Cover DORGON-Band 95

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Band 95

Quarterium-Zyklus


Der Gegenschlag

Die Alliierten feiern erste Siege


Jürgen Freier



Was bisher geschah Hauptpersonen des Romans
Es herrscht Krieg!

Nach der Gründung des Quarteriums 1303 NGZ war es nur eine Frage der Zeit, bis der militärische Konflikt losbrach. Als Anfang 1305 NGZ die Dorgonen eine Invasion in die estartischen Galaxien begannen, kam es zu einem intergalaktischen Krieg. Die Saggittonen, die USO und die republikanischen Akonen kamen den Estarten zu Hilfe.

Daraufhin erklärte das Quarterium diesen Nationen den Krieg und besiegte sie vernichtend, unterwarf die Akonen und Estarten und zerschlug die USO ganz. Nun weht das Banner des Quarteriums über ganz Cartwheel.

Doch damit nicht genug, das Quarterium greift nach M 87 – Druithora. Die Invasion in die Heimat der Pelewon und Moogh begann am 1. September 1306 NGZ. Zu Neujahr 1307 NGZ sieht es an allen Fronten für die freiheitsliebenden Wesen alles andere als gut aus. Auch an der estartischen Front gibt es wenig Grund zum Optimismus, doch die »Rebellen« arbeiten eine Gegenoffensive aus.

Dank Arimads Unterstützung wackelt das dorgonisch-quarteriale Bündnis, hochrangigen Offizieren der CIP wird auf Som eine Falle gestellt und der Paladin-Roboter soll nach M 87 eingeschleust werden. Was wir in diesem Roman verfolgen, ist DER GEGENSCHLAG …
Sam, Sam Tyler, Saraah, Jeanne Blanc – Sie kennen kein Erbarmen.

Stevan da Reych – Eine menschliche Bestie erreicht das Ende ihres Weges.

Jonathan Andrews – Der Kommandant der P-99 DEVILFISH im Dauereinsatz.

Soren Thomak, Seffen Cops, Coreen Ronald, Chek Sor – Besatzungsmitglieder der P-99 DEVILFISH.

Tsi Ku Wang – Ein Admiral des Quarteriums folgt seinem Gewissen.

Gal’Arn, Elyn – Der Ritter der Tiefe und die Alyske kehren nach M 87 zurück.

Domino Ross – Der Kommandeur des neuen Paladin.

David Golgar, Hermes Eisar, Rosa Borgahn – Die Crew des neuen Paladin.

Prolog

Wenn das Böse siegt,

wenn das Leben seinen Sinn verliert,

nur noch aus Blut und Asche besteht,

dann gibt es nur noch einen einzigen Grund, am Leben zu bleiben:

Die Rache!

1. Das Ende eines Schlächters

Sam Tyler starrte voller Unruhe auf das Kommunikationsterminal, das einige USO-Spezialisten vor kurzem aufgebaut hatten. Die kleine Wohnung gegenüber dem exklusiven Nachtclub »Silverado« war in kürzester Zeit zur Einsatzzentrale ausgebaut worden. Außer ihm waren noch Sam, Brad Callos und Hank »Wulf« Lane anwesend. Brad Callos würde in seinem Plan die wichtigste Rolle spielen, neben Jeanne Blanc und Saraah natürlich.

Der sonst eiskalte ehemalige Söldner, den nichts aus der Ruhe bringen konnte, war inzwischen ein reines Nervenbündel. Immer wieder fragte er sich, ob das Risiko für die beiden Frauen überhaupt zu vertreten war. Wenn etwas schiefging, würde er es sich nie verzeihen, diesen Einsatz angeordnet zu haben.

Zu genau war er sich der Risiken bewusst, zu genau standen ihm die Bilder geschändeter und zu Tode gequälter Frauen und Männer vor Augen. Sadisten vom Kaliber eines da Reychs kannten keine Grenzen und kein Erbarmen.

Unmenschen und ihre Träume

Erich Village

Endlich lag das zweifelhafte Etablissement hinter uns. Mein Stoßgebet schien erhört worden zu sein. Generalkommandeur da Reych hatte anscheinend erkannt, dass es seiner Reputation nicht gerade förderlich wäre, eine dieser billigen Hundert-Quarter-Nutten flachzulegen. Obwohl, und da machte ich mir nichts vor, unser nächstes Ziel nicht viel besser war. Der einzige echte Unterschied bestand darin, dass die dortigen »Damen« mit hundert Quarter nicht zufrieden sein würden.

Es wird mir immer unverständlich bleiben, wie ein kultivierter Arkonide aus den vornehmsten Kreisen daran Gefallen finden konnte, sich mit dem verkommendsten menschlichen Abfall im Dreck zu wälzen. Bei primitiven und brutalen Typen vom Schlage eines Floryn Alunatuks würde mich dieses Verhalten nicht überraschen. Doch nie hätte ich gedacht, dass sich Generalkommandeur da Reych auf dieses Niveau begeben würde.

Mit äußerstem Unbehagen dachte ich an das kurze Schlussintermezzo in dieser verkommenen Lasterhöhle. An einem Tisch neben dem Eingang bemerkte mein Vorgesetzter eine Kartanin, deren Gesicht auf eigentümliche Weise verunstaltet war. Mit der Bemerkung, der werde er jetzt die Krallen und Reißzähne ziehen, wollte er diese Missgeburt der Schöpfung von ihrem Stuhl holen, als er durch eine äußerst düster wirkende Terranerin gestört wurde, die ihn bedrohlich musterte. Sie war ganz in schwarzes Leder gekleidet und lenkte ihn ab. Mit einem gemurmelten arkonidischen Fluch wandte er sich ab und wir konnten endlich gehen.

Unterwegs schien er wieder bessere Laune zu bekommen, denn er gab einige Zoten von sich, die ich hier einfach nicht wiedergeben kann. Sie sind eines kultivierten Menschen unwürdig.

Wir legten den kurzen Weg zu diesem Nachtclub zu Fuß zurück. Eigentlich war es ein Edelpuff, wie ich aus den Dossiers wusste. Der Generalkommandeur vertrieb sich die Zeit mit dem Singen zweifelhafter Lieder, hierin lautstark durch die uns begleitenden beiden Offiziere der CIP unterstützt. Zwischen ihnen kreiste eine Flasche jenes fürchterlichen Getränks, das auf allen Welten der Menschheit als Vurguzz bekannt war.

Auf halbem Wege flößte er auch mir von diesem Getränk des Lasters ein. Mit der Bemerkung »Vielleicht wirst du dann zu einem normalen Menschen« nötigte er mich, drei tiefe Schlucke zu nehmen. Das Teufelszeug stieg mir sofort in den Kopf und augenblicklich drehte sich alles um mich herum. Die beiden Offiziere mussten mich unter den Armen fassen, sonst wäre ich wie ein Betrunkener durch die Straßen getorkelt. Danach wusste ich nichts mehr.

Stevan da Reych

Ich war bester Laune, nur das miesepeterige Gesicht von Village verdarb mir die Stimmung. Im Stillen revidierte ich meine Meinung über ihn: Arkonidische Gene konnten bei dem wohl nicht im Spiel sein, denn unsereins pflegte nach getaner Arbeit ausgiebig zu feiern, wovon dieses missmutige Musterexemplar eines Bürokraten anscheinend überhaupt keine Ahnung hatte. Wie dem auch sei, ich würde mir die gute Laune nicht durch sein griesgrämiges Wesen verderben lassen.

Ich fasste den Entschluss, dass es an der Zeit wäre, eine Razzia in diesem Puff durchzuführen, den wir gerade verlassen hatten. Die kartanische Schlampe ging mir einfach nicht aus dem Sinn. Sie stellte allein durch ihre Existenz eine Beleidigung der menschlichen Rasse dar, eine Karikatur ihrer Überlegenheit. Aufrecht gehende Katzen konnten nur ein Missgriff der Natur sein! Ich war mir sicher, dass wir nur im Sinne der Evolution und der Rassenhygiene handeln, wenn wir diese Kreaturen ausrotten.

Bei dieser Gelegenheit konnte ich mir dann auch dieses terranische Dreckstück vorknöpfen, das mich so unverschämt und aufsässig gemustert hatte. Nun, heute Abend war das Vergnügen dran und morgen wieder die Arbeit. Wobei mir, das muss ich zugeben, auch die Arbeit manchmal Vergnügen bereitete. Und mit den beiden Nutten würde ich viel Vergnügen haben, da war ich mir sicher.

Ich aktivierte meinen Kommunikator und gab die Anweisung, für den nächsten Tag ein Einsatzkommando zusammenzustellen, um in diesem Drecksloch mal richtig aufzuräumen. Wo kämen wir hin, wenn sich eine terranische Hure und eine kartanische Missgeburt dem Willen eines arkonidischen Adeligen widersetzen könnte?

Nachdem ich diese Entscheidung getroffen hatte, erfasste mich wieder das Hochgefühl, an dem wohl auch die üppige Dosis Asturel nicht unbeteiligt war, die ich vor kurzem mit einem kräftigen Schluck Vurguzz herunter gespült hatte. Dieses Gesöff stellte den Gipfel der terranischen Zivilisation dar. Ich musste zugeben, dass es im gesamten Göttlichen Imperium nichts Vergleichbares gab. Voller Übermut flößte ich Village einiges an terranischer Kultur ein, vielleicht machte ihn das mal zu einem richtigen Menschen.

Nach kurzer Zeit musste ich meine Hoffnung revidieren: Dieser Paragraphenhengst vertrug anscheinend überhaupt nichts. Auf mein Zeichen fassten meine Begleiter ihn unter den Schultern, sonst wäre mein Schatten wohl völlig besoffen durch die Straßen getorkelt. Wir wurden immer ausgelassener und grölten arkonidische und terranische Sauflieder.

Nach ungefähr einer viertel Tonta hatten wir unser Ziel erreicht. Village war inzwischen total weggetreten. Was für ein Waschlappen! Ich rief mit meinem Kommunikator einen Taxigleiter und ließ ihn zurück ins Hauptquartier transportieren. Auch meine beiden Offiziere lallten bereits. Egal, ich war voll da und gedachte, wie eine terranische Redensart so treffend beschrieb, die Sau herauszulassen.

Nachdem wir das »Silverado« betreten hatten, steuerten wir sofort die Theke an. Ich hatte Durst und bestellte eine Lokalrunde. Danach begann ich, mich umzusehen. Unser Erscheinen schien einige Gäste zu beunruhigen. Amüsiert stellte ich fest, dass sich das Lokal zunehmend leerte. Auch gut, umso größer würde meine Auswahl sein. Mein Blick fiel auf einen kleinen Tisch, an dem zwei »Damen« damit beschäftigt waren, einem schmierigen Springer klarzumachen, dass sie mit dem gebotenen Preis nicht einverstanden waren.

Die lautstarke Auseinandersetzung erregte mein Interesse. Mit Kennerblick sah ich, dass die beiden Nutten durchaus etwas Besonderes waren. Wow, das war genau meine Kragenweite! Nochmals musterte ich die beiden. Alles war da, um mich so richtig in Hochstimmung zu versetzen. Ich bestellte eine Flasche terranischen Champagner, die mich ein Vermögen kostete, und ließ mir drei Gläser geben. So ausgestattet, steuerte ich den Tisch an. Der Springer glotzte mich blöde an. Ein Blick in meine eiskalten Augen ließ ihn die Fliege machen, das war besser für ihn.

Höflich fragte ich, ob die »Damen« etwas dagegen hätten, wenn ich ihnen Gesellschaft leisten würde. Dabei musterte ich sie genau. Beide waren hochgewachsen und schlank und trugen ein geradezu verbotenes Outfit. Je nach Lichteinfall wurde der Stoff der sowieso schon knappen Oberteile durchsichtig und gewährte tiefe Einblicke in ihre Anatomie. Schon allein der Gegensatz der hellen, fast weißen Haut der Rothaarigen zum tiefen Braun der Schwarzhaarigen ließ mein Blut in ein bestimmtes Körperteil fließen. Es war um mich geschehen, die musste ich haben – und zwar beide. Die Rothaarige antwortete mir mit einer tiefen, animalischen Stimme, die mir wohlige Schauer der Erregung durch den Körper jagte. Die Schwarzhaarige sagte nichts, musterte mich jedoch aus ihren graugrünen Augen und schien mich genau zu taxieren.

Nachdem ich die übliche belanglose Konversation mit ihnen geführt hatte, wurden wir handelseinig. Die beiden Prachtexemplare hatten in der Nähe des »Silverado« ein Appartement, in dem sie ihrem Gewerbe nachgingen. Das war mir sehr angenehm, denn ich legte keinen Wert darauf, bei meinem Vergnügen durch einen übereifrigen Untergebenen gestört zu werden. Bevor wir zusammen den Nachtclub verließen, nahm ich unauffällig noch eine Dosis Eyemalin. Ich gedachte, es diesen Nutten mal so richtig zu besorgen und ihnen eine Nacht zu bescheren, die ihnen unvergesslich bleiben würde.

Die beiden hakten sich bei mir unter, wobei die Rothaarige wie zufällig ihr Knie zwischen meine Beine drückte. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und knetete ihr knackiges Hinterteil. Mit einem sinnlichen Lachen schlug sie mir auf die Finger und meinte, dass wir damit wohl noch etwas warten müssten.

Der Abgrund oder Am Ende des Erbarmens

Saraah hatte den kurzen Funkimpuls abgesetzt, der Tyler informierte, dass das Scheusal angebissen hatte. Innerlich schüttelte ich mich vor Ekel, dass dieses widernatürliche Ungeheuer mich berührt hatte. Aber ich stachelte seine Gelüste an, damit dieses Stück Dreck abgelenkt wurde.

Ihr wundert euch bestimmt über meine Ausdrucksweise? Ich kann nicht anders, noch nie war ich einer solchen menschlichen Bestie begegnet. Ich brauchte alle Selbstbeherrschung, um ihn nicht auf der Stelle umzubringen. Ich las seine Gedanken. Seine viehischen Gelüste lagen offen vor mir.

Kurz bevor wir diesen Nachtclub verlassen hatten, hatte er irgendeine arkonidische Droge gefressen, um es uns richtig zu besorgen. Selbst wenn wir tatsächlich Prostituierte wären – diese bodenlose Verachtung, diese perversen Phantasien und Gelüste, das Fehlen jeden Gefühls für ein anderes Wesen waren unerträglich. Er würde krepieren und wenn dies das Letzte wäre, was ich in meinem Leben täte.

Inzwischen hatten wir das nahe Appartementhaus erreicht. Aus seinen Gedanken erkannte ich die Absicht, sich einen Vorgeschmack der kommenden »Freuden« zu holen. Rasch machte ich zwei schnelle Schritte und begann, vor ihm die Treppen hochzugehen. Dabei wackelte ich verführerisch mit meinem Hinterteil. Ich musste unbedingt verhindern, dass er sich an Saraah vergriff, denn ihren Gedanken entnahm ich, dass sie am Rande ihrer Selbstbeherrschung stand.

Meine Aktion hatte Erfolg. Mit einem debilen Lachen grabschte er mir von hinten zwischen die Beine. Nur die Aussicht, dass er mir bald hilflos ausgeliefert sein würde, hielt mich davon ab, meine Faust in seiner dreckigen Visage zu versenken. Sein Griff schmerzte. Mit gurrendem Lachen drehte ich mich um und griff ihm gleichfalls zwischen die Beine. In den Gedanken, die in mein Bewusstsein hämmerten, konnte ich seine schmierigen Vorstellungen lesen. Obwohl sich alles in mir sträubte, gurrte ich lasziv: »Hab doch noch etwas Geduld, Süßer, gleich sind wir da und dann machen wir es uns so richtig gemütlich!«

Oh, und wie wir es uns gemütlich machen würden! Noch einige Stufen und wir hatten das Appartement erreicht. Seine gierige Klaue griff mir noch immer zwischen die Beine, aber ich hielt durch. Bald würde ich bei ihm wohin greifen, nur ganz anders, als er es sich vorstellte.

»Süßer, kannst du mal die Hand da wegnehmen? Ich muss mich konzentrieren.«

Dabei drehte ich mich halb nach ihm um und sorgte dafür, dass mir der Träger meines Oberteils von der Schulter rutschte. Das Dreckschwein bekam regelrechte Stielaugen. Es wurde Zeit, dass ich das hier zu Ende brachte, sonst würde er über mich herfallen. Meine Finger huschten über den Codegeber, der mit einem Minisender verbunden war. Gut, jetzt war Tyler informiert, dass wir angekommen waren. Mit dem Fuß stieß ich die Tür auf und flötete einladend: »Komm herein, Süßer, und mach es dir bequem. Das Paradies wartet schon auf dich!«

Doch für ihn würde es die Hölle werden, dafür würde ich sorgen. Zusammen betraten wir die Spielwiese, die Shimara vorbereitet hatte. Der Raum wurde von einem riesigen Bett beherrscht, über das alle denkbaren erotischen »Wonnespender« malerisch verteilt waren. Dem arkonidischen Scheusal fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er die »Spielzeuge« musterte. Shimara hatte sie ausgesucht und gemeint, dass diese Kollektion ihn erst einmal ablenken würde, womit sie völlig recht behalten sollte. Mit vor Aufregung hochrotem Kopf nahm er einige der teils bizarren Lustspender in die Hand und war anscheinend hin und weg.

»Wir ziehen uns mal kurz noch etwas um. Wenn du willst, kannst du dich auch schon mal frei machen.«

Seine Augen fielen ihm fast aus dem Gesicht, als Saraah ihr Oberteil öffnete. Sie schien sich inzwischen gefangen zu haben, denn sie bemerkte: »Du kannst uns ruhig zusehen, Kleiner, wir sind absolute Profis!«

Zusammen verschwanden wir hinter einer Art spanischen Wand, die fast durchsichtig war. Er ließ sich auf dem Bett nieder und glotzte uns zu, wie wir uns aus den teuren Designerklamotten schälten. Es war kaum zu glauben, aber der Sabber tropfte ihm aus dem Maul.

Hinter dem Wandschirm ließen wir uns Zeit und legten uns langsam die irren Stücke an, die uns Shimara besorgt hatte. Hoffentlich törnte ihn das so an, dass er seine Klamotten auszog, denn es war uns klar, dass er in seiner Kombination wohl einige Gemeinheiten verborgen hatte.

Saraah hatte begonnen, die Magnetsäume meines einteiligen Latexanzugs zu schließen. Tyler hatte uns eingeschärft, beim geringsten Anzeichen, dass da Reych Verdacht schöpfte, sofort zu schießen. Hinter mir, getarnt als Vibrator, lag der Nadelstrahler, der unsere Lebensversicherung darstellte.

Ich hatte so etwas noch nie an, aber ich begann, mit dem Teil zu spielen. Es funktionierte: Er begann sich zu entkleiden, zuerst die Jacke seiner Kombi und danach die Hose.

Dann stand er plötzlich auf. In mir schrillten sämtliche Alarmglocken, er wollte doch nicht … Nein, meine Sorge war unbegründet, er faltete nur seine Uniform pedantisch genau zusammen und legte sie sorgfältig über einen Stuhl, der in einer Ecke des Raumes stand. Davor platzierte er seine Stiefel und legte sich in Unterwäsche und Socken wieder aufs Bett. Dann begann er, an sich selbst herumzuspielen. Sein kläglicher Penis ragte in die Höhe. Normalerweise hätte ich bei diesem Anblick einen Lachanfall bekommen. Saraah war anzusehen, dass es ihr ähnlich erging.

Es wurde höchste Zeit, dem Spielchen ein Ende zu machen. Ein rascher Seitenblick zu Saraah genügte, wir dachten beide das Gleiche. Gemeinsam kamen wir hüftewiegend hinter dem Wandschirm hervor. Den getarnten Nadelstrahler hatte ich zur Sicherheit mitgenommen. Ich rieb ihn an der Wange, was ihm sichtlich gefiel. Wieder grunzte er wie ein Schwein.

»Süßer, hast du Lust auf etwas ganz Besonderes? Wir beide stehen darauf, wenn unser Gast uns mal so richtig ausgeliefert ist, dann kommen uns immer die besten Ideen.«

Bei diesen Worten nahmen wir zwei bereitliegende Seidenschals, ließen sie durch die Hände gleiten und begannen, sie um seine Handgelenke zu schlingen. Er stöhnte voll Lust, als wir die Fesseln anzogen. Seine Arme wurden auseinandergezogen. Erwartungsvoll spreizte er die Beine. Willig ließ er uns die Lederbänder befestigen, mit denen wir seine Füße an den stählernen Bettpfosten festbanden. Dann nahmen wir die Handschellen, deren Ketten seine Handgelenke unwiderruflich fixierten.

Spürte er meinen telekinetischen Zugriff? Von Saraahs Busen wanderte sein Blick auf ihr Gesicht. Seine sabbernde Grimasse erstarrte, er schien zu kapieren. Sein Mund öffnete sich – diesmal wohl, um zu schreien. Mit dem getarnten Nadelstrahler drückte ich ihm den bereitliegenden Knebel zwischen die Zähne. Er würgte und ich schob nach. Das war erst der Anfang.

Dann gab Saraah das vereinbarte Funksignal. Wenig später materialisierte Brad mit Tyler und Sam. Wir waren am Ziel, wir hatten die Bestie unter Kontrolle. Er würde es uns besorgen, tatsächlich! Nämlich das, was wir wissen wollten.

*

Es war vorbei. Mit einer Befriedigung ohnegleichen starrte ich auf das zuckende Bündel, das einmal einer der gefürchtetsten Männer des Quarteriums gewesen war. Jede Regung von Mitleid oder Erbarmen war mir in der vergangenen Stunde abhanden gekommen, ich empfand nichts als kalte Leere.

Saraah hatte sich mehrfach übergeben und selbst Tyler war grün im Gesicht. Sam war nur noch ein Bündel Elend. Wir hatten endlich erfahren, was die Artenbestandsregulierung wirklich bedeutete. Der Massenmörder war zusammengebrochen, als ich ihn telekinetisch bearbeitete. Er hatte geredet, wir hatten zugehört. Jetzt wussten wir: In den Lagern des Quarteriums, egal ob in Cartwheel oder in Siom Som, wurden extraterrestrische Wesen systematisch vernichtet, ausradiert, zu Millionen umgebracht.

Ich kannte nur noch Hass und Rache. Meine Gabe der Telepathie, verflucht sollte sie sein! Während er redete wie ein Wasserfall, erfuhr ich aus seinen Gedanken weitere Einzelheiten. Da Reych und seine gesamte CIP waren eine einzige Organisation von Perversen, von gnadenlosen Sadisten, die ungezählte Wesen, egal ob menschlich oder extraterrestrisch, systematisch und zu ihrem Vergnügen zu Tode folterten.

Brad hatte Tyler und Sam in Sicherheit gebracht und würde in wenigen Minuten zurückkommen, um mich abzuholen. Es war an der Zeit, das Todesurteil zu vollstrecken. Mit einem Gefühl namenlosen Grauens hatte ich zugesehen, wie Tyler den Cocktail gemixt hatte, der diesen Massenmörder erst in eine irdische Hölle und von dort aus ins Jenseits befördern würde, in dem es hoffentlich eine Gerechtigkeit gab. In seiner Kleidung hatten wir noch einen größeren Vorrat seiner arkonidischen Drogen gefunden.

Tyler hatte die gesamte Dosis der chemisch konstruierten Rauschmittel in gutem terranischen Cognac aufgelöst. Telekinetisch zwang ich ihn, das Gebräu zu saufen. Danach drückte ich ihm wieder den Knebel in die Fresse und schaltete das Reizstromgerät ein. Durch die Kombination von Eyemalin und Asturel würde diese Bestie regelrecht ausbrennen, er würde langsam und qualvoll an seiner eigenen Geilheit krepieren. Ich sah, wie die Reaktion begann, wie er sich wand und krümmte. Das sollte ihn an seine Opfer erinnern.

Das Geräusch verdrängter Luft zeigte mir, dass Brad zurückgekommen war. Zusammen sprangen wir in das »La Maison«, um die beiden Vertreterinnen des horizontalen Gewerbes zu retten, die, wie ich aus da Reychs Gedanken entnommen hatte, am morgigen Tag auf der Abschussliste der CIP standen.

Diese Aktion hatte wieder zu einer heftigen Auseinandersetzung mit Tyler geführt, der strikt dagegen war, dass ich wegen zweier »verdammter Nutten«, wie er sich ausdrückte, meinen Hals riskieren würde. Doch ich hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass es mein Hals wäre. Die Sache war es mir wert.

2. Entscheidung im Bann der Gluthölle

Vorspiel

Die Arena war bereitet. Ein zum Untergang verurteiltes Staubkorn im unendlichen Meer der Sonnen und Galaxien des Universums sollte entscheiden, wie die Waagschale des Schicksals sich neigte, denn eine unbegreifliche, vergessene Wesenheit hatte beschlossen, die Waagschale wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Für einen Wimpernschlag der Ewigkeit neutralisierte sie die Präsenz der Finsternis, unbemerkt und unbegreiflich. Auf der Ebene der Quanten stellte sie das Gleichgewicht wieder her. Der Zufall, oder nennen wir es die Spontanität des Individuums, würde wieder entscheidend werden. Und die Wesenheit würde der Finsternis entgegentreten.

*

Der Moloch im Zentrum Siom Soms zehrte an den Energievorräten der von Menschenhand geschaffenen Gebilde, die sich nahe der unbegreiflichen Singularität des Sternentores gesammelt hatten. Auf eine physikalisch unerklärliche Weise wirkte das gefräßige Ungeheuer des Schwarzen Loches im Zentrum Siom Soms durch die ehemalige Kalmenzone über die Entfernung von fast dreitausend Lichtjahren bis nach Som-Ussad, dem Standort des Sternentores.

Die Herde der Schafe war dicht zusammengerückt und wurde von den Wachhunden umkreist, damit die Wölfe keine Möglichkeit hatten, ihre Reißzähne in ihr ungeschütztes Fleisch zu schlagen. Doch unbemerkt von den Hunden belauerten die Wölfe schon die wertvolle Herde. Und die Zeit verging, da eine Wesenheit, die über der Zeit stand, beschlossen hatte, der Zeit wieder zu ihrer Herrschaft zu verhelfen. Und tief in den Eingeweiden der Schafe begann der Hunger zu nagen …

Doch die Weide der nahen Sonnen war vergiftet. Und die Singularität des Sternentores verhinderte, dass der Hunger aus der üppigen Weide gestillt werden konnte.

Im Bauch der riesigen Kugel mit dem kurzen Stummelschweif hatten sich die Leithunde versammelt. Sie waren aufs Äußerste beunruhigt, denn der wertvollste Teil der Herde ließ auf sich warten …

Befehl ist Befehl

Konteradmiral Tsi Ku Wang blickte grimmig auf die vierschrötige Gestalt des Überschweren, der an der Stirnseite des klobigen Strukturtisches saß, der die Messe der MANDALIUS beherrschte. Das Schlachtschiff des Typs SUPREMO-A war das Kommandoschiff des kommandierenden Offiziers der Wachflotte.

Tsi verfluchte die Tatsache, dass er dem Pariczaner unterstellt war. Im Augenblick presste er die Hände gegen die Ohren, um sein gepeinigtes Trommelfell vor dem lautstarken Wutausbruch des Admirals zu schützen. Obwohl er wusste, dass es zwecklos war, versuchte er nochmals, den Überschweren zu überzeugen. Nachdem das Gebrüll abgeflaut war, versuchte er wieder, seinen Standpunkt darzulegen.

»Sir, ich möchte Sie ein weiteres Mal darauf hinweisen, dass unsere Situation so langsam unhaltbar wird. Jeder Tag, den wir hier noch warten, verbraucht unsere Energiereserven. Ich halte …«

Weiter kam er nicht. Die riesige Faust des umweltangepassten Springers schlug mit ohrenbetäubendem Krachen auf den Tisch. Sein Gesicht verzerrte sich in unbändiger Wut. Und dann begann er, den Terraner anzuherrschen – fast mit normaler Lautstärke, was noch bedrohlicher wirkte.

»Ich habe es satt, mir Ihre defätistischen Einwände anzuhören und ich habe Sie satt. Ihr Terraner meint immer noch, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, wie eine eurer verblödeten Redewendungen sagt. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich, und nur ich, hier das Kommando führe. Ich denke nicht daran, die Weisheit der Entscheidungen des Coruns anzuzweifeln, vor allem nicht, wenn ein zurückgebliebener terranischer Barbar irgendwelche Einwände äußert.

Meine Entscheidung steht unwiderruflich fest. Wir warten hier, bis der letzte Teil der angekündigten Nachschublieferung durch das Sternentor gekommen ist. Weitere Einwände Ihrerseits fasse ich als Insubordination auf, was zu entsprechenden Konsequenzen führen würde. Und nun«, der Springer machte eine kurze Pause, »nun können Sie sich entfernen … Terraner!«

Tsi erhob sich und salutierte. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte. Die Vorurteile des Pariczaners verhinderten jede objektive Sicht auf die Lage der versammelten Nachschubflotte. Einen kurzen Moment überlegte er, ob er auf eigene Faust handeln sollte, verwarf aber den Gedanken sofort. Wenn er das täte, dann könnte er auch gleich desertieren. Die Macht des Quarteriums war auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam aufgebaut, dieses Prinzip hatte ihre Erfolge erst möglich gemacht, und genau dieses Prinzip wandte er auch gegenüber seinen Untergebenen an. Doch tief in seinem Inneren begann der Zweifel zu nagen …

*

Eine halbe Stunde später war Tsi wieder zurück auf seinem Schiff, der SANGMEN, einem Schlachtschiff der SUPREMO-B-Klasse. Es war das einzige dieser Klasse, das ihm zur Verfügung stand.

Die Schleusenmannschaft salutierte, als er die kleine Verbindungsfähre verließ. Geistesabwesend erwiderte er den Gruß. In seinen Gedanken beschäftigte er sich bereits mit der Route, die sie von Siom Som nach Trovenoor führen sollte. Doch jeder Tag, den sie hier am Rand der ehemaligen Kalmenzone untätig verbrachten, schränkte seine Möglichkeiten weiter ein.

Das Geschenk DORGONs, das die Verbindung zwischen den Galaxien ohne Energie- und Zeitverlust ermöglichte, erwies sich jetzt als Danaergeschenk. Im Umkreis von etwa hundert Lichtjahren um die Position des Sternentores war es nicht möglich, Hypertrop-Zapfer einzusetzen. Und das Schwarze Loch fraß durch die Kalmenzone an den Energievorräten der Transportschiffe. Dazu kam noch, dass viele von ihnen eben nicht über die moderne Technik der direkten Energiegewinnung aus dem Hyperraum verfügten, sondern die veraltete Technik der Sonnenzapfung anwenden mussten. Doch selbst diese führte im unmittelbaren Umkreis des Sternentores zur Selbstvernichtung der Raumschiffe.

Er hatte nur die Möglichkeit, innerhalb der verbliebenen Reichweite der veralteten Schiffe eine Sonne zu finden, die in der Lage war, den enormen Energiehunger der Geleitzugflotte zu stillen. Und das schränkte seine Möglichkeiten noch weiter ein. Der Befehl des Überschweren verhinderte, dass die Flotte nach ihren technischen Möglichkeiten in Konvois aufgeteilt werden konnte. Dazu kam, dass er einfach über zu wenig Kampfschiffe verfügte, um den Geleitzug wirkungsvoll zu schützen.

Leticron setzte alles auf eine Karte und hoffte darauf, dass sich die Taktik der Massierung der Kräfte nochmals bewähren würde. Doch Tsi hatte da so seine Zweifel. Immer wieder ertappte er sich dabei, dass er sich in die Rolle des unbekannten gegnerischen Oberbefehlshabers versetzte und die Ideen, die er da hatte, gefielen ihm gar nicht. Wenn auf der Gegenseite kein absoluter Dilettant das Kommando führte, war seine Mission ein Himmelfahrtskommando. Sangmen, großer General der Himmelsstreiter, was würdest du tun? Doch die Götter des taoistischen Pantheons schwiegen, wie immer …

*

Schließlich war es soweit, die lang erwarteten Transportschiffe traten durch das Sternentor. Mit gemischten Gefühlen musterte Tsi die Flotte von etwa fünfhundert Schiffen auf dem Panorama-Holoschirm, der seine Lagezentrale beherrschte. Und dann verlor er die Beherrschung und begann, unbändig zu fluchen.

Die Mitglieder seines Planungsstabes musterten ihren Oberbefehlshaber ungläubig. Noch nie hatten sie erlebt, dass der hochgewachsene Asiate aus der Zentralregion des alten China die Beherrschung verlor. Konteradmiral Tsi Ku Wang galt stets als ein Muster an Selbstbeherrschung und die verlangte er auch von seinen Untergebenen. Innerhalb seines Kommandos führte er ein eisernes Regiment, achtete aber mit größter Sorgfalt darauf, dass die ihm unterstellten Soldatinnen und Soldaten korrekt und menschenwürdig behandelt wurden, soweit dies innerhalb der quarterialen Flotte möglich war.

Als wenig später die Ortungs- und Energietaster ihre Ergebnisse ausspuckten, verstanden sie den Ausbruch ihres Chefs. Was da aus Cartwheel ankam, war einfach nur fliegender Schrott. Mit abfälligen Blicken verfolgten sie den Versuch des unbeschreiblichen Konglomerats aller denkbaren Schiffstypen, sich zu einer geordneten Linie zu formieren.

Das Quarterium musste hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Schiffskontingente buchstäblich auf dem letzten Loch pfeifen, anders war diese Versammlung von fliegendem Müll nicht zu erklären. Und für diesen Albtraum würden sie die Verantwortung tragen, mussten dafür sorgen, dass die Schiffe sicher Trovenoor erreichten!

Mittlerweile hatten sich die neu angekommenen Schiffe in Bewegung gesetzt und reihten sich mühsam in die Versammlung der bereits wartenden Flotte ein.

*

Im Schutz ihrer Semi-Transit-Felder lauerten die Späher der PIRANHA-Flotte. Vier Schiffen war es gelungen, unbemerkt von der quarterialen Wachflotte in der Nähe des Sammelpunktes Position zu beziehen. Eine kurzfristig auftretende Anomalie des Hyperraums und das energetische Chaos, das noch immer durch die Kalmenzone verursacht wurde, hatte es ihnen ermöglicht, sich an den Wachschiffen vorbei zu schleichen und in das Semi-Transit-Feld zu wechseln. Die Götter des Universums waren mit ihnen gewesen. Im Schutz der Grigoroff-Blase belauerten sie nun ihre Beute.

Nach tagelangem Warten war es endlich so weit. Der riesige Konvoi begann sich umzugruppieren. Erst jetzt bemerkten die heimlichen Beobachter, dass viele Schiffe in einem erbarmungswürdigen Zustand waren. Erfüllte diese Tatsache Admiral Wang mit großer Sorge, so rief sie bei den Beobachtern Zuversicht hervor. Die alten Schrottkähne würden den ganzen Konvoi behindern, würden ihn zu einer lahmen Schnecke, zu einem leichten Ziel für die lauernden Raubfische machen, sofern es gelingen würde, die Falle aufzubauen.

Die Frauen und Männer an Bord der versteckten Schiffe wussten, nun kam es auf sie an. Fieberhaft werteten sie die Ergebnisse der Ortungssonden aus, die die Augen der sonst blinden Schiffe bildeten. Die Bordpositroniken liefen im Dauereinsatz. Und dann hatten sie Erfolg. Bald nachdem der Konvoi in den Hyperraum gewechselt war, spuckte das Terminal des Führungsschiffes den Kursvektor und die voraussichtliche Länge der Hyperraumetappe aus. Wenig später war die Hyperfunksonde auf dem Weg …

Plan der Vernichtung

Die Ebene, die Ausdruck des Bewusstseins war, verlor sich in der Unendlichkeit. Am Ufer eines Sees saß eine alte Frau an einem Lagerfeuer. Kraft ihres Willens war es gerade Nacht, am Firmament strahlte der Widerschein von Millionen Galaxien und tauchte die Welt in ein geheimnisvolles Licht. Ein Beobachter würde unweigerlich an eine alte, aber immer noch schöne Wahrsagerin denken, – doch wer erinnerte sich noch an das fahrende Volk?

Ihr Gesicht spiegelte das Leben wieder als unzählige Leben. Mut, Kameradschaft, Liebe und Leidenschaft, aber auch Wut, Hass, Angst, Gnadenlosigkeit und erbarmungslose Härte war in ihm zu lesen. Es war das Gesicht eines Menschen. Vor ihr, mitten im Feuer, wurde eine namenlose Eiswelt sichtbar …

*

Die todbringenden Kugeln befanden sich immer noch auf der Eiswüste, die den mondgroßen Irrläufer bedeckte. Wieder bewegte sich eine einsame Gestalt auf den nahen Kratergipfel zu, der vom Einschlag eines größeren Brockens in die Eiswüste dieser unwirtlichen Welt zeugte.

Die Weichen waren gestellt, ihnen blieb nur das Warten und die Hoffnung, dass nicht ein unvorhergesehener Zufall den Plan der Verzweiflung zunichte machen würde. Flüchtig dachte er an die Auseinandersetzung mit Jan Scorbit zurück, die er vor zwei Tagen geführt hatte. Er hatte sich schließlich durchgesetzt, die Führung im Dunklen Himmel konnte sich seiner Argumentation nicht entziehen. Dann erreichte er den Felsen. Alles war noch so, wie vor einigen Tagen. Und wieder begann sich sein Geist zwischen den Sonnen des Zentrums von Siom Som zu verlieren, die das Firmament beherrschten.

Plötzlich war ihm, als seien sein Geist, seine Gedanken nicht allein. Eine unbeschreibliche Macht umgab ihn, positive Energie stärkte sein Bewusstsein, wischte alle Zweifel, alle Ängste beiseite. Dann erlosch das Gefühl, so schnell, wie es gekommen war. Ihm war, als ob er aus einem Traum erwachte. Langsam erhob er sich und begann den Rückweg. Seine Aufgabe wartete.

Er war wieder zurück an Bord der DEVILFISH. Das erste, was er bemerkte, war die veränderte Atmosphäre. Zuvor waren die Zweifel, die allgemeine Frustration und Mutlosigkeit fast körperlich spürbar gewesen. Doch all das war wie weggewischt. Entschlossenheit und Zuversicht umgaben ihn nun wie ein schützender Mantel. In den Augen seiner Besatzung strahlte ein seltsames Feuer. Und er wusste intuitiv, dass diese Zuversicht seine ganze Flotte ergriffen hatte. Die Sternengötter waren mit ihnen …

*

Die lang erwartete Nachricht war da. Der kurze, komprimierte Hyperfunkimpuls enthielt alle benötigten Daten. Jetzt galt es nur noch, diese auszuwerten. Und wieder trat der Verbund aus drei Schiffssyntroniken in Aktion. Komplexe Berechnungen und Extrapolationen, für die die alten Positroniken Stunden benötigt hätten, liefen in Sekundenbruchteilen ab. Und wenig später wurde das Ergebnis auf der gewaltigen Projektionswand sichtbar, die die Karte zwischen den Galaxien Siom Som und Trovenoor zeigte.

Die Darstellung zoomte in das Zentrum Siom Soms und zeigte mehr und mehr Einzelheiten. Jonathan war, als ob er in das Meer der Sonnen fallen würde. Die Illusion der Holodarstellung war perfekt. Dann stabilisierte sich das Bild. Die Position des Sternentores wurde mit einer unbekannten Sonne verbunden, die in unheilvollem Rot pulsierte. Mit einem raschen Befehl aktivierte er die Detaildarstellung des Zielsystems.

Wenig später zeigte die Holowand ein System, in dessen Zentrum ein roter Riese dabei war, seine Kinder endgültig zu verschlingen. Der Stern stand kurz davor, zur Supernova zu werden. Und Jonathan verstand die Symbolik. Der Tod des Sternes war gleichzeitig ein neuer Anfang, eine neue Chance für die Evolution des Universums. In seinem Todeskampf würde er gewaltige Mengen komplexer Atome verteilen, die durch den Druck der Explosion die Saat des Lebens weitergeben würden. Irgendwann würden die Atome auf entsprechende Staubmassen treffen, würden beginnen zu kontrahieren. Äonen später würde sich auf einem namenlosen Planeten einer namenlosen Sonne vielleicht neues Leben bilden.

Während sich sein Bewusstsein mit der roten Sonne beschäftigte, aktivierte er die Übertragung der Kursdaten auf die Syntroniken seiner Flotte. Danach der kurze Hyperfunkimpuls über die Richtstrecke an die in den Randzonen von Siom Som wartende Flotte. Aurec und Jan Scorbit waren schließlich darauf eingegangen, fast alle Großkampfschiffe zu riskieren.

Im Schutz einer Dunkelwolke warteten die IVANHOE II und dreiundsiebzig saggittonische Superschlachtschiffe auf seinen Einsatzbefehl. Das war alles, was sie an kampfstarken Einheiten zur Verfügung hatten. Nur die SAGRITON war im Dunklen Himmel zurückgeblieben. Aurec hatte widerstrebend zugestimmt, auf Etustar zu bleiben.

Den Oberbefehl über die Schlachtflotte führte Xavier Jeamour. Ihre einzige Aufgabe war, durch einen Scheinangriff auf die Wachflotte am Sternentor zu verhindern, dass diese dem Konvoi zu Hilfe kommen konnte.

Selbst die Götter des Universums schienen mit ihnen zu sein: Das lange Warten des Konvois am Sternentor hatte die Ausführung des Planes erst möglich gemacht. Die Zeit war ihr Verbündeter geworden …

*

Die PIRANHAs waren im System des roten Riesen aus dem Hyperraum getreten. Es glich fast einem Wunder: Alle Schiffe konnten die von den Syntroniken errechneten optimalen Positionen einnehmen, ohne dass es zu irgendwelchen Zwischenfällen kam.

Nach der Extrapolation des Verbundes hatten sie noch ungefähr vierzehn Stunden Zeit, bevor Leticrons Nachschubflotte eintreffen würde. Diese Zeit nutzen sie, um die Energiespeicher zu laden. Danach, etwa zwei Stunden vor der vorherberechneten Ankunft, verschwanden sie aus dem Einstein-Kontinuum. Im Schutz der Semi-Transit-Felder waren sie unsichtbar, unangreifbar und tödlich.

Sieg und Niederlage oder Ein Ende mit Schrecken

Konteradmiral Wang war unruhig. Die ganze Zeit wurde er von düsteren Vorahnungen heimgesucht. Der Konvoi war eine Schnecke, die langsamsten Schiffe bestimmten das Tempo. Vor seinem Abflug hatte er nochmals versucht, den Admiral umzustimmen – vergeblich. Dieser hatte ihm angedroht, ihn wegen Insubordination vor ein Kriegsgericht zu stellen und standrechtlich erschießen zu lassen. So hatte er schließlich resigniert.

Die erste Hyperraumetappe würde über knapp zehntausend Lichtjahre zu einem roten Riesen führen, der vor dem Ausbruch zur Supernova stand und reichlich Energie spenden würde, um die Speicher der Transportschiffe zu füllen. Normalerweise bedeutete die Entfernung einen Katzensprung, aber für diese lächerliche Etappe würden sie bei einem Überlichtfaktor von knapp eineinhalb Millionen über drei Tage benötigen.

Viele Schiffe würden mit fast leeren Energiespeichern ankommen, die Entfernung von zehntausend Lichtjahren war das Äußerste, was ihre weitgehend aufgebrauchten Energievorräte noch hergaben. Und genau an der Grenze der Reichweite wartete der rote Riese, der für ihre Zwecke geradezu ideal war. Und wieder meldete sich seine Vorahnung. Er kam sich vor wie eine Maus, die durch den verführerischen Speck in eine Mausefalle gelockt werden sollte. Normalerweise hörte er auf seine Intuition, doch der Befehl des Pariczaners ließ ihm keine Wahl.

Die Stunden vergingen, träge bewegte sich der Verband durch das übergeordnete Kontinuum, bei den Besatzungen der Kampfschiffe machte sich Langeweile breit. Das Quarterium verfügte nur über moderne Schiffe, die weitaus höhere Überlichtfaktoren ermöglichten. Das Schneckentempo zehrte an den Nerven und schläferte die Wachsamkeit ein. Schließlich war es soweit: Die gewaltige Flotte rematerialisierte im System des roten Riesen. Und das Inferno begann …

*

Tsi starrte ungläubig auf die Nachrichten, die auf dem Hyperfunkterminal der SANGMEN eingingen. Die gesamte Flotte schien in ein hyperphysikalisches Chaos gesprungen sein. Im Sekundentakt erreichten ihn die Hiobsmeldungen.

Der rote Riese schickte in einem gewaltigen Ausbruch unzählige Protuberanzen ins All. Das Merkwürdige war, dass diese sich ausgerechnet auf seine Kampfschiffe konzentrierten. Nur die SANGMEN schien verschont zu bleiben.

Und dann griff der Tod nach den Transportschiffen. Aus dem Nichts erschienen unzählige Raumtorpedos und vernichteten ein Schiff nach dem anderen. Seine Kampfschiffe blieben verschont, kein Torpedo nahm Kurs auf sie. Fluchend befahl er, eine Hyperfunkverbindung mit der relativ nahen Wachflotte am Sternentor herzustellen. Diese konnte, wenn sie mit Höchstgeschwindigkeit flog, in knapp einer Stunde zu Hilfe kommen.

Angriff von PIRANHAs auf einen quarterialen Konvoi
Angriff von PIRANHAs auf einen quarterialen Konvoi © Heiko Popp

Wenig später wurde Admiral Silumes auf dem Terminal sichtbar. Mit kurzen Worten schilderte er seine Lage und bat um die Unterstützung durch die Wachflotte. Doch die Antwort des Überschweren zerstörte seine Hoffnungen. Der Admiral lehnte seine Bitte um Unterstützung mit der Begründung ab, dass die Wachflotte selbst in eine Raumschlacht mit saggittonischen Schlachtschiffen verwickelt sei und er alle Kräfte benötige, um das Sternentor zu halten. Bevor Tsi irgendwelche Einwände vorbringen konnte, wurde die Verbindung kommentarlos getrennt.

Er wusste, er war auf sich allein gestellt. Es war genau das eingetreten, was er befürchtet hatte: dass ihm auf der Gegenseite kein Dilettant gegenüberstand. Der Plan hätte auch von ihm stammen können. Und der verdammte Überschwere reagierte genau so, wie es die Gegenseite erwartete.

Welch ein Narr. Es war doch eindeutig, dass dieser Angriff nur das Ziel hatte, die Wachflotte zu binden! Die Alliierten waren viel zu schwach, um das Sternentor zu halten. Mit tonloser Stimme gab er den Befehl, dass seine Kampfschiffe versuchen sollten, mit ihren Schutzschirmen die Torpedos abzufangen. Doch gleichzeitig wusste er, dass diese Maßnahme zwecklos sein würde, denn er hatte einfach zu wenig Schiffe. Die Vernichtung der Transporter ging weiter.

*

»Nummer elf«, die Stimme von Coreen Ronalds, der Waffenoffizierin, hallte unheilvoll durch die Zentrale der P-99 DEVILFISH. Es war ihr anzusehen, dass ihr dieses Abschlachten keine Genugtuung mehr bereitete. Hatten sie die ersten Abschüsse noch bejubelt, so drückte nun jeder Treffer auf ihr Gewissen.

»Warum greifen wir nicht die Kampfschiffe an?«, fragte plötzlich Seffen Cops, der seinen Platz hinter der Ortungskonsole verlassen hatte und den Kommandanten eindringlich musterte.

Jonathan überlegte kurz, alles in ihm sträubte sich dagegen, dieses Scheibenschießen weiterzuführen, aber er wusste gleichzeitig, dass sie sich irgendwelche Skrupel nicht leisten konnten. Die Gegenseite hatte auch keine.

»Weitermachen!«, befahl er deshalb knapp, obwohl ihn dieser Befehl mit einem namenlosen Grauen erfüllte.

»Wie du meinst«, antwortete ihm Seffen und setzte sich wieder hinter seine Kontrollen. Es galt, die Zielkoordinaten der nächsten Salve festzulegen. Wenig später waren die nächsten vier Torpedos auf dem Weg und löschten noch mehr Leben aus. Das Abschlachten ging weiter.

*

Die nachfolgend geschilderten Ereignisse liefen nahezu synchron ab. Es war, als ob ein antikes Drama auf der Bühne des Universums seinem Höhepunkt zusteuerte. Nur blieb die Frage, ob dieses Drama in der Katastrophe enden würde.

*

Razeep raufte sich seinen roten Bart und verfluchte das Quarterium, die CIP und alle Sternengötter. Am meisten verfluchte er seinen Vater, der ihm dieses Fiasko eingebrockt hatte. Klessvool, gleichzeitig Patriarch seiner Sippe, war von grenzenloser Habgier besessen, es gab nichts, vor dem er für entsprechenden Profit zurückschrecken würde – genauso wie er, ergänzte er für sich. So hatte er zugestimmt, natürlich gegen üppige Bezahlung, einige seiner Schiffe für den Transport von Nachschub abzustellen.

Wieder schüttelte sich die sechshundertfünfzig Meter lange Walze unter dem Einschlag eines dieser verdammten Raumtorpedos. Noch hielten die Schutzschirme. Sein Vater und er legten Wert darauf, dass ihr Leben möglichst gut geschützt wurde. Vor ihm verging ein weiteres Schiff seines Clans in einer Atomsonne. Der glühende Ball riss weitere Schiffe mit ins Verderben.

Es wurde Zeit, dem ein Ende zu machen. Er hatte keine Lust, für das Quarterium den Heldentod zu sterben. Aber bevor er verschwand, musste er seine spezielle Ladung loswerden. In diesem Moment meldete sich der Ortungstechniker.

»Razeep, gerade wurde ein Beiboot ausgeschleust. Wer kann das sein?«

Diese Meldung alarmierte ihn. Sein Blick durchforschte die Zentrale nach seiner Schwester Chiisma, doch die war nirgends zu sehen. Alarmiert stellte er die Verbindung mit dem Beiboothangar her.

»Wer war das gerade?«, fragte er.

»Deine Schwester!«, bekam er die kurze Antwort. Doch bevor er darauf reagieren konnte, kam die nächste Meldung. Alarmiert wandte er den Kopf.

»Was gibt es denn noch?«

»Gerade geht eine Nachricht des quarterialen Kommandanten ein. Die wollen anscheinend tatsächlich kapitulieren!«

»Was? So eine gottverdammte Scheiße! Das will ich auch, aber am liebsten wäre es mir, wenn diese quarterialen Drecksäcke alle krepieren würden.«

Er wandte sich wieder dem Hangarmeister zu. Plötzlich war ihm ein furchtbarer Verdacht gekommen.

»War meine Schwester allein?«

»Nein, Razeep.«

Nun verlor er die Geduld.

»Wer war bei ihr, nun red schon, du Schwachkopf!«

Der Hangarmeister entgegnete empört: »So langsam reicht es mir, Razeep. Ich bin ein freier Springer, so kannst du …«

Razeep brüllte los: »Wenn ich nicht sofort erfahre, wer bei meiner verdammten Schwester war, dann prügle ich die Antwort aus dir heraus, du verdammter Idiot!«

»Der Idiot bist du selber. Hast du zu tief ins Glas gesehen? Du warst es doch, der seine Schwester beauftragt hat, unsere Sonderfracht in Sicherheit zu bringen!«

Razeep verschlug es die Sprache. Genau das hatte er befürchtet. Bei Leticron und allen Sternenteufeln, seine verblödete Schwester hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Damit hatte sie den Bogen überspannt, was zu viel war, war zu viel.

»Schießt das verdammte Beiboot ab!«

Der Waffenmeister starrte ihn völlig entgeistert an. Mit einem raschen Griff zog er seinen Impulsstrahler.

»Wenn du nicht sofort meinen Befehl ausführst, blase ich dir dein verblödetes Gehirn aus dem Schädel.«

Das wirkte endlich. Völlig verstört aktivierte der Narr die Feuerleitkontrollen. In der Zielerfassung des schweren Doppelimpulsstrahlers erschien das kleine Beiboot, das sich schon ein beträchtliches Stück entfernt hatte. Aber der Schwachkopf zögerte immer noch.

Mit zwei langen Schritten war Razeep bei ihm. Seine Faust hieb auf die Feuerfreigabe. Ein sonnenheißes Energiebündel löste sich aus dem Buggeschütz und griff nach dem Beiboot. Doch gleichzeitig verzerrte sich das Bild. Ein dunkler Schatten schob sich zwischen Boot und Waffenstrahl …

*

Konteradmiral Wang führte den schlimmsten Kampf seines Lebens. Es war ein Kampf mit sich selbst. Auf der einen Seite gebot der Eid, den er auf das Quarterium geleistet hatte, dass sie hier buchstäblich bis zur letzten Frau, bis zum letzten Mann kämpfen mussten. Das Wort Kapitulation war in den Dienstvorschriften nicht vorgesehen. Auf der anderen Seite belastete jedes Transportschiff, das vernichtet wurde, sein Gewissen. Er wusste, dass an Bord keine Soldaten waren, für die der Tod zum Berufsrisiko gehörte.

Dann straffte sich seine Haltung, er hatte seine Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung, die ihn, seine Frauen und Männer, zu Aussätzigen, zu Parias machen würde. Aber er sah für sich keine Alternative, wenn er seine Ehre als Mensch und als Soldat behalten wollte. Das hier war Massenmord und er hatte die Macht, ihn zu beenden. Mit ausdruckslosem Gesicht aktivierte er eine Rundumverbindung zu den ihm unterstellten Schiffen.

»Wang an alle!«, begann er und machte eine kleine Pause, um seinem folgenden Befehl mehr Gewicht zu verleihen.

»Die Gefechtsbereitschaft ist sofort zu beenden. Schutzschirme deaktivieren, Waffensysteme herunterfahren. Die Besatzungen aller Schiffe gehen in die Beiboote. Anschließend sind die Schiffe zu sprengen. Wer dem zuwiderhandelt, wird durch die SANGMEN vernichtet. Dieser Befehl ist endgültig!«

Unauffällig entsicherte er seine Dienstwaffe. Dann musterte er die Brückenbesatzung.

»Hat jemand etwas zu bemerken?«, fragte er.

Es kam, wie es kommen musste. Der ihm als Wachhund zugeteilte Offizier der CIP griff zur Waffe. Der schwere Impulsstrahler in seiner Hand brüllte auf und beendete das Leben dieses gewissenlosen Schnüfflers.

Mit unbewegter Miene musterte er seine Offiziere. Einige senkten den Blick, scheuten seine forschenden Augen, aber die Mehrheit nickte, nach einem kurzen Moment des Zögerns, zustimmend. Dann wandte er sich an den Funkoffizier.

»Rufen Sie auf der Flottenfrequenz der LFT den gegnerischen Kommandanten. Ich möchte mit ihm sprechen.«

Der Funkoffizier schaute ihm verständnislos entgegen.

»Mensch, seien Sie doch nicht so begriffsstutzig! Diese getarnten Schiffe müssen über eine gut funktionierte Kommunikationsverbindung verfügen, anders ist ihre Vorgehensweise gar nicht möglich!«

Endlich schien der Oberleutnant verstanden zu haben und öffnete einen Kommunikationskanal auf der Flottenfrequenz der LFT.

»Hier spricht Konteradmiral Wang, Oberbefehlshaber der Schutzflotte des Transportkonvois. Hiermit gebe ich die bedingungslose Kapitulation meines Kommandos bekannt. Bitte stellen Sie das Feuer ein!«

*

»Das waren Nummer dreiundzwanzig und vierundzwanzig!«

Coreen gab mit tonloser Stimme die neuen Abschusszahlen bekannt. Die vergangenen zehn Minuten kamen ihnen wie eine Ewigkeit vor. Die Gesichter waren erstarrt, das Grauen beherrschte ihr Denken. Wie Automaten führten sie ihre Aufgabe weiter aus. Jeder Abschuss bedeutete eine Schwächung der quarterialen Schlächter, machte sie selbst aber auch den Schlächtern gleich.

Plötzlich schrie Seffen auf.

»Jonathan, das musst du dir ansehen, das gibt es doch gar nicht!«

Mit wenigen Schritten war der Angesprochene an dem Terminal, in dem die Ortungssignale der Sonden zusammengefasst wurden. Was die eingehenden Messwerte zeigten, war eindeutig. Alle Schiffe der quarterialen Schutzflotte deaktivierten die Schutzschirme und reduzierten die Leistung der Energiekonverter. Bevor er reagieren konnte, kam die nächste Überraschung.

»Hyperfunkspruch auf der Flottenfrequenz der LFT. Ein Admiral Wang erklärt die Kapitulation und bittet uns, das Feuer einzustellen.«

Jonathan überlegte einen Augenblick, sein Blick suchte die Kameraden. Aus drei Augenpaaren strahlte ihm die plötzliche Hoffnung entgegen, dieses Abschlachten endlich beenden zu können. Nur der Pteru Chek Sor blieb äußerlich unbeeindruckt. Mit einem kurzen Befehl aktivierte er den Rundruf.

»Führungsschiff an alle Einheiten. Sofort Feuer einstellen! Jedes vierte Schiff wechselt in den Normalraum. Die Übrigen bleiben im STF. Beim geringsten Anzeichen eines Hinterhaltes: Feuer mit allem, was wir haben.«

Danach wandte er sich wieder Seffen zu. Doch der war schon dabei, den Kommunikationskanal auf der LFT-Frequenz freizugeben.

»Hier spricht Jonathan Andrews, Kommandant der PIRANHA-Spezialflotte. Ich nehme Ihre Kapitulation an.«

Endlich gelang es, eine Bildverbindung aufzubauen. Auf dem Schirm wurde das asketische Gesicht eines Asiaten sichtbar.

»Hallo Jonathan, das hätte ich mir fast denken können. Meine Gratulation zu dieser taktischen Meisterleistung. Ich hätte …«

Der Admiral brach mitten im Satz ab. Es schien, dass er eine Meldung entgegennahm. Dann überschlugen sich die Ereignisse. Seffen schrie plötzlich: »Die eröffnen das Feuer, ein Springer hat die P-37 während ihres Austritts aus dem STF vernichtet.«

Fast gleichzeitig bekam er die Reaktion des Admirals mit.

»Volle Transformsalve auf den verdammten Springer«, und dann, an ihn gewandt: »Bitte Jonathan, glaub mir, davon hatte ich keine Ahnung. Der Springer hat ohne meinen Befehl auf eigene Faust gehandelt.«

Jonathan überlegte, sein Blick suchte die Maske des Asiaten zu durchdringen. Oh, er kannte Wang von seiner Ausbildung am Redhorse Point. Dort war er Gastdozent für Taktik und Menschenführung gewesen. Er galt als knallhart, aber fair. Also entschloss er sich, ihm zu vertrauen.

»Okay, Admiral, ich glaube Ihnen. Aber noch ein Zwischenfall, und ich lasse das Feuer wieder eröffnen.«

Wende in den Estartischen Galaxien?

Exklusivbericht der FOCUS für Galax-Net und Inter-Network

Heute, am 6. Februar des Jahres 1307 melde ich mich mit bestürzenden Nachrichten aus dem Dunklen Himmel, die uns jedoch zugleich Hoffnung und Zuversicht geben.

Zuerst möchte ich allen an den Ereignissen in der ehemaligen Mächtigkeitsballung ESTARTUs interessierten Bürgern der Nationen unserer gemeinsamen Heimatgalaxis mitteilen, dass die quarteriale Expansionspolitik einen schweren Rückschlag erlitten hat. Einen Rückschlag, bei dem Opfer zu beklagen sind, der aber zugleich der Hoffnung Nahrung gibt, dass das sinnlose, wesensrechtswidrige Morden auf den Welten der Estartischen Föderation ein Ende findet.

Den unter dem Oberbefehl des sogenannten Quarteriumsfürsten Leticron stehenden Kriegsverbrechern, die sich in der Vergangenheit scheußlichster Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Wesensrechte der gequälten Völker der estartischen Galaxien schuldig gemacht haben, wurden endlich die Grenzen ihrer Macht aufgezeigt. In einem heldenhaften Kampf gelang es Spezialkräften der Neuen USO, unter dem Oberbefehl von Jonathan Andrews, dem Schüler des Ritters der Tiefe Gal’Arn, einen Geleitzug aus Cartwheel mit umfangreichen Nachschublieferungen fast vollständig zu vernichten.

Ermöglicht wurde diese unerwartete Wende durch das Eingreifen der dorgonischen Kaiserin Arimad, die die dorgonische Flotte zur Neutralität gegenüber der Föderation Estartische Separatisten und den Flottenverbänden der Saggittonen und der Neuen USO verpflichtete. Ich möchte Ihrer Hoheit meine Hochachtung für ihre mutige und verantwortungsbewusste Entscheidung aussprechen, durch die der große Sieg der Alliierten erst möglich wurde.

Gleichzeitig möchte ich aber auch meiner Trauer Ausdruck geben, dass diese Wende durch den Tod ungezählter intelligenter Lebewesen erkauft werden musste. Ich spreche hiermit auch den Familien der getöteten Raumfahrerinnen und Raumfahrer auf der quarterialen Seite mein Mitgefühl aus und möchte dies mit dem Wunsch verbinden, dass endlich die Regeln des zivilisatorischen Miteinanders das Miteinander der galaktischen Reiche bestimmen. Ich weiß aber auch, dass mein Wunsch nur die Illusion eines idealistischen Phantasten bleiben wird, solange grausame Potentaten und selbsternannte Führer ganze Sternenreiche mit in den Abgrund reißen können.

Abschließend möchte ich an alle Bürger auf allen Welten der Milchstraße appellieren: Sofern Sie noch Kontakt nach Cartwheel haben, berichten Sie Ihren Familienmitgliedern, Freunden oder Bekannten dort von den Ereignissen in Siom Som. Denn ich befürchte, dass die Bevölkerung des Quarteriums von ihren skrupellosen und verbrecherischen Machthabern weiterhin manipuliert und für dumm verkauft wird.

Nur das freie Wort, die uneingeschränkte Information kann garantieren, dass dieses unmenschliche, geradezu teuflische System endlich auf dem Scherbenhaufen der Geschichte landet. Ich hoffe, dass die Ereignisse in Siom Som den Auslöser für den Niedergang der Macht des Emperadors und seiner Mörderbande bilden. Gleichzeitig befürchte ich jedoch, dass sie nur der Auftakt zu weiterem sinnlosen Gemetzel zwischen den Sternen sein werden.

Für heute möchte ich meinen Bericht mit einem Appell schließen: Seien Sie wachsam, wehren Sie sich gegen jede Einschränkung der freien Information, misstrauen Sie jedem, der einfache Lösungen für komplexe Probleme anbietet – Freiheit, Wesenswürde und Demokratie müssen Tag für Tag gegenüber den Mächten der Unterdrückung, gegen die Hetze der Ewiggestrigen verteidigt werden!

Die Geschichte zeigt, dass die Bewahrung der Zivilisation, die Bewahrung von Demokratie und Wesenswürde nur dann möglich sein wird, wenn sie durch Sie, die Bürgerinnen und Bürger, verteidigt wird. Deshalb wehren Sie den Anfängen, lassen Sie es nicht zu, dass irgendwelche Führer vorgeben, in Ihrem Namen zu sprechen. Handeln Sie stets nach dem Grundsatz: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden!

Ihr Roppert Mohlburry

3. Rückkehr nach M 87

Kriegstagebuch USO-Kommando Etustar, 10. Februar 1307 NGZ

Die PIRANHAs und die Schlachtflotte unter Xavier Jeamour waren wieder zurück im Dunklen Himmel. Es glich einem Wunder, aber sie hatten fast keine Verluste zu beklagen. Nur die P-37 war vernichtet worden und einige saggittonische Schlachtschiffe waren leicht beschädigt. Es schien, als ob eine höhere Macht ihre schützende Hand über uns gehalten hätte. Aber das war natürlich Unsinn. Durch die Vernichtung des Nachschubkonvois hatte sich unsere Lage wesentlich verbessert. Zwar waren wir nach wie vor nicht in der Lage, Leticron direkt anzugreifen, aber der Verlust des Nachschubs zwang diesen, zu einer rein defensiven Taktik.

Nach der Kapitulation hatte Jonathan Andrews die Schlachtflotte zu Hilfe gerufen, um die Besatzungen der quarterialen Schiffe aufzunehmen. Danach wurden sämtliche Spuren beseitigt. Es sollte der Eindruck entstehen, als ob Admiral Wang buchstäblich bis zum letzten Mann gekämpft hätte. Dies hatte leider auch bedeutet, dass alle Jäger und Beiboote, nachdem die Besatzungen sie verlassen hatten, vernichtet werden mussten, um bei eventuellen Untersuchungen durch Massededektoren jeden Verdacht zu zerstreuen. Jedoch hatten wir vorher die wertvollsten Nachschubgüter auf die Schlachtschiffe verteilt.

Wie richtig diese Vorsichtsmaßnahme war, erwies sich wenig später, als eine quarteriale Flotte auftauchte und begann, das System genauestens zu untersuchen.

Bezüglich der Besatzungen der Wachflotte und der Transportschiffe wurde eine annehmbare Lösung gefunden, die vor allem die Würde der Gefangenen weitgehend achtete. Besonders hilfreich erwies sich hierbei Admiral Wang, der sich vollständig vom Quarterium losgesagt hat, nachdem er durch Xavier Jeamour über die verbrecherischen Hintergründe der Artenbestandsregulierung aufgeklärt wurde. Seine Hinweise ermöglichten es, aus den Besatzungen der Wachflotte diejenigen auszusondern und zu internieren, die hundertprozentig hinter der Ideologie des Quarteriums standen. Ein Teil der Besatzungen schloss sich Wang an und trat zu meiner Freude zur USO über. Er milderte damit unsere prekäre Personalsituation.

Alle anderen, einschließlich der Besatzungen der Transportschiffe, wurden auf eine abgelegene Sauerstoffwelt gebracht, auf der sie ohne große technische Hilfsmittel überleben konnten.

Dabei waren wir auf ein weiteres verabscheuungswürdiges Verbrechen aufmerksam geworden, das vor allem Aurec bis ins Mark traf. An Bord eines Beibootes befand sich die Tochter des mit dem Quarterium verbündeten Springer-Patriarchen Klessvool, die vier saggittonische Mädchen gerettet hatte. Sie hatten ein unsagbares Martyrium hinter sich. Klessvool hatte sie der CIP abgekauft und beabsichtigte, nach Aussage seiner Tochter, sie auf den Sklavenmärkten Lepsos zu versteigern. Sie waren durch die Hölle der Folterkeller der CIP gegangen und anschließend an Bord des Springerschiffes Freiwild gewesen.

Die Aussagen von Chiisma zeigten eine neue Gefahr auf, über die Monkey unbedingt informiert werden musste. Die ganze Sippe dieses Springers war anscheinend so etwas wie eine fünfte Kolonne der CIP in der Milchstraße.

Jan Scorbit

Aufbruch

Wir wollten wieder in die Hölle von M 87 zurückzukehren, um den Paladin zum Einsatz zu bringen. Als Ergebnis der Einsatzbesprechung am Vorabend, war der ursprüngliche Plan völlig neu konzipiert worden.

Ich beobachtete zusammen mit Gal’Arn die Vorbereitungen zum Start der TERSAL. Das Schiff des Ritters war mir fast zur zweiten Heimat geworden, da mein eigenes Schiff, die RIVEDELL, bisher einfach zu klein für Kommandoeinsätze war. Doch diesmal würde es anders sein. Auf der gestrigen Besprechung warf dieser ehemalige quarteriale Admiral, der von Jan Scorbit und Xavier Jeamour mit offenen Armen empfangen worden war, die Frage auf, warum eigentlich noch niemand auf die Idee gekommen sei, unsere technischen Möglichkeiten zu koordinieren – gemeinsamer Einsatz von alyskischer und kosmokratischer Technik. Warum waren wir vorher noch nicht auf diese Idee gekommen?

Jan Scorbit erklärte lachend, dass man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen könne. Dazu kam noch der Paladin, der eigentlich ebenfalls das Ergebnis der Kombination der Spitzentechnik zweier Völker war. Doch, und da war ich mir sicher, etwas anderes war viel entscheidender und genau das war auch der Irrtum meines Vaters. Viel wichtiger als alle Technologie, alle Schlachtschiffe, Waffen und Soldaten waren moralische Integrität, Mut und Einfallsreichtum, Intelligenz und Opferbereitschaft der Wesen, die für unsere Sache kämpften.

Als Ergebnis der Besprechung bauten die Quintechs der USO die TERSAL noch in derselben Nacht unter der Anleitung von Jaktar um, um sowohl den Paladin, als auch die RIVEDELL transportieren zu können. Diese Änderung des ursprünglichen Plans, der den Einsatz eines PIRANHAs vorgesehen hatte, ging vor allem auf Jonathan Andrews zurück, der größte Zweifel am Erfolg der Mission äußerte.

Gal’Arn hatte die TERSAL ins Spiel gebracht, was allgemein als eine erfolgsversprechendere Alternative angesehen wurde. Jan Scorbit hatte es bedauert, dass das Antitemporale-Gezeitenfeld der PRIDE OF PAST immer noch nicht voll einsatzfähig war, sonst könnte man die Gelegenheit nutzen, Kontakt mit Konstantinus Demelaris aufzunehmen um vor allem seine Mannschaft zu verstärken.

In dieser Situation hatte dieser Admiral, an dessen Anblick ich mich noch immer nicht gewöhnt habe, da er die verfluchte Uniform trägt, die für mich bis in alle Ewigkeit mit den Ereignissen auf Monol verbunden bleiben würde, die Frage gestellt, was das eigentlich für ein Schiff sei, das am Rande des Raumhafens von Etustar abgestellt ist.

Ich klärte ihn über die Möglichkeiten der RIVEDELL auf. Daraufhin stellte er die Frage, ob die RIVEDELL an die TERSAL angeflanscht werden könne, um mit ihr Point Odysseus zu erreichen. Nach kurzer Beratung mit Jaktar erklärte Gal’Arn, dass dies technisch möglich sei und die anderen hatten diesem Vorschlag begeistert zugestimmt.

So wurde aus dem ursprünglichen Plan eine Doppelmission: Zum Einen sollte der Paladin zum Einsatz, zum Anderen sollte Admiral Wang nach Point Odysseus gebracht werden, um den taktischen Einsatz der SAPHYR-Raumjäger zu planen.

*

»Guten Morgen, Elyn. So tief in Gedanken versunken?«

Ich blickte auf und sah in Jonathans eisblaue Augen. Der junge Terraner hatte seine jungenhafte Unbekümmertheit verloren und blickte, ganz im Gegensatz zu mir, dem kommenden Einsatz mit sichtlicher Genugtuung entgegen. Ich hatte manchmal den Eindruck, dass er inzwischen auf einem persönlichen Rachefeldzug war.

In mir jedoch sträubte sich alles, in diese Hölle zurückzukehren. Zu klar standen mir noch die Bilder verwüsteter Planeten, hingemordeter Wesen, von gegenseitigem Abschlachten ohne Gnade vor Augen.

Dazu kam noch, dass ich nach wie vor unserem neuen Verbündeten misstraute. Wang war für mich ein Militarist reinsten Kalibers, auch wenn ihn vor allem Jan Scorbit und Xavier Jeamour in den höchsten Tönen lobten. Mag sein, dass wir in unserer Situation genau einen Mann wie ihn brauchten, aber deshalb musste ich ihn nicht mögen. Aber ich blieb mit meiner Meinung allein.

Die Vorbereitungen schienen inzwischen beendet zu sein, die Techniker verließen Gal’Arns Schiff.

»Sternenprinzessin, wach endlich auf!« Erneut lachte mich Jonathan an, doch das Lachen erreichte nicht seine Augen. Trotzdem schien er guter Laune zu sein, sich sogar auf den kommenden Einsatz zu freuen. Irgendetwas hatte ihn völlig verändert. Für den Moment vergaß ich meine düsteren Gedanken, vergaß die unzähligen Leben, die bereits dem Moloch des Krieges geopfert worden waren und ich vergaß Wang, der genau diesen Moloch repräsentierte.

Und dann kam er persönlich. Mein Anflug von guter Laune verflog wie Tau in der Morgensonne. Konteradmiral Tsi Ku Wang, wie er leibte und lebte, die Verkörperung militärischer Effizienz und Kompromisslosigkeit in Person. Bezeichnend war, dass er nach wie vor die verhasste Uniform der Schlächter trug, auf der natürlich kein Staubkorn sichtbar war, – die geölte Glatze glänzte, die Stiefel waren auf Hochglanz poliert. Innerlich schüttelte es mich vor Abscheu. Mit diesem Individuum würde ich Stunden, wenn nicht Tage, auf engstem Raum zusammengepfercht, verbringen müssen …

Zurück in der Hölle

Interessiert ließ ich mir von Gal’Arn das Schiff erklären. Der ehemalige Ritter hatte sich, nach kurzem Zögern, bereit erklärt, meine Fragen zu beantworten. An Bord der TERSAL herrschte eine eigenartige Atmosphäre und es war mir klar, dass ich an Bord eigentlich ein Fremdkörper war. Nur Jan Scorbit und Jonathan Andrews schienen mich mehr oder weniger zu akzeptieren, alle anderen begegneten mir mit kaum verhüllter Ablehnung.

Am Abend vor dem Abflug hatte ich noch eine lange Aussprache mit Xavier gehabt. Seine Schilderungen der Ereignisse ließen mich erst richtig erkennen, in welchem Maße ich versagt hatte. Wo war mein Traum eines neuen Solaren Imperiums geblieben, das ich zusammen mit Joak Cascal in Cartwheel aufbauen wollte? Heute musste ich erkennen, dass ich blind und taub gewesen war, unfähig, die Zeichen der Zeit zu erkennen, ein Spielball in den Händen von Siniestro und Despair.

Jetzt erst wurde mir so richtig klar, warum sie mich als Nachfolger von »Flak« Portland zum Leiter von Redhorse Point berufen hatten. Man hatte mich abgeschoben, kaltgestellt. Despair hatte mich damit geködert, dass ich so den »Geist« der Flotte formen könne. Wie vertrauensselig darf man eigentlich sein, bevor man sich vollständig zum Narren macht? Joak, ich habe unseren Traum verraten, habe es zugelassen, dass unsere Flotte zum Instrument eines gnadenlosen Terrorregimes verkommen ist. Jetzt, im Nachhinein, fällt es mir wie Schuppen von den Augen, nun ergeben all die kleinen Mosaiksteinchen, die ich immer verdrängt habe, ein stimmiges Bild, ein Bild, das ich schon viel früher hätte erkennen müssen.

»Die Beschleunigung der TERSAL liegt bei mehr als siebenhundertsechzig Zek!«

Diese Erklärung brachte mich wieder in die Wirklichkeit zurück. Nur, was bedeutete siebenhundertsechzig Zek? Das fragte ich den Ritter der Tiefe. Dieser lächelte hintergründig und erklärte: »Jonathan hat sich mal die Mühe gemacht, die Werte in terranische Einheiten umzurechnen. Er kam auf einen Wert von über zweitausenddreihundert Kilometer pro Sekundenquadrat.«

Einen Moment war ich sprachlos. Wenn dieser Wert stimmte, dann war die TERSAL eines der schnellsten Schiffe überhaupt. Sie stellte auf jeden Fall alles in den Schatten, was dem Quarterium zur Verfügung stand. Jetzt interessierten mich ihre übrigen technischen Daten um so mehr.

Als ich mehr erfuhr, konnte ich nur noch fassungslos den Kopf schütteln. Wenn die Angaben Gal’Arns stimmten, war dieses Schiff selbst einem SUPREMO-A-Schlachtschiff weit überlegen. Doch der eigentliche Hammer kam, als ich nach der Bewaffnung fragte. Die war, schlicht und einfach gesagt, beschissen. Die vier transformähnlichen Geschütze hatten nur eine Leistung von lächerlichen zehn Gigatonnen und der Rest war völlig zu vergessen.

Entgeistert fragte ich den Ritter, ob eigentlich noch niemand auf den Gedanken gekommen sei, die Offensivbewaffnung nachzurüsten, was angesichts der zur Verfügung stehenden Energieversorgung keinerlei Probleme bereiten dürfte. Nun war es Gal’Arn, der mich fassungslos anstarrte. Dann erklärte er empört, dass sein Schiff kein Instrument der Vernichtung sei, sondern einzig und allein dem Zweck diente, Frieden zwischen den Wesen zu stiften. Entnervt versuchte ich, meinen Standpunkt darzulegen, musste aber erkennen, dass militärisches Denken dem Ritter völlig fremd war. Schließlich gab ich auf, denn eine weitere Diskussion hätte mich nur noch stärker zum Außenseiter gemacht.

Im Übrigen begeisterte mich das Schiff. Würde Frieden herrschen, könnte ich mir nichts Reizvolleres vorstellen, als mit ihm die Wunder und Geheimnisse des Universums zu erforschen. Aber wir hatten keinen Frieden, würden nie welchen haben …

*

Wir hatten die äußeren Sektoren von M 87 ohne nennenswerte Zwischenfälle durchquert, die TERSAL war wirklich ein außergewöhnliches Schiff. Jan Scorbits Plan sah vor, zuerst den Paladin auf einer Welt im Zentrumsbereich zum Einsatz zu bringen, um dann zu versuchen, mit dem Schiff der Alyske, Point Odysseus zu erreichen. An Bord würden neben Jan Scorbit nur Elyn und ich sein, damit waren die Möglichkeiten des Schiffes leider erschöpft.

Im Moment mussten wir wieder eine Orientierungsetappe einlegen, da sich vor uns, genau in Kursrichtung, wieder eine Niveauverschiebung aufgebaut hatte. Die Instrumente der TERSAL waren zu unserem Glück in der Lage, diese Störungen des Raum-Zeit-Kontinuums anzumessen und uns rechtzeitig zu warnen. Im Schutz des aktivierten Deflektorschirmes traten wir in der Nähe eines roten Zwerges aus dem Hyperraum. Eine durchgeführte Passivortung zeigte, dass die dunkelrote Sonne von zwei Trabanten umkreist wurde.

Mit Hilfe von alten Sternkarten des Solaren Imperiums, die leider nicht im Holo-Format vorlagen, konnten wir die Sonne identifizieren. Es handelte sich um das Dewell-System, die Heimat eines wichtigen Volkes innerhalb des Kastensystems der Konstrukteure des Zentrums. Der äußere der beiden Planeten, der den Eigennamen Dwellion trug, war der Ursprung der Aphaneus, den Psychologen von M 87.

Die Aphaneus waren nach unseren Informationen ein friedliches Volk, das keinerlei militärische Bedeutung hatte. Doch rasch zeigten die Ortungsergebnisse, dass die Rachsucht der Bestien auch dieses System nicht verschonte. Torsor schien entschlossen, alles, was mit der Macht der Konstrukteure des Zentrums in Verbindung stand, gnadenlos auszulöschen. Eine kleinere Flotte von etwa fünfhundert DOLANs war gerade dabei, den Heimatplaneten der Aphaneus in Schutt und Asche zu legen. Das zeigte mir wieder überdeutlich, dass ein Volk, das nicht in der Lage war, sich selbst zu schützen, in einem Universum voller Gewalt dem Untergang geweiht war.

Ich wollte gerade die Zentrale verlassen, als mich ein Vorschlag dieser Alyske geradezu paralysierte. Das durfte einfach nicht wahr sein! Kein normales Wesen, das noch alle Tassen im Schrank hatte, konnte im Ernst eine solche Dummheit vorschlagen! Zuerst dachte ich, dass ich mich verhört haben musste. Doch als Gal’Arn auch noch zustimmte und Anstalten machte, den Kurs zu ändern, musste ich eingreifen. Ich musste diesen Wahnsinn beenden, sofort, bevor unsere ganze Mission scheiterte.

*

Die schneidende Stimme unseres neuen Verbündeten riss mich aus meinen Grübeleien. Der ehemalige Admiral war mitten im gerade geöffneten Schott der Zentrale stehen geblieben.

»Seid ihr hier von allen Raumgeistern verlassen? Es ist nicht unsere Aufgabe, fremde Wesen …«

Weiter kam er nicht. Es war, als ob Elyn geradezu auf seinen Widerspruch gewartet hätte, denn mit funkelnden Augen, am ganzen Körper vor Empörung bebend, schleuderte sie ihm ihre Anklage entgegen.

»Das mag wohl bei der Mörderbande, der Sie und Ihresgleichen angehört haben, so üblich gewesen sein, doch wir haben eine andere Ehre. Es ist unsere heiligste Pflicht, Leben zu retten, unschuldige Wesen vor Ihnen und Ihresgleichen zu schützen.«

Sie machte eine kurze Pause, wohl um Luft zu holen, und fuhr dann fort: »Da draußen, direkt vor uns, sind die Bestien, die bis vor kurzem Ihre Freunde und Verbündeten waren, damit beschäftigt, ein ganzes Volk auszulöschen. Und da wagen Sie es zu behaupten, dass es nicht unsere Aufgabe sei, diesen armen Wesen zu helfen? Sie sind nicht nur ein Massenmörder, sondern auch ein Feigling!«

Nun war es Wang, der die Fassung verlor. Sein Gesicht verzerrte sich und spiegelte die Wut wieder, die Elyns Anklage ausgelöst hatte. Doch dann zeigte das Gesicht des Chinesen wieder die gewohnte Selbstbeherrschung. Schneidend und kalt kam seine Entgegnung: »Sie verwechseln Mut und Verantwortung mit Wahnsinn. Geben Sie mir einige tausend Ultraschlachtschiffe und ich fege Torsor und seine Bestien aus dieser Galaxis. Doch ihr Möchtegernfriedensapostel habt ja dafür gesorgt, dass ihr wehrlos seid.

Wann werdet ihr es endlich lernen, dass es nicht die Waffe ist, die tötet, sondern immer der Mann, der sie in der Hand hält? Das Universum ist ein Dschungel, in dem das Gesetz vom Fressen-und-gefressen-Werden regiert. Nur derjenige wird überleben, der über die nötigen Machtmittel verfügt, um sich selbst, seine Familie, sein Volk und seine Freunde und Verbündeten zu schützen.

Ich bin Soldat, dafür ausgebildet und, entschuldigen Sie meine Direktheit, auch dazu befähigt, zu kämpfen und andere Soldaten in den Kampf zu führen. Aber um kämpfen zu können, muss man mir die Mittel zur Verfügung stellen, damit ich meine Aufgabe erfüllen kann. Warum wohl, glauben Sie, habe ich mich dem Quarterium angeschlossen? Die LFT gab mir nicht die Mittel, um meiner Aufgabe gerecht werden zu können. Das Quarterium bot mir diese. Sie können mir vorwerfen, dass ich blind, naiv und vertrauensselig gewesen bin, das muss ich akzeptieren, aber werfen Sie mir nie wieder Feigheit vor, nie wieder!«

Ich beschloss, dass es an der Zeit war einzugreifen, bevor die ganze Situation eskalierte. Der Zusammenstoß zwischen Elyn und Wang hatte sich schon die ganze Zeit angekündigt. Für die Alyske war der ehemalige quarteriale Admiral schlicht und einfach ein Massenmörder.

Eine Einschätzung, die einfach nicht stimmte, wie ich von Xavier wusste. Der hatte den Chinesen als absolut integre Persönlichkeit bezeichnet und als Genie der taktischen Raumkriegsführung. Eindringlich hatte er mir erklärt, dass die Fähigkeiten Wangs den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage bedeuten könnten.

»Admiral, niemand bezeichnet Sie hier als Feigling. Im Gegenteil, ich bin sehr froh, dass Sie sich uns angeschlossen haben. Es ist nur so, dass durch das mörderische System, dem Sie angehört haben, unsagbares Leid über unzählige Völker gebracht wurde. Wir waren ohnmächtig, mussten tatenlos zusehen, wie Despair und Siniestro eine Welt nach der anderen mit Krieg und Terror überzogen.«

Wang schaute mich ernst an. Dann entgegnete er: »Meinen Sie, ich weiß das nicht? Meinen Sie, es wäre mir nicht klar, dass ich versagt habe? Zusammen mit Joak Cascal wollte ich in Cartwheel eine neue Raumflotte schaffen, die den alten Idealen des Solaren Imperiums verpflichtet ist. Von Cartwheel aus wollten wir der Menschheit ein neues Ziel, eine neue Berufung geben, um sie aus ihrer Lethargie zu reißen. Durch unsere Flotte wollten wir ein Bollwerk errichten, in dessen Schutz alle friedlichen Wesen ohne Angst vor Gewalt und Terror in Frieden und Sicherheit leben konnten.

Nachdem Joak ins Koma gefallen und gestorben ist, hat mich Despair getäuscht und hinters Licht geführt, mich von allen Informationen abgeschnitten. Als Leiter des Redhorse Points hatte ich keinen direkten Kontakt zur Flotte mehr. Aber eines garantiere ich: Wenn die wahren Ziele des Quarteriums bekannt werden, besonders wenn die Flotte über die Artenbestandsregulierung aufgeklärt wird, dann wird sie rebellieren.

Wenn die Offiziere und Mannschaften erkennen, dass man sie als Instrument einer wesensverachtenden Diktatur missbraucht, werden sie Niesewitz, Despair und Konsorten hinwegfegen. Das ist die Hoffnung, die mich am Leben hält. Doch ich brauche Ihre Unterstützung, Ihr Vertrauen, denn ohne diese sind meine Fähigkeiten wertlos.«

Elyn wollte gerade zu einer Entgegnung ansetzen, aber eine unmissverständliche Geste Gal’Arns brachte sie zum Schweigen.

»Admiral Wang, obwohl ich zuerst Bedenken hatte, möchte ich hiermit erklären, dass Sie mein Misstrauen zerstreut haben. Ich glaube Ihnen, dass Sie durch das Quarterium missbraucht und belogen wurden. Und ich denke, dass wir Ihre Fähigkeiten gut gebrauchen können. Es ist nur so, dass Ihre Denkweise uns völlig fremd ist. Sie haben natürlich Recht, dass es Wahnsinn wäre, jetzt zu versuchen, den Aphaneus zu Hilfe zu kommen. Es ist nur so beschämend, zusehen zu müssen, wie ein ganzes Volk ausgelöscht wird. Alles in uns sträubt sich dagegen, diesen Wesen nicht helfen zu können.«

»Ritter Gal’Arn, ich danke Ihnen für Ihre Worte. Bitte glauben Sie mir, dass das Schicksal dieser Wesen auch mir nicht gleichgültig ist. Ich gehöre einer alten Soldatenfamilie an. Es war immer unsere Ehre, notfalls unter Einsatz des eigenen Lebens, unschuldiges und wehrloses Leben zu schützen. Wenn ich die geringste Chance eines Erfolgs sehen würde, wäre ich der Erste, der versuchen würde, Leben zu retten. Aber wir hätten keinerlei Chancen. Die Übermacht ist einfach zu groß. So bleibt uns nichts weiter übrig, als möglichst ungesehen von hier zu verschwinden. Alles andere würde einem Selbstmord gleichkommen.«

Nach einer kleinen Pause, fuhr er, an Elyn gewandt, fort: »Madam, ich bitte Sie, mir zu vertrauen. Der kommende Einsatz wird gefährlich genug sein. Wir werden nur eine Chance haben, wenn wir miteinander und nicht gegeneinander arbeiten werden. Deshalb versichere ich Ihnen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, Despair, Siniestro und ihre Mörderbande der verdienten Gerechtigkeit zuzuführen.«

Die Angesprochene versteifte sich, alles an ihrer Haltung drückte Ablehnung aus. Ihr Gesicht spiegelte den inneren Kampf wieder, der in ihr tobte. Doch dann erklärte sie tonlos: »Sie verlangen sehr viel von mir. Aber gut, ich glaube Ihnen. Sie argumentieren ähnlich wie mein Vater Eorthor. Auch der vertritt die Ansicht, dass man Gewalt nur mit Gewalt bekämpfen kann. Aber ich muss Sie über einen gravierenden Irrtum in Ihrer Argumentation aufklären, was den angeblichen Geist ihrer Raumflotte betrifft. Gehört dazu auch die Vergewaltigung von Frauen?«

Der Chinese erstarrte.

»Vergewaltigung?«, fragte er ungläubig.

»Ja, Vergewaltigung! Und es waren übrigens keine Springer oder Arkoniden, sondern alles Terraner, die versuchten, mir auf Monol Gewalt anzutun. Waren das die Ideale des von Ihnen so hoch gepriesenen Solaren Imperiums?«

Und dann, nach einer kurzen Pause, in der sie Wang fast mitleidig musterte: »Ich glaube, Admiral, dass Sie noch immer an eine Illusion glauben. Ihre Flotte ist längst korrumpiert, an Ihre Art der Soldatenehre glaubt außer Ihnen niemand mehr. Und noch eines: Waren Sie das, haben Sie Ihren Schülern vermittelt, dass gefangene Gegner, die sich ergeben haben, einfach über den Haufen geknallt werden dürfen?«

Wang fiel regelrecht in sich zusammen. Mit gebrochener Stimme erklärte er, an mich gewandt: »Mister Scorbit, verhaften Sie mich. Ich übernehme die volle Verantwortung für diese Kriegsverbrechen. Bitte stellen Sie mich, sobald wir wieder im Dunklen Himmel zurück sind, vor ein entsprechendes Kriegsgericht. Unter diesen Umständen ist es mir nicht möglich, die mir zugedachte Funktion wahrzunehmen.«

Bevor ich reagieren konnte, kam mir wiederum Elyn zuvor. Vor Zorn bebend herrschte sie den völlig verstörten ehemaligen Admiral an: »Ja, so ist es richtig, genau das habe ich von einem Mann wie Ihnen erwartet. Laufen Sie nur davon. Sie sind auch nichts weiter als ein trotziger Junge, dem man sein Spielzeug weggenommen hat. Wann werdet ihr Männer endlich erwachsen? Überall im Universum ist es das Gleiche! Zuerst macht ihr ganze Sonnensysteme, ganze Galaxien zum Schauplatz eurer Sandkastenspiele und dann, wenn ihr mit den Folgen eurer Spielereien konfrontiert werdet, dann habt ihr plötzlich das alles nicht gewollt, dann verkriecht ihr euch schmollend in irgendeine Ecke. Wir Frauen und unsere Kinder müssen dann den Preis für eure pubertären Balzspiele zahlen.

Ich habe das alles so satt. Gehen Sie Admiral, ziehen Sie sich in das Schneckenhaus Ihrer Selbstherrlichkeit zurück oder werden Sie endlich erwachsen. Sie haben mir gerade erklärt, dass Sie die Fähigkeiten hätten, ganze Flotten in den Kampf zu führen, dann nutzen Sie diese Fähigkeiten. Sie sind anscheinend für die Verbrechen des Quarteriums nicht verantwortlich, aber wenn Sie einen Funken Ehrgefühl im Leib tragen, dann helfen Sie uns, diese Schlächter zu stoppen, helfen Sie uns, dieses Völkermorden zu beenden. Wenn Sie das nicht wollen, dann gehen Sie zum Teufel!«

Mit diesen Worten machte sie einige Schritte auf Wang zu und streckte ihm ihre Hand entgegen.

»Übrigens, mein Name ist Elyn!«

Wang starrte sie einen Moment an, als ob er einen Geist vor sich hätte, dann glitt ein Lächeln über sein Gesicht. Es war das erste Mal, dass ich ihn überhaupt lachen sah. Er ergriff Elyns Hand und entgegnete: »Danke, dass Sie, … äh … du, mich aus meinem Selbstmitleid geholt hast und … hm, äh … meine Freunde nennen mich einfach Tsi.«

Ich atmete auf. Jonathan und Jaktar hatten sich nicht an der Auseinandersetzung beteiligt und in der Zwischenzeit einen Kurs berechnet, der uns zwischen den georteten Niveauverschiebungen direkt in den Zentrumsbereich von M 87 bringen würde. Wir wollten zuerst versuchen, den Internraum zu erreichen, um unsere Vorgehensweise mit Taruntur abzustimmen. Anschließend mussten wir eine Welt finden, die dem Paladin die Möglichkeit bot, unauffällig in die Reihen der Bestien einzudringen. Nun, vielleicht konnten hier Tarunturs Informationen einen Anhaltspunkt geben. Danach sollte Wang auf dem Stützpunkt abgesetzt werden.

Im Auge des Hurrikans

Der Kurs ins Zentrum von M 87 führte uns mitten durch die Hölle eines Vernichtungskrieges ohne Beispiel. Jedes besiedelte System war Schauplatz eines gnadenlosen Gemetzels. Dumfries und Skoars kämpften buchstäblich mit dem Mut der Verzweiflung einen aussichtslosen Kampf gegen die quarteriale Überlegenheit.

Irgendwelche Rücksichten auf die planetaren Zivilbevölkerungen wurden von keiner Seite mehr genommen. Millionen von Wesen, die die quarteriale Eroberung überlebt hatten, wurden anschließend durch die Gegenschläge der Dumfrie- und Skoarflotten ausgelöscht. M 87 war zum Massengrab ungezählter Wesen geworden.

Doch trotz des selbstmörderischen Widerstandes schien der Vormarsch der quarterialen Streitkräfte unaufhaltsam. Die Verteidiger hatten den SUPREMO-Schlachtschiffen nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen und die DOLANs der Bestien erdrückten jeden Widerstand durch ihre Masse.

An Bord der TERSAL, die sich behutsam in Richtung der gigantischen Hohlsonne voran bewegte, herrschte tiefe Betroffenheit. Niemand an Bord hatte mit einem solchen Völkermord gerechnet. Fast teilnahmslos registrierten Gal’Arn, Elyn und Jan Scorbit die eingehenden Ortungsergebnisse. Nur Admiral Wang hatte vor dem Terminal der Bordsyntronik Platz genommen und führte anscheinend komplexe Auswertungen durch. Kurze Zeit später gesellte er sich zu der Runde. Das Grauen war fast körperlich zu spüren und erstickte jeden Gedanken an Hoffnung.

»Tsi, besteht irgendeine Chance, dieses wahnsinnige Massenmorden zu beenden?«

In Jan Scorbits Frage schwang ein letzter Hauch von Hoffnung. Doch die Antwort des ehemaligen quarterialen Admirals zerstörte auch diese: »Nein, nach allen bisher vorliegenden Informationen ist Despairs Sieg nicht mehr aufzuhalten. Meine Analysen haben lediglich ergeben, dass durch eine entsprechende Taktik der endgültige Zusammenbruch noch einige Zeit hinausgezögert werden könnte. Am Endergebnis würde sich jedoch nichts ändern. Allerdings habe ich noch einen letzten Versuch gestartet, ob nicht die alten Unterlagen aus der Zeit, als Perry Rhodan mit der CREST IV nach M 87 verschlagen wurde, einen brauchbaren Hinweis geben könnten. Doch dieser Versuch wird noch einige Zeit dauern, da die alten Datenbanken der USO erst konvertiert werden müssen.«

Elyn hatte den Kopf erhoben und bemerkte bitter: »Also können wir nichts tun, um dieses Massenmorden zu beenden?«

Wang schüttelte den Kopf. Niedergeschlagen meinte er: »Es tritt anscheinend genau das ein, was Joak und ich befürchtet haben. Das Jahrtausend der Kriege hat begonnen.«

Nun war es Gal’Arn, der erstaunt fragte: »Von was reden Sie, Admiral? Ich habe von einem Jahrtausend der Kriege noch nie etwas gehört.«

»Das wundert mich nicht. In der LFT pflegt man diese Ankündigung des Kosmokraten Hismoon geflissentlich zu ignorieren. Selbst Perry Rhodan scheint seine Drohung nicht ernst zu nehmen. Genau aus diesem Grunde habe ich mich auch mit der LFT überworfen und bin nach Cartwheel übergesiedelt. In DORGONs Projekt sah ich die Chance, meine Vorstellungen zu verwirklichen, zumal ich bei Joak Cascal entsprechende Unterstützung fand. Zusammen planten wir, den Terrablock militärisch so stark zu machen, dass unsere Flotten notfalls den Schutz der gesamten Menschheit übernehmen konnten.«

Durch diese Aussage wurde Elyn aus ihrer Lethargie gerissen. Alarmiert fragte sie: »Die Kosmokraten haben tatsächlich ein Jahrtausend der Kriege angekündigt?«

Wang nickte nur.

»Dann ist diese Aussage absolut ernst zu nehmen. Mein Vater hat mich gelehrt, dass die Kosmokraten nur ein Ziel kennen, die Sicherung ihrer Machtposition. Jedes Volk, das sich diesem Ziel nicht unterordnet, wird notfalls gnadenlos ausgelöscht.«

In diesem Moment kündigte ein akustisches Signal an, dass die Syntronik ihre Auswertungen abgeschlossen hatte. Wang nahm wieder seinen Platz vor dem Terminal ein. Interessiert vertiefte er sich in die Auswertungen. Das bewog Gal’Arn sich ebenfalls für das Ergebnis der Analyse zu interessieren.

»Haben Sie etwas Brauchbares gefunden, Admiral?«

»Ich weiß es nicht so genau, aber vielleicht besteht eine vage Möglichkeit. Es handelt sich eigentlich nicht um eine Waffe, sondern um einen Transportmechanismus. Wenn dieser aber so funktioniert, wie es in den alten Dokumenten geschildert wurde, dann könnte zumindest die Taktik Despairs empfindlich gestört werden. Wir würden wertvolle Zeit gewinnen und entweder Despair zum Rückzug zwingen oder, und das wäre vom taktischen Standpunkt aus noch wirkungsvoller, seine Flotten dauerhaft binden und in einen Abnutzungskrieg verwickeln. Allerdings scheint diese Technik nur in der unmittelbaren Zentrumsregion anwendbar zu sein. Jedenfalls müssen wir die Konstrukteure des Zentrums auf diese Möglichkeit hinweisen.«

Jan Scorbit warf nun ungeduldig ein: »Nun sag uns doch endlich, um was es sich handelt!«

»Schon gut. Sagt euch der Begriff ›Absolute Bewegung‹ etwas?«

Nur Jan Scorbit schüttelte den Kopf.

»Laut der alten Unterlagen soll es sich um eine Art Traktorstrahl auf hyperenergetischer Basis handeln, mit dem ein Objekt durch den Hyperraum örtlich versetzt werden kann. Über die Reichweite und die technischen Voraussetzungen steht allerdings nichts in den Unterlagen.«

»Hm, das wäre tatsächlich eine interessante Möglichkeit.«

Damit hatten sie wieder etwas Hoffnung gewonnen, dass es doch noch einen Weg geben könnte, zumindest die totale Vernichtung der Konstrukteure des Zentrums zu verhindern.

*

Inzwischen hatte Jonathan die TERSAL mit zwei weiteren Hyperraumetappen in die Nähe der wohl letzten Verteidigungslinie der Konstrukteure des Zentrums gebracht. Im unmittelbaren Umfeld der Gigantsonne standen die Festungen der Stützpunktingenieure in einem mörderischen Abwehrkampf gegen schwerste Einheiten des Quarteriums.

Despair hatte anscheinend den Großteil der SUPREMO-Schlachtschiffe in diesem Sektor konzentriert, um den Widerstand der Festungen zu brechen. Noch stand diese letzte Verteidigungslinie. Die Frage war jedoch, für wie lange? Für die Crew der TERSAL ergab sich jedoch das Problem, wie man mit den Stützpunktingenieuren Kontakt aufnehmen konnte, um eine Passage in den Internraum zu bekommen. Der direkte Weg über Monol war hinfällig, es blieben nur die durch die Stützpunktingenieure kontrollierten Strukturlücken in der Gigantsonne.

Die TERSAL hatte sich zusätzlich in den Ortungsschutz einer nahen Sonne begeben, um jede, auch zufällige Ortung auszuschließen. In dieser Position waren sie zwar vor Entdeckung bestmöglich geschützt, aber gleichzeitig trat man auf der Stelle.

»Hat jemand eine Idee, was wir jetzt tun können?«, fragte Jonathan in die Runde.

Allgemeines Schulterzucken war die einzige Antwort. Jonathan starrte finster die Holodarstellung an, auf der die Ergebnisse der überlichtschnellen Fernortung aufbereitet und wiedergegeben wurden. Schließlich meinte er noch: »Wenn wir die Befehlszentrale der Ingenieure lokalisieren könnten, wäre es uns möglich, über einen gebündelten Hyperfunkkanal Kontakt zu bekommen. Aber wir können natürlich nicht jede einzelne Festung dahingehend überprüfen.«

In diesem Moment meldete sich David Golgar aus dem Paladin, der über die interne Kommunikation mit der Zentrale der TERSAL verbunden war. Der Siganese bemerkte, dass, seiner Meinung nach, die Festungen über eine gut funktionierende Kommunikation untereinander verfügen müssten, anders wäre ihre Vorgehensweise nicht zu erklären. Wenn es nun gelänge, die Kommunikationsströme zu analysieren, könne vielleicht auch die Befehlszentrale lokalisiert werden.

Sein Vorschlag wurde begeistert aufgegriffen. Wenig später schleuste Gal’Arn eine Reihe von getarnten Sonden aus, die über spezielle Ortungsgeräte verfügten, um das Hyperfunkspektrum zu scannen. Admiral Wang hatte die Aufgabe übernommen, die eingehenden Ergebnisse auszuwerten. Schließlich schien er Erfolg zu haben. Die Holodarstellung wechselte und zeigte einen Sektor in unmittelbarer Nähe eines blauen Riesen, der von einer gigantischen Festungskonstruktion beherrscht wurde.

Das Gebilde war, wie alle Festungen der Stützpunktingenieure, würfelförmig und anscheinend aus den beiden vorherrschen Festungstypen zusammengesetzt. Den Mittelpunkt bildete eine Festung der Druisant mit einer Kantenlänge von fünfundachtzig Kilometern. An den Eckpunkten des Würfels waren acht normale Festungen mit einer Kantenlänge von dreißig Kilometern durch kilometerlange Verstrebungen untereinander und mit dem Zentrum verbunden. Insgesamt verfügte diese gigantische Konstruktion über eine Kantenlänge von etwa zweihundert Kilometern.

Auch ohne die Ergebnisse der Hyperfunkortung war klar, dass dieses Gebilde eine besondere Rolle spielen musste. Interessant war weiterhin, dass im Sektor des blauen Riesen fast keine quarterialen Schiffe anwesend waren. Lediglich einige kleinere Einheiten patrouillierten in respektvollem Abstand. Die Messergebnisse zeigten, dass sich die quarteriale Flotte hier wohl eine blutige Nase geholt hatte. Trümmer und Restemissionen zeugten von einer gnadenlosen Raumschlacht.

Endlich war eine Chance gegeben, den Internraum und somit Taruntur zu erreichen. Vorsichtig pirschte sich die TERSAL im Schutz ihres Deflektorschirms an die gigantische Festung heran. Schließlich waren sie nahe genug, um einen gebündelten Hyperfunkkontakt herzustellen. Gal’Arn benutzte zu diesem Zweck die Kennung, die er von Druid Aflesh erhalten hatte. Wider Erwarten kam der Kontakt auch sofort zustande. Es war Druid Aflesh persönlich, der sich auf dem geöffneten Kanal meldete.

»Willkommen meine Freunde. Ich hatte nicht geglaubt, dass ihr zurückkommt. Wollt ihr unseren Untergang miterleben?«

Gal’Arns Gesichtsausdruck spiegelte seine Betroffenheit wieder, als er entgegnete: »Ich möchte Ihnen versichern, dass uns nichts ferner liegt. Im Gegenteil. Wir haben in den vergangenen Monaten alles versucht, um eine wirksame Taktik gegen das Quarterium zu entwickeln. Zu diesem Zweck müssten wir jedoch mit Taruntur Kontakt aufnehmen, damit wir unsere Maßnahmen abstimmen können. Wir haben einige vielversprechende Ansätze gefunden, die, zumindest langfristig, einen gewissen Erfolg versprechen.«

Der Stützpunktingenieur verzog sein Gesicht, was wohl seine Resignation ausdrücken sollte.

»Es ehrt Sie und Ihre Freunde, aber ich sehe keine Möglichkeit, wie wir der totalen Vernichtung entgehen können. Die militärische Überlegenheit des Quarteriums und der Bestien ist einfach zu groß. Es hat sich gezeigt, dass nur unsere Festungen gegenüber den quarterialen Schlachtschiffen einigermaßen bestehen können, aber sie sind im Prinzip ortsgebunden und werden wohl nach und nach, eine nach der anderen, vernichtet werden. Danach wird den Invasoren der Weg in den Internraum offen stehen. Die Eroberung des Wheel-Systems und somit der Untergang unserer ganzen Zivilisation ist unausweichlich.«

»Nein, Druid Aflesh, ich glaube, dass es noch eine Chance gibt. Das Problem besteht darin, dass wir Zeit brauchen. Wenn es uns gelingt, Despairs Flotten noch einige Monate zu binden, besteht noch Hoffnung. Bitte geben Sie uns die Möglichkeit, mit Taruntur zu sprechen.«

Der Druis schien einen Moment zu überlegen und gab anscheinend einige Befehle in seiner Muttersprache, dann meinte er: »Gut, ich glaube zwar nicht, dass wir das Kriegsglück noch wenden können, aber ich werde Sie persönlich zu Taruntur bringen. Folgen Sie bitte dem Leitstrahl, der Sie sicher durch unsere Verteidigungssysteme führen wird. Wir werden Sie dann auf Afleshs Castle einschleusen.«

Gal’Arn warf Jonathan einen schnellen Blick zu. Der nickte bestätigend.

»Wir haben den Leitstrahl erfasst. Ich freue mich, dass wir uns wiedersehen.«

Die TERSAL nahm nun wieder Fahrt auf und folgte dem Leitstrahl. Aus der Nähe war Druid Afleshs Festung noch beeindruckender und erweckte das Gefühl der absoluten Unzerstörbarkeit. Doch jeder an Bord wusste, dass der Schein trog. Ohne ausreichende Deckung durch Kampfschiffe würden die Festungen, eine nach der anderen, der geballten Kampfkraft von Despairs Schlachtschiffen zum Opfer fallen.

*

Die TERSAL war in einem Hangar mit gigantischen Ausmaßen eingeschleust worden und verlor sich in den riesigen Abmessungen der Anlage. Schon auf den ersten Blick fiel auf, dass der eigentliche Zweck der Konstruktion nicht mehr gegeben war. Der Hangar war fast leer, lediglich ein weiteres Schiff war am anderen Ende sichtbar. Aus der weiten Entfernung war seine Größe schwer abzuschätzen, doch es war auf jeden Fall wesentlich größer als das Ritterschiff.

Ein Transmitter brachte sie in die Zentrale, wo Druid Aflesh sie bereits erwartete. Der über zwei Meter große Stützpunktingenieur, der entfernt an einen Haluter erinnerte, war eine beeindruckende Gestalt. Er erhob sich und stützte sich auf seine Laufarme, während er mit einem Handlungsarm einladend auf einige Sitzgelegenheiten deutete, die locker um einen klobigen Tisch mit eingelassenem Terminal verteilt waren.

Gal’Arn, Elyn, Jonathan Andrews, Jan Scorbit und Admiral Wang nahmen Platz. Der Druis musterte Wang eingehend, sagte aber nichts. Dafür war es Jonathan, der das Schweigen brach: »Na, haben sie dich befördert? Dreiundzwanzig Steine scheinen besser zu sein als nur zwanzig. Übrigens hab ich ein kleines Souvenir mitgebracht, sozusagen als Erinnerung an meine Kochkünste bei unserem ersten Zusammentreffen.«

Mit diesen Worten nahm er ein großes Paket, das er vor Druid Aflesh auf den Tisch stellte.

»Echte Hamburger, die Krone der terranischen Nouvelle Cousine!«

Während Wang angewidert das Gesicht verzog, stieß der Druis ein Geräusch aus, das wohl das Äquivalent eines belustigten Lachens war.

»Ich danke dir, Freund Jonathan.«

Dann hob er die beiden Armpaare mit den Handflächen nach außen. Damit baute sich ein blaugrün schimmerndes Energiefeld auf, das rasch die ganze Gruppe einschloss. Bevor jemand reagieren konnte, erklärte er beruhigend: »Keine Angst, meine Freunde, das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Seit eurem Abflug hat sich einiges verändert. Taruntur wurde durch den Rat der Neundenker gezwungen, mit den alten Traditionen zu brechen. Nach dem Tod von Seychul wurde der Oberbefehl über die gesamte Verteidigung gegen die Invasoren auf mich übertragen. Ich trage den Titel eines Druisators und koordiniere die gesamten militärischen Operationen.«

»Vom Rang eines Druisators habe ich noch nie etwas gehört«, warf Jan Scorbit ein. »Nach unseren Informationen ist der höchste Rang bei eurem Volk ein Druisant.«

Der Stützpunktingenieur schüttelte den Kopf. Gal’Arn, der inzwischen gelernt hatte, sein Minenspiel zu deuten, las eine unendliche Traurigkeit aus dem Blick des sechsgliedrigen Wesens.

»Das stimmt nicht, wie so vieles, was Perry Rhodan damals vor mehreren Centurien von den Konstrukteuren des Zentrums erfuhr. Ich habe leider keine Zeit, um euer Bild der Geschichte unserer Galaxie richtig zu stellen, aber grundsätzlich kann ich sagen: Misstraut allem, was die selbsternannten Herren im Wheel-System euch zusichern. Und misstraut vor allem Taruntur. Nehmt diesen Datenkristall, er beinhaltet alle Informationen, die ich im Laufe meines Lebens über die Geschichte meines Volkes ermitteln konnte. Ihr dürft ihn aber erst lesen, wenn ihr Druithora verlassen habt und zu eurer Basis in den estartischen Galaxien zurückgekehrt seid. Der Einfluss des Zentrumsleuchtens würde ihn sofort zerstören.

Ich bitte euch weiter: Wenn irgendwann in der Zukunft Wesen meines Volkes zu euch kommen, nehmt sie auf und beschützt sie! Sie sind die Hoffnung meines Volkes auf Freiheit und Würde. Und nun müssen wir Taruntur aufsuchen. Bitte lasst euch nichts anmerken! Er darf keinen Verdacht schöpfen, sonst war alles umsonst. Ich muss jetzt den Schutzschirm wieder aufheben. Bitte vertraut mir und stellt keine weiteren Fragen.«

Mit diesen Worten deaktivierte Druid Aflesh das Schutzfeld.

4. Wie eine Träne im Ozean

Die TERSAL hatte den Internraum wieder verlassen und nahm Kurs auf die unmittelbaren Regionen um das Zentrum. Druid Aflesh war wieder in seine riesige Festung zurückgekehrt. Wäre seine Warnung nicht gewesen, hätten sie geglaubt, dass sich die Konstrukteure des Zentrums total gewandelt hätten. Taruntur hatte sie mit offenen Armen empfangen und war in jeder Hinsicht kooperativ gewesen. Er hatte zugesagt, sie, soweit es in seiner Macht stände, vorbehaltlos zu unterstützen. Wang bekam völlige Freiheit hinsichtlich der zukünftigen Einsätze der SAPHYR-Jäger.

Besonders angetan hatte sich der Sprecher des Rates der Neundenker von dem Plan gezeigt, den Paladin in die Reihen der Bestien einzuschleusen, um zu versuchen, Torsor auszuschalten. Druid Aflesh hatte, nachdem er über die Idee Wangs informiert wurde, die Absolute Bewegung als Waffe einzusetzen, erklärt, dass diese Möglichkeit vielleicht verhindern könne, dass es den quarterialen Schlachtschiffen gelingen würde, eine Festung nach der anderen zu vernichten.

Allerdings könne durch die Absolute Bewegung kein Schiff vernichtet, sondern nur örtlich versetzt werden. Dadurch wäre es möglich, die Einkreisung der Festungen durch die Schlachtschiffe zu sprengen, indem die angreifenden Schiffe einfach um einige Lichtjahre versetzt würden.

Die erregte Frage Tarunturs, ob es nicht möglich wäre, die Schiffe in eine Sonne zu versetzen, wurde von Druid Aflesh verneint: Die Natur des hyperphysikalischen Vorgangs, der dieser Technik zugrunde läge, verhindere, dass die Rematerialisation in unmittelbarer Nähe von Massezentren erfolgen könne. Leider sei es aber so, dass nur die Festungen der Stützpunktingenieure über die notwendigen Energiereserven verfügten, um so große Objekte wie Schlachtschiffe zu versetzen.

Auf jeden Fall bot diese Technik die Chance, den Angriff Despairs im unmittelbaren Bereich um die Gigantsonne zum Stehen zu bringen und den Zentrumsbereich mit dem Internraum zu halten. Der Krieg in M 87 würde sich, genau wie in den estartischen Galaxien, zu einem Stellungskrieg entwickeln. Als Ergebnis der neuen Zusammenarbeit mit Taruntur, erhielten sie dann noch die Positionen von einigen Welten, die die Möglichkeit boten, den Paladin zum Einsatz zu bringen, da sie noch nicht völlig unter der Kontrolle des Quarteriums standen.

Allein unter Bestien

So langsam drängte die Zeit. Sie hatten bereits zwei der Welten sondiert, die Taruntur ihnen genannt hatte, doch war das Risiko, entdeckt zu werden, einfach zu groß. Sie suchten eine Welt, in der die Kämpfe bereits weitgehend abgeklungen waren, so dass der Einsatz des Paladin unbemerkt vorbereitet werden konnte.

Nun steuerten sie die dritte Welt an. Der Paladin war wieder in die Bordkommunikation der TERSAL eingebunden, so dass sich Domino Ross, David Golgar, Hermes Eisar und Rosa Borgahn an der Diskussion in der Zentrale unmittelbar beteiligen konnten. Admiral Wang wertete die Informationen aus, die der Sprecher des Rates der Neundenker ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Inzwischen war er voll in die Besatzung der TERSAL integriert, selbst Elyn hatte ihre Vorbehalte abgelegt.

Zusammen mit Gal’Arn hatten sie sich am vergangenen Abend in Wangs Kabine noch einmal eingehend über das von den Kosmokraten angekündigte Jahrtausend der Kriege unterhalten. Gerade diese Information hatte Elyn alarmiert, denn aus den Erzählungen ihres Vaters wusste sie, dass jede Drohung der sogenannten Hohen Mächte ernst genommen werden musste. Hierbei hatte sie die Denkweise Wangs verstehen gelernt und festgestellt, dass seine Philosophie der ihres Vaters sehr ähnlich war.

Aus Tarunturs Unterlagen wussten sie, dass die Welt, die sie nun ansteuerten, zu den zentralen Planeten der Dumfries gehörte. Auch dieses System musste Schauplatz eines unvorstellbaren Gemetzels gewesen sein. Der Raum um den vierten Planeten, der den Eigennamen Rath trug, zeugte von einer gnadenlosen Raumschlacht, die noch vor kurzem hier getobt hatte. Jedoch war klar, dass die DOLAN-Flotten der Bestien, wohl mit Unterstützung größerer SUPREMO-Verbände, siegreich geblieben waren.

Weite Teile der Oberfläche brannten. Gewaltige Einschlagkrater, in denen glühendes Magma aus dem Innern des Planeten austrat, zeugten davon, dass das Quarterium selbst schwerste Trägerwaffen zum Einsatz gebracht hatte. Und doch gab es anscheinend noch einzelne Widerstandsnester. Die Energieortung zeigte, dass immer noch gekämpft wurde, obwohl der Planet völlig zerstört war.

Die Gnadenlosigkeit Torsors grenzte an Wahnsinn. Er schien tatsächlich seine Ankündigung wahrzumachen: dass Druithora zum Grab der Konstrukteure des Zentrums und ihrer Hilfsvölker werden würde. Doch so bestürzend diese Tatsache für Gal’Arn und seine Gefährten war, sie eröffnete ihnen die Chance, den Paladin zum Einsatz zu bringen. Einige der DOLANs waren zurückgeblieben, wohl um die letzten Dumfries auszulöschen. Die Kämpfe konzentrierten sich im Augenblick um eine Trümmerwüste, die einmal eine blühende Stadt der Soldatenkaste gewesen war. Hier schienen sich die letzten Verteidiger verschanzt zu haben und kämpften buchstäblich um jede Handbreit ihrer Heimat.

Vom taktischen Standpunkt her gesehen war das Verhalten der Bestien absolut irrational, ein konzentrierter Angriff mit den Bordwaffen der DOLANs hätte den Kampf in wenigen Minuten entschieden. Doch die Pelewon und Moogh zogen es vor, ihren Hass aus Jahrtausenden im direkten Kampf zu befriedigen. Die optischen Ortungssysteme der TERSAL ermöglichten es, das barbarische Gemetzel aus unmittelbarer Nähe mitzuerleben. Im Schutz des Deflektorschirms landete Jonathan Andrews außerhalb des direkten Kampfgebietes. Der Einsatz des Paladin begann.

Thor

Der Himmel glühte und tauchte die nahe Bergkette in den Widerschein eines vulkanischen Feuers, wie sie der Planet wohl seit seinen stürmischen Tagen der frühen Jugend nicht mehr gesehen hatte.

Es war, als ob die geologische Uhr um Jahrmillionen zurückgedreht worden wäre. Und genau das war wohl auch geschehen. Die Lenkwaffen der quarterialen Großkampfschiffe hatten tiefe Wunden in die dünne Oberfläche über dem glühenden Kern geschlagen, aus unzähligen neuen und alten Vulkanen stieg das Magma wieder an die Oberfläche. Für Rath hatte die Apokalypse begonnen.

Seit kurzem bewegte sich das Produkt einer künstlichen Evolution über die verbrannte Oberfläche des gequälten Planeten. Äußerlich glich es den Mördern, die aus dem All gekommen waren, um an den Kindern und Kindeskindern ihrer einst übermächtigen Feinde Rache zu üben. In der Art der sechsgliedrigen Lebewesen dieser Galaxis bewegte es sich auf die Bergkette zu.

Der Weg führte durch eine weitgehend zerstörte und unwirkliche Umwelt. Immer wieder musste es gewaltigen Lavaflüssen ausweichen, die sich durch längst verdunstete alte Flusstäler wälzten. Eine weit fortgeschrittene Technik machte es praktisch unangreifbar für die Rache der Natur des gequälten Planeten. Für Uneingeweihte absolut unbegreiflich, schützte die Hülle die schwache Konstitution von vier Wesen, die zum Gipfel der natürlichen Evolution einer Art aus einer fernen Galaxis gehörten – wenigstens glaubten sie dies. Ohne den Schutz ihres Gastkörpers wären sie in kurzer Zeit dem Wüten der entfesselten Umwelt zum Opfer gefallen.

Das Wesen hatte inzwischen den unwirklichen Gebirgshang bewältigt und blickte über eine weite Ebene. Es hatte sich erhoben und stützte sich mit beiden Armpaaren an einem immer noch heißen Felsen ab. Vor ihm lag das Ziel, die wohl letzte Zuflucht einer zum Untergang verurteilten Rasse, die diesen Planeten einst in Besitz genommen hatte. Die Kombination aus biologisch-optischen Wahrnehmungssensoren erfassten jede Einzelheit des grauenhaften Geschehens, das sich in der weiten Ebene abspielte. Die Geschehnisse ließen das Wesen selbst kalt, doch seine Schutzbefohlenen wurden von einem unsagbaren Grauen erfüllt.

»Das ist mehr, als ich ertragen kann!«

Mit diesen Worten riss sich der winzige Mensch mit der grünen Haut und den schwarzen Haaren den Helm vom Kopf, der ihn mit den Funktionen des Paladin verband. Fast instinktiv rollte er sich auf dem Kontursessel zusammen und barg sein Gesicht in den Händen. Ein zweiter Mensch, von den Körperformen her eindeutig eine Frau, trat zu ihm und nahm ihn in die Arme.

»Ist gut David, wir verstehen dich ja. Auch für uns ist es kaum zu ertragen! Die Holodarstellung der virtuellen SERT-Steuerung hat auch uns jedes Detail in allen Einzelheiten übermittelt.«

»Rosa, ich kann nicht mehr. Es war, als ob ich direkt neben einer der Bestien stehen würde und dabei zugesehen hätte, wie diese ein Dumfriekind regelrecht zerfleischte. Das ist kein Kampf, keine Rache mehr. Kein Tier ist zu so etwas fähig.«

»Bei der grünen Sternenschlange von Glador, was geht hier vor?«

Der erstaunte Ausruf von Domino Ross, dem Kommandanten ihres verzweifelten Unternehmens, riss sie aus der Erstarrung. Ungläubig erfassten sie, dass sich der Paladin von selbst in Bewegung gesetzt hatte. Mit langen Sätzen raste er den leichten Abhang hinunter und stieß dabei ein markerschütterndes Brüllen aus, das über die Außenmikrophone übertragen wurde. Sein Ziel schien etwas abseits zu liegen, wo eine Bestie gerade dabei war, sechs Dumfries zu töten. Doch diese wehrten sich mit dem Mut der Verzweiflung.

Der Pelewon schien in Raserei verfallen zu sein und hatte die Waffen weggeworfen. Seine überlegene körperliche Konstitution ermöglichte es, dass er selbst Treffer aus den Energiewaffen der Dumfries ohne größere Verletzungen überstand. Dann war er mit einem einzigen Sprung in die Verteidigungsstellung eingebrochen. Die Dumfries hatten keine Chance, mit bloßen Lauf- und Handlungsarmen zerfleischte er sie. Die vier Siganesen bekamen jede Einzelheit über die Holodarstellung mit. Schließlich beendete eine verheerende Explosion das Gemetzel. Der letzte Dumfrie hatte sich zusammen mit der Bestie in die Luft gesprengt.

Nachdem sich die Detonationswolke teilweise verzogen hatte, war zu erkennen, dass die Bestie auch dies überlebt hatte. Zwar schien sie verletzt, konnte sich aber nach wie vor auf den Beinen halten. Dann war der Paladin heran. Er ging kein Risiko ein. Aus seinen Handlungsarmen hatte er zwei lange Vibrationsklingen aus molekularverdichtetem Diamant-Tekonit ausgefahren, mit denen er den desorientierten Pelewon angriff.

Was selbst schwere Strahler nicht schafften: Die Speziallegierung der Vibrationsklingen schnitt durch das strukturgehärtete Gewebe und fügte der Bestie schwerste Verletzungen zu. Nach wenigen Minuten war der einseitige Kampf vorbei, die Bestie hatte ihren Meister gefunden.

*

Während der ganzen Zeit hatte Domino versucht, die Kontrolle über den Paladin durch die manuelle Steuerkonsole wiederzuerlangen. Doch seine Eingaben wurden einfach abgeblockt, die Siganesen waren zum bloßen Zuschauen verdammt. Was dann folgte, war für die winzigen Menschen nicht mehr nachvollziehbar. Der Paladin schien den Verstand zu verlieren und begann sich im Blut der zerfleischten Dumfries zu wälzen. Es hatte den Anschein, dass er das Verhalten der Bestien nachahmte, die inzwischen sogar begonnen hatten, einzelne Gliedmaßen ihrer Gegner zu verschlingen.

David Golgar starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Wahnsinn, der in der Holodarstellung wiedergegeben wurde.

»Wir müssen hier weg, der Paladin ist außer Kontrolle, unser Einsatz ist gescheitert. Hoffentlich ist die TERSAL noch nicht gestartet, sonst …«

Weiter kam er nicht, die Holoprojektion verzerrte sich plötzlich und bildete eine Art Abschnürung. Diese verfestigte sich zusehends zum Abbild einer Bestie, die etwa zwanzig Zentimeter groß war. Sie blickte aufmerksam in die Runde und begann dann zu sprechen.

»Das wird nicht nötig sein, wir haben alles unter Kontrolle. Es war notwendig, in den Autarkmodus zu wechseln, da ihr nicht in der Lage wart, die notwendigen Entscheidungen zur Sicherung unseres Einsatzzieles zu treffen.«

Domino hatte inzwischen seine Verwirrung überwunden und einen Handstrahler gezogen, den er auf die Erscheinung richtete.

»Wer oder was bist du und wo kommst du her?«, fragte er.

Die Projektion verzog das breitgezogene Raubtiergebiss zu einer Grimasse, die wohl ein Lachen darstellen sollte.

»Wir repräsentieren die Plasma-Positronik des Paladin, unser Name ist Thor. Wir sind so etwas wie der Geist des positronisch-biologischen Kommandanten, die Spiegelung seines Bewusstseins.«

Domino hatte inzwischen den Strahler sinken gelassen und starrte die Erscheinung fassungslos an. Nur Rosa Borgahn schien ihre Überraschung überwunden zu haben und machte einige Schritte auf die Projektion zu. Vorsichtig berührte sie die Erscheinung mit der Hand.

»Ich kann dich ja fühlen!«, bemerkte sie entgeistert.

Die Projektion schien noch breiter zu grinsen, was bei der Physiognomie der Haluterähnlichen zu einer furchteinflößenden Grimasse wurde.

»Na, ich bestehe ja auch aus Formenergie! Und übrigens, nur dass kein falscher Eindruck entsteht, vergleicht mich nie mehr mit einer Bestie! Das würde ich euch echt übelnehmen. Meine äußere Gestalt ist exakt der des Paladin nachgebildet. Aber ich kann natürlich auch anders. Wie findet ihr die?«

Bei diesen Worten schienen sich die Konturen der Projektion zu verzerren. Und plötzlich stand eine humanoide Gestalt mit langen, wirren Haaren und einem roten Vollbart vor ihnen. Der Körper wurde durch eine Lederrüstung geschützt und über der Schulter trug er einen riesigen Hammer. Immer noch grinsend drehte er sich vor den fassungslosen Siganesen. Dann brüllte er: »Ich bin Thor, der Gott des Donners! Mein Hammer Mjölnir wird die bösen Riesen zerschmettern. Doch ihr kleinen Menschlein seid sicher unter meinem Schutz. Euch wird kein Leid zugefügt werden, dafür werde ich sorgen!«

Mit diesen Worten schleuderte er den Hammer von sich. Dieser zischte zweimal rund durch die Zentrale, bevor er wieder in die Hand des »Gottes« zurückkehrte.

»Na, wie war ich? Beeindruckend, nicht wahr! Doch ich glaube, wir müssen nun über ernstere Dinge reden.«

David Golgar starrte die Erscheinung noch immer fassungslos an. Er schüttelte nur den Kopf und meinte dann: »Bitte, nichts gegen deine Erscheinung als Gott, aber ich glaube, es wäre uns allen angenehmer, wenn du wieder die Gestalt des Paladin annehmen würdest.«

»Nichts leichter als das!« Bei diesen Worten verzerrte sich die Projektion wieder und nahm die Gestalt des Paladin an. Dann erklärte sie: »Ich denke, dass ihr einige Fragen habt. Die sollten wir jetzt klären, bevor wir in den Einsatz gehen.«

Domino räusperte sich.

»Wieso haben wir nichts davon gewusst, dass die Plasma-Positronik über ein eigenes Bewusstsein verfügt, das sich sogar manifestieren kann? Und …«, hier machte der Siganese eine kleine Pause, um die folgenden Worte besonders zu betonen, »wieso kannst du selbständig handeln?«

Der Gesichtsausdruck der haluterähnlichen Projektion wurde ernst.

»Um zu deiner letzten Frage zuerst zu kommen, das war von Anfang an so vorgesehen. Die Quintechs der USO haben bei der Konzeption meines biologisch-positronischen Gehirns die Möglichkeit eingeplant, dass ich gegebenenfalls eigenständige Entscheidungen treffen muss, falls ihr handlungsunfähig seid. Ursprünglich war dieser Autarkmodus jedoch nur für den absoluten Notfall geplant.

Blo Rakane hat jedoch, wie ihr selbst feststellt habt, ungeplant etwas völlig Neuartiges geschaffen. Nachdem meine Funktionen aktiviert wurden, vollzog sich ein auch für uns geheimnisvoller Evolutionsschritt und wir entwickelten ein eigenes Bewusstsein. Ich spreche hier in der Mehrzahl, weil ich im Formenergiezustand unabhängig agieren kann. Man könnte es auch so ausdrücken, dass mein Ursprung schizophren geworden ist, jedoch in einem absolut positiven Sinne. Es ist schwer zu erklären. Seht es einfach mal so: Wir bilden eine geistige Einheit aus zwei Individuen. Wir sind der Paladin und gleichzeitig bin ich Thor, das Handlungsbewusstsein.«

David Golgar hatte die Erklärung gespannt verfolgt.

»Dann ist es eigentlich gar nicht mehr nötig, dass wir an Bord sind? Nach deinen Worten könntet ihr ja absolut selbständig und ohne uns agieren?«

Die Projektion schüttelte jedoch den Kopf.

»Ganz so einfach ist es nicht. Mein Ursprung ist zwar eine positronische Intelligenz, unterliegt aber deshalb auch allen Beschränkungen, die für die Posbis gelten. Man kann auch sagen, dass er einen Posbi darstellt. Ich jedoch bin eigentlich noch ein Kind und muss von euch noch viel lernen. Außerdem genieße ich es, mit euch zusammen zu sein. Sonst …«, und hier machte er eine Pause und setzte einen richtig traurigen Gesichtsausdruck auf, »bin ich so einsam und allein. Ich brauche euch, meine Freunde! Ihr seid so etwas wie meine Familie!«

Rosa fragte interessiert: »Wie bist du eigentlich auf den Namen Thor gekommen?«

Die Projektion grinste und erklärte: »In den Datenspeichern meines Ursprungs stand mir die komplette Geschichte der Menschheit einschließlich aller Sagen und Legenden zur Verfügung. Als ich erwachte, gab es niemanden, der mir einen Namen geben konnte. Es ist doch richtig, dass ein denkendes Wesen einen Namen braucht, oder? Also gab ich mir selbst einen. Hab ich den nicht gut gewählt: Thor, der Schmetterer?«

Die letzte Bemerkung löste endlich die Spannung. Die vier Siganesen brachen in ein befreiendes Gelächter aus.

Domino gab ihm Antwort: »Da hast du zweifellos recht, Thor ist genau der richtige Name, um den Paladin und dich zu charakterisieren. Aber warum hast du oder habt ihr die Bestie getötet und euch noch im Blut der ermordeten Dumfries gewälzt? Das verstehen wir einfach nicht!«

Das Ebenbild des Paladin, oder sein manifestiertes Bewusstsein, blickte sie plötzlich ernst an. Aller jugendlicher Leichtsinn war aus seinem Gesicht verschwunden.

»Beides war leider notwendig. Die Position hier ist ideal, um einen DOLAN zu übernehmen. Wir mussten sicherstellen, dass uns sein Herr nicht mehr in die Quere kommen konnte. Was die Dumfries betrifft, so ist es leider so, dass wir das Verhalten der Bestien nachahmen mussten. Wie ihr durch die Holoübertragung gesehen habt, sind die zu regelrechten Kannibalen geworden. Es wäre höchst verdächtig, wenn wir nicht wenigstens die Spuren dieser verabscheuungswürdigen Fressorgie vorweisen können. Es war uns klar, dass ihr so etwas nie tun würdet, deshalb haben wir die Kontrolle übernommen.«

Domino überlegte einen Augenblick, dann meinte er: »Du hast richtig gehandelt. Wir wären niemals fähig gewesen, so etwas Scheußliches zu tun. Übrigens, kannst du, äh … ihr … diese Projektion aufrechterhalten?«

Der Gesichtsausdruck der Miniaturausgabe des Paladin wechselte wieder. Es war erstaunlich, wie sich die Gefühle dieses geheimnisvollen Bewusstseins im Gesicht einer nachgeahmten Bestie widerspiegelten. Fast ängstlich fragte er: »Wollt ihr das denn?«

Hermes Eisar, der bisher geschwiegen hatte, sagte lächelnd: »Was glaubst du denn? Uns ist es doch wesentlich angenehmer, mit einer Persönlichkeit zu reden, als mit einem seelenlosen Bildschirm. Du darfst nicht nur, du musst! David hat seine SERT-Steuerung, aber wir armen und gewöhnlichen Sterblichen …«

Einen Moment schien die Nachbildung einer Bestie wie erstarrt, doch dann begann sie einen regelrechten Freudentanz. Und immer wieder rief sie: »Ich bin ein richtiges Lebewesen! Ich hab Freunde gefunden!«

Rosa unterbrach schließlich den Freudentanz und meinte: »Übrigens, wenn du oder dein Ursprung nichts dagegen haben, werden wir dich in Zukunft immer mit deinem Namen ansprechen. Thor ist einfach viel persönlicher und andererseits ist es für uns verwirrend, immer zwischen dir und deinem Ursprung unterscheiden zu müssen.«

Einen Augenblick erstarrte die Projektion und dann kam die Antwort: »Der Paladin ist Thor und Thor ist der Paladin!«

Der Weg ins Ungewisse

Wir waren im Raum und flogen mit den anderen DOLANs einem ungewissen Schicksal entgegen. Die TERSAL musste längst zwischen den Sternen des Zentrums von M 87 verschwunden sein, um den zweiten Teil ihrer Mission zu erfüllen.

Wir waren allein. Allein unter Bestien.

Der Paladin – nein, entschuldigt, Thor – hatte es sich im Zentralbereich des biologischen Raumschiffes gemütlich gemacht und sich auf einer aus dem organosynthetischen Material des DOLANs gebildeten Strukturliege ausgestreckt. Es war ihm ohne größere Probleme gelungen, vom Rudimentärgehirn des DOLANs als Kommandant akzeptiert zu werden. Für die vier Siganesen war es ein eigenartiges Gefühl, im Innern eines Lebewesens durch das All zu fliegen, auch wenn es synthetischer Natur war.

An Bord hatten sie das persönliche Eigentum der getöteten Bestie gefunden und einige Informationen gewonnen. Der Name des Pelewon war Paruhl gewesen und er gehörte zu ihrer Erleichterung dem älteren, noch geschlechtslosen Typ der Bestien an. So hatten sie in dieser Hinsicht wohl keine Schwierigkeiten zu erwarten. Aus seinen Unterlagen war ersichtlich, dass er der 17. DOLAN-Staffel der III. Pelewonflotte angehörte und anscheinend auf einem SUPREMO-C-Schlachtschiff mit dem Eigennamen KARAL stationiert war. Ansonsten schien er über relativ wenig persönliches Eigentum zu verfügen.

Schließlich war es soweit: Der DOLAN trat mit seinen Schwesterschiffen wieder aus dem Hyperraum. Vor ihnen, im interplanetaren Raum jenseits eines Eisplaneten, wartete eine größere Flotte, die aus SUPREMO-Schlachtschiffen bestand. Der DOLAN nahm selbständig Kurs auf ein Schiff, das am Rand der Phalanx bewegungslos im Raum stand. Das musste die KARAL sein. Der gewaltige Schiffskörper kam immer näher. Interessiert verfolgten die Siganesen die Annäherung. Es war das erste Mal, dass sie ein quarteriales Schlachtschiff aus der Nähe betrachten konnten.

Thor blendete einige Konstruktionsdetails ein, die er wohl aus den umfangreichen Datenbanken der Positronik herausgefiltert hatte. Sie registrierten, dass es nur relativ wenige Schiffe waren, die Kurs auf die KARAL nahmen. Unter der Annahme, dass wohl alle DOLANs im Einsatz gewesen waren, musste der Blutzoll der Bestien gewaltig gewesen sein.

Aus den Unterlagen ging hervor, dass die SUPREMO-C-Schlachtschiffe der Druithora-Flotte eine Trägerkapazität von fünfundsechzig DOLANs hatten. Von diesen fünfundsechzig Einheiten kamen gerade zwölf zurück. Inzwischen war ihr DOLAN in den geöffneten Hangar eingeflogen und steuerte selbständig eine Landebucht an. Aus den Unterlagen wussten wir, dass wir nach der Landung das Retortenwesen verlassen mussten, da es nun zu seiner Ruheform übergehen würde.

David hatte seinen Platz unter der SERT-Steuerung verlassen und überließ Thor die alleinige Kontrolle. Vor einer Nische der Landebucht kam das biologische Raumschiff schließlich zur Ruhe. Vor uns entstand ein langer Gang, der auf den Boden des Hangars führte. Bevor wir reagieren konnten, hatte sich Thor bereits in Bewegung gesetzt. Nun stand uns die zweite Bewährungsprobe bevor. Würde man Thor als Paruhl anerkennen?

*

Inzwischen hatte der Paladin den Boden des Hangars erreicht und ging, noch etwas zögernd, auf seine »Kameraden« zu, die dort schon warteten.

Die Bestien standen in einer lockeren Gruppe zusammen.

Während wir interessiert beobachteten, wie sich der DOLAN regelrecht zusammenfaltete, um in seiner Ruheform nur noch etwa ein Viertel seines ursprünglichen Volumens einzunehmen, wurde unsere Aufmerksamkeit auf die mit uns zurückgekehrten Bestien gelenkt. Nun erwies sich, dass Thor richtig gelegen hatte. Vor allem David und Rosa hatten die Meinung vertreten, dass sich der Paladin von all dem Blut und den sonstigen Überresten der Dumfries reinigen sollte, bevor er den DOLAN verlassen würde, aber Thor hatte das kategorisch abgelehnt. Der Anblick seiner »Kameraden« bewies, dass er damit völlig richtig gelegen hatte. Für uns als denkende und fühlende Wesen war das Bild, das die überlebenden Bestien boten, absolut unerträglich.

»Domino, wie können intelligente Wesen nur so tief sinken, diese … Bestien … tragen ihren Namen zurecht. Es sind einfach nur … Bestien.«

Ich blickte besorgt zu David hinüber. Gerade ihn als Emotionauten schien die Situation, dieses absolut brutale und wesensverachtende Verhalten, aufs Äußerste zu belasten. Es war mir klar, dass ohne Thor unsere Mission wahrscheinlich schon gescheitert wäre. Wir waren einfach nicht in der Lage, uns wie die »echten Bestien« zu verhalten.

*

Meine Aufmerksamkeit wurde wieder auf die bereits wartenden Bestien gelenkt, die begonnen hatten, einen Kreis zu bilden. Ich bemerkte, dass der Paladin seine Schritte beschleunigt hatte, um sich zu den Übrigen zu gesellen. Was dann geschah, zeigte uns, wie wenig wir eigentlich über die Gesellschaft der Bestien wussten. Das archaische Schauspiel, das wir dank der Übertragung über das Holofeld in allen Einzelheiten verfolgen konnten, war nur als grotesk zu bezeichnen. Grotesk und gleichzeitig voll gnadenloser Brutalität. Die über viereinhalb Meter großen Giganten begannen so etwas Ähnliches wie einen Kriegstanz aufzuführen. Die Handlungsarme ineinander verschränkt, die Laufarme einander um die Hüften gelegt, fingen sie an, rhythmisch zu stampfen. Und dann kam das Gebrüll: »Tod, zerreißt die Unterdrücker! Tod, keine Gnade, kein Erbarmen! Wir bringen Tod, millionenfachen Tod und Torsor, der große Torsor, ist unser Herr und Meister!«

Worte sind nicht imstande, die Wirkung dieses Rituals wiederzugeben. Es war primitiv, gewalttätig, für uns Menschen absolut fremdartig und zugleich bedrückend. Und der Paladin bewegte sich im Gleichschritt mit den übrigen Bestien: genauso gewalttätig, genauso gnadenlos.

Schließlich schien das Ritual zu Ende zu sein. Das nervenzerreißende Gebrüll erstarb. Die zwölf Bestien und der Paladin bildeten eine Reihe und hielten sich immer noch mit Lauf- und Handlungsarmen umfasst. Selbst wenn unsere Mission scheitern sollte, wenn wir keine Chance haben würden, an Torsor heranzukommen, waren allein diese Informationen das Risiko unseres Einsatzes wert.

Unser Bild von den Bestien war absolut unzutreffend. Noch immer waren unsere Vorstellungen durch die Haluter und Zweitkoordinierten geprägt, wir sahen sie als eine Gesellschaft von Einzelgängern ohne tiefreichende soziale Interaktionen. Doch hier, an Bord dieses Raumschiffes, wurden wir eines Besseren belehrt. Die Bestien schienen in den vergangenen Jahrhunderten eine neue Gesellschaftsform entwickelt zu haben, von der wir nichts, aber auch gar nichts wussten. Bevor ich mich weiter in meine Betrachtungen vertiefen konnte, öffnete sich ein Schott des Hangars. Zwei weitere Bestien betraten den Hangar. Sie traten vor uns.

»Kämpfer! Torsor, unser Herr, ist stolz auf euch! Wir haben das erste Ziel unserer Rache erreicht, die Welten der Unterdrücker sind vernichtet. Nur das Zentrum mit dem Hort der falschen Schöpfer, die uns verraten, geknechtet und getötet haben, besteht noch. Doch auch dieses wird fallen. Kämpfer, von nun an werdet ihr den Ehrentitel Töter führen. Ihr habt unsere Unterdrücker ausgelöscht, ihr habt die Schande von Jahrtausenden mit ihrem Blut von euch gewaschen. Bald, Töter, werdet ihr die Rache in die Zuflucht der falschen Schöpfer tragen. Doch zuerst wird Torsor auf Yanyok, unserer Heimatwelt, zum Herrscher aller unserer Völker werden. Wir werden endlich, nach Jahrtausenden der Unterdrückung, unsere Rache vollenden. Druithora wird unser sein! Nun feiert unseren Sieg! Oberst Rutars wird euch einweisen.«

Mit diesen Worten verließ die Bestie, die die Rangabzeichen eines quarterialen Oberstleutnants trug, wieder den Hangar. Die »Töter« nahmen Haltung an, während die zweite Bestie begann, die Reihe abzuschreiten. Vor jeder Bestie blieb sie stehen und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. Thor hatte inzwischen die Holodarstellung auf sie fokussiert. Interessiert betrachtete ich sie näher, und plötzlich schrillten in mir sämtliche Alarmglocken. Es musste sich um ein Exemplar der zweigeschlechtlichen Pelewon handeln, mit denen wir bisher noch überhaupt keine Erfahrungen gemacht hatten. Und es war, wenn mich nicht alle Eindrücke trogen, weiblich!

Es kam, wie es kommen musste. Sie blieb vor dem Paladin stehen und musterte ihn ausgiebig. Panik begann sich in mir auszubreiten. Das konnte das Ende unserer Mission, unser aller Ende sein. Doch Thor schienen solche Gedanken fremd zu sein. Er präsentierte sich stolz gegenüber der Pelewon. Diese schien ihre Musterung abgeschlossen zu haben und gab einen kurzen Befehl in ihren Kommunikator.

Und das Grauen begann …

Auserwählt

Wir hatten unser Ziel erreicht, doch um welchen Preis? Mitleidig blieb mein Blick auf David haften, der noch immer unter dem Schock des Erlebten stand. Rosa hatte ihn in die Arme genommen und wiegte ihn wie ein kleines Kind. Das war alles, was wir für ihn tun konnten. Nicht, dass es uns viel besser ging. Hoffentlich gelang es Rosa, ihn aus seinem Schockzustand zu holen. Wenn wir unser Ziel erreicht hatten, waren wir auf seine Fähigkeiten als Emotionaut angewiesen.

Mit einem Gefühl grenzenlosen Abscheus betrachtete ich die Holodarstellung unserer Umgebung. Um uns waren noch die Überreste des »Mahls« zu erkennen, das einmal ein intelligentes Lebewesen war. Die Bestien waren zu Kannibalen geworden, die ihre Urväter, die Skoars, bei lebendigem Leibe fraßen. Wieder fühlte ich, wie mich der Brechreiz übermannte, und kotzte mir buchstäblich die Seele aus dem Leib, obwohl mein Magen längst völlig leer war. Den anderen erging es nicht besser.

Rechtfertigte unsere Mission, unser Ziel diese Ungeheuerlichkeit? Ich wusste es nicht. Wieder begann das Spiel, das grauenvolle Sexualritual. Diese weibliche Pelewon war unersättlich und endlich wussten wir auch, welchen Zweck dieses Organ hatte, das wir bei der getöteten Bestie gefunden hatten, die als Vorbild der Pseudo-Variablen-Kokonmaske des Paladins gedient hatte.

Die Bestien hatten sich biologisch weiterentwickelt, viele der eingeschlechtlichen Bestien verfügten inzwischen wohl über entsprechende Organe, obwohl sie noch nicht zur Fortpflanzung fähig waren. Thor hatte zuerst versucht, den Nachstellungen zu entgehen, indem er auf seine Sterilität hinwies. Doch das schien die Gelüste der weiblichen Pelewon erst richtig anzuheizen. Sie hatte ihn in ihre Kabine befohlen und war dann regelrecht über ihn hergefallen. Und danach folgte das Unbeschreibliche …

Inzwischen befanden wir uns übrigens nicht mehr an Bord der KARAL, sondern waren auf die ITZAKH übergewechselt, die wohl das Flaggschiff der III. Pelewonflotte darstellte. Unser Ziel war Yanyok, die Hauptwelt der Bestien. Dieses weibliche Monster einer Pelewon hatte dem Paladin erklärt, dass er von ihr auserwählt worden wäre, die 17. DOLAN-Staffel bei der Krönungsfeier Torsors auf Yanyok zu repräsentieren.

In der Gesellschaft der Pelewon und Moogh schienen die weiblichen Pelewon eine besondere Rolle zu spielen, jedenfalls waren sie anscheinend den eingeschlechtlichen Exemplaren der Bestien übergeordnet. Wenn die unwürdigen und wesensverachtenden Begleitumstände nicht gewesen wären, könnte man den bisherigen Verlauf unseres Einsatzes als vollen Erfolg betrachten. Dank der »Zuneigung« dieser Pelewon, war das Ziel unseres Einsatzes, die Ausschaltung Torsors, in greifbare Nähe gerückt.

5. Gejagt

Vor knapp einer Stunde hatte die TERSAL Rath verlassen und war im dichtstehenden Sonnenmeer des Zentrumsbereiches von M 87 untergetaucht. Das Quarterium hatte ganze »Arbeit« geleistet, die Welt der Dumfries war zum Untergang verurteilt. Der erste Teil unserer Mission war anscheinend erfolgreich abgeschlossen. Ein kurzes Signal des Paladins hatte uns darüber informiert, dass er an Bord eines DOLANs gegangen war. Die Mission »Enthauptung«, wie sie von Jonathan bezeichnet wurde, hatte begonnen.

Innerlich hatte ich noch immer Skrupel, wenn ich an die geplante Ermordung Torsors dachte. Jan Scorbit hatte das bei der Einsatzbesprechung im Dunklen Himmel zwar beschönigend als »Ausschalten« bezeichnet, aber trotz aller Verharmlosung lautete der Auftrag des Paladins schlicht und einfach, den Anführer der Bestien zu töten. Und das war und blieb Mord, bestenfalls konnte man noch von Tyrannenmord sprechen.

Ich, ein Ritter der Tiefe, der ich mein Leben der Verteidigung der positiven Kräfte des Universums gewidmet hatte, ermöglichte die Ermordung eines intelligenten Lebewesens. Stellten wir uns damit nicht auf die gleiche Stufe wie die Mörder? Mein Blick suchte Elyn. Ihr angespannter Gesichtsausdruck sagte mir, dass sie wohl ähnlich dachte.

Doch anscheinend waren wir mit unseren Bedenken allein. Selbst mein Orbiter Jaktar und Jonathan, mein Schüler, hatten keinerlei Zweifel geäußert. Im Gegenteil, beide hatten den Plan uneingeschränkt unterstützt. Heiligte der Zweck die Mittel? Ich wusste es nicht. Doch für irgendwelche Änderungen war es zu spät, viel zu spät.

*

Mein Meister und Elyn waren in ihre Gedanken versunken. Ein Blick in ihre Gesichter zeigte mir ihren Gewissenskonflikt. Eigentlich hätte auch ich Skrupel haben müssen, aber ich konnte nicht, nicht mehr. Noch immer standen mir die Bilder brennender Planeten, zuerst in den estartischen Galaxien und jetzt auch in M 87, vor Augen. Ich wusste, dass Millionen intelligenter Lebewesen dem Blutrausch des Quarteriums zum Opfer gefallen waren und weitere Millionen, da war ich mir sicher, würden folgen.

Irgendetwas hatte mich verändert. Ich war auf diesem namenlosen Irrläufer, unter den brennenden Augen der Sonnen Siom Soms ein anderer Mensch geworden. Alle Zweifel, alle Ängste und Gewissensbisse waren von mir abgefallen und hatten einer eiskalten Entschlossenheit Platz gemacht.

Doch gleichzeitig hoffte ich, dass der Preis, den ich zu zahlen hatte, nicht zu hoch werden würde. Hatte ich mir meine Fähigkeit zu lieben erhalten? Konnte ich nach den unzähligen Leben, die ich in der Hölle unter der blutenden Sonne auf dem Gewissen hatte, Nataly immer noch von ganzem Herzen lieben? Ich wusste es nicht und im Augenblick war dies für mich auch bedeutungslos … was allein zählte, war die Aufgabe, die wir zu erfüllen hatten.

Rückkehr nach Point Odysseus

Die TERSAL war in unmittelbarer Nähe des letzten und einzigen Stützpunktes der USO innerhalb von M 87 aus dem Hyperraum getreten. Jonathan Andrews hatte das Schiff sofort in die Korona einer nahen Sonne gesteuert, um auch die Gefahr einer zufälligen Ortung zu minimieren. Den eigentlichen Einsatz würden sie mit der RIVEDELL, Elyns kleinem Schiff, durchführen. Auch hier war Risikominimierung die Ursache.

Der Ortungsschutz der Alysker war einfach besser, obwohl niemand die dahinter stehende Technik genau verstand. Admiral Wang hatte, als Elyn ihm die technischen Möglichkeiten der RIVEDELL erklärte, etwas von vergessenen Chancen gemurmelt.

Jan Scorbit hatte interessiert gefragt, was er damit meinte. Der Chinese erklärte, dass auf der Erde, noch bevor Perry Rhodan auf dem Mond auf die gestrandeten Arkoniden um Thora und Crest gestoßen war, der deutsche Physiker Max Planck anfangs des 20. Jahrhunderts alter Zeitrechnung die nach ihm benannte Quantentheorie entwickelt hätte, die man dann angesichts des technologischen und wissenschaftlichen Schocks, den die Arkoniden auslösten, nicht mehr in dem Maß weiter verfolgt hatte, wie er es sich wünschen würde.

Elyn hatte dieser Erklärung entgeistert zugehört und eingeworfen, dass sie diese Theorien sehr interessieren würden, da auch die Alysker hier nur wissenschaftliche Prinzipien anwenden würden, die ihnen einst von den Kosmokraten überlassen worden wären, ohne über eine zusammenhängende Theorie zu verfügen. Doch bevor die Diskussion ausarten konnte, warf Jonathan ein, dass sie wohl im Moment andere Probleme hätten, als über versäumte wissenschaftliche Chancen nachzudenken. Dieser Einwurf beendete die Diskussion.

*

Die RIVEDELL war auf dem Weg zu der unbekannten Welt, der ein USO-Spezialist, den außer Gal’Arn und Jan Scorbit niemand persönlich kannte, den Namen Point Odysseus gegeben hatte. Normalerweise war mein Schiff für eine Person ausgelegt. Jonathan hatte es als Einmannjäger bezeichnet, was bei mir einen Wutausbruch ausgelöst hatte. Wenn schon, dann Einfraujäger, hatte ich ihn angebrüllt, und außerdem jage ich niemanden.

Im Nachhinein tat mir mein Wutausbruch leid, es war normalerweise nicht meine Art, wegen solcher Kleinigkeiten auszuflippen, doch irgendetwas war mit mir auf Monol passiert. Irgendwie reagierte ich seit der versuchten Vergewaltigung auf den geringsten Anflug von männlichem Chauvinismus äußerst aggressiv.

Wir drängten uns zu viert in die enge Kabine: Jan, Jonathan, Tsi und ich. Als wir das System erreicht hatten und vorsichtig das planetare Umfeld sondierten, kam der Tiefschlag: Wir waren nicht allein. Zwei kleinere SUPREMO-Raumer waren anscheinend dabei, es zu vermessen. Jan fing an zu fluchen und ich konnte mein Vokabular terranischer Kraftausdrücke wesentlich erweitern. Durch die Anwesenheit der beiden quarterialen Schiffe war es unmöglich, zu landen und die RIVEDELL einzuschleusen.

Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, meine Begleiter noch ein wenig im eigenen Saft schmoren zu lassen. Was sie nicht wussten – ich verfügte über die entsprechende Möglichkeit. Das technische Arsenal, das mein Vater mir zur Verfügung gestellt hatte, umfasste auch einen Transmitter, der ohne Gegenstation funktionierte. Außerdem war er mit den Ortungstechnologien, die dem Quarterium oder der LFT zur Verfügung standen, nicht anzumessen. Die Terraner hatten vor Jahrtausenden ebenfalls über zwei Geräte mit dieser Technologie verfügt, als Fiktivtransmitter wurden sie bezeichnet. Dann ließ ich die Bombe platzen. Jan und Jonathan starrten mich fassungslos an, während der Admiral ausflippte. Wow …

Vielleicht werdet ihr, die ihr dies vielleicht einmal lest, mich der seelischen Grausamkeit bezichtigen, aber ich konnte einfach nicht anders. Die Reaktionen meiner Begleiter waren einfach nur köstlich, richtig unbezahlbar. Schließlich hatten sich alle wieder beruhigt und ich konnte ihnen erklären, wie Jan und Tsi in die Station kommen würden.

*

Wir waren bereit. Elyn hatte eine kleine Kammer geöffnet, die die Pole des Transmitters enthielt. Interessiert betrachteten wir das legendäre Gerät. Nur, es war eigentlich nicht viel zu sehen. Es waren einfach zwei Platten, die den Boden und die Decke der Kammer bildeten und geheimnisvoll zwischen dunklem Rot und Blau oszillierten.

Elyn hatte erklärt, dass sie mit der Steuereinheit unsere Gehirnströme erfassen und uns von überall auf dem Planeten zurückholen könne. Nur die Auswahl der Zielkoordinaten war nicht ganz so einfach, dazu war es notwendig, die Zentrale anzumessen, da wir nicht einfach irgendwo auf dem Planeten landen konnten. Doch auch hier zeigte sich die Überlegenheit der alyskischen Technik.

Nun hatte Elyn ihre Vorbereitungen abgeschlossen und gab uns ein Zeichen. Gemeinsam traten wir zwischen die Pole des Transmitters. Tsi und ich würden seit Jahrtausenden wieder die ersten Menschen sein, die sich dieser legendären Technik anvertrauten. Innerhalb des terranischen Kulturkreises waren die beiden Fiktivtransmitter, die Perry Rhodan einst von ES erhalten hatte, so etwas wie eine Legende geworden, eine übernatürliche Waffe, um die Menschheit vor der Vernichtung zu schützen.

Obwohl wir wussten, dass sowohl die Kemeten und auch MODRORs Handlanger wie Cau Thon über diese Technik verfügten, war sie, zumindest für uns normale Sterbliche, einfach außerhalb unserer Vorstellungskraft. Und zum ersten Male konnte ich Wang voll verstehen, der regelrecht ausgeflippt war, als Elyn den Vorschlag gemacht hatte, Point Odysseus mit Hilfe des Fiktivtransmitters zu erreichen. Wir hatten, ohne es zu wissen, über eine ultimative Waffe verfügt. Dann verzerrte sich meine Wahrnehmung und ich blickte in die Mündung eines aktivierten Impulsstrahlers.

»Bei der geringsten Bewegung seid ihr tot!«

Das bärtige Gesicht mit der wilden Haarmähne hinter dem Impulsstrahler blickte mich grimmig an. Konstantinus Demelaris, wie er leibte und lebte! Betont langsam hob ich die Hände.

»Langsam Odysseus, du wirst doch deinen alten Kumpel nicht erschießen wollen?«

Einen winzigen Moment lang zitterte der Strahler. Ein Blick in die Augen meines Gegenübers belehrte mich, dass ich das Spielchen beenden musste. Konstantinus Demelaris, genannt Odysseus, hatte eine Schwäche: Er schoss oft, bevor er fragte.

»Ob du es glaubst oder nicht, ich bin es wirklich, dein alter Kumpel Jan. Erinnerst du dich noch an unser Besäufnis mit diesem Fusel, den du als Ouzo bezeichnet hast? Dieses Aniszeugs war einfach nur graue …«

Er unterbrach mich. Der Impulsstrahler bewegte sich keinen Millimeter.

»Gut, anscheinend bist du es wirklich. Aber wer ist der?«

Obwohl er sich nicht bewegt hatte, war mir klar, wen er meinte. Nun, wenn er eine ausführliche Vorstellung wollte, die konnte er haben.

»Gestatten, darf ich vorstellen, Tsi Ku Wang, ehemaliger Oberkommandierender der Wachflotte Sol, danach Stellvertreter Joak Cascals im Oberkommando der Raumflotte des Terrablocks, nach der Bildung des Quarteriums Leiter der Militärakademie Redhorse Point, zuletzt Konteradmiral des Quarteriums und nun …«, hier machte ich eine Pause, um das Folgende besonders zu betonen, »auf unserer Seite.«

Ein kurzes Zögern, dann die Gegenfrage: »Bist du absolut sicher?«

»Absolut, Odysseus. Xavier und ich haben ihn auf Herz und Nieren geprüft. Despair hat ihn nach der Bildung des Quarteriums kaltgestellt, er hatte keine Informationen über die wahren Ziele dieser Mörder.«

Der wild aussehende Hüne musterte nun meinen Begleiter eingehend und meinte dann: »Nun gut, aber kannst du mir mal sagen, was der hier soll?«

Ich grinste ihn an und bemerkte, süffisant lächelnd: »Nun, Xavier und ich haben uns gedacht, dass du Verstärkung gebrauchen kannst. Wie wir beide wissen, liegen deine Fähigkeiten nicht gerade darin, Raumschlachten zu planen, oder? Laut Aussage von Xavier ist unser Freund Tsi genau auf diesem Gebiet ein Genie, der ›wohl zurzeit fähigste Taktiker der Raumkriegsführung‹, um ihn mal wörtlich zu zitieren. Unsere alte Freundin Paola Daschmagan hat ihn 1286 zum Teufel gejagt, nachdem er ihr mit seinen dauernden Forderungen nach einer Aufrüstung anscheinend mächtig auf die Nerven gegangen war.

Danach hat er sich dann wer weiß wo herumgetrieben, schließlich ist er in Cartwheel gelandet und hat, zusammen mit Joak, die Raumflotte des Terrablocks aufgebaut. Nachdem Joak verschwunden war, wurde er durch Despair kaltgestellt und als Leiter des Redhorse Point abgeschoben.

So wie es aussieht, scheint neuerdings im Quarterium ein Mangel an Führungsoffizieren zu bestehen. Jedenfalls wurde er vor kurzem reaktiviert, um Leticron mit Nachschub zu versorgen. Dabei ist ihm Jonathan in die Quere gekommen, der auf seinen Geleitzug ein Scheibenschießen veranstaltet hat. Er hat dann kapituliert und kam als Kriegsgefangener in den Dunklen Himmel. Dort hat ihn Xavier, der ihn gut von früher kannte, mal über Despair und Konsorten aufgeklärt und nun … nun ist er auf unserer Seite.«

Der Chinese hatte meine »Lobrede« mit stoischer Gelassenheit verfolgt. Jetzt machte er einige Schritte auf meinen wilden Freund zu und streckte ihm die Hand entgegen: »Für meine Freunde heiße ich Tsi, auf gute Zusammenarbeit!«

Der Hüne fixierte ihn einen Moment, doch dann ergriff er die Hand und entgegnete: »Ebenfalls, und äh, für meine Freunde bin ich einfach Odysseus!«

Endlich, das wurde auch höchste Zeit. Die Frist, die ich mit Elyn abgemacht hatte, war fast abgelaufen.

»Übrigens, Odysseus, wundere dich nicht, wenn ich gleich wieder verschwinde, Tsi kann dir dann alles erklären. Also …«

Doch mitten im Satz verzerrte sich meine Wahrnehmung erneut und einen Augenblick später blickte ich in Elyns und Jonathans gespannte Gesichter.

»Alles in Ordnung, wir können zurück zur TERSAL!«

Eine folgenschwere Entscheidung

Die TERSAL bewegte sich langsam aus dem Zentrumsbereich heraus. Die Niveauverschiebungen durch die Existenzebenen hatten noch zugenommen. Es schien so, dass die gewaltigen Energiemengen, die durch die Raumschlachten freigesetzt wurden, die hyperphysikalische Stabilität der Riesengalaxis beeinflussten. Die TERSAL war gezwungen, immer nur kurze Hyperraumetappen einzulegen, um den Niveauverschiebungen auszuweichen.

In der Zentrale des Schiffes herrschte eine seltsame Stimmung. Elyn und Gal’Arn brüteten vor sich hin und waren kaum ansprechbar. Schließlich ergriff Jonathan das Wort.

»Was ist los mit euch, rückt endlich mit der Sprache raus! Das ist ja kaum auszuhalten!«

Elyn blickte auf.

»Du hast recht, ich halte es kaum noch aus! Wir haben doch jetzt unseren Auftrag erfüllt, oder?«

»Natürlich und ich hoffe, dass wir diese Hölle bald hinter uns gelassen haben!«

Elyn schaute ihn eigentümlich an, bevor sie entgegnete: »Ja, wir werden diese Hölle bald verlassen haben, aber was ist mit den armen Wesen, die den Bestien hilflos ausgeliefert sind? Wir könnten doch nachsehen, ob wir beispielsweise den Aphaneus nicht doch helfen können.«

Bevor Jonathan zu einer Entgegnung ansetzen konnte, kam die Zustimmung Gal’Arns. Jan und Jonathan sahen sich einen Moment an, dann gaben sie resigniert auf.

»Jaktar, Kurs Dwellion, vielleicht gibt es dort Überlebende.«

*

Vor ihnen lag das Dewell-System. Sie blieben außerhalb des Systems und versuchten herauszufinden, ob irgendwelche Anzeichen auf die Anwesenheit von Bestien hindeuteten. Doch die Ortungsergebnisse waren negativ. Es gab anscheinend keine fremden Schiffe mehr. Die optische Ortung zeigte das Bild eines total zerstörten Planeten.

»Ob es da noch Überlebende geben kann?«, fragte Jonathan zweifelnd.

»Deshalb müssen wir landen, nur dann erhalten wir genauere Informationen«, entgegnete Elyn.

Die TERSAL nahm Kurs auf den zweiten Planeten. Elyn hatte den Platz an den Ortungssystemen übernommen und versuchte verzweifelt, irgendwelche Anzeichen zu finden, die auf Überlebende hindeuteten.

Doch plötzlich erschütterte ein gewaltiger Schlag das Schiff.

»Raumminen, wir wurden von einer Raummine getroffen«, brüllte Jonathan. »Jaktar, lass mich an die Steuerung!«

Jonathan riss die TERSAL aus der Flugbahn. Doch es war zu spät, nach einer zweiten Explosion fiel kurzzeitig die Energieversorgung aus.

»Schwere Schäden in der linken Triebwerksgondel!«

Jaktars Stimme klang panikerfüllt.

»Schadensmeldungen, Jaktar, schnell bitte!«

»Energieversorgung bei zwanzig Prozent, Triebwerksleistung bei vierzig Prozent, schwere Schäden in der Außenhülle.«

»Volle Energie auf die Schutzschirme umleiten, jedes Energiequant, das wir haben! Jaktar, wie hoch ist die Leistung der Schirme?«

»Jetzt bei etwa neunzig Prozent, mehr ist nicht drin. Wir sind praktisch manövrierunfähig.«

Nun endlich schien Gal’Arn aus seiner Lähmung zu erwachen.

»Was … was ist passiert, Jonathan? Und weshalb die Schutzschirme?«

»Weil das eine gottverdammte Falle ist, deshalb. Wir werden gleich Besuch erhalten, wenn ich mich nicht irre!«

Das schien irgendwie das Zeichen für Elyn zu sein. Panikerfüllt rief sie: »Drei … nein fünf DOLANs im Anflug auf uns. Die haben sich auf dem ersten Planeten versteckt, deshalb konnten wir sie nicht orten.«

Dann waren die Retortenraumschiffe auch schon heran. Sie gruppierten sich um die TERSAL und eröffneten das Feuer.

»Jaktar, wie sieht es mit den Schirmen aus?«

»Sie halten, wenigstens im Augenblick. Aber wir haben keine Möglichkeit, von hier zu verschwinden. Die brauchen nur zu warten und wir können nicht einmal das Feuer erwidern, weil wir keine Energie übrig haben.«

Jonathan überlegte kurz, dann zog plötzlich ein Grinsen über sein Gesicht.

»Ich glaube, da irrt ihr euch. Wartet einen Moment, ich bin gleich zurück.«

Mit diesen Worten verließ er die Zentrale. Alle schauten ihm entgeistert nach. Wenig später kam er zurück und führte auf einer Antigravplattform vier ovale Körper mit sich, die an Straußeneier erinnerten.

»Was soll das?«, fragte ihn Gal’Arn entgeistert.

»Nun«, erwiderte Jonathan, »ich hatte im Dunklen Himmel so ein Gefühl, also habe ich mal vier Mini-Fusionsbomben mitgenommen. Die RIVEDELL hat hoffentlich nichts abbekommen?«

Jaktar schüttelte seinen Kopf.

»Soweit ich es beurteilen kann, ist sie unversehrt.«

Jonathan wandte sich an Elyn.

»Kommst du, Sternenprinzessin? Wir wollen unsere Eier legen!«

Elyn hatte sich erhoben, ihr Gesicht war ein einziges Fragezeichen.

»Nun, dann will ich euren Gehirnwindungen mal auf die Sprünge helfen. Erinnert ihr euch – Fiktivtransmitter

*

Die RIVEDELL war wieder wohlbehalten in die TERSAL eingeschleust. Unsere Lage hatte sich etwas verbessert, uns stand nur noch ein DOLAN gegenüber. Das ermöglichte zwar, die Leistung der Schutzschirme soweit zu reduzieren, dass wir das Triebwerk wieder einsetzen konnten, doch die TERSAL blieb eine Schnecke. Der DOLAN hatte keine Mühe, uns zu folgen.

Warum hatte ich nicht fünf Minibomben mitgenommen? Warum waren Waffen Mangelware? Wir mussten den DOLAN unbedingt loswerden, aber wie? Es war klar, dass über kurz oder lang einige SUPREMOs auftauchen würden und dann waren wir, entschuldigt den Ausdruck, am Arsch. Was blieb uns noch übrig? Wir konnten auf ein Wunder hoffen. Doch ich glaubte nicht mehr an Wunder, schon lange nicht mehr!

Ich begann zu fluchen. Nach allem was wir durchgemacht hatten, nachdem man uns wie Verbrecher zuerst durch Cartwheel und dann durch Siom Som gehetzt hatte, sollte nun M 87 unser Grab werden? Das war einfach nicht fair. Und was taten die Übermenschen?

Gal’Arn, mein ach so edler Meister, starrte geistesabwesend vor sich hin. Der hatte wohl schon mit dem Leben abgeschlossen. Jan hatte sich eine Flasche besorgt und ließ sich vollaufen, das konnte ich wenigstens verstehen. Elyn, die uns mit ihrem Humanitätskomplex die ganze Scheiße eingebrockt hatte, arbeitete wie wild an der Bordsyntronik. Auch eine Art, durchzudrehen. Nun, ich hatte genug. Jan tat das einzig Vernünftige. Es wäre einfach zu schade, wenn der ganze schöne Alkohol völlig nutzlos mit uns in Atome zerlegt werden würde.

»Jonathan, ich habe eine Möglichkeit gefunden. Könntest du bitte mal kommen?«

Ich blickte auf. Die Alyske wirkte total aufgedreht. Nun, vielleicht hatte sie tatsächlich eine Idee – hoffentlich, denn ansonsten waren wir am Ende.

Ich beugte mich über ihre Schulter und musterte interessiert das Display der Syntronik. Sie schien komplexe höherdimensionale Gleichungen ausgewertet zu haben, die Funktionsgraphen sagten mir jedoch gar nichts.

»Könntest du einem hyperphysikalischen Laien bitte mal erklären, was du hier machst?«

Sie blickte auf und sah mich überrascht an.

»Das sind sechs- und siebendimensionale Feldgleichungen. Ich habe versucht, die notwendige Eintrittsgeschwindigkeit zu ermitteln, damit wir eine Niveauverschiebung benutzen können. Nach den Ortungsergebnissen baut sich in unmittelbarer Nähe gerade eine Raumanomalie auf, die zur einer Anhebung des Energieniveaus führen wird. In dieser Phase ist es möglich, das Energieniveau des Normaluniversums zu verlassen und auf die Ebene der Raumanomalie zu wechseln.«

Ich schaute sie skeptisch an.

»Und woher weißt du das alles?«

Ein leichtes Lächeln huschte kurz über ihr Gesicht.

»Mein Volk hat sich vor Millionen von Jahren mit der Grundlagenforschung der Niveauebenen beschäftigt. Wir waren gerade dabei, die Geheimnisse dieses natürlichen Phänomens zu ergründen, als unser Untergang begann. Ich bin in alten Aufzeichnungen meines Vaters auf diese Theorien gestoßen und habe mich damit beschäftigt. Mein Wissen reicht gerade aus, vielleicht einen Weg zu finden, wie wir durch eine solche Anomalie entkommen können.«

Ich musste grinsen.

»Es ist also praktisch so, dass du zwar weißt, welchen Knopf du drücken musst, aber was dann passiert, davon hast du keine Ahnung. Also gut, spielen wir Russisches Roulette, vielleicht haben wir Glück!«

Gal’Arn hatte unser Gespräch mitbekommen und sich aus seiner Resignation gelöst. Zusammen mit Jaktar berechnete ich nach den Angaben unseres unerkannten hyperphysikalischen Genies einen Kurs, der es uns, wenn ihre Angaben richtig waren, ermöglichen sollte, auf diese höhere Existenzebene zu wechseln. Um die von Elyn geforderte Eintrittsgeschwindigkeit mit einem Überlichtfaktor von neunzig Millionen zu erreichen, mussten wir das beschädigte Hypertakttriebwerk bis zum Äußersten belasten und die Schutzschirme auf ein Minimum reduzieren. Dann gab Elyn das Zeichen. Ich hatte die Steuerung übernommen, während Jaktar sich um unser Hauptsorgenkind, die Energieversorgung, kümmerte.

Elyn projizierte die Ergebnisse der überlichtschnellen Ortung auf den großen Panoramabildschirm. Der gab den Raumsektor wieder, der nach ihren Berechnungen zur Raumanomalie werden würde. Dieser Bereich war etwa einhundertsechzig Lichtjahre entfernt. Unser einziges Problem war, ob wir die notwendige Geschwindigkeit auf die relativ kurze Entfernung erreichen würden. Und dann war da natürlich noch der DOLAN, der wie eine Klette an uns klebte.

Kurz darauf war es soweit. Selbst die optischen Ortungssysteme zeigten, dass sich der Raum um uns veränderte. Verblüfft starrte ich auf das Bild der Feldoptik. Das durfte einfach nicht sein. Obwohl wir noch einige Lichtjahre entfernt waren, zeigte auch die optische Ortung bereits Verzerrungen des Raumes. Eigentlich war es nach unserem Verständnis unmöglich, aber hier mussten andere physikalische Verhältnisse herrschen, die Beschränkung durch die Lichtgeschwindigkeit schien nicht mehr zu gelten.

Das Bild, das sich uns im hyperphysikalischen Spektrum bot, war beeindruckend. Der Raum schien aufzureißen, es war, als ob wir in einen Höllenschlund einfliegen würden. Die TERSAL begann, wie ein wildgewordenes Pferd zu bocken. Die Zentrale, Elyn, jeder Einrichtungsgegenstand begann sich zu verzerren und bildete seltsame, korkenzieherhafte Strukturen. Es war, als ob sich jeder Körper, ob künstlich oder ein Lebewesen, sich um sich selbst krümmen und dabei in die Länge gezogen würde.

Komischerweise schienen alle Lebensfunktionen nach wie vor zu funktionieren. Dann waren wir anscheinend durch. Meine Wahrnehmung normalisierte sich wieder, alles sah aus wie immer, zumindest innerhalb des Schiffes. Dann begann ich zu schreien. Im Unterbewusstsein registrierte ich, dass es den Anderen nicht besser erging. Ich musste die Feldoptiken der Außenbordbeobachtung ausschalten, sonst würden wir wahnsinnig werden.

Mit letzter Kraft fixierte ich die Kontrollen der Umgebungskameras, dann schloss ich die Augen und presste die Fäuste auf die Augenhöhlen. Mit tapsigen Schritten bewegte ich mich auf die Kontrollen zu. Schließlich stieß ich mit dem Knie an eine Kontrollkonsole. Mit einer Hand versuchte ich, die Steuerung zu lokalisieren. Dann schlug ich zu. Ein scharfer Schmerz durchzuckte meine Hand, doch das Schreien um mich herum wurde zu einem Wimmern. Vorsichtig öffnete ich die Augen. Der Wahnsinn war vorüber.

Nur die Überlichtortung arbeitete noch und gab ein Bild der unmittelbaren Umgebung wieder. Doch auch hier stimmte einiges nicht, es war, als ob die Reichweite auf wenige Lichtjahre beschränkt wäre. Alles was weiter entfernt war, wurde nur als surrealistische Form wiedergegeben. Doch die Realität der unmittelbaren Umgebung war bedrückend genug. Der DOLAN war uns gefolgt und hing an uns, wie ein Menetekel des Untergangs. Umsonst, alles war umsonst gewesen!

»Was nun, Jonathan, was können wir nun noch tun?«

»Nichts, absolut nichts«, war meine entmutigende Antwort, während ich versuchte, Elyn zu beruhigen.

Plötzlich war uns, als ob wir die Anwesenheit eines mächtigen Wesens spüren würden. Mit vor Überraschung geweiteten Augen blickten wir uns an. Die Stimme schien den ganzen Raum zu füllen, doch niemand war zu sehen.

»Habt keine Furcht, alles wird sich zum Guten wenden. Aber ihr müsst diese Existenzebene sofort verlassen, ihr seid für dieses Kontinuum noch nicht bereit.«

»Ich glaube, ich fange an zu halluzinieren!«, bemerkte ich verdutzt.

»Jonathan Andrews, ich mag deine Art, deine jugendliche Unbekümmertheit. Bewahre sie, du wirst sie brauchen, denn ihr steht erst am Anfang eures Weges.«

Mir war dabei, als würde mir eine imaginäre Person wie einem kleinen Jungen über den Kopf streicheln. Dann fuhr die Stimme fort: »Elyn, Tochter des zur Unsterblichkeit Verdammten, du hast ein kostbares Geschenk erhalten. Nutze es und gehe deinen Weg ohne Zaudern. Bewahre die Reinheit deines Herzens, denn Liebe ist stärker als alle Mächte der Finsternis. Ich kann euch helfen, da ihr euch aus Sorge um das Leben in Gefahr begeben habt und die Mächte der Finsternis das Gleichgewicht des Universums bedrohen. Aber der Weg, den ihr gehen werdet, ist eure alleinige Entscheidung!«

Irgendwie kam ich mir total verarscht vor. Es war mir klar, dass wir irgendeiner komischen Entität gegenüberstanden, die in Rätseln und Metaphern sprach – wie immer. Warum konnten die nicht wenigstens einmal Klartext reden?

»Gehörst du zu den Kosmokraten oder bist du ESTARTU und hast dich endlich dazu entschlossen, uns zu helfen?«

Ein amüsiertes Gelächter war die Antwort.

»Hast du tatsächlich den Eindruck, dass ich zu jenen Puppenspielern gehöre, die sich in maßloser Selbstüberschätzung selbst als Hohe Mächte bezeichnen? Ich bin viel weniger und gleichzeitig unendlich mehr als sie, deshalb fürchten sie uns!«

Dann, nach einer kleinen Pause, in der die Stimme ernst und traurig wurde: »Was deine Frage nach meiner kleinen Freundin ESTARTU angeht: Sie ist in Gefilden gefangen, in denen selbst ich keine Macht mehr habe.«

Nun war es Jan Scorbit, der erstaunt fragte: »Ein Hohes Wesen gibt zu, dass seine Macht begrenzt ist? Seid ihr nicht die Götter des Universums?«

»Wir sind keine Götter, nur Wesen, deren Evolution unendlich weit fortgeschritten ist. Götter? Vor unzähligen Äonen, als ich noch an einen Körper gebunden war, glaubte auch ich an einen Gott. Wenn es ihn tatsächlich geben sollte, dann ist ihm seine Schöpfung gewaltig daneben geraten. Überall nur Tod und Leid. Liebe und gegenseitige Achtung unter den Wesen des Universums sind die Ausnahme. Deshalb sind Wesen wie ihr auch so wertvoll, denn ihr verkörpert die Hoffnung! Doch nun müsst ihr gehen, denn eure Anwesenheit auf dieser Ebene stört das Gleichgewicht.«

Elyn hatte bis jetzt still das Gespräch verfolgt.

»Eine letzte Frage hätte ich noch. Du hast davon gesprochen, dass die Hohen Mächte uns fürchten, was hast du damit gemeint?«

Wieder war ein amüsiertes Lachen zu hören.

»Elyn, Tochter des Eorthor, deinem scharfen Verstand entgeht wohl nichts! Habt ihr euch noch niemals gefragt, warum biologisch artgleiche menschliche Rassen über das ganze Universum verteilt sind? Du könntest einmal eine Wahrscheinlichkeitsrechnung auf diese Tatsache anwenden.«

Wieder war das Lachen zu hören. Wir spürten, dass die Präsenz der unbekannten Macht schwächer wurde. Dann war es vorbei, um uns war wieder das Normaluniversum. Bevor wir irgendetwas unternehmen konnten, wurde die TERSAL durch die Auswirkungen einer gewaltigen Explosion erschüttert. Der DOLAN war während des Übergangs aus der höheren Existenzebene explodiert. Wir waren gerettet, der Weg in den Dunklen Himmel war frei.

Epilog

Kriegstagebuch USO-Kommando Etustar, 26. Februar 1307 NGZ

Wir waren am gestrigen Abend endlich aus M 87 zurückgekehrt. Die TERSAL hatte, trotz ihrer Beschädigungen, den langen Weg sicher zurückgelegt. Alles in allem war unsere Mission ein voller Erfolg, dem Paladin war es auf Rath anscheinend gelungen, die Reihen der Bestien zu infiltrieren, während Admiral Wang sein Kommando auf Point Odysseus angetreten hatte. Beides waren vielversprechende Optionen für die Zukunft.

Doch mir bereitete etwas anderes gewaltiges Kopfzerbrechen. Zum einen hatte Elyn, entsprechend der Anregung der unbekannten Entität, eine Wahrscheinlichkeitsanalyse erstellt. Das Ergebnis von weit unter einem Promille, faktisch am Nullpunkt, bewirkte wilde Spekulationen während des Fluges.

Weitaus wichtiger, zumindest im Augenblick, waren jedoch die Informationen, die wir von Druid Aflesh erhalten hatten. Unser gegenwärtiges Zweckbündnis mit den Konstrukteuren des Zentrums beruhte auf völlig falschen Prämissen. Die Informationen waren so brisant, dass ich sie in die höchste Sicherheitsstufe einstufte. Sobald wir wieder Kontakt mit der Heimatgalaxis haben würden, mussten Perry Rhodan und Monkey umgehend informiert werden. Bis zu diesem Zeitpunkt würde ich dafür sorgen, dass diese Informationen unter Verschluss bleiben würden. Niemand, absolut niemand durfte davon erfahren.

Torrinos, Shenia Drenia und Waldron Tragonar haben uns übrigens verlassen, um in M 100 den Widerstand gegen Commanus aufzubauen. Wir haben zwar dadurch wichtige Freunde verloren, aber vielleicht können sie, mit der Unterstützung durch Arimad, auch im dorgonischen Kaiserreich die endgültige Wende einleiten.

Jan Scorbit

ENDE

Im nächsten Roman wechseln wir nach Kemet und Cartwheel. Die USO wird wieder in Cartwheel aktiv und ES fordert alle Beteiligten auf, an einer Friedenskonferenz auf WANDERER teilzunehmen. Die Bemühungen, die durch den Ruf der Superintelligenz ausgelöst werden, schildert Jens Hirseland in Band 96:

DER RUF VON ES

DORGON-Kommentar

Die Alliierten konnten endlich erste Erfolge erringen. Stevan da Reych, einer der brutalsten Schlächter des Quarteriums, hat endlich sein verdientes Ende gefunden und in Siom Som hat sich die Situation für die Föderation Estartische Separatisten (FES) wesentlich verbessert. Selbst in M 87 erscheint die Lage nicht mehr ganz aussichtslos.

Für die weitere Entwicklung ergibt sich eine völlig neue Konstellation, denn wie es scheint, beginnt eine unbekannte Entität in die Auseinandersetzungen einzugreifen.


Und nun wieder zu unserer Artikelfolge über das Zyklische Universum. In unserem heutigen Beitrag beschäftigen wir uns mit der Quantentheorie, von der die moderne Kosmologie letztendlich die Notwendigkeit eines Multiuniversums abgeleitet hat.

Jürgen Freier

Quantentheorie I

Die Quantentheorie beruht auf einer Reihe seltsamer Prinzipien (Unschärfe, Wahrscheinlichkeitswelle, Dualität) und Erscheinungen (Energiequantelung, Quantenvakuum, Tunneleffekt, Superfluide, Casimir-Effekt), die unserem normalen Denken in Ursache- und Wirkungszusammenhängen völlig entgegengesetzt sind.

Dennoch bzw. gerade aus diesem Grunde ist sie im atomaren und subatomaren Bereich augenblicklich die einzige Theorie, welche wenigstens ansatzweise verifizierbare Beschreibungen der atomaren Prozesse und Phänomene liefert. Aus diesem Grunde geht man heute vom wissenschaftstheoretischen Standpunkt davon aus, dass die Quantentheorie sich inzwischen als brauchbares Modell bewährt hat.

Das Hauptproblem der Quantentheorie liegt darin, dass sie konzeptionell völlig anders ist, als alle anderen kosmologischen Modelle. Für ihr Verständnis ist ein hohes Maß an Abstraktionsvermögen notwendig, das dazu noch allen vermeintlichen Erfahrungswerten unserer natürlichen Umwelt widerspricht. Jedoch, und das sei hier nochmals hervorgehoben, revolutioniert sie unsere gesamte Auffassung der Natur und der sie gestaltenden Naturgesetze.

Auf einen, zugegeben winzigen, Nenner gebracht, behauptet sie nicht mehr und nicht weniger, dass es keinerlei objektiv nachprüfbare Naturgesetze gibt, sondern im Gegenteil, dass diese erst durch den Versuch eines objektiven Nachweises geschaffen werden. In der Quantentheorie bezeichnet man diesen Effekt als Unschärfe oder Unschärferelation.


Unschärferelation

Der Unschärferelation liegt die Auffassung zugrunde, dass bereits die Beobachtung das beobachtete System beeinflusst und dessen Zustand ändert. Was damit ausgesagt wird, kann man veranschaulichen, wenn man bedenkt, dass zu jeder Beobachtung Testteilchen (z. B. Photonen, also Licht) benötigt werden, die mit der zu beobachtenden Probe in Interaktion treten. Der Beobachter interpretiert dann die Veränderungen der Testteilchen (also des Lichtes) als Veränderung der Probe. Im atomaren und subatomaren Bereich kommt es nun dazu, dass die Testteilchen die Probe beeinflussen! Diese Wechselwirkung zwischen »beobachtenden und beobachteten Teilchen« wird in der Quantentheorie als Unschärferelation bezeichnet.

GLOSSAR

Der neue Paladin

Im Rückgriff auf alte, bewährte Technologiekonzepte des Solaren Imperiums und der alten USO, begann Monkey, der Chef der Neuen USO, nachdem er das Quarterium als prinzipiell gefährlich eingestuft hatte, diese Konzepte auf ihre Wirksamkeit unter den Bedingungen des 14. Jahrhunderts NGZ zu überprüfen. Der ursprünglich in M 87 entwickelte neue Paladin stellt ein Ergebnis dieser Forschungen dar.

Genau genommen wurden bei der Entwicklung des neuen Paladin die Konzepte des Vario 500 mit dem alten Paladin kombiniert. Dazu kam noch die völlig neue Konzeption einer autarken Plasma-Positronik, die auf der Zusammenarbeit zwischen dem Zentralplasma und dem halutischen Wissenschaftler Blo Rakane beruhte. Durch die neue Technik war der Paladin nur noch bedingt als Roboter einzustufen. Eigentlich stellte er einen Posbi dar, der gleichzeitig als Trägerkörper für ein siganesisches Einsatzkommando diente. Dieses konnte über eine spezielle, an die Bedürfnisse der Siganesen angepasste SERT-Steuerung, den Handlungskörper steuern.

Ebenfalls eine absolute Neuentwicklung stellte die Pseudo-Variable-Kokonmaske dar, deren biosynthetisches Material ähnliche Eigenschaften wie das Körpergewebe eines Haluters aufwies. Durch dieses Material konnte der Paladin auch biologisch nicht als künstliches Lebewesen enttarnt werden. Ansonsten waren die Körperproportionen weitgehend einer Bestie des eingeschlechtlichen Typs nachgebildet. Darüber hinaus kamen noch eine Reihe von Techniken zum Einsatz, die von der Neuen USO als absolut geheim eingestuft wurden.


Tsi Ku Wang

Geboren: 27.10.1242 NGZ

Geburtsort: Xiangfan, Provinz Zentralchina, Terra

Größe: 1,76 Meter

Gewicht: 78 Kilogramm

Augenfarbe: schwarzbraun

Haarfarbe: wahrscheinlich schwarz (glatt rasierter Kopf)

Bemerkungen: Tsi ist stets beherrscht. Er vertritt eine eiserne Disziplin, stellt hohe Anforderungen an sich und seine Untergebenen. Darüber hinaus gilt er als taktisches Genie.


Tsi Ku Wang ist der letzte Nachkomme einer uralten chinesischen Familie, die ihre Herkunft bis zu den Triaden des alten chinesischen Kaiserreiches zurückverfolgen kann. Seine Vorfahren dienten im Solaren Imperium und der LFT oft in führenden Funktionen innerhalb der Flotte. Innerhalb der LFT ist Wang zuletzt Kommandeur der Wachflotte Sol, bis er 1286 NGZ von Paola Daschmagan in den Zwangsruhestand versetzt wird, da er ein umfassendes Aufrüstungsprogramm fordert. Die folgenden Jahre verbringt er auf dem Familiensitz seiner Vorfahren in Xiangfan, wo er sich mit unbekannten Forschungen beschäftigt.

1296 NGZ folgt er dem Ruf DORGONs nach Cartwheel, wo er Joak Cascal kennenlernt und mit ihm zusammen die Flotte des Terrablocks aufbaut. Cascal ernennt ihn zu seinem Stellvertreter und Stabschef.

Nachdem Cascal 1298 NGZ ins Koma gefallen ist, dient er unter dem neuen Oberbefehlshaber Cauthon Despair. Dieser versteht es, ihn innerhalb der Flotte nach und nach von allen Entscheidungen zu isolieren und schiebt ihn schließlich, nach Gründung des Quarteriums, als Leiter der quarterialen Militärakademie Redhorse Point ab.

Ende 1306 NGZ wird er wieder im Rang eines Konteradmirals reaktiviert, da das Quarterium durch den beginnenden Zweifrontenkrieg einen Mangel an fähigen Führungsoffizieren hat. Ein von ihm im Februar 1307 NGZ geführter Geleitzug wird durch einen Angriff von Spezialstreitkräften der USO in Siom Som fast völlig aufgerieben. Wang folgt seinem Gewissen und kapituliert.

Im Dunklen Himmel wird er von Xavier Jeamour und Jan Scorbit über die wahren Hintergründe der Artenbestandsregulierung aufgeklärt und tritt zur USO über. Ende Februar 1307 NGZ erreicht er Point Odysseus, den letzten Geheimstützpunkt der USO in M 87, um die Einsatzplanung der sich im Aufbau befindlichen SAPHYR-Flotte zu übernehmen.


Arkonidische Rauschgifte

Asturel

Das Asturel ist ein illegales arkonidisches Aufputschmittel, welches dem Konsumenten für einige Stunden stark erhöhte Leistungsfähigkeit, verbesserte Sinneswahrnehmung und gesteigerte Libido garantiert.

Eyemalin

Exotisches, astronomisch teures und somit entsprechend schwer zu beschaffendes Rauschgift, das zwar Reflexe und Sinneswahrnehmungen schärft, aber körperlich und psychisch abhängig macht. Hauptnebenwirkung ist die mit der übersensiblen Sinneswahrnehmung verbundene Gefahr der Reizüberflutung in extremen Stresssituationen. Eyemalin-Süchtige schlafen wenig und erbringen dennoch körperliche Höchstleistungen. Sie verkürzen aber auch ihr Leben in einem übersteigerten Alterungsprozess, der nach außen hin nicht sichtbar ist, innerlich den Betreffenden aber regelrecht ausbrennt.


Seychul

Geboren: 1200 NGZ

Geburtsort: M 87

Größe: 2 Meter

Gewicht: 150 Kilogramm

Merkmale: vom Volk der Dumfries, großer Patriot und Krieger mit Leib und Seele


Seychul ist der Oberbefehlshaber der druithorianischen Flotte. Er ist ein reaktionärer Militarist, der nur seine Linie durchzieht. Für Seychul zählt der Sieg, nicht, wie man diesen erreicht. Seychuls Gesinnung kann man als Anti-Bestien-Haltung bezeichnen. Seychul, der ein Anhänger von Carjuls Ideologie war, verabscheut die Bestien. Zum Zeitpunkt der quarterialen Offensive am 1. September 1306 NGZ ist Seychul Oberbefehlshaber der Heimatstreitkräfte. Im November 1306 NGZ stirbt er während der Schlacht um Monol.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2017

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 95, veröffentlicht am 5.03.2017 —

Titelillustration: John Buurman • Innenillustrationen: Heiko Popp

Lektorat: Alexandra Trinley • Digitale Formate: René Spreer