung«, verbesserte Gucky.
»Sag ich ja«, meinte Bull und nahm wieder zwei Schluck.
Atlan nahm die Flasche Bourbon und schenkte sich ein. Der Bourbon war
süßlich, nicht vergleichbar mit einem Scotch, den er lieber mochte. Aber er
wollte Bull nicht nach einer anderen Flasche fragen. In dem Tempo, in der
Bully trank, würde sowieso bald ein Scotch drankommen, hoffte er. Es
konnte aber auch sein, dass Bully als Amerikaner noch Dutzende Flaschen
an Bourbon im Keller stehen hatte.
»Wer ist eigentlich dieser Kulag Milton genau? Ein Billionär mit einem
Spleen oder ein politischer Gegner?«
Gucky schwebte telekinetisch auf das breite Sofa und ließ sich nieder.
Fragend blickte er Bull an.
»Milton ist sehr politisch. Er ist zweiter Vorsitzende des Residenzrates für
Ökonomie. Das ist ein Gremium unter Leitung der Residenzministerin für
Wirtschaft. Es besteht aus Unternehmern, Arbeitgebern und
Wirtschaftswissenschaftlern.«
»Also alles Leute, mit denen ich keine Zeit verbringen will«, schloss
Gucky.
»Milton hat viel Einfluss, gilt als Hardliner. Er ist eingebildet, geldgeil
und kein Freund der Terramythologie. Aber bisher hat er das nie so offen
kritisiert.«
»Ich habe ihn wohl wirklich beleidigt«, sinnierte Atlan.
Bull seufzte.
»Die Bürger sind zwiegespalten. Nicht jeder glaubt tatsächlich an Terra.
Ihr wisst um diese sechsdimensionale Strahlung, die ein Unbehagen bei
jenen auslöst, die an Terra denken. Das Terranische Odium. Im Grunde
genommen ist Terra zu einer Art Religion mutiert. Die heutige Generation
muss daran glauben. Sie haben nur mein Wort, ein paar Artefakte und
Überlieferungen. Und doch sprechen die Datenbanken der Galaxis dagegen.
Offiziell gab es Terra nie. Perry Rhodan auch nicht. Die Mehrheit in der
Liga Freier Galaktiker mag mir vertrauen, doch längst nicht alle«, erklärte
Bull und leerte seine beiden Gläser.
»Ich dachte, unsere Rückkehr hätte einiges geändert?«
»Vielleicht, Gucky. Aber es bleibt ein gewisses Misstrauen. Seid ihr
wirklich die, die ihr vorgebt zu sein? Hat es euch überhaupt gegeben oder
ist das alles eine raffinierte Strategie von mir, Icho Tolot und Vetris-
Molaud? Habe ich den Mythos erfunden, um meinen Machtanspruch zu
legitimieren? Und seid ihr nichts weiter als Schauspieler unter meiner
Regie?«
Atlan wärmte die Hände am Kamin. Er blickte ins lodernde Feuer.
»Jedenfalls scheint Kulag Milton das zu glauben«, sagte er schließlich.
»Wie können wir ihn eines Besseren belehren?«
Bull stand auf und setzte sich neben Gucky auf die Couch. Er kraulte den
Mausbiber hinterm Ohr.
»Findest du es nicht auch seltsam, dass ein über 3.000 Jahre alter Terraner
einen über 3.000 Jahre alten Ilt noch krault?«, fragte Gucky.
»Nein«, meinte Bull. »Stört es dich?«
»Nö, ist sehr angenehm. Mach weiter
Bully blickte in Atlans Richtung.
»Ich denke, Kulag Milton will Kapital aus der Sache schlagen. Du hast
sein Ego angekratzt. Wir müssten etwas tun, was ihn in ein gutes Licht
rückt. Dann wird er besänftigt sein und kooperieren.«
»Ich werde mich sicher nicht bei ihm entschuldigen.«
»Nein, da gibt es auch nichts zu entschuldigen. Die Blues haben jetzt ein
schönes, teures Haus, und du hast ihm eine Lektion erteilt.«
Bull lehnte sich tief in die Couch. Mit der linken Hand streichelte er nun
Gucky am Hinterkopf. Er schloss die Augen, dann öffnete er sie wieder und
schnellte nach vorne. Beinahe hätte er dabei Gucky unbeholfen nach vorne
geschubst.
»Das könnte es sein. Er hat doch dieses neue Raumschiff gebaut. Die
CASSIOPEIA. Wir sollten seinem Projekt etwas Aufmerksamkeit
schenken. Ihr beide werdet beim Jungfernflug dabei sein.«
Bully sprang auf, rieb sich erfreut die Hände und ging zur Vitrine, um
ihnen neue Getränke einzuschenken. »Erzählt ihm etwas über das
Sternenbild Cassiopeia, die griechische Herkunft. Atlan, hattest du
vielleicht was mit Cassiopeia vor tausenden von Jahren?«
»Nein, Cassiopeia ist eine mythologische Figur. Ich hatte weder mit ihr
noch mit ihrer Tochter Andromeda etwas. Ich musste auch nicht gegen das
Meeresungeheuer Keto kämpfen. Falls es wirklich geschehen ist, war
Perseus der Held der Geschichte. Ich habe da wohl in der Tiefseekuppel
geschlummert.«
Bull reichte Atlan ein neues, volles Glas.
Er nippte dran. Ah, endlich ein Scotch-Whisky.
Die Geschichte um Perseus gehörte zu den klassischen Stoffen der
griechischen Sagen. Cassiopeia hatte sich den Zorn des Gottes Poseidon
zugezogen. Er verlangte, dass ihre Tochter Andromeda dem Monster Keto
geopfert werden sollte. Doch Perseus rettete Andromeda und besiegte Keto
mit dem abgeschlagenen Kopf der Gorgonin Medusa. Ihr Blick verwandelte
jedes Lebewesen zu Stein – auch Keto.
Interessanterweise war Medusa die Tochter von Keto. Dieses Detail wurde
von Historikern und Geschichtenerzählern oft nicht so sehr beachtet. Atlan
vermutete, dass es ohnehin kaum noch Galaktiker gab, die sich an diese
Geschichte erinnern konnten.
»Wir promoten also sein neues Schiff ein wenig und hoffen, er ist dann
wieder lieb zu uns? Hm, eigentlich sollten wir ihm in den Arsch treten«,
meinte Gucky und biss in eine Mohrrübe, die er aus seiner Tasche
hervorkramte.
Bully grinste.
»Das würde ich auch am liebsten. Aber das ist Politik. Kulag Milton kann
Stimmung gegen uns machen. Ich habe keine Lust, mich in diesem
irrelevanten Kleinkrieg zu verzetteln. Und auch nicht die Zeit. Ihr übrigens
auch nicht. In drei Wochen haben wir eine Regierungssitzung. Bis dahin
sollte alles besser geklärt sein. Außerdem ist die CACC involviert. Die
CASSIOPEIA hat sogar einen Hangar in der ATOSGO. Falls sich dieser
Cloudsky an die Vereinbarung hält, werden wir vielleicht sogar einen
Cairaner ausspionieren können. Dann hat die Aktion doch einen Sinn.«
Am nächsten Morgen ließ sich Atlan von Gucky vor das Empfangsgebäude
der MILTON-Werft teleportieren. Hier wurden die größten
Privatraumschiffe auf Rudyn konstruiert und gebaut. Viel zu sehen war
jedoch nicht. Der gesamte Komplex war durch ein schwarzes Energiefeld
abgeschirmt. Es erstreckte sich über eine Fläche von drei mal vier
Kilometer. Sie waren an diesem sonnigen, aber kalten Wintertag etwa 800
Meter davon entfernt. Um sie herum wuselten Roboter, automatisch
betriebene Container und einige Arbeiter mit orangefarbigen Helmen.
Darauf nahm Atlan das erste Mal das Logo der Milton Company wahr. Es
war eine Pyramide. Im oberen Drittel ein Kreis mit einem Kreuz drin.
In der Mitte des Empfangs im Glashaus stand ein weißer Tresen, an dem
eine Empfangsdame saß. Pflanzen verzierten den Raum. An der rechten
Seite befand sich eine Sitzgelegenheit für wartende Gäste. Atlan war
optimistisch, dass sie gleich zu Milton gelassen würden.
Stille.
Die Frau am Empfang hatte die Augen geschlossen und den Mund halb
geöffnet.
Sie atmete immerhin noch.
Atlan und Gucky traten näher. Gucky hob telekinetisch einen Stift und
wedelte damit unter ihrer Nase. Die Frau war Epsalerin, mit schütterem
roten Haar, einem speckigen Hals und trostlosem Gesichtsausdruck.
Die umweltangepassten terranischen Kolonisten waren aufgrund des
Schwerefelds ihres Planeten kräftig gebaut. In der Regel trugen sie auf
Raumschiffen und anderen Welten außer Epsal einen Mikrogravitator, der
ihr direktes Umfeld an ihre gewohnte Gravitation von 2,15 g anpasste.
Atlan hatte viele tatkräftige Vertreter dieser Spezies in seinem Leben
kennen gelernt. Nie würde er Cart Rudo, den Kommandanten der CREST II
und III vergessen. Ebenso wenig dessen Nachfolger Merlin Akran auf der
CREST IV und V.
Tja, und diese Epsalerin schlummerte friedlich auf der Arbeit.
»Der Ruhepuls eines Epsalers liegt zwischen acht und zehn Schlägen pro
Minute. Bei ihr liegt der Puls bestimmt bei einem Schlag in der Minute«,
vermutete Gucky.
Was wohl Kulag Milton dazu sagen würde? Die Wangen hingen ihr tief
herunter, fast schon an den Hals. Gucky fuchtelte wie von Geisterhand mit
dem Stift umher, doch sie reagierte nicht. Dann steckte er den Stift ganz
vorsichtig in ihr linkes Ohr. Sie öffnete grünbraune Augen.
»Hallo?«, sagte sie.
»Guten Morgen, melde bitte bei Kulag Milton, dass Atlan und Gucky hier
sind.«
Sie starrte uns entgeistert an.
»Okay«, sprach sie dann gedehnt.
»Ich finde«, meinte Gucky, »wir müssten standesgemäß angemeldet
werden. Ich bin Sonderoffizier Guck, auch bekannt als Alleszugleichtöter
und der Retter des Universums.«
»Okay …«
Gucky sah zwar aus wie eine Mischung aus Micky Maus und Chuck, dem
schlauen Biber, doch trotz seines possierlichen Äußeren hatte er allerlei
Schabernack im Kopf und spielte Wesen, die er nicht leiden konnte, üble
Streiche.
»Und nun zu Atlan«, fuhr Gucky fort. »Er ist der ehemalige König von
Atlantis, Kristallprinz, der millionenäugige Zhdopanthi und Begam
Gonozal, der VIII. da Arkon. Lordadmiral der United Stars Organisation.
Jener, der hinter den Materiequellen war. Das Orakel von Krandor. Der
Einsame der Zeit, trotzdem ein Schwerenöter von der Antike bis dato. Und
außerdem ist er ein Beuteterraner
Gucky stemmte die Hände in die Hüfte. Er schwebte gut einen Meter über
dem Boden, denn bei seiner Körpergröße von etwas mehr als einem Meter,
war es ihm nicht möglich, die Person hinter dem Tresen zu sehen.
Sie schrieb. Oder malte eher und seufzte.
»Okay… Alleszugleich-Universum.«
»Was?«, rief Gucky. »Da bist du erst. Und dann noch falsch!«
»Okay, ich muss mich erst einmal reindenken! Ähm! Ich…«
Sie schwieg und starrte auf ihren Zettel.
Dann sah sie hoch.
»Könntet ihr das noch einmal von vorne aufsagen?«
Atlan winkte ab.
Er lehnte sich über den Tresen und lächelte milde.
»Mein Freund trieb einen Spaß. Wie ist denn dein Name?«
»Tiffy
Gucky lachte gehässig los.
»Und ich bin Samson.«
»Okay? Ich… ich dachte du bist Atlan?«
»Nein, ich bin Atlan«, warf Atlan ein.
»Okay… ich dachte, du bist…«
Sie seufzte und blickte Atlan und Gucky hilfesuchend an.
»Wen soll ich denn jetzt melden?«
»Atlan und Gucky. Ohne Sondertitel.«
»Okay… seid ihr beide verheiratet?«, fragte die Epsalerin.
Atlan war irritiert. Sie tippte etwas auf ihr Touchpad. Ganz langsam.
Virtuelle Taste für virtuelle Taste. Sie nahm sich alle Zeit der Welt, um
offenbar die ID-Nummer von Miltons Interkom anzuwählen.
Sie tippte.
Pause.
Tippte erneut und seufzte.
Hoffentlich würde sie nicht die Augen schließen. Sie besaß die
Ausstrahlung und das Bewegungstempo einer Schildkröte.
Atlan blickte Gucky vielsagend an, und der Mausbiber gähnte.
Sie räusperte sich. Plötzlich fing sie an zu husten. Räusperte sich erneut
und hustete wieder.
Sie wiederholte den Ablauf etwa ein Dutzend Mal, ehe sie nach einem
Glas Wasser neben ihr griff. Es war so, als sei sie in einem temporalen Feld
gefangen, einer Art Zeitraffer. Für den Beobachter verging die Zeit viel
langsamer als für die Frau selbst. Doch Atlan musste feststellen, dass sie
nicht durch eine Raumzeitanomalie voneinander getrennt waren. Sie war
einfach so träge. Sie führte das Glas an ihren Mund.
»Soll ich helfen und anschieben?«, fragte Gucky.
Tiffy räusperte sich erneut.
»Nein, danke. Sehr nett.«
Sie leerte das Glas, senkte den Arm und stellte es langsam wieder ab.
Dann starrte sie auf ihren Bildschirm.
Schweigend beobachteten Atlan und Gucky sie, warteten auf eine
Reaktion, doch sie schloss einfach die Augen.
Das konnte doch nicht wahr sein. Atlan donnerte die Faust auf den Tresen.
Die Frau schreckte wieder hoch.
»Ich konzentriere mich gerade. Einen Moment bitte.«
»Ich könnte rasch zum Imbiss teleportieren und uns was zu essen
besorgen«, schlug Gucky vor.
Atlan winkte ab.
»Du kannst da auch zu Fuß hin und was holen. Das dauert hier noch.«
»Dazu bin ich zu faul…«
Die Epsalerin konzentrierte sich immer noch. Sie hüstelte erneut. Dann
erhob sie den Zeigefinger, senkte den Arm, die Hand und den Finger in
Richtung eines leuchtenden Knopfes auf dem Touchpad. Sie drückte drauf.
Neben dem Display ihres Arbeitsplatzes baute sich ein kleines Hologramm
auf. Der Kopf einer Arkonidin erschien. Sagreta da Maag natürlich.
»Das Ehepaar ohne Sondertitel ist hier
In dem Kopf der Epsalerin musste es noch leerer sein als in der großen
Leere.
»Ich kenne kein Ehepaar solchen Namens. Was wollen die?«
Tiffy blickte Atlan an. Er beobachtete, wie in Zeitlupe die Augenlider
tiefer und tiefer gingen, bis die Augen geschlossen waren.
Es vergingen etwa zehn Sekunden, ehe sie die Augen wieder öffnete.
»Sie wollen Kulag Milton sprechen«, antwortete sie.
»Und in welcher Angelegenheit?«, forschte da Maag nach.
Tiffy seufzte. Sie zuckte die Schultern.
»Bei den She’Huan! Hier spricht Atlan. Ich bin mit Gucky hier. Wir
möchten mit Milton sprechen.«
»Um sich zu entschuldigen?«, hörte er das Hologramm fragen.
»Nein, aber um einen Deal auszuhandeln, damit beide Parteien das
Gesicht wahren können. Wir möchten gerne die CASSIOPEIA bewundern.
Der Resident erteilte mir den Auftrag, offiziell die Werbetrommel für dieses
neue Raumschiff zu rühren. Kostenlos natürlich.«
»Tiffany, warum sagst du das nicht gleich? Wir sind im
Konstruktionsbüro. Eskortiere die beiden Vertreter der Liga dorthin.«
Das Hologramm erlosch.
»Okay…«, sagte die Epsalerin und erhob sich langsam.
»Du kannst uns auch den Weg zeigen. Wir finden ihn«, meinte Atlan und
wollte die Sache etwas beschleunigen.
Tiffy setzte sich wieder. Sie nahm den Stift und zeichnete den Weg auf
einen Zettel. Atlan wurde ungeduldig. Sie zog jeden Strich zweimal,
dreimal nach und verstärkte die Farbe dann noch einmal. So langsam
konnte man doch nicht sein.
Atlan drehte sich hilfesuchend zu Gucky um. Der Mausbiber schüttelte
nur den Kopf.
»Sie denkt auch so langsam«, flüsterte er. »Ah, sie ist fertig«, fügte er
hinzu.
Eilig schnappte sich Atlan den Zettel.
»Danke«, sagte er knapp und lächelte kurz.
Plötzlich betrat eine andere Mitarbeiterin den Raum.
»Tiffy, kommst du zur Pause? Wir haben Schokokuchen und Tee schon
fertig«, sagte die grauhaarige Rudynerin.
Die Angesprochene sprang auf.
»Ja, natürlich«, rief sie lachend und machte sich forschen Schrittes aus
dem Raum, ohne sich noch einmal nach Atlan und Gucky umzusehen.
Die beiden warfen sich einen fragenden Blick zu. Dann nahm Atlan
Gucky bei der Hand. Der Mausbiber teleportierte sie direkt vor das
Konstruktionsbüro. Sie befanden sich bereits im abgeschirmten Komplex
und standen in einem Korridor mit einem grauen Teppich und weißen
Wänden. Ein Jülziish erschrak, als die beiden plötzlich auftauchten.
Meckernd zog der Blues von dannen und verwünschte die gelbe Kreatur des
Schreckens. Das graue Tor vor ihnen öffnete sich.
»Da ist er ja«, rief Kulag Milton.
Der massige Geschäftsmann mit dem schlohweißen Haar und den
wasserblauen Augen lächelte. Er wirkte so ganz anders als bei ihrer letzten
Begegnung. Offenbar war ihm ein Geschäft wichtiger als sein Stolz.
»Kommt rein, kommt rein!«
Atlan war überrascht. Er hätte Beleidigungen erwartet. Welches Spiel trieb
Milton? Der Raum war zum großen Teil mit Schaltkonsolen und vielen
Hologrammen gefüllt. Ein Dutzend Männer und Frauen saß an Kontrollen
und überwachte offenbar den Bau der CASSIOPEIA. Links befand sich
eine Couchecke mit einem tiefen Tisch, auf dem sich einige Getränke
befanden. Sagreta da Maag saß bereits auf der Couch. Sie hatte ihr weißes
Haar hochgesteckt und trug ein knappes silbernes Kleid mit hohen weißen
Stiefeln. Immerhin schenkte sie ihm kein Lächeln, denn das hätte Atlan
jetzt wirklich unheimlich gefunden.
Neben der Couch lag ein eigentümlicher… nun, es musste wohl ein Hund
sein. Knurrend regte das Wesen mit dem schwarzen Fell die drei Köpfe in
die Höhe.
»Still, Kerberos«, befahl Sagreta und tätschelte mit ihrer Hand ein Kopf
des Geschöpfes.
Wahrlich, das war Kerberos, der Höllenhund und Bewacher von Hades
aus der griechischen Mythologie. Ob die Namensgebung da Maag bewusst
war oder war es nur überliefert, dass dreiköpfige Hunde entweder Fluffy
oder Kerberos hießen?
Milton breitete die Arme aus. Er trug wieder einmal ein hellblaues Hemd
und dunkelblaue Hosen.
»Willkommen in der Schaltzentrale des Projekts CASSIOPEIA. Sie ist
schon so etwas wie meine Tochter
»Glückwunsch an Arabos und Thronia«, erwiderte Atlan.
Milton verstand nicht, aber er lachte und nickte, tat so, als wüsste er,
wovon Atlan sprach. Wer wusste schon, dass laut griechischer Mythologie
Arabos und Thronia die Eltern der Cassiopeia gewesen waren? Wer wusste,
was Griechenland war und welche Rolle es in der terranischen Antike
gespielt hatte?
Und wer wusste heute noch, dass die Konos die Sagengestalten aus dem
antiken Griechenland auf Genexperimenten der Takerer beruhten?
Zentauren, Zyklopen und andere Fabelwesen hatten einen realen Ursprung
gehabt.
Von all dem hatte über Jahrtausende auch der schlauste Historiker nichts
gewusst, der die griechische Mythologie studiert hatte. Erst die
Erkenntnisse aus der Zeitreise mit dem Nullzeitdeformator hatten die
Bindeglieder zwischen Takerer, Konos, Lemurer und später die antiken
Griechen verknüpft. Die alten Griechen hatten von irgendwoher das Wissen
über das Aussehen von Zentauren und Zyklopen erlangt und sie in ihre
Sagenwelt eingegliedert.
Du schweifst jetzt aber stark in deinen Erinnerungen ab, Barbar!
Sein Extrasinn hatte recht.
Das hastige Trampeln kleiner Beine veranlasste ihn, sich umzudrehen und
zum Eingang zu blicken. Yeremiah Cloudsky, der Super-Sales-Manager der
CACC, eilte in die Schaltstation. Er trug wieder eine braune Hose und ein
blau kariertes Hemd. Das rote Haar war wirr und ungekämmt. Im Grunde
genommen sah er genauso aus wie bei ihrem letzten Gespräch.
»Oh hey, da ist er ja!«, rief Milton und zeigte mit dem Finger auf
Yeremiah.
»Sir, Herr Kulag Milton. Hoch erfreut, ich bin Yeremiah Cloudsky, ich bin
der VIP Top Senior Lifecycle Sales Manager der CACC. Unser Motto ist:
professionelle lebensübergroße Alleskönner natürlich, kurz PLAN. Denn
den haben wir. Den Plan.«
Kulag Milton lachte.
»Hast du das gehört?«, fragte er Sagreta. »Die haben einen Plan!«
Die kühle Arkonidin verdrehte die Augen, atmete tief durch und
antwortete: »Ich habe es vernommen.«
Milton bot Cloudsky Platz neben Sagreta an, die ihm nach seinem
Getränkewunsch fragte.
Kerberos knurrte bedrohlich, und seine sechs Augen starrten den
Glosneken an.
»Aus jetzt, Kerberos!«
Der Hund hörte auf den Befehl seiner Herrin und senkte die Köpfe wieder
in Schlafposition.
Milton stellte sich neben Atlan und sagte halblaut, »Cloudsky gefällt mir.
Der brennt für seine Company. Der gibt Gas. Der merkt, dass der Galax in
der Luft schwebt und nur gegriffen werden muss.« Den letzten Satz
untermauerte er mit einer Geste, indem er mit der Hand in die Luft griff und
so tat, als würde er ein paar Galaxscheine greifen.
Atlan verkniff sich einen Kommentar. Er fühlte sich um Jahrtausende in
die Vergangenheit versetzt. Zu Zeiten, als Menschen nur Bedeutung erlangt
hatten, weil sie reich waren. Ob nun Fürsten und Grafen, später Manager
und Verkäufer sie alle glichen sich und schienen über die Jahrtausende
nicht ausgestorben zu sein. Sie waren oberflächlich, narzisstisch und
besaßen eine Art Bauernschläue, und waren aufgrund ihrer
Selbstverliebtheit nicht interessiert an Wissenschaft, Kunst und Kultur.
Bestenfalls waren sie nur dumm und richteten damit Schaden an.
Es gab aber auch welche, die wollten ihre Macht ausbauen, ihren
Reichtum vergrößern und pfiffen auf die Grundrechte der Bürger. Atlan
vermutete, dass Kulag Milton eher in die erste Kategorie passte.
»Entsende Ragana ter Camperna meine warmen Grüße, Vertriebler«, sagte
Sagreta, während sie Cloudsky ein stilles Wasser eingoss.
»Ja, das werde ich ihr austreten. Ausrichten.«
Er blickte ernst, nahm einen Schluck und saß recht starr auf der Couch.
Gucky teleportierte neben Cloudsky. Der erschrak und verschüttete sein
Wasser. Ein paar Spritzer landeten auf Sagretas Bein. Sie versuchte, es
würdevoll zu ignorieren, doch als Cloudsky anfing, mit einem Taschentuch
über ihren Schenkel zu fahren, schlug sie mit der Hand auf seine. Sie nahm
das Tuch, zerknüllte es mit zuckenden Mundwinkeln und warf es in die
Ecke. Genau das hatte Gucky wohl bezweckt. Zufrieden lag der Mausbiber
auf dem weichen Sofa und beobachtete die Szene.
»Wann sehen wir die CASSIOPEIA?«, fragte Atlan.
Milton lächelte und nahm einen Controller aus seiner Hemdtasche und
deaktivierte den Sichtschutz zur Halle. Dort befand sich die CASSIOPEIA.
Die Legierung der Außenhülle war grau. Der vordere Teil war
hufeisenförmig. Im Zentrum der u-förmigen Umrandung befand sich ein
Diskus. Auf dem flachen Mittelteil standen einige Erhebungen und ein
großer Turm, der Atlan an einen Kontrollturm auf Raumhäfen erinnerte.
Das Mittelstück verband den Bug mit dem scheibenförmigen Heck. Die
gewölbte Heckscheibe war von einem halbrunden Ring umgeben.
Auf dem Fenster erschienen Daten zum Raumschiff.
»Die CASSIOPEIA ist einen Kilometer lang, 600 Meter breit, und die
höchste Erhebung misst 250 Meter«, sagte Kulag Milton bedeutungsvoll.
»Sie verfügt über einen Librotron-Antrieb mit Tevver-II Konverter. Die
Energieversorgung wird über Librovathos Extraktoren und Zhi-Nèng-Trafs
gesichert. Sie ist damit übrigens auf dem technischen Standard der
THORA. Die Wygalorif Tech-Company hat gute Arbeit geleistet.«
Kulag Milton breitete die Arme aus, als wollte er sein Raumschiff in
seiner ganzen Pracht umarmen.
»Sie wird für 500 ausgewählte, wohlhabende Passagiere ein einmaliges
Er leb nis bieten. Denn der Clou ist... « Er drehte sich wieder zu Atlan,
Gucky, Sagreta da Maag und Yeremiah Cloudsky um. »Sie kann auf dem
CACC-Resort ATOSGO mitreisen. Während das Hotel-Raumschiff orbitale
Station einnimmt, kann die CASSIOPEIA mit den Passagieren die
umliegenden Systeme erkunden. Wir gehen mit diesem Projekt eine
einmalige Symbiose mit der CACC ein.«
»The sky is the limit«, fügte Yeremiah Cloudsky hinzu.
Die CASSIOPEIA war durchaus ein schönes Raumschiff, aber der Zweck
beeindruckte Atlan keineswegs. Ihm war schleierhaft, wofür sie genau
Werbung machen sollten.
»Ich nehme an, es wird einen Jungfernflug geben?«, fragte Gucky.
»Korrekt, du kleiner Waschbär«, antwortete Milton. Er schürzte die
Lippen, als wollte er jemanden küssen. Dann bewegte er den Kopf
abschätzend und ergänzte: »Wir werden zwei Kabinen für euch reservieren.
Die CASSIOPEIA wird am 23. Februar, also in 18 Tagen, eine fünftägige
Reise durch die Milchstraße antreten. Modernste Technologie der Milton
Company trifft auf Urlaubserfüllung der CACC und den Cairanischen
Frieden. Der Konsulatssekretär des Sternwestlichen Konsuls Aiharra Haio
ist ebenfalls als Gast geladen. Roch Miravedse ist ein angesehener Cairaner
und Völkerverständiger
Nun wurde die Sache interessant.
»Wir nehmen die Einladung dankend an und hoffen, dass die offizielle
Werbung der Liga meine Impertinenz entschuldigt«, gab sich Atlan devot.
»Echt jetzt?«, fragte Gucky entgeistert.
Atlan warf ihm einen strafenden Blick zu.
»Na gut, ich entschuldige mich auch in aller Form für seine Impertinenz.«
Milton nickte. Er hob sein Glas.
»Perfekt. Auf die CASSIOPEIA.«
9. Trafalgars Geheimnis
6. Februar 2046
Trafalgar
Nathaniel Creen
Der Weg der beiden Wissenschaftler Larida Yoon und Jevran Wigth führte
über die Rohrbahn quer durch Nelsontown in Richtung des Raumhafens,
der etwa zwei Kilometer südlich des großen Marktplatzes lag. Sie tauchten
in der Masse unter, statt einen abgelegenen Landeplatz für ihr Raumschiff
gewählt zu haben. Eleonore hatte inzwischen ihre Formenergie-Figur
abgelegt. Die beiden Beobachtungsroboter folgten der Rohrbahn.
Es galt jetzt, schnell ihr Raumschiff zu finden. Ich befand mich mit Hunter
und Soothorn wieder auf der NOVA. Wir beobachteten den Weg der beiden
Verschwörungstheoretiker. Sie verließen die Bahn an der Pickle-Station und
drängten sich durch eine Masse an Lebewesen. Eine Rollbahn transportierte
sie nach draußen. Am Ende der Straße lag der Raumhafen. Etwa drei
Dutzend Kugelraumer waren dort geparkt, dazu einige Diskus-Raumschiffe,
Walzenraumer, zylinderförmige Schiffe, Stiftraumschiffe der Topsider und
birnenförmige Raumschiffe, vermutlich von Gurrads. Ein kastenförmiger
Frachter stieg empor, und ein etwa 100 Meter durchmessender rostiger
Kugelraumer setzte zur Landung an.
Welches Schiff gehörte den beiden? Ich setzte die NOVA zur Landung an.
Hunter stieß Kuvad Soothorn an.
»Was denn?«, fragte der Springer entgeistert.
»Dein Einsatz. Los jetzt.«
»Ah, ihr könnt euch auf mich verlassen. Jetzt kann ich es euch ja sagen,
aber ich habe eine Ausbildung beim Nachrichtendienst Ephelegon
absolviert.«
»Als Toilettenreiniger?«, fragte ich und setzte die NOVA auf.
»Ihr seid so gehässig. Ich war im Senior Facility-Management und
Supervisor der legendären, geheimen Nullminus-Abteilung. Die war so
geheim, dass nicht einmal der NDE-Chef Opiter Quint davon wusste.«
»Jetzt geh endlich, Agent Minus-Doppelnull«, rief ich ungehalten.
Er stand auf, richtete seine Mütze und eilte los. Nachdem er ausgestiegen
war, stieg die NOVA erneut auf. Ich beschleunigte, zog eine mehrere
tausend Kilometer lange Kurve und aktivierte unseren Laurin-Tarnschutz.
Dann kehrte der Space-Jet zurück zum Raumhafen. Wie erwartet, wurden
wir nicht entdeckt.
Eleonore meldete sich.
»Wigth verriet Yoon den Standort ihres Raumschiffes, da sie sich nicht
mehr sicher war. Es ist Landeplattform 174.«
Ich steuerte die NOVA direkt dorthin, und Hunter gab Soothorn die
Nummer durch. Eleonores Beobachtungsroboter hatten sich aufgeteilt.
Einer flog nun zum Springer, der andere verblieb bei den beiden
Wissenschaftlern. Inzwischen setzte ein starker Regen ein, und Windböen
peitschten über die Landefelder. Ein Gewitter zog über uns auf. Ich hörte
das Prasseln der Regentropfen auf dem Cockpit. Der Regen war schlecht,
ein geübtes Auge würde die Anomalie erkennen und die NOVA
identifizieren. Ich hoffte, dass niemand beim Raumfahrtpersonal bei diesem
Mistwetter Naturbeobachtung vornehmen würde.
Die NOVA befand sich nun direkt über dem zivilen Forschungsschiff. Es
bestand aus zwei Teilen. Der Bauch des Schiffes war ein dreißig mal
dreißig Meter messendes Quadrat. Darauf ruhte eine sechzig Meter
durchmessende und zehn Meter hohe Scheibe. Der Name des Raumschiffes
war KAVLA YIDARI. Ins Interkosmo übersetzt, bedeuteten die akonischen
Begriffe so viel wie Bier-Wissenschaftler. Eine interessante Namenswahl.
»Initiiere einen elektromagnetischen Störimpuls«, meldete Eleonore.
Eleonore ging methodisch vor. Zuerst führte sie einen Angriff auf die
Energieversorgung und damit auch die Positronik vor. Es folgte ein
Störimpuls der möglichen Funkfrequenzen, damit die Schiffspositronik
keinen Kontakt zu Larida Yoon und Jevran Wigth herstellen konnte.
Der dritte Schritt war Veebee ein Virus speziell gegen Positroniken,
entwickelt von Vopp ter Camperna. Veebee wurde über Funkwellen
versendet. Die Positronik war online. Sie schickte, wie erwartet, ein
Notsignal an das Multikom der beiden Wissenschaftler. Ein Kanal war
geöffnet und die Positronik damit angreifbar. Zum einen wurde das
Notsignal gestört und erreichte die Empfänger nicht, zum anderen nistete
sich Veebee über den offenen Funkkanal im System der KAVLA YIDARI
ein. Die Firewall war schnell umgangen. Zwar konnte Veebee nicht
komplett die Positronik komplett übernehmen, doch es reichte aus, um auf
die Datenbanken zuzugreifen.
»Suche nach der Person Collingwood. Gefunden«, meldete Eleonore.
»Cuthbert Collingwood, 1. Baron von Collingwood. Geboren 1750,
gestorben 1810 auf Terra. Er war ein britischer Seekriegsadmiral. Nun,
Collingwood ist den Datenbanken zufolge bereits seit 3.823 Jahre tot.«
»Das sind doch bloß Phantastereien dieser Terraidioten!«, rief Hunter. »Es
reicht, wir sollten die beiden festnehmen und foltern.«
»Moment«, warf Eleonore ein. »Es gibt einen Bezug zu Collingwood und
diesen Planeten. Er diente laut diesem unverifizierten Datenbankeintrag
zusammen mit Admiral Horatio Nelson 1805 bei der Schlacht um Trafalgar.
Zu Ehren von Horatio Nelson wurde dieser Planet von terranischen
Kolonisten Trafalgar genannt. Victory war der Name seines Schiffes,
offenbar ein Kriegsschiff auf See. Nelson-City war die zweitwichtigste
Stadt auf Trafalgar, welche erst im 23. Jahrhundert gegründet wurde. Viel
später wurde sie zur Hauptstadt.«
»Und wie bringt uns dieses Märchen weiter?«, fragte Hunter ungeduldig.
»Ich werte die Daten noch aus.«
Ich beobachtete derweil Soothorn, der gerade Jevran Wigth und Larida
Yoon an der Gangway zu ihrer Plattform abfing.
»Hey, ihr da. Gehört euch das Schiff auf Landeplattform 174?«
Wigth und Yoon sahen sich fragend an.
»Du bist wer?«, wollte Larida Yoon wissen.
Kuvad Soothorn zog die Träger seiner Latzhose stramm, richtete seine
Mütze und grinste.
»Ich bin Magister Chiefmaster Ingenieur der Raumhafenkontrolle. Und
ihr... « Er zeigte mit dem Finger auf die beiden. »... habt ein kleines
Problem.«
»Was für ein Problem? Wovon sprichst du?«, fragte Jevran Wigth und trat
näher an Kuvad heran.
»Euer… ähm…«
Soothorn hatte den Text vergessen. Das durfte nicht wahr sein!
»Ihr steht im Parkverbot. Das Ticket ist nicht gelöst«, sagte der Springer
hastig.
Jevran zeigte ihm den Beleg der bezahlten Rechnung, einen gelben Chip
mit einem grünen Haken. Sehr banal, aber aussagekräftig.
Soothorn räusperte sich.
»Na, das ist ja seltsam. Mensch… das…«
Die beiden gingen weiter. Soothorn rief ihnen hinterher und rannte dann
los, bis er sie überholt hatte.
»Ach, mir fällt noch ein, dass das Siegel der letzten
Raumfahrtuntersuchung schon seit drei Jahren abgelaufen ist. Das kann
teuer werden.«
Jevran Wigth stellte sich direkt vor Soothorn. Der Tefroder überragte den
Springer um einen Kopf.
»Ich weiß nicht, wer du bist, doch bestimmt kein Kontrolleur dieses
Raumhafens. Wenn du Trickbetrüger glaubst, dir ein paar Galax zu
ergaunern, bist du fehl am Platze.«
Hunter, der die Diskussion ebenfalls über den Beobachtungsroboter
mitverfolgt hatte, schenkte mir einen Blick, der so viel sagte wie »Ich hatte
es dir doch gesagt.«
Ja, das hatte er. Ich hoffte, dass Eleonore inzwischen weiter war.
»Um es kurz zu machen. Collingwood ist kein Galaktiker. Im 26.
Jahrhundert einer nicht verifizierten Zeitrechnung wurde die Siedlung
Collingwood in der Gemeinde Cuthbert errichtet, deshalb wird die Region
auch Cuthbert Collingwood genannt. Sie liegt 5.323 Kilometer von hier
entfernt.«
Endlich war das Rätsel gelöst. Hunter sprang auf.
»Dann auf nach Collingwood. Wir dürften in zehn Minuten dort sein.«
»Was machen wir mit dem Springer?«
Hunter zuckte die Schultern.
»Er hat wohl Pech gehabt.«
Der Tefroder setzte sich an die Steuerung und die NOVA verließ den
Raumhafen in Richtung Bergland des Kontinents Eliza.
Collingwood wirkte verlassen. Die Stadt war in einen Berg gebaut, reichte
vermutlich tief in das Gestein hinein. Die sichtbaren Gebäude waren
zerfallen. Ich sah vor allem Trichterbauten, Pilzhäuser und turmhohe
Klötze. Auffällig war die riesige rostige Statue eines Segelschiffes, die
jedoch im Laufe der Zeit halb im Erdboden versunken war. Hunter landete
die NOVA auf einem Vorplatz, der von Laub und Müll übersät war.
»Die Positronik der KAVLA YIDARI vermerkte im Protokoll ein
Gebäude ohne genaue Spezifikation«, erläuterte Eleonore. »Es befindet sich
70 Meter tief in einer Entfernung von 320 Metern. Ich übermittle einen
Lageplan.«
Es war bereits Nacht. Die Brillengläser in meinem Helm verfügten über
einen Nachtsichtmodus.
In diesen Ruinen lebte seit Jahrhunderten niemand mehr. Und doch
erkannte ich Spuren im Laub, das beiseitegeschoben war, und in den
Spinnennetzen, die gerissen waren. Jemand war erst vor kurzem diesen Weg
gegangen. Untrüglich wurde es, als ich die LED-Lampen erkannte, die sich
aktivierten, nachdem wir sie passiert hatten. Die Technik war ein weiterer
Hinweis, dass die Ruinen nicht so verlassen waren, wie zuerst
angenommen. Ich deaktivierte meine Nachtsicht, und Hunter zog seinen
Strahler. Wir gingen den dreckigen Korridor weiter, der an einem Geländer
endete. Wir erreichten eine große Halle, die sich über mehrere Etagen
erstreckte.
Ich stellte mich an das Geländer und blickte hinab. Dort standen viele
Transportkisten. Vereinzelt erkannte ich Menschen und Roboter, die sich
dazwischen bewegten. Die Menschen blickten nacheinander irritiert nach
oben, als die ersten uns entdeckt hatten. Wir gingen die Treppe runter, bis
wir an einer Transportkiste aus schwarzem Metall standen.
Hunter öffnete sie per Knopfdruck. Sie war gefüllt mit PERRY
RHODAN-Büchern. Jedes Buch hatte ein anderes Titelbild und zeigte
Kugelraumer, ein Hantelraumschiff, das Konterfei von Perry Rhodan und
dann einen Haluter, auf dem zwei Menschen saßen, während die Bestie auf
allen Vieren rannte.
Wir öffneten die nächste Truhe. Dort lagen digitale Datenträger. Sie waren
natürlich auch mit »Perry Rhodan« beschriftet. Ein regelrechter Führerkult
war um diesen Rhodan entstanden. Überall tauchte sein Name auf. Es
waren hunderte Kisten mit einem Fassungsvermögen von vielleicht 500
Büchern und Datenträgern je Kiste.
»Von hier aus wird also das illegale Gedankengut umgeschlagen. Jedoch
offenbar nicht produziert.«
Hunter hielt ein Buch mit dem Titel »Straße nach Andromeda« in den
Händen. Der Haluter darauf könnte Icho Tolot sein.
Keiner der Arbeiter sprach uns an. Sie hatten offenbar viel zu große
Angst. Auf den ersten Blick waren das keine grimmigen Revolutionäre,
sondern einfache Männer und Frauen. Endlich fasste einer der Leute Mut
und trat näher. Der große, beleibte Mann mit einer Halbglatze und einem
Schnurrbart fragte, wer wir seien.
»Wer bist du denn?«, antwortete Hunter mit einer Gegenfrage. »Etwa ein
Terraner?«
»Ja, ich bin Terraner. Hudson Jackson. Geboren auf Trafalgar, Sir
»Beeindruckende Sammlung«, sagte ich.
»Oh, danke, Sir! Wir…«
Hudson Jackson stockte, als Hunter seinen Strahler hob und auf ihn
richtete.
»Schnauze, Schwurbler! Wohin bringt ihr die Bücher?«
Der Terraner wirkte ratlos.
»Halt«, rief eine Frau über uns. Es war Larida Yoon. Hinter ihr stand
Kuvad Soothorn. Jevran Wigth eilte bereits die Treppe herunter.
Hunter schlug mit dem Strahlerknauf auf Hudson ein. Blutend ging der
Mann zu Boden. Als Wigth vor Hunter stand, richtete Hunter den Strahler
auf ihn.
»So sieht man sich wieder, Verräter!«
»Du und deine Familie seid die Verräter. Ihr habt euch des Verrats am
Tamanium und Vetris-Molaud schuldig gemacht.«
»Ich könnte dich jetzt ganz einfach abknallen. Verrat? Ihr stellt doch die
Reinheit der Lemurer infrage, indem ihr behauptet, sie stammen von Terra.
Von einem Planeten, der nur in euren Köpfen existiert. Ich bin eure
Verschwörungstheorien so leid. Ihr tötet Menschen mit eurem Wahn.«
Hunter würde ihn wirklich erschießen. Sollte ich eingreifen?
»Aufhören«, rief Larida Yoon und eilte die Treppe hinunter.
»Sie könnten wichtige Informationen für uns haben. Ich weiß nicht, was
damals vorgefallen ist, doch das sollte warten«, riet ich Hunter.
Ich wusste wirklich nicht viel über ihn. Ja, er war Tefroder und
irgendwann war er zum Kopfgeldjäger geworden, doch woher sein Hass auf
Perry Rhodan und den Terramythos herrührte, war mir ein Rätsel.
»Die einzige Information, die ich benötige: Wer ist der Hersteller dieser
Hetzbücher? Wer?«
Jevran Wigth schwieg. Ich sah zur Larida Yoon an. Sie presste die Lippen
zusammen.
»Na gut«, sagte Hunter, zielte nun auf Hudson Jackson und drückte ab.
Der gebündelte Energiestrahl des Nadlerstrahlers bohrte sich schmorend
durch den Schädel des sogenannten Terraners. Er war sofort tot.
Die Anderen in der Halle schrien auf und suchten Schutz hinter den
Kisten.
»Ich kann so die ganze Nacht weitermachen«, sagte Hunter und rief:
»Glaubt ihr wirklich, so eine Kiste bietet Schutz? Nun, wer kann mir sagen,
wo dieser Schund produziert wird?«
Wigth hob beschwichtigend die Hände.
»Dieser Schund ist einfach die Wahrheit. Vielleicht etwas ausgeschmückt,
doch eine lückenlose historische Schilderung der letzten Zehntausende an
Jahren, insbesondere seitdem die Terraner die Raumfahrt beherrschen.
Larida und ich sind Forscher. Wir selbst suchen nach der Quelle. Du weißt,
dass im Zeitalter des Posizids und der Datensintflut die Geschichte
verfälscht wurde. Doch woher wissen die Autoren dieser Bücher dann von
der Geschichte? Die Liga bestätigte schon längst, dass die Geschichten
stimmen.«
Hunter griff sich an den Kopf und wanderte umher.
»Scheiße, das ist doch ein Wahnsinn. Ihr glaubt diesem Bull? Er und
Molaud haben doch überhaupt diesen ganzen Mythos Terra erschaffen, um
ihre Herrschaft zu legitimieren. Natürlich bestätigen sie die Echtheit dieses
Mülls. Doch nur, um euch alle weiter anzulügen. Das sind Märchen. Wo ist
bitte Terra? Hm? Wo, du verdammtes Schwein ist es?«
Nun richtete Hunter die Waffe wieder auf Wigth.
Der Tefroder blieb jedoch ruhig, ließ sich von seinem Artgenossen nicht
aus der Ruhe bringen.
»Das wissen wir nicht. Doch wir wissen, dass Perry Rhodan, Atlan und
Gucky zurückgekehrt sind. Sie sind die Bestätigung für die Existenz von
Terra und der Geschichtsverfälschung der letzten tausenden von Jahren
innerhalb eines Moments.«
»Das sind doch nur Schauspieler. Glaubt ihr wirklich, dass die so einfach
in ihrem Raumschiff mal 500 Jahre verschlafen und auf einmal wieder da
sind? Das ist doch Quatsch. Die Cairaner sind die legitimierte Regierung
der Milchstraße. Sie bringen ihren Frieden. Ihr bringt nur Hass, Zwietracht
und Lügen.«
»Die Cairaner sind die Lügner, nicht wir«, wehrte sich Wigth.
»Zeige mir Terra, Idiot!«, brüllte Hunter.
Wigth seufzte, sah hilfesuchend zu mir und dann zu Larida Yoon.
»Ich… kann das nicht.«
Hunter lachte bitter.
»Natürlich nicht. Denn Terra existiert nicht. Und was deinen Perry
Rhodan angeht: Nichts weiter als eine Marionette von Reginald Bull. Bull
hat sich Kunstgeschöpfe ausgedacht. Vielleicht sogar mit Hilfe dieser
Bücher. Sieh es doch ein. Ihr seid auf einem falschen Weg. Wieso zweifelt
ihr die cairanische Ordnung an? Wieso stört ihr den cairanischen Frieden?
Warum misstraut ihr jenen, die euch schützen wollen? Ihr werdet
manipuliert und gefährdet die Freiheit und den Frieden.«
Nun zielte er auf Larida Yoon.
»Letzte Chance, sonst gibt es akonisches Hirngulasch. Sag mir, was du
weißt.«
Jevran blickte traurig zu Larida. Würde er sie opfern? Die beiden waren
Wissenschaftler und keine Geheimagenten. Irgendwie kamen mir diese
Bücher, die Rhodanjagd plötzlich so unsinnig vor. Es waren doch nur
Bücher. Waren sie das Leben dieser Leute wert? Vielleicht nicht die Bücher
selbst, aber die Idee, die dahintersteckte. Hunter schien mit allen Mitteln
verhindern zu wollen, dass der Glaube an Terra und Perry Rhodan auch
außerhalb der Lemurischen Allianz aus LFG und Tamanium verbreitet
wurde. Seine Ziele deckten sich mit denen von Ragana ter Camperna.
Deshalb waren die Bücher für die CACC, für Hunter selber und die Mission
wichtig.
Ich war Rhodanjäger. Doch die Jagd auf Rhodanmystiker war nicht meine
Religion. Es war die meines Kommandanten.
»Jetzt sprich endlich, Tefroder. Sonst wird heute noch viel mehr Blut
fließen«, sagte ich so eindringlich, wie es nur ging.
Wigth nickte.
»Also gut. Es gibt einen Mittelsmann auf der Welt Stellacasa im
Lucesystem. In der Stadt Vennecia findet ihr Strephano Tumesy. Er
unterhält ein Netzwerk mit Leuten, die ihr als Rhodanmystiker bezeichnen
würdet. Doch…«
»Ja?«, fragte Hunter gehässig.
Nun mischte sich Larida Yoon ein.
»Die Bewohner von Stellacasa haben kein einfaches Leben. Perry Rhodan
und Terra sind ihre Hoffnung. Das ist ihr Glaube an eine bessere und
gerechtere Milchstraße, und diesen Glauben teilen viele Welten. Die Bücher
spenden Hoffnung, klären auf und bilden. Jevran und ich wissen, dass es
Perry Rhodan gibt. Wir haben ihn im Dezember auf Rudyn gesehen. Es war
magisch. Uns könnt ihr die Hoffnung nicht mehr nehmen.«
Sie lächelte stolz. Wirkte trotzig.
»Nein, aber euer Leben.«
Hunter drückte ab. Sie drehte sich zur Seite, doch der Energiestrahl traf sie
am Oberkörper. Larida brach zusammen. Dann richtete er den Strahler auf
Jevran Wigth und schoss ihm ins Bein.
»Du stirbst noch nicht. Du sollst leiden.«
Hunter grinste. In seinen Augen stand der Hass geschrieben. Die
Sehnsucht nach Rache. Ich packte ihn an der Schulter.
»Wir sollten die beiden mitnehmen. Was ist, wenn Stellacasa eine Lüge
ist? Lebend sind sie wertvoller
Der Tefroder sah mich an.
»Wir sind kein Luxusraumschiff. Wird langsam eng bei uns auf der
NOVA.«
Hunter raufte sich die Haare. Er ging ein paar Schritte im Kreis, sah an die
Decke, schien mich selbst zu ringen. Er blieb stehen, richtete wieder die
Waffe auf Jevran Wigth. Dann nickte er und senkte den Strahler.
»Du passt mir auf die auf.«
»Ja! Soothorn, komm her. Hilf Wigth auf die Beine.«
Ich hob Larida Yoon auf. Ihre Augen waren geschlossen. Sie war
ohnmächtig, atmete aber noch. Sie brauchte medizinische Versorgung auf
der NOVA. Wir verließen diesen Ort. Ich war mir sicher, dass er nicht mehr
lange existieren würde. Hunter würde eine Mitteilung an die CACC senden
und über den Standort des Perry Rhodan-Lagers berichten. Ragana würde
ihre Kontakte bei den Ladhonen spielen lassen, die Collingwood in Schutt
und Asche verwandeln würden.
Für Ragana ter Camperna und Hunter war die Rhodanjagd ein Kreuzzug.
Sie würden nicht eher aufgeben, bevor der Name Perry Rhodan und Terra
aus dem Gedächtnis aller Galaktiker getilgt war.
Nathaniel Creen trägt Larida Yoon fort. © Gaby Hylla
Epilog
Galaxis M 100,
Planet Dorgon, Stadt Dom.
Garentus blickte verträumt auf die Statue des Thesasian und kratzte sich an
seinem haarlosen Schädel. Er saß auf einer alten Bank aus Stein, umgeben
von wild wuchernden Gras, Unkraut und Blumen mit gelben Blüten. Die
metallische Statue des dorgonischen Kaisers war von der Witterung der
Jahrhunderte gezeichnet. Immerhin war sie mehr als 900 Jahre alt und seit
Ewigkeiten nicht gepflegt worden. Alles zerfiel in der einst ewigen Stadt
Dom auf dem Planeten Dorgon.
Seit dem Tod des letzten Kaisers Falcus vor mehr als 500 Jahren war das
Sternenreich Dorgon zerfallen. Könige hatten sich als Herrscher ausgerufen
und waren wieder gestürzt worden. Die marodierenden Klans der Takhal
Gud Looter waren entstanden und hatten über Jahrhunderte für Angst und
Schrecken auf den Welten gesorgt.
Jemand hatte mal vor tausend Jahren gesagt: Das Sternenreich Dorgon
bedeute Zivilisation. Zivilisation bedeute Ordnung, und Ordnung bedeute
Sicherheit.
Der Autor dieser Verse war Garentus nicht bekannt. Doch er konnte die
Wahrheit dieser Worte aus tiefstem Herzen bestätigen.
Die Zivilisation war zerbröckelt.
Es herrschte keine Ordnung.
Es existierte keine Sicherheit.
Dorgon war seit einem halben Jahrtausend verloren. Doch nicht nur eine
zentrale Führung fehlte der Galaxis. Die Furcht vor den Temporalen
Anomalien war groß und stets gegenwärtig. Hesophia war vor Dekaden in
einem temporalen Tsunami vergangen. Seit jener Zeit waren zwei Dutzend
Welten gefolgt.
Und nun wütete solch ein temporaler Sturm auch über Dorgon.
Garentus blickte nach oben. Rote, goldene, grüne und blaue Blitze zuckten
am Himmel, der sich in ein tiefes Rot verfärbte.
Garentus schloss die Augen. Wenn das Ende gekommen war, so wollte er
sie in den Gärten des Pons Domus verbringen, jenem Kaiserpalast, der über
Jahrtausende für Ordnung gestanden hatte. Der Dorgone spürte ein Kribbeln
am ganzen Körper. Es war so, als würde ihn etwas durchströmen.
Er öffnete die Augen. Die Bilder verschwommen. Das Unkraut
verwandelte sich in blühende Blumen, und die verwitterte Statue des
Kaisers glänzte nun silbern. Dorgonen in edelsten Gewändern schlenderten
durch die Gärten.
»Sie wird mir nicht gerecht«, sagte eine strenge Stimme hinter ihm.
Garentus erhob sich und blickte in die Augen des Kaisers Thesasian. Wie
konnte das sein? Da stand der Kaiser der Dorgonen vor ihm, der seit etwa
750 Jahren tot war! Getötet von dem Saggittonen Aurec, der zusammen mit
den Terranern eine Allianz gegen den Kaiser geschmiedet hatte.
Wie konnte dieser Dorgone jetzt vor ihm stehen?
Es war so, als hätte sich der finstere Garten in das Elysion verwandelt.
»Mein Kaiser«, sagte Garentus und beugte das Knie.
»Erhebe dich. Ich finde, ich sehe zu freundlich aus. Ein Imperator muss
Strenge und Autorität ausstrahlen.«
»Aber Herr…«
Garentus rang mit den Worten. Für ihn war diese Statue sein ganzes Leben
lang ein Sinnbild der dorgonischen Monarchie gewesen.
Er erhob sich und stand Thesasian Angesicht zu Angesicht gegenüber.
»Herr, das Antlitz dieser Statue überdauert fast 750 Jahre und ist das
Symbol für das Kaisertum Dorgons. Dieser Platz…«
Er breitete die Arme aus.
»… ist ein Platz der Historia, der Hoffnung und ein Hort der dorgonischen
Geborgenheit geworden.«
Thesasian zog die Augenbrauen hoch.
»Ist das so?«
Das Bild des Thesasian verblasste und verschwand schließlich. Garentus
blickte sich um. Er ging weiter. Wo war er? Oder besser gesagt, wann war
er?
Plötzlich stand er vor einer wunderschönen Frau mit blauem Haar und
braunen Augen. Sie lächelte ihm zu. Das musste Arimad sein, die Kaiserin
Dorgons, Tochter des Uleman und Gattin des Kaisers Commanus. Sie hatte
sich mit den Saggittonen, Terranern und allen Feinden der Monarchie
verbündet und war eine Verfechterin der Republik gewesen.
Eigentlich musste Garentus sie verachten, doch er hatte immer ihren Mut
und ihre Loyalität zu ihren Idealen geschätzt. Arimad war zwei Dekaden
nach Thesasian durch die Hand des Silbernen Ritters Cauthon Despair
gestorben, als das Quarterium in einem Staatsstreich kurzzeitig den
Emperador de la Siniestro als Kaiser Dorgons ausgerufen hatte.
»Der Pons Domus war für mich immer ein Gefängnis und kein Hort der
Hoffnung auf Ordnung und Zivilisation«, stellte Arimad fest.
Woher wusste sie von seinen Worten an Thesasian?
Zu Garentus linker Seite tauchte eine weitere Gestalt auf. Ein junger Mann
mit fanatischen blauen Augen und festem blonden Haar.
»Huldige mich, sonst ist der Kopf ab!«
Er lachte grausam. Das musste Carigul, der Sohn des Thesasian sein, der
für kurze Zeit Kaiser Dorgons gewesen war. Garentus wich zurück. Das
wurde ihm jetzt zu viel. Wo kamen diese Geister her? Er irrte durch den
Garten des Pons Domus, hastete zwischen den Hecken umher und traf auf
einen Dorgonen mit vollem dunklen Bart, der einen Synthesizer in den
Händen hielt und darauf grottenschlecht spielte.
»Oh Universum, du versinkst in Chaos lasse doch deinen Kaiser
Nersonos auferstehen.
Auf dass das Universum erblüht in meinem Glanze und Muse…«
Nersonos! Noch ein Kaiser. Der Garten des Pons Domus war voller
Geister aus der Vergangenheit. Dann löste sich der blühende Garten auf und
wich dem tristen Bild, welches Garentus gewohnt war. Doch etwas war
anders. Eine beklemmende Stille lag über den Pons Domus. Keine Vögel
zwitscherten, und keine Domadler kreisten über ihm.
Plötzlich hörte er über sich ein ohrenbetäubendes Grollen.
Aus dem blutroten Himmel schälte sich ein gewaltiges Raumschiff. Der
spitze Bug schoss aus den Flammen hervor. Wie ein Vogel gebaut, mit
rostig-goldener Hülle und einem hohen Turm im Zentrum. Es war kein
Adlerraumschiff und doch war es gewaltig. Es musste mehrere Kilometer
lang sein.
»Oh Sohn des Seins, lege jeden Tag Rechenschaft ab.«
Garentus schrie auf, als er plötzlich die Fratze des Todes sah. Ein Mann
stand vor ihm, das Gesicht gezeichnet von Fäulnis und Verderben. Das
dunkle, nasse Haar hing ihm in Strähnen herunter . Die Augen leuchteten
unheilvoll golden. Der Fremde trug eine dunkle Kombination und war in
einen schwarzen, zerfetzten Mantel gehüllt.
»Was? Wer bist du? Was willst du?«
Garentus schwitzte, sein Herz pochte wild und die Knie zitterten. Er hatte
Angst, jeden Moment zu Boden zu fallen.
»Die Cagehall. Wo befindet sie sich?«
Woher wusste der Fremde von diesem Relikt? Der Furcht vor ihm war so
groß, dass Garentus ihm sofort alles erzählte, was er wusste.
»Sie wurde geraubt. Die Takhal Gud Looter haben sie vor Dekaden aus
dem Pons Domus gestohlen. Sie haben das Grab des letzten Kaisers Falcus
entweiht.«
Garentus spürte eine kalte, knochige Hand an seiner Schulter. Dann eine
zweite an seiner Brust. Ein Körper presste sich sanft an seinen Rücken. Er
spürte das feuchte lange Haar an seiner Haut, dann einen Kopf. So kalt.
»Das Grab meines Vaters haben sie geschändet. Mein Grab haben sie auch
geschändet.«
Er drehte den Kopf zur Seite und blickte in das totenbleiche Gesicht von
Elenia, der Tochter des Kaiser Falcus, die vor mehr als 500 Jahren
gestorben war. Ihre Augen und die Haut waren grauweiß. Sie war ein Bild
des Schreckens, doch sie klammerte sich mit ihrem kalten Körper fest an
ihn. Ihre Fingernägel bohrten sich in sein Fleisch. Es schmerzte. Er wusste
nicht, was schlimmer war. Die Kälte, die ihn bis in die Knochen fuhr, oder
der stechende Schmerz der Nägel in seinem Körper.
Garentus schien durch die Umarmung der Dämonin in die tiefste
Unterwelt hinabgestiegen.
»Wer bist du?«, fragte er zögerlich.
»Ich bin der Tod, ich bin das Ende«, lautete die Antwort des Mannes mit
dem Totengesicht.
»Ich bin das Leben, ich bin der Anfang.«
Er trat einen Schritt näher an den Dorgonen heran.
»Ich bin Nistant. Nun sprich.«
»Sprich«, wisperte der Geist der Elenia.
Garentus atmete tief durch.
»Die Takhal Gud Looter haben die Cagehall geraubt. Der Klan der
Katronen und der Klan des Atilla. Sie sind schon seit Jahren fort. Sie sind
nicht mehr in dieser Galaxis.«
Nistant packte Garentus an der Kehle. Er hob ihn hoch. Der Dorgone
fühlte, wie sich der Kehlkopf verengte. Er rang nach Luft.
»Wie lautet das Ziel?«
»Mil… Milchstr… straße…«
Nistant ließ Garentus los. Der Dorgone sank auf die Knie, stützte sich mit
den Händen ab, hustete und atmete tief ein und aus.
Nistant beugte sich herab.
»Danke, Dorgone. Du sehnst dich also nach einer Welt der Ordnung und
Sicherheit. Ich schenke sie dir
Nistant zog seinen Dolch und schnitt die Kehle des Dorgonen durch.
Garentus sank auf den Rücken. Er blickte in den glutroten Himmel von
Dorgon, während er verblutete. Die letzten Worte, die er hörte waren die
seines Mörders Nistant.
»Brechen wir auf Richtung Milchstraße. Wir treffen also endlich auf Perry
Rhodan.«
ENDE
Vorschau
In Heft 121 schildert Nils Hirseland den weiteren Verlauf der Suche nach
den Hintermännern der illegalen Perry Rhodan Literatur. Die Rhodanjäger
Nathaniel Creen und Hunter suchen DIE RHODANMYSTIKER.
Garrentus wird vom Geist der Elenia und Nistant heimgesucht. © Gaby Hylla
Glossar
Camperna Agency Cloud Company
Die Camperna Agency Cloud Company ist ein galaktischer
Reiseveranstalter in der Milchstraße. Die Leitung hat die Familie ter
Camperna inne, unter der Leitung der Matriarchin Ragana. Außerdem ist
die CACC ein führender Softwarehersteller (Leiter ist der onyronische
Adoptivsohn Vopp) und betätigt sich im Vergnügungssektor (die Leitung
hat der onryonische Adoptivsohn Topp).
Die CACC besitzt zwei große Raumschiff-Hotels, die SEESTERN und die
ATOSGO. Das Unternehmen vermietet Hotels und Ferienunterkünfte auf
zahlreichen Planeten. Es operiert galaxisweit.
Die Familie ter Camperna wird sowohl von der LFG als auch den
Cairanern und Kristallbaronien geschätzt. Aufgrund ihrer Verbindung zu
On-Piraten finden keine Überfälle statt. Da sie auch Kontakte zu
ladhonischen Klans hat, werden diese Überfälle ebenfalls minimiert.
Hinter der Fassade agiert die CACC als Geheimdienst für die Cairaner,
um Daten über die LFG weiterzugeben. Außerdem jagt die CACC im
verborgenen Rhodanmystiker und Terramystiker also all jene, die
außerhalb der LFG an die Existenz der Erde und von Perry Rhodan
glauben.
Geschichte
Die Camperna Agency Cloud Company wurde 1812 NGZ von dem
Mehandor Rushkas ter Camperna gegründet. Die ter Camperna-Sippe
erhielt 1604 NGZ einen arkonidischen Adelstitel vom damaligen
Kristallbaron. Gerüchte besagten, der Titel wurde gekauft. Die nomadische
Springersippe begann Anfang des 19. Jahrhunderts ihren Handel
galaxisweit auszudehnen und wurde ein angesehenes Handelshaus.
Rushkas ter Camperna starb 1823 NGZ an einem Virus. Sein Sohn
Rushkas der Jüngere übernahm die Geschäftsleitung mit seiner Frau, der
Arkonidin Zestra, und leitete das Unternehmen bis 1903 NGZ. Unter
Rushkas und Zestras Leitung wurde der Tourismus-Sektor entdeckt. Ab
1887 NGZ bot die CACC Flüge in Raumschiff-Hotels an. 1903 NGZ
kamen beide bei einem Überfall von Ladhonen ums Leben.
Deren Sohn, Rushkas der Jüngste, übernahm das Geschäft mit seinem
Ehemann Egstern von Zalit. Seine einzige Tochter, Ragana, übernahm im
Familienbetrieb das Reinigungsmanagement der CACC-Resorts.
Ragana hasste den Mann ihres Vaters, da er dafür ihre Mutter verlassen
hatte. Nach dem Tod der Mutter Raganas 1923 NGZ wandte sie sich mehr
und mehr vom Familienoberhaupt ab. Als dieser noch die Nähe zur Liga
Freier Galaktiker suchte und im Ephelegon-System eine Niederlassung
eröffnete, kam es endgültig zum Bruch zwischen Vater und Tochter. Sie
warf ihm vor, mit den Traditionen der Mehandor zu brechen, da er auf
Rudyn sesshaft wurde. Außerdem verachtete sie die Anhänger des Mythos
Terra, die in ihren Augen allesamt Verschwörungstheoretiker waren.
1930 NGZ kam es zu einem bedeutenden Zwischenfall, als Ladhonen ein
CACC-Resort angriffen und On-Piraten daraufhin eingriffen. Die On-
Piraten wollten selbst Beute machen, doch Ragana umgarnte den betagten
Anführer, den Onryonen Hesnhat Trushk. Sie baute mit Hilfe der On-
Piraten eine kleine Streitmacht auf. 1932 ließ sie Egstern töten. 1933 war
ihr Vater an der Reihe. Offiziell war er Opfer eines Überfalls der Ladhonen
geworden, doch Ragana steckte dahinter. Sie hatte ein Abkommen mit
einigen Ladhonen geschlossen und informierte sie über
Hyperkristallvorkommen. Im Ausgleich dafür erledigten die Ladhonen
Gefälligkeiten für sie und ließen die Raumschiffe der CACC in Ruhe. Nach
dem Tod von Rushkas dem Jüngsten übernahmen Ragana ter Camperna und
Heshnat Trushk die Leitung der CACC.
In den folgenden Jahrzehnten knüpfte Ragana Kontakte zu den Cairanern
und agierte als Agentin für die Cairaner in der LFG. Sie genoss bei der LFG
den Ruf der harten Powerfrau, die ein Unternehmen leitete, während die
Cairaner sie aufgrund eines Informationsaustausches schätzten.
1988 ließ sie die Frau von Trushk beseitigen, nachdem diese ihr zweites
Kind, Vopp, geboren hatte. Der einsame alte Trushk heiratete 1991 Ragana,
sie adoptierte die Söhne Topp und Vopp und überzeugte Trushk, den Namen
ter Camperna anzunehmen.
Die CACC entwickelte sich im 21. Jahrhundert zum führenden Anbieter
von touristischen Reisen in der Milchstraße. Der Umstand wurde erst durch
das Wohlwollen der Cairaner ermöglicht.
Verborgene Aktivitäten und Allianzen
Vopp ter Camperna spannte sie in ihre Machenschaften ein. Als
Positronikgenie entwickelte er den Positronik-Virus Veebee.
2027 heuerte die CACC den tefrodischen Kopfgeldjäger Hunter an. Da er
den gleichen Hass auf Rhodanmystiker wie Ragana empfand, wurde er der
erste Rhodanjäger.
2038 folgte Nathaniel Creen als zweiter Rhodanjäger.
Ziel der Rhodanjäger war es, Rhodanmystiker oder auch Terramystiker
ausfindig zu machen. Die CACC meldete diese den Cairanern. Besonders
dem Sternwestlichen Konsulat war daran gelegen, den Mythos Terra und
Rhodan aus dem Gedächtnis der Galaktiker zu verbannen.
In der LFG wusste keiner etwas von den dunklen Machenschaften der
CACC. Die ter Campernas und ihre Mitarbeiter waren gern gesehene Gäste
bei offiziellen Anlässen.
2040 NGZ erhielt die CACC den Auftrag, das Sicherheitssystem der
Solaren Residenz zu überarbeiten. Vopp ter Camperna entwickelte ein
»todsicheres« System zum Schutz vor inneren und äußeren Überfällen. Bis
Ende 2042 NGZ waren die Systeme in der Solaren Residenz angepasst.
Die CACC pflegte seit Anfang des 21. Jahrhunderts enge Kontakte zur
Milton Company von Kulag Milton. So war es die Milton-Company,
welche die ATOSGO zwischen 2034 und 2036 NGZ modernisierte.
Mitglieder der Familie ter Camperna
Ragana ter Camperna – Die Matriarchin der CACC
Heshnat ter Camperna – Der greise onryonische On-Pirat und
Ehemann der Ragana
Topp ter Camperna – Der älteste Sohn sucht das Vergnügen
Vopp ter Camperna – Der jüngste Sohn ist ein Positronikgenie und
abdrücksüchtig
Stasya ter Camperna – Die rudynische Frau von Vopp hat ihm viele
Kinder geboren
Die Rhodanjäger
Hunter – Der Tefroder führt eine persönliche Vendetta
Nathaniel Creen – Der Kopfgeldjäger erinnert sich nicht an sein
früheres Leben
Die Mitarbeiter der CACC
Yeremiah Cloudsky – Der super VIP Sales Manager
Cilgin At-Karsin – Ein frustrierter Buchhalter
Bismaria da Enta – Die Leiterin des Resorts Tourismus
Boffelia Bokk – Personalreferentin der CACC
Polly Kallos – Rezeptionistin auf der SEESTERN
Tarnaite Grazus – Reinigungsmanagement-Fachkraft und persönliche
Sklavin von Ragana
Bytta Wolden – Die garstige Rezeptionistin auf der ATOSGO
Gorüküüana Lorübüllyvalütün – Die ebenso garstige zweite
Rezeptionistin auf der ATOSGO
Cirane Kinzz – Die Rezeptionistin auf der SEESTERN sucht einen
reichen Mann, der ihr ein Kind macht
Theofyr Sobrasky – Der leitende Ingenieur der ATOSGO und
Liebhaber der Ragana
Holga, die Elendige – Putzkraft
Cyba – Putzkraft
Raumschiffe der CACC
ATOSGO
SEESTERN
NOVA
Die Space-Jet NOVA, ein Modell der ausgedienten CORBIA-II-Baureihe,
war im Jahre 2046 NGZ das Raumschiff der Rhodanjäger Hunter und
Nathaniel Creen.
Technische Daten der Nova
Typ:Space-Jet Typ »CORBIA-II«
Aufbau:Hülle aus Ynkelonium-Terkonit, Verbindungselemente aus Super-
Atronital-Compositum
Unterlichtantrieb:Impulstriebwerke
Überlichtantrieb:Hawk-III–Linearkonverter Seit 2030 NGZ ein HAWK-IV-
Konverter
Offensivbewaffnung:variables Sublichtgeschütz
Defensivbewaffnung:HÜ-Schirm
Energieversorgung:Daelian-Meiler
Besonderheiten:Die CORBIA-II-Baureihe wurde im 17. Jahrhundert NGZ
in limitierter Auflage konstruiert. Nach dem Raptus Terrae wurde das
Bauprojekt eingestellt, da die Konstruktion in einer Werft im Solsystem
stattgefunden hatte.Der CORBIA-II-Space-Jet, Kennnummer SOLAR-
CB2-00104, wurde 1615 NGZ fertiggestellt.Der Space-Jet wurde 2030
NGZ modernisiert.
Besatzung:ausgelegt für vier Personen
BordpositronikPositronik mit dem Eigennamen »Eleonore«
Datenblatt der CORBIA-Klasse: https://www.perrypedia.de/wiki/CORBIA-
Klasse
Enleoore
Eleonore war der Eigenname der künstlichen Intelligenz und Positronik der
NOVA. Sie stand in Diensten der Rhodanjäger Hunter und Nathaniel Creen.
Eleonore strebte an, menschlicher zu werden und Gefühle zu entwickeln.
Sie nahm als Hologramm das Aussehen einer Terranerin an und verband
eine Art Freundschaft mit Nathaniel Creen, der sie für ihren Wunsch
bewunderte.
Eleonore war das einzige Wesen, mit dem Creen Zeit verbringt und
Vertrauen entgegenbrachte.
Die Positronik wurde vor 800 Jahren konstruiert. Sie war, wie alle anderen
Positroniken, Opfer des Posizid und der Datensintflut.
Seit 2030 NGZ diente sie den Rhodanjägern.
Anfang Februar 2046 NGZ agierte Eleonore mit einem
Formenergiekörper auf Trafalgar, um die Rhodanmystiker Larida Yoon und
Jevran Wigth zu beobachten.
Nathaniel Creen
Nathaniel Creen ist Kopfgeldjäger und Co-Pilot der NOVA, des
Raumschiffs des Kopfgeldjägers Hunter. Sie gelten als Rhodanjäger, also
Jäger auf alle, die Terra und Perry Rhodan nicht als Mythos sehen. Sie
agieren verdeckt.
Creen ist 1,98 Meter groß und trainiert. Sein Gesicht ist von Narben
entstellt. Er trägt deshalb eine Maske und einen Raumanzug, der jedoch
schon sehr alt zu sein scheint und geflickt ist.
Es gibt wohl etwas in seinem Körper, das sämtliche Scans und Ortungen,
MRTs und Röntgenbilder sabotiert. Er scheint undurchdringlich für
Untersuchungen. Creen wird regelmäßig von pocken- und beulenartigen
Ausschlag geplagt, der kommt und geht und dabei Narben hinterlässt. Er
zieht es deshalb vor, stets seinen Raumanzug und einen Helm zu tragen, um
sich keine Blöße zu geben. Mediker glauben, dass sein Körper mit
Abwehrreaktionen in Form von Wucherungen und Ausschlag auf etwas
zeigt, das jedoch unbekannt ist. Diese Wucherungen können bei Bedarf
medizinisch entfernt werden.
Nathaniel Creen ist ein Mensch. Ihm ist weder bekannt, auf welchem
Planeten er geboren wurde, noch wie alt er ist. Seine Erinnerungen setzen
erst 2030 NGZ ein, als er in einem Raumschiff aufwacht und vor den
Ladhonen fliehen muss. Er vagabundiert durch die Milchstraße und landet
schließlich auf GONGOLIS. Dort wurde er als Terraner verpönt.
Creen wurde 2038 NGZ von der CACC engagiert, als der Kopfgeldjäger
Hunter auf ihn aufmerksam wird. Hunter, der ebenfalls im Dienste der
CACC steht, konnte Creen als Co-Piloten für die NOVA anheuern.
Creens Aufgabe als Kopfgeldjäger ist es vornehmlich, Schuldner der
CACC ausfindig zu machen und Geld einzutreiben. Hunter geht dabei
besonders brutal vor, Creen jedoch schont meist das Leben der Opfer.
Creen sucht nach seiner Herkunft und Vergangenheit. Er hat keine echten
Freunde, hält allerdings Kontakt zur CACC-Rezeptionistin Polly Kallos und
der Dienerin Tarnaite Grazus. Der Kopfgeldjäger Hunter ist für ihn eine Art
Mentor, zu dem er jedoch keine freundschaftlichen Gefühle hegt. Er trägt
aufgrund der Verschmähungen ihm gegenüber viel Wut, Hass und Zorn in
sich.
Impressum
Die DORGON-Serie ist eine Publikation der
PERRY RHODAN-FanZentrale e. V., Rastatt (Amtsgericht Mannheim, VR
520740 )
vertreten durch Nils Hirseland, Redder 15, 23730 Sierksdorf
www.dorgon.net
Text: Nils Hirseland
Titelbild: Raimund Peter
Innenillustrationen: Gaby Hylla, Stefan Wepil, Raimund Peter
Lektorat: Norbert Fiks
Korrektorat: Arndt Buessing, Jens Hirseland
Layout und digitale Formate: Burkhard Lieverkus
Sofern nicht anders vermerkt, bedarf die Vervielfältigung, Verbreitung und-
öffentliche Wiedergabe der schriftlichen Genehmigung der Rechteinhaber.
Perry Rhodan®, Atlan®, Icho Tolot®, Reginald Bull® und Gucky®
sind eingetragene Marken der Heinrich Bauer Verlag KG, Hamburg.