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Band 83

Quarterium-Zyklus


Die Saggittor-Offensive

Jenmuhs greift nach dem Rest Cartwheels


Jens Hirseland & Michael Berg



Was bisher geschah Hauptpersonen des Romans
Es herrscht Krieg im Jahre 1306 NGZ. Es ist knapp ein Jahr her, seitdem das dorgonische Sternenreich die estartischen Galaxien, allen voran Siom Som, überfallen und besetzt hat.

Um den Not leidenden Völkern zu helfen, entsendet Perry Rhodan zusammen mit der Saggittonischen Republik USO-Agenten nach Siom Som. Niemand ahnt, dass bereits zu diesem Zeitpunkt MODRORs Söhne des Chaos das Quarterium kontrollieren und nur auf einen Fehler Rhodans warten.

Aufgrund des Paktes zwischen Dorgon und dem Quarterium greift das I. Estartukorps des Imperiums in Cartwheel zugunsten der Dorgonen in Siom Som ein, als Saggittor nun offiziell in den Krieg gegen Dorgon eintritt.

Auch in Cartwheel droht ein Konflikt zwischen Saggittor und dem Quarterium.

Das Quarterium stellt die Linguiden durch Intrigen und Hinterlist als Verbrecher und Terroristen dar und nimmt dies als Anlass, um mit den Reichsgegnern aufzuräumen. Einer davon ist die USO, die vernichtet werden soll. Darüber hinaus plant das Quarterium einen weiteren Krieg und bereitet DIE SAGGITTOR-OFFENSIVE vor …
Pace Joharr, Jaaron Jargon – Die Linguiden sind die perfekte Falle.

Akaho da Purok – Der Spezialist der USO soll Joharr befreien.

Rosan Orbanashol-Nordment – Die Leiterin der USO in Cartwheel muss ihre Organisation retten.

Werner Niesewitz, Reynar Trybwater – Die CIP-Führung verfolgt einen perfiden Plan.

Emperador de la Siniestro – Der Spanier muss sich endgültig entscheiden.

Nataly Andrews, Kathy Scolar – Die beiden Frauen versuchen, Jaaron zu befreien.

Cauthon Despair, Uwahn Jenmuhs – Das Oberkommando der Offensive.

General Red Sizemore – Der terranische General überzeugt durch seine geniale Strategie.

Terz da Eskor, Orlando de la Siniestro – Die Flottenadmiräle leiten die Schlacht an der Front.

Rauoch, Mirus Traban – Die Regenten der angegriffenen Republiken.

Arif Chul – Der Oberste Galorne sieht nur noch einen Ausweg.

1. In der Hölle der Katze

Nun war es soweit. Er war endlich nach Lingus versetzt worden. Dank der Papiere und diverser Manipulationen seiner Freundin Falbela hatte es keine Schwierigkeiten gegeben. Offiziell bekleidete er den Rang eines Obersten im Generalstab des Flottenkommandos, der auf Lingus an der Planung der neuen Freizeiteinrichtungen für Flottenangehörige beteiligt werden sollte.

Falbela hatte ihm gleich, nachdem er sie eingeweiht hatte, von diesem geheimnisumwitterten Projekt erzählt. Es war geradezu ein Wink des Schicksals, dass ausgerechnet sie die persönliche Assistentin des kommandierenden Admirals Jasor da Isaak war und beauftragt wurde, ein spezielles Team zusammenzustellen, um die geplanten Freizeiteinrichtungen auf Lingus zu evaluieren.

Für den gestrigen Tag war eine Inspektionsreise in ein sogenanntes Internierungslager angesetzt gewesen, wo man ein erstes Modell der geplanten Anlagen vorführen wollte. Ein schmierig grinsender CIP-Kommandeur hatte ihm mit einer eindeutigen Geste erklärt, dass die Benutzung der Modelleinrichtungen für die Mitglieder der Kommission natürlich kostenlos wäre.

Es schüttelte ihn immer noch, als er an die »Vorführung« zurückdachte. Rosan hatte recht gehabt. Das waren keine Menschen mehr, die sich so etwas ausgedacht hatten. Das waren sadistische Monster, die mit allen Mitteln bekämpft und ausgerottet werden mussten.

Und für den morgigen Tag war eine Demonstration des Straflagers angesetzt. Straflager! Wenn er sich nur vorstellte, was für Teufeleien sich hinter diesem Begriff verbergen könnten, dann hätte er seine Mission am liebsten abgebrochen. Aber er musste seine Rolle weiterspielen, er hatte immer noch keine Informationen über den Aufenthaltsort Pace Joharrs erhalten.

9. Februar 1306 NGZ, Lingus

Der Chef der CIP war am Vormittag auf Lingus eingetroffen. In seiner Begleitung befanden sich der Minister für die ABR, Reinhard Katschmarek und der neu ernannte Sonderbeauftragte ABR-Cartwheel, Oberst-Kommandeur Reynar Trybwater. Niesewitz war bester Laune. Zum einen war es ihm am Vorabend gelungen, seinen alten Kumpel Katschmarek unter den Tisch zu saufen, und zum anderen hatte die Spanierin genauso reagiert, wie er es vorausgesagt hatte. Wie leicht war dieses Weib doch zu berechnen! Er beziehungsweise Trybwater drehte an ein paar Schaltern und schon erhielt man das gewünschte Ergebnis. Und er war nur einem besonderen Wunsch des Emperadors und seiner geliebten Tochter nachgekommen.

Zusammen mit Katschmarek und Trybwater betrat er gegen zehn Uhr den Verwaltungskomplex des StraLa-1. Der Lagerkommandant zeigte ihnen in einem kurzen Rundgang das Lager und auch den Sondergefangenen. Niesewitz interessierte sich für das Lagerpersonal und ließ sich die entsprechenden Personalakten kommen. Mäßig interessiert überflog er die Angaben. Auch hier hatte man sich an seine Vorliebe für gedruckte Informationen gehalten. Er vertraute seiner Intuition beim Lesen, sie hatte ihn oft weiter gebracht als alle neumodischen Datensysteme.

Schließlich warf er die ganzen Papiere achtlos beiseite. Hier würde er bestimmt nichts finden. Wo war der verdammte USO-Agent? Er war sich sicher, dass die USO versuchen würde, Joharr zu befreien. Und dann fiel sein Blick auf einige Arkoniden, die gerade aus einem Gleiter stiegen. Interessiert beobachtete er die Gruppe.

»Bezirks-Kommandeur, wer sind denn die?«, wandte er sich in scharfem Ton an den neben ihm stehenden Lagerkommandanten. Dieser zuckte zusammen und erklärte hastig: »Marschall, dies ist eine Kommission des arkonidischen Flotten-Kommandos auf Bostich, die auf besonderen Wunsch des Gos’Shekur unsere geplanten Lagereinrichtungen inspizieren soll.«

In Niesewitz schrillten die Alarmglocken. »Wurde eine spezielle Sicherheitsüberprüfung vorgenommen?«, bellte Trybwater. »Nein, Oberst-Kommandeur. Man hat die gesamte Kommission bereits auf Bostich für unbedenklich erklärt.« Niesewitz schaltete sich wieder ein: »Ich möchte sofort alle Personalakten dieser Kommission vorgelegt haben. Und halten sie diese Bande hin. Ich will, dass sie zusammenbleiben und auf Schritt und Tritt überwacht werden.« Der Bezirks-Kommandeur wurde kreidebleich und hastete davon, um die gewünschten Unterlagen zu holen.

»Das darf doch nicht wahr sein! Da habe ich ein wunderbar feinmaschiges Netz ausgelegt, um unseren USO-Agenten zu fangen, und dann kommen diese Arkoniden und durchbrechen so mir nichts, dir nichts sämtliche Sicherheitsvorkehrungen.«

Wenig später hastete der Kommandant wieder in das Verwaltungsbüro. Unter dem Arm hatte er eine dicke Mappe mit den Personalpapieren. »Hier Marschall-Kommandeur, das ist alles, was wir haben.« Niesewitz überflog die Akten. Nach der dritten oder vierten Seite warf er sie wütend an die Wand und brüllte: »Das ist Bullshit, reiner Bullshit! Zu nichts zu gebrauchen!«, und nach kurzer Überlegenspause, »Was haben die Herren Arkoniden eigentlich gestern gemacht?«

»Nun, sie bekamen die Gelegenheit, unsere neuen Freizeiteinrichtungen zu testen.«

»Das volle Programm?«

»Aber natürlich, sie haben nichts ausgelassen!«

»Das ist gut. Aber sagen Sie mir nun ja nicht, dass die Überwachungssysteme ausgeschaltet waren.«

Der Bezirks-Kommandeur wurde nun sichtlich ruhiger. »Aber natürlich nicht! Wir haben alles!«

»Dann bringen Sie mir sofort ein Abspielgerät und die entsprechenden Aufzeichnungen.«

Wenig später war das Gewünschte eingetroffen. Nachdem die Kristallspeicher eingelegt waren, wurden die Aufnahmen mit erhöhter Abspielgeschwindigkeit durchlaufen. Wieder verließ er sich nur auf seine Intuition. Und plötzlich stoppte er den Durchlauf und rief die Kennung des Datensatzes ab, danach nochmals den Datensatz mit normaler Geschwindigkeit. Schließlich schaltete er das Gerät aus und ließ sich zufrieden auf einen Stuhl fallen.

»Kommandeur, können Sie mir mal aus den Akten da unten die Unterlagen eines gewissen Oberst Rokalo de Percur heraussuchen. Unser kleines USO-Mäuschen ist uns in die Falle gegangen.«

»Sofort erschießen, das Schwein!«, brüllte Reinhard Katschmarek, der Minister für die Artenbestandsregulierung.

»Aber nein, Reinhard, du würdest mir meinen ganzen schönen Plan kaputtmachen. Wer tot ist, kann nicht mehr reden, geht das denn nicht in dein Spatzengehirn? Bin ich hier eigentlich nur von Idioten umgeben? Im Gegenteil, dass mir ja niemand unserem Mäuschen zu nahe kommt! Nur unauffällige Fernüberwachung!«

Trybwater sah seinen Chef fragend an. Sein Gesichtsausdruck besagte, dass er nicht verstand, anhand welcher Indizien Niesewitz den Arkoniden als USO-Spezialisten enttarnt hatte. Mit einem selbstgefälligen Grinsen ließ der die Aufnahmen der Überwachungskamera nochmals ablaufen.

»Oberst, Ihrem fragenden Gesicht entnehme ich, dass Ihnen nicht klar ist, warum gerade dieser Percur unser Mäuschen sein soll. Schauen Sie sich diese Aufnahmen genau an und vergleichen Sie das Verhalten dieses Arkoniden mal mit dem seiner Kollegen.«

Trybwater verfolgte das Schauspiel auf dem Bildschirm. Bald hellte sich sein Gesichtsausdruck auf.

»Ich hab’s, Marschall. Dieser de Percur verhält sich im Vergleich mit den anderen Arkoniden absolut unnatürlich. Man hat fast den Eindruck, als widere ihn regelrecht an, was er da tut. Besonders deutlich wird das gegen Ende der Aufnahme. Da nimmt er sogar diese linguidische Schlampe in den Arm und streichelt ihr Gesicht, als ob er sie trösten wollte.«

»Ganz genau, Oberst! Sie haben es erkannt. Das ist typisch für diese verstiegenen Idealisten. So gut sie auch sein mögen, wenn es an das Eingemachte, an ihre sogenannten Ideale von Menschenwürde und Humanität geht, dann ist es aus. Dann wird ihre Maske durchsichtig. Und deshalb merken Sie sich: Schwein bleibt Schwein und edler Idealist bleibt eben edler Idealist!«

Niesewitz vertiefte sich wieder in einige Personaldossiers, die er kurz zuvor achtlos zur Seite geworfen hatte. Immer wieder verglich er Percurs Dossier mit den Unterlagen anderer Kommissionsmitglieder. Nach etwa zehn Minuten lehnte er sich zufrieden zurück.

»Dachte ich es mir doch. So gerissen wie die bin ich schon lange!«, murmelte er. Und dann warf er Trybwater einige Dossiers zu.

»Führen Sie sich mal diese Machwerke zu Gemüte. Und dann berichten Sie mir, ob Ihnen etwas auffällt«, und zu Katschmarek gewandt, »du kannst dich auch nützlich machen, bring was Ordentliches zu saufen. Das hab ich mir gerade mehr als verdient.«

Wenig später kam Katschmarek mit einer Flasche und drei Gläsern zurück, die er bis zum Rand füllte. Genussvoll schütteten die beiden den Schnaps in ihre Kehlen und machten dreckige Witze, während Trybwater nur an seinem Glas nippte. Schließlich blickte er auf.

»Ich glaube, ich hab es gefunden. Sie sind einfach genial, Marschall! Ohne Ihren Hinweis hätte ich das glatt überlesen.«

»Na, dann berichten Sie. Mal sehen, ob ich aus Ihnen noch einen anständigen Geheimdienstmann machen kann.«

»Nun, es ist so: Diese verdammte Kommission wurde von einer gewissen Falbela da Lorgon zusammengestellt, ihres Zeichens die persönliche Assistentin von Admiral Jasor da Isaak. Soweit ist alles unverdächtig. Mit einer einzigen Ausnahme sind alle Mitglieder schon mehrfach innerhalb Cartwheels eingesetzt worden und haben sich dabei ausgezeichnet. Die Empfehlungen sind durch die jeweiligen kommandierenden Offiziere abgesegnet.

Nur bei unserer Ausnahme ist es anders. Das sieht aus, als ob unsere Freunde von der USO improvisieren mussten. Percur hat keine entsprechende Karriere innerhalb Cartwheels vorzuweisen. Nein, seine Empfehlungen beziehen sich ausschließlich auf das Kristallimperium, sind also für uns schlecht nachzuprüfen. Und als i-Tüpfelchen segnet diese blöde Kuh die Empfehlung noch persönlich ab: Mit besonderer Empfehlung Admiral da Isaaks, gezeichnet Falbela da Lorgon! Wie kann man nur so blöd sein? Halten die uns für Dilettanten? Nun, liege ich richtig, Marschall?«

»Genau das ist es, Oberst! Aber Sie sollten nicht überheblich werden. Ohne meine Hinweise wäre Ihnen das wohl nie aufgefallen. Aber lassen wir das. Und nun will ich sehen, wozu Sie tatsächlich fähig sind. Ich möchte, dass Sie diese da Lorgon auf Bostich verhaften und dann hierher bringen. Es wäre interessant, mal einige der kleinen Gemeinheiten, die uns in unserem Straflager zur Verfügung stehen, an einem interessanten Objekt zu testen.

Damit wir uns richtig verstehen, Oberst-Kommandeur: Ich erwarte, dass dieses arkonidische Miststück morgen angeliefert wird und zwar ohne, dass auf Bostich die verdammten Arkoniden einen Aufstand machen. Weder Jenmuhs noch sonst ein Arkonide wird über diese Aktion informiert. Das ist allein unsere Sache. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

»Gewiss, Marschall-Kommandeur. Sie können sich auf mich verlassen.«

»Genau das hoffe ich.«

*

Ein schmieriger Terraner holte uns ab. Zuvor bekam jeder einen Sicherheitschip, den man, und das betonte dieser Terraner besonders, während des Aufenthaltes im Lager niemals ablegen durfte. Auf die Frage eines Kommissionsmitgliedes, wozu das denn gut sein sollte, antwortete dieser, dass das Straflager ein Hochsicherheitsbereich sei und nur der Chip uns davor schütze, Bekanntschaft mit einigen unangenehmen Sicherheitseinrichtungen zu machen, was sehr schmerzhaft und gefährlich werden würde.

Danach betraten wir einen lang gestreckten Gebäudekomplex, der allein durch die dicken, fensterlosen Stahlplastwände einen äußerst bedrohlichen Eindruck machte. Über einen mit unbekannten Gerätschaften bestückten Antigravschacht ging es nach unten. Dabei kam es zu einem Unglücksfall, der einem meiner Begleiter das Leben kostete. Dieser schien die Warnung des Terraners nicht ernst genommen zu haben und ließ den Chip fallen. Darauf wurden die unbekannten Gerätschaften aktiv. An der Position, an der er sich gerade befand, wurde ein Vibrationsfeld aufgebaut, das ihn regelrecht in Stücke hackte. Unser Begleiter bemerkte nur: »Wer nicht hören will, muss fühlen.«

Wenig später hatten wir den Zellentrakt erreicht. Ein finster wirkender Überschwerer mit nacktem Oberkörper und einer fleckigen Hose erwartete uns. Der Terraner verabschiedete sich mit den Worten: »Nun überlasse ich die Herrschaften der Obhut von Spezial-Agent Robushar, der Ihnen alles erklären wird. Anschließend haben Sie die Gelegenheit, die Einrichtung an einigen ausgewählten, besonders aufsässigen Objekten selbst zu testen. Aber vorher empfehle ich Ihnen, die Kleidung zu wechseln. Ansonsten, und das garantiere ich Ihnen, sind Ihre schönen, weißen Paradeuniformen nur noch für den Müll brauchbar.«

*

Zur gleichen Zeit in der Überwachungszentrale des StraLa-1: Niesewitz und Katschmarek saßen vor der Holowand und beobachteten die »Testversuche« der Arkoniden. Katschmarek hatte wieder eine Schnapsflache mitgebracht, die sie zwischen sich kreisen ließen. Mit unflätigen Bemerkungen, zynischen Vergleichen und anfeuernden Rufen kommentierten sie die Aktionen, die aus den einzelnen Zellen übertragen wurden.

Dann schaltete Niesewitz auf die Zelle, die man Rokalo de Percur zugewiesen hatte. Interessiert verfolgten beide das Geschehen. Schließlich schaltete Katschmarek mit einem Fluch die Bildschirme ab.

»Ich halt das nicht länger aus, Werner. Hast du für mich nicht auch so ein kleines, niedliches Versuchsobjekt? Ich hab einen Druck in der Hose, ich glaube, ich platze gleich.«

Niesewitz antwortete nicht, sondern nahm die Schnapsflasche und kippte den Rest über Katschmareks Kopf.

»Wie blöd bist du eigentlich, Reini? Hast du das bisschen Verstand, das dir geblieben ist, jetzt vollständig versoffen? Weißt du eigentlich, wo wir hier sind? Mitten auf dem Präsentierteller! Geh da hinunter und melde dich bei diesem Überschweren. Der steht übrigens auf Leticrons Gehaltsliste. Und du kannst sicher sein, dass der alles, was er hier erfährt, brühwarm dem pariczanischen Sicherheitsdienst weitergibt. Und danach landet alles natürlich bei Jenmuhs auf Bostich. Legst du wirklich Wert darauf, dass deine Vorlieben überall bekannt werden? Dann geh! Aber für mich bist du nicht mehr zu gebrauchen.«

»Entschuldige Werner, daran habe ich nicht gedacht. Es war nur, dass ich …«

»Seit wann kannst du denn überhaupt denken? Wir machen es wieder wie früher. Ich bin der, der für uns beide denkt, und du bist meine Hand fürs Grobe. Und glaub mir, Reini, ich bin hier erst am Anfang.«

Die Mäuse in den Fängen der Katze

Gegen sechs Uhr am nächsten Morgen wurde Niesewitz durch ein Interkomsignal geweckt. Eine kurze Nachricht Trybwaters teilte ihm mit, dass das Mäuschen eingetroffen sei. Er wusch sich das Gesicht und kämmte die kurzen Haare durch. Seine äußere Erscheinung war wichtig. Der allmächtige Chef der CIP erschien niemals unausgeschlafen oder verkatert. So signalisierte er eiserne Disziplin und Selbstbeherrschung gegenüber seinen Untergebenen. Nachdem er die schmucklose Uniform angelegt hatte, musterte er sich kurz im Spiegel. Dann verließ er sein Quartier und stieg in seinen Gleiter.

Das unscheinbare Gebäude lag abseits des Lagerkomplexes. Er parkte und ging hinein. Dann ging es in die Tiefe. Etwa zehn Meter unter der Oberfläche waren umfangreiche Anlagen bis in den nahen Gebirgszug getrieben worden, die jedoch noch weitgehend unausgebaut waren. Die Räumlichkeiten wirkten kahl. Bis auf einige Räume im Zentrum der Anlage und einen kleineren Torbogentransmitter war noch nichts eingerichtet. Mit raschen Schritten eilte er zu einem geparkten Personen-Gyro, den er durch die leeren Gänge ins Zentrum steuerte. Trybwater erwartete ihn schon und wollte zur gewohnten Meldung ansetzen. Doch der CIP-Chef winkte ab.

»Ich bin mit Ihnen sehr zufrieden, Trybwater. Das war hervorragende Arbeit. So nebenbei müssen wir uns mal genauer darüber unterhalten, was Sie in Ihrer Zeit als Mitglied des Liga-Dienstes der LFT so alles getrieben haben. Soweit ich es bisher beurteilen kann, müssen Sie eine hervorragende Ausbildung genossen haben.«

»Das stimmt, Marschall, aber man hat meine Fähigkeiten nicht mehr gewollt. Ich …«

Niesewitz unterbrach den Redefluss: »Später Reynar, jetzt habe ich keine Zeit für alte Geschichten.« Mit diesen Worten klopfte er Trybwater auf die Schulter. »Lassen Sie uns nach Ihrem Mäuschen sehen. Ich hoffe, es ist unversehrt und gut verwahrt!«

»Aber natürlich, Marschall, ich bin doch kein Stümper! Kommen Sie mit, das Mäuschen ist wirklich äußerst niedlich.«

Niesewitz folgte Trybwater in eine der bereits eingerichteten Kammern. Mitten im Raum schwebte eine nackte Arkonidin in einer Haltung, die einem X glich. Die Augen in ihrem schmalen Gesicht waren geschlossen.

»Ich habe ein Fesselfeld benutzt, um keine Spuren an den Hand- und Fußgelenken zu hinterlassen, falls wir sie nochmals der Öffentlichkeit vorführen wollen. Zurzeit befindet sie sich im Land der Träume, die übrigens nicht sehr angenehm sein dürften, ich habe der Schlafinjektion einige Psychodrogen beigemischt, die ihre Ängste potenzieren. Wenn wir sie brauchen, können wir sie innerhalb von fünf Minuten in die Wirklichkeit zurückholen.«

»Ich habe mich in Ihnen nicht getäuscht, Sie entwickeln Phantasie. Genau so jemanden brauche ich an meiner Seite. Sie haben unser Mäuschen wirklich gut untergebracht – jetzt müssen wir nur noch ihren Mäuserich fangen.«

Mit diesen Worten verließ Niesewitz den Raum, Trybwater folgte ihm.

*

Ich wache schweißgebadet auf. Mein Kopf fühlt sich an, wie wenn eine Herde Goldan darauf herumtrampelt hätte. Was ich gestern erlebt habe, war unbeschreiblich. Ich fragte mich, wie Angehörige meines Volkes, nein – wie überhaupt intelligente und fühlende Wesen zu solchen Scheußlichkeiten fähig sein können. Ich, Akaho da Purok, schäme mich plötzlich, ein menschliches Wesen zu sein.

Was ist nur aus uns in Cartwheel geworden? Wo ist der Traum DORGONs geblieben von einer Einheit aller intelligenten Lebewesen, die auf Humanität und Würde des Individuums beruht? Vergessen, in den Dreck gestampft, zu bestialischen Gelüsten verkommen! Quarterium, dieses Wort hat seit gestern für mich eine neue Bedeutung: Schlächterreich des Teufels.

Ich muss weg von hier! Rosan, Rhodan, Atlan und alle Führer der Menschheit müssen erfahren, was das Quarterium wirklich bedeutet. Und danach werde ich Amok laufen: Zuerst werde ich diesen pockennarbigen Spanier abknallen, dann das fette Scheusal Jenmuhs in Fetzen schießen. Ich werde weitermachen, bis irgendein Strahler meinem erbärmlichen Leben ein Ende setzt.

Nein Rosan, der Zweck heiligt nicht die Mittel. Der Zweck heiligt nicht, dass ich zum sadistischen Mörder werden muss. Warum darf ich nicht einfach eine Waffe nehmen und diese sadistischen Bestien zur Hölle schicken? Joharr, wer bei Kralas ist Joharr? Ja, Rosan, ich bring dir den Linguiden. Aber danach gehöre ich nicht mehr zur USO. Danach bin ich nur noch Akaho da Purok, der Mörder.

Wie ein Automat greife ich wieder zur Flasche. Der hochprozentige terranische Schnaps rinnt mir durch die Kehle und setzt meinen Magen in Brand. Egal. Wieder setze ich die Flasche an, nehme einen zu großen Schluck, schaudere zusammen. Vergessen, ich muss die Bilder wenigstens für die nächsten Stunden vergessen. Sonst werde ich den ersten dieser Mörder, der mir über den Weg läuft, erschießen. Vergessen! Schließlich tut der Alkohol seine Wirkung: Ich werde betäubt, werde ruhiger. Ich richte meine Uniform provisorisch und verlasse den Raum.

*

An einem anderen Ort saß Niesewitz vor einem Überwachungsmonitor. Die winzige Kamera war als Hummel getarnt und schwebte über seinem Opfer. Bald habe ich dich da, wo du hingehörst. Du wirst dich noch wundern, mein idealistischer arkonidischer Freund. Der weißhaarige Mann hatte inzwischen das Tor eines düsteren Barackenkomplexes erreicht. Er schwankte leicht und griff sich immer wieder an den Kopf. Kurz zögerte er, doch dann betrat er den Eingang.

Auf diesen Moment hatte Niesewitz gewartet. Er drückte langsam einen Knopf auf dem Kontrollgerät, das er in der Hand hielt. Im gleichen Augenblick entstand im Eingangsbereich der Baracke ein gleißendes Energiefeld. Akaho da Purok fiel zu Boden wie mit einer Axt gefällt. So, jetzt habe ich auch den Mäuserich in der Falle. Er aktivierte sein Interkom: »Trybwater, bringen Sie unsere Maus in die medizinische Station. Und sorgen Sie dafür, dass man ihm die Giftzähne zieht!«

Einige Minuten später betrat er die Medostation. Zwei CIP-Ärzte beugten sich über den nackten Arkoniden. Die Medo-Assistentin tastete seinen gesamten Körper mit einem Scanner ab. Einer der Ärzte blickte kurz auf.

»Bis jetzt haben wir zwei Kapseln gefunden, eine in einem Backenzahn, eine andere unter einem Fingernagel.«

»Machen Sie ruhig weiter, Doc. Lassen Sie sich Zeit, ich habe keine Eile. Aber eines«, und hier wurde seine Stimme messerscharf, »wenn Sie nur ein kleines Spielzeug übersehen, stehen Sie fünf Minuten nach seinem Tode vor einem Erschießungskommando. Gemeinsam mit allen, die hier zuständig sind. Habe ich mich klar ausgedrückt?«

*

»So, jetzt haben wir unsere Mäuschen in der Mausefalle. Oberst, würde es Ihnen viele Umstände bereiten, sie wieder aus dem Land der Träume zurückzuholen? Ich glaube, dass einige sehr interessante und erfolgreiche Stunden vor uns liegen. Doch zuerst wollen wir unsere Medo-Kontrolleinheit anschließen. Wir wollen doch nicht, dass die Mäuschen zu früh in den Mäusehimmel kommen.«

Trybwater aktivierte eine kleine Positronik, die Körperfunktionen der Gefangenen überwachte. Niesewitz hatte durch die CIP-Ärzte einige Sonden einsetzen lassen, die eine minutiöse Kontrolle der Lebensfunktionen ermöglichten.

»Warum haben wir die Ärzte nicht hiergelassen, Marschall? Die könnten das doch viel besser.«

»Oberst-Kommandeur, Sie müssen noch viel lernen. Der Zweck der ganzen Übung ist doch, dass wir endlich die Koordinaten von Quinto erfahren. Was glauben Sie, was beispielsweise Jenmuhs dafür bieten würde, wenn er diese erhalten würde? Ich traue nur den Mitgliedern des Inneren Kreises, und, Oberst – ab heute gehören Sie dazu. Wenn wir mit dieser Geschichte fertig sind, werde ich Sie noch entsprechend einführen. Aber jetzt wollen wir anfangen, unsere Mäuschen werden so langsam wach.«

»Soll ich das Verhör durchführen?«

»Aber natürlich, ich möchte Ihre Vorgehensweise genau kennenlernen.«

»Danke, Marschall! Ich werde Sie bestimmt nicht enttäuschen!«

»Das hoffe ich, Trybwater, das hoffe ich. Denn ich habe Großes mit Ihnen vor.«

Trybwater entnahm aus einer bereitstehenden Schale nacheinander diverse Elektroden, die er an den Körpern der Gefangenen befestigte. Schließlich war er fertig. Mit einem zufriedenen Grinsen positionierte er die Gefangenen so, dass sie sich genau gegenüber befanden. Jeder konnte in das Gesicht des anderen blicken. Dann begann er.

»So – ich denke, unsere Mäuschen haben lange genug geschlafen. Ich darf mich Ihnen kurz vorstellen. Ich bin der böse, böse Kater, der die kleinen Mäuschen fressen will. Aber zuvor möchte ich, dass die Mäuschen singen. Um mich unmissverständlich auszudrücken, ich möchte die Koordinaten von Quinto. Ich habe hier ein wunderbares Steuergerät, das mit einem sogenannten Schockwellengenerator verbunden ist. Dieses kleine Instrument ist in der Lage, euch die gesamte Skala von grenzenloser Lust bis zu unsagbarem Schmerz zu bieten. Ich möchte das euch mal demonstrieren, wenn ihr erlaubt!«

Mit diesen Worten drückte er einige Bedienungselemente der Kontrolleinheit und wenig später bebten die Gefangenen vor grenzenloser Lust.

»Na, hat es euch gefallen? Und jetzt wie versprochen, die Kehrseite der Medaille.«

Unvermittelt erfüllte ein unmenschlicher Schmerzensschrei den Raum. Die Arkonidin hatte ihn ausgestoßen. Doch ihr Partner schwieg. Kein Laut kam über seine Lippen. Nur sein Gesicht glich einer hasserfüllten Fratze. Doch einige Zeit später brach er zusammen.

»Hört auf. Hört damit auf, ihr dreckigen Schlächter. Ich gebe euch die Koordinaten, aber lasst Falbela in Ruhe. Sie hat mit der ganzen Sache nichts zu tun.«

*

Kurz darauf saßen Niesewitz und Trybwater zusammen. Sie hatten eine Robotsonde ausgeschickt, um die angegebene Position zu verifizieren. Diese war so programmiert, dass die Sonde sich deaktivieren und antriebslos in den interstellaren Raum treiben sollte, wenn sich Quinto an der angegebenen Position befand. Andernfalls sollte sie zurückkommen. Während des Wartens vertrieben sie sich die Zeit, indem sie die Bilder der Überwachungskameras verfolgten. Die Stimmung wurde immer lockerer, denn Niesewitz hatte wieder eine Flasche mitgenommen, die er mit Trybwater teilte.

»Wissen Sie was, Oberst-Kommandeur, Sie passen genau zu uns. Wer zum Inneren Kreis gehört, muss saufen können. Prost!«

»Marschall, was ist denn dieser Innere Kreis? Ich hab noch nie von ihm gehört und kann mir absolut nichts darunter vorstellen.«

»Wir, Oberst-Kommandeur, wir sind die Auserwählten, die absolute Elite. Wir führen die Menschheit, besser gesagt die terranische Menschheit, wieder zurück zu ihrer kosmischen Bestimmung, die sie vergessen hat. Vielleicht erinnern Sie sich daran: Vor langer Zeit wurde uns von irgendeiner Superintelligenz prophezeit, dass wir zu den Erben des Universums bestimmt sind. Und genau das ist das Ziel des Inneren Kreises. Wir werden die Herrschaft des Menschen über das Universum ausbreiten, Sonnensystem für Sonnensystem, Galaxis für Galaxis. Und hier in Cartwheel fangen wir an. Sie werden meine rechte Hand sein. Doch davon später.«

Und schließlich war Zeit genug verstrichen. Die Sonde hatte sich nicht gemeldet. Die Position stimmte.

*

Endlich fand Niesewitz Zeit, um sich mit dem Problem Meyers zu beschäftigen. Kurz nachdem sie Lingus übernahmen, hatten seine Kommandoeinheiten die gesamte Gruppe Zero vorsorglich interniert und nach Fertigstellung der ersten Gebäude des Lagerkomplexes dort inhaftiert. Die GLORY brachte man auf ein abgelegenes Landefeld, um sie vor neugierigen Blicken zu verbergen. Zusammen mit Trybwater betrat Niesewitz den Haftkomplex und ließ Meyers Kommandeure in den Vernehmungsraum bringen.

Er nahm hinter dem schweren Schreibtisch Platz, den er kurz zuvor in den Raum hatte bringen lassen. Trybwater baute sich daneben auf.

»Sie können mit der Befragung beginnen, Oberst-Kommandeur.«

»Danke, Marschall-Kommandeur«, und dann mit eisiger Stimme an die in einer lockeren Gruppe versammelten Mitglieder der Gruppe Zero, »in einer Reihe aufstellen und nehmt Haltung an!«

Es dauerte etwas, bis die gewünschte Linie gebildet war. Trybwater hatte seinen Platz neben Niesewitz verlassen und schritt, mit auf dem Rücken verschränkten Händen, die in Reihe und Glied stehenden Kommandeure ab. Immer wieder blieb er kurz stehen und musterte jeden mit durchdringendem Blick. Und plötzlich begann er zu brüllen.

»Ihr seid also die gefürchtete Gruppe Zero, die angeblich fähigste Truppe in ganz Cartwheel. Welcher Idiot ist für diesen Saustall von Truppe verantwortlich?«

Er blieb vor dem etwas korpulenten Plophoser Josh Hondro stehen, der mit lässiger Körperhaltung in der Linie stand.

»Name und Dienstgrad?«

»Mein Name ist …«

»Sind Sie von allen guten Geistern verlassen, Mann? Ich will eine ordentliche Meldung, kein Zivilistengequatsche. Also noch mal, Name und Dienstgrad?«

Der Plophoser riss sich zusammen.

»Kommandeur Josh Hondro, Führer des 2. Zuges der Gruppe Zero, Oberst-Kommandeur.«

»So, so, Kommandeur eines Zuges wollen Sie sein? Wissen Sie, was Sie sind? Sie sind eine Schande, ein Zerrbild eines Soldaten. Stehen Sie stramm, Mensch. Brust raus, Bauch rein, Sie Fettsack. Hat Ihnen das niemand beigebracht? Ich schätze, dass wir uns auf dem Exerzierplatz recht häufig sehen werden. Ich werde dafür sorgen, dass aus Ihnen noch ein anständiger Soldat wird.«

In dieser Art ging es endlos weiter. An jedem der angetretenen Kommandeure hatte Trybwater etwas auszusetzen. Doch an den beiden Oxtornern biss er sich die Zähne aus. Der »Rote Drache« gewann das Duell der Blicke und bevor die Auseinandersetzung mit Feline Mowac ausarten konnte, griff Niesewitz ein.

»Kommandeurin Mowac, ich erwarte Ihre Meldung.«

Die Oxtornerin ging einige Schritte nach vorne und nahm Haltung an.

»Marschall-Kommandeur, wir erhielten den Befehl, die Lage auf Lingus zu …«

Weiter kam Mowac nicht. Niesewitz brüllte los: »Ich weiß genau, welche Befehle ich erteilt habe. Ich will wissen, was hier vorgefallen ist. Und vor allem will ich wissen, wo Gruppen-Kommandeur Meyers abgeblieben ist.«

»Nun, Marschall-Kommandeur, soweit ich …«

»Ich habe jetzt genug. Wir machen das ganz anders. Jeder von Ihnen verfasst einen schriftlichen Bericht. Hierzu werden Sie in getrennte Räume geführt. In genau fünfzehn Minuten habe ich die Berichte vorliegen. Und nun abtreten.«

Eine Stunde später hatten Niesewitz und Trybwater die Berichte studiert und verglichen. Das Ergebnis war äußerst unbefriedigend. Sie hatten keine Widersprüche gefunden. Und eine Frage blieb weiterhin ungeklärt: Was genau hatte Meyers vor?

Niesewitz trat vor die in Reih und Glied wartenden Kommandeure. Er begann: »Soweit ich Ihren Berichten entnehmen konnte, ist folgendes passiert: Nach der Landung auf Lingus verlor Ihr Kommandeur die Kontrolle über sein Kommando. Er traf dann mit Joharr eine Übereinkunft, um die gespannte Lage zu entschärfen. Die Folgen dieser Übereinkunft sind bekannt. Später hat er den Planeten an Bord eines Beibootes verlassen, angeblich, um sich durch eine besondere Leistung zu rehabilitieren. Was er dabei genau plant, ist keinem von Ihnen bekannt. Hat noch jemand was hinzuzufügen?«

Niesewitz schwieg und musterte die Angetretenen mit durchdringendem Blick. Doch niemand antwortete ihm.

»Nun gut. Nun zu Ihnen. Sie bleiben bis auf weiteres auf Lingus stationiert. Ich ernenne hiermit Oberst-Kommandeur Trybwater zu Ihrem Vorgesetzten. Seine Hauptaufgabe wird sein, aus Ihnen wieder eine disziplinierte Kampfgruppe zu machen. Er hat von mir sämtliche Vollmachten für disziplinäre Maßnahmen gegen Sie oder Mitglieder Ihres Kommandos. Die gesamte Gruppe Zero bekommt den Status einer Strafeinheit. Jeder Ausgang, jeder Urlaub ist vorläufig gestrichen. Erst wenn Sie wieder Ruhm und Ehre für die Fahne des Quarteriums einlegen, werden diese Maßnahmen aufgehoben. Oberst-Kommandeur Trybwater, lassen Sie abtreten!«

Der Angesprochene war nach vorne getreten und brüllte: »Gruppe Zero, stillgestanden. Habt acht!«

Bei diesem Kommando schlugen sechs Fäuste an das CIP-Symbol auf der linken Schulter. Dann: »Begeben Sie sich in die Quartiere. Morgen früh, Punkt sieben Uhr erwarte ich die gesamte Truppe auf dem Exerzierplatz. Ihre weiteren Befehle werden Sie morgen erhalten. Abtreten!«

Die Kommandeure verließen den Raum. Niesewitz rieb sich die Hände.

»Oberst-Kommandeur, die Arbeit ist getan, jetzt kommt das Vergnügen. Kommen Sie, unsere Mäuschen warten schon.«

2. Das Ende der USO

11. Februar 1306 NGZ, Paxus

Wieder hatte sich die illustre Runde der Quarteriums-Fürsten im Moncloa-Saal des Paxus-Towers um den blank polierten Speekholz-Tisch versammelt. Niesewitz hatte gerade die Position von Quinto bekannt gegeben. Diese Nachricht schlug wie eine Bombe ein. Jenmuhs war aufgesprungen.

»Ich werde sofort eine Flotte aufstellen und mir diese Orbanashol-Essoya persönlich vornehmen. Endlich hat sie ausgespielt. Danach blase ich diesen Asteroiden …«

Weiter kam er nicht. Er fühlte sich an seiner prunkvollen Weste gepackt, hochgehoben und strampelte hilflos in der Luft. Vor ihm stand der Silberne Ritter, der außer sich vor Wut zischte: »Nichts wirst du tun, du verdammter Narr. In dieser Angelegenheit geschieht nichts, ohne meine ausdrückliche Anordnung. Wir werden eine gemischte terranisch-arkonidische Flotte zusammenstellen, den Oberbefehl übernehme ich persönlich.«

»Aber ich will diese Schlampe, sie hat meinen Bruder auf dem Gewissen! Ich muss …«

»Dein Bruder interessiert mich nicht. Hier geht es um viel zu viel, als dass persönliche Rachegelüste uns um die Früchte der ausgezeichneten Arbeit der CIP bringen dürfen. Und nun will ich Ihr Einverständnis, Gos’Shekur.«

Jenmuhs zitterte am ganzen Körper. Nur mit äußerster Mühe brachte er sich einigermaßen unter Kontrolle.

»Verdammt sollen Sie sein, Despair! Gut, Sie sollen Ihren Willen haben. Aber ich werde mich nicht an der Durchführung dieser Aktion beteiligen. Machen Sie den Mist alleine. Ich gehe, meine Anwesenheit wird wohl hier nicht gewünscht.«

Mit diesen Worten stürmte Jenmuhs aus dem Saal. Wenig später meldete die Raumkontrolle, dass der Gos’Shekur nach Bostich gestartet war.

Nachdenklich schaute Despair in die Runde. Dann erklärte er seinen Plan. Dieser sah vor, dass eine überlegene Flotteneinheit den Asteroiden abriegeln sollte. Ziel war die totale Vernichtung der USO. Kein Schiff durfte entkommen. Und am Ende gab der Silberne Ritter die Order aus, keine Gefangenen zu machen.

Innerlich schüttelte es ihn, als er diesen Befehl gab. Aber er war sich sicher, dass dies die sauberste Lösung war, denn er wusste genau, was den USO-Mitgliedern bevorstehen würde, wenn sie der CIP in die Hände fielen. Zynisch sagte er zu sich selbst: Lieber den schnellen, ehrenhaften Tod eines Soldaten als ein langsames Dahinsiechen auf Objursha oder Davau.

11. Februar 1306 NGZ, Quinto am späten Abend

Rosan wanderte durch die Einsatzzentrale. Sie fühlte sich wie eine Raubkatze im Käfig. Wo blieb nur die Nachricht von Akaho? Nichts, absolut nichts. Seit er mit der arkonidischen Delegation nach Lingus abgereist war, gab es keinerlei Kontakt. Sie kannte Akaho. Dies war absolut untypisch für ihn. Irgendetwas musste schiefgegangen sein.

Sie erschauderte innerlich. Nicht auch noch Akaho. Sein Verlust wäre für die USO eine Katastrophe. Und außerdem, sagte sie zu sich selbst, außerdem hast du selbst ihn ins Verderben geschickt. Doch es brachte nichts, wenn sie sich Vorwürfe machte. Nicht jetzt. Nicht hier und heute. Sie musste mit dem Schlimmsten rechnen und bereit sein.

Angespannt blieb sie vor der in die Wand eingebauten Bar stehen. Dann griff ihre Hand zu der Karaffe mit dem synthetischen Fruchtsaft. Automatisch schenkte sie sich ein Glas voll. Die gelbe Flüssigkeit mit dem Geschmack von Orangen rann durch ihre Kehle. Bei aller Supertechnik, dachte sie, haben wir es immer noch nicht geschafft, diesen künstlichen Geschmack zu verhindern. Aber seit Monaten waren sämtliche Lieferungen von natürlichen Lebensmitteln nach Quinto eingestellt. Die Besatzung lebte von dehydrierten Vorräten und synthetisch erzeugten Nahrungsmitteln. Man wollte das Risiko einer zufälligen Entdeckung minimieren.

Sie riss sich aus ihren fruchtlosen Überlegungen. Das alles war nicht wirklich das Problem. Dieses hatte einen Namen: Akaho da Purok. Wenn er tatsächlich von der CIP enttarnt worden war, bedeutete das höchste Gefahr für Quinto. Zwar war Akaho, genau wie die anderen Spezialisten, mit entsprechenden Selbstmordkapseln ausgerüstet, aber sie konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Niesewitz einen Weg fand, diese Kapseln zu neutralisieren.

Sie musste etwas unternehmen. Mit sicheren Handgriffen aktivierte sie die interne Kommunikation. Auf dem Bildschirm wurde Sekunden später das Gesicht von Trabon Saranos sichtbar, dem ehemaligen Sicherheitschef der GOLDSTAR, der inzwischen als ihr Stellvertreter fungierte.

»Trabon, kannst du bitte sofort zu mir in die Einsatzzentrale kommen?«

»Natürlich, Rosan. Was gibt es?«

»Später, Trabon, ich erkläre es dir, wenn du hier bist.«

Wenig später zeigte der Zentralservo an, dass Trabon angekommen war. Sie öffnete das Sicherheitsschott. Der über achtzig Jahre alte Akone betrat die Zentrale. Das Schott schloss sich hinter ihm.

»Komm setz dich. Wir müssen einiges besprechen.« Sie reichte ihm ebenfalls ein Glas mit dem synthetischen Fruchtsaft. Und dann begann sie zu berichten. Sie schloss mit ihrer Befürchtung, dass die CIP Akaho erwischt hätte. Der schwarzhaarige Mann blieb einige Momente ruhig sitzen – nur das Glas, mit dem er nervös spielte, verriet seine Anspannung. Schließlich meinte er: »Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen, Rosan. Es kann sein, dass er lebend in Niesewitzs Fängen gelandet ist. Und was das bedeutet, dürfte wohl klar sein.«

»Ich bin zu dem gleichen Schluss gekommen. Wir müssen die Evakuierung Quintos vorbereiten. Aber wohin sollen wir fliehen? Der Weg in die Milchstraße ist uns versperrt, Despair wird uns wohl kaum durch das Sternentor lassen.«

»Ich sehe nur eine Möglichkeit: Wir verstecken uns vorläufig im äußeren Ring Cartwheels. In dem hyperenergetischen Chaos, das dort herrscht, müsste es uns möglich sein, unentdeckt zu bleiben.«

»Gut, Trabon. Bereite bitte alles vor. Vielleicht machen wir uns auch unnötige Sorgen und Akaho hat nur keine Möglichkeit, sich mit uns in Verbindung zu setzen.«

»Nein. Rosan, wir müssen mit allem rechnen. Es wäre absolut töricht, wenn wir nicht vom Schlimmsten ausgehen würden. Ich werde mich um die Vorbereitungen für die Evakuierung kümmern. Hoffentlich haben wir noch genügend Zeit.«

Der Akone verließ die Zentrale. Rosan folgte ihm wenig später. Es war schon sehr spät und die Müdigkeit überfiel sie schlagartig.

Warnung aus der Unendlichkeit

Die einsame Frau verließ die Hygienezelle. Sie hoffte, etwas Schlaf zu finden. Doch die Sorgen und die Verantwortung lasteten schwer auf ihren schmalen Schultern. Sie hüllte sich in einen seidenen Morgenmantel und legte sich auf die Strukturliege. Die Decke aus Wildseide gab ihr Geborgenheit. Ihre Hand suchte im Halbdunkel des gedämmten Lichtes nach dem alten, zerschlissenen Plüschgucky. Zärtlich nahm sie ihn in den Arm.

Wenigstens hatte sie ihn als ihren persönlichen Tröster trotz aller Widrigkeiten, durch alle Abenteuer hindurch gerettet. Flüchtig dachte sie an ihren Cousin Attakus, der ihr Schmusetier immer als persönliche Beleidigung angesehen hatte. Aber Attakus war längst Vergangenheit. Genauso Vergangenheit wie Wyll. Wieder drohte sie der Schmerz der verlorenen Liebe zu überwältigen. Wyll, warum hatte Wyll sterben müssen? Ihre Nächte bestanden aus Einsamkeit.

Seit Wylls Tod war sie keine Partnerschaft mehr eingegangen, sie hatte noch niemanden gefunden, der seine Persönlichkeit aus ihren Gedanken, aus ihrem Sehnen verdrängen konnte. Und One-Night-Stands waren nicht ihre Welt. Nein, da blieb sie lieber allein. Langsam glitt sie in den Traum hinüber. So konnte sie später nicht mehr genau sagen, ob das seltsame Erlebnis Traum oder Wirklichkeit war. Es wäre sowieso bedeutungslos: Ob Traum oder Wirklichkeit, die Warnung war höchst real.

Im Halbdunkel der Kabine bildete sich ein geisterhaftes Leuchten. Die Umgebung neben der Liege schimmerte in allen Farben des Regenbogens. Die Farben flossen ineinander über und überdeckten einander immer wieder. Und plötzlich trat aus diesem Feld eine große, schemenhaft sichtbare Gestalt, die zunehmend körperlich wurde. Dann begann diese Gestalt zu reden.

»Hab keine Angst, ich möchte euch vor einer großen Gefahr warnen.«

Immer noch im Halbschlaf antwortete Rosan: »Wer, wer bist du?«

Die Gestalt begann zu lächeln.

»Erkennst du mich nicht, Tochter?«

Rosans Ton wurde schärfer: »Tochter? Mein Vater ist längst tot. Wie kann ich dann deine Tochter sein?«

Die nur schemenhaft gegen das regenbogenfarbene Feld erkennbare Gestalt verzog das Gesicht zu einem geheimnisvollen Lächeln.

»Ich meinte natürlich nicht die biologische Abstammung. Nein, ich spreche von geistiger Herkunft. Bald, wenn alles gut geht, wirst du verstehen. Aber das spielt im Moment gar keine Rolle. Es wird für euch höchste Zeit!«

»Höchste Zeit wofür? Und nochmals, wer bist du?«

Bei diesen Worten begann das Regenbogenfeld heller zu leuchten und umgab die Gestalt mit einem warmen Lichtschein. Jetzt konnte Rosan endlich Einzelheiten erkennen. Sie gab einen Laut der Überraschung von sich.

»Osiris! Du bist Osiris, der Gott der Unterwelt!«

»Endlich hast du mich erkannt, Tochter. Ich bin gekommen, um euch zu warnen. Ihr seid hier nicht mehr sicher. Die dunklen Mächte haben eure Position und werden bald hier sein, um euch zu vernichten.«

Rosan stieß einen leisen Schreckensschrei aus.

»Was ist mit Akaho? Konnte er entkommen?«

»Nein, es tut mir unendlich leid. Die Schlächter haben ihn und seine Gefährtin nach unsagbaren Qualen in ihr finsteres Reich geholt. MODROR hat sich an den Qualen ihrer Seelen gelabt.«

Rosan begann zu weinen.

»Warum musste Akaho sterben? Warum hast du das nicht verhindert? Warum sind wir Sterblichen nur dazu da, um auf euren unbegreiflichen Schlachtfeldern wie Vieh abgeschlachtet zu werden?«

Der Kemete blickte Rosan nur traurig in die Augen. Dann antwortete er: »Ich kann dich gut verstehen. Aber mir waren und sind in dieser Angelegenheit die Hände gebunden. Ich kann und darf nicht zu euren Gunsten eingreifen. Noch nicht. Die Gesetze hinter dem Multi-Universum sind unerbittlich, selbst ich verstehe sie nicht vollständig. Doch ich weiß, dass die Zeit für aktives Handeln noch nicht gekommen ist. Noch müssen ungezählte Leben auf dem Blutaltar MODRORs geopfert werden. Euch aber, meine Tochter, darf ich die Möglichkeit geben, zu entkommen. Verlasst diese Welt und kommt nach UDJAT. Auf diesem Datenkristall, der für eure Technik lesbar ist, habe ich die Navigationskoordinaten gespeichert. Flieht nach UDJAT, dort werde ich euch erwarten.«

Ein kleines Päckchen schwebte, wie von Geisterhänden getragen, in Rosans Hand. Automatisch griff sie danach. Bevor sie weiterfragen konnte, begann die Gestalt zu verblassen. Doch bevor sie endgültig verschwand, hörte sie nochmals die Stimme des Gottes der Unterwelt: »In wenigen Zeiteinheiten wird ein Raumschiff des Quarteriums erscheinen. Die Wesen an Bord sind voller Zweifel über ihren zukünftigen Weg. Bestärke ihren Willen, den Weg des Lichts zu gehen. Vergiss alles Misstrauen, denn sie müssen auf den Weg des Lichts geführt werden! Für den zukünftigen Kampf brauchen wir jegliche Hilfe. Denn bald wird die Insel im Weltraum die estartischen Galaxien erreichen …«

Mit diesen Worten verschwand Osiris und das Regenbogenfeld verblasste. Rosan war wieder allein und dämmerte in einen kurzen Schlaf hinüber. Ihre Hand umklammerte das Päckchen.

Das Ende ist zugleich der Anfang

Das schlanke Schiff voll tödlicher Schönheit trieb antriebslos zwischen den Sternen. Ein zufälliger Beobachter wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass von dieser Konstruktion aus kosmische Ereignisse ihren Anfang nahmen. Niemand rechnete mit diesem Schiff und seiner Besatzung.

In der Zentrale des Schiffes startete eine groß gewachsene, schlanke Terranerin ein Analyseprogramm, um die abgehörte Kommunikation der CIP und der quarterialen Flotte auszuwerten. Schließlich war die Bordpositronik fertig. Die Terranerin studierte das Ergebnis und stieß einen schrillen Pfiff aus.

»Großer Meister, unser ganz spezieller Freund scheint endlich Erfolg gehabt zu haben – na, auch eine stinkende Ratte findet …«

Sie wurde mitten im Satz unterbrochen. Der andere Terraner, der etwas abseits stand, unterbrach sie abweisend.

»Maya, könntest du dich bitte klar und verständlich ausdrücken. Ich habe jetzt keine Lust auf deine Rätselspiele.«

»Aber natürlich, mein Kommandant. Der allmächtigen Ratte Niesewitz ist es gelungen, einen USO-Spezialisten in die blutigen Krallen zu bekommen. Und dieser hat leider gesungen. Kurz gesagt, Niesewitz kennt die Position von Quinto. Unsere Ratte ist tatsächlich so blöd, dass sie die internen Geheimcodes der Einsatz-Gruppen nicht gewechselt hat. Bei denen scheint übrigens ein gewisser Trybwater die kommende große Nummer zu werden. Der soll wohl in deine Quadratlatschen treten. Ich hab mich übrigens gerade in die interne Befehlskommunikation der Flotte eingeschaltet, so wie es aussieht, stellt Despair gerade eine Flotte von etwa zehntausend SUPREMOs zusammen, um der USO den Garaus zu machen. Was gedenkt unser großer Kommandant nun zu tun?«

Das Gesicht des Terraners verfinsterte sich. Scharf entgegnete er: »Es reicht jetzt. Zum letzten Mal, Maya, dies ist ein Kampfschiff. Wir sind immer noch Soldaten und ich bitte mir ein Mindestmaß an Disziplin aus. Du magst zurzeit deine zweite Pubertät erleben, aber was zu viel ist, ist zu viel.«

Das Gesicht der Terranerin wurde ernst.

»Du weißt nicht, wie recht du hast, Roland. Ich erlebe eine Art zweite Pubertät, nur, dass ich die erste nie gehabt habe. Zum ersten Male in meinem Leben bin ich frei. Frei, meine eigenen Entscheidungen zu treffen, frei, so zu leben, wie ich es für richtig erachte. Weißt du, wie es ist, wenn du nie eine Kindheit gehabt hast? Weißt du, was man fühlt, wenn jeder, seit ich denken kann, versucht hat, meine Persönlichkeit zu brechen? Weißt du, was es bedeutet, durch die Ausbildungslager des Liga-Dienstes gegangen zu sein? Das alles kannst du nicht wissen, Roland. Und deshalb, komm mir nie wieder mit Disziplin oder Befehlen, nie wieder!«

Die letzten Worte hatte sie geradezu hinausgebrüllt. Meyers wurde blass. So hatte er Maya noch nie erlebt. Instinktiv wechselte er das Thema.

»Wir müssen Quinto natürlich warnen. Kannst du Corph und deine Gruppe informieren?«

Sie sah ihn einen Augenblick lang eigentümlich an. Dann meinte sie: »Ist gut, Roland, wird gemacht.«

Wenig später waren alle in der Zentrale versammelt. Es wurde ziemlich eng. Meyers berichtete, was Maya herausgefunden hatte.

»Und nun«, stellte er die entscheidende Frage, »nun müssen wir uns endgültig entscheiden. Wir können versuchen, uns weiterhin zu verstecken, oder wir ergreifen jetzt und hier eindeutig Partei. Ich möchte euch in keiner Weise beeinflussen. Die Entscheidung, die wir fällen, muss unsere gemeinsame Entscheidung sein.« Und dann fragte er direkt: »Wer ist dafür, dass wir die USO warnen?«

Und das Ergebnis war eindeutig. Die gesamte Besatzung sprach sich dafür aus.

Wenig später sprang das Schiff in den Hyperraum und rematerialisierte etwa eine Astronomische Einheit von Quinto entfernt.

*

Rosan war gerade aufgestanden und auf dem Weg in die Zentrale. Das Päckchen mit dem Datenkristall bewies ihr, dass das nächtliche Erlebnis kein Traum gewesen sein konnte. Trabon Saranos erwartete sie bereits. Mit kurzen Worten berichtete sie ihm von ihrer Begegnung.

Der Akone schüttelte den Kopf und meinte: »Götter, Entitäten und was weiß ich noch alles. Warum nur können uns die nicht einfach in Ruhe lassen? Was haben wir mit ihren Kämpfen zu tun? Wir bilden das Schlachtvieh für ihre Intrigen! Ob dabei Millionen von intelligenten Wesen ermordet werden, spielt für diese Wesen anscheinend keine Rolle. Ich hab das Ganze so satt.«

Mit diesen Worten legte er den Speicherkristall in das Lesegerät der zentralen Positronik. Die Daten wurden ausgelesen und anschließend auf die Positroniken der auf Quinto stationierten Schiffe übertragen. Da plötzlich gellte der Raumalarm.

»Unbekanntes Schiff in unmittelbarer Umgebung rematerialisiert. Entfernung eine Astronomische Einheit, rasch abnehmend. Abfangjäger werden gestartet.«

In diesem Augenblick griff Rosan ein. Sie wusste plötzlich, wer da angekommen war.

»Abfangjäger bleiben in den Hangars. Bereitschaft bleibt bestehen.«

Der Akone war herumgefahren. »Rosan, was soll das? Wir sind entdeckt!«

In diesem Augenblick meldete sich der in der Hyperfunkzentrale Dienst habende Spezialist.

»Wir bekommen einen chiffrierten Funkspruch des unbekannten Schiffes, können ihn aber nicht entschlüsseln. Alle bekannten Codes versagen.«

Rosan war mit wenigen Schritten am Terminal. Blitzschnell huschten ihre Finger über die Konsole. Und plötzlich klärte sich das Bild. Meyers war zu erkennen. Er teilte mit, dass Despair gerade dabei war, eine Flotte zur Vernichtung Quintos zusammenzustellen. Rosan überlegte kurz, dann antwortete sie: »Kommandeur, bitte landen Sie auf Quinto und kommen Sie in die Zentrale. Ich schicke Ihnen einen Leitstrahl.«

Trabon Saranos war fassungslos.

»Rosan, bist du von allen guten Geistern verlassen? Das sind Mitglieder der CIP! Und du …«

Weiter kam er nicht. Rosan unterbrach ihn.

»Nein, Trabon, das waren Mitglieder der CIP. Und bitte, tu mir einen Gefallen, vergiss einen Augenblick dein Misstrauen. Osiris hat mir angekündigt, dass sie kommen werden. Es tut mir leid, dass ich dich nicht darauf vorbereiten konnte, aber die Ereignisse haben sich regelrecht überschlagen.«

Wenig später betraten Meyers, Maya und ein sonderbarer Arkonide die Zentrale. Meyers wirkte legerer als auf Lingus, vor allem fiel ihr auf, dass er sein Haar jetzt länger trug. Auch diese Maya wirkte heute weniger aggressiv. Doch ihr Blick blieb immer wieder auf dem Arkoniden haften. Irgendwie weckte er Assoziationen an ihre Jugendzeit auf Arkon. Und plötzlich fiel es ihr wieder ein. Vor ihrem inneren Auge entstand ein Bild aus einem uralten Mythos, den ihr eine alte Dienerin des Hauses Orbanashol immer wieder erzählt hatte, die Geschichte der sagenhaften Tron’athorii Huhany-Zhy, die Hüter des göttlichen Feuers. Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. Das fehlte noch, dass sie anfing, an alte arkonidische Ammenmärchen zu glauben.

Nach einer kurzen Begrüßung bat sie ihre Besucher, Platz zu nehmen. Meyers berichtete in groben Zügen von seiner Flucht von Lingus und gab Informationen über den bevorstehenden Angriff von Despairs Flotte.

Rosan bemerkte, dass sie bereits von anderer Seite vor dem bevorstehenden Angriff gewarnt worden seien und mit Hochdruck die Evakuierung Quintos vorbereiten würden. Dann machte sie Meyers den Vorschlag, dass er sie nach UDJAT begleiten solle. Doch der lehnte ab. Er erklärte ihr, dass die gesamte Besatzung der VIPER beschlossen hatte, in Cartwheel zu bleiben und das Quarterium zu bekämpfen. Außerdem wolle er sein Schiff zurückhaben. Rosan versuchte ihm klarzumachen, dass das Selbstmord bedeuten würde, aber er blieb unbeirrbar bei seiner Entscheidung.

Und dann ergriff, zu Rosans Überraschung, diese Maya das Wort. Sie entwickelte einen Plan, um dem Quarterium die Vernichtung der VIPER vorzutäuschen. Fast wider ihren Willen musste Rosan zugeben, dass der Plan eine gewisse Erfolgschance bot.

In diesem Augenblick meldete die Raumüberwachung, dass die um Paxus zusammengezogenen Schiffe Despairs Fahrt aufgenommen hätten. Zum Glück waren dort noch einige bisher unentdeckte Robotsonden stationiert, die nun die Schiffsbewegungen meldeten. Natürlich bedeutete dies ihr Ende.

Und dann erlebte Rosan noch eine Überraschung. Trabon Saranos bat um die Erlaubnis, mit Meyers an Bord der VIPER zu gehen und in Cartwheel zu bleiben. Obwohl sie dadurch einen weiteren Freund aus alten Tagen verlor, stimmte sie zu. Die Erfahrung des alten Akonen konnte für Meyers Pläne entscheidend sein.

Und so nahm ein Plan seinen Anfang, der später als »Bluff von Quinto« in die Geschichte Cartwheels eingehen sollte.

*

»Hast du alles vorbereitet, Maya?«

»Aber natürlich, großer Kommandant. Gleich steht die Verbindung zur bluttriefenden Ratte …«

»Maya, bitte! Geht das nicht auch in normalem Ton?«

»Entschuldige, aber ich kann nicht anders.«

Mit diesen Worten gab sie ihren Platz hinter dem Kommunikationsterminal der VIPER frei und wies einladend auf den Kontursessel. Während dieses Disputes hatte der Akone diese Szene still beobachtet. Er nahm sich vor, bei Gelegenheit einmal in aller Ruhe mit Maya zu reden. Sie glich einem Vulkan, der jederzeit ausbrechen konnte. Er fühlte, dass, tief in der Seele der Terranerin vergraben, irgendwelche düsteren Geheimnisse ans Licht drängten. Und das konnte gefährlich für sie alle werden.

Meyers hatte sich inzwischen in das Kommunikationsnetz der CIP eingeschaltet. Auf dem Bildschirm wurde ein weiblicher Offizier sichtbar, der Meyers mit sichtlicher Überraschung anblickte.

»Hier spricht Gruppen-Kommandeur Meyers. Stellen Sie mir sofort eine Verbindung zu Marschall-Kommandeur Niesewitz her.«

»Aber Gruppen-Kommandeur, Sie können doch nicht einf…«

Meyers unterbrach sie im schneidenden Befehlston.

»Wenn ich nicht sofort die Verbindung bekomme, sorge ich persönlich dafür, dass Sie Ihre Karriere auf Objursha beenden. Ich habe keine Zeit für den üblichen Dienstweg.«

Man konnte sehen, dass die Offizierin erschrak. Wenig später erschien tatsächlich das Bild von Niesewitz, der völlig konsterniert wirkte.

»Kommandeur Meyers, wo sind Sie?«

»Marschall, ich habe wenig Zeit. Es ist mir gelungen, die Position von Quinto zu ermitteln. Ich überspiele Ihnen die Daten …«

»Meyers, sind Sie total übergeschnappt? Sofort abbrechen.«

Plötzlich verzerrte sich das Bild. Die Kamera war so positioniert, dass der Panoramaschirm der Zentrale im Hintergrund sichtbar war. Er zeigte einige USO-Schiffe, die das Feuer auf die VIPER eröffneten.

In diesem Moment überschlugen sich die Ereignisse. Etwa 4.500 Schiffe der USO starteten von Quinto. Sie nahmen gemeinsam Kurs auf einen vorher festgelegten Raumsektor und beschleunigten mit Höchstwerten. Praktisch im gleichen Augenblick fiel Despairs Flotte von etwa 10.000 SUPREMOs aller Größenklassen aus dem Hyperraum. Die Austrittsvektoren waren so gewählt, dass sie eine Kugelschale um Quinto bildeten.

Und dann begann das Inferno. Die überschweren bodengestützten Transformkanonen Quintos schickten Tod und Verderben auf die Reise. Genau im Fluchtvektor der USO-Flotte rematerialisierten die Fusions- und Gravitationsbomben der Transformkanonen und schlugen eine Bresche in Despairs Belagerungsring. Gleichzeitig schickten die Bodenforts ihre Raumtorpedos los. In den entfesselten Gewalten vergingen etwa 300 SUPREMOs. Der Weg in die Freiheit war geöffnet.

»Marschall, ich versuche …«

In diesem Augenblick startete Maya ein vorbereitetes Programm der Bordpositronik. Rings um die VIPER explodierten vorher positionierte Fusionsbomben. Gleichzeitig löste die Syntronik eine Nottransition aus, durch die die VIPER um etwa zwölf Lichtjahre versetzt wurde.

Für Niesewitz entstand der Eindruck, dass die VIPER in der atomaren Hölle der Transformbomben vernichtet wurde. Mit einem Fluch beendete er die nun nutzlose Hyperfunkverbindung. Für ihn war das Problem Meyers erledigt. Der »Bluff von Quinto« war aufgegangen.

Zur gleichen Zeit an Bord der EL CID: Despair registrierte die Hiobsbotschaften mit stoischer Ruhe. Er hatte blitzartig erfasst, dass sein schöner Plan gescheitert war. Mit einem Fingerdruck aktivierte er die interne Flottenkommunikation.

»Formation aufheben, Einzeljagd freigegeben.«

Aber er wusste, dass es zu spät war. Die gewählte Kugelformation erwies sich jetzt als gravierender strategischer Nachteil. Auch ein Raumschiff war den Trägheitsgesetzen unterworfen. Es war leider unmöglich, ein Schiff nach dem Hyperraumaustritt ohne weiteres aus seinem Kursvektor zu reißen. Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, dass die SUPREMOs in einer Kugelformation um Quinto rematerialisieren und dann mit höchster Beschleunigung auf den Mittelpunkt dieser imaginären Kugel, Quinto, Kurs nehmen sollten. Und nun mussten die Schiffe in einer langen Parabel diesen Kurs verlassen, um praktisch in die entgegen gesetzte Richtung zu beschleunigen. Die Naturgesetze wurden zu natürlichen Verbündeten der USO.

Dann registrierte er, dass ein SUPREMO-Verband der pariczanischen Flotte weiterhin Kurs auf Quinto hielt. Fluchend stellte er die Verbindung mit dem Flottenführer her. Auf dem Bildschirm wurde das vierschrötige Gesicht eines Überschweren sichtbar.

»Oberst, brechen Sie sofort den Angriffskurs auf Quinto ab. Ich rechne jeden Moment damit, dass der Asteroid mit einer Arkonbombe vernichtet wird.«

»Es tut mir leid, Quarteriums-Marschall, aber ich habe meine Befehle. Admiral Poleycra hat mit dem Gos’Shekur abgesprochen, dass wir unter allen Umständen Quinto besetzen müssen.«

»Dieser Befehl ist hiermit aufgehoben. Brechen Sie Ihren Angriff sofort ab.«

»Quarteriums-Marschall, ich kann nicht. Admiral Poleycra hat uns mit standrechtlicher Erschießung gedroht, wenn wir diesen Befehl nicht ausführen.«

Mit diesen Worten unterbrach der Überschwere die Verbindung.

Inzwischen hatte die USO-Flotte die Eintrittsgeschwindigkeit für den Übergang in den Hyperraum erreicht. Es war nur gelungen, etwa dreißig Schiffe, die zu langsam waren, zu zerstören. Despair machte sich keine Illusionen. Das Quarterium hatte seine erste Niederlage erlitten.

Und dann kam das Verderben für den pariczanischen Verband. Dieser hatten Quinto erreicht und setzte zur Landung an. Genau in diesem Moment explodierten vier Arkonbomben und verwandelten den Asteroiden in eine kleine Sonne. In den entfesselten atomaren Gewalten vergingen die pariczanischen Schiffe. Insgesamt verlor Despairs Flotte etwa siebenhundert Einheiten, das waren in diesem Krieg die bisher höchsten Verluste während einer Raumschlacht.

3. In letzter Minute

Auf Lingus verfolgten Werner Niesewitz und Reynar Trybwater die Ereignisse um Quinto. Niesewitz war beruhigt, dass die Vernichtung der VIPER im allgemeinen Chaos untergegangen war. Meyers war tot und außer der Tochter des Emperadors wusste niemand über seine Rolle bei den Ereignissen Bescheid.

Die rasche Flucht der USO-Schiffe von Quinto konnte darüber hinaus auch nicht durch Meyers ausgelöst worden sein. Irgendjemand anderes musste die USO schon vorher gewarnt haben, anders war die erfolgreiche Flucht nicht zu erklären. Wie dem auch sei, die Vernichtung Quintos bedeutete das Ende der USO als Machtfaktor in Cartwheel. Nach der geplanten »Befriedung« Akons und Saggittors würde jede Opposition gegen das Quarterium ausgeschaltet sein und dann konnte er sich endlich auf die ABR und den Aufbau seiner Einsatz-Gruppen konzentrieren. Doch zuvor gedachte er sich noch eine Geisel zu beschaffen, die später äußerst nützlich sein konnte: Kathy Scolar, Aurecs Verlobte.

Er trat an sein Kommunikationsterminal und aktivierte das geheime Kommunikationssystem. Mit geübten Fingern stellte er eine Verbindung mit Paxus her. Auf dem Bildschirm erschien Stephanies Gesicht.

»Was gibt es, Niesewitz?«

Wieder musste er seine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um dieser hochnäsigen Schlampe nicht endlich die Meinung zu sagen. Aber die Zeit war noch nicht gekommen. Noch nicht. Er zwang sich einen unterwürfigen Gesichtsausdruck ab.

»Eure Hoheit, ich möchte Sie noch auf ein Problem hinweisen, das unseren Plänen gefährlich werden könnte.«

»Nun, reden Sie nicht um den Brei herum. Was gibt es?«

Niesewitz erklärte seine Pläne hinsichtlich Kathy Scolar. Stephanie begann zu grinsen.

»Niesewitz, manchmal sind Sie geradezu genial. Ich bin unter einer Bedingung einverstanden: Dieser Oberst-Kommandeur, ich glaube, Trybwater heißt er, wird die Aktion auf Mankind durchführen. Ich erwarte ihn morgen früh in meinen Privaträumen in New Terrania zur Entgegennahme weiterer Instruktionen. Und noch etwas«, hierbei verzog sich ihr Gesicht zu einer Maske purer Drohung, »vergiss nie, was du ohne uns bist, nämlich nichts! Wir haben dich aus der Gosse geholt und können dich jederzeit wieder dorthin zurückschicken. Wage es nicht zu glauben, dass du uns gleichwertig bist. Du bist nichts, absolut nichts!«

Mit diesen Worten trennte sie die Verbindung. Niesewitz kochte. Im Stillen schwor er, dass er ihr diese Beleidigung hundertfach zurückzahlen würde. Aber er hatte Zeit, seine Rache konnte warten.

13. Februar 1306 NGZ, New Turin, Mankind

Kathy Scolar verließ das Bad. Sie gehörte, seit sie sich von Drogen und Rauschmitteln verabschiedet hatte, zu den Frühaufstehern. Nach einer ausgiebigen Dusche begab sie sich in die kleine Einbauküche, um für Nataly und ihren Onkel das Frühstück vorzubereiten.

Sie liebte diese frühen Morgenstunden, denn sie gaben ihr Gelegenheit, ihre Gedanken zu ordnen. Automatisch schaltete sie das Trividgerät ein, um die Nachrichtenshow zu verfolgen. Während sie die Brötchenmischung in den Backautomaten gab, hörte sie mit halbem Ohr die Nachrichtensendung.

Plötzlich erregte die Hymne des Quarteriums ihre Aufmerksamkeit. Sie wandte ihre volle Aufmerksamkeit der Sendung zu. Der neue Intendant von INSELNET, Guy Pallance kündigte eine wichtige Verlautbarung der Reichsregierung an. Gleich darauf wurde das Reichsbanner eingeblendet, dann nach Paxus umgeschaltet. Auf dem Bildschirm wurde kein geringerer als Emperador de la Siniestro persönlich sichtbar.

»Mein geliebtes Volk, in dieser ernsten Stunde habe ich eine wichtige Mitteilung zu machen. Am gestrigen Tag ist es unserer glorreichen Flotte endlich gelungen, das Rattennest auszuheben, in dem sich die Verbrecher der USO verkrochen hatten. Dank der Ermittlungsarbeit der CIP unter ihrem unermüdlichen Befehlshaber Marschall-Kommandeur Niesewitz war es uns endlich gelungen, dieses Krebsgeschwür in unserem Volkskörper zu lokalisieren. Doch der heldenhafte Kampf unserer Flotte hat viele Opfer gekostet hat. Die Verbrecher …«

Mit einem Schrei der Bestürzung schaltete Kathy das Trividgerät aus. Sie hatte keinen Bedarf, die Propagandalügen des Quarteriums länger anzuhören. Quinto war vernichtet, die USO zerschlagen! Sie musste unbedingt Nataly und Jaaron Jargon wecken, um zu besprechen, was sie tun sollten. Sie schüttelte beide aus dem Schlaf und erzählte ihnen aufgeregt von der Zerstörung Quintos. Wenig später saßen sie alle um den Frühstückstisch und berieten, was sie nun tun konnten.

»Mein Onkel soll die Chronik im Sinne des Quarteriums weiterschreiben. Kreupen wird uns schon schützen«, meinte Nataly verbissen. Das Brötchen lag unberührt auf ihrem Teller. Dem widersprach Kathy energisch. »Du träumst. Über kurz oder lang, spätestens wenn Jaaron die Chronik fertig gestellt hat, würden wir von der CIP verhaftet. Fliehen wir nach Saggittor.«

Die Diskussion zwischen Kathy und Nataly ging hin und her, ohne dass sie sich einigen konnten. Schließlich entschied Jaaron Jargon den Streit, indem er erklärte, dass er für sich und Nataly auf Mankind keine Zukunft mehr sehe. Hier würden sie immer erpressbar bleiben, der Willkür des Quarteriums ausgeliefert. Sie müssten weg.

*

New Terrania, Mankind

Oberst-Kommandeur Trybwater erreichte am frühen Morgen Mankind. Wider alle Vernunft musste er zuerst der Tochter des Emperadors seine Aufwartung machen, bevor er sich um die eigentlich wichtigen Dinge kümmern konnte. Innerlich schüttelte es ihn, als er an die angekündigten »Instruktionen« der Außenministerin des Quarteriums dachte. Doch Niesewitz hatte ihm ausdrücklich befohlen, die abartigen Gelüste der Prinzessin in jeder Hinsicht zu erfüllen. Ihn ekelte davor.

Mit sicherer Hand steuerte er den Gleiter durch den Morgenverkehr von New Terrania. Er benutzte ein getarntes CIP-Einsatzmodell, dessen Codegeber es ihm ermöglichte, diverse Staus und Sperrungen zu umfliegen. Schließlich erreichte er den etwas abseits gelegenen Wohnkomplex, der für die Elite des Quarteriums vorbehalten war. Elite bedeutete in diesem Zusammenhang Beziehungen, Macht und Geld.

Der abgestrahlte CIP-Code verschonte ihm vor der obligatorischen Überprüfung durch den Sicherheitsdienst. Er parkte den Gleiter in der abgeschlossenen Parkbucht, die den Regierungsmitgliedern des Quarteriums vorbehalten war. Die Tochter des Emperadors hatte ihm den Code übermittelt, als er sich nach seiner Ankunft bei ihr meldete. Ein separater Expresslift brachte ihn direkt zu ihrer Suite, die sich auf der Spitze eines der Wohntürme befand. Aus dem Studium der alten terranischen Geschichte wusste er, dass man früher solch eine Wohnlage als Penthouse bezeichnete. Er verließ die Liftkabine und aktivierte den Codegeber an einem kunstvoll gestalteten Torportal. Mit einem leisen Zischen öffnete sich das Portal. Für Trybwater begann der unangenehme Teil seiner »Arbeit«.

*

Zur gleichen Zeit in New Turin

Kathy, Nataly und Jaaron Jargon hatten alle Vorbereitungen zur Flucht getroffen. Ihr Plan sah vor, die Botschaft der LFT in New Terrania zu erreichen. Militärattaché Henry Portland würde ihnen bestimmt helfen. Es war natürlich aussichtslos, ohne eine gültige Reisegenehmigung New Terrania zu betreten, aber Kathy hatte einen Plan entwickelt, der nach dem Motto »Frechheit siegt«, Erfolg möglich machte.

Nataly überprüfte ihr Aussehen in dem uralten Glasspiegel, den ihr Onkel einst als Geschenk von Julian Tifflor erhalten hatte, als er diesem ein handsigniertes Exemplar seines Bestsellers »Eines Linguiden ES« überreichte. Es war leider nicht zu ändern: Der Spiegel musste, wie alle ihre persönlichen Gegenstände, im Hause ihres Onkels zurückbleiben, um keinen Verdacht zu erregen. Dann machte sie einige Atemübungen, um sich zu beruhigen. Sie wusste: Alles kam darauf an, ob es ihr gelang, Kreupen zu täuschen. Ihr musste eine schauspielerische Meisterleistung gelingen. Die Atemübungen erfüllten ihren Zweck, ihr Puls beruhigte sich.

Mit wenigen Schritten ging sie an den Hausinterkomanschluss und aktivierte eine Verbindung zur örtlichen CIP-Zentrale. Auf dem Bildschirm wurde das Gesicht einer jungen Terranerin sichtbar, die sie gnadenlos musterte. Ihre kalten Gesichtszüge jagten ihr eine Gänsehaut über den Rücken, sie spürte, wie der feine Körperflaum sich aufstellte. Angst – sich nur keine Angst anmerken lassen. Sie riss sich zusammen und setzte einen möglichst hochmütigen Gesichtsausdruck auf.

»Können Sie mich bitte mit Bezirks-Kommandeur Kreupen verbinden?«

Die Terranerin verzog ihr Gesicht zu einer verachtungsvollen Grimasse und antwortete: »Was kann ein terranisch-linguidischer Bastard schon von Bezirks-Kommandeur Kreupen wollen? Verschwende nicht meine Zeit, sonst werde ich dafür sorgen, dass es euch Pack schlecht ergeht.«

Nataly riss sich zusammen. Nur jetzt nicht die Nerven verlieren.

»Ich verlange sofort Bezirks-Kommandeur Kreupen zu sprechen. Wenn Sie mich nicht sofort mit ihm verbinden, werde ich mich bei ihm über Ihre Inkompetenz und Unverschämtheit beschweren.«

Einen Augenblick verzerrte sich das Gesicht zu einer Maske blanker Wut.

»Wenn ich dich in meine Finger be…«

Dann verschwand sie. Auf dem Schirm wurde einige Momente lang das CIP-Symbol sichtbar. Und dann erschien Kreupen.

»Guten Morgen Nataly. Mir wurde gesagt, dass Sie mich sprechen wollten. Was kann ich für Sie tun?«, fragte er zuvorkommend.

Nataly schluckte. Jetzt kam es darauf an.

»Ronald«, es kostete ihre ganze Überwindung, diese persönliche Anrede mit gewissen Schwingungen zu versehen, »mein Onkel ist gerade dabei, Material zu der geplanten Sonderausgabe der Chronik von Cartwheel zu sammeln. Im Zuge der Recherchen stieß er auf Hinweise zu einigen Dokumenten aus der Zeit, als der Emperador Administrator des Terrablocks war. Diese Dokumente sind nur im Original in der Zentralbibliothek in New Terrania zugänglich.

Mein Onkel erwartet, dass sich daraus noch weitere interessante Hinweise ergeben, die er gleich vor Ort prüfen will. Ich möchte Sie bitten, meinem Onkel eine Reisegenehmigung nach New Terrania mit einer Rechercheerlaubnis in der Zentralbibliothek auszustellen. Und dann habe ich noch eine persönliche Bitte«, sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln, bevor sie weiterfuhr, »könnten Sie nicht auch für mich und Kathy eine Reiseerlaubnis ausstellen. Wir langweilen uns hier. In New Terrania ist bestimmt mehr los als in der Provinz.«

Und dann spielte sie ihren Trumpf aus.

»Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie uns begleiten würden. Sie kennen sich inzwischen bestimmt viel besser in der Hauptstadt aus als wir. Vor allem wissen Sie bestimmt«, und hier zwang sie sich einen koketten Augenaufschlag ab, »wo etwas los ist. Ich habe es einfach satt, hier zu versauern. Und Kathy geht es genauso.«

Einen Augenblick schien es, als ob es Kreupen die Sprache verschlüge. Doch dann glitt ein breites, selbstgefälliges Lächeln über sein Gesicht.

»Endlich kommen Sie zur Vernunft, Nataly. Wir sind die Sieger. Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten, wird es Ihr Schaden nicht sein. Und lassen Sie sich eines gesagt sein: Dieser Andrews ist ein Versager und er wird, und das kann ich Ihnen versprechen, bald Geschichte sein. Aber leider kann ich Sie nicht begleiten, ich habe heute Nachmittag einen wichtigen Termin, den ich nicht aufschieben kann. Ich lasse die Papiere gleich ausstellen und zu Ihnen bringen. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Soweit ich es überblicken kann, habe ich morgen Zeit und würde mich sehr freuen, Ihnen und Ihrer Freundin mal das Quarterium von einer anderen Seite zu zeigen.«

Mit diesen Worten trennte er die Verbindung. Nataly war wie vor den Kopf geschlagen. Jonathan sollte bald Geschichte sein? Kathy ergriff sie am Arm und zog sie ins Badezimmer. Mit der Hand vor ihrem Mund verhinderte sie, dass Nataly ihrer Empörung lautstark Ausdruck gab. Stattdessen ließ sie die Dusche laufen und schaltete die Musikanlage ein. Die mächtigen Bässe eines aktuellen Militärmarsches erfüllten den Raum. Auch im 14. Jahrhundert neuer Zeitrechnung funktionierten die alten Methoden immer noch zuverlässig.

Etwas später hatte sich Nataly beruhigt und kam gerade rechtzeitig aus dem Bad, um die Reisepapiere entgegenzunehmen. Ihr aus purer Verzweiflung geborener Plan hatte funktioniert.

*

Nun waren sie auf dem Weg. Kreupen hatte sich nicht lumpen lassen. Zusätzlich zu der Reiserlaubnis hatte er ihnen ein Reiseticket der »Sonderklasse« zukommen lassen. Nataly und Kathy mussten ihre ganze Überredungskunst aufbieten, um zu verhindern, dass Jaaron seiner Empörung über den dekadenten Luxus des neuen Feudalismus, der im Quarterium im Entstehen war, Ausdruck gab.

Selbst die beiden Frauen waren wie vor den Kopf geschlagen. Auf ihrer unfreiwilligen Rundreise hatten sie zwar schon einiges über die Zustände mitbekommen, aber das, was sie nun zu Gesicht bekamen, übertraf alle bisherigen Erfahrungen. Niemand hatte sich bisher für die inneren Zustände im Quarterium interessiert.

Die Zustände auf dem Expressbahnhof waren schockierend. Man hatte sie als Passagiere der »Sonderklasse« aufgefordert, in einem luxuriösen Warteraum auf die Abfahrt der Expressrohrbahn zu warten. Auf dem kurzen Weg waren sie an der Wartehalle für normale Passagiere vorbeigekommen. Hier drängten sich hunderte Menschen auf einem viel zu engem Raum, der zudem noch unbelüftet war.

In der »Sonderklasse« fehlte es ihnen an nichts. Leicht bekleidete Hostessen versorgten alle Passagiere mit Erfrischungsgetränken, Wein und Alkohol. Und überall immer wieder Shorne-Industries. Eine Krake hatte das Quarterium im Griff, die nur ein Ziel kannte: Profit und nochmals Profit. Während das politische System immer mehr einer absolutistischen Monarchie nach spanischem Muster glich, mutierte das wirtschaftliche System zum Frühkapitalismus reinster Prägung.

Und dann endlich die Abfahrt. Nataly war froh, dass sie den luxuriösen Warteraum verlassen konnten. Sie kannte ihren Onkel. Er stand kurz vor einer Explosion. Zum Glück hatten sie in der »Sonderklasse« eine eigene Kabine erhalten. Es gelang Kathy und ihr, Jaaron wieder zu beruhigen. Und dann setzte sich die Rohrbahn in Bewegung. Sie waren unterwegs in die Freiheit.

*

Der Rest war ein Kinderspiel. Kreupens Papiere öffneten ihnen Tür und Tor. Und jetzt wurde auch die Achillesferse des Quarteriums sichtbar: Bürokratie und nochmals Bürokratie. Niemand hinterfragte die Papiere, kleine Beamte überschlugen sich geradezu, den »wichtigen Persönlichkeiten« behilflich zu sein. Es war kaum zu glauben, aber sie konnten ohne weiteres einfach die Botschaft der LFT betreten.

Henry Portland brach in schallendes Gelächter aus, als sie ihm von ihrer Flucht erzählten. Nur als die Sprache auf die unglaublichen sozialen Zustände kam, wurde er nachdenklich. Er erklärte, dass sie bisher dieser Entwicklung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Hier ergab sich vielleicht die Möglichkeit, das Quarterium von innen zu destabilisieren. Aber noch waren die Missstände nicht so offensichtlich, dass es zu Aufständen kam. Noch überdeckten die militärischen Erfolge des Quarteriums die sozialen Spannungen.

Auch der Rest ging leichter, als gedacht. Die LFT wurde zwar misstrauisch beobachtet, aber niemand getraute sich, ihren diplomatischen Status in Frage zu stellen. So konnten sie ungehindert an Bord eines Kurierschiffes gehen, das Portland organisiert hatte. Kurz nach Mittag lag Mankind hinter ihnen, der Weg nach Saggittor war offen.

Wer zu spät kommt …

Reynar Trybwater war fertig, fix und fertig. Es graute ihm vor weiteren »Instruktionen« von der Art der vergangenen Stunden. Doch es war vorbei. Endlich konnte er sich um seine eigentliche Aufgabe kümmern. Er steuerte den Gleiter aus der Parkbucht in den klaren Nachmittagshimmel über New Terrania und aktivierte den Autopiloten. Obwohl er normalerweise die manuelle Steuerung bevorzugte, war er heute für die Automatik dankbar. Sie verschaffte ihm die Zeit, die er brauchte, um das Erlebte wenigstens oberflächlich zu verarbeiten.

Er lehnte sich in den Kontursessel zurück und zündete sich eine Zigarette an. Genüsslich inhalierte er den Rauch und ließ seinen Blick über die vorbeihuschende Landschaft streifen. Sein Blick blieb auf einem trostlosen Gebäudekomplex haften, der unter dem Gleiter sichtbar wurde. Hier vegetierten die Arbeitssklaven des Quarteriums. Und plötzlich begann er zu zweifeln. Stand er auf der richtigen Seite?

Er war in der liberalen Gesellschaft der LFT groß geworden. Freiheit, Demokratie und Menschenwürde waren keine Fremdworte für ihn gewesen. Es gab einmal eine Zeit, da wäre er bereit gewesen, für diese Ideale zu sterben. Doch man hatte seine Methoden nicht gebilligt. Bitter dachte er an den Tag zurück, als man ihm wortlos seine Entlassungspapiere übergeben hatte.

Er schüttelte den Kopf. Ideale? Was hatten sie ihm gebracht? Unehrenhafte Entlassung aus dem Ligadienst. In der LFT war er ein Niemand, verachtet und geächtet. Früher hätte er einen Verbrecher wie Niesewitz einfach erschossen. Aber es war vorbei. Die Ideale, die Vision einer starken und gerechten Gesellschaft, waren auf Terra begraben. Er drückte die Zigarette aus. Vorbei, endgültig vorbei. Er hatte die Seite gewählt. Hier, heute und jetzt begann sein Aufstieg. Es galt allein das Recht des Stärkeren. Und er, und das wusste er genau, er gehörte zu den Starken.

Der Gleiter setzte inzwischen über New Turin zur Landung an. Er deaktivierte den Autopiloten und steuerte den CIP-Landeplatz an. Nachdem er seine Uniform geschlossen hatte, betrat er die Kommandantur und baute sich vor einer muskulösen Terranerin mit kurz geschnittenen Haaren auf, die hinter dem Kommunikationsterminal saß.

»Ich bin Oberst-Kommandeur Trybwater, ABR-Sonderbeauftragter für Cartwheel«, bellte er. »Bezirks-Kommandeur Kreupen erwartet mich.«

Die Terranerin errötete und starrte ihn bewundernd an. »Bitte folgen Sie mir, Sir! Kommandeur Kreupen erwartet Sie schon.«

Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob sie sich und ging voran, wobei sie sich vielversprechend in den Hüften wiegte. Wenig später betraten sie Kreupens Büro. Der örtliche CIP-Kommandeur hatte sich hinter seinem Schreibtisch erhoben und starrte Trybwater unsicher an.

»Was kann ich für Sie tun, Oberst-Kommandeur?«

»In Ihrem Zuständigkeitsbereich befinden sich drei zweifelhafte Subjekte, die unverzüglich festzunehmen und an das ABR-Lager Lingus zu überstellen sind.«

Kreupen begann unsicher zu stottern.

»Es tut mir leid, aber wenn Sie den Chronisten und seine Nichte mit ihrer Freundin meinen, ist das leider nicht möglich. Diese befinden sich im Augenblick nicht in New Turin.«

»Was heißt das, sie befinden sich nicht in New Turin? Reden Sie, Mann!«

»Nun das ist so, ich habe …«

Trybwater unterbrach das unsichere Gestotter, indem er sich an die abwartend in der Tür stehende Terranerin wandte.

»Chef-Agentin, können Sie mir eine klare Auskunft geben, was hier gespielt wird?«

»Aber natürlich, Oberst-Kommandeur. Dieses Pack ist mit persönlicher Genehmigung des Bezirks-Kommandeurs nach New Terrania gereist, eingestuft als »Sonderklasse«. Er hat, entgegen meinen Einwänden, sogar auf jede Bewachung verzichtet.«

Trybwater fuhr herum. »Kreupen, ich enthebe Sie hiermit wegen ausgewiesener Unfähigkeit Ihres Kommandos. Sie sind mit sofortiger Wirkung zum einfachen Agenten degradiert. Setzen Sie sich unverzüglich nach Lingus in Marsch und melden Sie sich beim dortigen Lager-Kommandeur zur weiteren Verwendung.«

Kreupen versuchte, etwas zu sagen. Da platzte Trybwater der Kragen.

»Mensch, gehen Sie mir aus den Augen und seien Sie froh, dass ich Sie nicht auf der Stelle erschieße. Außerdem haben Sie Ihr Büro binnen fünfzehn Minuten zu räumen.«

Trybwater informierte Niesewitz und flog am nächsten Morgen zurück nach Lingus. Eine Nacht mit der muskulösen Terranerin, die er zur vorläufigen Nachfolgerin Kreupens ernannte, regenerierte sein männliches Ego und wusch den Ekel der Begegnung mit Stephanie ab. Er nahm sich vor, diese Beziehung bei Gelegenheit zu vertiefen. Das war der Vorteil unbeschränkter Macht, sie machte attraktiv. Außer Niesewitz und da Reych war er niemandem in der CIP verantwortlich.

4. Und Feuer wird vom Himmel fallen

25. Februar 1306 NGZ, Paxus, Oberkommando

Die Angriffspläne waren ausgearbeitet. Despair hatte 100.000 SUPREMO-Schiffe zum Angriff bereitgestellt, die in zwei Flottengruppen aufgeteilt wurden. Die Flottengruppe »Mitte« mit 65.000 Einheiten wird unter dem Kommando von Admiral Terz da Eskor Saggittor angreifen, während die Flottengruppe »Süd« mit 35.000 Schiffen, unter dem Oberbefehl von Admiral Orlando de la Siniestro, Akon attackiert. Das Oberkommando bilden gemeinsam Quarteriums-Marschall Despair und Gos’Shekur Uwahn Jenmuhs.

In einer gemeinsamen Sitzung der Quarteriums-Fürsten mit Emperador Siniestro, seiner Tochter Stephanie und der Admiralität der Flotte wurde als Angriffstermin der 1. März 1306 NGZ festgelegt. Vorher hatte der Emperador durch ein Ultimatum versucht, Saggittor und Akon zur Aufgabe zu bewegen. Doch seine Aufforderung zur Kapitulation war bis zum 25. Februar unbeantwortet geblieben. So erteilte auch er seine Zustimmung zu den Angriffsplänen.

5. Vor der großen Schlacht

28. Februar 1306 NGZ

Stolz blickte Admiral Terz da Eskor von der Brücke seines Flaggschiffes ARKON auf den großen Panoramabildschirm der Kommandozentrale. Er sah auf seine mächtigen Schlachtschiffe, die unzählige kleine Jagdmaschinen umkreisten. Der arkonidische Admiral und Oberbefehlshaber der Flottengruppe »Mitte« sah diese Bilder mit großer Genugtuung. Niemand würde dieser Flotte widerstehen können.

Das Ziel dieser Offensive waren die Planeten Varnidon und Trott, die zum saggittonischen Herrschaftsbereich zählten. Mit der Einnahme dieser strategisch wichtigen Welten würden man den Saggittonen einen schweren Schlag versetzen und den Untergang dieses lächerlichen Reiches einleiten, das es wagte, dem Quarterium Widerstand zu leisten.

Gleichzeitig würde die Flottengruppe »Süd«, unter dem Kommando von Admiral Orlando de la Siniestro, die akonische Welt Lothor angreifen und einnehmen. Lothor war der wichtigste Handelsknotenpunkt zwischen dem akonischen und dem saggittonischen Reich. Außerdem, so war man sich bei der CIP sicher, floss von hier aus der Nachschub für die USO-Rebellen, die immer noch nicht restlos besiegt waren.

Terz da Eskor blickte auf sein Chronometer. Es war 23:55 Uhr. In fünf Minuten würden die Flottengruppe »Mitte«, die über 65.000 Einheiten verfügte, und die Flottengruppe »Süd«, die 35.000 Schiffe umfasste, losschlagen. Der arkonidische Admiral ging zu seinen beiden wichtigsten Offizieren. Admiral Jasor da Isaak, der Kommandeur der Arkon-Flotte, und General Mandar da Rohn, dem Leiter der strategischen Planung. Diese beiden hatten den Angriffsplan entworfen und warteten gespannt auf den Beginn der Großoffensive.

»Nun, meine Herren, ich hoffe es läuft alles planmäßig«, begann da Eskor gut gelaunt.

Admiral da Isaak verbeugte sich knapp.

»Alle Einheiten sind auf ihren festgelegten Positionen und warten auf den Angriffsbefehl, Admiral«, antwortete der Arkonide ebenso heiter.

Da Eskor musterte da Rohn, der missmutig drein schaute. Doch das war man von dem tüchtigen Planungschef gewöhnt. Er war ein Perfektionist und immer erst dann zufrieden, wenn die von ihm entworfenen Pläne auch reibungslos funktionierten.

»Nun, da Rohn? Glauben Sie, dass es klappen wird?«, fragte da Eskor.

»Das weiß man immer erst hinterher, Admiral. Theoretisch sollte es gelingen, aber wie so oft im Krieg sind Theorie und Praxis zweierlei. Alles wird davon abhängen, ob unsere erste Angriffswelle planmäßig verläuft. Das wiederum wird davon abhängen, wie stark der feindliche Widerstand ist. Ist er gering, werden wir kaum Verluste erleiden. Ist er jedoch stark und wird unser Angriff erwartet, werden wir höhere Verluste einstecken müssen. Doch an unserem Sieg besteht keinerlei Zweifel«, erklärte der General kühl.

»Das ist das, was ich wissen wollte«, meinte der Admiral und nickte entschlossen.

»Und was die eventuellen Verluste betrifft: Na und? Der Soldat ist zum Sterben da«, warf Admiral da Isaak ein.

»Richtig, da Isaak. Was zählt ist allein der Sieg«, stimmte da Eskor ihm zu.

General da Rohn blickte die beiden Militaristen distanziert an. Er teilte ihre Meinung nicht. Als strategischer Planungsleiter war da Rohn stets bemüht, Taktiken anzuwenden, die möglichst wenig Verluste erzeugten. Auch war er bestrebt, die Zivilbevölkerung zu schonen, wo es nur ging. Leider teilten viele seiner quarterialen Kollegen diese Auffassung nicht.

Terz da Eskor blickte wieder auf sein Chronometer.

»0:00 Uhr. Es ist soweit. Geben Sie den Angriffsbefehl, meine Herren.«

Da Isaak und da Rohn machten sich sofort daran, den Befehl auszuführen. Die Offensive gegen Saggittor begann.

*

Zur exakt gleichen Zeit gab Orlando de la Siniestro, der die Flottengruppe »Süd« befehligte, ebenfalls den Befehl zum Angriff. Damit begann die bisher größte Militäroperation in der Auseinandersetzung zwischen dem Quarterium und den Alliierten von Saggittor und Akon. Orlando, der sich auf seinem Flaggschiff PAXUS befand, war nicht wohl dabei zumute. Der Gedanke an Krieg und an das Leid, das er verursachen würde, bedrückte ihn.

Doch, überlegte er, musste es sein. Die verbündeten Rebellen trugen Schuld daran, die das Lebenswerk seines geliebten Vaters zerstören wollten. Je eher diese Renegaten besiegt wurden, desto schneller würde wieder Frieden in Cartwheel einkehren. Orlando wurde von General Red Sizemore, einem genialen Militärtaktiker, in seinen Gedanken unterbrochen.

»Admiral, wir haben soeben von der ARKON das Signal zum Angriff erhalten. Es ist soweit. Alle unsere Einheiten stehen bereit«, meldete Sizemore salutierend.

Orlando nickte entschlossen.

»Gut, General. Geben Sie Befehl zum Angriff.«

Sizemore salutierte nochmals und ging wieder.

Orlando betrachtete den Panoramabildschirm. Er hoffte, dass es so wenig Verluste wie möglich geben würde – auf beiden Seiten.

6. Die Schlacht beginnt

Der Angriff blieb den Akonen nicht lange verborgen. Eine halbe Stunde nach Mitternacht wurde Mirus Traban von seinem Verteidigungsminister Akos von Rathony geweckt und über die Lage informiert: »Das Quarterium hat einen Angriff auf Lothor gestartet. Mehr noch: Wir haben Meldungen von den Saggittonen, dass das Quarterium die Planeten Varnidon und Trott attackiert«, berichtete der grauhaarige, schlanke Verteidigungsminister.

Mirus Traban war mit einem Schlag hellwach. Er hatte geahnt, dass es schon bald zu einer Invasion durch das Quarterium kommen würde. Die Machtgier des Emperadors und seiner Gefolgsleute schien keine Grenzen zu kennen.

»Wie wir erwartet hatten. Allerdings hatte ich geglaubt, sie würden sich uns nacheinander vornehmen und nicht beide gleichzeitig. Vielleicht gibt uns das eine kleine Chance«, hoffte der akonische Staatschef.

»Nur gut, dass Sie den Befehl gaben, die wichtigsten Produktionsstätten nach Foretor zu verlegen«, meinte von Rathony.

»Es war abzusehen, dass sie Lothor wegen seiner wirtschaftlichen Bedeutung zuerst attackieren würden. Doch sie werden schon bald merken, dass Lothor nicht mehr so wichtig für uns ist, und sich dann gegen Foretor oder New Sphinx wenden. Immerhin gibt uns das die Zeit, uns besser vorzubereiten und die Abwehrstellungen noch weiter auszubauen. Sammeln sie unsere 15.000 Einheiten zwischen New Sphinx und Foretor, sodass wir sie flexibel dort einsetzen können, wo wir sie brauchen.«

»Ich fürchte gegen 35.000 quarteriale Einheiten haben sie wenig Chancen«, meinte der Verteidigungsminister bedrückt.

»Nicht immer gewinnt der zahlenmäßig Überlegene. In der Militärgeschichte des Universums gibt es dafür zahlreiche Beispiele. Besonders bei den Terranern. Wir dürfen sie keinesfalls unterschätzen. Immerhin greift uns das Quarterium nicht mit allen 100.000 Schiffen an. Vielleicht können wir ihnen, zusammen mit unseren saggittonischen Verbündeten einen Strich durch die Rechnung machen. Leiten Sie sofort alle besprochenen Gegenmaßnahmen ein«, ordnete Mirus Traban an.

Insgeheim war der akonische Staatschef nicht so zuversichtlich, wie er sich gab. Er konnte dieses Spiel nur bis zu einem gewissen Punkt mitmachen, dann war es aus.

*

Ähnlich verhielt sich der saggittonische Kanzler Rauoch. Auch die Saggittonen hatten durchaus mit einem bevorstehenden Angriff gerechnet. Allerdings wussten sie nicht, welche Welten er zuerst treffen würde. Die saggittonischen Militärs hatten mit einem direkten Angriff auf Saggittor gerechnet und dort das Gros ihrer 50.000 Schlachtschiffe stationiert. Als nun der Angriff auf Varnidon und Trott begann, waren die Saggittonen doch etwas überrascht. Man konnte sich nicht einigen, ob es sich um einen Ablenkungsangriff handelte oder nicht. Bis man schließlich in der obersten Militärführung zu dem Schluss kam, dass es sich um den Hauptangriff handelte, da ja auch die verbündeten Akonen angegriffen wurden, hatte das Quarterium die beiden Planeten bereits bombardiert und mit Bodentruppen einige Brückenköpfe gebildet. Rauoch beschloss daher, das Varnidon und Trott sich alleine verteidigen mussten, da die saggittonische Flotte noch geschont werden sollte.

Aus den Chroniken Cartwheels

Am Abend des 1. März 1306 NGZ hielt der Emperador eine Rede, in der er die Bevölkerung über den neuerlichen Militärschlag informierte. Seine Rede strotzte nur so von Lügen und Unverschämtheiten. Er machte darin Akon und Saggittor für den Konflikt verantwortlich, da beide Staaten Terroristen der USO und Pace Joharr unterstützten. Der Emperador nannte die laufende Militäraktion Krieg gegen den Terror und forderte Mirus Traban und Rauoch auf, umgehend die Waffen zu strecken und sämtliche Terroristen auszuliefern. Beide Staatschefs wiesen diese empörende Forderung jedoch zurück und beschuldigten ihrerseits das Quarterium des Staatsterrors. So sprachen also weiterhin die Waffen und das Unheil nahm seinen Lauf. Für mich und meine Nichte Nataly bedeutete dies, dass wir uns wiederum im Krieg befanden und weiterhin nicht zur Ruhe kamen. Wie lange würde es dauern, bis wir wieder unter die Tyrannei des Quarteriums geraten würden?

Jaaron Jargon, 2. März 1306 NGZ

*

Bereits drei Tage nach dem Angriff der Flottengruppe »Süd« auf die akonische Handelswelt Lothor, war der Planet fast vollständig besetzt worden. Der Widerstand war geringer ausgefallen, als erwartet, was daran lag, dass die Akonen in weiser Voraussicht große Teile der Bevölkerung und der Industrieanlagen nach Foretor, der Haupthandelswelt evakuiert hatten.

Orlando wollte den schnellen Erfolg nutzen, um ins Foret-System, dem Hauptsystem der Akonen, vorzustoßen. Darum entsandte er die Hälfte seiner Einheiten nach Foretor, in der Hoffnung die Akonen zu überrumpeln und ihnen auch diese wichtige Welt, die die Versorgung von New Sphinx gewährleistete, ohne große Verluste zu entreißen. Doch darauf hatte Mirus Traban nur gewartet. Er startete eine Gegenoffensive und entsandte seine 15.000 Einheiten nach Foretor, um die starke Planetenabwehr zu unterstützen. Die Terraner hatten nicht mit einer solchen starken Gegenwehr gerechnet. Es gelang den Akonen den Angreifern herbe Verluste zuzufügen. Mehrere hundert terranische Schiffe und Jagdmaschinen gingen verloren, so dass Orlando sich entschloss, den Angriff abzubrechen und sich nach Lothor zurückzuziehen, um diesen Planeten zu sichern. Damit war es den Akonen vorerst gelungen, die quarteriale Offensive aufzuhalten.

Währenddessen gelang es jedoch den Arkoniden, auf Varnidon und Trott ihre Brückenköpfe auszubauen.

*

Am Abend des 6. März suchten Kathy Scolar, Nataly Andrews und Jaaron Jargon Vize-Kanzler Rauoch auf, der sie zu einem Diner eingeladen hatte. Rauoch hieß die Neuankömmlinge im Namen Saggittors herzlich willkommen und versicherte sie seiner Gastfreundschaft und versprach ihnen den Schutz Saggittors. Natürlich kam im Verlaufe des Abends der Kriegsverlauf zur Sprache.

»Man hört ziemlich beunruhigende Dinge aus Varnidon und Trott. Die Arkoniden sollen dort schon große Brückenköpfe gebildet haben«, sagte Jaaron Jargon.

Rauoch nickte düster.

»Das stimmt leider. Die Aggressoren haben jeweils einen Kontinent unter ihre Kontrolle gebracht. Die Einheimischen leisteten heroischen Widerstand, aber ich befürchte, wir werden beide Welten aufgeben müssen.«

»Wird die saggittonische Flotte ihnen nicht zu Hilfe kommen?«, erkundigte sich Nataly Andrews.

»Meine militärischen Berater halten dies für unklug. Sie sind der Meinung, wo der quarteriale Moloch erst einmal gelandet ist, kann man ihn nicht mehr aufhalten. Daher sollten wir unsere Kräfte schonen, um zu verhindern, dass der Feind noch weiter vordringt«, erklärte Rauoch bitter. »Der Schutz Saggittors hat oberste Priorität«, fügte er hinzu.

Nataly schwieg bedrückt. Der Gedanke, dass sie bald wieder in die Hände des Quarteriums fielen, beunruhigte sie sehr.

»Ich wünschte Aurec wäre hier. Er weiß immer Rat«, meinte Kathy Scolar.

»Das wünschte ich auch«, sagte der Vizekanzler müde, was Nataly noch mehr beunruhigte. Sie hatte nicht den Eindruck, dass der bemühte, aber doch biedere Politiker die kritische Lage bewältigen konnte.

*

Bis zum 12. März hatte sich die Lage wenig verändert. Auf Varnidon und Trott wurde nach wie vor erbittert gekämpft, während sich an der akonischen Front wenig tat. Die militärischen Aktionen waren dort fast völlig zum Erliegen gekommen, da Orlando nicht unnötig das Leben seiner Leute opfern wollte. Um die Lage zu beraten, traf er sich an Bord der PAXUS mit Generalmarschall Vranz Brauchl, dem Heereskommandanten der terranischen Quarterium-Armee und General Red Sizemore. Als erstes berichtete Brauchl über die Situation auf Lothor.

»Die Lage auf Lothor ist vollkommen unter unserer Kontrolle. Sämtliche akonische Verteidiger haben kapituliert und alle Raumhäfen sind unter unserer Kontrolle. Allerdings müssen wir sie erst instand setzen, bevor wir sie nutzen können. Die Akonen haben sie gesprengt. Außerdem haben sie viele Fabriken und Maschinenanlangen weggeschafft. Vermutlich nach Foretor oder New Sphinx.«

»Das lässt sich nicht ändern. Beginnen Sie so schnell wie möglich mit den Reparaturarbeiten. Außerdem wünsche ich, dass die Kriegsgefangenen gut behandelt, nach den internationalen, gesetzlichen Bestimmungen«, erklärte Orlando de la Siniestro.

»Selbstverständlich«, stimmte Brauchl zu, der früher in der Flotte der LFT gedient hatte.

Orlando wusste, dass er sich auf Brauchl verlassen konnte. Der geklonte Sohn des Emperadors wusste aber auch, dass die Arkoniden und die Bestien ihre Gefangenen oft grausam behandelten und sogar folterten. Auch sein Bruder Peter hielt nichts von kriegsrechtlichen Bestimmungen. Unter seinem Kommando jedoch würde es solche Auswüchse nicht geben und er konnte sich darauf verlassen, dass seine ihm treu ergebenen Offiziere derselben Ansicht waren.

»Kommen wir nun zu unserem nächsten Angriffsziel: New Sphinx. Wie können wir am besten direkt nach New Sphinx vorstoßen?«, fragte Orlando seine Strategen.

»Hm, das wird nicht so einfach sein. Bei unserem ersten Vorstoß ins Foret-System mussten wir uns zurückziehen. Wir könnten natürlich alles auf eine Karte setzen und mit unseren 35.000 Schiffen frontal gegen ihre circa 15.000 Einheiten vorrücken«, schlug Brauchl vor.

General Red Sizemore, der bislang geschwiegen hatte, räusperte sich.

»Ja bitte, General?«, forderte Orlando ihn zu sprechen auf.

»Wie Sie wissen, ist Foretor die Goldgrube und Kornkammer des Foret-Systems. Von dort aus läuft jetzt nahezu der gesamte Nachschub. Daher sollten wir zuerst diese Welt einnehmen, dann können wir New Sphinx vom Nachschub abschneiden und sie so unter Druck setzen, dass sie schon bald verhandeln müssen«, erklärte der blonde General.

»Das ist zweifellos richtig, General. Aber das wissen die Akonen auch, und daher haben die Akonen ja auch fast ihre gesamten Streitkräfte dort stationiert«, erinnerte Orlando.

»Wir haben ja bereits einen Angriff versucht und mussten uns zurückziehen. Außerdem haben sie dort starke planetare Abwehrforts, mit denen sie ihre Flotte unterstützen«, erklärte Generalmarschall Brauchl.

»Richtig, wenn sie aber ihre Truppen verkleinern müssen, haben wir mit unserer Übermacht freie Bahn«, meinte Sizemore zuversichtlich.

»Und warum sollten sie das tun?«, fragte Orlando skeptisch.

»Weil wir einen groß angelegten Scheinangriff auf New Sphinx starten werden. Dann muss Mirus Traban Flottenteile von Foretor abziehen, um die Hauptwelt zu schützen. Wenn das geschieht, werde ich mit meiner Flotte in einem Blitzvorstoß angreifen und Brauchls Landungstruppen ausschleusen, die dann als erstes die Abwehrbatterien lahmlegen. Währenddessen erledigen wir den Rest der akonischen Flotte«, erklärte Sizemore.

»Ich bin anderer Ansicht«, widersprach Generalmarschall Brauchl. »Wir sollten uns auf New Sphinx konzentrieren. Wenn wir die akonische Hauptwelt haben, ist der Feldzug beendet.«

»Wenn wir New Sphinx vom Nachschub abschneiden, womöglich noch schneller. Und wir werden weniger Verluste haben«, meinte Sizemore dagegen.

Das gab für Orlando den Ausschlag. Er wollte jede Möglichkeit nutzen, das Leben seiner Leute zu schonen. Darum traf er seine Entscheidung.

»Also gut, General Sizemore. Ich vertraue auf Ihren Plan. Sie übernehmen die Leitung des Angriffs auf Foretor. Bis wann können Sie soweit sein?«

»In spätestens drei Tagen. Wir dürfen den Akonen nicht zu viel Zeit lassen, sonst verstärken sie ihre Abwehr noch mehr.«

Orlando nickte zustimmend.

»Ganz recht. Heute ist der 12. März. Wir beginnen den Angriff auf New Sphinx am 15. März.«

Aus den Chroniken Cartwheels

Ganz Cartwheel hielt den Atem an. Die entscheidende Auseinandersetzung zwischen den Kräften der Tyrannei und den Kräften der Freiheit hatte begonnen. Die Zahl der Verteidiger war weit unterlegen, doch es mangelte ihnen nicht an Mut. Den Akonen war es gelungen, den quarterialen Vormarsch zu stoppen, und die Saggittonen und ihre Verbündeten auf Trott und Varnidon leisteten heldenhaften Widerstand, um der saggittonischen Flotte Zeit zu verschaffen, sich auf die bevorstehende Auseinandersetzung besser vorzubereiten. Auch ich und meine Nichte Nataly hielten den Atem an, denn auch unser Schicksal hing von dem Ausgang dieser Konfrontation ab.

Jaaron Jargon, 14. März 1306 NGZ

7. Die List des Terraners

Am frühen Morgen des 15. März 1306 NGZ begann der Angriff der Flottengruppe »Süd« auf New Sphinx. Orlando de la Siniestro übernahm persönlich an Bord der PAXUS das Kommando über die angreifenden Einheiten. Die Anwesenheit des Flaggschiffes sollte die Akonen in dem Glauben bestärken, dass es sich hierbei um den Hauptangriff handelte. Orlando befehligte zehntausend Schiffe. Auf Vorschlag von Sizemore verwendete man Virtuellbildner, die die Akonen verwirren und sie über die wahre Stärke der Angreifer hinwegtäuschen sollten. Diese gaukelten doppelt so viele Schiffe vor, als vorhanden waren.

Verteidigungsminister Akos von Rathony informierte umgehend Staatschef Mirus Traban über den Angriff.

»Soeben hat der Feind mit dem Angriff auf New Sphinx begonnen. Alle Verteidigungsstreitkräfte sind in Gefechtsbereitschaft versetzt worden. Die Raumforts melden erste Feindkontakte.«

Mirus Traban sah den Verteidigungsminister düster an.

»Wie viele?«

»Nach ersten Schätzungen etwa 15.000 bis 20.000 Einheiten.«

Traban seufzte.

»Dann greifen sie also in voller Stärke an. Reichen unsere Einheiten aus, um einen Angriff zurückzuschlagen?«

»Nein, wir benötigen Verstärkung von Feretor, sonst können wir New Sphinx nicht halten.«

Mirus Traban überlegte. Er hatte sowohl auf New Sphinx als auch auf Feretor 7.500 größere Schiffe stationiert. Sie waren so gestaffelt, dass sie jederzeit einem der beiden Planeten zu Hilfe eilen konnte, sollte er bedrängt werden. Er wollte die wichtige Welt Feretor nicht völlig entblößen, also sagte er zu Rathony: »Beordern Sie 4.000 Einheiten umgehend nach New Sphinx. Die Restlichen 3.500 bleiben auf Feretor zu Reserve. Zusammen mit unseren starken Raumforts müssten wir es schaffen, den Angriff zurückzuschlagen.«

Der Verteidigungsminister verbeugte sich kurz und beeilte sich, Mirus Trabans Anordnungen auszuführen, ohne zu ahnen, dass der Feind nur darauf wartete.

*

Quarteriale Aufklärer meldeten General Sizemore schon bald, dass sich 4.000 akonische Schiffe von Feretor aus formierten und nach New Sphinx vorstießen. Der terranische General stand zusammen mit Generalmarschall Brauchl, der die Bodentruppen kommandierte, an Bord seines Schiffes PFEIL und nahm die neuesten Meldungen entgegen.

»Sehr gut. Sie fallen darauf rein«, frohlockte Sizemore.

»Jetzt werden sie bestimmt Admiral de la Siniestro in die Flanke fallen«, befürchtete Brauchl, der noch immer skeptisch gegenüber Sizemores Plan war.

»Damit rechnet der Admiral. Wichtig ist, dass wir losschlagen, bevor sie merken, dass wir sie über die Anzahl der angreifenden Einheiten getäuscht haben. Sowie die akonischen Einheiten New Sphinx erreicht haben, greifen wir an. Sind Ihre Bodentruppen bereit, Generalmarschall?«, fragte Sizemore.

»Sie stehen bereit und warten nur darauf, dass uns Ihre Flotte den Weg frei kämpft«, erwiderte Brauchl.

»Das werden wir«, gab Sizemore entschlossen zurück.

*

In den frühen Morgenstunden des 16. März hatten die akonischen Einheiten New Sphinx erreicht. Orlandos Einheiten standen in schweren Kämpfen mit den starken Raumforts der Akonen, die in großer Zahl in mehreren Wällen um New Sphinx gestaffelt waren. Orlando musste vorsichtig agieren, denn er hatte schon mehrere hundert Schiffe im Kampf mit den Raumforts verloren. Die Akonen würden sich sicherlich bald wundern, dass die Terraner nicht in voller Stärke vorstießen. Ein Captain eilte auf Orlando zu und meldete ihm: »Sir, viertausend akonische Einheiten sind soeben eingetroffen. Sie greifen unsere peripheren Einheiten an.«

»Sizemores Plan scheint zu funktionieren. Die Akonen verfügen damit jetzt über etwa 11.500 Einheiten und haben damit mehr als wir. Jetzt ist es wichtig, dass wir sie hinhalten. Unsere Schiffe sollen sie in Kämpfe verwickeln und sich dabei aber langsam von New Sphinx zurückziehen.«

»Ja, Sir.«

Der Offizier salutierte und ging wieder. Orlando blickte nervös auf sein Chronometer. Es war fünf Uhr morgens. In einer Stunde würde Sizemore mit den restlichen 25.000 Einheiten der Flottengruppe seinen Angriff beginnen. Bis dahin mussten sie durchhalten.

Pünktlich um sechs Uhr setze sich Sizemores Flotte in Bewegung. Er griff die verbliebenen 3.500 akonischen Schiffe mit zehntausend schweren Einheiten, bestehend aus Schlachtschiffen der SUPREMO-Klassen B, C und D an. Die restlichen 15.000 Schiffe konzentrierten sich auf die Raumforts und die planetaren Abwehrstellungen.

Sizemore hatte schon zuvor eine Schwäche der großen Abwehrbatterien ausgemacht: Sie waren auf die Abwehr großer Schlachtschiffe und mittlerer Kreuzer ausgerichtet. Daher setzte er Jagdbomber vom Typ Zecke und schwere Raumbomber vom Typ Feuerhornisse ein.

Die Zecke besaß eine Länge von 9,50 Meter und eine Breite von 7,90 Meter. An Bord befanden sich zwei Mann Besatzung. Die Bewaffnung bestand aus einem MHV-Geschütz, zwei Impulsgeschützen, fünf schweren Plasmabomben und fünf leichten Thermobomben. Geschützt wurde der Jagdbomber durch einen zweifach gestaffelten HÜ-Schirm.

Die Feuerhornisse war hingegen wesentlich größer. Dieser schwere Bomber war 22 Meter lang und 20 Meter breit. Die Besatzung bestand aus sechs Mann. Der Bomber verfügte über eine Bewaffnung aus einem MHV-Geschütz, zwei Impulsstrahlern, zwei Projektil-Maschinengewehren, zwanzig schweren Plasmabomben und sogar je einer Arkon- und Sternenfusionsbombe.

Unterstützt wurden diese Bomber von schnellen Abfangjägern der Raumwespe-Klasse, einem Ein-Mann-Jäger, der über zwei MHV-Geschütze verfügte. Diese kleinen, wendigen Maschinen setzte General Sizemore gezielt gegen die Abwehrbatterien der Akonen ein. Sie waren oft zu schnell für die schweren Geschütze. Immer wieder brachen Feuerhornissen und Zecken durch das Sperrfeuer und luden ihre tödliche Fracht ab. Bis die Akonen dies erkannten und ihre Abfangjäger einsetzen konnten, war bereits die Hälfte der Abwehrbatterien zerstört worden.

Nun konnten auch die schweren Schlachtschiffe und mittleren Kreuzer weiter vorrücken. Diese nahmen die Abwehrforts, die Foretor umkreisten, unter Feuer und schlugen langsam, aber sicher eine Bresche nach der anderen in den planetaren Verteidigungsring. Außerdem wurden die Akonen durch die Übermacht der quarterialen Schiffe überrascht, denn sie hatten vermutet, dass sich das Gros der Flotte bei New Sphinx befand. Dem akonischen Flottenkommando standen dadurch nur noch 3.500 Schiffe zur Verfügung, die man dem Feind entgegen werfen konnte.

Die Akonen kämpfen tapfer, aber sie waren der Übermacht und der stärkeren Bewaffnung der Supremoschlachtschiffe nicht gewachsen. Bereits vierundzwanzig Stunden nach Beginn der Offensive hatten die Akonen mehr als die Hälfte ihrer Kampfschiffe verloren.

Unter dem Schutz der Schlachtschiffe und der überaus erfolgreichen operierenden Jagdbomber, die die meisten Abwehrstellungen zerstört hatten, konnte Generalmarschall Brauchl die Ausschleusung seiner Bodentruppen beginnen. Diese landeten zunächst in der Nähe der planetaren Abwehrstellungen, um diese endgültig auszuschalten. Dabei wurden sie von den Jagdbombern massiv unterstützt.

Die Schutzschirme der Verteidiger brachen unter dem verheerenden Bombardement nach und nach zusammen. Danach begannen die Invasoren einen Raumhafen nach dem anderen einzunehmen. Die akonischen Verteidigungstruppen waren den gut ausgebildeten terranischen Raumlandetruppen an Kampfkraft und Entschlossenheit nicht gewachsen.

Über den Frontalangriff hinaus ließen die Terraner, nach einer Idee Sizemores, Elitetruppen in akonischen Uniformen im Hinterland absetzen, die Sabotageakte verübten und den Verteidigern in den Rücken fielen. So verloren die Akonen eine Verteidigungsstellung nach der anderen.

*

Mittlerweile hatte Mirus Traban erkannt, dass die Offensive gegen New-Sphinx nur ein Scheinangriff war. Doch es war zu spät, die viertausend Einheiten, die nun im Kampf gegen Orlandos Flotte standen, wieder zurückzubeordern. Stattdessen befahl er, den Druck auf die quarterialen Angreifer über New Sphinx zu erhöhen, um wenigstens hier den Sieg davonzutragen und somit ein Patt zu erreichen.

Doch er hatte nicht mit der Flexibilität von General Sizemore gerechnet. Als dieser die Nachricht erhielt, dass Orlando und seine Einheiten unter schweren Druck standen, zog er von seinen 25.000 Einheiten 10.000 ab und schickte sie Orlando zur Unterstützung. Da die Akonen auf Feretor inzwischen nur noch über etwa tausend Einheiten verfügten, konnte er sich das problemlos leisten.

Als die zehntausend quarterialen Schiffen bei New Sphinx eintrafen, überraschten sie die Akonen wiederum total. Die akonischen Schiffe wurden nun von zwei Seiten unter Feuer genommen und mussten sich gegen die neu ankommenden Invasoren verteidigen. Dadurch wurden Orlandos in Bedrängnis geratene Schiffe entlastet und konnten sich in Richtung Feretor absetzen.

Nachdem dieser Entsatz geglückt war, konnte man sich nun mit geballter Kraft gegen die restlichen Verteidiger von Feretor wenden. Die noch verbliebenen Schiffe der Akonen wurden bis zum 18. März restlos aufgerieben. Die Landungstruppen hatten auf Feretor etliche Brückenköpfe gebildet, die immer größer wurden und sich mehr und mehr vereinigten.

Orlando gab Anweisung, die Zivilbevölkerung so gut es ging zu schützen und die Kämpfe aus den großen Städten herauszuhalten. Am 19. März forderte er die einheimischen Verteidiger zu Kapitulationsverhandlungen auf. Nachdem mittlerweile auch die Mehrzahl der Raumforts vernichtet und der Planet restlos eingekreist war, stimmte der Administrator von Feretor den Verhandlungen zu und bat um Waffenruhe.

Am Abend des 19. März kapitulierten die Akonen von Feretor und die Waffen schwiegen. Die Flottengruppe »Süd« hatte alles riskiert und einen großen Sieg errungen. Mit Feretor hatte man die wichtigste Handelswelt der Akonen eingenommen. Da auch Lothor gefallen war, würden die Akonen auf New Sphinx und den restlichen Welten große Nachschubprobleme bekommen. Der Fall von New Sphinx schien nun nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Orlando de la Siniestro stand auf der Kommandobrücke seines Flaggschiffs. Er war sehr beeindruckt von der Kühnheit und den Fähigkeiten seines jungen Generals. Die Verluste hatten sich für die Quarterialen tatsächlich in Grenzen gehalten und den Akonen war eine schwere Niederlage zugefügt worden, von der sie sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, nicht mehr erholen würden. Statt der Sterne im Panoramaschirm sah er die Ausbeute dieses Feldzugs vor seinem geistigen Auge.

Die Fabriken und Anlagen konnten zum größten Teil fast völlig unversehrt eingenommen werden. Die noch verbliebenen Raumschiffe auf Feretor gingen in quarterialen Besitz über. Nur etwa fünfhundert akonische Schiffe hatten nach New Sphinx entkommen können. Da auf Feretor und Lothor fast die gesamte akonische Rüstungsindustrie lag, war Mirus Traban schon fast damit schachmatt gesetzt, denn er konnte nun kaum noch Nachschub für seine verbliebenen Streitkräfte beschaffen. Und da die Arkoniden ebenfalls massiv gegen die Saggittonen vorgingen, war von deren Seite auch keine Hilfe zu erwarten. Orlando grinste. Er und sein Stab waren sehr zuversichtlich, den Akon-Feldzug schon bald erfolgreich abschließen zu können.

Aus den Chroniken Cartwheels

Die Tage vom 15. bis 20. März 1306 NGZ gehörten zu den bittersten seit der Besiedlung Cartwheels. Die Akonen verloren die wichtige Schlacht um Feretor. Ein junger terranischer General hatte mit seiner unorthodoxen Kriegsführung die Verteidigungsstrategie des akonischen Supremkommandos zunichte gemacht. Die tapfer kämpfenden Verteidiger hatten letztendlich kapitulieren müssen.

Die Folgen für New Sphinx waren nicht abzusehen. Auch aus Saggittor gab es keine guten Nachrichten. Die Saggittonen, die sich durch den starken quarterialen Druck außerstande sahen, den Akonen Hilfe zukommen zu lassen, verloren ebenfalls zwei Welten.

Am 20. März mussten Varnidon und Trott die Waffen strecken, obwohl sie den Arkoniden erhebliche Verluste zugefügt hatten – was allerdings auch daran lag, dass die Arkoniden sehr viel weniger Rücksicht auf das Leben ihrer Soldaten nahmen als die Terraner. Sie sahen sich außerstande, den Widerstand fortzusetzen, um furchtbare Verluste unter der Zivilbevölkerung zu verhindern. In diesen Tagen schien das Schicksal der noch freien Völker Cartwheels besiegelt.

Jaaron Jargon, 20. März 1306 NGZ

8. Für Arkons Macht und Glorie

Auch im quarterialen Oberkommando war man sehr zufrieden mit der Entwicklung. Cauthon Despair, der – sehr zu seinem Leidwesen – zusammen mit Uwahn Jenmuhs das Oberkommando leitete, belobigte die gelungene Offensive gegen Feretor und verlieh General Red Sizemore einen der höchsten Orden des Quarteriums. Gleichzeitig wurde er zum Generaloberst befördert.

Die von Stephanie de la Siniestro kontrollierten Massenmedien feierten Sizemore. Ein erfolgreicher Kriegsheld kam ihrer Propagandamaschinerie überaus gelegen – das hielt die einheimische Bevölkerung bei Laune. Mehr denn je manipulierten die Medien die Bevölkerung.

Doch nicht jeder innerhalb der quarterialen Oligarchie war zufrieden. Uwahn Jenmuhs war angesichts des glanzvollen Sieges der Terraner und der gleichzeitigen mühevollen, verlustreichen Eroberung von Trott und Varnidon besorgt, die Terraner könnten den Arkoniden innerhalb der Militärhierarchie den Rang ablaufen und am Ende womöglich gar behaupten, sie seien die besseren Soldaten, so wie sie es zur Zeit des Solaren Imperiums gewesen waren.

Jenmuhs wusste, dass Cauthon Despair ein Verehrer des Solaren Imperiums war und dessen lächerlicher Ethik und Moral anhing. Es musste verhindert werden, dass sich dessen verweichlichte Ideologie innerhalb des Quarteriums durchsetzte und ihre Anhänger ihm, dem Gos’Shekur, auf der Nase herumtanzten.

Aber wie verhinderte man das? Am besten, in dem Arkon selbst einen großen, glorreichen Sieg errang, angeführt von einem Kriegshelden und genialen Strategen. Und wer konnte dies anderer sein als er selbst – Gos’Shekur Uwahn Jenmuhs!

Dieser Gedanke verlockte den feisten Arkoniden immer mehr. Also begab er sich mit seinem Schiff an die Front und berief eine Einsatzbesprechung mit seinem Stab auf der ARKON ein. Neben den kommandieren Arkoniden Terz da Eskor, Jasor da Isaak und Mandar da Rohn waren noch seine getreuen Gefolgsmänner Generaloberst Jodur da Ten Weron und Generaloberst Keitar Ma’Tiga Leson vom OKC, dem Oberkommando Cartwheel, dem Stab der strategischen Planung und Verwaltung, anwesend. Mit diesen beiden Stabsoffizieren hatte der Gos’Shekur einen neuen Angriffsplan entworfen. Jenmuhs erhob sich schwerfällig und schnaufend aus seinem Sitz, um das Wort zu ergreifen.

»Meine Herren, ich bin nicht zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Offensive.«

»Aber wieso nicht, Gos’Shekur?«, fragte Terz da Eskor verständnislos. »Wir haben unsere angepeilten Ziele erreicht und Trott und Varnidon weisungsgemäß eingenommen.«

»Aber viel zu langsam!«, wies Jenmuhs seinen Admiral zurecht. »Das muss alles sehr viel schneller gehen. Außerdem ist es Ihnen nicht gelungen, die saggittonische Flotte zum Kampf zu stellen und zu vernichten.«

»Es war zu erwarten, dass die Saggittonen ihre Flotte für die Verteidigung von Saggittor, ihrer Hauptwelt, aufsparen würden«, gab Mandar da Rohn zu bedenken.

»Die Terraner haben uns vorgemacht, wie man den Feind auseinandernimmt, meine Herren! Wollen wir Arkoniden uns von diesen Barbaren vorführen lassen? Das darf nicht sein. Daher fordere ich, dass wir schneller als die terranisch geführte Flottengruppe ›Süd‹ die Saggittor-Offensive abschließen. Wir Arkoniden müssen die Ersten sein.«

»Aber, Gos’Shekur, es kommt doch nicht darauf an, wer als Erster den Feldzug beendet. Im Gegenteil, wenn die Flottengruppe ›Süd‹ den Akon-Feldzug schneller abschließt, können wir auf ihre Einheiten zu unserer Unterstützung zurückgreifen«, widersprach Terz da Eskor.

»Niemals! Wir werden die Ersten und die Besten sein. Da wir offensichtlich keinen so fähigen Strategen wie diesen General Sizemore haben, werde ich selbst das Kommando über die Flottengruppe ›Mitte‹ übernehmen«, verkündete Jenmuhs mit stolzgeschwellter Brust.

Terz da Eskor und Mandar da Rohn wechselten beunruhigte Blicke, während sich Jodur Ta’Len Weron und Keitar Ma’Tiga Leson erhoben und applaudierten.

»Bravo, Gos’Shekur! Damit sind die Saggittonen schon so gut wie geschlagen«, schmeichelte Keitar seinem Vorgesetzten.

»Allerdings, allerdings«, kicherte Jenmuhs.

»Wie sehen Eure Pläne aus, Erhabener?«, fragte Jodur ehrfürchtig.

Jenmuhs schlurfte zur Wand, auf der eine Sternenkarte des Saggittor-Systems leuchtete und deutete mit einer großspurigen Geste darauf.

»Wir werfen alle unsere Truppen nach Holpigon. Wir werden den Planeten mit unserer gesamten Flottengruppe umfassen und zermalmen!«, verkündete der Gos’Shekur vollmundig.

Entsetzt sprang Terz da Eskor auf.

»Aber, Gos’Shekur! Das ist in unserem Angriffsplan überhaupt nicht vorgesehen. Die Strategie lautete eindeutig, nach dem Fall von Trott und Varnidon sofort nach Saggittor vorzustoßen. Holpigon liegt in entgegengesetzter Richtung und führt uns weiter weg von Saggittor«, wandte der Admiral ein.

»Das ist ja das Geniale! Damit rechnen die Saggis garantiert nicht. Wir werden einen gewaltigen Sieg erringen, von dem man in Cartwheel mit Ehrfurcht sprechen wird. Das Ansehen des arkonidischen Militärs wird wieder konkurrenzlos sein.«

»Erhabener, die Holpigons sind militärisch von untergeordneter Bedeutung. Daher habe ich sie in meinem Angriffsplan außen vorgelassen. Es genügt, die Welt dieser Mollusken-Wesen mit zehntausend Schiffen zu sichern. Ein Angriff scheint mir eher unnötig«, gab General da Rohn zu bedenken.

Jenmuhs machte eine wegwerfende Geste und sah den General böse an.

»Pah! Die Herren von und da wissen mal wieder alles besser! Was wisst ihr faulen Offiziere schon von Ehre und hoher Politik? Nichts! Nichts wisst ihr!«, redete er sich in Rage. »Aus mir spricht die Vorsehung. Ich bin ein Sohn des Chaos und weiß, was am besten für das arkonidische Volk ist.«

»Ganz recht, Erhabener«, stimmten Jodur und Keitar wie aus einem Munde zu und bedachten da Rohn und da Eskor mit strafenden Blicken.

Mandar da Rohn versuchte tapfer, die Fassung zu bewahren.

»Aber, Gos’Shekur, wir meinen es doch nur gut. Trott und Varnidon sind noch nicht völlig gesichert. Von hier aus wollten wir den Angriff auf Saggittor starten. Wir dürfen diese Welten nicht unbewacht lassen«, versuchte der Stratege zu erklären.

Jenmuhs tat, als er würde er angestrengt nachdenken. Dann sagte er: »Nun gut, dann lassen wir eben zehntausend Einheiten zur Bewachung da. Der Rest der Flottengruppe ›Mitte‹ nimmt umgehend Kurs auf Holpigon. Auf diese Weise verhindern wir, dass die Holpigons uns in den Rücken fallen, wenn wir anschließend Saggittor angreifen und einnehmen.«

Jenmuhs lachte spöttisch. »Wie Sie sehen, kann auch ich taktisch denken, meine Herren Offiziere. Bereiten Sie alles vor. Wir starten sofort nach Holpigon.«

Ohne einen weiteren Einwand zuzulassen, stolzierte der Gos’Shekur aus dem Konferenzsaal und ließ seine ratlosen Strategen zurück.

Generaloberst da Ten Weron brach das Schweigen.

»Nun, Sie haben den Gos’Shekur gehört, meine Herren. Bereiten Sie alles vor, um den Angriff gegen Holpigon zu starten, bevor diese Schnecken uns zuvorkommen und in den Rücken fallen«, forderte er Terz da Eskor und Mandar da Rohn auf.

»Sie nehmen diesen Unsinn unwidersprochen hin, Jodur? Warum?«, wollte Admiral da Eskor erbost wissen.

»Weil der Gos’Shekur dieser Meinung ist und ich ihm nicht widerspreche«, entgegnete der Generaloberst schroff.

Während sich da Ten Weron und Ma’Tiga Leson abwandten, starrte Terz da Eskor konsterniert auf die Sternenkarte.

*

Nachdem sich die Flottengruppe »Mitte« gesammelt hatte, brach sie mit 55.000 Einheiten nach Holpigon auf. Zehntausend Schiffe blieben zurück, um Trott und Varnidon zu sichern. Admiral da Eskor und General da Rohn hatten kein gutes Gefühl dabei, doch Uwahn Jenmuhs ließ sich nicht umstimmen. Der Gos’Shekur war nicht bereit, mehr Einheiten zum Schutz der beiden Planeten bereitzustellen. Er sonnte sich in dem Gefühl ein großer Feldherr zu sein, worin die Speichellecker Jodur da Ten Weron und Keitar Ma’Tiga Leson ihn bestärkten.

In den Morgenstunden des 22. März erreichten die ersten Einheiten Holpigon. An Bord der ARKON beobachtete Uwahn Jenmuhs, der sich einen thronartigen, breiten Sessel in die Kommandozentrale hatte stellen lassen, gespannt die Aktionen seiner Flotte.

»Bislang kein Widerstand, Gos’Shekur. Wir orten keinerlei Kampfschiffe oder nennenswerte Abwehrstellungen«, meldete Admiral da Eskor, der nichts anderes erwartet hatte.

Uwahn Jenmuhs winkte gönnerhaft ab.

»Pah! Das kann auch ein Trick sein. Womöglich haben sie ihre Flotte hinter dem Planeten versteckt.«

»Das hätte uns unsere Aufklärung mitgeteilt«, meinte da Eskor.

»Aufklärung, ha! Die findet doch nicht mal Schnee im Winter! Haha!«

Uwahn Jenmuhs lachte schallend über seinen Witz. Jodur da Ten Weron und Keitar Ma’Tiga Leson lachten mit, während Terz da Eskor versuchte, ruhig zu bleiben.

»Admiral, ein Schiff der Holpigons nähert sich und bittet um Kontaktaufnahme«, meldete der Funker.

Da ist ja ihre gewaltige Flotte!, dachte sich Terz da Eskor, verkniff sich aber die Bemerkung. Es war niemals gut, den Gos’Shekur zu reizen, denn der lachte stets nur über seine eigenen Witze.

»Auf den Schirm! Wir wollen hören, was diese Schleimschnecken zu sagen haben«, gebot Uwahn Jenmuhs herrisch und lehnte sich gespannt in seinem Sessel zurück.

Gleich darauf erschien ein Holpigon auf dem Bildschirm. Das Molluskenwesen war etwa zwei Meter lang und besaß eine gelbe Hautfarbe.

»Ich bin Shmutzz«, stellte sich der Holpigon vor.

»Wie wahr, wie wahr«, meinte Jenmuhs hämisch.

Der Holpigon verstand die Anspielung des Arkoniden nicht und ging deshalb auch nicht darauf ein.

»Ich bin Regierungssprecher von Holpigon und ermächtigt, mit euch zu sprechen. Warum seid ihr hier? Was wollt ihr Arkoniden von uns?«, fragte der Molluske sachlich.

Uwahn Jenmuhs erhob sich schwerfällig aus seinem Sessel und stemmte beide Arme in seine umfangreichen Hüften.

»Ich bin Gos’Shekur Uwahn Jenmuhs. Und ich bin hier, um Holpigon für das Quarterium in Besitz zu nehmen.«

»Weswegen?«

Mit solch einer Frage hatte Jenmuhs nicht gerechnet. Er überlegte kurz.

»Unterstützung des Separatisten Rauoch, der Kontakte zur Terrororganisation USO hat und Unterhaltung von terroristischen Lagern«, fiel ihm ein.

»Dies entspricht nicht der Wahrheit«, erwiderte der Holpigon nüchtern.

»Ihr wagt es, mir zu widersprechen? Dafür wird euch meine arkonidische Flotte hinwegfegen«, ereiferte sich der Gos’Shekur.

»Das wird nicht nötig sein. Wir Holpigon verabscheuen Gewalt, daher kapitulieren wir.«

Jenmuhs machte ein Gesicht als hätte man ihm sein liebstes Spielzeug weggenommen.

»Ihr gebt auf? Einfach so? Das könnt ihr doch nicht machen.«

»Unser Volk ist euch militärisch unterlegen, daher ist Widerstand sinnlos und würde nur unnütze Opfer kosten. Doch ich warne euch: Die Göttin Saggittora wird euch dereinst für eure Aggression zur Rechenschaft ziehen.«

Jenmuhs brach in lautes Gelächter aus.

»Ha! Die soll nur kommen, eure vertrocknete Göttin. Der werde ich was erzählen.«

Jenmuhs kicherte weiter und seine beiden Hofschranzen stimmten wiederum ein.

»Ich darf euch darum ersuchen, die Gesetze des Universums bei der Behandlung meines Volkes einzuhalten«, ermahnte der Regierungssprecher der Holpigons.

Jenmuhs grinste diabolisch, doch das konnte der Holpigon nicht erkennen, da er sich mit der Mimik humanoider Wesen nicht auskannte. Sonst wäre er sicher beunruhigt gewesen.

»Aber gewiss doch. Die Holpigons werden so behandelt, wie es ihrem Rang entspricht«, erwiderte der Gos’Shekur doppeldeutig. Er dachte dabei an die Beschlüsse der Paxus-Konferenz.

»Somit liegt Holpigon in eurer Hand«, schloss das Molluskenwesen und schaltete ab.

Jenmuhs war ein wenig enttäuscht. Zu gerne hätte er Holpigon angegriffen und dem Erdboden gleichgemacht, doch durch die schnelle Kapitulation hatte er keine Handhabe dazu.

»Bravo, Gos’Shekur!«, ergriff Keitar Ma’Tiga Leson das Wort. »Allein durch Eure Präsenz habt die Holpigons so sehr eingeschüchtert, dass sie widerstandslos aufgegeben haben. Ein Sieg, der errungen wird, ohne einen Schuss abzugeben, ist zweifellos der größte Sieg von allen«, lobte der Generaloberst.

Das ging dem fetten Arkoniden herunter wie Öl.

»Ja, da seht ihr, wie richtig meine Taktik war. Jetzt können wir in aller Ruhe Saggittor angreifen, ohne einen hinterhältigen Angriff fürchten zu müssen.«

»Dann kann ich den größten Teil der Flotte wieder nach Varnidon und Trott zurückverlegen?«, fragte Admiral da Eskor hoffnungsvoll.

Jenmuhs winkte gönnerhaft ab.

»Gemach, Admiral, gemach! Zunächst bereite man meinen Triumphzug in der Hauptstadt der Schnecken vor. Sie sollen vor mir im Staub kriechen und mir huldigen.«

»Vielleicht sollten wir den Rat des Admirals befolgen, Gos’Shekur. Man sollte die dortige Front nicht zu lange entblößen«, wagte sogar Jodur da Ten Weron einzuwenden.

Jenmuhs funkelte den Generaloberst böse an.

»Wollt Ihr mich etwa kritisieren, Generaloberst?«, erregte sich der Gos’Shekur, wobei ihm Speichel über sein Doppelkinn lief.

Jodur spürte, dass er sich auf gefährliches Terrain begeben hatte und suchte nach einem Ausweg.

»Keineswegs, Gos’Shekur, das kann ich Unwürdiger gar nicht. Ich möchte nur nachfragen, um von Euch zu lernen«, ruderte der Militarist kriecherisch zurück.

»Natürlich«, nickte Jenmuhs versöhnlich. »Also bleibt in meiner Nähe und lernt von mir, dies kann Euch nur zum Vorteil gereichen. Und jetzt wischt mir mein Kinn ab.«

Eiligst holte der Generaloberst ein Taschentuch hervor und wischte damit den Speichel seines Herren und Meisters weg. Fassungslos beobachteten Terz da Eskor und Mandar da Rohn das Geschehen, doch sie hielten es für klüger, dezent zu schweigen.

*

Am folgenden Tag hielt Uwahn Jenmuhs eine Parade in der Hauptstadt der Holpigons und ließ sich als großen Feldherrn feiern. Der Gos’Shekur hatte dafür gesorgt, dass sein Triumphzug in ganz Cartwheel zu sehen war. Er genoss es sichtlich, verehrt zu werden.

Nur ein Interkomspruch von der ARKON störte ihn. Admiral da Isaak wollte ihn sprechen, doch Jenmuhs verwies ihn auf später. Als der Gos’Shekur sichtlich zufrieden gegen Abend in sein Flaggschiff zurückkehrte, wartete da Isaak, der als einziger ranghoher Offizier nicht an der Parade teilgenommen hatte, schon ungeduldig auf ihn.

»Was gibt’s denn?«, fragte Jenmuhs gelangweilt.

Der Admiral zögerte und wirkte verstört.

»Sprich schon!«, brüllte der Gos’Shekur ihn an.

»Wir haben schlechte Neuigkeiten von Varnidon. Unsere Truppen sind hinterrücks überfallen worden. Die Saggittonen haben mit 40.000 Einheiten angegriffen. Unsere Flotte kämpft tapfer, aber sie kann Varnidon gegen diese Übermacht nicht länger halten. Wir haben bereits 7.000 Schiffe verloren. Der Kommandant der Flotte bittet um Rückzug«, berichtete da Isaak mit belegter Stimme.

Uwahn Jenmuhs brauchte ein paar Sekunden, um das soeben Gehörte zu verarbeiten. Dann lief sein feister Kopf rot an und er fing an zu brüllen.

»Was? Das kann nicht sein! Das gibt es nicht! Das ist nicht passiert! Wie können die es wagen, mir zu trotzen? Das werden die Saggittonen mir büßen!«

»Was den Rückzugsbefehl für die restlichen dreitausend Schiffe anbelangt …«, begann da Isaak, doch Jenmuhs fiel ihm ins Wort.

»Rückzug? Was für ein Rückzug? Wo der Arkonide steht, da weicht er nicht! Diese Versager haben gefälligst zu sterben! Auf diese Weise können sie sich wenigstens nützlich machen und den Feind aufhalten, während wir nach Saggittor vorstoßen und diese Welt ausradieren!«, kreischte der Gos’Shekur.

Admiral da Isaak wollte noch etwas einwenden, doch als er Terz da Eskors warnenden Blick sah, ließ er es lieber bleiben.

»Sofort alle in den Konferenzraum! Wir bereiten einen neuen Angriff vor. Kurs auf Saggittor!«

Aus den Chroniken Cartwheels

Als alle Hoffnung verloren schien, gab es eine unverhoffte Überraschung für die Saggittonen. Es war wie ein Wunder: Der Feind zog den Großteil seiner Truppen ab und wandte sich stattdessen Holpigon zu. Lediglich zehntausend Einheiten verblieben, um Varnidon und Trott zu besetzen.

Strategen warnten, dies könnte eine Falle sein, um die saggittonische Flotte aus der Deckung zu locken. Doch als bekannt wurde, dass die quarteriale Flottengruppe fast komplett über Holpigon erschien, fasste Vizekanzler Rauoch einen riskanten Entschluss. Er brauchte einen Sieg, um die saggittonischen Soldaten und Zivilisten zu motivieren. Deshalb schickte er fast die ganze saggittonische Flotte nach Varnidon, um den Planeten zurückzuerobern.

Das Husarenstück gelang. Die arkonidischen Besatzer hatten noch keine Zeit gehabt, Verteidigungsstellungen auszubauen. Sie wurden von dem Angriff völlig überrascht und waren zahlenmäßig weit unterlegen. Trotzdem verteidigten sie sich erbittert. Doch sie verloren siebentausend ihrer Schiffe. Der Rest ihrer angeschlagenen Flotte zog sich nach Trott zurück, während Varnidon wieder von den Saggittonen besetzt wurde.

Psychologisch war dieser Sieg gewaltig, denn er erfolgte genau zu dem Zeitpunkt, in dem der prahlerische Uwahn Jenmuhs auf Holpigon einen Triumphzug abhielt und den Feldzug de facto als schon gewonnen erklärte. Militärisch war der Riese jedoch nur ein bisschen angeschlagen. Während die Saggittonen ihren Sieg feierten, war mir klar, dass dies erst der Anfang dieses unseligen Krieges sein würde, denn das Quarterium würde schon bald zurückschlagen.

Jaaron Jargon, 24. März 1306 NGZ

*

In den Morgenstunden des 25. März hatte sich die quarteriale Flottengruppe »Mitte« mit ihren verbliebenen 50.000 Einheiten nur wenige Lichtjahre von Saggittor entfernt versammelt. 5.000 Schiffe waren zur Besatzung auf Holpigon zurückgeblieben. Uwahn Jenmuhs saß in der Kommandozentrale auf seinem Thron und wartete auf Meldungen.

»Wie lauten die neuesten Nachrichten?«, fragte er schlecht gelaunt Terz da Eskor.

»Der Feind hat noch etwa 10.000 Einheiten rund um Saggittor aufgeboten. Dabei handelt es sich allerdings um seine stärksten und besten Schiffe. Wir sollten so schnell wie möglich angreifen, da die restliche saggittonische Flotte jeden Moment zurückkehren kann.«

Jenmuhs Laune besserte sich wieder, als er das hörte. Noch immer träumte er davon, einen großen militärischen Sieg davonzutragen, in dem er selbst die Hauptrolle spielte und mit dem er die starken Leistungen der Terraner noch überbieten konnte.

»Unsere Aufklärer sind hoffentlich unentdeckt geblieben?«, wollte er von seinem Admiral wissen. Der drohende Unterton in seiner Stimme war unüberhörbar.

»Natürlich, Gos’Shekur.«

»Sehr gut. Auf diesen Augenblick habe ich gewartet. Endlich ist der Moment gekommen, an dem wir Cartwheel zeigen werden, wie stark die arkonidische Flotte wirklich ist. Wir werden die Saggittonen aus dem Universum fegen«, ereiferte sich der fette Arkonide, wobei er drohend die rechte Hand zur Faust ballte.

»Der Sieg bei dieser Schlacht müsste unser sein«, meinte Terz da Eskor distanziert. Dem Admiral behagte das Auftreten seines Vorgesetzten nicht sonderlich.

»Es wird nicht einmal zu einer Schlacht kommen. Die saggittonische Verteidigung ist unserer mächtigen Flottengruppe niemals gewachsen. Nein, mein lieber Admiral da Eskor, was wir heute erleben, wird eine reine Schlächterei sein, ein Massaker. Dieses Massaker soll mein Freudenschrei werden, der hinaus nach Cartwheel hallen wird, damit jeder weiß: Hier steht Uwahn Jenmuhs, der Zerstörer Saggittors.«

Bei diesen Worten erhob sich der Arkonide von seinem Thron. Ein seltsamer Glanz trat in seine Augen. Uwahn Jenmuhs war zutiefst von sich selbst beeindruckt.

»Und anschließend werde ich eine Siegesparade abhalten, die noch größer und beeindruckender sein wird, als diese kleine Veranstaltung auf Holpigon. Und von Saggittor aus werde ich den Grundstein legen für den Beginn eines gewaltigen Imperiums, das sich dereinst weit über Cartwheel hinaus erstrecken wird«, schwärmte der Arkonide.

»Sollten wir nicht zunächst die Formalität hinter uns bringen, die Saggittonen zu besiegen, bevor wir eine Siegesfeier anordnen?«, meinte Terz da Eskor respektlos. Der nüchterne Admiral hatte wenig Verständnis für Jenmuhs Utopien und Eitelkeiten.

Strafend blickte der Gos’Shekur seinen Admiral an.

»Hörte ich da einen Hauch von Ironie, Herr Admiral? Hüten Sie sich! Sie sind nicht der einzige Offizier, der davon träumt, eines Tages neben dem größten Eroberer des Universums zu stehen.«

»Verzeiht, Gos’Shekur. So war es nicht gemeint. Aber wir sollten den Gegner niemals unterschätzen. Das wäre töricht.«

»Hm«, machte Jenmuhs. Allerdings sah er ein, dass der Admiral nicht ganz unrecht hatte. Terz da Eskor war sein erfahrenster und bester Flottenführer, daher beschloss er, ihm seine Anmaßung zu vergeben.

»Was den Angriffsbefehl anbelangt, so sollten wir nicht mehr allzu lange warten. Die saggittonische Flotte kann schon bald zurückkehren«, gab Terz da Eskor zu bedenken.

»Ja, wir sollten damit nicht allzu lange warten«, räumte Uwahn Jenmuhs ein. Dann schoss ihm plötzlich ein verlockender Gedanke durch den Kopf.

»Warten Sie, Admiral! Ich habe noch eine bessere Idee: Ich selbst werde den Angriff anführen«, verkündete er.

Terz da Eskor sah ihn ungläubig an.

»Sie wollen in die Schlacht?«

»Jawohl! Ja, bedenken Sie doch, was das für einen Eindruck auf das Volk von Cartwheel macht, wenn es erfährt, dass ich die entscheidende Schlacht gegen die terroristischen Saggittonen selbst geführt habe! Das hat nicht mal dieser Emporkömmling Sizemore gewagt! Bereiten Sie einen Bomber mit unserem besten Piloten vor!«, befahl Jenmuhs.

»Wie Sie wünschen«, sagte Terz da Eskor resigniert und verneigte sich.

9. Die Schlacht um Saggittor

Bereits eine Stunde später stand die arkonidische Flotte bereit. Man plante dieselbe Taktik, die die Terraner so erfolgreich auf Feretor angewandt hatten. Jagdbomber und Bomber sollten die außerplanetaren Verteidigungsstellungen der Saggittonen durchbrechen und den Planeten direkt angreifen. Dafür standen 15.000 Einheiten vom Typ Feuerhornisse, Raumwespe und Zecke zur Verfügung. Die großen Einheiten würden sich auf die verbliebenen saggittonischen Schlachtschiffe konzentrieren.

Allerdings zog man 20.000 Einheiten ab, die nach Varnidon aufbrechen sollten, um die dortige saggittonische Streitmacht in Kämpfe zu verwickeln und aufzuhalten, damit man währenddessen Saggittor ungestört angreifen konnte. Terz da Eskor und Mandar da Rohn waren nicht allzu glücklich mit diesem Plan, sie hätten lieber auf Verstärkung gewartet, doch Jenmuhs lehnte jede weitere Verzögerung ab. Der Gos’Shekur wollte sein Abenteuer und als Held und Eroberer in die Geschichte eingehen. Jodur und Keitar bestärkten ihn darin. Also begab sich Uwahn Jenmuhs an Bord einer »Feuerhornisse«, um von dort aus den Angriff zu leiten. Da der Kommandosessel zu eng für ihn war, musste er erst entsprechend umgebaut werden, was weitere wertvolle Zeit kostete. Eine Stunde später war Jenmuhs endlich standesgemäß versorgt und gab seiner Flotte den Befehl zum Angriff.

Der Aufmarsch der quarterialen Flotte blieb den saggittonischen Verteidigern nicht lange verborgen. Auf einem Dinner im Kanzlerpalast, bei dem auch Jaaron Jargon mit seiner Nichte Nataly und Kathy Scolar zugegen waren, erreichte Vizekanzler Rauoch die Nachricht von dem bevorstehenden Angriff. Als Rauoch die Nachricht, die ihm ein Ordonnanzoffizier gebracht hatte, gelesen hatte, erhob er sich von seinem Platz.

»Verehrte Anwesende, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Soeben erreicht mich die Nachricht, dass ein Angriff der Arkoniden auf Saggittor kurz bevorsteht. Es gibt keinen Grund zur Panik. Abwehrmaßnahmen werden umgehend getroffen. Das saggittonische Oberkommando hat diesen Schritt vorausgesehen und entsprechende Maßnahmen getroffen. Ich darf Sie nun bitten, so schnell wie möglich die vorbereiteten Schutzräume aufzusuchen«, erklärte der Vizekanzler betont ruhig.

Jaaron Jargon glaubte jedoch, eine gewisse Unruhe bei dem Politiker feststellen zu können. Als er sich zum Gehen wenden wollte, bat Rauoch ihn zu sich.

»Chronist Jargon, darf ich Sie bitten, im Kanzlerpalast zu bleiben, um von hier aus für die Nachwelt zu berichten. Die Sicherheit des Palastes steht Ihnen zur Verfügung. Das gilt selbstverständlich auch für die beiden jungen Damen.«

Jaaron war nicht wohl zumute bei dem Gedanken, zwischen die Fronten zu geraten. Andererseits war es seine Pflicht als Chronist zu berichten, und das konnte man vom Palast immer noch besser als von dem eigenen Bungalow, zumal es wohl auf ganz Saggittor keinen absoluten Schutz mehr vor dem feindlichen Angriff geben würde.

»Ich kann nur für mich sprechen. Ich fühle mich geehrt und nehme Ihre Einladung dankend an, Vizekanzler. Doch möchte ich Sie bitten, die beiden jungen Damen in den sichersten Bunker zu bringen«, erklärte Jaaron.

»Kommt nicht in Frage, Onkel Jaaron! Ich bleibe bei dir«, widersprach Nataly energisch.

»Ich ebenfalls«, schloss sich Kathy Scolar an.

»Wie Sie wünschen«, sagte Rauoch, zaghaft lächelnd.

Der Chronist beschloss, den Saggittonen offen auf ihre Erfolgsaussichten anzusprechen.

»Dann beantworten Sie mir bitte eine Frage, Vizekanzler. Wie stehen unsere Chancen den Angriff abzuwehren? Ich bitte um eine aufrichtige Antwort.«

»Nun, ich war den Gästen gegenüber zuversichtlicher, als es die Lage erlaubt«, gab Rauoch zu. »Wir haben noch zehntausend Schlachtschiffe zum Schutz Saggittors zur Verfügung. Der Rest befindet sich in der Nähe von Varnidon, da wir annahmen, die Arkoniden würden dort einen Gegenangriff starten. Ich habe die Flotte jedoch zurückgerufen und sie befindet sich bereits auf dem Rückflug nach Saggittor. Bis dahin müssen unsere zehntausend Schiffe und die planetare Abwehr durchhalten. Wenn die Flotte rechtzeitig zurückkehrt, werden wir die Arkoniden zurückschlagen.«

»Und wenn nicht?«, fragte Jargon beunruhigt.

»Sie wird rechtzeitig kommen. Außerdem haben wir auch einen sehr guten Verteidigungsgürtel rund um Saggittor angelegt. Kein Schlachtschiff kommt da so einfach hindurch. Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, ich muss in den Kommandostand und mich um die Verteidigung kümmern«, verabschiedete sich Rauoch.

Der Linguide blickte ihm beunruhigt nach.

»Was hast du, Onkel?«, wollte Nataly wissen.

»Er hat gesagt, kein Schlachtschiff käme durch den Verteidigungsgürtel. Auf Feretor kamen die Quarterialen aber mit kleinen Jagdbombern und durchbrachen damit die Abwehr.«

Nataly blickte ihren Onkel beunruhigt an. Dann spürten sie die ersten Einschläge.

»Es hat begonnen«, sagte Jaaron Jargon düster.

*

In der Tat versuchten die arkonidischen Militärs, der Strategie ihrer terranischen Kollegen nachzueifern. Sie wussten, dass die Verteidigung Saggittors auf die Abwehr großer Schlachtschiffe angelegt war. Rund um den Planeten war eine beträchtliche Anzahl von Raumforts und Raumminen angelegt worden. Daher setzte man auf die terranische Taktik und griff mit 15.000 Jägern und Jagdbombern an, während die arkonidischen Schlachtschiffe die saggittonischen Einheiten in Kämpfe verwickelten, um die Jäger zu decken.

Den flinken Jägern gelang es tatsächlich, genau wie auf Feretor, die Raumforts zu umgehen und durch die Lücken der Verteidigung zu schlüpfen, wenngleich es dabei zahlreiche Verluste für die Arkoniden gab. Dies bekümmerte Uwahn Jenmuhs nicht. Seine Feuerhornisse befand sich inmitten eines großen Pulks von Jagdbombern, die ihren Gos’Shekur abschirmten. Der fette Arkonide saß in seinem Kommandosessel und freute sich auf den bevorstehenden Bombenangriff.

»Das wird ein klassischer Sieg für uns werden. Und man wird bis in alle Ewigkeit davon sprechen«, schwärmte er.

Kurz darauf stießen mehrere tausend Jäger und Bomber in die Atmosphäre Saggittors vor. Die Verteidiger setzten ihnen wütendes Sperrfeuer entgegen, doch die wendigen Jäger konnten fast immer ausweichen. So gelang es ihnen, auf die Oberfläche Saggittors vorzudringen und in Richtung der großen Städte auszuschwärmen. Als sie die ersten Städte erreichten, warfen sie ihre tödliche Fracht ab.

Für viele Saggittonen kam der Angriff völlig überraschend. Zwar war eine Warnung durchgegeben worden und die Bevölkerung befand sich auf dem Weg zu den Schutzräumen, doch dass die Arkoniden den Verteidigungsring so schnell durchbrechen würden, damit hatte man in der saggittonischen Administration nicht gerechnet. So hatten viele Zivilisten die Schutzräume noch nicht erreichen können, als die ersten Bomben fielen. Die Arkoniden nahmen keine Rücksicht darauf und zogen eine Spur der Verwüstung und des Todes über die saggittonischen Städte.

Immerhin erkannte das saggittonische Oberkommando die Gefährlichkeit dieser kleinen Angreifer und setzte nun selbst Raumjäger ein, um sie den quarterialen Jagdbombern entgegenzuwerfen. Doch bis sie eingreifen konnten, verging wertvolle Zeit, in der die feindlichen Einheiten großen Schaden anrichteten.

*

Uwahn Jenmuhs blickte befriedigt auf den Kontrollmonitor seines Schiffes und betrachtete verzückt die brennenden Städte unter sich.

»Konzentriert den Angriff auf die saggittonische Hauptstadt. Ich will, dass der Kanzlerpalast in Schutt und Asche gelegt wird«, befahl er seinen Piloten.

»Gos’Shekur, die Saggittonen greifen nun ebenfalls mit Raumjägern an. Wir müssen Einheiten von den Angriffen abziehen, um unsere Bomber zu schützen«, erklärte der Kommandant der Feuerhornisse.

»Ja, aber wir haben mehr Einheiten, während die Saggittonen bald keine mehr haben. Greift ihre Startbasen an. Ihre Jäger werden dann nicht zwischenlanden können, um neue Munition oder Treibstoff aufzunehmen.«

Uwahn Jenmuhs ging voll in seiner Rolle als Flottenkommandeur auf. Schon immer hatte ihn die Macht über Leben und Tod fasziniert, doch noch nie war diese Macht so direkt sichtbar gewesen, wie am heutigen Tag. Jenmuhs sah die Bilder von beschossenen Gebäuden, aus denen Saggittonen wie brennende Fackeln gelaufen kamen, und er erfreute sich daran.

Auf Befehl von Jenmuhs nahmen die arkonidischen Jagdbomber Kurs auf das Zentrum der Hauptstadt Saggitton und den Kanzlerpalast. Hier lag der Unterschied zwischen der arkonidischen Taktik und der terranischen Vorgehensweise auf Feretor: Während sich die Terraner auf militärische Ziele konzentriert hatten, gingen die Arkoniden gezielt gegen zivile Ziele vor. Jenmuhs wollte die Saggittonen mit Terror überziehen, um sie auf diese Weise zum Aufgeben zu zwingen.

»Der Palast ist direkt vor uns«, meldete der Kommandant Jenmuhs.

»Gut, dann vernichtet ihn. Das dürfte nicht lange dauern«, meinte der Gos’Shekur selbstgefällig.

Es sah nicht gut aus für die saggittonischen Verteidiger. Ihre Flotte wurde überall in schwere Kämpfe verwickelt, während arkonidische Raumjäger über Saggittor hinwegfegten und Angst und Zerstörung verbreiteten. Immerhin gelang es den saggittonischen Jägern, die arkonidischen Jagdbomber in Kämpfe zu verwickeln, so dass die Bombenangriffe ein wenig nachließen. Die Saggittonen kämpften so gut sie konnten und fügten den Angreifern herbe Verluste zu, doch ihre Niederlage war absehbar.

Jaaron Jargon sowie Nataly und Kathy Scolar befanden sich noch immer im Palast, der unter schwerem Beschuss stand. Der Schutzschirm wurde immer schwächer und die Einschläge immer bedrohlicher.

»Wir sind hier nicht mehr sicher. Wir müssen hier raus«, meinte Nataly.

»Um Himmelswillen, Kind! Wo willst du denn in diesem Inferno hin? Wir sollten bleiben, wo wir sind«, riet Jaaron Jargon.

»Nataly hat recht. Hier in der Nähe liegt Aurecs Bungalow. Er steht direkt am Waldrand und da gibt es einige abgelegene Höhlen. Ich war mit Aurec dort spazieren. In ihnen sind wir garantiert sicherer«, schlug Kathy Scolar vor.

»Falls wir überhaupt dort hingelangen«, erwidert der alte Linguide, der von diesem Plan nicht begeistert war.

Wieder gab es einen lauten Einschlag und der Palast bebte. Ein Kronleuchter fiel von der Decke und zersprang in tausend Scherben.

»Der Schutzschirm kann jeden Moment zusammenbrechen. Wir verschwinden von hier«, entschied Nataly resolut und zog ihren widerstrebenden Onkel mit sich. Durch einen Nebenausgang gelangten die drei ins Freie. Ein Bild des Grauens bot sich ihnen: Der einst wunderschöne Blumengarten des Palastes war völlig zerstört, verstümmelte Leichen lagen in den Beeten.

Nataly musste sich zusammenreißen, um nicht entsetzt aufzuschreien. Kathy ging es ebenso. Doch die beiden Frauen wussten, dass sie sich keine Schwäche erlauben durften. Eine Staffel saggittonischer Jäger lieferte sich über ihnen ein Gefecht mit arkonidischen Bombern. Es war ein ohrenbetäubender Krach.

Weiter entfernt von ihnen detonierte eine Bombe. Das trieb die drei Flüchtlinge nur noch mehr an. So schnell ihre Beine sie trugen, rannten sie aus dem Kanzlerpalast und liefen in den Wald, um dort in einer der Höhlen Schutz zu suchen. Kurz nachdem sie eine sichere Höhle gefunden hatten, stürzten zwei miteinander kämpfende Maschinen auf den Palast, dessen Schutzschirm nun nicht mehr standhalten konnte und zusammenbrach. Mit berstendem Knall brach der Gebäudeteil zusammen und eine riesige Staubwolke stieg empor.

Uwahn Jenmuhs klopfte sich lachend auf seine schwabbeligen Schenkel, als er den Palast einstürzen sah.

»Was für eine großartige Show! Zugabe bitte!«, amüsierte sich der Arkonide. Voller Begeisterung starrte er auf den Monitor.

»Brenne, Saggittor, brenne! Jetzt naht dein Ende!«

»Eine neue Meldung von der ARKON, Gos’Shekur!«, rief der Funker der Feuerhornisse aufgeregt.

»Ruhe, du Wurm! Ich wünsche keinen Augenblick der Zerstörung Saggittors zu versäumen«, erwiderte Jenmuhs ungehalten.

»Feindliche Flotte nähert sich und bewegt sich genau auf uns zu«, sprach der Funker unbeeindruckt weiter.

»Was faselt dieser Idiot da?«, regte sich der Gos’Shekur auf. Wütend blickte er aus der Cockpitkanzel. Dabei erstarrte er. Zwei große saggittonische Schlachtschiffe rasten auf seinen Kampfverband zu und schossen wild um sich. Zugleich schwärmten unzählige Jagdmaschinen aus ihren stählernen Bäuchen. Mehrere arkonidische Jagdbomber wurden getroffen und explodierten. Jenmuhs sah ihre brennenden Trümmer abstürzen.

»Das kann doch nicht wahr sein!«, heulte er ungläubig auf.

»Admiral da Eskor meldet, dass etwa 40.000 saggittonische Schiffe aus dem Hyperraum gefallen sind und unsere Flotte schwer attackieren. Er rät zu sofortigem Rückzug«, übermittelte der Funker dem verdutzten Gos’Shekur.

Als Jenmuhs die heranrasenden saggittonischen Jäger sah, die seine Eskorte unter Beschuss nahmen, stieg zum ersten Mal in seinem Leben Todesangst in ihm auf. Krieg machte Spaß, solange man ihn aus sicherer Entfernung sah und gewann, doch jetzt drohte er sein Leben zu verlieren. Er, ein Quarteriums-Fürst! Das durfte nicht sein.

»Rückzug! Ganzes Geschwader zurückziehen!«, befahl er hastig.

»Aber der Kanzlerpalast ist noch nicht vollständig zerstört«, wies ihn der Kommandant des Bombers auf das Offensichtliche hin.

»Verdammt noch mal! Bring uns hier raus, bevor die uns zu Staub zerblasen, du blöder Penner!«, brüllte Jenmuhs den verdutzten Kommandanten an. Sein Leben war jetzt wichtiger als aller Ruhm für Arkon.

Der Kommandant und seine Besatzung wagten keinen weiteren Widerspruch und zogen den Bomber mit einem gewagten Manöver aus der Kampflinie zurück. Dabei gerieten sie kurzzeitig unter saggittonischen Beschuss. Das Schiff wurde kräftig durchgeschüttelt, doch der extra verstärkte Schutzschirm hielt stand. Mit bleichem Gesicht beobachtete Jenmuhs, wie seine Einheiten den Kampf abbrachen und sich zurückzogen. Doch dabei wurden vielen von ihnen von den neu hinzugekommenen, saggittonischen Jagdmaschinen abgeschossen.

Mit Höchstgeschwindigkeit verließ die Feuerhornisse Saggittor, begleitet von einer riesigen Eskorte von Jägern, die den Gos’Shekur schützen sollte. Doch diese Einheiten fehlten nun an anderer Stelle, so dass der Angriff der arkonidischen Bomber bald zum Erliegen kam und die restlichen Einheiten ebenfalls den Rückzug aus der saggittonischen Hauptstadt antreten mussten.

In den anderen Städten sah es nicht viel besser aus. Die unerwartet schnell zurückgekehrte saggittonische Flotte hatte das Blatt gewendet, aber auch der panische Rückzugsbefehl von Uwahn Jenmuhs hatte den bis dahin so erfolgreich verlaufenden Angriff scheitern lassen. Die ARKON kam der Maschine des Gos’Shekur entgegen, so dass sich Jenmuhs schon bald in Sicherheit befand.

Da sich die Flottengruppe »Mitte« heftigen Gegenangriffen der Saggittonen ausgesetzt sah, rieten Admiral da Eskor und General da Rohn zum Rückzug. Uwahn Jenmuhs, der noch sichtlich unter dem Eindruck des Erlebten stand, stimmte widerstandslos zu und zog sich in sein Gemach zurück, wo ihn ein heftiger Durchfall plagte.

Aus den Chroniken Cartwheels

Welch ein Wunder! Durch das rechtzeitige Auftauchen der saggittonischen Flotte und das unerwartet panische Verhalten der Arkoniden wurde Saggittor noch einmal vor der völligen Vernichtung bewahrt. Doch der Preis war hoch. Die Hauptstadt Saggitton wurde zu fünfzig Prozent zerstört.

Fast allen Großstädten geht es ähnlich. Die Opfer unter der Zivilbevölkerung sind beklagenswert und gehen überall in die Tausende. Doch wenigstens hat auch der Feind hohe Verluste erlitten. Vielleicht bringt ihn dies zur Einsicht, dass Krieg keine erstrebenswerte Lösung für politische Konflikte ist. Aber mir fehlt der Glaube daran. Menschenleben bedeuten den quarterialen Führern nichts. So ist zu befürchten, dass dies nur der Anfang des Infernos war.

Ich danke meiner Nichte Nataly und der tapferen Kathy Scolar. Ohne den Mut dieser beiden jungen Frauen läge ich heute unter den Trümmern des Palastes und könnte diese Zeilen nicht schreiben. Wer weiß, was uns noch erwartet …

Jaaron Jargon, 6. April 1306 NGZ

*

Nach dem gescheiterten Angriff auf Saggittor zog sich die Flottengruppe »Mitte«, die bei diesem Unternehmen 5.000 Kampfschiffe verloren hatte, nach Holpigon zurück, um wenigstens diesen unbedeutenden Planeten zu halten. Uwahn Jenmuhs übergab das Kommando wieder an Terz da Eskor und erklärte, dass er wegen »unaufschiebbarer Staatsgeschäfte« nach Arkon V müsse. Durch den von ihm geführten Angriff seien »gute Voraussetzungen« für den weiteren Feldzug geschaffen worden, es liege nun an Admiral da Eskor, das Begonnene zu Ende zu bringen.

Kaum war Jenmuhs abgeflogen, meldete sich Quarteriums-Marschall Cauthon Despair bei da Eskor und befahl ihn zu einer Einsatzbesprechung an Bord der EL CID. Resigniert machte sich der alte, neue Oberbefehlshaber auf den Weg. Er konnte dem Quarteriums-Marschall wenig Positives berichten.

An der Einsatzbesprechung nahmen auch Orlando de la Siniestro und General Red Sizemore teil, die den Bericht des arkonidischen Admirals regungslos mit anhörten. Cauthon Despair verzichtete darauf, Terz da Eskor Vorwürfe zu machen. Zu gut kannte er Uwahn Jenmuhs und dessen Allüren. Er beschloss, fortan zu verhindern, dass Jenmuhs sich bei diesem Unternehmen nochmals »strategisch« betätigte. Er wollte keine Amateure bei seinen Unternehmungen, darum hatte er schon Peter de la Siniestro aus dieser Offensive herausgehalten.

Despair sah sich eine Weile schweigend die Sternenkarten an, dann kam er zur Sache.

»Der Verlauf des Feldzugs gegen Saggittor ist natürlich unbefriedigend. Wir werden uns etwas überlegen müssen. Doch zunächst wollen wir uns weiter um die Akon-Offensive kümmern. Hier sieht es sehr gut aus. Ich bin überaus zufrieden mit Ihrem Vorgehen, meine Herren«, sagte er zu Orlando und Sizemore. »Den größten Anteil an diesem Erfolg hatten Sie, General Sizemore. Daher befördere ich Sie zum Generaloberst.«

Sizemore erhob sich von seinem Sitz und nahm Haltung an.

»Danke, Quarteriums-Marschall.«

»Bleiben Sie sitzen, Generaloberst. Welche Pläne hat die Flottengruppe ›Süd‹ jetzt?«

Orlando antwortete.

»Wir haben uns überlegt, dass die Akonen nach der Eroberung ihrer Wirtschaftsplaneten schon sehr bald große Nachschubprobleme auf New Sphinx bekommen werden. Um diese noch zu verstärken, errichten wir eine Blockade rund um den Planeten. Wir hoffen, die Akonen dadurch zur baldigen Kapitulation zu zwingen und so überflüssiges Blutvergießen zu vermeiden. Allerdings benötigen wir dazu weitere zehntausend Schiffe.«

»Einverstanden, das ist ein gut durchdachter Plan. Daran sollten sich andere ein Beispiel nehmen«, sagte Despair mit einem Seitenblick auf den verlegenen Admiral da Eskor.

»Wie dem auch sei, meine Herren: Dringen Sie so schnell wie möglich nach New Sphinx vor und beginnen Sie mit der Blockade. Wir bringen als erstes Akon zur Strecke und danach nehmen wir uns mit vereinten Kräften Saggittor vor. Die Saggittonen werden ihre Widerspenstigkeit noch bitter bereuen.«

10. Der vergessene Machtfaktor

30. April 1306 NGZ, Galornia

Fernab von den dramatischen Geschehnissen bei Saggittor und Akon saß ein galornisches Ehepaar vor seinem Trividbildschirm und verfolgte die Nachrichten. Es war kein gewöhnliches Ehepaar, denn der schwergewichtige Galorne war der Anführer der Thoregon-Koalition in Cartwheel, Arif Chul. Seine Frau Etna servierte ihrem Mann das Abendessen, wie jeden Abend, an dem er zu Hause war. Doch Arif verspürte wenig Appetit. Gebannt verfolgte er die Nachrichtensendungen. Um sich ein neutrales Bild vom Kriegsgeschehen zu machen, sah er abwechselnd die quarterialen, die saggittonischen und akonischen Nachrichtensender.

»Du isst ja heute gar nichts, Moppelchen«, klagte Etna Chul traurig. Dabei hatte sie sich mit dem Abendessen so viel Mühe gegeben.

»Verzeih mir, Liebes, aber die Nachrichten verderben mir den Appetit. Die Zerstörungen auf Saggittor sind schrecklich. Es hat viele Tote und Verletzte gegeben«, erklärte Arif seiner üppigen Frau.

»Hach, dann mach das Trivid aus und beschäftige dich mit etwas anderem. Iss, damit du mir nicht vom Fleisch fällst. Du willst doch keine dünne Bohnenstange werden, oder?«, scherzte Etna.

Bei den Galornen verhielt es sich anders als bei den Terranern, wo schlanke Menschen dem Schönheitsideal entsprachen. Auf Galornia war es genau umgekehrt. Je fülliger man war, desto attraktiver wirkte man. Dünne Galornen wurden eher belächelt.

Arif Chul seufzte, schaltete den Trividbildschirm aus und machte sich über das Essen her.

»So ist es gut, Moppelchen. Du willst doch, dass morgen die Sonne scheint, wenn wir unseren Ausflug machen. Endlich hast du mal einen freien Tag und den wollen wir auch voll und ganz genießen«, kicherte Etna.

»Natürlich, Liebes«, stimmte Arif kauend zu.

Doch ganz konnte er die Eindrücke der letzten Tage nicht verdrängen. Dabei ging es den Galornen und den anderen Thoregon-Völkern sehr gut. Die Galornen, Gharrer, Nonggo, Adlaten, Zentrifaal und Tasch-Ter-Man wurden vom Quarterium in Ruhe gelassen. Die Quarterialen respektierten die Autarkie dieser Völker und ließ sie gewähren. Im Gegenzug mischte sich die Thoregon-Koalition nicht in die Belange des Quarteriums ein. Man hatte einen Status quo geschmiedet, der gut funktionierte.

Dennoch hatte Arif Chul als Staatschef der Thoregon-Koalition kein gutes Gefühl dabei. Er besaß mehr Informationen als der einfache Galorne oder Nonggo, daher gelangte er mehr und mehr zu der Ansicht, dass die am Quarterium beteiligten Terraner, obwohl sie dem Thoregon angehörten, auf dem falschen Weg waren. Das Quarterium war aggressiv und expansionslüstern und dies führte zu Gewalt. Gewalt aber war für einen Galornen unerträglich.

*

Obwohl Arif Chul die Nacht über schlecht geschlafen hatte, gab er sich seiner Familie gegenüber gut gelaunt und freundlich, denn diesen ersten freien Tag seit langem wollte er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern genießen. Arif war stolz auf seine beiden Nachkommen. Beide waren runde, wohlgenährte Galornen. Seine Tochter Kirina ging noch zur Schule, während sein Sohn Resto gerade eine Ausbildung in einem Forschungslabor für Syntrontechnologie begonnen hatte.

Wie alle Galornen lebten die Chuls, trotz Arifs hohem Posten, ein recht ruhiges und durchschnittliches Leben. Im Gegensatz zu manch anderen Politikern verabscheute der Anführer der Thoregon-Koalition in Cartwheel Prunk und Protz, daher bewohnten er und seine Familie ein ganz normales Ein-Familienhaus. Da es bei den Galornen keine Gewalt und keine Terroranschläge gab, waren größere Sicherheitsvorkehrungen überflüssig.

An diesem Morgen frühstückte die Familie endlich wieder einmal gemeinsam. In den letzten Wochen hatten die Staatsgeschäfte den Führer der Thoregon-Koalition in Anspruch genommen. Er hatte mehrere Reisen unternommen, darunter Staatsbesuche auf Akon und Saggittor. Die Thoregon-Koalition pflegte gute Beziehungen zu diesen Völkern, was ein weiterer Grund für Arif Chuls Sorge war.

Seine Kinder rissen den galornischen Politiker aus seinen trübsinnigen Gedanken. Kirina erzählte von ihren neuesten Erlebnissen aus der Schule und Resto beschwerte sich über seinen Lehrherren, der angeblich viel zu streng mit ihm war. Auch Etna hatte vieles über ihre Nachbarn und deren Privatleben und Wehwehchen zu berichten.

Nach dem Frühstück flog die Familie mit Arif Chuls Gleiter hinaus ins Grüne. Noch immer gab es auf Galornia neue Landschaften zu entdecken, wenngleich die Galornen den Planeten bereits zum größten Teil mit ihrer hochstehenden Zivilisation kultiviert hatten. Man ging in den Wäldern spazieren und machte anschließend ein gemütliches Picknick auf einer idyllischen Wiese, die an einem malerischen Bergsee lag. Gut gelaunt und zufrieden kehrte die Familie am Abend wieder nach Hause zurück. Arif und seine Frau verbrachten einen harmonischen, romantischen Abend miteinander. Doch die Sorgen kehrten wieder. Nachts lag Arif Chul wach und grübelte, was Etna nicht verborgen blieb.

»Was hast du denn, Moppelchen? Bedrückt dich etwas?«, wollte die Galornin wissen.

»Es ist nichts. Schlaf weiter, Liebes«, murmelte Arif Chul und drehte sich auf die andere Seite.

Nach einer weiteren schlaflosen Nacht fasste der Führer der Thoregon-Koalition einen Entschluss: Er wollte sich persönlich nach Saggittor begeben und dort mit Vizekanzler Rauoch sprechen. Zuvor besprach er sich mit den Führern der anderen Thoregon-Völker und stimmte sich mit ihnen ab über das, was er Rauoch sagen wollte. Dann begab sich Arif Chul auf sein Flaggschiff und reiste nach Saggittor.

8. Mai 1306 NGZ, Saggitton

Am Morgen des 8. Mai 1306 NGZ traf Arif Chul auf dem zerbombten und notdürftig instand gesetzten Raumhafen von Saggitton ein. Im Gegensatz zu seinem vorherigen Staatsbesuch wurde er nicht von einer großen Delegation der Republik Saggittor empfangen, was er angesichts der Ereignisse sehr gut verstehen konnte. Ein Gleiter stand bereit und brachte ihn zur Residenz des Vizekanzlers, da der Regierungspalast noch immer zerstört war.

Die Aufräumarbeiten in der Stadt liefen auf Hochtouren, doch was Arif Chul sah, erschütterte ihn zutiefst. Saggitton war eine blühende Stadt voller Leben gewesen. Nun lagen viele Häuser, ja, ganze Straßenzüge in Trümmern. Das Gesehene bestärkte den Galornen in dem Plan, der schon seit einigen Tagen in ihm gereift war und er wurde immer entschlossener, ihn in die Tat umzusetzen. Vizekanzler Rauoch empfing den Besucher herzlich.

»Mein lieber Arif Chul, wie schön, Sie so schnell wiederzusehen.«

Rauoch deutete auf eine Frau und einen alten Mann, die ebenfalls zugegen waren.

»Darf ich Ihnen den Chronisten Jaaron Jargon und dessen Nichte Nataly vorstellen?«

»Es ist mir ein Vergnügen, Chronist. Ich habe Ihre Berichte mit großem Interesse gelesen«, begrüßte Arif Chul den Linguiden.

»Ach, das ist nur das Geschreibsel eines alten Mannes«, meinte Jaaron bescheiden.

»Sagen Sie das nicht, Chronist. Ihre Schriften haben in den letzten Tagen viel Aufmerksamkeit auf Galornia erregt.«

Die vier nahmen Platz.

»Wir bekommen nicht viel Besuch in letzter Zeit. Umso erfreulicher ist Ihr Hiersein«, meinte Rauoch zu Arif Chul.

»Mein Kommen hat einen ganz bestimmten Grund. Ich wollte mir ein Bild über die Lage vor Ort machen. Ich bin zutiefst schockiert«, erklärte der Galorne.

Rauochs Miene verdüsterte sich.

»Wir hatten schlimme Verluste. Glücklicherweise kehrte unsere Raumflotte rechtzeitig zurück und konnte den Feind zurückschlagen. Wir haben begonnen, Saggittor wieder aufzubauen, doch wir befürchten, dass das Quarterium erneut angreifen wird. Und wir wissen nicht, ob wir dem nächsten Angriff standhalten können.«

»Seien Sie ohne Sorge, mein Freund. Womöglich kommt es gar nicht zum nächsten Angriff.«

»Wie darf ich das verstehen?«

»Ich habe mich – abgesehen natürlich von den Terranern – mit den anderen Vertretern der Thoregon-Völker beraten. Wir sind zu dem einhelligen Beschluss gekommen, dass die imperialistische Eroberungspolitik des Quarteriums so nicht mehr hingenommen werden kann. Wird der Aggression nicht Einhalt geboten, droht ganz Cartwheel in Krieg und Zerstörung zu versinken. Dies ist nicht im Sinne Thoregons und DORGONs. Daher haben wir uns entschlossen, auf Ihrer Seite in den Konflikt einzugreifen. In Kürze wird eine galornische Flotte Paxus angreifen, den Planeten shiften und das Quarterium auf diese Weise befrieden.«

10. Mai 1306 NGZ, Galornia

Arif Chul war am gestrigen Abend von seinem Besuch auf Saggitton nach Galornia zurückgekehrt. Was er auf der Hauptwelt der saggittonischen Republik gesehen hatte, wühlte ihn noch immer auf und erfüllte ihn immer noch mit Bestürzung.

Er musste eine Entscheidung treffen. Nach seiner Rückkehr von Saggitton hatte er die Geborgenheit seiner Familie gesucht. Doch diese hatte ihm nicht geholfen. Im Gegenteil. Seine Frau wollte ihn von seinem Entschluss abbringen. Sie hatte ihn geradezu mit Vorwürfen überhäuft und ihm alle Argumente entgegengehalten, die gegen ein Engagement der Thoregon-Völker auf Seiten der Gegner des Quarteriums sprachen. Auch seine Kinder hatten keinerlei Verständnis für seinen Standpunkt.

Und dann kam es zum Eklat. Etna hatte gedroht, sie würde die Trennung einleiten, wenn er seinen Entschluss verwirklichen würde. Ein für die galornische Gesellschaft unerhörter Vorgang. Die Partnerschaft zwischen Mann und Frau war für die Galornen eine geheiligte Institution, die für ein ganzes Leben bestand. Die Auflösung einer Partnerschaft war nur möglich, wenn dem Partner moralische Vergehen schlimmster Art nachgewiesen werden konnten. Dies war in der gesamten jüngeren Geschichte ihres Volkes nicht mehr vorgekommen.

Auf diese Drohung hin hatte Arif Chul sich in sein privates Studienzimmer zurückgezogen. Hier fühlte er sich wohl, hier hoffte er, seine innere Ruhe wiederzufinden. Der Raum spiegelte seine Persönlichkeit, seine Sehnsüchte, Ängste und Träume. Die Decke aus psi-reaktiven Material und Formenergie zeigten einen Sternenhimmel, über den Schwarze Raumschiffe in der typischen Ei-Form galornischer Konstruktionen zogen. Die Seitenwände zeigten unbekannte Planetenlandschaften, die er nicht zuordnen konnte, aber mochte. Dies war sein Heiligtum, der Raum innerhalb seines Hauses, der nur ihm vorbehalten war. Kein anderer Galorne konnte diesen Raum betreten, denn seine Psi-Aura, die in die Wände eingeprägt war, erzeugte bei jedem außer ihm ein starkes Gefühl des Unwohlseins, das sich bis zur Panik steigern konnte.

Arif Chul seufzte und schob seine Zweifel von sich. Tief in seinem Inneren war er fest überzeugt, dass sein Weg richtig war. Thoregon konnte und durfte nicht länger die Missachtung des Lebens durch die Führer des Quarteriums tolerieren. Es war an der Zeit, dieser Aggression wirkungsvoll entgegenzutreten.

Sein Blick wurde von einer Szene an der Decke seines Zimmers gefangen. Es war ein Schwarzes Galornenschiff, das wieder und wieder den vorgespiegelten Weltraum durchquerte. Und zum wiederholten Male fragte er sich, was diese Manifestation seiner Psyche zu bedeuten hatte.

In ganz Cartwheel gab es keine Schwarzen Galornenschiffe. Sein Vorgänger Charif Parrul hatte, als er dem Ruf DORGONs folgte, auf diese Instrumente der Vernichtung verzichtet. Doch Charif Parrul war tot, ermordet durch die Terrorgruppe HEXAMERON. Er hatte versucht, die Hauris vom Weg der Lehre der Sechs Tage abzubringen. In seinem Testament hatte er seinen Schüler Arif Chul als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Der Galorne aktivierte das Interkomgerät auf dem halbhohen Bord aus Formenergie, das neben der Liege den einzigen Einrichtungsgegenstand bildete. Entschlossen stelle er eine Verbindung zur planetaren Administration her. Auf dem Bildschirm wurde das markante Gesicht seines Verwaltungsassistenten Raumeon sichtbar. Der Adlate strahlte, wie immer, Zuversicht und Vertrauen aus.

»Raumeon, bitte rufe für heute Nachmittag eine Sitzung der Führer der Thoregon-Koalition im großen Ratssaal auf Galornia ein. Wir müssen endlich einen Entschluss fassen, wie wir der aggressiven Politik des Quarteriums begegnen. Und bitte auch die Kommandantin Sarin Chismana zu dieser Sitzung. Wenn sich der Thoregon-Rat meinen Vorstellungen anschließt, wird es zum Einsatz der Shifting-Flotte kommen.«

Der Adlate blieb einen Augenblick stumm. Seine Mimik drückte nun Bestürzung und Sorge aus.

»Arif, hast du dir das auch genau überlegt? Bisher haben wir uns immer aus den Auseinandersetzungen in Cartwheel herausgehalten. Ein einziges Mal hielten wir uns nicht an diesen Grundsatz und dies führte zum Tode von Charif Parrul. Wenn wir jetzt eingreifen, bedeutet es Krieg. Es wird zum Ausbruch von Aggressionen und Gewalt kommen.«

»Raumeon, ich habe keine andere Wahl. Die Politik des Quarteriums verstößt gegen sämtliche Regeln. Der Emperador und seine Mitregenten scheinen zu tollwütigen Bestien geworden sein, die sich am Leid und der Qual der unterdrückten Völker laben. Wenn du gesehen hättest, wie die Arkoniden auf Saggitton gewütet haben, wie sie mit voller Absicht ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht haben, dann würde es für dich auch nur diese Entscheidung geben.

Ich mache mir sogar Vorwürfe, dass die Thoregon-Koalition nicht früher eingegriffen hat. Gemeinsam mit der USO, Akon und Saggittor hätten wir vielleicht zumindest verhindern können, dass der terranische Block auf den Weg des Terrors gerät. Wir müssen uns endlich der Wirklichkeit stellen und nicht länger die wesensverachtende Unterdrückungs- und Ausbeutungspolitik des Quarteriums durch unsere Untätigkeit tolerieren.«

Der Gesichtsausdruck des Adlaten wurde noch besorgter.

»Ist es wirklich so schlimm, Arif?«

»Eher noch schlimmer, Raumeon! Ich glaube, dass das, was wir wissen, nur die Spitze eines Eisbergs ist. Wir müssen das Quarterium stoppen und zwar jetzt.«

Nachdem er noch einige organisatorische Anweisungen gegeben hatte, unterbrach der Oberste Galorne die Verbindung. Wieder versank er in der Pseudo-Umgebung, die den Zustand seiner Psyche widerspiegelte. Für einen außenstehenden Beobachter wäre der Eindruck entstanden, als ob der korpulente Galorne meditiere. Doch es war mehr, viel mehr und nicht einmal er selbst verstand die Funktion der Psi-Widerspiegelung seiner Psyche zur Gänze. Nachdem einige Zeit verstrichen war, erhob er sich. Seine Psyche war geklärt – er war nun felsenfest von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugt.

Doch zuvor wollte er noch einmal versuchen, Etna von der Richtigkeit seiner Entscheidung zu überzeugen. Er betrat den gemeinsamen Wohnbereich. Und plötzlich begann er sich absolut unwohl zu fühlen. Er begann, innerlich zu frieren. Ein Terraner hätte dieses Gefühl als Gänsehaut bezeichnet.

Es war unverkennbar, er betrat Etnas Reich, nicht seines. Alles spiegelte ihre Psyche wieder. Zum ersten Male fiel ihm auf, dass der Wohnbereich völlig durch ihre Psyche geprägt war. Bisher hatte ihn das nicht gestört, aber bisher war auch ihre Beziehung durch keinerlei Streitigkeiten getrübt gewesen. Jetzt empfand er Etnas Ablehnung wie eine Wand, die ihm den Zutritt verwehren wollte.

Und er traute seinen Augen nicht. Der großräumige Wohnbereich hatte sich verändert. Immer schon hatte Etna ihre gemeinsamen Räume geprägt, doch jetzt war jeder Hinweis auf ihn verschwunden: Keine wild wachsenden Dschungelpflanzen mehr. Der wilde Fluss, der sich durch die Felsschlucht schlängelte, war einem Zierteich gewichen. Überall war Etnas Vorliebe für Ruhe und Ordnung sichtbar. Lange Alleen von geometrisch ausgerichteten Ziersträuchern verloren sich scheinbar in der Unendlichkeit. Dazwischen saubere Wege, auf denen kein Stäubchen sichtbar war. Und als Gipfel des Ganzen waren kleine Statuen an den Wegrändern platziert.

Er suchte in seinem Gedächtnis nach der exakten Bezeichnung, und plötzlich brannte sich diese in sein Bewusstsein: Gartenzwerge, die Terraner nannten diese Kulturschande Gartenzwerge. Vor einiger Zeit hatten Etna und er eine Reportage über die terranische Kultur im Trividkanal gesehen, er hatte sich vor Lachen geschüttelt. Nun fiel ihm auch der Titel der Reportage ein: Eines terranischen Spießers Himmelreich! Schon damals war ihm jedoch aufgefallen, dass Etna sich seltsam still verhalten hatte. Jetzt verstand er auch, warum. Was war nur geschehen? Wo war ihre Gemeinsamkeit, ihre seelische Übereinstimmung, der Gleichklang ihrer Psi-Auren geblieben? Er wollte gerade zu reden beginnen, als ihm eine völlig fremde, unangenehme Stimme empfing.

»Nimm Platz und iss, Moppelchen, sonst fällst du noch vom Fleisch!«, keifte es ihm entgegen. Alles in ihm krampfte sich zusammen. Wem gehörte diese abstoßende Stimme? Er ließ seinen Blick suchend durch den Raum wandern. Aber außer Etna und den Kindern war niemand anwesend. Und wieder die keifende Stimme: »Iss endlich, mein Dickerchen. Du willst doch, dass morgen die Sonne wieder scheint und die Blumen blühen? Sonst kommt der silberne Ritter und holt dich in sein finsteres Reich.«

Es schüttelte ihn. Gewaltsam riss er sich zusammen. Die keifende Stimme gehörte seiner Frau. Er erinnerte sich, dass er diese kleinen Sticheleien bisher genossen hatte. Aber heute war er wie vor den Kopf geschlagen.

»Etna, ich will nichts essen. Ich habe keinen Appetit. Ich bin nur kurz gekommen, weil ich mit dir über unseren Streit gestern Abend sprechen will.«

Weiter kam er nicht. Die keifende Stimme unterbrach ihn.

»Du abgemagertes Scheusal willst tatsächlich den Rat einberufen, um uns alle ins Unglück zu stürzen? Hör mir genau zu, Arif Chul. Ich verlange von dir, dass du auf der Stelle von deinem Amt als Oberster Galorne zurücktrittst und in Zukunft nur noch für mich und die Kinder da bist. Deine Reisen auf fremde Planeten hören sofort auf und …«

Weiter kam sie nicht. Diesmal unterbrach er seine Frau.

»Nimm bitte Vernunft an, Etna. Wir müssen dem Quarterium entgegentreten. Nur wir haben die Macht, diesen Wahnsinn zu stoppen. Bitte, Etna, …«

Weiter kam er nicht. Alles drehte sich um ihn. Um ihn verdichteten sich die schwarzen Gedanken und drängten ihn aus dem Raum. Etna hatte sich erhoben und kam auf ihn zu. Je näher sie kam, umso schlimmer wurden die Angst und die Panik, die ihn umgaben.

Er musste den Raum verlassen, sonst würde er der Panik erliegen. Etna gebärdete sich wie eine Rachegöttin. Aus ihrem zu einer Grimasse des Abscheus verzogenen Gesicht schaute sie ihn mit Augen an, in denen der Wahnsinn geschrieben stand.

»Geh, Arif Chul, dies ist nicht mehr dein Zuhause, nicht mehr deine Familie! Unsere Wege trennen sich hier.«

Nachdem er aus dem Wohnbereich getaumelt war, gelang es ihm, seine Psyche zu stabilisieren. Zwar fühlte er, wie Abneigung und Fremde ihn umgab, doch er war stark genug, diesen Gefühlen zu widerstehen.

»So geht das nicht, Etna. Kirina und Resto sind auch meine Kinder. Du kannst sie mir nicht so einfach wegnehmen. Bitte kommt zu mir, ich muss unbedingt mit euch sprechen.«

Doch Resto blieb sitzen. während Kirina zögernd einige Schritte auf ihn zu machte. Doch ein gebieterischer Blick ihrer Mutter bannte sie auf ihren Platz.

»Mutter hat recht, du gehörst nicht mehr zu uns. Geh endlich, und kümmere dich um deine Freunde im All, die dir wichtiger sind als deine Familie. Zu uns brauchst du auf jeden Fall nicht zurückkommen.«

Resto hatte die Worte hinausgeschrien. Kirina stand immer noch wie zu einer Salzsäule erstarrt mitten im Raum. Doch dann drehte sie sich um und setzte sich zu ihrem Bruder. Da wusste Arif Chul, dass er auch seine Kinder verloren hatte.

Einen Augenblick zögerte er und fragte sich, ob der Preis für seine Entscheidung nicht doch zu hoch war. Doch dann schüttelte er die Zweifel ab. Seine Psi-Aura erfüllte ihn mit der Überzeugung, dass er richtig handelte. Nach kurzer Zeit betrat er den Transmitterraum im Keller seines Hauses. Der etwa fünf Meter durchmessende Ring baute sich auf, als die Sensoren seine Anwesenheit registrierten. Nachdem er auf dem Steuer-Hologramm den Regierungskomplex ausgewählt hatte, betrat er den Ring, um praktisch zur gleichen Zeit in der Empfangsstation im Ratsgebäude zu rematerialisieren.

Galornia, Botschaft der LFT: Zur gleichen Zeit

Schnaubend und ächzend schleppte Miranda Intyre, Botschaftslegatin der LFT bei der Thoregon-Koalition ihre einhundertvierzig Kilogramm durch die Eingangstür der kleinen Residenz, die die Vertretung der LFT auf Galornia repräsentierte. Zum wiederholten Male verfluchte sie sich, dass sie diesen Posten angetreten hatte.

Es war wie immer, nichts funktionierte so, wie sie es sich ausgerechnet hatte. Ursprünglich hatte sie geglaubt, dass dieser Posten das Sprungbrett zu einer Karriere innerhalb des diplomatischen Dienstes der LFT bilden würde. Im Geiste hatte sie sich schon als oberste Repräsentantin Terras in Cartwheel gesehen, doch alles war anders gekommen. Die Thoregon-Koalition war praktisch in die Bedeutungslosigkeit versunken, als der terranische Block sich zuerst dem Bund der Vier und danach dem Quarterium anschloss.

Ursprünglich hatte sie sich ausgerechnet, dass Thoregon zum beherrschenden Machtfaktor innerhalb der Insel werden würde, die Allianz zwischen Terranern, Galornen, Gharrern, Nonggo, Zentrifaal, Tasch-Ter-Man und Adlaten schien für sie geradezu prädestiniert, die Geschicke Cartwheels zu lenken. Vorbei! Fehlkalkulation! Galornia war zu einer hinterwäldlerischen Welt verkommen, die Geschicke der Insel wurden ganz wo anders entschieden.

Doch vielleicht würde das schon bald anders werden. Während sie bei der LFT vergessen schien, hatte eine andere Macht ihre Bedeutung entdeckt. Ihre Perspektiven erschienen ihr mit einem Male wieder rosig. Mit einem Schaudern des Entzückens dachte sie an das Treffen mit dem hochgewachsenen Terraner zurück, der sie während ihres Urlaubs auf Mankind angesprochen und zu einem superben Dinner eingeladen hatte. Die Vorschläge, die er ihr anschließend unterbreitete, waren äußerst verlockend. Endlich schien man auf sie aufmerksam geworden sein. Das Ende ihrer Bedeutungslosigkeit war gekommen.

Sie hatte inzwischen hinter dem Kommunikationsterminal Platz genommen und rief die letzten Nachrichten ab. Noch immer hatte sie als Repräsentantin der LFT und Vertreterin Terras bei der Thoregon-Koalition Zugang zu den internen Kommunikationskanälen. Niemand auf Galornia misstraute ihr, ein Zustand, den sie auszunutzen gedachte. Fast gelangweilt verfolgte sie die Neuigkeiten, die über den Bildschirm des Terminals liefen. Doch eine Meldung schien sie förmlich zu elektrifizieren. Genau das hatte sie gesucht, darauf hatte sie gewartet. Jetzt konnte sie beweisen, wie wertvoll sie für ihre neuen Auftraggeber war.

Galornia, Ratssaal der Thoregon-Koalition: Früher Nachmittag

Arif Chul blickte über die Versammlung. Äußerlich war ihm nicht anzusehen, in welchem Zustand er sich befand. Doch seine Entscheidung war unwiderruflich, er war sich sicher: Dies war die letzte Chance, das lebensverachtende Regime des Quarteriums zu stoppen. Was bedeutete da sein persönliches Glück, seine Familie, wenn die Zukunft Cartwheels, die Zukunft ganzer Galaxien auf dem Spiel stand? Die Vertreter der Thoregon-Koalition waren inzwischen alle anwesend. Obwohl nur die Galornen technisch in der Lage waren, das geplante Shifting durchzuführen, gedachte der Oberste Galorne die Repräsentanten der anderen Thoregon-Völker an der Entscheidung zu beteiligen.

Raumeon hatte inzwischen seinen Platz als Ratspräsident eingenommen. Der Adlate eröffnete die Sitzung und erteilte dem Obersten Galornen das Wort. Arif Chul gab einen Überblick über die aktuelle Lage in Cartwheel und begründete, warum die Thoregon-Koalition ihre bisherige Politik der Nichteinmischung ändern musste. Um seine Beweggründe zu unterstreichen, zeigte er Bilder, die die Zerstörungen auf Saggitton durch den arkonidischen Angriff zeigten.

An den Gesichtszügen der anwesenden Vertreter der Thoregon-Völker konnte er erkennen, dass diese zutiefst getroffen waren von der Manifestation von Gewalt und Terror, die aus den Bildern sichtbar wurden. Und dann kam es zur Abstimmung. Das Ergebnis entsprach seiner Hoffnung: Alle Repräsentanten Thoregons stimmten seinem Antrag zu.

Nur der Vertreter der Tasch-Ter-Man enthielt sich der Stimme, ein Verhalten, das ihn total irritierte. Dieses Verhalten war eigentlich für dieses Volk absolut untypisch. Normalerweise richteten die Tasch-Ter-Man ihre Entscheidungen nach dem vorherrschenden Konsens, eigenständige Meinungen oder gar abweichende Entscheidungen waren in der Geschichte Plantagoos praktisch nicht aufgetreten.

Doch der weitere Verlauf der Sitzung lenkte ihn ab. Kommandantin Sarin Chismana hatte inzwischen das Wort ergriffen und legte die strategische Lage dar. Sie führte aus, dass im Moment eine wohl einmalige Chance bestand, Paxus anzugreifen, da die militärische Hauptmacht des Quarteriums durch die Invasion in Siom Som und den Krieg gegen Saggittor und Akon geschwächt war. Die relativ kleine galornische Flotte hatte derzeit eine reelle Chance, die zum Schutze der quarterialen Hauptwelt verbliebenen Einheiten in Schach zu halten und den Planeten zu shiften.

Zum eigentlichen Shiften brauchte man nicht mehr als zwanzig Schiffe. Durch die Wirkung dieser Psi-Waffe verloren alle intelligenten Lebewesen die Hälfte ihrer Vitalenergie, ihre Lebenspanne wurde auf etwa die Hälfte verkürzt. Danach waren die Betroffenen apathisch und deprimiert, aber auch zu keinerlei Aggression mehr fähig, weil ihre aggressiven Bewusstseinskomponenten aufgesaugt wurden. Unfälle und Selbstmorde führten zu weiteren Todesfällen unter den Geshifteten. Es war eine gefährliche Waffe, doch hier schien ihr Einsatz gerechtfertigt.

11. Epilog

Dann aber zeigte Raumeon die Schwachstelle des Planes auf. Sie konnten zwar in einer Raumschlacht um Paxus bestehen, aber damit war das Quarterium noch lange nicht geschlagen. Die Flottenverbände in Siom Som unter Leticron und die quarterialen Flottenverbände, die Akon und Saggittor attackierten, würden nach wie vor einsatzfähig sein. Und gegen die geballte Macht der quarterialen Flotte konnten die wenigen Weißen Schiffe, die der Thoregon-Koalition in Cartwheel zur Verfügung standen, nicht bestehen.

Und jetzt erkannte der Oberste Galorne plötzlich die Bedeutung seiner Visionen über die Schwarzen Schiffe. Und er begann, seinen Plan zu erläutern. Das Shifting von Paxus konnte nur der erste Schritt sein: Viel wichtiger wäre es, die militärische Präsenz Thoregons zu stärken, um der militärischen Übermacht des Quarteriums entsprechend begegnen zu können.

Die galornische Flotte musste die Kontrolle über das Sonnenportal erlangen, um den Hilferuf nach Plantagoo tragen zu können. Er zweifelte keinen Moment, dass der gegenwärtige Zweite Bote Ce Rhioton die Notlage seiner Brüder und Schwestern in der neuen Heimat verstehen und sie entsprechend unterstützen würde. Und wenn er eine Flotte Schwarzer Schiffe zur Verfügung hätte, könnte er auch der geballten Übermacht der quarterialen Flotte Einhalt gebieten.

In den folgenden zwei Stunden wurde ein Operationsplan erarbeitet, dem die zentrale Positronik eine Erfolgsquote von 94,2 Prozent einräumte, ein angesichts der vorhandenen militärischen Kräfteverhältnisse geradezu phantastisch guter Wert. Dieser Plan sah vor, die Flotte in zwei Keile zu teilen. Der größere Teil sollte Paxus angreifen und shiften, während der kleinere Teil in einem Kommandounternehmen PAXUS-Station besetzen sollte, um das Sternenportal zu kontrollieren.

Danach wollte Arif Chul persönlich nach Plantagoo reisen, um den Zweiten Boten um Hilfe zu bitten. In der Zwischenzeit sollte die Shifting-Flotte sich ebenfalls zum Sternenportal zurückziehen, um gemeinsam PAXUS-Station gegen die zu erwartenden Angriffe der quarterialen Flotte zu verteidigen. Arif Chul hoffte, dass er mit der Hilfe aus Plantagoo rechtzeitig zurück wäre, um die Vernichtung seiner Flotte zu verhindern.

Gegen siebzehn Uhr wurde die Versammlung aufgelöst. Die Vertreter der Thoregon-Koalition waren davon überzeugt, dass sie Erfolg haben würden. Die Tage des wesensverachtenden Regimes auf Paxus waren gezählt. Und Arif Chul nahm sich vor, nie wieder durch eine Politik der Isolation und Nichteinmischung die Entstehung totalitärer Regime in Cartwheel zu ermöglichen. Nein, in Zukunft würden die Geschicke der Insel von den Galornen im Sinne Thoregons und DORGONs gelenkt werden. Und wehe dem Volk, das dann den universellen Frieden störte.

ENDE

Das Quarterium will nun ganz Cartwheel unter seiner Kontrolle bringen. Die Galornen wollen zu drastischen Maßnahmen greifen. Im nächsten Band wechselt die Handlung zum Sternenportal in der Lokalen Gruppe und in M 87. Nils Hirseland schreibt in Band 84 die Ereignisse am

STERNENPORTAL DRUITHORA

DORGON-Kommentar

Das Quarterium schreitet von Sieg zu Sieg. Es hat den Anschein, als könne niemand den Siegeszug der Söhne des Chaos stoppen. Als sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis Saggittor und Akon fallen und damit die letzten Gegner MODRORs in Cartwheel ausgeschaltet sind. Der »geniale« Stratege Jenmuhs wird nach seinem Fiasko auf Saggitton wohl nicht mehr in Erscheinung treten, Sizemore und da Eskor dürften nun allein für die militärische Planung zuständig sein.

In dieser Situation taucht plötzlich mit der Thoregon-Koalition und den Galornen eine vergessene Macht auf, die mit einem Paukenschlag die Situation zum Guten wenden will. Und es scheint, als ob Arif Chuls Erfolgsaussichten gar nicht so schlecht sind. Das Quarterium hat seine Kräfte verzettelt, es hat sich auf einen Mehrfrontenkrieg eingelassen. Haben die Söhne des Chaos ihre Macht überreizt?

Es bleibt festzuhalten: Wenn es dem Obersten Galornen gelingen sollte, Verstärkungen aus Plantagoo zu erhalten, würden die militärischen Kräfteverhältnisse mit einem Schlage ganz anders aussehen. Schwarze Galornenschiffe gegen Supremoraumer – dem Quarterium würde ein ernst zu nehmender Gegner gegenüberstehen. Darüber hinaus wäre es ein sehr reizvoller Gedanke, sich eine durch das Shifting von allen Aggressionen und negativen Charaktereigenschaften befreite Familie Siniestro vorstellen. Nur ob dann Stephanie noch so interessant wäre, wage ich zu bezweifeln.

Jürgen Freier

GLOSSAR

Reynar Trybwater

Terraner

Geboren: 22.04.1259 NGZ in Great-Liverpool, Terra

Trybwater wächst als Kind armer Eltern auf, die ihm jedoch eine gute Schulbildung ermöglichen. Seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten prädestinieren ihn für eine rasche Karriere innerhalb der LFT. Politisch entwickelt Trybwater immer radikalere Ansichten, die auf die Verstaatlichung der Wirtschaft und eine Wohlfahrtsdiktatur zielen. Er wird Mitglied des Liga-Dienstes und beginnt zunehmend, Anhänger um sich zu scharen.

Ein von ihm mit äußerster Brutalität niedergeschlagener Aufstand auf einem ehemaligen Kolonialplaneten, der Kontakte zum Kristallimperium aufnehmen wollte, ist für Paola Daschmagan Anlass genug, Trybwater aller Ämter zu entheben und zur »persona non grata« zu erklären. Völlig verbittert und enttäuscht folgt Trybwater DORGONs Ruf nach Cartwheel und tritt in die CIP ein, wo er rasch Karriere macht.

Red Sizemore

General der quarterialen Armee.

Geboren: 12. April 1244 NGZ

Geburtsort: Aachen, Deutschland, Terra

Größe: 1,82 Meter

Gewicht: 77 Kilogramm

Augenfarbe: Wasserblau

Haarfarbe: Blond

Sizemore ist ein hochintelligenter Militärstratege. Ein Soldat durch und durch, der aber auf saubere, moralisch vertretbare Kriegsführung setzt. Er ist kein Schlächter des Quarteriums, sondern will Siege so unblutig wie möglich erringen. Dennoch ist er pflichtbewusst und gehorsam.

Red Sizemore ist in Deutschland, Terra, als Sohn eines Polizisten aufgewachsen. Schon immer war es sein Traum, Soldat zu sein. Mit 20 Jahren tritt er in die LFT-Armee ein. Er schlägt die Offizierslaufbahn ein. Im Jahre 1288 NGZ zeichnet sich Sizemore während der Kämpfe gegen die Tolkander aus und erhält das Kommando über das LFT-Schiff DRESDEN. Damit geht für ihn, nach fast 24 Jahren Dienstzeit, ein Traum in Erfüllung. Die DRESDEN wird auch bei den MATERIA-Kämpfen eingesetzt.

Sizemore meldet sich 1297 NGZ zum Insel-Projekt und wird in den Rang eines Captains erhoben. Er erhält 1298 NGZ das Kommando über das NOVA-Schlachtschiff AQUA.

Die AQUA wird zur Grenzsicherung und Forschung eingesetzt. Im Jahre 1298 NGZ kämpft sie mit im HELL-Sektor und wird schwer beschädigt. Sizemore wird in den Rang eines Majors erhoben. Er beginnt nun auch eine Ausbildung für Heerführung und schließt diese erfolgreich im Jahre 1301 NGZ in Redhorse Point ab. Es folgt die Beförderung zum Oberst, geeignet für Heer- und Raumschiffführung.

Oberst Sizemore wird fortan im Kampf gegen die Alien-Allianz eingesetzt. Mit seinem Schiff, der NORIKO, erringt er einige Siege und ist auch bei der entscheidenden Schlacht mit dabei. Er erhält 1304 NGZ das Kommando über das Supremoschlachtschiff PFEIL und wird, dank einiger guter Kommandounternehmen gegen Gegner des Quarteriums, zum General ernannt. Sizemore bekommt das Kommando über die 17. Kampfdivision (bestehend aus 200 Raumschiffen und Raumlandeeinheiten) der I. Terranischen Flotte.

Ende 1305 NGZ wird er in den Stab von Admiral Orlando de la Siniestro einberufen. Er fungiert als strategischer Berater und bekommt im Februar 1306 NGZ den Auftrag, einen Schlachtplan für eine Offensive gegen Akon zu entwerfen.

Dank General Sizemores Taktik gelingt es dem Quarterium mit niedrigen Verlusten die Wirtschaftswelt Feretor einzunehmen und so eine Vorentscheidung im Kampf um Akon zu erringen. Nach dem Sieg wird Sizemore zum Generaloberst ernannt.

Privat ist Sizemore mit seiner Frau Mara seit dem Jahre 1271 NGZ glücklich verheiratet. Das Ehepaar Sizemore hat einen Sohn – Manvret, geboren im Jahre 1295 NGZ. Sizemore liebt seine Familie und führt ein integres Privatleben.

Rauoch

Vizekanzler der Republik Saggittor. Rauoch ist der Nachfolger des verstorbenen Serakan und Stellvertreter Aurecs in der Republik der Saggittonen.

Geboren: Mai 1250 NGZ

Geburtsort: Saggitton, Galaxis M 64 Saggittor

Größe: 1,76 Meter

Gewicht: 71 Kilogramm

Augenfarbe: braun

Haarfarbe: schwarz

Merkmale: Vollbart, gekräuseltes, volles Haar.

Rauoch, Sohn eines Industriellen auf Saggitton, hat eine typische Politikerjugend durchlebt. Er ist in verschiedenen Vereinen engagiert gewesen und hat vier Jahre lang das Militär besucht, ehe er die Firma seines Vaters übernahm. Durch seine warmherzige Firmenpolitik machte er sich bei Personal und Kunden sehr beliebt und übte im Jahre 1289 NGZ erste ehrenamtliche Tätigkeiten in der Politik aus.

Nach der Zerstörung von M 64 durch Rodrom im Jahre 1296 NGZ übernimmt Rauoch mehr Verantwortung. Nach der Schlacht im HELL-Sektor wird Rauoch in den Ministerstab von Aurec 1299 NGZ einberufen. Als Wirtschaftsminister leistet er gute Dienste und wird 1305 NGZ, nach dem Selbstmord von Serakan, Stellvertreter des Kanzlers.

Rauoch ist ein Saggittone mit gutem Herzen, aber dennoch bieder, kein Held. Er ist bemüht, dem Quarterium zu trotzen, schafft es aber nicht, in die Fußstapfen von Aurec zu treten.

Feretor

Wichtige Wirtschaftswelt der akonischen Republik.

Feretor ist die vierte Welt der Feret-Sonne im Feretor-System. Das Feretor-System liegt nur 27 Lichtjahre entfernt vom Sphinx-System, dem Sitz der akonischen Republik.

Feretor hat einen Durchmesser von 7.700 Kilometern, besitzt fünf Kontinente und hat eine durchschnittliche Temperatur von 12 Grad Celsius. Die Kontinente sind dicht besiedelt. Aufgrund der hohen Mineral- und Edelmetallvorkommen des Planeten befinden sich fast überall Raffinerien, Baugruben und Fabrikanlagen. Es gibt kaum Zivilbevölkerung auf Feretor, abgesehen von den Arbeiterfamilien. Die größten Städte sind Ferstadt, Ferodrom und Ferakon.

Feretor produziert fast 40 % der Waren und Güter für die akonische Republik. Nach dem Angriff auf die Republik wird der Planet sogar zur Hauptwirtschaftswelt. Feretor fällt aber am 19. März 1306 NGZ in die Hände des Quarteriums.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 83, veröffentlicht am 28.11.2016 —

Titelillustration: Heiko Popp • Innenillustrationen:

Lektorat: Alexandra Trinley, Nils Hirseland und Jürgen Freier • Digitale Formate: René Spreer