Dorgon067 copy.jpg

 

 

Band 67

Quarterium-ZYKLUS

 

Invasion in Siom Som

Dorgon greift nach der Estartischen Föderation

 

Ralf König

 

Was bisher geschah

Im Jahre 1298 NGZ gelingt es den vereinten Kräften der Terraner, Saggittonen und ihrer Alliierten, den gefürchteten SONNENHAMMER zu vernichten und somit MODRORs Invasionsplänen vorerst ein Ende zu setzen. Die große Gefahr durch die finstere Entität scheint gebannt – doch in Wirklichkeit ruhen die Söhne des Chaos nicht. Innerhalb von sechs Jahren stampfen sie aus Cartwheel ein neues Imperium hervor – das Quarterium unter der Führung des Imperatore de la Siniestro.

Während sie sich öffentlich als friedliches Reich präsentieren, arbeiten die Söhne des Chaos in Wirklichkeit an der Umsetzung von MODRORs Eroberungsgelüsten. Nicht anders in M 100, Dorgon. Seit Jahren wird die Regierung unter Kaiser Commanus vom Sohn des Chaos Cau Thon manipuliert. Die Opposition wird als Verräter verschrien und der Bau einer gewaltigen Flotte wird von jedem akzeptiert.

Anfang 1305 NGZ ist das Ziel dieser Angriffsflotte bekannt – es ist die INVASION IN SIOM SOM…

Hauptpersonen

Vesus –

Der Oberbefehlshaber der dorgonischen Flotte führt eine Invasion an

Commanus –

Der Kaiser Dorgons greift nach noch mehr Macht

Sam –

Der ehemalige Generalsekretär von Cartwheel erlebt die schlimmsten Stunden seiner Heimat

Arimad –

Commanus widerspenstige Gemahlin

Kanthor Throk –

Oberbefehlshaber der estartischen Flotten

Torrinos, Saraah, Shenia Drenia und Waldron Tragonar –

Sie brechen nach Siom Som auf

 

 

 

 

Prolog

Der Brocken hing in der Dunkelheit des Alls, wie auf Samtkissen lagen die kleinen Lichter, die die Sterne der Galaxis symbolisierten. Die Heimat aller Dorgonen zeigte sich im besten Licht.

Schweigend stand der einsame Mann auf dem atmosphärelosen Brocken, ließ die Stimmung dieser Nacht in Dorgon auf sich wirken und schaffte es dabei kaum, ruhig zu bleiben. Zu erschreckend waren die Nachrichten, die sie in den letzten Wochen und Monaten erhalten hatten.

Ganz kurz nur schweiften seine Gedanken zurück zur schwärzesten Stunde der Rebellion. Im letzten Augenblick war ihnen die Flucht geglückt, zurückgelassen hatten sie Blut und Tränen, nicht selbst verursacht, aber immerhin beteiligt waren sie daran. Wäre es besser gewesen, auf jeglichen Einsatz von Gewalt zu verzichten?

Andererseits waren es nicht sie gewesen, die mit der Gewalt angefangen hatten. Sie hatten sich nur verteidigt gegen ein immer mehr in Diktatur versinkendes Reich. Waren mehr und mehr in die Defensive gedrängt worden und versuchten nun, das Beste daraus zu machen. So schwach waren sie nach der endgültigen Niederlage gewesen, einsam und ohne jegliche Unterstützung mussten sie sich verstecken, auf Welten, die niemand kannte, die abseits der gängigen Reiserouten lagen und auf denen sie niemand suchen würde.

Solche Plätze gab es in der Galaxis mehr als genug. Weit entfernt von der Heimat hatten sie Zuflucht gefunden, ihre Wunden geleckt, Stützpunkte eingerichtet und nach Freunden gesucht, die sie auf den Welten des Kaiserreiches auch mehr als genug gefunden hatten.

Viele Dorgonen waren nicht einverstanden mit dem neuen Regime, daran hatte sich nichts geändert. Aber sie waren vorsichtiger geworden. Das war auch verständlich, nach der verbrannten Erde, die Commanus damals hinterlassen hatte. Heute war auf vielen Welten Gras über die Verwüstungen gewachsen, wirkte vieles, als wäre es vollkommen intakt und als wäre es niemals anders gewesen. Der Wiederaufbau nun unter regierungstreuen Vertretern war von Commanus nicht nur unterstützt, sondern zu Zwecken der Eigenwerbung ausgeschlachtet worden.

Natürlich, wie sollte es auch sonst sein.

Der Raumanzug behinderte den einsamen Wanderer nicht, der auf der atmosphärelosen, kleinen Welt seinen Spaziergang machte. Unterschiedliche Verrichtungen erledigte er, kontrollierte Messeinrichtungen und beobachtete das schwarze, reiche, so wunderschöne All, das von diesem Platz bezaubernd und unwirklich aussah. Fast verlor er sich darin, aber er musste sich nur vor Augen führen, wie sie damals Hesophia verlassen hatten und schon kehrten seine Gedanken wieder zurück.

Vieles hatte sich getan in diesem neuen Dorgon. Nicht alles hatten sie herausfinden können, aber einiges war ihnen zu Ohren gekommen. Anderes wiederum spielte sich jeden Tag direkt vor ihren Augen ab. Es war kaum zu übersehen, was geschah. Dorgon rüstete auf. Nur zu welchem Zweck? Derzeit gab es keinen Cau Thon, der ihnen Ziele vorgab. Oder doch?

Wer wusste schon, was Commanus wirklich antrieb. Hatte er ähnliche Ratgeber, wie einst Kaiser Thesasian? Wenn ja, was war ihr nächstes Ziel? Terra, wie schon einmal, die Milchstraße der Freunde, die Dorgon dereinst befreit hatten?

Oder wollten sie diesmal ganz andere Orte aufsuchen, Welten, die sie noch niemals gesehen hatten?

Was auch immer sie planten, lange würde es sicher nicht mehr dauern. In den letzten Jahren waren so viele Dinge geschehen, so viele Welten mit Werften aufgerüstet worden, so viele Adlerschiffe erbaut und in Dienst gestellt worden, dass die wenigen Verluste, die die Kriege der Vergangenheit der Flotte beigebracht hatten, kaum noch ins Gewicht fielen.

Nur für einen Augenblick dachte er an die Wesen, die er auf Dorgon zurückgelassen hatte. Arimad sollte nicht mehr dort sein. Aber als Informantin im Pons Domus war sie zu wertvoll. Wie sollten sie sich selbst jemals in die Augen sehen können, wenn sie solche Entscheidungen trafen?

Wie auch immer, es nützte nicht, sich jeden Tag verrückt zu machen. Glücklicherweise passierte ihm das nicht allzu oft.

Spielerisch stieß er sich ab von der kleinen Welt, deren Gravitation um so vieles niedriger war als die der Heimat. Er schwebte in einem sanften Bogen auf eine schroffe Anhöhe, verankerte sich dort mit Hilfe des Mikrogravitators und blickte sich noch einmal um. Dann steuerte er einen unauffälligen Teil der Felswand an. Kurz nur öffnete sich ein Durchgang, als er einige Tasten an seinem Armband-Kommunikator betätigte. Das wenige Licht, das nach außen drang, war kaum zu erkennen. Sie waren gut getarnt auf diesem kleinen Asteroiden. Aber auch fernab von allem, was wichtig war. Und erschreckend weit davon entfernt, wieder eine Rolle in dieser Galaxis zu spielen.

Etwas würde sich ändern. Bald schon.

Nur was?

Torrinos öffnete den Helm. Sie würden es schon merken.

 

Kapitel 1 - Die neue Flotte

Geheimnisvoll war es nicht, was derzeit passierte. Die Vielzahl der neuen Schiffe war kaum zu übersehen. Und auch Vesus konnte nichts anderes vermelden, als dass die Stärke der Flotte drastisch erhöht worden war. 200.000 neue Adlerschiffe hatte das Reich in Dienst gestellt und verfügte somit über eine Flotte, die stärker war als alles, was sie bisher in dieser Galaxis gesehen hatten.

So prächtig die neuen Schiffe auch aussahen, die Welten Dorgons hatten unter dieser Welle der Aufrüstung mehr als nur leiden müssen. Dux Superior Vesus verschränkte die Arme hinter dem Rücken und nahm eine rastlose Wanderung auf, die er in den letzten Tagen immer wieder aufs Neue bestritten hatte.

Niemand beachtete ihn in der Zentrale des Raumschiffes, das das Flaggschiff Dorgons war. Der kommandierende Offizier als nervöser Feldherr war sicher ein ungewöhnliches Bild, aber die meisten der Offiziere, die zur geistigen Elite ihrer Welt gehörten, konnten durchaus nachvollziehen, was in dem Mann vorging. Sicher nicht ganz auf die gleiche Weise, denn Vesus war mindestens genauso Politiker wie Militär, wenn auch unfreiwillig. Trotzdem verstanden sie, welchen Blutzoll ihr Volk hatte zahlen müssen, um zu diesen Schiffen und zu dieser gewaltigen Stärke zu kommen. Und immer noch wurde weiter produziert, der Ausstoß der Werften war nicht weniger geworden. Etwas musste der neue Kaiser der Dorgonen, an den sie sich in all den Jahren immer noch nicht gewöhnen konnten, bezwecken.

Aber was?

Vesus konnte sich nicht vorstellen, wozu man solche Unmengen von Raumschiffen benötigen würde. Die Rebellion war derzeit nicht zu einem ernsthaften Widerstand in der Lage. Immer noch leckten sie die Wunden nach der verheerenden Niederlage vor sechs Jahren. Sie versteckten sich auf Stützpunkten, die nicht einmal er kannte. Wenn Kontakt mit ihm aufgenommen wurde, dann heimlich und durch Mittelsmänner. Die ursprüngliche Organisation hatte sich verändert. Anstatt viele Anhänger überall versammelt zu haben, begnügte man sich mit wenigen, die jeweils in einem Gebiet verteilt waren. Dabei kannte jeder nur die ihm direkt Unterstellten oder den ihm unmittelbar Überstellten. Was darüber hinaus ging, wusste niemand. So war es fast unmöglich, Spuren zurück zu verfolgen. Und wenn doch, dann dauerte es sehr lange, bis man verwertbare Resultate erzielte.

Diese Organisation in Zellen hatte sich bewährt. Immerhin hatten sie es geschafft, in all den Jahren zu überleben. Aber vielleicht wollte der Kaiser das auch so. Eine Opposition hatte einer Diktatur noch nie geschadet, so lange sie nicht zu stark wurde. Wenn es dem Volk gut ging, war einer Rebellion der Nährboden entzogen.

Nur war genau das derzeit nicht der Fall. Nur gewissen Schichten ging es gut, während die anderen hungern mussten.

Vesus konnte im Augenblick nichts dagegen tun. Jeder, der ihn umgab, konnte insgeheim dem Kaiser Treue geschworen haben. Die Jahre hatten vieles verändert. Längst nicht jeder Angehörige der Flotte kannte noch Uleman, den dereinst weise und friedlich regierenden Kaiser, der ganz neue Ideen in dieses Reich eingeführt hatte. Aber wer ihn kannte, respektierte seine Leistungen immer noch.

Nur war der Oberbefehlshaber der Flotte längst nicht sicher, ob alle an seiner Seite stehen würden, wenn es ernsthaft gegen den Kaiser ging. Viele hatten dem Amt die Loyalität versprochen, sie alle hatten das, aber Vesus vermutete, dass immer noch die weitaus meisten Uleman vermissten.

Trotzdem hatten die Jahre unter der Regierung des Commanus dafür gesorgt, dass sich kaum etwas verändert hatte. Und viele Soldaten waren deshalb kaum noch berechenbar. Jedenfalls nicht in einer Weise, dass man ohne Sorge eine Revolution anzetteln konnte, weder mit Unterstützung der Flotte und schon gar nicht ohne.

Etwas musste geschehen, um dieses wieder ändern zu können.

Vielleicht geschah es schon bald.

Der Oberkommandierende baute sich hinter seinem Sessel auf, stützte die Ellbogen auf die Rückenlehne und schaute auf den Bildschirm. Er musterte die Welt, der sie sich näherten. Vor allem lunare Gebiete, aber auch einige Bereiche auf der Oberfläche der Welt, waren von umfangreichen Produktionsanlagen bedeckt. Ein Schiff erhob sich gerade von seinem Landeplatz und reihte sich in eine Flotte ein, die auf ihre Abreise wartete. Schiffe, unglaublich viele Schiffe, hatten sich in dem Sonnensystem versammelt. Hesophia war heute eine besonders wichtige Welt für die Rüstung geworden.

Vesus war sich sicher, dass Commanus das mit Absicht gemacht hatte. Die Niederlage konnte kaum vollkommener sein, als auf diese Weise. Und das Volk hatte genug zu tun. Es kam so nicht auf dumme Gedanken.

Besonders schön war der Anblick allerdings nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn man insgeheim nicht auf Seiten des Kaisers stand.

Trotzdem ließ der Anblick der vielen Schiffe das Herz eines überzeugten Militärs höher schlagen. Vesus schaute mit leuchtenden Augen zu, wie die neuen Schiffe, wie an einer Perlenschnur aufgereiht, an ihre Plätze flogen und sich in Standardformation versammelten.

Das Schweigen in der Zentrale zeigte ihm, dass er nicht der einzige war, dem dieser Anblick etwas bedeutete.

Unruhige Wanderungen waren schon lange nichts Ungewöhnliches mehr für Arimad. Im Vergleich zu damals, als noch die verrückten Kaiser regiert hatten, hatte sie es eigentlich gut getroffen. Commanus beachtete sie kaum noch, ließ allerdings auch nicht zu, dass sie sich zu sehr verselbstständigte. Sie war sein Eigentum, seine Ehefrau, er hielt sie wie eine Sklavin und benutzte sie bei jeder Gelegenheit, um selbst besser auszusehen.

Sie konnte es ihm nicht verdenken. Der gütige, freundliche aber feurige Commanus, in den sie sich vor Jahren verliebt hatte, war nicht mehr. Gestorben in den Wirren des Kampfes gegen die Rebellion, hingestreckt von etwas, das sie nicht identifizieren konnte. Was noch übrig war, war monströs und grausam, keinesfalls ein Mensch, den sie respektierte. Er war kaum noch zu ertragen.

Trotzdem wollte sie nicht von dieser Welt fliehen. Die Gelegenheit hatte sie bereits mehrfach erhalten, der Widerstand konnte immer noch durch die Geheimgänge in den Palast. Die Möglichkeit wurde aber kaum noch genutzt. Lediglich ab und zu, wenn es nötig wurde, Nachrichten nach draußen zu schmuggeln, wurden die Katakomben noch verwendet.

Sie war sich fast sicher, dass Commanus über diese Möglichkeiten Bescheid wusste. Aber es schien ihn nicht zu interessieren. Wozu auch? Wichtig war nur, dass niemand versuchte, sich offen gegen ihn zu stellen. Was im Verborgenen geschah, interessierte diesen Mann wirklich nicht. Und doch konnte es von Bedeutung sein.

Elenia war jung und wunderschön. Schon vor langer Zeit war die Tochter des Preconsus Falcus in den Palast gekommen. Über die Jahre hatten sie sich angefreundet und so erfuhr die Frau des Kaisers doch mehr, als Commanus recht sein konnte. Sie wusste nicht mehr, wie es passiert war. Vielleicht war der Genuss von Alkohol schuld daran. Aber sie hatte der Tochter des Senators, der sich so offensichtlich auf die Seite des Kaisers geschlagen hatte, mehr anvertraut, als gut war. Und so hatte sie über ihre Kontakte zum Widerstand berichtet. Seither half Elenia ihr immer wieder, wenn sich die Gelegenheit ergab. Verwundert nahm die Kaiserin zur Kenntnis, dass innerhalb derselben Familie offensichtlich oftmals Unterschiede herrschten, die man kaum vermutete.

Aber diesmal wussten sie beide nichts.

Es traf sie vollkommen überraschend, als Commanus ihnen breit grinsend die Wahrheit eröffnete.

 

Kapitel 2 - Zwischenspiel

Einsam wanderte die Gestalt durch die Straßen der Stadt, als die Geräusche an sein Ohr drangen. Er legte den Kopf in den Nacken und lauschte der Melodie, die durch die Gassen wehte, melancholisch, traurig, alles Leid dieser Welt enthaltend. Verwundert schüttelte sich der Somer und fuhr kurz über sein Gefieder, strich einige widerspenstige Federn glatt und machte einen Schritt auf die Quelle der Geräusche zu. Dann verharrte er. Zu lange schon waren die Wunden vernarbt, er wollte sie nicht mehr wiedersehen.

Die Ophalerin bog um eine Ecke, gerade noch konnte er ihren schlanken Körper verschwinden sehen. Seufzend blieb er stehen, unschlüssig mit den Füßen scharrend, presste sich an die Hauswand und bewegte sich lange Zeit nicht. Als er sich gerade auf den Weg machen, ihr doch noch folgen wollte, wurde er von einem neuerlichen Geräusch daran gehindert. Diesmal war es lange nicht so harmonisch wie der Gesang der Vollendung, den die Ophalerin zum Besten gegeben hatte. Es waren die Geräusche eines Orkans, einer Windsbraut, die niemand sich wünschte, der auf einer Welt mit einem Raumhafen lebte.

Wie ein Donnersturm tobte es über ihn hinweg. Er warf sich zu Boden, legte die Hände über die Augen und schrie auf, als der tosende Schemen direkt über ihm war. Zum Glück war das Schiff noch hoch genug. Aber nicht mehr lange. Mit Getöse schlug es auf in der Mitte dieser Stadt, nur wenige Kilometer von ihm entfernt. Er konnte die Erschütterungen spüren, als die Trümmerstücke ganz in seiner Nähe nieder prasselten.

Der Wind legte sich, der Staub senkte sich langsam, verschwand. Erschrocken sprang der Somer auf, rannte hinter der Frau her, die ihn verlassen hatte und blieb wie erstarrt stehen, als er sie an der Wand lehnen sah. Sie stand einfach nur da, sagte nichts, bewegte sich nicht. Er näherte sich ihr langsam, legte seine Hand auf ihre Schulter und wollte sie ansprechen. Aber sie glitt an der Wand entlang nach unten, setzte sich hin, aufrecht, ihre Hand schlug auf den Boden. Er beugte sich zu ihr hinunter und sah das Ende der Stange aus ihrer Brust ragen. Nur wenig Blut konnte er erkennen, ihre andere Hand verkrampft um das Eisenstück geschlungen. Er löste die Finger und schaute in ihr Gesicht. Er würde ihr nicht mehr helfen können. Tränen hinterließen Spuren auf den schmutzigen Wangen des Wesens, als es sich langsam aufrichtete und klagende Schreie ausstieß.

Gehetzt bewegte er sich durch die Straßen, den Leichnam nicht mehr beachtend. Er sah nicht, wohin er taumelte, wollte auch gar nichts mehr sehen. Seine Hände schlossen und öffneten sich, geballte Fäuste schlugen gegen Trümmer, die ihm jede Möglichkeit nahmen, weiter zu kommen, aber dann einfach umkippten. Er erreichte nach fast vier Stunden einen Raumhafen, drängte sich rücksichtslos durch die Menge und taumelte an Bord des Schiffes, das ihn in den Orbit bringen würde. Es löste sich nicht einmal mehr vom Boden – als der Feuerstrahl aus dem Himmel fuhr, sah der Somer nur noch den Lichtblitz, spüren konnte er nichts mehr.

Er war nicht der erste, der an diesem Tag starb. Aber er würde auch nicht der letzte sein.

Der Krieg war nach Aphel gekommen.

*

Vesus sammelte die Flotte, wie Commanus befohlen hatte. Er verfolgte die Lichtpunkte auf seiner Ortung, inmitten der Zentrale stehend, deren Wände nicht mehr vorhanden zu sein schienen. Der Weltraum hatte übernommen, die Rundumsicht war aktiviert worden. Schiffe in unglaublicher Zahl waren zu erkennen.

Die Flotte Dorgons bestand inzwischen aus mehr als fünfhunderttausend Einheiten und es wurden immer mehr. Was auch immer Commanus vorhatte, Vesus glaubte nicht mehr, dass es etwas mit seiner Heimatgalaxie zu tun hatte. Nachdem Commanus seine Macht gefestigt hatte, hatte er wiederum damit begonnen, Kolonialwelten zu suchen und auszurüsten. Auf diese Weise waren viele neue Welten zum Imperium gestoßen, die teilweise ergiebige Bodenschätze aufwiesen. Wirtschaftlich war der Rüstungswahnsinn damit durchaus zu finanzieren. Die neue Kolonialisierungswelle war aber vermutlich auch ein Zeichen in anderer Hinsicht. Das Dorgon nach dem Ende der Friedensphase würde wiederum alten Ideen folgen. Invasion und Hegemoniestreben würden an Stelle der friedlichen Koexistenz treten, das war abzusehen, und ein Ergebnis davon sahen sie heute vor sich. Eine Flotte, die groß genug war, um nicht nur die eigene Galaxie zu verteidigen, sondern auch eine Invasion zu starten. Wen auch immer es treffen würde, es würde vermutlich bald beginnen.

*

Vesus ließ die Schiffe in Formation in das System einfliegen. Die meisten verteilten sich auf Parkpositionen. Eine Flotte von fast dreihunderttausend Schiffen verlor sich auch in einem gigantischen Sonnensystem wie dem der Dorgonen. Nur das Flaggschiff flog weiter, erreichte die Heimatwelt, während Bildschirme zeigten, wie ihre Ankunft ausgeschlachtet wurde. Auf allen Kanälen Dorgons waren sie zu erkennen, wie sie sich um die Heimat versammelten. Wie in Zeitlupe schwebte das Schiff des Vesus auf den Raumhafen zu, senkte sich majestätisch, untermalt von den Klängen Arus Dronikus’ auf einen freien Platz, vor dem eine Rednertribüne aufgebaut war. Ein gewaltiges Schiff als Kulisse, das passte zum neuen Herrscher dieser Welt.

Gespannt beugte sich ganz Dorgon vor, denn jeder erkannte, dass heute eine besondere Ankündigung gemacht werden würde.

In seine edelste Unform gehüllt, verließ der Kriegsherr das Schiff. Er brauchte fast eine halbe Stunde, um den Antigrav zu erreichen, mit dem er das Flaggschiff verlassen konnte. Als er unter dem Schiff hindurch auf die Tribüne zu schritt, kam von der anderen Seite ein Gleiter, der das Podium fast im gleichen Augenblick erreichte wie der Kriegsherr. Stille zeigte deutlicher als Jubelgeschrei die Spannung der Zuhörer. Commanus hatte das Publikum handverlesen. Sicher war dort niemand, der nicht hundertprozentig auf der Seite des Kaisers stand. Zumindest würden sich kaum Rebellen unter diese massierte Ansammlung von Reichstreuen wagen.

Nebeneinander standen der Dux Superior und der Kaiser und warteten, bis auch das letzte Geräusch verstummt war.

»Dorgonen!«, sagte der Kaiser, leise, aber verstärkt durch die Felder der Mikrophone. »Dorgonen, an diesem denkwürdigen Tag werden wir unsere Welt, unsere Galaxis verlassen, um unseren Platz im Universum zu festigen. Viele Welten Dorgons sind bereits Teil unseres Imperiums. Aber das ist noch lange nicht genug. Deshalb werden mit dem heutigen Tage unter Vesus Kommando 300.000 Raumschiffe Dorgon verlassen, die unsere Freunde befreien werden. Von diesem Augenblick an befindet sich Dorgon im Krieg. Das Ziel der Flotte wird allerdings nicht bekannt gegeben. Nur Dux Superior Vesus selbst wird wissen, wohin er fliegt. Ich werde der Raumschlachtherr dieser Operation sein, Dux Superior Vesus und Praefektus Tutum Carilla werden an meiner Statt alle nötigen Aufgaben erfüllen.«

Das Schweigen wurde womöglich noch intensiver. Als er verstummte, hätte man auf dem riesigen Raumhafen eine Stecknadel fallen hören können.

Gemeinsam gingen sie unter das Schiff, als sie den Antigrav erreichten, schüttelte der Kaiser die Hand seines Kriegsherrn und entließ ihn. Während Vesus zu seinem Kommandostand zurückkehrte, ging der Kaiser Dorgons an seinen Platz zurück.

Das ganze Reich verfolgte, wie sich das Schiff vom Boden seiner Heimatwelt löste und ins All flog. An der Spitze einer gewaltigen Flotte machte sich Vesus auf den Weg.

Bemerkenswert war, dass nicht einmal die treuen Vasallen des Kaisers in Jubel ausgebrochen waren …

Noch wusste niemand außer dem Kaiser, wohin sich die Flotte in Marsch setzte. Auch Vesus kannte seinen eigentlichen Auftrag noch nicht. Er verließ die Kommandozentrale und begab sich in seinen Bereitschaftsraum. Dort atmete er tief durch und legte den versiegelten Datenträger in das Lesegerät.

Erst als er seinen persönlichen Code eingegeben hatte und sich auch noch aufgrund anderer biometrischer Merkmale gegenüber den implementierten Sicherheitsroutinen ausgewiesen hatte, öffnete sich der Inhalt des Datenträgers für ihn und der Dux erfuhr, wohin die Expedition gehen sollte. Seufzend gab er die Anweisungen in den Rechner ein, der einen Kurs festlegte.

Als die Flotte des dorgonischen Reiches die Grenze des Systems erreichte, war die Berechnung beendet und der Navigator hatte sein Einverständnis erklärt. Und spätestens ab diesem Zeitpunkt wusste die Flotte, wohin die Reise ging.

Es war allerdings zu spät, um noch jemanden zu benachrichtigen.

 

Vesus war klar, dass der Angriff die Völker vollkommen unvorbereitet treffen würde.

Andererseits würde es einen schnellen und möglicherweise unblutigen Sieg bedeuten.

Siom Som jedenfalls durfte sich auf unangenehme Tage gefasst machen.

 

Kapitel 3 - Widerstand

Torrinos war wieder einmal auf seinem Rundgang, als er die Nachricht erhielt, dass die Flotte des dorgonischen Reiches sich auf den Weg an ein unbekanntes Ziel gemacht hatte. Er senkte den Kopf, verharrte so für wenige Minuten. Die Kriegsmaschinerie des Reiches Dorgon war somit wieder einmal angelaufen.

Langsam wandte er sich vom Anblick der Sterne ab, die, wieder einmal rätselhaft und unnahbar, über der kleinen Welt leuchteten, auf der sich der Rebellenstützpunkt befand. Der Rebell machte sich klar, dass er diesmal nicht einmal die Chance haben würde, and vorderster Front einzugreifen. Wohin auch immer die Flotte unterwegs war, sie würden es nicht schnell genug erfahren. Eine Expedition auszuschicken, wäre insofern sinnlos. Abgesehen davon war eine Übermacht von 300.000 Schiffen in jedem Fall zu viel.

Torrinos war ziemlich sicher, dass die Geheimniskrämerei nicht lange dauern würde. Schon allein die riesige Zahl der Schiffe war ausreichend, um jeden Gegner vor Furcht erstarren zu lassen. Dazu lief die Kriegsmaschinerie des Reiches auf Hochtouren und produzierte weitere Schiffe. Es war also nicht einmal ein Problem, im Falle einer sich androhenden Niederlage Nachschub an Schiffen, Material und Kriegern ans Ziel der Invasion zu schicken. Es würde in jedem Fall sehr schwer für das Volk werden, das sich gegen den Angriff der Dorgonen wehren musste.

Hoffentlich war diesmal nicht die Milchstraße Ziel der Angriffe. Aber allein schon die Flotte der Arkoniden wäre fast ausreichend gegen die Flotte ihres Volkes gewesen. Es musste also ein Teil des Universums sein, wo die Wesen noch friedlicher eingestellt waren und kein solches Wettrüsten stattfand. Der Dorgone begab sich zurück in den Stützpunkt. Er hoffte, dass Nachrichten von den Agenten eingetroffen waren.

Commanus stand am Fenster seines Zimmers im Kaiserpalast von Dom, dem Pons Domus und starrte in die Nacht hinaus. Lange Jahre war es her, seit Cau Thon das letzte Mal in seiner Nähe gewesen war. Damals war ihm kalt geworden, fröstelnd hatte er sich umgewandt und den Schatten des grausamen Meisters hinter sich gesehen. Er hatte sich nicht gerührt, einfach nur schweigend auf die stumme Gestalt geblickt, die ihn aus der Tarnung seiner Kapuze heraus unauffällig musterte. Ein heiseres Kichern hatte ihm eine Gänsehaut verursacht und unwillkürlich fragte er sich, wie weit er noch von dem entfernt war, was der Meister symbolisierte.

Wenn es stimmte, was man sich erzählte, hatte der grausame Fürst der Finsternis schon ganze Völkerscharen im Namen MODRORs ausgerottet. Wenn er so vor einem stand, konnte sich Commanus das auch vorstellen. Cau Thon war nicht riesig, doch seine Präsenz war eben dies.

Auf seinen knorrigen Stock gestützt kicherte das uralte Wesen, welches nicht älter als Carilla aussah, immer noch heiser. Unterdrückt lachend trat er einen Schritt näher.

»Du hast gute Arbeit geleistet, Imperator der Dorgonen. Ich bin beeindruckt, wie leicht es dir gefallen ist, das Volk wieder unter Kontrolle zu bringen.«

Commanus schwieg. Er hätte nun darauf hinweisen können, wie einfach das war, wenn man den richtigen Teil des Volkes ausreichend zufrieden stellte und ihm die Möglichkeit gab, den falschen Teil des Volkes gebührend auszubeuten. Er hätte ihm erzählen können, dass nichtmenschliche Völker hervorragende und billige Arbeitssklaven abgaben, die unabhängig von hohen Lohnkosten zum Wohle des Reiches produzierten, und dass auch die Kolonialisierung mit ihren Bodenschätzen, die sie immer wieder mit sich brachte, ihren Teil dazu beitrug.

Aber andererseits war er sicher, dass Cau Thon wesentlich mehr über die komplexen Zusammenhänge einer intergalaktischen Wirtschaftsmacht wusste, als Commanus lieb sein konnte. Für einen Augenblick war er fast froh, dass der Rote auf ihrer Seite stand. Wobei das so sicher auch nicht festzulegen war. Stand er wirklich oder tat er nur so? Wie lange würde es dauern, bis er sich gegen sie wandte und ihnen in den Rücken fiel? Commanus wollte es eigentlich gar nicht wissen. Aber er konnte sich gegen diese Gedanken nicht wehren.

Er machte einfach nur eine bestätigende Geste und wartete ab.

»Das ist gut, denn die Unterstützung deines Volkes wirst du nun brauchen. Viele Wesen leben in diesem Teil der Galaxis und sie werden dir helfen, unseren großen Plan zu erfüllen. Deshalb wirst du das Volk in die richtige Richtung führen. Rüste deine Welt auf, sorge dafür, dass Adlerschiffe in ausreichender Zahl und mit sehr guter Bewaffnung zur Verfügung stehen und versammle die besten Strategen deines Volkes um dich. Wenn dir das gelungen ist, werde ich wiederkommen und dir mitteilen, wohin die Reise geht.«

Der Schemen verstummte. Commanus fühlte sich von den kalten Augen des Mannes gemustert, fast körperlich glaubte er, die Blicke zu spüren, als ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief und eine Gänsehaut verursachte. Er konnte nicht einmal genau sagen, ob er wirklich gemustert wurde. Allein das Gefühl, dass es so sein könnte, reichte eigentlich schon aus, um ihn unbehaglich zurück zu lassen.

Langsam zog sich der Schemen von ihm zurück und war plötzlich verschwunden. Cau Thon war geräuschlos aus dem Zimmer geschlüpft – Commanus hatte nicht einmal die Türe gehört. Fast war es ihm, als hätte diese Begegnung niemals stattgefunden.

Wie erstarrt stand der Kaiser nicht weit vom geöffneten Fenster entfernt. Er erzitterte leicht in dem kühlen Luftzug, der ihn traf, die Nacht war nicht ganz so lau, wie er das normalerweise empfand. Wenige Momente gab er sich seiner Furcht hin, die ihn seit langer Zeit gefangen nahm.

Er dachte nicht gerne an diese Begegnungen zurück. Sein Schwiegervater hatte zu den Opfern gehört und letztendlich hatte er auf dem Altar einer eingebildeten Vasallentreue zu diesem Monster seine Liebe zu der Frau geopfert, die ihm so viel bedeutet hatte. Er fragte sich, ob ihm die Macht über dieses Volk wirklich so wichtig war. Aber er hatte nun keine Möglichkeit mehr, seine Richtung zu ändern. Cau Thon war nicht nur der Garant seiner Macht, er war gleichzeitig auch seine größte Bedrohung.

Das Abbild der Kaiserin erschien vor seinem geistigen Auge. Arimad hatte nicht verdient, auf solche Weise in Gefangenschaft gehalten und von den Freuden dieses Lebens entfremdet zu werden. Aber er konnte es nicht ändern. Nicht mehr. Auch wenn er es vielleicht wollte.

Aber wollte er überhaupt?

Plötzlich war er sich gar nicht mehr sicher.

Der Luftzug war stärker geworden und Commanus drehte sich um. Er hatte das Gefühl, dass wieder einmal jemand hinter ihm stand und nicht zum ersten Mal nahm er sich vor, alle Möglichkeiten, heimlich in und aus dem Palast zu gelangen, endgültig versiegeln zu lassen. Tief in sich drin wusste er aber, dass das niemals passieren würde. Sie profitierten von diesen Einrichtungen mindestens so sehr, wie sie sie fürchten mussten, deshalb hatten die Kaiser dieser Welt niemals damit begonnen, diese Schlupflöcher zu stopfen.

Aber er hatte sich zumindest nicht getäuscht. Wieder einmal sah er den Mann hinter sich stehen, den er am meisten fürchtete. Cau Thon schlug diesmal sogar die Kapuze zurück und gewährte einen kurzen Blick auf sein Gesicht, das jugendlich wirkte, dem man aber die Lebenserfahrung trotz allem ansehen konnte. Ein Zug von Grausamkeit spielte um seine Mundwinkel, war nicht richtig greifbar, dieses Wesen war ein Meister der Verstellung. Er lächelte.

»Nun ist es also endlich so weit, ich werde dir unser Ziel nennen. Wir werden in die Mächtigkeitsballung der ESTARTU fliegen und dazu eine Flotte von dreihunderttausend Schiffen mitnehmen. Wir werden die Mächtigkeitsballung angreifen und mit Siom Som beginnen. Du wirst diese Schlacht führen und deine Vasallen werden für dich einen glorreichen Sieg einfahren.«

Commanus nickte stumm und wagte nicht, dem Menschen zu widersprechen, dem er seine Position verdankte. Er wartete ab, bis das Wesen seine Kapuze wieder aufgesetzt hatte und langsam zurückwich.

»Diesmal werdet ihr nicht versagen. Diesmal wird Dorgon seinen Herrschaftsbereich ausdehnen können.«

Seine Stimme wurde immer leiser, bis sie ganz verweht war und er selbst verschwunden. Commanus blieb allein zurück und bewegte sich lange Zeit nicht, dann setzte er sich hin, schrieb alle Befehle nieder, ließ den Datenkristall versiegeln und wartete auf die Ankunft der Flotte, die mit Vesus an der Spitze bald in das Sonnensystem einfliegen sollte.

Es wurde eine lange Nacht.

*

Arimad war sehr schlank geworden, fast schon verhärmt. Commanus löste sich aus seiner Position unweit des Springbrunnens, an dessen Rand die Kaiserin saß und das Wasser durch ihre Hand rinnen ließ. Immer und immer wieder schöpfte sie eine handvoll des kristallklaren Wasser und ließ es wieder in den Brunnen zurück fließen.

Neben ihr saß die schlanke Gestalt von Elenia, der Tochter des Falcus. Eigentlich sah Commanus es mit Wohlwollen, dass seine Frau sich mit der Tochter dieses Menschen abgab, denn es zeigte, dass sie seine neuen Freunde irgendwo akzeptierte. Wenn sie sich das auch noch nicht selbst eingestanden hatte. Andererseits hatte die junge Elenia teilweise merkwürdige Ansichten, folgten den neuesten Trends und war allgemein rebellisch, wie es Jugendliche sehr oft sind. Offensichtlich war sie nicht ganz mit dem einverstanden, wofür ihr Vater stand. Commanus sah jedoch keinen Grund zur Beunruhigung.

Er näherte sich den beiden und konnte erkennen, wie sich Arimad abwandte, als sie seiner ansichtig wurde. Kurz nur verzog er die Mundwinkel voller Wut, dann hatte er sich wieder in der Gewalt. Er ging zu den beiden Frauen und ließ sich vor der Kaiserin auf ein Knie niedersinken. Schweigend musterte er sie für wenige Augenblicke, dann lächelte er. Er konnte nicht ahnen, dass sein freundlicher Gesichtsausdruck auf die Kaiserin verzerrt und unsympathisch wirkte.

»Kaiserin«, begann er und nickte ihr zu. »Ich habe eine gute Nachricht für dich. Dorgon ist nun wieder mächtig genug, nachdem es unter deinem Vater ja lange genug darauf verzichten musste, um als große Kolonialmacht die Hand auch nach anderen Galaxien auszustrecken. Wir werden alsbald mit einer großen Flotte in eine weit entfernte Galaxie aufbrechen und die Wesen dieser Sterneninsel von den vermeintlich friedvollen Herrschern befreien, denen sie dienen. Dorgon wird nicht untergehen.«

Er wartete ihre Reaktion nicht ab, sondern erhob sich.

»Ich würde mich darüber freuen, heute Abend mit dir zu speisen. Um acht Uhr bitte ich dich, im großen Saal zu erscheinen.«

Er bekam nicht mit, wie sie angewidert die Mundwinkel verzog. Sie nickte ihm nur kurz zu, schaute ihn auf eine Weise an, die ihre Haltung ihm gegenüber mehr als deutlich machte. Auch sie fürchtete sich, aber nicht vor unheimlichen nächtlichen Besuchern, sondern vor seiner Unberechenbarkeit.

Das alles aber wusste Commanus nicht. Er war zufrieden, dass sie sich zu dem Treffen bereit erklärte. Vielleicht würde sie bald wieder aufblühen und so zu dem Menschen werden, in den er sich dereinst verliebt hatte. Wenn nicht, dann war es auch nicht weiter schlimm. Da war ein ganzes Imperium, das an seiner Seite nur darauf wartete, endlich wieder eine Rolle in diesem Universum und eben nicht nur in dieser Galaxis zu spielen. Es waren genug Menschen da, die ihm treu ergeben waren. Und wenn Arimad nicht wollte, konnte er fast jede andere Frau des Reiches haben.

Eine Erkenntnis, die ihm im selben Augenblick schal vorkam, als er sie verinnerlichte. Andere Frauen waren kaum von Bedeutung für ihn. Er wollte viel lieber sie an seiner Seite wissen. Aber diese Gelegenheit hatte er kaum noch. Und das war doch irgendwie traurig.

Sie hatte nicht einmal geantwortet, lediglich kurz genickt, als er sie für den Abend eingeladen hatte. Wieso nur hatte sie ihn verlassen? Hasste sie ihn wirklich so sehr dafür, dass er den alten Mann beseitigt hatte? Letztendlich war er dem Fortschritt dieser Welt eher im Weg gewesen, als ihm zu helfen. Es war also richtig gewesen, ihn zu beseitigen, bevor er das gesamte dorgonische Reich in ernsthafte Probleme geführt hätte.

Schweigend bewegte er sich auf den Thronsaal zu. Der Sitz, auf dem er sich niederließ, war immer noch bequem, aber die Leere an seiner Seite, wo eigentlich die Kaiserin sitzen sollte, erschreckte ihn doch. Berater waren rund um die Uhr für ihn da, aber die meisten waren ohnehin nur gesichtslose Speichellecker. Was übrig blieb, war Einsamkeit. Ein Gefühl, das ein Mann wie er eigentlich gar nicht haben sollte.

Aber er musste damit leben.

Auch wenn er nicht verstand, wie es so weit hatte kommen können.

 

Kapitel 4 - Zwischenspiel

Feuerblumen fegten die Welt, wie er sie kannte, einfach hinweg. Fasziniert von ihrer hell strahlenden Schönheit, beobachtete er die strahlenden Gebilde, die für wenige Sekunden wie ein Kunstwerk in der von Hitze flirrenden Luft standen. Er spürte kaum, wie die Hitze ihm das Gesicht verbrannte und taumelte lediglich einige Schritte zurück, bis ein kühlender Lufthauch ihn traf, ihn sanft streichelte und ein wenig aus seiner Erstarrung riss. Die Zufriedenheit, die er eben noch ausgestrahlt hatte, war wie weg geblasen. Entsetzen malte sich auf den Zügen des Pteru, er taumelte noch weiter zurück von den Explosionen, drehte sich um und rannte, als würden ihn alle Teufel dieser Welt verfolgen.

Aber auch vor ihm konnte er die Feuerkugeln erkennen, die auf diese Welt nieder prasselten. Schemenhaft erkannte er Schiffe, die mit Urgewalt durch die Atmosphäre dieser Welt tobten. Schweigen folgte direkt unmittelbar, das lag aber vermutlich eher daran, dass der Lärm, den das Schiff verursachte, ihn fast gänzlich taub machte und für wenige Augenblicke gnädig verhüllte, was diese Welt im Augenblick für ihn bereithielt.

Er erreichte das Ufer, rannte daran entlang und kam in den Hafen, betrat den steinernen Kai gerade in dem Augenblick, als ein Schiff durch die Atmosphäre jagte und direkt über ihn hinweg flog, dabei Feuerblumen ausstoßend, die den Gebäuden um ihn herum den Rest gaben. Die Druckwelle drückte ihn fast sanft vom Kai weg, ließ ihn viele Meter durch die Luft fliegen und in das kalte Wasser schlagen, Feuerringe vor seinen Augen ließen ihn Momente lang vergessen, wo er eigentlich war, dann aber bemerkte er, dass er keine Luft mehr bekam und kämpfte sich an die Wasseroberfläche.

Das historische Hafengebiet, in dem er gelandet war, war fast nicht wiederzuerkennen.

Die hölzernen Kähne und stolzen Schiffe, die da lagen, waren verbrannt und von großen Trümmern versenkt worden. An Bord der Schiffe waren viele Dinge gelagert worden, die dort nicht hingehörten, anders war es wohl kaum zu erklären, dass das Wasser selber zu brennen schien. Vermutlich war es eher brennbares Material, das in den Schiffen in flüssiger Form gelagert worden war.

Um den Pteru herum kochte die Luft und er tauchte nach einigen hektischen Atemzügen wieder unter, schwamm unter Wasser der Feuersbrunst davon, versuchte es zumindest, und tauchte auf, als die Lungen fast zu platzen drohten. Unter einem hölzernen Steg, den das Feuer noch nicht erfasst hatte, kam er wieder zu Atem, hechelte und kämpfte sich über steinerne Stufen aus dem Wasser.

Der große Platz, an dem die Schiffe normalerweise anlegten, wenn sie Besucher und Touristen aufnahmen oder ablieferten, war menschenleer, dafür übersät mit Trümmern, die von den historischen Bauten noch übrig waren. Momente der Stille ließen den Pteru inne halten, der verständnislos stehen blieb und den Himmel musterte. Trotz des hellen Tages war der Himmel mit gleißenden Feuerbällen gesprenkelt, jedes von ihnen stand wohl für eines der Schiffe der Heimatflotte, die sich verzweifelt gegen die gesichtslosen Invasoren zur Wehr setzten. Es waren zu viele von den anderen und sie waren viel zu stark. Sie hatten keine Chance. Die Wesen dieser Welt, einem bunten Vielvölkergemisch, würden alle sterben. Viele von ihnen würden niemals mehr einen Sonnenaufgang erleben und die meisten auch keinen Sonnenuntergang.

Als er in die gleißende Helligkeit starrte, die sich über ihm ausbreitete, als er den wolkenlosen Himmel sah, drängte sich ein letztes Mal ein Bild vor seine Augen, wie diese Welt einmal ausgesehen hatte, vor wenigen Stunden erst, als noch Friede geherrscht hatte. Das Flirren der Sonnenstrahlen auf dem Wasser war morgens besonders schön gewesen. Schiffe pflügten stolz durch die Wellen, Delfinschulen begleiteten sie, die nun im kochenden Wasser geröstet, mit dem Bauch nach oben in den wild bewegten Fluten schwammen. Im Nachhinein verstand er nicht, wie er hatte entkommen können. Aber die Schmerzen fühlte er kaum noch, während er langsam in die Knie ging, auf den Poller gestützt, ihn fast liebevoll umarmend, um nicht vollends hin zu stürzen.

Mit dem Paradies vor Augen verabschiedete sich der Pteru von dieser Welt und sank mit einem friedlichen Lächeln neben dem Poller in sich zusammen. Die Explosion, die kurz darauf seinen Körper verdampfte, nahm er schon nicht mehr wahr.

Der Krieg war nach Onaria gekommen.

 

Kapitel 5 - Beginn der Invasion

Torrinos saß vor den Bildschirmen und verfolgte die Aufnahmen, die ihm zugespielt worden waren. Tatsächlich war die Flotte aufgebrochen, einem unbekannten Ziel entgegen. Vermutlich war der einzige Mensch, der das Ziel im Augenblick außer dem Kaiser noch kannte, Vesus. Seine Entscheidung, seine Kurswahl würde das Schiff einem Ziel entgegenbringen und somit einem Volk oder einer ganzen Galaxis Tod und Vernichtung bereiten.

Torrinos verstand sehr gut, warum Vesus diesen Befehl befolgte. Einen anderen Befehlshaber zu finden, der diesen Befehl ausführte, war sicher nicht schwer. Außerdem war der Dorgone ein meisterhafter Stratege und zu sehr Militarist, um sich einer solchen Aufgabe zu verweigern. Wie Torrinos ihn kannte, würde er zwar mit Bedauern, aber ohne zu zögern, den Angriff befehlen. Er würde aber auch, wenn er die Möglichkeit dazu erhielt, Gnade walten lassen. Und Torrinos hoffte sehr, dass ihm die Völker, die er angreifen würde, diese Möglichkeit auch wirklich gaben.

Sonst würde es ein Blutbad geben.

*

Für manche mochte es nicht so schlimm sein, aber für Arimad machte es doch einen Unterschied. Der Tyrann hatte ihren Vater getötet und was auch immer passieren würde, nichts konnte diese Tat ungeschehen machen.

Sie begab sich festen Schrittes in den Speiseraum, in dem sie bereits erwartet wurde. Normalerweise musste sie vor dem Kaiser an ihrem Platz sein, aber sie wollte ihn bewusst provozieren, ihm zeigen, wie viel ihm seine Macht bedeutete. Sie wollte ihm klar machen, dass sie ihn nicht fürchtete.

Und sie hoffte sehr, dass er nicht unter diese Schale sehen konnte. Denn dort würde er all ihre Furcht erkennen.

Ja, sie hatte Angst. Auch wenn sie sich nichts anmerken ließ, sie zitterte doch und konnte dem Kaiser nicht in die Augen sehen. Ohne ihn anzuschauen, ließ sie sich auf den Stuhl sinken und wartete, bis sie angesprochen wurde.

»Ich freue mich, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Es gibt auch etwas zu feiern, denn endlich wieder ist Dorgon eine Macht in diesem Universum. Eine Tatsache, die ganz allein meiner kaiserlichen, göttlichen Führung zu verdanken ist.«

Nun hob sie doch den Blick. Angewidert registrierte sie den selbstgefälligen Ausdruck in seinen Augen, mit dem er deutlich machte, dass er sich für den größten Strategen aller Zeiten hielt. Schon lange hatte sie das Gefühl, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Manchmal schienen ihm Dinge einfach zu entfallen, die er gerade eben noch gewusst hatte, er schien Dinge zu verdrängen, andere hingegen geradezu autosuggestiv in sich zu verankern, bis er selbst daran glaubte. Oder wurde er beeinflusst? Hatte er Ratgeber, von denen niemand etwas wusste, denen er hörig war? Sie verstand nicht, wie sich ein Mensch in so kurzer Zeit vollkommen verändern konnte und manchmal hatte sie den Eindruck, dass auch er es nicht verstand.

Sie empfand fast Mitleid mit ihm, als sie in seine Augen sah und nur für einen kurzen Augenblick den Zweifel erkannte, die Verzweiflung, die ihn erfasste, die er aber ebenso schnell wieder abzuschütteln schien. Er kniff die Augen zusammen und im nächsten Moment war nichts mehr zu erkennen. Er hob den Becher mit Wein, der vor ihm auf dem Tisch mit erlesenen Köstlichkeiten Dorgons stand, schaute sie lächelnd an.

»Auf Dorgon«, meinte er, mit einem Gesichtsausdruck wie früher, als sie ihn kennen gelernt hatte, jungenhaft, fröhlich, genau so, wie der Mensch, in den sie sich einst verliebt hatte.

Für wenige Augenblicke war es wieder fast wie früher, als sie den Pokal hob und mit einem leichten Lächeln, das ihre Mundwinkel umspielte, den Gruß erwiderte. Dann drang erneut der Gedanke an den Tod des Vaters in ihren Kopf und verdrängte alles andere außer einem Bild, das sie schon seit langem nicht mehr richtig abschütteln konnte, das sie in ihren Träumen verfolgte. Ihr Vater auf den Knien, während Commanus seine Hände um seinen Hals geschlungen hatte, ihn würgte und langsam tötete.

Mit gefälschten Beweisen hatte er damals versucht, Decrusian in diese Sache zu verwickeln und beinahe wäre es ihm gelungen, den Adoptivsohn des Uleman töten zu lassen. Heute versteckte sich der Rebell und leistete seinen Widerstand gegen das Kaiserreich aus dem Verborgenen heraus, führte die Tradition fort, für die ihr Vater stand. Eine Tradition, die in Dorgon fast schon einem Handwerk gleich kam. Ein Gegenkaiser, ein Revolutionsführer, das war beinahe ein Dauerzustand in diesem Reich geworden. In den letzten Jahrzehnten hatte zunehmende Dekadenz die Kaiser verrohen lassen und die Tünche der Zivilisation immer mehr zu einer Farce gemacht. Uleman war eine Ausnahme gewesen, ein Dorgone, der für einige Jahre Hoffnung gab. Eine Hoffnung, die jäh zunichte gemacht wurde.

Von dem Dorgonen, der ihr gegenüber saß. Der nun langsam, genüsslich, dem Wein zusprach und mehr davon zu sich nahm, als ihm gut tat.

Sie musterte ihn unauffällig, während er wiederum einen Schluck aus dem wertvollen Kristallgefäß nahm. Er leerte es mit einem Zug, winkte dem Diener und hielt ihm nachlässig das Glas hin, während er sie anstarrte. Sie senkte den Blick und spießte ein Stück Fleisch auf ihre Gabel. Langsam führte sie das Besteck zum Mund, als wäre es das wichtigste auf der Welt, nichts davon fallen zu lassen. Sie war sich seines Blickes bewusst, und wenn sie jemals wirklich Angst in ihrem Leben gehabt hatte, dann in diesem Augenblick. Sie spürte, dass er in diesen Momenten so unberechenbar war, wie vielleicht noch niemals zuvor in seinem Leben.

Sie kaute langsam und schaute nicht auf.

»Warum tust du das?«

Sie hielt inne, nur für einen Moment, dann kaute sie weiter und spülte mit einem Schluck des köstlichen Weines nach. Aber in diesem Augenblick hätte auch Luft oder Wasser in dem Glas sein können. Sie fühlte einen Schauer auf ihrem Rücken, dann blickte sie auf und sah direkt in seine Augen.

Sie wusste genau, was er meinte. Das tückische Funkeln warnte sie. Sie tupfte mit einem Tuch über ihre Mundwinkel, faltete es nervös und ließ es auf ihren Schoß sinken.

»Was meinst du, Gebieter?«

»Rede nicht so scheinheilig!«

Der Kaiser lallte. Er stemmte sich aus dem Stuhl, hielt sich im letzten Augenblick fest, als er nach hinten kippte und stützte sich schwer auf die Lehne, dann ließ er sich wieder auf die Sitzfläche sinken. Der linke Arm mit dem Weinglas schlenkerte hilflos herum, aber kein Tropfen wurde verschüttet. Er kippte das Glas und leerte es mit einem einzigen Schluck. Dann stellte er es so heftig auf den Tisch, dass der Fuß abbrach.

»Komm her!«, stammelte er.

Sie erhob sich und ging langsam auf ihn zu, dann folgte sie seinem Wink und sank auf die Knie. Mit gesenktem Kopf wartete sie darauf, was er tun würde. Sie rechnete mit dem Schlimmsten, schloss mit ihrem Leben ab und erschrak fast, als sie seine Hand spürte, die überraschend sanft auf ihrem Hinterkopf zu liegen kam.

»Damals war alles noch gut, da haben wir uns richtig geliebt. Was ist geschehen?« Er murmelte einige Worte, die sie nicht verstand, dann wurde er wieder lauter. »Ich glaube, ich kann dich sogar verstehen. Du gibst mir die Schuld, nicht wahr? Dass du dann gegen mich arbeitest, ist nur konsequent. Wie auch immer. Ich werde dich gewähren lassen. Aber wenn ich Beweise finden sollte, dann ist das dein Ende. Auch dein Status als Königin wird dich nicht schützen. Und jetzt verschwinde!«

Erleichtert erhob sie sich, vergaß aber nicht die Umgangsformen und verneigte sich tief, während sie sich langsam rückwärts entfernte. Dann glitt sie aus dem Zimmer wie ein Schemen, ließ ihren Mann alleine zurück. Sie wusste nicht, was sie von ihm halten sollte. Vermutlich war er ein Mörder. Trotzdem war seine Ausstrahlung, seine ganze Körpersprache, nicht die eines Despoten, sondern eher die eines gebrochenen Mannes, der kurz davor war, aufzugeben. Und trotzdem machte er sich auf den Weg, eine Galaxis zu erobern, eine Aufgabe, an der seine Vorfahren gescheitert waren.

Ein letzter Blick zurück zeigte ihr den Mann, den sie geheiratet hatte. Sie nahm diesen Eindruck mit und konservierte ihn, den Eindruck eines verbrauchten Mannes, der über den Sinn seines Lebens nachdachte. Den Eindruck eines sinnlos betrunkenen Menschen, der das Vergessen suchte. Den Eindruck eines Wesens, das nicht mehr leben wollte und trotzdem tapfer weitermachte. Sollte sie ihn lieben oder hassen?

Sie wusste es nicht.

»Es darf nicht sein«, flüsterte der Dorgone. Er ballte die Faust. Lange Zeit sagte niemand ein Wort.

*

Ein erster Bericht erreichte den Hort des dorgonischen Widerstands. Torrinos hatte die Datei bei einem seiner Ausflüge nach draußen aufgefangen und mit in die Station gebracht. Eine erste Analyse hatte ergeben, dass sie mit einem Verschlüsselungsalgorithmus kodiert war, den derzeit nur der ehemalige Anführer der Prettosgarde in seinem Besitz hatte. Aus diesem Grund hatten die Geräte der Station auch nichts aufgezeichnet. Sie hatten das Signal als Störung interpretiert, eine Tatsache, die Torrinos einigermaßen beruhigte, bedeutete sie doch, dass der neu entwickelte Algorithmus noch sicher war.

Der Inhalt der Datei war wesentlich weniger beruhigend. Decrusian lief erregt auf und ab, als ihm klar wurde, was das bedeutete. Das Angriffsziel der Rebellen lag vor ihm. Diesmal wollte sich der Herrscher der Dorgonen nicht mit den Terranern anlegen, sondern mit einer Mächtigkeitsballung, die einst von ESTARTU beherrscht worden war. Wo sich die Superintelligenz im Augenblick aufhielt, wussten wohl nicht einmal die Bewohner dieser Galaxienballung.

Siom Som jedenfalls war Angriffsziel der Flotte, die von Uleman angeführt wurde. In der Galaxis Dorgon wurde der 20. Februar 1305 NGZ nach Zeitrechnung der Terraner geschrieben und es war längst zu spät, um die Invasion noch aufzuhalten. Sie konnten nicht einmal die Bewohner von Siom Som warnen, bevor es zum Angriff kam. Die Ankunft der Flotte war für den heutigen Tag avisiert worden und so, wie Decrusian und Torrinos den Feldherrn Vesus kannten, würde er auf die Minute genau vor Siom Som aus dem Hyperraum fallen. Möglicherweise waren die ersten Welten bereits angegriffen worden.

»Es ist bereits geschehen«, stellte Torrinos deshalb auch mit fester Stimme klar. »Wir konnten es nicht verhindern. Aber vielleicht können wir den Einwohnern von Siom Som trotzdem helfen. Die Flotte ist mächtig genug, um diese Galaxis unter schweren Druck zu setzen und viele der Raumschiffe, die Siom Som verteidigen könnten, befinden sich auf der Insel. Von den Helfern Ijarkors ist nach dem Tod ihres Anführers auch nicht mehr viel übrig. Wir sind die einzige Hoffnung für sie, denn wir kennen die Dorgonen sehr genau. Vielleicht können wir unseren Freunden in Siom Som gegen die Invasoren helfen.«

»Wie stellst du dir das vor?«

»Ich werde nach Siom Som fliegen. Vielleicht kann ich die Wesen dieser Galaxis vor Ort unterstützen. Das ist die einzige Möglichkeit«

Torrinos strich langsam über die Oberfläche des Anzugs, den er von den Gonern erhalten hatte. Die Geheimnisse dieses Kleidungsstücks blieben ihm immer noch verborgen, aber zumindest konnte er es nutzen. Er war sich dessen bewusst, dass der Anzug nur geborgt war. Aber so lange er in seinem Besitz war, konnte er auf die Hilfe der Freunde von Gon hoffen. Und wenn sie dereinst ihren Besitz zurückverlangen würden, dann würde er mit ihnen kommen. Auf ihrer Heimatwelt gab es genug zu tun, wenn sie ohne ihren Thronfolger zurückkommen würden.

Nur für einen Augenblick war er geistesabwesend gewesen, aber Decrusian hatte davon nichts bemerkt. Sein Blick hatte den Bildschirmen gegolten, die die Schwärze des Weltalls zeigten.

»Vielleicht hast du recht.« Langsam drehte er sich um. »Du kannst eines der Schiffe nehmen, die im Hangar stehen. Sie sind für Fernflüge ausgelegt. Aber du solltest nicht alleine gehen.«

»Die Goner werden mich begleiten. Und vielleicht finden wir auch sonst einige Helfer, die mit uns kommen werden. Gemeinsam sind wir stark genug gegen die Macht der Dorgonen.«

»Ich hoffe, du hast recht. Bei dreihunderttausend Schiffen auf dem technischen Niveau unserer Adlerschiffe wird das aber nicht einfach.«

»Dreihunderttausend Schiffe gegen fünf Galaxien der estartischen Föderation. Wir können sie besiegen!«

»Auf jeden Fall sollten wir es versuchen. Ich wünsche dir viel Glück!«

Torrinos hielt dem Blick des einstigen Gegenkaisers und jetzigen Führers der Widerstandsgruppe ULEMAN wenige Augenblicke stand, dann nickte er und wandte sich ab.

Er musste den Gonern Bescheid geben. Auf dem Weg dorthin traf er Saraah. Respektvoll verneigte er sich vor der Dame. Einst war sie als Sklavin aufgewachsen und Bedienstete des mesophischen Senators Priamus gewesen, befreit vom Terraner Mathew Wallace, wurde sie zur Regentin ihrer Heimatwelt. Doch auch sie musste vor sechs Jahren gehen in den Untergrund. Torrinos berichtete ihr von seinem Vorhaben. Saraah bat mitzukommen. Torrinos konnte schlecht ablehnen, da sie eine der ranghöchsten des Widerstandes war. Schließlich gehörte sie noch zu den wenigen Befreiern Dorgons.

Es war beschlossene Sache. Saraah begleitete Torrinos und die beiden Goner Shenia Drenia und Waldron Tragonar.

Bald schon würden sie starten und zu neuen Abenteuern aufbrechen. Er wusste nicht, was sie erwartete. Aber er ahnte, dass es gefährlich werden würde. Der Kaiser Dorgons war auf dem besten Weg, ein Blutbad in Siom Som anzurichten.

Aber sie würden es zu verhindern versuchen.

*

»Du stinkst erbärmlich!«

Ich presste die Hand vor die Nase und stieß den Großen von mir. Tragonar zuckte nicht einmal zusammen. Er grinste und rülpste ungeniert, während er sich umdrehte und seine Sache zusammenpackte. Seit wenigen Stunden erst war ich wieder wach und schon regte er mich auf.

»Reg dich ab«, meinte der Koloss, ohne sich umzudrehen.

Er verzichtete auf weitere Faxen und das begrüßte ich durchaus, denn die Situation war ernst genug. Eine Invasion, eine ganze Galaxis, viele Tote, die es jetzt vermutlich bereits gab, das alles war beileibe kein Grund für Fröhlichkeit. Es wäre im Gegenteil eine grobe Missachtung von Leben gewesen, eine Sache, die auf meiner Welt nicht akzeptabel war.

»Shenia«, sagte der Große langsam, schleppend, dann drehte er sich um. »Wir müssen eine Entscheidung treffen. Wir können nicht für den Rest unseres Lebens mit unserem Freund reisen. Unsere Welt erwartet uns.«

Ich rührte mich nicht mehr, meine Hände, die dabei waren, Kleidung in das Gepäckstück zu stopfen, zitterten auf einmal. Die Heimat. Sie warteten, das war richtig, aber nicht auf das, was wir bringen würden. Es gab keinen Thronfolger, es gab nur noch den Anzug, wenigstens den hatten wir retten können.

Und es gab Torrinos, einen Freund, der uns vertraute. Wir konnten ihn nicht allein ziehen lassen. »Wir müssen das später entscheiden. Im Augenblick steht zu viel auf dem Spiel. Was sollte er denn ohne uns tun?«

»Das gleiche, was er vor unserem Erscheinen ohne uns getan hat«

Die Stimme des Großen klang fast sanft, eine seltene Erscheinung bei Waldron Tragonar. Er legte zärtlich seine Hand auf meine Schulter, löste sich aber fast sofort wieder von mir. Ein Schauer überlief mich. Darum war er mein Partner, erkannte ich wieder einmal, deshalb vertrauten wir uns. Wir waren Charaktere, die sich gegenseitig ergänzten und eine beruhigende Wirkung aufeinander hatten. Deshalb waren wir ein Team.

Ich wandte mich um und lächelte. »Nach dem Ausflug nach Siom Som kehren wir nach Hause zurück. Versprochen. Und Torrinos kann mit uns kommen, wenn er das will.«

Tragonar nickte, dann rülpste er wieder. Ungeniert kratzte er sich im Schritt, warf das Paket mit seinen Kleidern über seine Schulter und ging an mir vorbei. »Gut, dann lass uns endlich verschwinden.«

Als er an mir vorbei ging, hatte ich die Hände in die Hüften gestemmt und ließ den rechten Fuß auf und ab wippen, was ein patschendes Geräusch machte. Er reagierte nicht darauf, es interessierte ihn nicht, aber bevor die Tür ins Schloss fallen konnte, sah ich noch das Lächeln, das seine Mundwinkel sanft umspielte. Er war ein Prachtkerl, auch wenn er es manchmal gut versteckte. Grinsend schnürte ich mein Paket, warf es über die Schulter und machte mich auf den Weg zum Hangar. Unterwegs traf ich den Großen wieder. Natürlich stritten wir unaufhörlich.

Bis das Schiff vor uns auftauchte. Da verstummten wir schlagartig.

»Siom Som, wir kommen.«

Das Flüstern kannten wir. Wir drehten uns um und nickten dem Freund zu. Torrinos ging an uns vorbei und betrat die Rampe. Wir folgten wortlos.

Das Abenteuer begann.

*

Vesus presste die Lippen zusammen und nickte seinem Stellvertreter zu. Wenige Sekundenbruchteile später verließ das Kommando die Antennen des Schiffes. Eine Auswahl der Adlerschiffe formierte sich und die Bildschirme zeigten in einer stilisierten Darstellung, wie die Schiffe den Planeten anflogen. Tod und Verderben brachten sie auf den Planeten, verbrannte Erde ließen sie zurück. Der Startschuss des Krieges war gefallen, eigentlich vorher schon, wie sich Vesus erinnerte.

Als sie mit der Flotte vor der Galaxis aus dem Hyperraum gefallen waren, war das Schiff vor ihnen gestanden, ahnungslos und unschuldig. Freundlich hatte es sie begrüßt, eine Geste, die sein Stellvertreter sofort zunichte gemacht hatte. Eigenmächtig löste er die Waffen aus und ließ das Schiff verglühen. Ein weiteres Schiff konnte zwar entkommen, aber mindestens eines seiner Triebwerke stand in Flammen, als es den Hyperraum erreichte.

Vesus hatte nichts dagegen machen können und etwas in ihm wollte das auch nicht. Krieg war eine Tätigkeit, ein Handwerk, das er gelernt und lange nicht mehr ausgeübt hatte. Ein leichtes Kribbeln in seinen Eingeweiden sagte ihm, dass die Somer keine Gnade erwarten konnten. Er würde sie vernichten, im Namen Dorgons, wo auch immer er auf sie traf. Wenn sie sich gegen die Macht Dorgons stellen wollten, dann sollte es so sein.

Der Plan – mit entworfen von Carilla – sah vor, dass die Adlerschiffe ohne Vorwarnung ausgewählte Planeten angreifen würden und dann erst ihre Bedingungen diktieren würden. Die Völker der estartischen Föderation sollten einen gewaltigen Schock erleiden, damit ihr Widerstand sofort gebrochen wurde.

Er straffte sich, machte sich klar, dass sie sich gegen keine Macht gestellt, sondern sie im Gegenteil freundlich begrüßt hatten, aber etwas in ihm schob den Einwand zur Seite. Überrascht registrierte er, dass der Gedanke unwillkommen war und nicht in die Haltung passte, die er sich während des Fluges zurecht gelegt hatte. Wenige Wochen waren sie unterwegs gewesen, in denen nicht sehr viel passiert war, in denen er aber Zeit gehabt hatte, nachzudenken. Und er fragte sich mehr und mehr, ob er eigentlich auf der richtigen Seite stand. Seine Profession war der Krieg, der er unter Decrusian mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nachgehen würde. Hier in Siom Som konnte er tun, was er wollte, sein Kaiser würde es gut heißen. Zumindest, wenn er siegreich wieder nach Hause zurückkehrte. Und das würde er.

Um dieses Ziel zu erreichen, durfte er sich keine Schwächen erlauben. Und deshalb sah er nun ungerührt zu, wie die Feuer auf der Oberfläche von Aphel wüteten, wie Wesen vernichtet wurden, abstürzende Raumschiffe ganze Stadtteile vernichteten und die Zahl der Opfer immer größer wurde.

Feuer und Schwert, dachte er. Angst und Schrecken, probate Mittel, um das Ziel zu erreichen.

Wenn es erreicht war, dann konnte er wieder Gnade walten lassen. Aber bis es so weit war, war Siom Som ein Ort des Schreckens. Überlebende würden später davon berichten können.

Explosionen wüteten auf der Oberfläche, vernichteten, töteten, gnadenlos, ohne inne zu halten. Vesus’ Gesichtsausdruck versteinerte. Er nickte beifällig, als er einen Blick seines Stellvertreters auffing. Lächelnd ließ der Soldat die Flotten zurückweichen, betrachtete die Wracks der gegnerischen Schiffe, die die Oberfläche dieser Welt bedeckten und nickte.

»Das genügt«, meinte Vesus. »Die Flotte dieser Welt gibt es praktisch nicht mehr. Überlebende, die Geschichten über unseren Angriff erzählen können, gibt es aber genug. Wir fliegen weiter.«

Der Soldat nickte. Seine Rangabzeichen wiesen ihn als einen General der Flotte aus.

Vesus registrierte es nur am Rande. Dravus war sein Name, wenn er sich richtig erinnerte, es war nicht wichtig. »Wie weit bis zur nächsten Welt?«

»Siebzehn Lichtjahre.«

»Angriff!«

*

Die Nachrichten waren nicht sehr positiv. Der Somer presste den Empfänger an sein Ohr, lauschte den Stimmen, die Geschichten vom Krieg erzählten. Einem Krieg, der nicht fern von hier stattfand. Einem Krieg, den man nicht weit von sich schieben konnte, einem Krieg, den niemand in Siom Som ignorieren konnte.

Der Krieg war in die Heimat gekommen.

Sam richtete den Blick in den Himmel und klapperte mit dem Schnabel. Wenige Schritte machte er, bis er den Balkon seines Hauses erreichte, dann ließ er sich auf den Sessel nieder sinken. Wie ein alter Mann stütze er sich auf die Lehne. Augenblicke der Ruhe, als die Nachrichten von Musik abgelöst wurden und die Gesänge der Ophaler für kurze Zeit diesen Tag fröhlich machten. Dann wieder die Berichte, die Bilder aus Teilen der Galaxis, die dem Somer noch unbekannt waren, in den Außenbezirken gelegen. Sicher würde es nicht mehr lange dauern, bis wichtige Welten betroffen waren.

Er verstand nicht, welche Strategie die Fremden verfolgten. Welten verbrannten, Raumschiffe wurden vernichtet, die Zivilbevölkerung musste leiden. Sie nahmen keine Rücksicht, diese Fremden in ihren Adlerschiffen, die dem Somer sehr bekannt waren. Die Dorgonen vernichteten, was ihnen vor die Geschütze der Schiffe kam und sie nahmen keine Rücksicht. Töteten ohne Gnade und Verstand. Und doch musste etwas dahinter stecken, mehr als nur eine Vernichtungsorgie, eine klare Absicht.

Wenn sie sich aber nicht mit den unbedeutenden Randwelten aufhielten, wenn sie immer tiefer in die Galaxis vordringen würden, dann würden sie früher oder später auch über dieser Welt auftauchen. Und diese Welt war nicht unwichtig. Diese Welt war der Schlüssel zu dieser Galaxis. Wenn diese Welt gefallen war, dann war auch Siom Som verloren. Seine Heimat war das Zentrum der Macht, der Sitz des Rates aller Völker dieser Welteninsel.

Und genau diese Macht wollten sie haben, diese Dorgonen, diese menschlichen Invasoren, die in ihre Heimat einfielen wie vor langer, langer Zeit die Terraner. Aber im Gegensatz zu den Menschen kamen sie nicht als Befreier, sondern als Besatzer. Und ESTARTU war weit weg, wo auch immer sie war, sie war nicht erreichbar. Unbekannt verzogen, sozusagen.

Und ihre Mächtigkeitsballung verwaist.

Kein Wunder, dass es immer wieder Wesen gab, die ein Interesse entwickelten, das für die Somer mehr als nur ungesund war.

Die Bilder waren nicht mehr zu ertragen. Der Somer schaltete das Übertragungsgerät aus und drehte sich um, ging zurück in seine Wohnung, wo ihn eine Nachricht erwartete, mit der er schon halb gerechnet hatte.

Erii-Tiin schaute besorgt, soweit der Somer das beurteilen konnte. Der Gesichtsausdruck eines Ophalers war ihm zwar kein vollkommenes Rätsel mehr, aber ebenso exotisch wie der eines Terraners oder eines Pteru. Aber vermutlich war es sogar noch mehr als Besorgnis. Panik kam der Wahrheit vermutlich noch näher. Der Mund des Wesens öffnete sich. Zuerst verstand Sruel Allok Mok nicht, was das Wesen sagte.

»… deine Hilfe. Es ist passiert, das Undenkbare – sie greifen uns an. Und sie haben uns ein Ultimatum gestellt, sie senden seit wenigen Minuten, sie wollen unsere Galaxis haben, unsere totale Unterwerfung. Bitte komm in den Ratspalast. Bitte hilf uns, du hast Erfahrung mit den Fremden, wir brauchen deine Hilfe …«

Mit einer Handbewegung stoppte Sruel Allok Mok den Redeschwall des Ophalers. Er gab ein lachendes Geräusch von sich, was den Ophaler sichtlich irritierte, dann senkte er den Kopf und nickte dem Wesen kurz zu. »Ich bin geschmeichelt, dass man sich an mich noch erinnert. Aber ich bin ein alter Mann und ich möchte meinen Ruhestand genießen. Warum sollte ich euch helfen können?«

»Im Gegensatz zu den meisten, kennst du unseren Gegner bereits aus deinen Abenteuern in M 100 und dem politischen Kontakt während deiner Regentschaft in Cartwheel. Und nicht nur das, du kennst auch die Menschen und alle anderen Völker dort, weißt, wie fremde Völker reagieren, egal woher sie stammen. Wenn einer uns helfen kann, dann bist du das.«

Der junge Ophaler sah ihn geradezu flehend an und schien enttäuscht, als er die abweisende Geste bemerkte, die Sruel Allok Mok machte, der von den Terranern immer nur Sam genannt worden war und diese Abkürzung wie einen Ehrentitel führte.

»Niemand kann euch dabei helfen. Die Invasion ist nicht aufzuhalten. Sie werden sich auch durch Diplomatie nicht von ihren Angriffen abhalten lassen. Diese Invasoren sind auf Zerstörung aus, wollen uns in Angst und Schrecken versetzen und nur Welten erobern, die wirklich wichtig für sie sind, aus welchen Gründen auch immer. Deshalb vernichten sie alles, was ihnen nicht hilft und damit hilft es ihnen doch, denn Blut und Opfer halten die anderen Völker ruhig, erschrecken sie, versetzen sie in Panik, untergraben ihre Kampfmoral. Ich durchschaue ihre Taktik, aber ich kann nichts gegen sie machen. Trotzdem werde ich in den Ratspalast kommen und mir ansehen, wie die Sache steht. Vielleicht kann ich euch ja doch helfen.«

Bei den letzten Worten hatte sich das Gesicht des Ophalers verändert. Er wirkte nicht mehr vollkommen am Boden zerstört, lächelte etwas und war erleichtert. Die Bildübertragung erlosch. Sam machte sich auf den Weg.

 

Kapitel 6 - Zwischenspiel

Es brannte, aber der Elfahder bemerkte nichts davon. Er rannte bereits in die andere Richtung, versuchte zu löschen, aber das Feuer flackerte immer wieder auf. Niemand half ihm; alle waren mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Und sein Hab und Gut verbrannte, wurde vernichtet.

Verzweifelt warf er mit der Unterstützung seines Exoskeletts Behälter mit einer Flüssigkeit in die Flammen, mit deren Hilfe Feuer erstickt werden konnte. Kein Wasser, der Elfahder kannte die chemische Zusammensetzung nicht, aber das Mittel erstickte jede Flamme in seiner Nähe, schluckte den Sauerstoff, nur für wenige Augenblicke, und entzog dem Feuer so eine der Komponenten, die es zum Brennen brauchte.

Aber es nützte nichts, das ganze Gebäude brannte, und wo auch immer er die Flammen zurückdrängen konnte, da kamen sie schon wieder, aus einer vollkommen anderen Richtung. Es war wie der Kampf gegen die Schlangen von Ochart, die laut der Sage nachwachsende Köpfe hatten. Schlug man einen ab, wuchsen gleich zwei nach. Und hier wuchs das Feuer nach, wenn man ihm einen Kopf abschlug, nur konnte man hier die Stümpfe nicht ausbrennen, um das nachwachsen zu verhindern.

Der Elfahder verzweifelte, musste mit ansehen, wie seine Familie, von den Flammen eingeschlossen, keine Luft mehr bekam, der Sauerstoff von den Flammen fast gänzlich verbraucht wurde. Die Exoskelette brannten, auch das Werfen der Behälter konnte nichts mehr verhindern, sie starben. Qualvoll. Schreiend. Vor einer beeindruckenden Kulisse brennender Gebäude, die das eigene brennende Gebäude freigelegt hatte. Einer Kulisse, für die der Elfahder keinen Blick mehr hatte. Er sah nur noch die Flammen, die sie verzehrten, ihre Körper verglühen ließen, die unerträgliche Helligkeit, die seine Augen brennen ließ, nur im übertragenen Sinne, aber es schmerzte trotzdem. Die Augen an den Spitzen der Tentakel tränten, nicht nur wegen der Hitze und dem Rauch, auch wegen der Szenen, die er betrachten musste, wegen der schreienden Körper in den Flammen, die ihn still stehen ließen und beobachten, die ihn lähmten und erschreckten, die Panik in ihm steigen ließen.

Er ließ die Schultern hängen, Gefühle erfassten ihn, er sank auf die Knie und regte sich scheinbar nicht mehr, eine Klappe am Hinterbein seines Anzugs öffnete sich und eine Flüssigkeit verließ die Rüstung, die wie ein Denkmal stehen blieb.

Und er erkannte, dass zwei der sieben Rüstungen ebenfalls zwar leer waren, aber deren Besitzer noch lebten, auf dem Boden zwischen den Flammen sich bewegten und die Flucht versuchten.

Es nützte ihnen nichts, sie wurden von den Flammen umzingelt. Und als er selbst gerade geglaubt hatte, den Flammen entkommen zu sein, sorgten neuerliche Explosionen für neuerliche Flammen und setzten ihrem Leben ein Ende.

Zischend erreichte das Feuer ihre flüssigen Körper, verdampfte sie, ließ ihre Substanz schrumpfen und fügte ihnen Schmerzen zu. Die er schon fast nicht mehr spürte. Er schrie, hörte aber nichts davon – das Rauschen und Prasseln der Flammen war viel lauter, sperrte sie ein und beendete es.

Endgültig.

Der Krieg war nach Rosenhain gekommen.

 

Kapitel 7 - Krieg in Estartu

Das Schiff jagte durch den Hyperraum, mit wenigen, aber entschlossenen Wesen an Bord. Torrinos hatte im Sessel des Piloten Platz genommen und reiste mit den anderen in diesem Schiff mit. Er steuerte nicht wirklich, überließ alles, was in dieser Hinsicht zu tun war, den Bordgehirnen. Er dachte nach, ließ alle Informationen, die er erhalten hatte, noch einmal Revue passieren und empfing gleichzeitig neue Nachrichten, Informationen aus Siom Som, die über intergalaktische Entfernungen übermittelt wurden.

Ich stand hinter ihm, streichelte sanft über seinen Nacken, eine Vertraulichkeit, die sich Torrinos nur von mir gefallen ließ. Eine Zeit lang war ich für ihn wie eine Mutter gewesen, eine Erzieherin, ein Vorbild, eine Ausbilderin. Und eine Geliebte. Aber das war lange her und ich bedauerte nur, dass es nicht intensiver genossen werden konnte.

Torrinos schien zu spüren, was sich in meinen Gedanken abspielte, er tastete nach meiner Hand, umschloss sie mit festem Griff, gab mir das Gefühl, beschützt zu sein. Ich überließ mich diesem Gefühl und akzeptierte den sanften Kuss des Mannes, entzog ihm meine Hand, als er sie nur für einen flüchtigen Augenblick los ließ und wandte mich ab. Ich ließ mich in einen der anderen Sessel sinken und fing einen Blick von Waldron auf, in dem mehr lag, als er jemals zugeben würde. Er senkte den Blick und ich zweifelte schon, dass ich wirklich einen detaillierten Blick in sein Gefühlsleben erfasst hatte. Aber es war wohl geschehen. Ich beschloss, es einfach zu ignorieren. Und zu vergessen.

»Wann liegt Gon?«

Die Frage war merkwürdig gestellt und ich war mir nicht sicher, ob ich Torrinos verstanden hatte. Er drehte sich mitsamt dem Sessel und fixierte meinen Blick, hielt ihn fest, ließ fast unbewusst eine Hand über den Anzug gleiten, wohl wissend, dass er ihn nicht mehr lange in seinem Besitz haben würde.

Ich verstand, er wusste noch mehr, als gut für ihn war. Und er würde uns begleiten.

Lächelnd nickte ich. »Nach Siom Som. Aber vor dem Ende«, verriet ich rätselhaft.

Er lächelte, dann streichelte er noch einmal den Anzug. »Die Entscheidung wird fallen.«

Schwungvoll drehte er den Sessel wieder in die Ausgangsposition zurück, schwieg und starrte dem Ziel entgegen, auf den Schirmen die Schwärze, durchsetzt von gelben Punkten, von Darstellungen leuchtender Wolken und faszinierender Gebilde, deren Stabilität kaum nachvollziehbar war, mit seinen Augen verschlingend, genießend.

Saraah hatte sich schlafen gelegt. Die zweifelsohne sehr anmutig wirkende Jerrerin bereitete sich wohl schon seelisch auf Siom Som vor, obwohl es noch eine Weile dauerte, bis wir die Randbezirke der Galaxis erreichen würden. Genauso wie die Invasionsflotte hatten wir den weiteren Weg gewählt. Jedoch aus verschiedenen Gründen. Das Sternenportal in M 100 wurde bestens bewacht, wir hatten also überhaupt keine Alternative gehabt. Ich blickte wieder auf die Schirme.

Der Weltraum war wunderbar.

Und doch waren da auch Schiffe, adlerförmige Schiffe, die Tod und Vernichtung nach Siom Som trugen.

Die Frage nach dem Warum drängte sich auf, aber so lange Wesen in diesem Universum lebten, war genau diese Frage vollkommen überflüssig.

Und Torrinos hatte das verstanden.

Seine Entscheidung, unausgesprochen, aber deutlich, war nachvollziehbar. Dem bekannten Universum den Rücken kehren und zurückkehren in eine unbekannte, aber vertraute Welt. Unbekannt allen anderen, vertraut ihren Bewohnern. Und Torrinos, dessen Vergangenheit dichter mit Gon verwoben war, als er vielleicht selbst ahnte.

Kurz nur dachte ich an die Algen, die in der Atmosphäre unserer Heimat schwebten, die wir einatmeten und die unsere Haut lindgrün färbte. Sichtbar war dies kaum noch, denn außerhalb von Gon gab es diese Algen nicht. Waldrons Hand legte sich schwer auf meinen Unterarm. Schweigend näherten wir uns dem Ziel. Und würden es doch erst in Wochen erreichen. Die Nachricht war viel zu spät gekommen.

*

Brennende Welten waren kein Anlass für Vesus, zu erschrecken. Er hatte schon Tod und Verderben über Welten im eigenen Sternennebel gebracht, als Nersonos noch der Herrscher ihrer Welt war und sogar schon davor. Lange würde er das aber nicht mehr tun, denn er wurde langsam alt.

Vielleicht war dies sogar sein letzter Feldzug, stellte er mit leichtem Bedauern fest, während er die Stufen erklomm, die zu seinem Zentrale-Sessel führten. Er ließ sich schwer in die Polster sinken und legte die Hand auf ein Sensorenbrett. Seine Finger bewegten sich, steuerten auf diese Weise verschiedene Anlagen, die ihm die Rundumsicht in möglichst perfekter Darstellung liefern würden. Die Sandkastenspiele waren vorbei, jetzt ging es um alles.

Er beobachtete die schematische Darstellung auf dem Schirm, die wesentlich realitätsnaher war, als nötig. Vielleicht spiegelte das die Mentalität seines Volkes wider, grübelte er, während er den aufblühenden Feuerblumen fasziniert zuschaute, die alle für den Tod von vielen Wesen standen.

Der Angriff war scheinbar unvorbereitet gekommen. Plötzlich waren Schiffe aufgetaucht, alle derselben Bauart, offensichtlich von einem Volk stammend. Vesus konsultierte die Datenbanken und grenzte die in Frage kommenden Typen ein. Offensichtlich waren es Elfahder, die da vor ihm aufgetaucht waren. Natürlich hatten sie nicht eine Flotte mit dreihunderttausend Raumschiffen angegriffen. Sie hatten im Gegenteil durchaus intelligent einen Teil seiner Flotte vom Rest abgetrennt und ihn dann angegriffen. An sich eine gute Taktik, die möglicherweise bei einigen der jüngeren Offiziere aufgegangen wäre. Nicht aber bei einem Vesus mit seiner Erfahrung und dem Stab, der ihn umgab. Sie taten seit Minuten nichts anderes, als eines der Schiffe nach dem anderen auszumanövrieren und so die Flotte der Angreifer Boot für Boot zu dezimieren.

Angreifer, dachte Vesus amüsiert.

Eigentlich waren sie selbst die Angreifer und viele Hunde waren des Hasen Tod, wie die Terraner so trefflich festgestellt hatten. Aber der Vergleich hinkte ohnehin, denn in diesem Fall waren die Hasen wesentlich besser ausgerüstet, als die Hunde, was dem Gefechtsverlauf deutlich anzumerken war. Auf ihrer Seite gab es fast keine Verluste. Während der Gefechte hatten sie zwar schon einige Schiffe verloren, aber nicht entscheidend viele, dafür hatten sie die Gegner jeweils entscheidend schwächen können. Und hier war es ihnen nun möglich, einer größeren gegnerischen Flotte entgegenzutreten und somit die Verteidiger von Siom Som deutlich zu schwächen.

Sie gewannen mehr und mehr Zeit, was dem Gegner nicht recht sein konnte. Schließlich war es so weit. Eine größere Flotte, allerdings nur eine Teileinheit ihrer Invasionsarmee, tauchte im Rücken der Feinde auf. Die noch beinahe siebentausend Schiffe der Elfahder erkannten die Übermacht und wandten sich zur Flucht. Nur wenig mehr als fünftausend Schiffe entkamen, während um Vesus herum an die vierzigtausend Schiffe Dorgons schwebten. Er akzeptierte den kurzen Jubel der Soldaten, dann schickte er die Schiffe wieder zum Rest der Flotte. Es galt, eine Galaxis zu erobern. Sorgen machte ihm nur, wie scheinbar leicht es den Verteidigern gefallen war, ihn in eine Falle zu locken. Auch wenn sie letztendlich keine Chance hatten, sollte das doch nicht sein.

Trotzdem musste er anerkennen, dass die Gegenseite offensichtlich einen guten Kommandanten hatte.

*

Kantor Throk ballte die Fäuste, als ihm die Nachricht zuging. Beinahe fünftausend Einheiten waren aufgerieben worden und es hatte nicht das geringste genützt. Eine Übermacht hatte seinen Plan schließlich zunichte gemacht, die Angreifer um ihr Oberkommando zu erleichtern. Offensichtlich war es eine Falle gewesen, sonst wäre es ihnen wohl kaum so leicht gefallen, die Schiffe des Oberkommandos zu isolieren. Wenn man das Ergebnis betrachtete, war es eine Katastrophe. Und unter dem Strich blieb ihnen nur ein Ausweg, wollten sie nicht kapitulieren. Mit den vereinigten Flotten den Angriff zu wagen, alles nach vorne zu werfen und gegen die Angreifer zu stellen.

Er verlegte deshalb umfangreiche Schiffskontingente in den Sektor Archoriad. Auf den Sternenkarten war dieser Bereich nicht verzeichnet. Es war eine Tarnbezeichnung, die nur den eigenen Einheiten bekannt sein sollte. Und dort warteten sie, bis der Gegner bei ihnen angekommen war.

Am 23. Februar 1305 war es so weit.

Eine Flotte von einhunderttausend Adlerschiffen erreichte den Sektor und stand vor zweihunderttausend Schiffen der vereinigten Flotten von Siom Som.

Die Galaxis hielt den Atem an.

Und dann begann es.

*

Sruel Allok Mok schüttelte den Kopf, als er die Schiffe sah, die auf der schematischen Darstellung kaum zu überschauen waren. Dreihunderttausend Raumschiffe standen sich gegenüber und erwarteten den vernichtenden Schlag. Die Spannung in der Zentrale war fast greifbar. Der Somer war nicht der Meinung, dass die einzige Antwort der Krieg war. Vielmehr sollten sie mit den gegnerischen Einheiten zunächst verhandeln. Andererseits war kaum zu erwarten, dass ihnen der Gegner großen Spielraum ließ. Eine Schlacht ließ sich deshalb wohl kaum vermeiden, denn selbst Sam als Diplomat sah ein, dass sie sich nicht vollständig in die Defensive locken lassen konnten.

Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als eine der gewaltigsten Raumschlachten abzuwarten, die dieser Sektor jemals gesehen hatte.

 

Es begann.

Masse war Energie und Energie war Masse, jeweils in einer anderen Zustandsform. Masse verwandelte sich in Energie, als die Feuersbrünste gegen die Außenhäute der Schiffe anbrandeten. Entsetzt schaute Kantor Throk auf die Bilder, die ihm sehr schnell deutlich machten, wie jämmerlich das Kräfteverhältnis eigentlich war. Auf ein Schiff des Gegners kamen zwei eigene Schiffe. Vermutlich hätten aber auch fünf ihrer eigenen Schiffe nicht ausgereicht, um das Schiff des Gegners in ernsthafte Gefahr zu bringen.

Dafür verglühte eines der Schiffe nach dem anderen und so glich sich das Verhältnis immer mehr aus.

Schon in den ersten Minuten des Angriffs war deutlich, dass die überlegenen Schutzschirme und Waffen der Dorgonen ihnen kaum eine Chance lassen würden. Und wäre er vernünftig gewesen, hätte er jeden weiteren bewaffneten Konflikt sofort abgebrochen. Aber der Preis wäre das Ende von Siom Som als selbstständige Galaxie gewesen. Widerstand war ihre einzige Chance. Und so ließ er weiterhin feuern, ließ die eigenen Schiffe gegen den Wall der dorgonischen Einheiten prallen und musste doch einsehen, dass es keine Chance gab.

Der Krieg war nach Siom Som gekommen.

Und er würde sie alle holen.

Resigniert senkte er den Kopf.

»Er muss damit aufhören.«

Die Stimme des Somers klang schwach, er stützte sich auf das Pult und ließ sich langsam in den Sessel gleiten. Er wandte den Blick ab, konnte nicht mehr sehen, wie sein Volk, Angehörige der Völker dieser Sterneninsel, abgeschlachtet wurde, ohne eine Chance zu haben.

Es war deutlich, dass die Schiffe der Verteidiger chancenlos waren. Aber Kantor Throk machte immer weiter. Der Pteru führte die Flotte in das Verderben.

»Sorge dafür, dass er aufhört!«, sagte Sam wesentlich lauter als beabsichtigt zu Erii-Tiin. »Sofort!«

 

»Aber …« Der Ophaler verstummte, schaute auf die Bilder der Zerstörung, zögerte wenige Sekunden, die vielen Wesen ihrer Heimat das Leben kosteten.

Dann befahl er den Rückzug und beugte dem Widerspruch des Feldherrn vor, indem er eine Überrangschaltung aktivierte, die ihn direkt mit allen Schiffskommandanten verband.

Isoliert musste auch der kleine Verband des Feldherrn klein beigeben. Die Schiffe zogen sich zurück und überließen dem Gegner den Weltraum.

*

Vesus lachte, als er sah, wie sich die Schiffe der Gegner absetzten. Vermutlich würde er die meisten davon nicht mehr wiedersehen, zu viele Verstecke gab es in einer gewaltigen Galaxis wie dieser. Aber das machte nichts. Von seinen einstmals dreihunderttausend Schiffen, waren immer noch über zweihundertachtzigtausend übrig. Ein deutliches Zeichen, dass sie die Lage beherrschten und die Gegner, die fast die Hälfte ihrer nicht gerade kleinen Flotte verloren hatten, mussten das sehr wohl anerkennen. Er schickte einen Funkspruch ab, der die Bedingungen der Kapitulation deutlich machte.

Ein Blick auf das Datum verriet ihm, dass sie gerade einmal drei Tage hier in Siom Som verbrachten und schon gefürchteter waren als die Ewigen Krieger. Befriedigt lehnte er sich zurück, auch wenn er verblüfft war, wie reibungslos alles verlaufen war. Commanus musste gewusst haben, dass diese Galaxie praktisch wehrlos war und den Kräften der Angreifer nichts entgegen zu setzen hatte. Oder die Einwohner von Siom Som waren aus irgendwelchen Gründen gerade geschwächt. Oder beides. In jedem Fall konnte er zufrieden sein. Nun galt es nur noch, die wichtigsten Welten zu besetzen und zu sichern, die Macht zu festigen und so nach und nach die Galaxis Siom Som in das Reich einzugliedern. Vorläufig würde das noch seine und Carillas Aufgabe sein, aber schon sehr bald würde wohl ein Statthalter übernehmen.

Hoffentlich mit mehr Erfolg, als sie mit der terranischen Sterneninsel hatten.

Der Gedanke an Terra versetzte ihm einen kurzen Stich und er senkte beschämt den Kopf. Die Freunde wären sicher nicht erfreut über die Ereignisse. Aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen, falsche Zurückhaltung konnte ihm in diesem Fall den Kopf kosten.

Er erwartete gespannt die Antwort der Einwohner von Siom Som, die auch nicht lange auf sich warten ließ. Der Somer Sruel Allok Mok, ein durchaus nicht unbekannter Diplomat, bat um ein Treffen mit ihm. Vesus stimmte zu.

*

Die Flotte der Angreifer war in Siom Som verstreut und hielt einige der wichtigsten Welten faktisch besetzt. Auf der Zentralwelt, wo sich auf Sam derzeit aufhielt, waren allerdings die wenigsten Dorgonen zu finden. Vesus mit seinem Flaggschiff und einer kleinen Flotte umkreiste die Welt und begab sich auf den Planeten, um mit Sam und Erii Tiin zu sprechen.

Er brachte einen Datenkristall mit, der die Bedingungen der Kapitulation noch einmal enthielt. Die fraglichen Punkte machten einen wesentlichen Teil der Verhandlungen aus. Wenn die Wesen dieser Galaxis zugestimmt hatten, war Siom Som faktisch eine Kolonie des Reiches.

Sam studierte die einzelnen Punkte und schüttelte nur leicht den Kopf. »Dir ist sicher klar, dass wir unmöglich zustimmen können.«

Vesus lächelte nur kalt. »Dir ist sicher klar, dass wir mit unseren Schiffen die meisten Welten hier vernichten könnten, wenn wir das nur wollten. Eine andere Möglichkeit als die vollständige Kapitulation und die Anerkennung des Reiches gibt es nicht. Ihr werdet den Status einer Kolonie erhalten und damit selbstverständlich auch tributpflichtig sein. Die Höhe des Tributs wird sich nach dem wirtschaftlichen Leistungsvermögen der Welten dieser Galaxie richten und entsprechend von den Schatzmeistern des Reiches festgelegt werden. Darüber hinaus werden wir den Rat auflösen und eine Regierung Dorgons einsetzen, die von einem Statthalter des Reiches geleitet werden wird. Es gibt keine Möglichkeit, davon abzuweichen.«

Er schwieg, schien noch etwas sagen zu wollen, aber tat es dann doch nicht. Sam konnte sich denken, was in Vesus vorging. Aber es würde sich nichts mehr ändern.

»Ich werde mit den Vertretern der Regierung reden. Wir werden dir unsere Antwort zukommen lassen.«

»Es gibt nur eine Antwort, das werdet ihr erkennen müssen.«

Vesus erhob sich und nickte dem Diplomaten nicht unfreundlich zu. Im Grunde taten ihm diese Wesen Leid, aber ihm blieb keine andere Wahl, als den Willen des Kaisers durchzusetzen. Er hatte die Mittel dazu. Vesus verließ die Regierungswelt. Vorläufig.

*

Kantor Throk schüttelte eigensinnig den Kopf. »Niemals können wir diese Bedingungen annehmen. Das wäre unser Ende als unabhängige Macht in dieser Galaxis.«

»Aber wenigstens nicht unser Ende als lebende Wesen«, gab Sam zu bedenken.

Er verstand die Unsicherheit der Anwesenden, konnte aber genauso deutlich erkennen, dass sie letztendlich keine andere Wahl hatten. Sie mussten kapitulieren.

Throk war vehement dagegen und er schien die Mitglieder der Regierung ins Wanken zu bringen. »Vermutlich warst du einfach zu lange weg von Siom Som und hast deshalb den Bezug zu deiner Heimat verloren.«

Throk musterte ihn feindselig und wartete auf die einzig mögliche Antwort.

Sruel Allok Mok tat ihm den Gefallen nicht. »Vielleicht habe ich da auch gelernt, Geduld zu haben und abzuwarten. Manchmal ist das besser, als sein Leben zu verlieren. Heute leben – morgen kämpfen!«

Throk schüttelte resignierend den Kopf. »Er wird es nicht verstehen. Aber wir können nicht aufgeben, wir müssen weiter kämpfen. Wir haben uns von den Ewigen Kriegern befreit, was uns nur dank der Hilfe von außerhalb überhaupt gelang. Diese Freiheit wollen wir nicht verlieren, nie mehr. Auch wenn es den Tod von vielen bedeutet. Wir werden kämpfen.«

Das schlimme war, dass die anderen offensichtlich seine Meinung teilten. Sam erhob sich und ging zur Tür.

»Offensichtlich sind meine Dienste nicht mehr erwünscht. Ich überlasse daher die Entscheidung euch. Informiert mich, wenn ihr zu einem Ergebnis gekommen seid.«

Er musste nicht lange warten. Erii Tiin trat neben ihn und blickte ihn traurig an.

»Wir können nicht anders, Sam. Wir werden kämpfen. Noch in diesen Minuten geht der Funkspruch an Vesus, dass wir zu diesen Bedingungen nicht kapitulieren werden.«

Sam nickte. Er hatte es sich fast gedacht. Resignierend klapperte er mit dem Schnabel.

 

Kapitel 8 - Zerstörung

So hatte er sich den Krieg nicht vorgestellt. In den Animationen, die sie in den gängigen Unterhaltungsfilmen zu sehen bekamen, sah das alles immer ganz anders aus. Vielleicht lag es aber auch daran, dass man ja wusste, was für eine Art von Krieg das war. Kein echter nämlich.

Hier lag die Sache aber anders. Hier war alles echt, jeder Tote, jede Zerstörung und alle Explosionen, die er zu sehen bekommen hatte. Und jetzt sah es auf seinem Planeten aus wie in den Filmen, nur eben viel schlimmer, weil alles Wirklichkeit war.

Ungläubig staunend hob er ein Trümmerstück an und betrachtete es, als hätte er so etwas noch nie gesehen. Hatte er auch nicht, jedenfalls nicht in einer solchen Form. Nicht so realistisch, dass er den Staub fühlte, der sich nach dem Ende der Explosionen noch überall in der Luft befand und ihm beim Atmen Probleme bereitete.

Genauso ungläubig betrachtete er den Ophaler, der einen seiner Tentakel schlenkerte. Den anderen hatte er verloren, suchte danach, unartikulierte Laute ausstoßend, die Sam nur mühsam als ein bekanntes ophalisches Lied der Verzweiflung interpretieren konnte.

Der Somer blieb stehen und beobachtete den Ophaler. Nicht einen Augenblick dachte er daran, dass er dem Wesen helfen musste, er war selbst vollkommen verstört und beobachtete entsetzt, wie das Wesen seinen fehlenden Tentakel fand, aufhob und an die Stelle hielt, an der sich jetzt eine Lücke befand. Er ließ los und Sam beobachtete, wie der Tentakel auf den Boden fiel.

Der Somer wandte sich ab und taumelte traumatisiert einige Schritte zur Seite. Widerstandslos ließ er sich von jemandem führen, ohne zu registrieren, dass er geführt wurde und wohin er gebracht wurde. Als er in einem Gefährt saß, bemerkte er nicht einmal, dass dieser Gleiter ein Krankentransporter war, der in einer langen Reihe mit anderen Krankentransportern stand.

Die Stille war verstörend, gleichzeitig störte aber das Klingeln, das überall in der Luft lag. Langsam registrierte er, dass das seine Ohren waren. Irgendetwas hatte ihn beinahe taub werden lassen und das Klingeln war wohl ein Einbildung, eine Phantasie, nicht so, wie die Welt, die um ihn herum plötzlich in Trümmer zerfallen war.

Mardakaan, die Zentralwelt der Ophaler war gefallen. Vesus hatte die Ablehnung des Ultimatums nicht hingenommen, er hatte das Feuer eröffnet und die Stätte der Verhandlung eingeäschert, nachdem die Politiker und Diplomaten das Gebäude verlassen hatten. Ob er das bewusst getan hatte?

Zu warten, bis sich niemand mehr in dem Gebäude befand, um es dann einzuäschern, hatte jedenfalls seine Wirkung nicht verfehlt. Langsam kam ihm zu Bewusstsein, dass diese Aktion eine ungeheuerliche Wirkung hatte und Erii Tiin und einige der anderen sicher sehr nachdenklich gemacht hatte.

Offensichtlich aber nicht Kantor Throk. Der Pteru konnte immer noch nicht akzeptieren, dass es vorbei war. Er hatte sofort nach Vergeltung geschrien und war verschwunden. Das hatte Sam aber nicht mehr vollständig mitbekommen, weil die Explosionen ihnen gefolgt waren und auch vor den Städten der Ophaler nicht Halt machten.

Er schaute auf die Straße, die von Trümmern übersät war, sein Blick blieb auf einem Etwas haften, einem Gegenstand, den er nach wenigen Sekunden als ein Gesicht identifizierte, das Gesicht eines Wesens, eines Ophalers, immer deutlicher erkannte er die Details.

Und wandte das Gesicht ab, als ihm bewusst wurde, wie jung dieser Ophaler gewesen war. Vielleicht war es auch eine Ophalerin. Es war nicht wichtig. Oder eigentlich doch. Sam straffte sich, richtete sich langsam auf und verließ den Krankentransport. Das Klingeln war mittlerweile kaum noch zu hören. Aber es schmerzte immer noch, er hatte das Gefühl, als hätte ihm jemand den Rücken verbrannt. Es roch auch so, wie er feststellte.

Er machte noch einen Schritt und brach zusammen, ließ sich von den Sanitätern wieder in den Wagen helfen und realisierte, dass er doch schwerer verletzt war.

Er ließ es geschehen, dass sie ihn behandelten, seinen Rücken nicht nur betrachteten, sondern mit einem Heilplasma einsprühten, das angenehm kühlte und ihn für einen Augenblick wohlig aufseufzen ließ, bis er sich wieder vor Augen führte, dass es keinen Grund zur Freude gab. Als ihn die Sanitäter unwillig aus dem Transporter schoben, fühlte er sich schon wesentlich besser. Er entfernte sich von der Phalanx der Behandlungsfahrzeuge, deren Besatzungen alle Hände voll zu tun hatten.

Der Gedanke von vorhin zuckte wieder durch sein Gehirn, blieb diesmal haften.

»Heute leben«, flüsterte er. »Morgen frei sein.«

Entschlossen wandte er sich in Richtung des Raumhafens und wunderte sich, dass die Dorgonen sie gewähren ließen. Aber dann wurde ihm klar, dass Vesus eine Absicht damit verfolgte. Er wollte den Politikern die Flucht ermöglichen, er wollte eine stabile Regierung erhalten, damit sein Sieg auch abgesichert war. Wenn die Herrscher dieser Galaxis kapitulierten, dann war das immer noch ein deutlicheres Zeichen, als wenn einige wenige, möglicherweise handverlesene Vasallen dies tun würden.

Und so fand auch er noch eine Passage auf einem Schiff, das nach Som flog. Seiner Heimat. Die sich immer mehr zur letzten Bastion entwickelte. Wo sich der Widerstand gegen die Invasoren mehr und mehr konzentrierte. Wo er seine neuen Ideen verbreiten würde. Denn der Kampf war überflüssig geworden. Er würde nur noch mehr Tote bedeuten. Wenn der Krieg verloren und die Wesen wenigstens wieder sicher waren, dann konnten sie immer noch damit beginnen, gegen die Invasoren zu arbeiten. Aus dem Verborgenen heraus. Passiven Widerstand leistend.

Sruel Allok Mok hielt die Idee für immer besser. Und er war sicher, dass in seiner Heimat viele diese Gedanken unterstützen würden. Sehr viele. Aber vermutlich nicht Kantor Throk und die Regierung, die immer noch der Meinung war, unbedingt die Freiheit bewahren zu müssen. Einem Toten nützte Freiheit nicht das Geringste.

Verächtlich wandte sich Sam von seinen ehemaligen Freunden ab. Immer nur Kampf und Krieg, nie auch nur einen Augenblick lang den gesunden Menschenverstand arbeiten lassen. So dachten sie offensichtlich. Aber es würde ihnen allen nicht nützen. Nur die Dorgonen würde triumphieren, genüsslich jeden abschlachten, der sich gegen sie stellte. Ihnen einen Anlass dazu gab. Und Anlässe würden sie hier genug finden.

Sam genoss den Flug, soweit es möglich war. Auf Som würde er seine Freunde um sich scharen und die Gruppe des Widerstandes vergrößern. Vielleicht würde es so gelingen.

Ja, das war sicher der richtige Weg.

 

Kapitel 9 - Der Krieg in Estartu

Wenn es nicht so absurd gewesen wäre, hätte Torrinos laut aufgelacht. Da flogen sie mit einem Raumschiff, das die intergalaktischen Entfernungen bewältigen konnte, viele Millionen Lichtjahre weit, um einem Volk zu helfen, das sie nicht einmal so genau kannten. Und das nur, um sie vor dem eigenen Volk zu schützen. Und wenn dieses eigene Volk gewusst hätte, dass sie zur Rettung aufbrachen, dann hätten sie vermutlich laut aufgelacht und sich die Bäuche gehalten. Eine Handvoll Dorgonen und zwei Goner, die sich nichts anderes vorgenommen hatten als eine Galaxis zu retten. Das war unglaublich und fast hätte Torrinos selbst den Befehl zur Umkehr gegeben.

Aber dann rief er sich zur Ordnung.

Immerhin waren sie mit einer Situation wie dieser vertraut. Der Kampf gegen die Machthaber dauerte in seiner Heimat schon lange, war bisher aber eher erfolglos verlaufen, aber immerhin hatten sie Erfahrungen gesammelt und der Dorgone hoffte sehr, diese Erfahrungen in Siom Som zur Anwendung bringen zu können. Vielleicht trafen sie Wesen, die ebenfalls gegen die neuen Machthaber vorgehen wollten. Eine Untergrundorganisation, die sich bereits darauf vorbereitete, gegen die Invasoren vorzugehen, wenn der Krieg endlich vorbei war.

Verwundert hielt Torrinos für einen Augenblick inne. Anscheinend nahm er als selbstverständlich an, dass Vesus diesen Feldzug siegreich bestehen würde. Es war auch nahe liegend, denn die Technik des eigenen Volkes war der aus Siom Som überlegen, wie sie nicht nur von den Terranern wussten. Aber immerhin kämpften sie gegen eine ganze Galaxis. Die noch dazu ihre Heimat verteidigte und alles geben würde, um nicht in die Sklaverei der Invasoren zu geraten. Aber darauf würde Vesus sicher keine Rücksicht nehmen können. Selbst wenn er das wollen würde.

Doch wie weit konnte Vesus noch selbst Entscheidungen treffen? Es war sicher fern von der Heimat einfacher als unter der direkten Kontrolle des Kaisers. Andererseits waren viele der Getreuen des Kaisers mit ihm geflogen. Ob sie einen solchen Einfluss hatten, das mussten sie abwarten. Sie würden es sicher auch bald erfahren, nur noch wenige Tage, und das Schiff würde mitten in der Galaxis Siom Som erscheinen. Was ein geringeres Risiko war, als man meinen sollte. Eine Galaxis war ein riesiges Gebilde und sich darin zu verstecken, war vergleichsweise einfach. Auch eine gewaltige Flotte wie die der Dorgonen wäre kaum in der Lage, sie zu finden, wenn sie es nicht wollten.

Und natürlich wollten sie nicht.

Unauffällig musterte der Dorgone die ehemalige Sklavin und Senatorin Saraah, die sich nun vollständig dem Widerstand verschrieben hatte. Sie war immer noch sehr beliebt im Volk, ihre Liebesaffäre mit dem Terraner Matthew Wallace, die letztendlich zum Aufstand geführt hatte und einen grausamen Diktator von Dom vertrieben hatte.

Schön war sie immer noch. Aber nicht mehr strahlend. Eine stille Melancholie strahlte sie aus, betrachtete versonnen das Bild des zentralen Hauptschirmes, das die leuchtenden Schleier von Sternennebeln zeigte, die blitzschnell an dem mit Überlicht reisenden Schiff vorbei wischten, dargestellt von Filtern, die die Effekte des Zwischenraumes ausfilterten. Es hätte ein Bild des Triumphes sein können. Aber sie wirkte nicht glücklich, sie wirkte verloren. Wie sollte sie auch, nach all den Jahren der Verfolgung und des Versteckens, war sie nichts anderes als eine Verlorene.

Das waren sie alle. Verloren in dieser neuen Welt, in der für Revolutionäre anscheinend kein Platz mehr war. In der er sich überflüssig vorkam, weil er nichts tun konnte, um ihre Situation zu verbessern. Mit diesem Schiff nach Siom Som zu fliegen, war nichts weiter, als eine hilflose Geste. Angetrieben durch ihr Verantwortungsbewusstsein machten sie sich auf den Weg, um einen Unterschied zu machen, letztendlich Commanus herauszufordern an einer neuen Front und ihm zu zeigen, dass sie noch da waren. Mit viel Glück würden sie überleben. Zu siegen, konnten sie kaum hoffen.

Torrinos war nahe daran aufzugeben. Aber er machte sich klar, dass diese neue Galaxis auch eine neue Chance sein würde. Eine Gelegenheit, Verbündete zu finden, gleich eine ganze Galaxis voll. Vielleicht würde Vesus mit seiner gewaltigen Flotte triumphieren. Aber es waren so viele Lebewesen in dieser Galaxis, dass er auf Dauer verlieren musste. Wenn sie einmal begriffen hatten, dass sie eigentlich viel zu viele waren, um sich von einem Volk aus einer fernen Galaxie beherrschen zu lassen, dann würden sie sich wehren. Und diesen Augenblick mussten sie ausnutzen, vielleicht sogar dazu, einen Vorteil für die eigene Heimat zu erringen.

 

Aber das war sehr schwer.

Vielleicht sogar unmöglich.

*

Der Kriegsherr schüttelte angewidert den Kopf. Vesus verfolgte die Bilder, die ihm zugespielt worden waren, mit verkniffenem Gesicht, aber er sagte nichts. Natürlich hielt sich Carilla wieder nicht an die Befehle, die er gegeben hatte und die seiner Meinung nach klar genug gewesen waren. Das war Carilla offensichtlich gleichgültig. Er verschonte auch die Zivilbevölkerung nicht.

Vesus wandte sich ab und machte eine Handbewegung, die die Aufzeichnungen ausblendete. Er wollte nichts davon sehen, wie fremde Lebewesen hin geschlachtet und vergewaltigt wurden. Der Krieg war ein schmutziges Geschäft und dank einem Menschen wie Carilla wurde es noch viel schlimmer. Es hinderte ihn daran, den Wesen von Siom Som die Fairness angedeihen zu lassen, die ein besiegtes Volk verdient hatte.

Und er war sich durchaus darüber im Klaren, dass er gegenüber dem Kaiser in einer schlechteren Position war als Carilla. Sein Verhalten würde vermutlich eher das Wohlwollen des Kaisers finden als das des Vesus. Und so akzeptierte er das Verhalten des Carilla und der ihm unterstellten Truppen notgedrungen.

»Som ist unser nächstes Ziel«, flüsterte er. »Dort sitzt die Regierung und dort werden wir die Macht über Siom Som erringen.«

Schweigend verschränkte er die Hände hinter dem Rücken, nachdem er sich aus dem erhöhten Kommandosessel erhoben hatte. Der Kommandant richtete sich auf, ohne Haltung anzunehmen. Das musste er in dieser Situation auch nicht. Aber er musterte den Kommandeur aufmerksam, der die wenigen Stufen herunterkam und ihm die Hand auf die Schulter legte.

»Kommandant, wir fliegen nach Som. Wir werden die Regierung überzeugen. Auf unsere Weise. Ausführung.«

Der Kommandant nickte. Das Flaggschiff seiner Einheit nahm Kurs auf den Planeten Som, der eine wichtige Rolle in dieser Galaxis spielte. Die Heimatwelt der Somer war schon lange eine der wichtigsten Welten, wesentlich wichtiger jedenfalls, als die Heimatwelt der Ophaler, die sie gerade erobert hatten. Die Regierungsvertreter von Siom Som, die sie dort getroffen hatten, hatten freies Geleit erhalten, weil er sich an sein Wort gebunden fühlte. Auch wenn Carilla ihn einen Narren schalt. Aber wichtiger war für ihn, seine Integrität zu bewahren.

Som wartete auf ihn und er war sicher, dass die wichtigste Welt dieser Galaxis, der zweite Planet der Sonne Siom, bald in den Händen Dorgons sein würde. Und es war sicher besser für die Somer, wenn sie von ihm erobert wurden. Wer konnte schon ahnen, auf welche Ideen Carilla kommen würde.

*

Erii Tiin verschränkte fünf seiner sechs Armpaare, legte den einen übrigen Arm darauf und kratzte sich mit den hochsensiblen Fühlerbüscheln nachdenklich am Kinn. Er lief hektisch hin und her, während er die Aufzeichnungen auf den vielen Bildschirmen betrachtete. Er kam gar nicht mit, so schnell wechselten die Bilder.

»Eine Katastrophe!«, brüllte er. »Sie werden uns vernichten, wir werden unsere Heimat verlieren!«

Er schluckte. Als er den Blick seines Feldherrn sah, verstummte er. Verachtung lag darin. Der Pteru schüttelte nur stumm den Kopf, drehte den Sessel, in dem er Platz genommen hatte, von dem Ophaler weg und musterte angewidert die Aufnahmen von den Wesen, die unter den flammenden Energiekanonen der Angreifer verdampften. Er wich zurück, als ein Wesen auf die Kamera zu rannte, brüllend, verzweifelt und im Bruchteil einer Sekunde von einem Energiestrahl getroffen und vollständig eingeäschert wurde. Dass ein Wesen so schnell und ohne Rückstand vernichtet werden konnte, erschreckte ihn immer wieder. Zumal der Angriff dieser Wesen rücksichtsloser kaum sein konnte. Immerhin kämpften sie gegen Zivilisten, die sich kaum wehren konnten. Kantor Throk würde diese ehrlosen Barbaren dafür bestrafen, das nahm er sich fest vor.

»Schau dir an, was sie tun. Sie töten unsere Kameraden, ganz normale Somer und Ophaler, die niemandem etwas getan haben. Das können sie doch nicht machen.«

»Wer sollte sie daran hindern?«

In der Stimme des Pteru schwamm Bitterkeit, die Erii Tiin allerdings überhörte. Er war mit seiner eigenen Verzweiflung beschäftigt. Kantor Throk erhob sich und verließ unauffällig den Raum. Er wollte allein sein, über die Strategien nachdenken, die ihnen nun noch blieben.

Nach der Flucht von Mardakaan waren sie aus der Eastside geflüchtet und in Richtung Som geflogen, gefolgt von den eigenen Raumschiffen, allerdings waren nicht alle Kameraden bei ihnen gewesen. Zum Beispiel hatten sie den Somer Sruel Allok Mok nicht mehr gesehen. Kantor hoffte, dass dem älter werdenden Somer nichts passiert war, dass er ihn bald wieder sehen würde. Sicher würden sie zu einer Einigung gelangen, auch wenn der Somer nicht seiner Meinung war und lieber aufgeben würde. Er musste begreifen, dass man die Heimat nicht so leichtfertig aufgab.

Sie waren schnell geflogen und hatten sich nach Som gerettet. Der Planet war eine der letzten freien Bastionen in dieser Galaxis und dort hatten sich die noch freien Kräfte regelrecht eingeigelt. Eine ganze Menge Raumschiffe hatte sich um den Planeten konzentriert. Außer der Heimatflotte waren auch eine Unzahl versprengter Einheiten nach Som gekommen, die in die Flotte integriert wurden. Pterus, Ophaler, Elfahder und viele andere waren unter den Verteidigern, die Herkunft war vollkommen bedeutungslos geworden. Unglaublich, aber der Angriff hatte viele Verstimmungen zwischen den einzelnen Völkern einfach hinweggefegt, als hätten sie nie existiert. Was eine Bedrohung von außen doch bewirken konnte. Oder, wie ein berühmter Somer einmal gesagt hatte, jedes Schlechte gebiert auch etwas Gutes. In diesem Fall war es allerdings bedeutungslos. Wenn sie ihre Heimat verlieren würden, würde sich das Bild wieder ändern.

Und sie würden sie vermutlich verlieren, wie sich Kantor Throk in einem Anfall von Realismus unvermutet eingestand. Sie würden sie verlieren, weil die Gegner viel zu zahlreich waren, weil die Einheiten der Verteidigung viel zu zersplittert waren und weil sie letztendlich nur warten mussten und mit unermüdlichen Angriffen die eigenen Truppen dezimieren mussten, bis der klägliche Rest aufgeben würde. Denn offensichtlich legten sie Wert darauf, dass die Einwohner von Siom Som von sich aus ihre Galaxis übergaben und somit das zu erwartende Regime, das Vesus sicher installieren würde, quasi legitimiert war.

Politik war schon etwas Furchtbares. Ein anständiger Kampf war da schon wesentlich besser, dachte der Pteru. Wütend knurrend begab er sich in einen Raum, in dem er seine Möglichkeiten zu simulieren gedachte.

Vermutlich war es das Ende. Aber er würde sicher nicht aufgeben.

Niemals.

*

Sruel Allok Mok dachte an die Vergangenheit seines Volkes. An die Zeiten, als die Terraner über das System der Transmitter nach Siom Som gekommen waren. Als es noch das Königstor gegeben hatte und das prächtige Heraldische Siegel, das Geschichten von der Größe seines Volkes erzählte. Nach dem Ende des Moralischen Kodes und der Ewigen Krieger waren die Transmitter abgeschaltet worden. Aber es gab in jüngster Zeit Pläne, die Transmittertore wieder zu öffnen, so dass sich ein Kontakt zu den Menschen einfacher bewerkstelligen ließ. Diese Pläne waren wohl nun kaum noch in die Tat umzusetzen.

Aber das machte nichts.

Er schlang die Arme mit dem langen, seidigen Gefieder um seinen Körper und unterdrückte das Frösteln. Auf den Bildschirmen an Bord des Raumschiffes liefen Filme ab, die aus vielen Teilen dieser Galaxis stammten und Dinge zeigten, die der Somer eigentlich gar nicht sehen wollte. Keiner von ihnen wollte das. Er erkannte Mardakaan, den Planeten, den er mit Mühe und Not noch hatte verlassen können. Da waren die Ophaler, die von den Angreifern gejagt worden waren. Unglaublich schnelle Raumgleiter mit unglaublich präzise schießenden, von Rechner synchronisierten Geschützen jagten hinter Wesen her, die, verzweifelt schreiend, weg zu laufen versuchten – eine Geste, die auf den Bildern so hilflos wirkte, wie sie in Wirklichkeit auch war. Sie hatten keine Chance. Sie verglühten und waren somit vielleicht auch noch die glücklicheren. Abgesehen von jenen, denen die Flucht geglückt war.

Auf anderen Bildschirmen liefen andere Aufnahmen, die Wesen zeigten, die von den Soldaten der Angreifer zusammengetrieben wurden. Sie sahen aus wie Terraner, diese Dorgonen. Der Somer, der auf den Welten der Terraner immer Sam genannt wurde, sah angewidert, wie ein Soldat vor trat und eine der Frauen aus der Menge zerrte. Sie wurde in eine Baracke gestoßen, das rohe Lachen des Mannes war weithin zu hören, schüchterte die anderen ein, die sehr genau wussten, was mit der Frau geschehen würde. Die Schreie, die aus der Baracke drangen, ließen Sam erschauern; die Gänsehaut unter seinem Gefieder wurde womöglich noch stärker. Sie plünderten, sie vergewaltigten und sie mordeten. Sie taten der Zivilbevölkerung all die Grausamkeiten an, die zwischen zivilisierten Völkern eigentlich in bi- und multilateralen Verträgen von vornherein ausgeschlossen wurden.

Nur mit diesen Wesen waren anscheinend keine Verträge abzuschließen, jedenfalls keine, die Gültigkeit besaßen. Verbittert überlegte der Somer, ob Kantor Throk nicht vielleicht doch recht hatte, ob sie nicht vielleicht doch mit allem, was sie hatten, gegen diese Monster kämpfen sollten. Aber vielleicht war es auch besser, abzuwarten, seiner Idee zu folgen und lieber einen passiven Widerstand zu leisten, den Invasoren klar zumachen, dass man zwar zu kooperieren bereit war, aber nicht um jeden Preis.

Sicher nicht um den Preis, die eigenen Würde vollständig aufzugeben.

Aber sie waren viele, sie mussten nur verstehen, dass sie den Angreifern eigentlich überlegen waren. Und wenn sie erst einmal aus ihren Schiffen stiegen, dann war es bei weitem nicht mehr so einfach für die Angreifer. Nur, wo sollte er anfangen?

Am Besten auf Som, dachte er, seiner Heimatwelt, die von dem Schiff ohnehin angeflogen wurde. Der zweite Planet seiner Heimatsonne, die er seit seiner Kindheit so oft gesehen und so oft auch wieder verlassen hatte, war das Ziel vieler Flüchtlinge, die sich dort sammelten und eine Flotte zu bilden versuchten, die den Dorgonen zumindest ebenbürtig war.

Damals, als die Gänger des Netzes noch hier gewesen und mit ihren Raumschiffen mit den Enerpsi-Antrieben geflogen waren, war es noch einfacher gewesen. Die Heraldischen Tore allein hatten ihnen Probleme bereitet, indem sie für Kalmenzonen sorgten, Bereiche, in denen scheinbar keine psionische Energie mehr verfügbar war und somit die Voraussetzungen für den Enerpsi-Antrieb fehlten. Damals war es den Gängern des Netzes sehr schwer gefallen, sich gegen die Ewigen Krieger zu behaupten. Ohne zusätzlichen Metagrav-Antrieb war eine Navigation in diesem Bereich kaum noch möglich gewesen.

Heute war das alles anders geworden. Die Raumschiffe bedienten sich keiner Antriebe mehr, die auf psionischen Energien basierten. Kalmenzonen gab es auch kaum noch, weil die Tore nicht mehr aktiv waren. Und somit war es auch kaum ein Problem, in die Galaxis hineinzukommen. Machten sie es den Angreifern dadurch leichter? Vielleicht fehlte ihnen eine Menge Erfahrung, vielleicht waren sie deshalb nicht in der Lage, gegen die Flotte der Angreifer zu bestehen, die so vergleichsweise klein war?

Möglich war es durchaus. Mit dreihunderttausend Schiffen stellten die Dorgonen eine ungeheure Macht dar in dieser Galaxis, aber wenn alle Schiffe auf allen Welten von Siom Som sich sammeln würden, dann wären sie sicher in der Lage, die zehnfache Menge an Raumschiffen aufzubieten.

Trotzdem bezweifelte der Somer, dass es dann einfacher geworden wäre. Die Dorgonen waren Kampf erfahren, viele Schiffe der heimatlichen Galaxis waren auf der Insel und von den Helfern Ijarkors war kaum noch etwas übrig geblieben. Vermutlich nicht einmal Ijarkor selber, der ehemalige Ewige Krieger war wahrscheinlich endgültig nicht mehr am Leben.

Nur noch sie selbst konnten verhindern, dass die Invasoren sie überrollten. Und Sruel Allok Mok wusste, wie er es anfangen würde. Auf Som warteten Freunde, mit denen er eine Organisation ins Leben rufen würde. Die Dorgonen selbst waren ein gutes Beispiel, denn auch sie hatten fast in ihrer gesamten Geschichte einen Untergrund gehabt, in dem sich viele Dorgonen vor der Macht der Kaiser versteckten. Und hier konnten sie es genauso machen. Irgendwann waren sie wieder frei.

Aber dazu mussten sie erst einmal verlieren.

Eine Erkenntnis, die den Somer schmerzte.

Som wurde langsam größer auf den Schirmen, herangezoomt durch die Kameras, die gnädigerweise keine Bilder des Grauens mehr zeigten. Und die Schiffe, die sich um sie herum angesammelt hatten, stürzten immer tiefer, näher und näher an die Oberfläche des Planeten heran. Die die meisten aber nicht erreichten, weil der Platz längst überfüllt war. Auch auf den beiden Monden waren kaum noch Möglichkeiten vorhanden, Menschen unterzubringen. Culio und Ijarkor umkreisten wie schon seit sehr langer Zeit Som und dienten in diesen Tagen zur Unterbringung von Flüchtlingen.

Aber Sruel Allok Mok durfte auf Som landen. Als sie erfuhren, wer sich an Bord befand, bekam er sofort Landeerlaubnis mit seinem Schiff. Und es dauerte gar nicht mehr lange, da war er zu Hause.

Der Tod hielt reiche Ernte an diesen Tagen. Auf den meisten Welten hielten sich die Angreifer gar nicht lange auf. Vor allem die Randwelten, die von den Invasoren gestreift worden waren, konnten ein Lied davon singen. Zurück blieb verbrannte Erde, eine Bevölkerung, die aus den Städten geflohen war und sich zögerlich wieder zurück in die eigenen Häuser begab, begeben wollte, aber feststellen musste, dass vieles zerstört und vernichtet war, dass viele ihrer Mitbürger nicht mehr am Leben waren.

Aber die Invasoren ließen bei den meisten Welten keine Schiffe zurück, weil sie sie dringend brauchten. Sie wollten nur die Flotten dezimieren, den Gegner schwächen und die Welten möglichst ohne die Möglichkeit zurücklassen, ihnen in den Rücken zu fallen. Und das gelang auch.

Aber auf Mardakaan war es schlimmer und auf einigen anderen der wichtigen Welten ebenfalls.

Auf den wichtigsten Welten der Elfahder flüchteten die Wesen aus ihren Rüstungen, versteckten sich in den Sümpfen, den feuchtwarmen, subtropischen Dschungeln ihrer Welt, wo sie von den Dorgonen kaum erreicht werden konnten und wollten. Aber diese Möglichkeit hatte nicht jeder. Und so gab es viele Opfer unter den Bevölkerungen.

*

Erii Tiin grübelte lange, konnte sich aber zu keiner Entscheidung durchringen, wie er nun weiter verfahren sollte. Aber das war auch nicht so wichtig. Er würde auf die Entscheidung von Kantor Throk warten, der war wichtiger. Throk würde ihnen sicher den Weg in die Freiheit zeigen können. Tiin klammerte sich an diesen Glauben, auch wenn er tief im Innersten fühlte, dass es vergebens war. Verzweiflung durfte ihn nicht übermannen und gerade, als er glaubte, es könne nicht schlimmer kommen, als er die Bilder nicht mehr ertragen wollte, erreichte ihn die Nachricht von der Ankunft des Somers Sruel Allok Mok. Er hatte überlebt. Der geniale Politiker war ihnen erhalten geblieben. Vielleicht war er auch eine Hoffnung, auch wenn er anderer Meinung war und lieber kapitulieren wollte. Gespannt wartete er auf den Politiker, auf den Mann, der so Großes geleistet hatte, nicht nur für sein Volk, sondern für alle Völker auf der Insel.

Hoffnung.

Alles, was ihnen noch geblieben war.

Auf den Bildschirmen die schreienden Menschen.

Und Sruel Allok Mok und Kantor Throk ihre einzige Hoffnung.

Es war Wahnsinn.

Aber nicht für Throk, der langsam in einem Raum auf und ab ging, allein gelassen von allen anderen, die sich überall im Palast auf Som verteilt hatten. Nur wenige suchten die Gesellschaft von anderen, die meisten versuchten, allein zu sein und dem Unheil möglichst lange den Rücken zuzukehren. Aber das war beinahe unmöglich, wie auch Erii Tiin erkennen musste.

 

Er wartete ungeduldig auf den angekündigten Somer, der sicher bald im Palast erscheinen würde. Es dauerte aber doch noch fast eine Stunde, bis der Gleiter am Fenster erschien, der Somer ausstieg und auf der Landeplattform für einen Augenblick verharrte. Der Ophaler traute sich nicht, ihm entgegen zu gehen. Immer wieder musste er daran denken, dass Sruel Allok Mok sich gegen den Krieg ausgesprochen hatte. Er hatte in den letzten Stunden viel zu viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Und im Ergebnis war ihm doch nur klar geworden, dass der Somer recht hatte.

Aber hatte er es sich anders überlegt?

Etwas in ihm ließ ihn zögern, das Unausweichliche doch nicht hinnehmen. Er wollte daran glauben, dass Kantor Throk es schaffen würde, einen Plan zu erfinden, mit dem sie die anderen besiegen würden. Hinweg fegen sozusagen. Und dann würde ihnen allen die Kapitulation erspart bleiben.

Sruel Allok Mok näherte sich mit vorsichtigen Schritten und Erii Tiin bemerkte die Verbände, die den Körper des Somers bedeckten. Er musste bei dem Angriff zu schwerem Schaden gekommen sein. Aber er hielt sich aufrecht, ließ sich nichts von den Verletzungen anmerken.

Sruel Allok Mok strahlte die Kraft aus, die Erii Tiin gerne hätte. Er musste sich eingestehen, dass dieser Somer wesentlich mehr zu einem Herrscher geboren war als er selbst. Und was noch schlimmer war, er vereinigte all die guten Eigenschaften, von denen viele Politiker träumten, ohne sie jemals zu erreichen. Wie er es geschafft hatte, all die Jahre auf der Insel zu bleiben, ohne von der Macht korrumpiert zu werden, nötigte Erii Tiin tiefsten Respekt ab. Er verneigte sich vor dem Somer, wenn auch nur innerlich. Zeigen würde er das nie.

»Sruel Allok Mok«, flüsterte er leise. »Wieder zu Hause, in der dunkelsten Stunde deines Volkes. Und der ganzen Galaxis«, fügte er hinzu, als er an das Schicksal von Mardakaan dachte, das besiegelt war und das auf den Schirmen immer noch überdeutlich zu sehen war. Immerhin hatten die Plünderungen endlich aufgehört. Die Machthaber benahmen sich zivilisierter. Das würde die Opfer aber wohl kaum trösten.

Der Somer senkte den Kopf, dann blickte er fest in die Augen des Wesens. Nervös sich verschlingende Tentakel zeigten ihm, dass auch Erii Tiin in den letzten Stunden viel mitgemacht hatte. Die Situation war entsetzlich. Die Bilder auf den Schirmen zeigten mehr als deutlich, was ihnen allen blühen konnte. Aber Sruel Allok Mok glaubte immer noch, dass der passive Widerstand die beste Idee war.

»Dunkel, ja, aber nicht hoffnungslos. Gib endlich auf, um das Leben all der Wesen willen, die noch sterben werden, wenn wir so weitermachen.«

»Ich kann nicht.« Mok konnte den Ophaler kaum verstehen.

»Heute leben, morgen sterben.« Damit drehte sich der Somer um und verließ den Raum.

Erii Tiin blickte ihm lange nach.

*

»Das ist es.« Kantor Throk hatte laut gesprochen, obwohl er allein war.

Er hob den Kopf und verfolgte den Abgang des Somers auf einem Bildschirm. Er hatte gehört, was der ehemalige Botschafter und Regierungschef auf der Insel gesagt hatte. Schnell, aber nicht rennend, bewegte er sich durch die Gänge in den Raum, in dem der ophalische Ratsvorsitzende wartete und immer noch nervös auf die Schirme blickte.

»Eigentlich hat er vollkommen recht«, meinte Throk unvermittelt. Er ignorierte den verstörten Blick des Ophalers. »Ich meine, wenn er sagt, dass wir aufgeben sollen, hat er natürlich unrecht. Aber wir könnten seine Parolen zu unseren Gunsten nutzen.«

Nachdenklich rieb er sich das Kinn, dann griff er in die Tasten des Holo-Sandkastens, in dem sich strategische und taktische Angriffe simulieren ließen. Unvermittelt schwebten Raumschiffe mitten in der Halle.

»Wenn wir sie an einen Ort locken können, wo sich Kolonisten konzentrieren, könnten wir sie in eine Falle locken. Stell dir eine Welt vor, auf der sich ein passiver Widerstand entwickelt, stell dir eine Welt von friedlichen Kolonisten vor, die nur ihr Unverständnis äußern, dass diese Verrückten sie angreifen wollen. Würde das nicht diesen Carilla anlocken? Und wenn er dann da ist, schlagen wir zu und schicken all die verstecken Schiffe los, die Carilla natürlich nicht bemerken wird. Damit kriegen wir ihn.«

»Das könnte sogar funktionieren.« Die Tentakel wirbelten nervös. »Vermutlich wird sich dieser Schlächter davon anlocken lassen. Aber der zweite Teil mit den versteckten Schiffen, wie soll das klappen? Die haben dreihunderttausend Schiffe mit dabei.«

»Ja, das sieht auf den ersten Blick schlecht für uns aus. Aber du glaubst doch nicht, dass der mit dreihunderttausend Schiffen anrücken wird, um einige Kolonisten platt zu machen? Das wird der nicht tun. Er wird vermutlich mit einigen tausend Schiffen anrücken, um die Heimatverteidigung niederzumetzeln und dann sich auf die unschuldigen Einwohner zu stürzen. Wir werden ihm entgegenkommen, indem es gar keine Heimatverteidigung zum Niedermetzeln mehr gibt. Und wenn er sich dann so richtig schön sicher fühlt, dann schießen wir erst die Flotte im Orbit mit unseren natürlich überlegenen Kräften zusammen und dann kriegen wir auch Carilla. Was meinst du, ist das nicht genial? Wenn der mal weg ist, dann wird es wesentlich einfacher.«

Tiin glaubte kaum, dass es so einfach werden würde. Aber er war immer noch bereit, nach allen Strohhalmen zu greifen, die sich ihm entgegenstreckten und so willigte er schließlich ein. »Sruel Allok Mok wird das nicht gefallen.«

»Das macht nichts. Wir werden ihn nicht fragen und das brauchen wir auch nicht. Wir sind die Regierung und es ist unsere Verantwortung, die Gefahr abzuwehren. Wir schaffen das.«

Tiin ließ sich von der Zuversicht des Pteru mitreißen. Er glaubte ihm, weil Throk den Eindruck vermittelte, genau zu wissen, was er tat.

Wenn er in das Herz des Kriegsherrn hätte schauen können, hätte er sehr schnell bemerkt, dass die Zuversicht nur gespielt war, die Gefühle des Pteru vollkommen anders aussahen.

Aber das bemerkte der Ophaler nicht.

Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf.

 

Kapitel 10 - Melodie des Friedens

Der Ophaler lachte laut, als er die Freunde herannahen sah. Ein herrlicher Tag, wie er fand, die Ode an die Freude war sicher genau das richtige dafür. Doch schon nach den ersten harmonischen Tönen verstummte er mit einem Missklang. Das passierte ihm normalerweise nie.

Aber normalerweise wurde er beim Singen auch nie gestört.

Diesmal war das anders. Die Freunde fielen ihm in die Tentakel, schnatterten wild auf ihn ein und brachten ihn zum Verstummen. Verwirrt blickte er ihnen entgegen.

»Was ist denn los?«

Traan Took trötete misstönend. »Du hast es natürlich noch nicht mitbekommen. Der Krieg tobt in unserer Galaxis, und unser Araan Sork verschnarcht ihn.«

Er hatte sich abgewandt und lachend zu den Freunden gesprochen, dann drehte er sich wieder Sork zu.

»Invasoren aus einer fremden Galaxis haben Siom Som überfallen. Sie sind überall und wir werden nicht mit ihnen fertig. Aber unsere Regierung gibt nicht auf«, fügte er verbittert hinzu. »Und dagegen werden wir etwas tun.«

Entschlossen verschränkte er die Tentakel.

»Wir werden Widerstand leisten. Nicht mit Gewalt, das können wir nicht. Wir haben uns entschlossen, zu singen, zu singen für den Frieden. Was hältst du davon?«

Sork öffnete erstaunt den Mund, wusste aber nicht, was er sagen sollte. Also klappte er ihn wieder zu.

Aber er musste auch nicht reden. Took übernahm das für ihn.

»Wir haben eine Hyperfunknachricht mit der Harmonie des Todes in den Raum geschickt. Wenn sie dann kommen, werden wir die Harmonie des Friedens singen und ihnen klarmachen, dass dieser Weg auf Dauer ins Verderben führen wird. Sie werden zuhören. Warum auch nicht, schließlich sind wir wehrlos. Und wenn sie endlich aufhören, dann können wir mit ihnen zusammen leben. Das ist eine Vision. Und sie wird Wahrheit werden. Davon bin ich überzeugt.«

Araan glaubte ihm jedes Wort. So lange er den jungen Ophaler kannte, war er ein Träumer gewesen, ein Ophaler, der an das Gute in allen anderen Wesen glaubte. Aber das war nicht immer von Vorteil. Er würde eines Tages mit dieser Einstellung Probleme bekommen. Und dieser Tag war vielleicht nicht einmal so weit entfernt.

Bedauernd schüttelte Araan den Kopf, was Traan glücklicherweise nicht sah. Er hatte sich in diesem Augenblick wieder zu den anderen Freunden umgewandt, die ihn nur anschauten und ebenfalls nichts sagten.

»Ihr glaubt mir nicht«, stellte Traan nüchtern fest. »Nun, das macht nichts. Es wird so geschehen.«

Traurige, leise Töne ließen alle aufhorchen. Araan stimmte den Gesang der Stille an. Er brachte die Luft zum Schwingen, auf eine Weise, die den anderen Ophalern unter die Haut ging. Auch Traan verstummte ehrfürchtig, als er die Stimme hörte und ihm langsam bewusst wurde, wie wunderbar Araan heute sang. Ihm fehlte wirklich nicht mehr viel zu einem Meistersinger. Schon jetzt sang er auf eine Weise, die einem das Herz öffnete.

»Du musst das singen, wenn sie kommen. Das wird sie vollends überzeugen.«

Araan hatte es nicht gehört. Er sang einfach weiter. Und immer weiter.

*

Und immer weiter wanderte der Somer durch den Raum. Wie überhaupt in den letzten Tagen viel gewandert wurde. Vorwiegend von Wesen Siom Soms, die etwas zu entscheiden hatten.

Sruel Allok Mok hatte von den Plänen der Regierung gehört und bedauerte sehr, dass die Unvernunft sich durchsetzte. Einen Augenblick lang hatte er sich überlegt, zu den Regierungsmitgliedern zu sprechen. Aber dann hatte er sich dagegen entschieden. Offensichtlich musste dieser Konflikt ausgefochten werden.

 

Ein alter Lehrmeister hatte einmal gesagt, wer starr ist, wird im Sturm zerbrechen, ging es dem Somer durch den Kopf. Der Grashalm aber wird den Sturm überleben, weil er sich beugt.

Und deshalb entschloss er sich zu einer Konsequenz, die ihn einen Augenblick lang schmerzte.

Er verließ den Palast und suchte seine Freunde auf.

Gemeinsam verließen sie Som und zogen sich nach Ijarkor zurück.

Der Mond war lange verlassen gewesen. Einst war er der Sitz des Ewigen Kriegers von Siom Som gewesen. Aber Ijarkor war nicht mehr in dieser Galaxis, nicht mehr am Leben, vermutlich seit langem schon. Erst vor wenigen Jahren war sein Phantom durch Siom Som und die Insel gegeistert, als die Krieger Ijarkors ausgezogen waren, um allen Wesen auf der Insel beistehen zu können. Sie hatten nichts bewirkt und Ijarkor war seither nur einige wenige Male aufgetreten. Diejenigen, die ihn gesehen hatten, wussten, dass er noch lebte. Aber Sruel Allok Mok glaubte nicht daran. Und seit wenigen Jahren hörte man von ihm auch nichts mehr. Vielleicht war nun auch das Phantom gestorben.

Sein Mond aber bestand auch heute noch, weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit. Als er damals abgetreten war als Ewiger Krieger, war der Mond zunächst gemieden worden. Erste vorsichtige Erkundungen hatten ergeben, dass in den Räumlichkeiten des ehemaligen Ewigen Kriegers nichts von Bedeutung zu finden war. Und so hatte man die Anlagen versiegelt und für die Öffentlichkeit gesperrt. Ijarkors Welt war ein stiller Ort geworden, so still wie das Weltall, in das sie eingebettet war.

Fast niemand wusste, dass eine Gruppe von Somern die Paläste wiedereröffnet hatte. Die Anlagen waren begehbar, allerdings versteckt und als solches würden sie den Himmelskörper auch nutzen.

Er und seine Freunde.

Er verschwand von einem Tag auf den anderen.

Und er wurde auch nicht vermisst.

*

Vermisst hatte er sie nicht. Lange Jahre war es ruhig geblieben. Aber in den letzten Tagen überfielen sie ihn wieder, diese Träume, in denen eine Gestalt auftauchte, die er schon lange überwunden glaubte. Seit er nicht mehr Kaiser werden wollte anstelle des Kaisers, hatte Carilla seine innere Ruhe zurück gewonnen. Oft war er noch aufbrausend, Menschen mussten manchmal sterben, weil er sich nicht beherrschen konnte, aber diese Anfälle waren immer seltener geworden.

Als sie sich in Richtung der Galaxis Siom Som in Bewegung setzten, waren die Träume wieder gekommen. Sie tauchte darin auf, wankte mit ihrer verbrannten Haut langsam auf ihn zu, näherte sich dem Kommandosessel in der Mitte der Zentrale, in der er ohne Regung saß, weil er sich gar nicht mehr bewegen konnte, wie gelähmt war. Sie beugte sich über ihn, atmete fauligen Atem aus und berührte mit der schwarzen Zunge seine Lippen. Er fühlte sich wie ein Beobachter in seinem gelähmten Körper, spürte die kalte, trockene Zunge, die seine Lippen leckte und die kalten, trockenen Lippen, die ihn liebkosten, er spürte die Tränen, die über seine Wangen liefen und er hatte dieses Bild vor Augen, das ihn niemals wieder loslassen sollte. Auch wenn es in den letzten Jahren geschwiegen hatte, war es doch nie ganz verschwunden gewesen und er hatte gefühlt, dass die Schicht zu seinem schlimmsten Alptraum ganz dünn war.

Wie erstarrt stand er inmitten der Zentrale, während ihn die Erinnerung an diesen ersten fürchterlichen Traum quälte. Er spürte immer noch die Tränen und merkte, dass er nun tatsächlich weinte. Schnell wischte er die Spuren von den Wangen und drehte sich entschlossen zu seinem Kommandosessel um. Die Gestalt, die darin saß, erschreckte ihn, aber nur für wenige Sekunden, dann war sie verschwunden. Die Auswirkungen der Strahlung, die ihr Gesicht zerfressen hatten, standen ihm auch heute noch, viele, viele Jahre später, vor Augen und als er an den Traum dachte, waren sie wieder glasklar vor seinem Gesicht, die Augen weit geöffnet, gebrochen, starr, auf ewig erloschen.

 

In seinem Traum waren sie auch geöffnet gewesen. Aber sie hatten einen Ausdruck gezeigt, der ihn in Panik versetzt hatte. Leben hatte darin geflackert, aber ein Leben, das erschreckend war, ein Leben, das man nicht als Leben bezeichnen konnte, gerade so, als wäre sie aus einer Welt zurückgekehrt, die er niemals kennen lernen wollte.

Das geisterhafte Leuchten hatte ihn nur kurz abgelenkt. Er schloss die Augen, fühlte immer noch die kalten Lippen auf seinem Gesicht, die harten, scharfen Zähne, die in seine Wange bissen.

Und dann wachte er auf, Schweiß gebadet, keuchte und wusste für einige Augenblicke nicht, wo er war.

»Licht«, stöhnte er. Die Syntronik verstand und aktivierte die Beleuchtung. Er hatte Minuten gebraucht, um sich zurecht zu finden und war dann nicht mehr eingeschlafen. Seither hatte er sein ganzes Denken auf die Angriffe gerichtet, hatte keine Rücksicht mehr auf Gefühle oder das Leben an sich genommen und viele Lebewesen in Siom Som vernichtet, gegeißelt, gefoltert.

Und als der Funkspruch sie erreichte, wusste er, dass er dort Erleichterung finden würde. Vielleicht würde er ihr dort endlich Frieden geben können.

»Kurs auf Suingun.«

In der Zentrale wurde es schlagartig totenstill. Seine Stimme hatte all das enthalten, was er in diesem Augenblick empfand, allen Hass, die ganze Kälte, die ihn quälte und die Besatzung spürte es. Niemand sprach. Jeder gehorchte und versuchte, den Kommandanten nicht zu beachten. Das Schiff änderte den Kurs, die Flotte folgte, Adlerschiffe, wie an einer Perlenschnur, viertausend an der Zahl, setzten sich in Bewegung.

Kurs Suingun.

»Suingun ist die richtige Welt.«

*

Kantor Throk lehnte sich zurück, verschränkte die Hände auf dem Hinterkopf und musterte Erii Tiin. Wie schwach dieser Ratsvorsitzende war, erkannte er erst jetzt langsam. Ein Werkzeug, ein Instrument in seinen Händen, formbar wie Wachs.

Und dabei bemerkte er es noch nicht einmal.

Throk wollte es gar nicht, aber die Situation brachte ihn in eine Situation, in der er immer mehr zu einem Führer wurde, der den Entscheidungsträgern die Entscheidungen aufzwang, ohne dass sie es bemerkten. Und er wusste, dass er Erfolg haben musste. Ein Scheitern war mit Sicherheit sein Ende. Entweder als Kriegsherr, als Kommandant der Flotte, oder aber als Lebewesen. Er konnte nicht mehr zurück. Höchstens Erii Tiin könnte ihn noch zurückpfeifen, aber der war zu schwach dazu. Sruel Allok Mok hingegen hätte die nötige Härte gehabt, aber er hatte nicht die nötige Macht dazu, niemand würde auf ihn hören. Und so hatte Throk freie Bahn.

Und es freute ihn nicht.

Gerne hätte er einen Ratsvorsitzenden wie Sruel Allok Mok an Stelle von Erii Tiin sitzen sehen, der ihm in entschiedenem Tonfall mitteilte, dass seine Idee vollkommener Schwachsinn war und er sie sofort wieder vergessen sollte.

Aber Sruel Allok Mok war nicht da.

Er war im Gegenteil verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst, zusammen mit Freunden und Throk hoffte, dass sie zumindest die richtigen Ideen hatten, um nach der Niederlage neu aufzubauen, den nötigen Widerstand aufzubauen und die neuen Machthaber zu vertreiben.

Denn es würde passieren. Das Undenkbare. Die Niederlage für diese Galaxis. Niemand hier war in der Lage, den Widerstand auf die nötige Weise zu organisieren. Nicht einmal er.

Aber von all den Schwächlingen war er immer noch der stärkste. Ein terranisches Sprichwort besagte, unter den Blinden sei der Einäugige König. Wie der Einäugige kam er sich auch vor. Unter all den Blinden, die die Regierung dieser Galaxis stellten, zumindest den galaktischen Rat von Siom Som bildeten.

Warum wachte er nur nicht aus diesem Albtraum auf?

Nein, es passierte nicht. Erii Tiin nickte einfach nur und alle anderen auch.

Jasager, dachte er verächtlich. Meinungslose, die alles beschließen würden, was er ihnen vorschlug. Und so setzte sich die Flotte in Bewegung. Suingun war das Ziel. Und der Anfang vom endgültigen Untergang.

 

Kapitel 11 - Estartus Niederlage

»Das ist ihr Untergang. Mögen ihnen die Götter gnädig sein.«

Vesus schüttelte nur den Kopf, als er den Funkspruch hörte. Leider war er nicht nahe genug an dieser Welt, Carilla würde wesentlich früher dort eintreffen. Er hatte schon früher bewiesen, dass er keine Rücksicht nahm.

Quinturus, sein alter Waffenmeister, der auch diesen Feldzug wieder mitmachte, neigte zustimmend das Haupt. Er sagte nichts dazu, aber das war auch nicht nötig. Allen war klar, dass es in einem Feldzug wie diesen auch Opfer geben würde und diese Opfer waren vor allem deshalb kaum zu vermeiden, weil die Einwohner dieser Galaxis nicht die Absicht hatten, aufzugeben.

Vesus konnte sie durchaus verstehen. Aber manchmal war es besser, aufzugeben, wenn auch nur für den Augenblick.

Aber das verstanden diese Barbaren nicht.

»Wir müssen darüber reden.«

Quinturus folgte ihm schweigend, als Vesus die Zentrale verließ. In seinem Bereitschaftsraum ließ er ein Hologramm entstehen, das die Galaxis Siom Som zeigte. Die eroberten Welten waren inzwischen in der Überzahl, wie sich anhand der dorgonischen Farben, die fast flächendeckend vorherrschten, unschwer erkennen ließ. Aber es gab auch Bereiche, die noch fest in der Hand der lokalen Bevölkerung waren.

Ehrlicherweise musste man auch zugeben, dass es nahezu unmöglich war, mit gerade einmal vierhunderttausend Schiffen eine Galaxis zu erobern. Aber die beherrschenden Völker einer Galaxis zu besiegen, legte die Grundlage, auf der man aufbauen musste. Viele andere Völker wurden angegriffen, an den Rand des Untergangs gebracht, eine Aufgabe, die mit Vorliebe von Carilla erfüllt wurde, der auf ihrem Weg in die Galaxis Siom Som hinein schon eine Unmenge verbrannter Erde hinterlassen hatte.

Zu viel durften sie aber nicht zerstören, denn schließlich wollte der Kaiser von dieser Galaxis noch profitieren. Gegen die Vernichtung unbedeutender Randwelten würde er aber sicher nichts einzuwenden haben.

Und wer kannte schon Suingun? Eine unbedeutende Welt, von der Vesus nicht einmal wusste, wer dort überwiegend anzutreffen war, würde von niemandem vermisst werden, vermutlich nicht einmal von einer Mehrheit der Wesen in dieser Galaxis.

Trotzdem würde es eine furchtbare Tragödie werden.

Eine von vielen.

»Wer wird sie vermissen?«, fragte Quinturus, als hätte er seine Gedanken gelesen. »Im Krieg gibt es nun einmal Opfer. Ich muss dich sicher nicht an deine Verantwortung gegenüber deinen Soldaten erinnern.«

»Sinnlose Vernichtung sollte ich aber vermeiden, auch das ist Gegenstand meiner Verantwortung. Einen Charakter wie Carilla kann man aber nicht unter Kontrolle halten.«

»Du solltest es auch nicht versuchen. Dieser Mann wird sich selbst richten. Da bin ich ganz sicher.«

»Quinturus, du bist ein rechtschaffener Soldat und die meisten anderen in diesen Schiffen sind es ebenso. Vielleicht sogar mehr, als wir alle glauben. Im richtigen Augenblick aufzuhören, ist eine wichtige Eigenschaft solcher Menschen. Eine Eigenschaft, die unserem Freund abgeht. Ich hoffe, du hast recht. Und ich hoffe, es passiert bald.«

Schweigen senkte sich über den Raum, in dem das Hologramm immer noch die Situation anzeigte. Als die beiden Männer es nicht mehr aushielten, gingen sie in die Zentrale zurück. Wesentliches war sicher nicht geschehen, sonst hätten sie es schon längst erfahren. Trotzdem sollten sie Präsenz zeigen. Noch war Siom Som nicht erobert.

Und das einsame Hologramm zeigte auch ganz eindeutig, wohin sie sich wenden mussten.

Som war wie eine Insel in einem Ozean voller Feinde.

Aber dieser Ozean war in beständiger Bewegung.

Und er brandete auf Som zu. Unaufhaltsam.

Genauso unaufhaltsam brandete eine Flotte von viertausend Schiffen auf Suingun zu. Von der anderen Seite bewegte sich eine Flotte von einhundertdreißig Raumschiffen der Somer auf die Welt zu. Sie würden früher bei Suingun eintreffen, aber davon würden die Einwohner des Planeten nichts bemerken. Und die Angreifer um Carilla hoffentlich auch nicht.

*

Throk lief nervös durch die Kommandozentrale und regte so auch die anderen Anwesenden auf, die ihre Gefühle aber unterdrücken mussten. Das verrückte war, dass dieser Plan der Verzweiflung auch noch klappen konnte. Die Ophaler auf dieser Welt kamen ihnen auch noch entgegen, indem sie die Feinde quasi herbei riefen. Sie mussten nicht einmal etwas dafür tun.

Außer abwarten, bis die Gegner in dem System eintrafen.

Das Eintreffen der Gegner würde sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen. Viele Impulse trafen den Planeten und Traan hatte erfahren, dass darunter auch erste Impulse fremder Raumschiffe waren. Anscheinend erkundeten sie bereits das System. Es würde sicher nicht mehr lange dauern, bis die ersten Schiffe oder die ganze Flotte in der Nähe des Planeten eintreffen würden.

*

Ortungsimpulse trafen auf die Außenhülle der NERSONOS, des Flaggschiffs, das Carilla zur persönlichen Verfügung stand. Er drehte sich nur für einen Augenblick zur Seite, als er die hektischen Meldungen hörte, die plötzlich zwischen den Ortern und den Feuerleitbesatzungen hin und her schwirrten. Etwas schien passiert zu sein, aber er fragte nicht nach. Er gab das Ziel vor, die Kommandanten der einzelnen Raumschiffe sollten sich um Probleme dieser Art kümmern.

Und das taten sie auch.

Aber dann passierte etwas, was sie dazu bewog, sich doch an den Schlächter zu wenden.

Regungslos stand der Kommandant neben Carilla und wartete, bis das Wort an ihn gerichtet wurde. Der Schlächter brauchte einen Augenblick, bis er den Dorgonen wahrnahm. Sekundenbruchteile nur wurde er von seinen Träumen abgelenkt, die ihn für Augenblicke mit starren, schreckgeweiteten Augen auf den Schirm blicken ließen. Der Kommandant bemerkte nichts davon, weil er sich krampfhaft darum bemühte, dem Oberbefehlshaber der Prettosgarde nicht in die Augen zu blicken.

»Was?«, schnarrte Carilla kurz angebunden, als er ihn wahrnahm.

»Kommandeur, da sind Einheiten des Gegners. Sie lauern in einer Dunkelwolke und warten anscheinend auf etwas. Die Orter haben sie nur durch einen Zufall entdeckt. Es könnten versprengte Truppen des Feindes sein. Wir erwarten Deine Befehle, was wir mit ihnen machen sollen.«

»Wie viele sind es?«

»Ungefähr fünftausend Einheiten.«

Carilla grübelte nur kurz. »Wir fliegen mit der Kernflotte weiter. Der Rest macht kurzen Prozess. Keine Gefangenen.«

Die Kälte in seiner Stimme war fast körperlich spürbar. Der Kommandant des Flaggschiffes drehte sich wortlos um und nickte seinem Stellvertreter zu, der die Befehle weiterbrüllte. Die NERSONOS zusammen mit weiteren vierzehn Schiffen blieb auf Kurs. Der Rest flog in die Dunkelwolke ein und griff sofort an.

Carilla interessierte es bereits nicht mehr.

*

Sruel Allok Mok fühlte sich einsam, nachdem ihn die Freunde wieder verlassen hatten. Er war in diesen Augenblicken der einzige im stillen Palast des Ijarkor. Und er war glücklich darüber.

Allein wanderte er durch die Gänge des Palastes, der zu einem großen Teil unter der Oberfläche des Mondes lag, aber auch teilweise über die Oberfläche hinausragte. Und in einem solchen Bereich hielt er sich auf.

Ein Blick aus dem Fenster zeigte die zerklüftete Oberfläche dieses Mondes, der sanft von der Sonne Som angestrahlt wurde. Grell flutete das Licht über die Spitzen der flachen Erhebungen, die um seinen Standort zu erkennen waren. Scharfe Gebirgszüge waren am Horizont zu erkennen und Sruel Allok Mok begann mehr und mehr zu verstehen, warum sich der einstige Unsterbliche und Ewige Krieger in dieser Anlage wohl fühlte. Der Palast war einigermaßen versteckt und nur von Eingeweihten zu finden. Und die Anlagen waren noch in einem sehr guten Zustand. An vielen Ecken strahlte das Bauwerk noch den Geist seines einstigen Bewohners aus, zu Zeiten, als er noch einem verderblichen Weg folgte, genauso wie später, als er dem dritten Weg bereits abgeschworen hatte. Der Somer begann, sich heimisch zu fühlen und erkannte, dass dieser Standort durchaus ideal für seine Pläne war. Widerstand passiv, so lange es möglich war, aber auch durchaus aktiv, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Aus einem Versteck heraus, das nicht nur für sein Volk, sondern für die gesamte Galaxis eine Bedeutung hatte. Was wäre da eher geeignet, als ein atmosphäreloser Gesteinsbrocken dieser Größe mit einem Versteck, das bereits existierte und zwar vielen bekannt war, aber sicher keinen Invasoren aus einer fernen Galaxis.

Und wenn sie die Anlagen doch finden würden, gab es immer noch Möglichkeiten, ihnen auszuweichen. Auf diesem Mond und darüber hinaus.

Das Zentrum des Widerstandes.

Und das direkt unter der Nase des Feindes.

Der Somer nickte versonnen. So war es richtig.

 

Kapitel 12 - Ode des Todes

Richtig war, dass die Musik seinem Leben einen Sinn gab. Falsch aber war, dass sie sein Leben beherrschte. Araan Sork schickte seine Stimme in den Äther dieser Welt und hoffte darauf, dass sie ihn hören würden. Die Harmonie des Todes erschallte immer noch, so lange, bis der Gegner über ihrer Welt eintreffen würde. Absolut beeindruckend bewegte sich der Ophaler im Rhythmus seiner eigenen Töne, die den Raum fluteten, von den Wänden widerhallten, die eine vollkommene Akustik boten. Hinaus in den Weltraum, dessen Vakuum die Töne niemals hören würde, die der Ophaler erzeugte, deren Trägerwellen sie aber zu den Schiffen der Gegner sendeten.

Sie ahnten nicht, dass die aggressive Harmonie des Todes den Gegner noch mehr aufstachelte, dass Carilla mit auf dem Rücken verschränkten Armen durch die Zentrale seiner NERSONOS wandelte und Angst hatte, die sich seinen Soldaten aber nicht mitteilte. Dass der Schlächter in seinem ganz persönlichen Albtraum gefangen war, während er diesen Tönen lauschte, die ihn aggressiv machten, aber auch zurückhielten.

Er war verwirrt.

Aber das hinderte ihn sicher nicht daran, über Suingun zu kommen.

Und darauf warteten die Ophaler.

Als die vierzehn Schiffe innerhalb der Umlaufbahn des vierten Planeten materialisierten, reagierten sie dementsprechend auch nicht erschrocken. Araan Sork vollendete seinen Gesang und stimmte dann die Harmonie des Friedens an, eine Melodie, die jedem Wesen die Kraft nahm zu kämpfen und seine Gefühle in ihm weckte.

Selbst das kälteste Wesen konnte sich dieser Wirkung nicht entziehen.

Auch nicht Carilla, der für wenige Sekunden wie verzaubert in der Zentrale still stand, aber dann das Gesicht seines schlimmsten Alptraums wiedersah. Allerdings bevor der Unfall passiert war. Das ließ ihn verstummen.

Wertvolle Sekunden verstrichen, während denen sich die Schiffe im freien Fall der Welt näherten. Carilla erzitterte, während die Gefühle ihn übermannten, dann kam das Gesicht aus seinem Traum wieder zu ihm, sie umarmte ihn, küsste ihn, liebkoste ihn und ließ ihn seinen schlimmsten Alptraum in grauenhafter Intensität erleben.

Er ballte die Fäuste. »Angriff!«

*

Siom Som schrieb den Morgen des 28. Februar 1305 nach Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Irgendwo auf Suingun war es auch Morgen. Aber das interessierte niemanden in diesem Augenblick, als die Bodentruppen auf die Welt niedergingen unter der persönlichen Führung des Schlächters.

Die Harmonie des Friedens verklang mit einem Misston, den man von Araan Sork schon sehr lange nicht mehr gehört hatte. Dafür stimmte er die Harmonie des Todes wieder an, inspiriert von den Bildern, die ihn erreichten, Ophaler, die unter den Strahlschüssen und den Fausthieben und der Aggression und Gewalt der Truppen des Schlächters sterben mussten.

Der Schlächter ließ sich von der Harmonie des Friedens nicht verzaubern.

Und wieder flimmerten die Bilder über die Schirme. Bilder des Schreckens. Bilder des Todes. Passend zur Harmonie des Todes.

Kantor Throk lauerte in der Sonne, zusammen mit den Schiffen seiner Flotte. Nur vierzehn der Gegner, angeführt von der NERSONOS, waren über dem Planeten erschienen und hatten den singenden Ophalern keine Chance gegeben. Die Moralität seines Planes ging ihm kurz durch den Kopf, lies ihn einen Augenblick innehalten, erschrocken über sich selbst. Er bewegte sich wenige Schritte auf den Schirm zu, der die Schiffe zeigte, aus denen die Soldaten auf den Planeten niedergingen. Die Schiffe, die ohne weiteren Schutz über Suingun hingen. Es schien zu funktionieren. Ihre Chance war gekommen.

»Wir schnappen sie uns«, sagte Throk mit leiser Stimme.

Hoffentlich kamen sie nicht zu spät, um große Verluste unter der Bevölkerung zu verhindern. Er hätte sich das niemals verzeihen können, auch wenn ihm das vermutlich niemand angesehen hätte.

Die einhundertdreißig Einheiten kamen aus der Sonne, anfangs unbemerkt von den vierzehn Schiffen der Angreifer. Als die Strahlbahnen den Himmel über Suingun erhellten, waren die Schiffe der Angreifer aber schon bereit. Die Schirme waren hochgespannt, parierten den ersten Angriff der Verteidiger und gingen ihrerseits zum Angriff über. Die Übermacht der Einheiten von Siom Som kesselte die vierzehn Schiffe ein, mit der NERSONOS in der Mitte. Das riesige Schiff wehrte sich. Und es war gefährlich, eines der Schiffe von Siom Som nach dem anderen explodierte unter den Strahlbahnen, die von dem Schiff ausgingen.

Throk registrierte am Rande eine Nachricht, nach der sich Carilla auf der Welt Suingun befand. Er verließ mit seinem Schiff den Verband und beorderte Landeeinheiten von den anderen Schiffen auf den Planeten. Die Schlacht musste auf allen Ebenen ausgefochten werden. Und er selbst würde sich den Schlächter vornehmen. Diesmal würden sie einen Erfolg verbuchen können.

Triumphierend stürmte er aus dem Schiff und warf sich wutentbrannt auf die Angreifer, die sich nun gegen wütendes Feuer von zwei Seiten wehren mussten.

*

»Eine Falle?«, Carilla packte den Soldaten am Hals, schüttelte ihn und brach ihm beinahe das Genick, dann ließ er ihn fallen. Brüllend rannte er direkt auf eine Gruppe von Ophalern zu, die nicht einmal zu fliehen versuchten. Vier tote Wesen dieser Welt blieben hinter ihm zurück.

»Wir müssen zum Raumhafen zurück!«

Energisch trieb er seine eigenen Truppen zusammen. Die sich langsam formierenden Einheiten der Ophaler, die von starken robotischen Soldaten unterstützt wurden, wurden zurückgedrängt. Carilla rannte an vorderster Front und vertraute auf die Kraft der leuchtenden Energiesphäre, die ihn umgab. Immer wieder streiften ihn die Bahnen von Energieschüssen, die von seinem Schutzschirm nutzlos abprallten, ihren Weg in unterschiedlichen Richtungen fortsetzten, andere Schirme trafen und harmlos verpufften. Ab und zu fanden sie auch ein Ziel, auf dem sie länger verharren konnten, bis die Schirme anfingen zu flackern und schließlich zusammenbrachen und die Soldaten schreiend zurückblieben, so lange sie noch schreien konnten. Die Harmonie des Todes war schon lange verklungen, keinen Ton hörten sie mehr, die Schlacht fand in gespenstischer Stille statt, unterbrochen nur von dem Zischen der Energiebahnen. Ophaler versteckten sich, die Soldaten Siom Soms stellten sich den Angreifern in den Weg und verwickelten sie in gnadenlose Kämpfe.

Und dann stand Carilla vor Throk.

Totenstill war es geworden und dem Schlächter wurde klar, dass er beinahe alleine war. Nur wenige Soldaten hatten sich hinter ihm versammelt und gingen in Stellung. Aber Carilla war klar, dass das für den Augenblick nichts mehr nützen würde. Er schüttelte den Kopf und trat einen Schritt vor.

»Du bist der oberste Soldat dieser Sterneninsel«, stellte er fest.

Throk machte eine Geste der Zustimmung. »Und du hast mich in eine Falle gelockt.«

Wiederum folgte die Geste der Zustimmung.

»Dann stirb!«, brüllte der Schlächter und überbrückte die Entfernung zu dem Pteru.

Throk wich nicht einmal zurück, eine Tatsache, die sich als großer Fehler erwies. Die Hände des Schlächters drangen durch den Schutzschirm, der lediglich auf die Abwehr von reiner Energie gepolt war, packten den dürren Hals des Wesens und schleuderten ihn gegen die Überreste einer Hauswand. Throk ging zu Boden und rollte sich blitzschnell zur Seite, als die Faust des wütenden Carilla neben ihm in das Gemäuer schlug. Die Energieschirme erloschen und die beiden Wesen standen sich waffenlos gegenüber.

Throk packte ein Trümmerstück und schleuderte es auf Carilla, der es mit einer beiläufigen Handbewegung abwehrte. Der Pteru hielt sich nicht mit Betrachtungen auf, schleuderte ein weiteres Trümmerstück, das den Kopf des Angreifers streifte und wunderte sich, dass die anderen Soldaten sich nicht einmischten. Aber ein kontrollierender Rundblick zeigte ihm, dass er im Moment allein war. Die Soldaten in der Gefolgschaft von Carilla mischten sich nicht ein, standen lächelnd inmitten der Zerstörung und beobachteten gespannt den Zweikampf, den Kantor Throk plötzlich als ungleich empfand. Ihm wurde klar, dass er keine Chance gegen den Schlächter hatte.

Außer …

Prüfend musterte er seine Umgebung, ergriff die Eisenstange, die aus den Trümmern ragte und schlug zu. Carilla wich aus, eine Bewegung, mit der der Pteru gerechnet hatte. Die Stange prallte gegen das Gemäuer, drang in eine Ritze und wurde von dem Wesen wie ein Hebel benutzt, der das wacklige Gebilde ins Wanken brachte. Krachend prasselten die Trümmerstücke auf den Schlächter nieder, der nun wirklich nicht mehr ausweichen konnte.

Eine Gruppe von Soldaten der Verteidigung erreichte die Straße, in der sich der Zweikampf abspielte, und wurde von den Soldaten Carillas mit wütendem Abwehrfeuer empfangen. Plötzlich waren überall Kämpfe, aber die beiden kämpfenden Wesen, die immer noch auf jegliche Waffe verzichteten, wurden davon nicht behelligt. Throk kam der Kampf immer unwirklicher vor, so als wären sie gar nicht auf diesem Planeten, sie wurden von allen anderen ignoriert, die aufeinander schossen und den beiden Kämpfern dabei nicht zu nahe kamen.

Der Schlächter richtete sich auf, schüttelte die Trümmer ab. Er blutete aus einer Kopfwunde, die ihn aber kaum zu wundern schien. Die rote Flüssigkeit versickerte in seinem Haar. Drohend näherte er sich dem schwächeren Pteru, der nur noch vereinzelt Trümmerstücke schleuderte und ansonsten versuchte, aus der Reichweite seines Gegners zu kommen.

»Wir werden angegriffen«, vernahm er eine Stimme aus seinem Funkempfänger.

Er konnte sich nicht darauf konzentrieren, aber wenn er das richtig verstand, dann entwickelte sich alles nicht so, wie er es geplant hatte. Bisher war noch keine Erfolgsmeldung von der Vernichtung der NERSONOS an ihn geschickt worden, dafür aber wurden ihm beständig Verluste gemeldet. Die Gegner waren weit überlegen. Ihre letzte Hoffnung war im Schwinden begriffen. Siom Som war kaum noch zu halten und wenn sie nun auch noch diesen letzten, verzweifelten Kampf verloren, was blieb ihnen dann noch?

Verzweifelt packte Throk das Bein seines Gegners, brachte ihn aus dem Gleichgewicht, rollte sich mit ihm über den Boden, kassierte einen wütenden Tritt in den Unterleib, der ihn mehrere Meter weit zurück schleuderte. Carilla warf sich auf ihn, er tauchte unter den Armen hinweg, glitt zur Seite und trat zurück. Er traf den Schlächter nicht einmal, der kaum schneller atmete. Throk merkte immer mehr, dass er in all den Jahren zu einem Schreibtischsoldaten geworden war. Seine Fitness ließ zu wünschen übrig. Er atmete nicht nur schwer, er keuchte. Und er spürte, dass es nicht mehr lange dauern würde. Seine Abwehrbewegungen wurden immer ungenauer, schleppender, er kassierte mehr und mehr Treffer und fühlte, dass er nicht mehr lange Widerstand leisten konnte. Keiner seiner Soldaten schien zu bemerken, wie es um ihn stand, niemand kam ihm zu Hilfe.

Und dann war es vorbei.

Die Fausthiebe des Schlächters kamen nun wie Trommelfeuer. Parierte er drei Hiebe, kamen vier durch und trafen ihn an allen Stellen seines Körpers. Er spürte das Brechen seiner Knochen, ging in die Knie, hob nur noch die Arme, versuchte sich zu schützen, aber konnte es nicht mehr. Die Faustschläge fegten den letzten Rest seiner Verteidigung hinweg und streckten ihn nieder. Carilla keuchte nun doch leicht, hob einen schweren Stein hoch über den Kopf und schleuderte ihn auf den erschöpften Soldaten, der keine Abwehrbewegung mehr machte. Der riesige Stein kam immer näher und löschte sein bewusstes Denken aus …

*

Carilla wischte sich den Schweiß von der Stirn und blickte auf das Trümmerstück, das auf dem Gegner lag und deutlich machte, dass das Wesen sich wohl nicht mehr erheben würde. Er aktivierte seinen Schutzschirm wieder, verfluchte für einen Augenblick seine Unvorsichtigkeit, der er aber nicht widerstehen konnte, als er den Gegner allein erblickte und griff nach einem Strahler, den ein toter Soldat verloren hatte. Niemand war in der Nähe, die Kämpfe hatten sich in andere Straßen verlagert, das Ende seines Gegners hatte keiner außer ihm beobachtet. Höchstens Wesen, die sich in den Trümmern versteckten oder in weitgehend erhaltenen Häusern untergekrochen waren.

Allein wanderte er durch die Straßen der Stadt und erreichte schließlich den Raumhafen von Suingun, über dem ein riesenhaftes Adlerschiff schwebte. Die NERSONOS hatte es geschafft, wie Carilla befriedigt feststellte. Aber nicht allein. Über der Stadt schwebte Adlerschiffe, wesentlich mehr als die vierzehn, mit denen er die Welt erreicht hatte. Offensichtlich hatte die Flotte, die er in die Dunkelwolke geschickt hatte, mittlerweile Erfolg und war ihnen gefolgt. Die wenigen Schiffe der Verteidiger hatten letztendlich keine Chance gehabt, jedenfalls nicht mehr, als sie in der Unterzahl waren.

Und selbst mit einer Überlegenheit von beinahe sechs zu eins hätte Carilla eher auf seine kleine Streitmacht gewettet, als auf die veralteten Schiffe der Verteidigung.

Der Schlächter betrat das Schiff. Als er die Zentrale erreicht hatte, nahm er seine Position auf dem Kommandosessel wieder ein.

»Vernichtet sie«, flüsterte er gefährlich leise.

Ungerührt beobachtete er, wie die Strahlen in die Häuser einschlugen, die Wesen schreiend auf die Straße rannten, nur um dort von den überall aufzuckenden Lichtbahnen empfangen und vernichtet zu werden. Wie viele starben, war ihm letztendlich egal. Erst nach Stunden der Qual befahl er den Abflug von dieser Welt, die zerstört und voller rauchender Trümmerberge unter ihm zurückblieb.

Sein Ziel war Som.

Die Entscheidung stand unmittelbar bevor.

 

Kapitel 13 - Der Fall von Som

Vesus und sein Waffenmeister erwarteten die finale Schlacht zur Eroberung von Siom Som gelassen in der Zentrale ihres Flaggschiffes.

»Das Ultimatum ist beinahe verstrichen«, flüsterte der Waffenmeister.

Nur wenige Stunden hatten sie ihnen eingeräumt, um Som, die letzte Bastion, aufzugeben und die Kapitulation zu unterzeichnen. Sie konnten die Spannung beinahe greifen, die auf dem Planeten herrschte. Die lokalen Medien hatten allesamt ihr Programm geändert und berichteten von den Raumschiffen, die ihr System umzingelt hatten, in dem sich all die Schiffe versammelt hatten, die noch in Freiheit waren.

Viele Schiffe waren es, aber lange nicht ausreichend für die Flotte, die nun vor ihrem System stand. Zumal allen klar war, dass die Angreifer ohne Rücksicht zuschlagen würden, vernichten würden, was sich ihnen in den Weg stellte, während sie ihre Heimat verteidigten. Den Somern war durchaus klar, was auf dem Spiel stand. Das ging aus den Medienberichten eindeutig hervor.

Aber offensichtlich nicht allen, denn sonst wäre schon längst der Funkspruch eingetroffen, dass sie aufgeben würden.

Nur noch eine Stunde, dann würde Vesus den Angriff befehlen. Und der letzte Kampf um die Freiheit in Som würde beginnen.

*

Einsamkeit war Teil seines Lebens gewesen, als er noch auf der Insel, in Cartwheel, der Ratsvorsitzende gewesen war. Sruel Allok Mok stand schweigend inmitten des Raumes, den er sich ausgesucht hatte, um dem letzten Kampf zuzusehen. Die Festung war verborgen genug, vermutlich würde niemand von den Angreifern sie entdecken. Wozu auch? Nachdem Ijarkor verschwunden war, hatte man die Anlagen zum Sperrgebiet erklärt, viele von ihnen waren neu aufgebaut worden, aber gut getarnt, besucht nur von wenigen eingeweihten. Dieses Erbe wollten sie lieber verschweigen.

Sruel Allok Mok kannte die Anlagen noch aus seiner Zeit als Diplomat, damals hatte er Zugang zu allen Geheimnissen gehabt. Und nun wollte er dieses Wissen nutzen, um unter der Nase des Gegners ein Widerstandszentrum zu errichten.

Natürlich war er nicht vollkommen allein dabei, aber im Augenblick war niemand außer ihm anwesend. Die Freunde waren in den bereits besetzten Teilen der Galaxis unterwegs und knüpften erste Kontakte für die Zeit nach der Kapitulation, die auf jeden Fall kommen würde.

Es war der Morgen des 2. März 1305 NGZ.

Der Ring der Belagerung hatte sich zugezogen.

Sruel Allok Mok aktivierte die Bildschirme und verfolgte die Nachrichten, die vom beginnenden Untergang kündeten.

Es begann harmlos mit kleineren Scharmützeln im Frontgebiet. Ein Schiff, das sich zu weit vorwagte, löste Salven aus, die gegen es geschossen wurden, feuerte zurück und vernichtete einen Angreifer, wohl eher ein Zufallstreffer, aber nichtsdestotrotz eine kleine, wenn auch unbedeutende, Schwächung des Gegners.

Ein anderes Schiff wagte sich etwas zu weit auf das Gebiet der Angreifer und wurde gnadenlos vernichtet.

Ein Reporterschiff, dessen Funkanlagen ausgefallen waren, konnte dem Gegner nicht mehr klarmachen, dass es zu den zivilen Einheiten gehörte und wurde vernichtet, während der Reporter auf Sendung war. Die Einwohner Soms wurden Zeuge, kaum jemand, der nicht die Sendungen verfolgte, die vom herannahenden Untergang kündeten.

Die Somer wussten sehr gut, was die Angreifer auf anderen Planeten angerichtet hatten.

Viele sehnten den Augenblick des Angriffs herbei, als Anfang vom Ende, in der Hoffnung, dass es nicht so schlimm werden würde. Die Zivilbevölkerung wusste sehr genau, dass auf den anderen Planeten die Einwohner kaum verschont worden waren, auch wenn sie nicht zu den Soldaten gehört hatten.

Viele hatten sich versteckt, so gut es ging, in der Hoffnung, dass Som viel zu wichtig sein würde, um es vollkommen zu vernichten.

*

Und Erii-Tiin Tiin machte sich klar, dass er in diesen Minuten das Ende seiner persönlichen Regierungszeit erlebte. Was auch immer passieren würde, für ihn war es vorbei. Entweder würde er die Kapitulation unterzeichnen oder er würde getötet werden. Und wenn doch noch ein Wunder geschehen würde, würden ihn die vielen Toten der letzten Woche den Kopf kosten. Wenn es erst vorbei war, würde vielen klar werden, wie schwach er in der letzten Zeit gewesen war und das nicht nur, weil sie machtlos gegen die Stärke der Angreifer waren, sondern vor allem auch deswegen, weil er sich von Kantor Throk in eine Richtung hatte führen lassen, die für sie alle nicht gut gewesen waren.

Erst vor wenigen Stunden hatte er die Nachricht vom Tod des Soldaten erhalten, überbracht von Vesus, der sie seinerseits von Carilla erfahren hatte. Verbunden damit war das Ultimatum, innerhalb von fünf Stunden das System zu übergeben. Eine Zeit, die beinahe verstrichen war. Und erste Kämpfe in den Frontbereichen machten klar, dass die kampferprobten Truppen der Dorgonen nicht warten, keine Rücksicht nehmen würden.

Es war vorbei. Und je eher er sich das klar machte, desto besser war es für sie alle.

Sruel Allok Mok hatte Recht behalten.

Die sofortige Kapitulation wäre sicher besser gewesen, hätte vielen Menschen das Leben gerettet und ihnen lange, sinnlose Kämpfe erspart. Aus dem Verborgenen heraus hätten sie einen Widerstand errichten können, dieser Weg war ihnen nun verwehrt. Die letzte Hoffnung war der ehemalige Diplomat, der wie vom Erdboden verschwunden schien. Erii-Tiin hoffte, dass er es geschafft hatte, sich in Sicherheit zu bringen.

Und schon am Widerstand arbeitete.

Für ihn war es jedenfalls zu spät.

Er erhob sich langsam, trat zum Fenster, das einen atemberaubenden Ausblick auf die Stadt zeigte, der er Zeit seines Lebens gedient hatte, die Welt, die er zu seinem Regierungssitz erkoren hatte, zum Ratssitz, zum Zentrum dieser Galaxis.

Som lag ruhig, gespannt, voller Erwartung. Und voller Angst.

Und mit diesem letzten Blick verabschiedete er sich.

Tränen verschleierten seinen Blick, als er den Tentakel hob, er schaute nicht auf die flimmernde Mündung, die sich seinem Kopf näherte und drückte ab, mit dem Gefühl, versagt zu haben.

Bitterkeit war das letzte Gefühl seines Lebens.

 

Bedienstete, die Geräusche gehört hatten, fanden nur noch den leblosen Leichnam ihres einstigen Ratsvorsitzenden.

*

Ein erschütterter Somer wurde eilig zum Nachfolger des Ophalers bestimmt, während die Schiffe der Dorgonen in das Sonnensystem eindrangen und das Feuer eröffneten.

Vesus verspürte keine Befriedigung, als er wiederum die atemberaubende Schönheit der Feuerblumen, die flüchtige Eleganz der Explosionen auf den Schirmen erblickte. Die Schiffe waren von allen Seiten auf dem Vormarsch, vernichteten erste Schiffe, ließen die Gegner nicht entkommen und gingen rücksichtslos gegen alles vor, was sich ihnen in den Weg stellte.

Stationen, die in Meteoritenschwärmen verborgen waren, wurden ebenso rücksichtslos vernichtet, wie kleinere Monde, von denen das wütende Feuer von Abwehrgeschützen sie empfing. Und so näherte sich die Flotte langsam, unaufhaltsam, der wichtigsten Welt in diesem System.

Der wichtigsten Welt sogar in dieser Galaxis.

Som, das Zentrum, der letzte Widerstand, das wichtigste System, das nun langsam, Lichtstunde für Lichtstunde, in die Hände der Dorgonen fiel.

Wer die Schlacht beobachtete, war entsetzt über die Brutalität, mit der die Angreifer vorgingen. Aber noch hatten sie keine bewohnten Planeten erreicht, noch waren sie lediglich in den Randbezirken unterwegs. Es würde noch schlimmer kommen, wenn nicht ein Wunder geschah.

Wie gelähmt vor Entsetzen erwarteten die Somer den Untergang.

*

Sruel Allok Mok hatte Angst in seiner Bastion, vielleicht wäre er doch besser aus dem System geflohen, solange er es noch konnte. Aber er konnte es nicht, er wollte bei seinem Volk sein, wenn es seine schwerste Stunde erlebte. Besetzt, unterdrückt, das kannten sie bereits. Schließlich waren sie lange genug den Lehren vom Dritten Weg gefolgt. Hatten Ijarkor als ihren Ewigen Krieger verehrt und sich nicht gegen die Ideen der Herrscher gewehrt.

Und nun, da sie ihre Freiheit endlich erreicht hatten, fiel es ihnen schwer, sie wieder aufzugeben.

Dabei war es manchmal der bessere Weg.

Wann endlich würden die Sendungen von der Kapitulation berichten? Diesen Wahnsinn konnte auch Erii- Tiin nicht wollen, davon war Sruel Allok Mok überzeugt.

Die Schiffe kamen immer näher.

*

Vesus registrierte die leichte Hektik in der Nähe seiner Funkstation, sagte jedoch nichts. Sie würden ihn informieren, wenn er wissen musste, was passiert war. Und es dauerte auch nicht lange, da wurde ihm der Wortlaut einer Note auf den Bildschirm gelegt, die von Som eingetroffen war.

Aron Trollam Sark stellte sich als neuer Ratsvorsitzender vor, ließ seine Vollmachten bestätigen und verkündete mit ernsten Worten die Kapitulation von Som. Damit verband er die Bitte, seine Welt zu verschonen. Vesus ließ die Angriffe sofort stoppen, sehr zum Leidwesen von Carilla, der sehr gerne auch diese Welt noch mit Waffengewalt erobert hätte.

Nur eine Stunde später landete das Flaggschiff der Dorgonen auf dem Raumhafen von Som und Vesus begab sich in den Palast, in dem er bereits erwartet wurde.

Die Verhandlungen waren nur noch Formsache.

Am 6. März schließlich unterzeichnete Aron Trollam Sark die endgültige Kapitulation des Rates von Siom Som.

Die Galaxis war gefallen.

*

Sam weinte leise Tränen, als er die Kapitulation endlich begrüßen konnte. Der Krieg war zu Ende, die Zeit der Besatzung ganz am Anfang. Und er hoffte, dass sie irgendwann glücklich enden würde, so wie damals, als Ijarkor übergelaufen war und die Ideen des Dritten Weges verworfen hatte. Es gab immer Hoffnung und Hoffnung war auch genau das, was sie nun brauchten.

Aber es würde sicher lange dauern, bis die Besatzer vertrieben werden konnten.

In diesem Moment traf ein kleines, unscheinbares Raumschiff ein. Seine Freunde waren nicht untätig gewesen. Sie hatten bereits einen wertvollen Kontakt geknüpft, einen Freund aus der Galaxis der Eroberer. Torrinos und einige seiner Freunde erreichten Siom Som und boten dem Widerstand ihre Hilfe an.

Ein Grund mehr, durchzuhalten und mit der Devise »Heute leben, morgen kämpfen« den Besatzern an möglichst vielen Fronten Paroli zu bieten.

»Ihr werdet es nicht leicht haben«, flüsterte Sruel Allok Mok und zum ersten Mal seit langem huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Etwas verkrampft zwar, wenn er an all die Toten dachte, aber immerhin.

Ein Hoffnungsschimmer, nur ein klitzekleiner, aber in dieser Situation konnte es ohnehin nur besser werden.

Erleichtert breitete Sruel Allok Mok seine gefiederten Arme aus und umarmte Torrinos, der sich der Begrüßung nicht verschloss. Ernst schaute er den Somer an, der sie in den Tiefen einer vergessenen Festung begrüßte. Über geheime Transmitterstationen waren sie auf den Mond gelangt, hatten den großen Somer getroffen und setzten sich nun an den Tisch, um sich zu einer ersten Besprechung zusammenzufinden.

Sruel Allok Mok eröffnete die Unterhaltung.

»Die Situation ist schlimm genug. Ihr habt selbst gesehen, wie es in meiner Heimat aussieht. Aber ich glaube, ihr versteht sehr gut, wie wir uns im Augenblick fühlen, ihr kommt aus einer Galaxis, die schon lange unter dieser Situation leidet.«

Er machte eine kurze Pause, in der er die Bilder verfolgte, die einige der Untaten der Angreifer in aller Deutlichkeit zeigten. Niemand sagte etwas.

»Ich kann euch nur um Hilfe bitten, im Namen meines Volkes. Befreit uns von den Besatzern, helft uns dabei, ihre Schwachstellen zu finden und sie aus unserer Heimat zu vertreiben. Ich glaube fest daran, dass ihr uns helfen könnt, weil ihr den Feind viel besser kennt.«

Torrinos erhob sich und nickte. »Aus diesem Grund sind wir hier. Aber ich glaube nicht, dass wir alleine mit dieser Bedrohung fertig werden. Deswegen schlage ich vor, dass meine besten Freunde, die Goner Waldron Tragonar und Shenia Drenia, hier in der Galaxis bleiben und dir helfen. Ich selbst werde nach Terra aufbrechen, um unsere gemeinsamen Freunde, die Terraner, um Unterstützung zu bitten. Die Besatzer hier entscheidend zu schwächen, kann uns letztendlich nur helfen. Auch in unserer eigenen Heimat.«

»Ich sehe das genauso.« Saraah trat neben den ehemaligen Prettosgardisten. »Ich biete an, nach Cartwheel zu fliegen, um dort nach Unterstützung zu fragen.«

Sam blickte die beiden dankbar an. »Unsere besten Wünsche begleiten euch.«

Schweigen kehrte ein, wortlos verließen die beiden Dorgonen den Raum. Zurück blieben nur die Goner. Und ein verzweifelter Somer, der die Niederlage seines Volkes machtlos beobachten musste.

Trotzdem war alles besser, als der Status Quo.

Und immerhin hatte er noch seine Hoffnung.

 

 

ENDE

Siom-Som ist gefallen. Die dorgonische Invasion war ein voller Erfolg. Die Völker in den estartischen Galaxien sind machtlos gegen die gigantische Flotte unter dem Kommando von Vesus. Und doch gibt es Hoffnung. Torrinos und Saraah wollen Hilfe holen. Mehr darüber schildert Michael Berg in Heft 67. Der Roman trägt den Titel Der Flug der IVANHOE II.

 

 

 

 

Kommentar

Siom Som wurde von dem Kaiserreich Dorgon überfallen. Die Dorgonen greifen nach der Mächtigkeitsballung der Superintelligenz ESTARTU und gehen rücksichtslos bei der Eroberung vor.

Die Estarten – Somer, Elfahder, Pterus, Ophaler und viele andere – hatten der geballten, gut ausgerüsteten Streitmacht der Dorgonen nichts entgegen zu setzen. Für die Dorgonen ist das eine Revanche, nachdem die Estarten halfen, Kaiser Nersonos 1293 NGZ zu stürzen.

12 Jahre später soll nun das Banner des Domadlers über Siom Som gehisst werden.

Die dorgonische Haltung ist nicht unbedingt verwunderlich. Nachdem es Commanus gelang, Uleman und seine republikanischen Anhänger auszuschalten, war der Traum eines gerechten Imperiums vorbei. Viel zu brüchig war das Fundament von Uleman. Dessen Regentschaft von 1293 bis 1299 NGZ war einfach zu kurz, um die Struktur von Jahrtausenden zu brechen. Die Einschnitte für die einzelnen Dorgonen waren zu groß. Der Verzicht zu groß. Nur der Rückhalt der Idealisten und befreiten Völker reichte nicht aus, um Decrusian so sehr zu stärken, als dass er Commanus, Carilla und Falcus hätte gefährlich werden können.

Spannend wird es, wenn man auf die Reaktionen aus Cartwheel und der Lokalen Gruppe wartet. Werden Perry Rhodan und Aurec untätig zusehen, wie Siom Som und die anderen Galaxien der Mächtigkeitsballung von ESTARTU von Dorgon erobert werden?

Nils Hirseland

 

 

 

GLOSSAR

Som

Zweiter von insgesamt sechs Planeten der Sonne Siom in der Galaxis Siom Som; Som ist die Heimatwelt der Somer und weist als Besonderheit bzw. »Wunder von ESTARTU« das Königstor auf (siehe Heraldische Tore).

Der Äquatordurchmesser Soms beträgt 14.370 km, die Schwerkraft 1,1 g. Durch von Allus (erster Planet) über das Königstor nach Som geleitetes und durch ein ausgeklügeltes System mittels Antigravitation, Vakuum und Überdruck zu Wohneinheiten geformtes Magma entstand bereits vor Jahrtausenden eine wie gewachsen wirkende, schier endlose Wohnlandschaft mit Dschungeln und Parks darin. Außerdem sind in die erstarrte Magma-Landschaft die Heldenfriedhöfe der Somer integriert.

Som ist im Jahr 430 NGZ eine Veteranenwelt. Während die jungen Somer im Weltraum ihre Abenteuer und Kämpfe suchen, verbringen auf der Ursprungswelt die verdienten ehemaligen Soldaten, Kodexberater, Kodexwahrer usw. ihren Lebensabend. Massenbegräbnisse prägen den Alltag. Die beiden Monde Soms heißen Culio und Ijarkor (nach dem Ewigen Krieger der Galaxis Siom Som). Culio ist von Som 310.000 km entfernt, hat 1990 km Äquatordurchmesser und eine künstliche Schwerkraft und Atmosphäre. Der gesamte Mond ist zu einer Vergnügungsstätte ausgebaut, einem Jahrmarkt des Ewigen Kriegers. Ijarkor ist 390.000 km von Som entfernt, durchmisst 3033 km und hat ebenfalls künstliche Schwerkraft und Atmosphäre. Der Mond ist der Sitz des Ewigen Kriegers, der Palast Ijarkors eine kleinere Ausgabe des Königstores.

Der Mond ist zugleich auch Sammelplatz für den Tross des Kriegers, mitunter auch Stätte für Simulations-Manöver (holografische Computermanöver) im Sinne des permanenten Konflikts.

 

Ophaler

Die Ophaler sind die Bewohner des Planeten Mardakaan in der Galaxie Siom Som.

Erscheinungsbild

Die Ophaler sind 100 cm bis 150 cm groß und haben einen tonnenförmigen Torso mit dicken, kurzen Beinen. Dem Rumpf entspringen insgesamt sechs Tentakel, an deren Enden sensible Fühlerbüschel sitzen. Ihr Hals kann bis zu einer Länge von bis zu 80 cm Länge ausgefahren werden. Ihr Kopf hat die Form eines Eis, die Sinnesorgane bedecken diesen Kopf in Form verschiedenfarbiger Trauben. Der Mund ist ein lippenloser Schlitz. Die Haut der Ophaler ist rot und knorrig. Als Sprache benutzen die Ophaler Musik. Diese Töne werden mit Hilfe zahlreicher Membranen erzeugt, die in einem dicken Knorpelwulst am Übergang des Halses in den Rumpf sitzen.

Mehr in der Perrypedia: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Ophaler

 

Gavvron

Die Gavvron sind die intelligenten Bewohner des Planeten Gavvr, gelegen in der Galaxie Siom Som.

Erscheinungsbild

Bei den Gavvron handelt es sich um Wesen mit humanoidem Körperbau. Vom Aussehen und Proportionen ähneln sie Terranern, wobei sie etwas kleiner sind. Auffallend in ihrem Gesicht sind die stark hervortretenden Augenbrauen, die praktisch eine zweite Stirnpartie bilden und ihnen einen finsteren und drohenden Ausdruck verleihen. Die Nase ist flach und breit und auch der Mund ist breit. Er vermittelt durch die dünnen leicht bläulichen Lippen den Eindruck, als würde der Gavvron andauernd lächeln.

Gavvron sind haarlos. Vom Erscheinungsbild der Gavvron abgeleitet ist der Begriff gavvroide.

Mehr in der Perrypedia: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Gavvron

 

Pailliaren

Die Pailliaren sind ein Volk insektoider Wesen, die von der Welt Pailliar in Siom Som stammen.

Erscheinungsbild

Pailliaren sind eine insektoide Spezies, die eine durchschnittliche Körpergröße von anderthalb bis zwei Metern erreicht. Ihre Außenhaut besteht aus Chitin von lederartiger Konsistenz. Die Färbung des Chitins ist meist in Grün- seltener in Brauntönen gehalten. Der Kopf sitzt beinahe halslos auf dem Oberkörper auf und ist wenig beweglich. Zwei faustgroße Facettenaugen liegen seitlich am Kopf und ermöglichen so ein weites Sehfeld. Anstatt von Fingern besitzen Pailliaren drei Paare von Scheren.

Nach eigener Aussage sind Pailliaren zweigeschlechtlich mit weiblichem und männlichem Habitus.

Mehr in der Perrypedia: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Pailliaren


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 67, veröffentlicht am 08.04.2016

Titelillustration: Heiko PoppInnenillustrationen: Heiko Popp

Lektorat: Jürgen FreierDigitale Formate: Christina Hacker