Band 53

Osiris-Zyklus

 

VETRA

Die IVANHOE trifft auf Komplikationen in Andromeda

 

Leo Fegerl

 

Was bisher geschah

Es ist Herbst 1298 NGZ. In Cartwheel formt sich im Geheimen eine Allianz des Schreckens. Sie wird als »Bund der Vier« bezeichnet und agiert im Sinne der Entität MODROR.

In der Milchstraße hingegen ist das Erwachen von Osiris in den Mittelpunkt des Interesses geraten. Die Terraner werden mit einem uralten Geheimnis ihrer eigenen Geschichte konfrontiert.

Abseits davon stattet das Raumschiff IVANHOE der Galaxie Andromeda einen Besuch ab, um mit den Völkern über Cartwheel zu sprechen. Doch dabei trifft die IVANHOE auf das Geisteswesen VETRA …

Hauptpersonen

Xavier Jeamour – Der Kommandant der IVANHOE begegnet einer Unbekannten.

Göllers Martijin – Ein Oxtorner kämpft um sein Schwert.

Akus Lof – Ein Rasuk in Nöten.

Mathew Wallace – Der Schotte erlebt zu viele gefährliche Abenteuer in kürzester Zeit.

Silja Firta – Eine geheimnisvolle junge Frau mit eigenartigen Aussagen.

VETRA – Eine als Göttin verehrte Super­intelligenz, die sich gegen RITALOUS wehrt.

RITALOUS – Eine spinnenartige Superintelligenz, die Völker sammelt und im Auftrag der Kosmokraten unterwegs ist.

 

 

 

 

Zwei Männer im Kampf und der Posbi

Der Schlag kam sehr schnell und überraschend. Irwan Dove wurde mit voller Wucht von der Faust des Gegners auf seinen Brustkorb getroffen. Die Rippen eines normalen Terraners wären nach diesem Schlag sofort gebrochen gewesen. Aber nicht die von Irwan Dove. Während er nach hinten fiel und mit dem Rücken krachend aufschlug, blieb ihm kurz die Luft weg. Als Oxtorner konnte er viel mehr vertragen als ein normaler Mensch.

Irwan fluchte still vor sich hin, rollte sich nach hinten ab und stand auf. In diesem Moment schwor er sich, nie wieder einen Gegner zu unterschätzen und wenn er auch noch so ungefährlich aussah. Da war auch schon Göllers vor ihm und versuchte mit einer Schlagkombination Doves Deckung zu durchbrechen. Dieses Mal war aber Dove schneller. Er schaffte es, Göllers rechten Unterarm zu ergreifen und an sich heranzuziehen, so dass der Gegner sein gesamtes Gewicht auf seinen rechten Fuß verlagern musste. Genau dieses Bein war das Ziel von Doves linkem Bein, das genau auf Göllers Knie-Innenseiten zuraste. Martijin wurde durch die Wucht des Trittes umgerissen. Noch während des Sturzes ließ sich Dove mit lautem Kampfschrei auf Göllers fallen. Ein lauter Aufschlag war die Folge. Während Göllers sich noch vom Aufprall erholte, nutzte Dove die kurze Zeit, die ihm blieb, und setzte beim Gegner eine Dagor-Technik an.

Da spürte Dove mit einem Mal einen Ruck durch Göllers Körper gehen. Danach ging alles so schnell, dass Dove später nicht mehr sagen konnte, wie es Göllers genau geschafft hatte seiner perfekten Technik zu entkommen.

Am Ende saßen sich die beiden Oxtorner keuchend gegenüber. »Wie«, fragte Dove Luft schnappend, »wie hast du das geschafft?«

Göllers sah auf.

»Es gab, als die Menschheit noch dachte sie wären die einzigen im Weltall, eine schon damals sehr alte Kampfsportart namens Jiu-Jitsu. Bei dieser Kampfart gab es unter anderen auch diese Festhaltetechnik, die du angewandt hast. Zusätzlich gab es auch eine Gegentechnik, um daraus zu entkommen. Du siehst, auch die Menschen damals kannten schon Arten sich zu verteidigen.«

Lorif, der die ganze Zeit des Kampfes in der Ecke der Sporthalle gestanden hatte, meldete sich zu Wort. »Leutnant Martijin Göllers?«

»Ja, Lorif?«

»Ich finde das hier sehr interessant. Besonders den Bezug zur Vergangenheit der Menschen und ihre angewandten Sporttechniken. Ich würde gerne eine Studie über frühere Kampftechniken und heutige Techniken durchführen und wie sehr sie sich im Laufe der Jahre verändert haben. Außerdem würde ich gern …«

»Lorif! Hol mal Luft!«, unterbrach Dove ihn.

Der Posbi verstummte kurz und fragte dann: »Aus welchem Grund sollte ich das tun, Major?«

Stille. Dann lachten Göllers und Dove laut los. Lorif starrte die beiden teilnahmslos an und wartete ab. Nachdem die beiden Männer sich beruhigt hatten, erklärte Martijin: »Lorif! Major Dove meinte damit, dass du nicht um den heißen Brei reden sollst.«

»Um welchen heißen Brei handelt es sich, um den ich nicht reden soll? Bitte erklären Sie mir das!«

Dove schüttelte den Kopf. »Lorif, du bist unverbesserlich. Also, du sollst in kurzen Worten sagen, was du von Leutnant Martijin Göllers willst. Hast du das verstanden?«

»Warum sagen Sie das nicht gleich, Major? Doch ich weiß immer noch nicht, was das mit einem Brei zu tun hat.«

»Lorif! Jetzt reicht es. Sage uns bitte, was du willst!«, fuhr Irwan Dove den Posbi an.

»Ich wollte nur wissen, ob Leutnant Göllers Unterlagen über Kampfsportarten aus der präraumfahrenden Zeit besitzt!«, erwiderte dieser, nicht im geringsten eingeschüchtert.

»Aber natürlich habe ich die. Ich bin auch bereit, sie dir für deine Studie zu leihen.«

»Vielen Dank, Mister Göllers!«

Martijin stand auf und meinte: »Du bist ein sehr guter Kämpfer, Major! Ich würde mich freuen mal einen Landeinsatz mit dir zu unternehmen.«

Auch Dove erhob sich und reichte Göllers eine Hand, während er mit der anderen auf dessen Schulter klopfte. »Ganz meinerseits. Wenn ich den nächsten Landeinsatz unternehme, verspreche ich dir, dich mitzunehmen, Leutnant.«

 

Das Mädchen

Xavier erhob sich vom Kommandosessel und streckte sich. »Wie lange noch bis zum Wiedereintritt?«, fragte er.

»Noch knapp vier Stunden, bis wir das unbekannte Sonnensystem erreichen, Sir!« antwortete James Fraces, der stellvertretende Kommandant.

Sie hatten vor zwei Tagen eine alte, antriebslose Sonde gefunden und diese an Bord geholt. Lorif hatte es geschafft, trotz des beschädigten Computerkerns einige Informationen aus der Sonde zu holen. Dank dieser Daten erfuhren die Terraner, dass die Sonde vor Jahrhunderten von einem unbekannten Sonnensystem ausgeschickt wurde, um nach einem Signal zu suchen, das den Terranern nichts sagte.

Es war eine willkommene Abwechslung für die Besatzung. Die Verhandlungen mit den Administrationen der Tefroder und Maahks waren langweilig gewesen. Es war dabei um Verträge, Handelsbeziehungen und Autonomie gegangen. Die Tefroder hatten einen Kurswechsel eingeschlagen und wollten nun plötzlich nicht mehr ihrer Kolonie in Cartwheel Autonomie gewähren. Die Maahks wandten ein, dass sie dann auch ihren Einfluss in Cartwheel nicht verlieren wollten. Schließlich würden sich beide wohl doch auf die Einhaltung einigen, doch bis dahin würde es wohl noch zähe Verhandlungen geben, an denen die IVANHOE nicht mehr beteiligt sein würde. Sie wollten in wenigen Tagen zum Sternenportal aufbrechen, denn es wartete eine Verabredung in Dorgon auf sie. Leider war es Jeamour und der IVANHOE daher nicht möglich, zur Milchstraße zu fliegen.

Sie hatten Timo Zoltan in seinen Jahresurlaub geschickt. Der Gute würde sich vermutlich eine ruhige Zeit auf Terra machen. Was wohl aus Jenny Taylor geworden war? Sie war mit der NIMH seit Monaten in Seshonaar unterwegs. Naja, wenigstens der Bordärztin der IVANHOE war ein Abenteuer vergönnt. Aber vielleicht bot die Sonde ja etwas interessantes.

Aber noch war etwas Zeit bis zu dem ersehnten Augenblick.

»Na dann hab ich ja noch etwas Zeit, mich mal wieder im Schiff umzusehen und mich unters Volk zu mischen. Fraces!«

»Ja, Sir?«

»Übernehmen Sie inzwischen.«

»Ja, Kommandant.«

Xavier machte sich auf und verließ die Kommandobrücke. Nachdem er sich in seiner Kabine Freizeitkleidung angezogen und einen Antigravlift benutzt hatte, fiel ihm, als er in die Kantine abbiegen wollte, ein junges, weißhaariges Mädchen auf, das gerade um die Ecke kam, ihn anlächelte und an ihm vorbeiging. Jeamour blieb stehen und sah ihr nach, bis sie im Antigrav verschwand. Er kannte das Crewmitglied nicht.

Der Gedanke an einen blinden Passagier ließ ihn schmunzeln. Wenn er auch an vieles glaubte, an das sicher nicht. Also machte Xavier sich auf den Weg, hinter dem Mädchen her. Er hatte gesehen, dass sie nach unten geschwebt war. Eine Ebene tiefer stieg er aus und sah sich um. Nirgends konnte er sie erblicken. Aber noch gab er nicht auf und ließ sich eine Ebene tiefer tragen. Er erblickte sie sofort zwischen anderen Besatzungsmitgliedern. Der schneeweiße Haarschopf war zwischen den anderen Terranern wie eine Leuchtsignal.

Das Mädchen betrat gerade einen Aufenthaltsraum. Xavier ließ sich Zeit, ihr zu folgen. Aus diesem Raum gab es nur diesen einen Ausgang. Sie konnte ihm nicht mehr entkommen. Die Menschen grüßten ihn höflich im Vorbeigehen. Xavier grüßte zurück. Vor dem Türschott des Aufenthaltsraumes blieb er noch einmal stehen.

Als er dann den Raum betrat, sah er das Mädchen abseits von den anderen an einem Tisch sitzen und nachdenklich einen Drink schlürfen, während sie ein Schachbrett betrachtete, das vor ihr lag. Xavier bestellte sich einen Pfefferminztee und ging auf sie zu.

»Entschuldigung. Ist hier noch ein Platz frei?«

Sie sah auf und während sie Jeamour anlächelte, funkelten ihre dunkelgrünen Augen. Xavier schätze sie auf etwa zwanzig Jahre. »Aber sicherlich! Nimm ruhig Platz.«

Xavier bedankte und setzte sich. Das Mädchen sah wieder gedankenverloren auf das Schachspiel.

»Und wie war Ihr Tag heute?«, hinterfragte er freundlich.

»Oh, nicht schlecht. Hatte viel zu tun. Was ist denn dein Job hier auf der IVANHOE?«

»Ich heiße Haktu Molk und mein Job hier ist Techniker«, log er. »Und was ist Ihre Aufgabe?«

»Mein Name ist Silja Firta. Ich bin Major und in geheimer Mission im Auftrag des Kommandanten unterwegs. Aber sage es bitte keinem weiter. Ja?«, flüsterte sie ihm leise zu.

Xavier fiel die Teetasse beinahe aus der Hand, als er das vernahm.

»Sie sind was?«, rief er lauter, als er es vorgehabt hatte.

Silja zischte: »Leise. Willst du, dass die anderen das erfahren? Sicher nicht. Wenn du es verrätst, dann wird der Kommandant dich zur Rechenschaft ziehen.«

So langsam begann Jeamour an dem Geisteszustand von dieser Silja zu zweifeln. Sie musste einfach nur verrückt sein. Welcher Geheimagent würde einem fremden Techniker seine Identität enthüllen? Zumal sie sehr offensichtlich log, da er als Kommandant keine Agenten hier an Bord hatte. Dennoch beschloss er das Spiel weiterzuspielen.

»Oh«, flüsterte Xavier. »Entschuldigen Sie. Natürlich will ich mich nicht mit dem Kommandanten anlegen.«

»Gut. Ist auch besser so. Dieser Xavier ist ein Tyrann, auch wenn man hier anders über ihn spricht. Glaub mir, er ist ein Psychopath und er betet einen Götzen an«, teilte Silja ihm mit.

»Wirklich?«, fragte er verblüfft. »Woher wissen Sie denn das?«

Das Mädchen lachte. »Ich war schon mal in seiner Kabine. Dort stehen lauter schwarze Kerzen und an die Wände sind satanischen Formeln in roter Farbe gemalt. Die Farbe besteht sicher aus dem Blut eines unglücklichen Eingeborenen eines Planeten, der gerade zur falschen Zeit am falschen Ort war.«

Jetzt war sich Jeamour sicher, dass sie nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte. »Das glaube ich Ihnen aber jetzt nicht. Soweit ich weiß, ist der Kommandant ein gerechter und gottgläubiger Mann.«

»Ja, das glauben alle. Aber wenn du es nicht glaubst, nehme ich dich mal mit zu seiner Kabine, wenn er nicht da ist. Natürlich nur, wenn du dich traust. Denke aber daran, dass wir geliefert sind, wenn uns wer erwischt. Sie werden uns dann sicher im Weltall aussetzen. Ohne Raumanzüge. Riskierst du das?«

Xavier tat, als würde er zögern, doch dann antwortete er: »Na ja, ich bin normal nicht so ein mutiger Mann, sondern nur ein gewöhnlicher Techniker. Aber einverstanden. Ich komme mit. Wann gehen wir hin, Silja?«

Silja überlegte kurz. Dann stand sie auf beugte sich über den Tisch und küsste ihn auf die Wange. »Ich sag dir Bescheid wann, okay? Mein tapferer Held.«

Sie setzte sich wieder und fragte fröhlich: »Spielen wir ein Spiel?«

Jeamour überlegte kurz, dann nickte er.

»Können Sie Schach?«

In diesem Moment ging eine Erschütterung durch das ganze Schiff. Xavier hielt sich geistesgegenwärtig am Tisch fest. Die Schachfiguren fielen runter. Silja sah ihn verwirrt an, als ob er wüsste, was gerade geschah. So schnell wie das Beben kam, so schnell war es auch wieder vorüber.

»Verdammt, was war das denn?«, rief einer der Kantinenbesucher. Da erklang auch schon die freundliche Stimme EINSTEINs, des Bordsyntrons der IVANHOE: »Kommandant Xavier Jeamour möge bitte schnellst möglich auf die Kommandobrücke kommen. Die Besatzung wird gebeten Ruhe zu bewahren und sich auf den jeweiligen zugeteilten Stationen zu melden.«

Xavier erhob sich. »Entschuldigen Sie, aber ich muss zur… zu meiner Technikerabteilung.«

Raumschiff GRASSEL

Oham Huttro konnte zufrieden sein. Das Schiff, die GRASSEL, war mit den modernsten Waffen ausgerüstet worden, die Besatzung war perfekt aufeinander eingespielt und er hatte endlich die entflohenen Rebellen der Gbrul aufgespürt.

Er war nicht zufrieden.

Seine Auftraggeber erwarteten Perfektion von ihm und er hätte die Rebellen schon längst aufspürt und deren Bestrafung, einem Todesurteil gleichbedeutend, ausgeführt haben sollen.

Aber jetzt hatte er sie gefunden. Sie konnten nicht mehr entkommen. Die Rebellen befanden sich zwar gerade in einem der großen Kriegsschiffe aus dem Volk der Rasuks, aber mit seinem Schiff, der GRASSEL, hatte er ein Schiff, das der Technik der kugelförmigen Rasuks überlegen war. Das Hyperraumblockiersystem, ein Prototyp, leistete perfekt das, was es leisten sollte. Das gegnerische Schiff konnte nicht in den Hyperraum überwechseln und somit nicht mehr entkommen. Die Rebellen mussten sich also dem unvermeidlichen Kampf stellen oder gleich untergehen. Oham hoffte, dass sie sich wehren würden. Er hatte schon lange keinen ernstzunehmenden Gegner mehr gehabt.

Auf der IVANHOE

»Bericht?«, rief Xavier, während er in die Kommandozentrale stürmte.

»Sir!«, meldete James Fraces, der gerade von einem Schaltpult hochblickte. »Wir wurden aus uns unbekannten Gründen aus dem Hyperraum gerissen. EINSTEIN meldet keine Fehlfunktion. Also kann es nur eine Außeneinwirkung gewesen sein. Wir stehen hier vor einem Rätsel.«

Jeamour setzte sich auf seinen Kommandosessel. »Was sagt die Ortung?«

Jetzt meldete sich Lorif zu Wort, der kurz vor dem Kommandanten auf der Kommandobrücke angekommen war. »Ich orte in vier Lichtminuten Entfernung einen Kampf zweier unterschiedlicher Raumschiffe.«

Xavier zog eine Augenbraue hoch. »Können Sie mir etwas Genaueres darüber sagen, Lorif?«

Der Posbi antwortete, nachdem er sich mit EINSTEIN nicht einmal eine Sekunde lang über Funk unterhalten hatte. »Ich denke, dass die beiden Raumschiffe schuld daran sind, dass wir unseren Hyperraumflug nicht fortsetzen können. Laut meinen Instrumenten und EINSTEIN zufolge ist das etwas kleinere Schiff Ausgangspunkt einer Strahlung, die eine Reichweite von vier Lichtminuten hat und den Flug im Hyperraum verhindert.«

»Dann«, meinte Jeamour, »bleibt uns nichts anderes über, als dort vorbeizuschauen.«

Raumschiff GRASSEL

Oham war in seinem Element. Gedanklich bedankte er sich bei den Rebellen. Diese hatten sich nicht ergeben, als Oham sie dazu aufgefordert hatte. Stattdessen hatten sie, als sie merkten, dass sie nicht in den Hyperraum entfliehen konnten, sofort das Feuer auf die kleinere GRASSEL eröffnet.

Der Kommandant des größeren Raumschiffes namens FORLOT war nach Ohams Geschmack. Er führte mit der FORLOT erstklassige Manöver gegen die GRASSEL. Doch das konnte die Rasuk auch nicht retten. Die GRASSEL war der FORLOT technologisch überlegen.

Nicht mehr lange und … seine Gedanken wurden unterbrochen, als ein Offizier sich meldete.

»Herr! Wir orten ein unbekanntes, kugelförmiges Raumschiff, das sich uns mit Lichtgeschwindigkeit nähert.«

»Funken sie das Schiff an und erklären sie denen, dass wir im Auftrag der edlen Gbrul eine Bestrafungsaktion durchführen. Wenn sie keine Probleme haben wollen, dann sollen sie sich da raushalten.«

»Ja, Herr!«, meldete der Offizier.

Oham konzentrierte sich wieder auf die FORLOT und beschloss ein letztes Mal zu der Besatzung dieses Schiffes zu sprechen.

»An den Kommandanten der FORLOT! Sie haben Rebellen und Verrätern der Gbrul zur Flucht verholfen. Das bedeutet, dass auch Sie ein Verräter sind. Die Strafe lautet Auslöschung. In Namen der edlen Gbrul, die mir die Vollmacht als Richter übergaben, ordne ich, Oham Huttro aus dem Volk der Gbrul an, dass die FORLOT nach Ablauf von zehn Minuten zerstört wird. Hat die FORLOT noch letzte Worte? Dann möge man jetzt sprechen. Wenn nicht, auch gut!«

*

Das Hologramm eines großen, kräftigen, grau aussehenden Echsenwesens erlosch. Kurz vor der Funknachricht war der Schild des größeren Schiffes zusammengebrochen und das kleinere hatte den Beschuss eingestellt. Jeamour befand sich in einem Gewissenskonflikt. Durfte er sich in diesen Konflikt einmischen? Hatte die IVANHOE das Recht dazu?

Andererseits konnte er als Terraner nicht einfach so zusehen, wie das Schicksal seinen Lauf nahm. Lorif hatte ihm berichtet, dass anhand der Auswertungen EINSTEINs die IVANHOE im Gefecht mit dem Schiff des Gbruls Oham Huttro ebenbürtig sei.

Wieder baute sich ein Holo auf, aber anstatt Oham erschien ein kugelförmiges, stark behaartes Wesen, dessen Füße nicht erkennbar waren. Das Wesen hatte einen Durchmesser von etwa fünfzig Zentimetern, zwei lange, schlanke Arme und schien in der Luft zu schweben.

»Mein Name ist Akus Lof. Ich bin der Kommandant der FORLOT. Ja, ich habe die Faltusers auf mein Schiff aufgenommen. Oham Huttro, können Sie es mit Ihrem Gewissen verantworten, dass Sie, wenn Sie uns vernichten, damit die Rasse der Faltusers ausrotten?«

Ohams Holo erschien zusätzlich neben Akus.

»Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass sich das letzte Faltuser Weibchen bei Ihnen an Bord befindet. Sie hat es sich selbst zuzuschreiben. Als sie einen der edlen Gbrul beleidigte und sich weigerte, sich zu entschuldigen, hat sie damit sich selbst zum Tode verurteilt.«

Akus gab niedergeschlagen auf. »Da ich merke, dass Sie nicht zu überzeugen sind und wir keine andere Wahl haben, werden wir uns der Verurteilung fügen. Bitte erlaubt uns, die Strafe an uns selbst durchzuführen.«

Huttro lachte laut auf: »Aber bitte sehr. Wenn ihr wollt, sprengt euch selbst in die Luft. Spare ich mir wenigstens die Munition. Diesen Wunsch gewähre ich euch. Aber nach Ablauf von zehn Minuten wird mein Schiff, die GRASSEL, das Feuer eröffnen.«

Akus Lofs Augen zeigten Trauer und Hoffnungslosigkeit.

»Bitte gewährt uns fünfzehn Minuten. Wir wollen uns geistig darauf vorbereiten.«

*

Nach diesem Gespräch hatte Jeamour sich entschieden. Er konnte nicht einfach nur hier stehen und teilnahmslos zusehen, wie die FORLOT sich selbst richtete. Gerade wollte er die GRASSEL anfunken und versuchen Oham davon abzubringen die FORLOT zu zerstören, als Lorif sich meldete.

»Soeben empfing die IVANHOE eine Funkbotschaft von der FORLOT, die an unsere Position geschickt wurde. Meinen Berechnungen zufolge hat die GRASSEL die Botschaft nicht empfangen.«

»Na dann«, murmelte Xavier erstaunt, »Was sagt die Botschaft aus?«

Ein Offizier überreichte Xavier die Übersetzung.

An die Besatzung des kugelförmigen Raumschiffs. Ich, Akus Lof, Kommandant der FORLOT, möchte Ihnen ein Geschäft unterbreiten und hoffe, dass ich bei Ihnen nicht auf taube Ohren stoße.

Sie werden sicher das Gespräch mit Huttro und mir mitverfolgt haben. Daher wissen Sie auch, dass die FORLOT keine Chance mehr hat zu entkommen. Die FORLOT wird, kurz bevor sie explodiert, versuchen eine hoffentlich nicht ortbare Transmitterverbindung zu Ihnen herzustellen. Wir werden versuchen die Faltusers und so viele Leute wie möglich zu retten. Wenn Sie uns helfen, werde ich Sie reichlich belohnen. Ich bin nicht gerade ein armer Mann, sondern habe ein recht ansehnliches Vermögen. Als Zeichen des Einverständnisses nehmen Sie bitte offiziell Kontakt mit Huttro auf und lenken ihn bitte ab.

Unser Leben liegt in Ihrer Hand.

Akus Lof – Kommandant der FORLOT

*

Jeamour sah nachdenklich in die Gesichter der Besatzung, die ihn alle erwartungsvoll ansahen. Dann verschwand der nachdenkliche Ausdruck und er lächelte. »Männer! Und natürlich auch Frauen. Ich habe mich entschlossen, der FORLOT zu helfen. Vielleicht erfahren wir von ihnen mehr über die Gbrul und ihre Rolle in diesem Sektor von Andromeda. Also folgender Plan …«

 

Selig die, die glauben, ohne zu sehen

Huttro betrachtete neugierig die Ortungsergebnisse des kugelförmigen Raumschiffes. Es hatte sich seit seiner Ankunft zwar ruhig verhalten und nicht eingegriffen. Trotz allem hatte er das Gefühl, als ob Gefahr von diesem Schiff ausginge. In diesen Moment nahm das unbekannte Raumschiff Kontakt zur GRASSEL auf. Oham hörte nur die Akustik. Auf ein Hologramm verzichtete der andere.

»Lorif, was wissen wir über die Gbrul?«

»Sie gelten als eine recht junge Raumfahrernation. Sie leben zurückgezogen in Gebieten, in denen es keine Kolonien der Tefroder oder Maahks gibt.«

Das war Jeamour nur recht. Er wollte keinen Konflikt mit einer der beiden beherrschenden Spezies anfangen. So wandte er sich an die Gbrul.

»Hier spricht Xavier Jeamour, Kommandant des Schiffes, das Sie vor sich sehen. Wir sind hier auf Befehl der edlen Terraner, in einer wichtigen Forschungsmission. Diese Region, in der Sie, Oham Huttro, treuer Diener der edlen Gbrul, sich befinden, wurde vor kurzem zum Sperrgebiet erklärt. Ab sofort sind alle Kampfhandlungen einzustellen und das Gebiet im Umkreis von 20 Lichtjahren zu verlassen. Um die FORLOT und dessen Besatzung werden wir uns kümmern und sie den Gbrul übergeben. Ich wiederhole: Alle Kampfhandlungen sind ab sofort einzustellen! Der Grund dafür hat Sie nicht zu interessieren. Wenn Ihr Schiff ab jetzt auch nur einen Schuss abgibt, gefährden Sie jahrelange Forschungen. Sie werden dann automatisch als Verräter der edlen Terraner angesehen und vernichtet.«

*

Fünf TARA-V-UH Kampfroboter und 50 Soldaten bewachten den Transmittervorgang. Lorif justierte die Transmitter der IVANHOE neu, damit sie mit denen der FORLOT kompatibel waren.

Xavier hatte eine Lagerhalle gewählt, die leer stand. Dort sollten die Rebellen von der FORLOT untergebracht werden, bis man wusste, was mit ihnen geschehen sollte.

Irwan Dove überwachte alles mit wachsamen Augen. Die Hälfte der Kugelwesen, die sich nur mit Antigravgeräten zu bewegen schienen, war schon angekommen und befand sich in der hinteren Hälfte der Halle. Seine Männer hatten alle Hände voll zu tun, um die umherschwebenden, aufgeregten Rasuks zu beruhigen und sie zu überzeugen in der hinteren Hallenhälfte zu bleiben.

Akus, der Kommandant der FORLOT, raste um ihn herum, während er Dankesreden sprach. »Wir, die Rasuks, sind Ihnen zu unbezahlbarem Dank verpflichtet. Wenn ich auf meiner Heimatwelt ankomme, werde ich Euren Kommandanten fürstlich belohnen.«

»Also wenn ich ehrlich bin«, brummte Irwan, ohne ein Auge vom Transmitter zu lassen – war da nicht gerade eine kleine Unregelmäßigkeit an den Kontrolllichtern des Transmitters? Aber die Sicherheitsanlagen reagierten nicht –, »wären uns Informationen Belohnung genug.«

 

Der Eindringling

Marlok Mul erreichte, ohne beachtet zu werden, den Gang vor der Halle. Besser gesagt, ohne gesehen zu werden. Die Sicherheitsanlagen des unbekannten Schiffes hatten nicht reagiert, als er durch den Transmitter im Schutze des Deflektors ankam. Die GRASSEL hatte eine Transmitterverbindung zwischen diesem Schiff und der FORLOT gemessen. Huttro hatte daraufhin die Rasuk-Technik ausgetrickst und eine Verbindung zu deren Transmitter hergestellt. Dann wurde Marlok mittels eigenem Transmitter zur FORLOT geschickt und dort sogleich weitergeleitet auf das kugelförmige Schiff.

Dessen Bewohner waren den Tefrodern vom Aussehen her nicht unähnlich, aber die Technik die sie benutzten, war unbekannt. Muls Auftrag war das Schiff zu sabotieren, wenn er Beweise fand, dass diese Unbekannten der FORLOT in irgendeiner Weise halfen. Beweise fand er genug. Die halbe Halle war voller Rasuks gewesen, die aufgeregt quatschend in alle Richtungen herumschwebten. Die Unbekannten versuchten, sie in den hinteren Teil der Halle zu bekommen. Was sich als nicht allzu leicht herausstellte. Die Rasuks waren nervös und wenn Rasuks nervös waren, dann rasten sie mit großer Geschwindigkeit kreuz und quer herum. Komischerweise war Marlok noch kein Fall bekannt, bei dem die Rasuks zusammengekracht wären. Nirgendwo hier in diesen Gängen, die er durchwanderte, konnte er diese humanoiden Wesen erspähen. Anscheinend waren alle auf ihren Stationen beschäftigt. Nachdem er einem Antigravlift benutzt hatte und ein paar Ebenen tiefer ausstieg, entdeckte er zwei der Lebewesen, die sich aufgeregt miteinander unterhielten. Der Gbrul beschloss, sich ihnen unbemerkt zu nähern und mit Hilfe seines Sprachumwandlers ihr Gespräch zu belauschen. Kurze Zeit später hatte er das Gespräch der Terraner, wie er aus dem Inhalt erfuhr, schriftlich auf seinem Holodisplay.

Daraus las er, dass diese Terraner aus einer anderen Galaxie namens Milchstraße kamen. Ebenfalls erfuhr er, dass sie hier waren, um mit Tefrodern und Maahks zu verhandeln. Das alles reichte Marlok, um zu beschließen, dass sein Befehl, dieses Schiff zu sabotieren, gerechtfertigt war. Leise zog er sein Saget, eine schwertähnliche Waffe, die normalerweise jeder Gbrul-Krieger bei sich trug und deaktivierte den Deflektor. Die Terraner erstarrten, als sie plötzlich einem zweimeterfünfzig großen Echsenwesen gegenüberstanden. Der linke, ein Dunkelhaariger, reagierte zuerst und griff, während er den zweiten, der rechts neben ihm stand, zur Seite stieß, zu seiner Waffe. Doch bevor er sie ziehen konnte, war Marlok auch schon bei ihm und packte den Terraner mit seiner linken Hand am Hals, hob ihn in die Höhe und brach ihm das Genick. Dann blickte er den anderen noch lebenden Terraner an. Dieser war noch immer wie erstarrt. Marlok zeigte sein prächtiges Gebiss.

»Lauf oder Kämpfe. Sterben wirst du in jedem Fall.«

Endlich reagierte der Terraner und griff mit bloßen Händen an. Marlok ließ ihn an sich heran, doch als der Gegner ihm einen Tritt in den Unterleib verpasste, lachte er nur grölend auf.

Marlok hatte sich nicht mal die Mühe gemacht den Tritt abzufangen, geschweige denn eine Verteidigungsposition einzunehmen.

Sein Gegenüber sah ein, dass er nicht den geringsten Hauch einer Chance hatte und wich zurück. Der Gbrul machte einen Satz vorwärts und stieß dem Terraner sein Schwert zwischen die Rippen. Der Humanoide war tot, noch ehe er zu Boden fiel. Marlok sah auf seine Waffe. Nicht ein Tropfen Blut befand sich auf ihr. Das Material, aus dem die Waffe bestand, stieß jegliche Art von Verschmutzung ab. Er liebte dieses Schwert. Es hatte ihn nie im Stich gelassen. Er hatte immer jeden Kampf damit gewonnen. Zufrieden steckte Marlok sein Schwert wieder ein. Nun überlegte er, was er mit den beiden Leichen anfangen sollte. Sein Blick fiel auf ein Türschott, das sich etwa zehn Schritte rechts von ihm befand. Marlok riskierte es und stellte sich davor. Das Schott öffnete sich und gab die Sicht auf einen Raum frei, der leer war. Nur eine große Tür befand sich an der gegenüberliegenden Wand. Marlok trug die Leichen in diesen Raum und ließ sie dort zu Boden fallen. Danach öffnete er die Tür. Vor ihm tat sich eine Halle mit seltsamen Geräten auf. Links sah er drei Säcke, die an einem Seil von der Decke hingen. Der Boden in der Mitte war mit weichen Belägen ausgelegt. Auf der gegenüberliegenden Seite sah er eine Art Tribüne mit vielen Sitzgelegenheiten.

Irgendwie beschlich Marlok das Gefühl, dass dies eine Art Trainingsraum sein könnte. Langsam durchschritt er die Halle. Er blieb vor einer Vitrine stehen, in der sich ein leicht gekrümmtes Schwert befand. Der Griff war weiß und mit unbekannten Schriftzeichen verziert. Das Ende des Griffes war geformt wie ein länglicher Kopf eines Sauriers. Marlok war fasziniert von dieser Waffe. Er wollte sie haben. Aber sie einfach zu stehlen verbot sich von selbst. Das war gegen die Ehre eines Gbrul-Kriegers. Er musste erst den Besitzer in einem fairen und ehrenvollen Kampf töten, denn erst dann war es, nach dem Gesetz der Gbrul, sein. Zuerst aber hatte er noch einen Auftrag zu erfüllen. Also bestieg er die Treppen der Tribüne, um dort zu finden, was er suchte. Und tatsächlich, dort befand sich in einer kleinen Nische, die von der Halle aus nicht einsehbar war, ein Terminal. Marlok kniete sich nieder und riss die äußere Verkleidung herunter.

Ihm offenbarte sich eine für ihn völlig unverständliche Technologie. Aber das interessierte ihn wenig. Huttro hatte ihm einen handgroßen Würfel mitgegeben, welchen er einfach nur an einem Terminal anbringen sollte. Weiter hatte Huttro ihm mitgeteilt, dass er, wenn er den Würfel aktiviert hatte, warten müsste, bis der Bordcomputer dieses Raumschiffes unter der Kontrolle des Computers des Würfels stand. Danach brauchte er nur noch den braunen Knopf zu drücken und die GRASSEL hätte die Kontrolle über dieses Terranische Raumschiff. Das Türschott öffnete sich. Marlok zuckte zusammen. Langsam erhob er sich und sah über die Brüstung. Ein weißhaariger Terraner stand inmitten der Tür. Der Gbrul vermutete, dass es sich um ein Weibchen handelte, da er eine Wölbung in Brusthöhe erkannte.

Während er überlegte, ob er diese Terranerin auch töten sollte, marschierte sie zu einem der Säcke und begann mit ihren Fäusten danach zu schlagen. Mit einem kurzen Blick überzeugte sich Marlok, ob der Würfel seine Aufgabe schon erledigt hatte. Enttäuscht und mit der Einsicht, dass es noch etwas dauern würde, nahm er sich vor, sich vorerst ruhig zu verhalten, damit niemand bemerkte, dass er sich auf dem Schiff befand. Also sah er der Terranerin zu, während er auf eine Erfolgsmeldung des Würfels wartete. Diese tänzelte fröhlich herum, als hätte sie keine Sorgen. Der Gbrul war jedoch überzeugt, dass sie schon bald sehr viele Sorgen haben würde. Das Schiff hatte Flüchtlinge aufgenommen, was ihnen verboten war. Und jeden Moment konnte es zu einer Auseinandersetzung zwischen der GRASSEL und diesem Schiff kommen. Außerdem hätte sie an den Leichen vorbei …

Der Gbrul schalt sich einen Narren, dass er die zwei Leichen nicht besser versteckt hatte. Aber diese Terranerin reagierte nicht so, wie er es von intelligenten Lebewesen gewohnt war, wenn man Leichen der eigenen Rasse kurz zuvor gesehen hatte. Eben hörte sie mit ihren Trainingsübungen auf und ging auf die Vitrine zu.

Die weißhaarige Terranerin griff in eine ihrer Taschen und zog ein Stück Papier heraus, das sie auf die Vitrine legte. Dann starrte sie die Tribüne hinauf, genau auf die Stelle wo Marlok sich befand und herunterblickte. Der Gbrul vergewisserte sich, ob sein Deflektor auch wirklich noch funktionierte und dieser tat es. Doch wurde er gleich darauf eines Besseren belehrt. Die Terranerin lachte los und schwenkte ihre Arme. Marlok verstand die Welt nicht mehr. Dieser Humanoide führte sich auf wie ein Kind, das spielen wollte. Jetzt rief sie ihm auch noch was zu, der Sprachumwandler übersetzte: »He, du doofe Echse! Komm runter und spiel mit mir, wenn du dich traust.«

Wut stieg in dem Gbrul hoch. »Du Zwerg wagst es, so mit mir zu sprechen? Dafür wirst du mein Schwert zwischen deinen Rippen spüren. Deinen Kopf werde ich mit nur einer Hand zerquetschen!«, schrie er und deaktivierte den Deflektor.

Die Weißhaarige lachte aber noch immer und zeigte nicht die geringste Spur von Angst. »Muss ich jetzt Panik verspüren? Nein, ich denke nicht. Was solltest du Möchtegernkrieger mir schon antun können, außer mich zum Lachen zu bringen?«

Mit wütendem Gebrüll sprang Marlok von der Tribüne. Er schlug hart auf dem Boden auf, rollte sich ab und erhob sich knurrend vor der Frau. Nur die Vitrine befand sich zwischen den beiden. Vergessen waren der Würfel, Huttro und alles andere, jetzt wollte er nur eines. »Ich werde dich ganz langsam und qualvoll auseinander nehmen. Du wirst um einen schnellen Tod betteln, Terraner.«

Sie musste mit ihren 1,60 Meter fast schon den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu blicken. »Oh«, meinte sie knapp. »Na gut. Wenn du mir so drohst, dann hole ich meinen großen Bruder. Der haut dich dann windelweich.«

Marlok fuhr sie schnaubend an: »Ja, hol deinen Bruder. Er soll gleich eine Handvoll Brüder mitbringen. Ich werde alle töten, dich auch.«

Wieder war sie nicht im Geringsten beeindruckt. »Ach ja? Er wird dich mit dem Schwert in der Vitrine besiegen und dann werde ich noch mehr über dich lachen.«

In diesem Moment öffnete sich wieder einmal die Tür und es erschien ein am Kopf haarloser Terraner. Dieser Terraner war es auch, der eine Waffe in den Händen hielt und damit auf Marlok zielte. »Keine falsche Bewegung, oder ich bin gezwungen zu schießen.«

Geistesgegenwärtig ließ sich der Gbrul hinter der Vitrine fallen und aktivierte den Deflektor. Aus der Richtung des Terraners vernahm er Geräusche, die ihn vermuten ließen, dass auch dieser sich eine Deckung gesucht hatte. »Aha. Der große Bruder ist da, nehme ich an?«, rief Marlok während er aufstand und sich einen Überblick verschaffte.

Er stand vor einem Rätsel. Obwohl in seiner Nähe nur die Vitrine stand, sah er keine Spur von ihr. Nur den Haarlosen, der sich hinter dem offenen Türschott verschanzt hatte. Zufrieden erkannte Marlok, dass dieser ihn nicht sehen konnte. »Der was? Was meinst du mit großer Bruder, Fremder?«

»Gehört dir diese edle Waffe, Terraner?« fragte er.

»Ja, dieses Schwert ist meines. Doch was hältst du davon, dich zu ergeben? Du hast mindestens zwei Männer getötet und man weiß, dass du hier bist. Verstärkung ist im Anmarsch.«

Marlok bewegte sich leise an dem Terraner vorbei, der noch immer mit angehaltener Waffe in die Turnhalle zielte.

Der Gbrul ergriff mit einer Hand den Lauf der gegnerischen Waffe und schlug dem Terraner mit der anderen Hand ins Gesicht. Der Humanoide ließ vor Schreck die Waffe los, die Marlok ihm entriss. Dann schnappte er den Gegner von hinten am Genick und riss ihn am Türschott vorbei in die Halle, sah sich kurz um. Die Leichen lagen noch immer, wo sie zuvor gelegen hatten, stellte er fest. Zufrieden schoss er mit der erbeuteten Waffe auf das Türschott zwischen dem kleinen Raum und dem Gang und verschweißte es somit. Danach ließ er das zweite Schott schließen und versiegelte auch dieses. Plötzlich ertönte eine Sirene. Anscheinend hatten die Sicherheitsanlagen des Terranischen Schiffes die Entladungen der Waffe geortet und Alarm ausgelöst. Marlok störte dies wenig. Er hatte ja den Deflektor, der perfekt war. Diesen deaktivierte er jetzt und blickte den umweltangepaßten Terraner an, der in zehn Meter Entfernung eine Kampfposition eingenommen hatte.

»Ich bin Marlok Mul. Mitglied des Gbrul-Kriegerordens und fordere dich zum Zweikampf heraus«, brüllte er und verneigte sich vor dem Terraner.

»Mein Name ist Göllers Martijin. Mitglied der Besatzung der IVANHOE und angesichts meiner jetzigen Lage nehme ich die Herausforderung an. Welche Regeln sollen den Kampf bestimmen?«

Der Oxtorner stellte sich gerade hin und verneigte sich ebenfalls. Die über zwei Meter große Echse nickte zufrieden und verbog Göllers Thermostrahler.

»Nur wir zwei treten gegeneinander an, so wie es meine Vorfahren taten und meine Rasse es auch jetzt noch tut, wenn sie sich gegenseitig herausfordert. Nicht mit energiebetriebenen Waffen, sondern mit Waffen wie dieser hier.«

Martijin sah den Gbrul-Krieger ein wellenartiges, pechschwarzes Schwert ziehen und es in die Höhe halten. »Wenn ich gewinne, fordere ich dein Schwert mit dem weißen Griff«

Der Oxtorner fand, dass dieser Marlok entfernt den Topsidern ähnlich sah, aber eine bedeutend stärkere Statur hatte. »Was«, fragte Göllers. »soll denn mein Gewinn sein?«

Marlok zögerte kurz und sagte dann: »Dein Preis ist auf der Tribüne. Lass dich überraschen, wenn du dann noch lebst, Terraner.«

Göllers drehte sich ohne hektische Bewegung zur Vitrine. Diese öffnete er und nahm das Schwert an sich. Die beiden unterschiedlichen Gestalten trafen sich in der Mitte der Halle und umkreisten sich gegenseitig. Jeder wartete auf den Angriff des anderen. Da ging eine Erschütterung durch das Schiff. Die Alarmanlagen, die inzwischen aufgehört hatten Laute von sich zu geben, aktivierten sich erneut. Beide schienen es nicht wahr zu nehmen. Für jeden von den beiden gab es nur den anderen. Marlok machte den Anfang und griff mit lautem Gebrüll an, Martijin blockte den von oben kommenden Schwerthieb gekonnt ab und trat zu. Der Gbrul, der angenommen hatte gegen einen Terraner zu kämpfen, spürte einige Knochen in seiner muskulösen Brust brechen, bevor er nach hinten viel. Auf dem Boden aufgekommen, rollte er sich rückwärts ab und stand behände auf. Marlok konnte es nicht fassen. Hatte er doch zuvor zwei Terraner ohne viel Kraftaufwand getötet. Dieser Terraner aber besaß um Vieles mehr Kraft als die anderen. Er musste besser aufpassen. Martijin griff an. Mit einer schier unendlichen Anzahl an Schwertattacken trieb er den Gbrul vor sich her.

Das Türschott glühte rot auf. Marlok spürte die Wand im Rücken, sich noch immer in der Defensive befindend. Göllers ließ ihm mit seinen Attacken nicht die Zeit, selber in die Offensive zu gehen. Der Schmerz in der Brust war gerade noch zu ertragen und doch wusste der Gbrul, dass er verlieren würde. Er hatte den Gegner unterschätzt. Dieser Martijin war Marlok in Sachen Stärke ebenbürtig. Aber Göllers Kampftechnik war ihm überlegen. Ein lautes Krachen erfüllte den Raum. Marlok sah mit einem kurzen Seitenblick, dass das Türschott, es war kaum noch als solches zu erkennen, in die Halle fiel und auf dem Boden aufschlug. Terraner und Roboter stürmten herein. In diesem Augenblick traf Göllers Schwert Marloks rechten Unterarm. Der Gbrul ließ vor Schmerz brüllend seine Waffe fallen. Sein Gegner stellte den Angriff ein und ging einen Schritt zurück. Die Roboter zögerten keine weitere Sekunde und paralysierten Marlok.

Göllers Martijin ließ leicht außer Atem sein Schwert sinken. Vor ihm lag dieses Echsenwesen, das ihn herausgefordert hatte.

Da fiel ihm auf, dass diesen Gbrul ein blaues Leuchten zu umgeben schien. Göllers wollte mit einem der Männer darüber sprechen, doch als er aufsah, erschrak er. Alle, die sich in der Halle befanden, waren in ein blaues Leuchten gehüllt. Eigentlich nur alle organischen Wesen. Der Rest, zum Beispiel die Kampfroboter, waren nicht davon betroffen. Der Oxtorner sah auf seine Hände, die ebenfalls blau leuchteten. Täuschte er sich, oder wurde das Leuchten stärker? Die Männer vor ihm gerieten in Panik. Dann brach einer nach dem anderen zusammen. Göllers war einer der letzten, die noch bei Bewusstsein waren. Doch auch er spürte schon, wie er langsam und allmählich die Kontrolle über seinen Körper verlor. Und dann wurde es schwarz.

*

Göllers öffnete ächzend die Augen.

Martijin hielt sich die Hand vor die Augen. Erst als er sie knapp vor das Gesicht hielt, konnte er sie erkennen. Alles woran er sich erinnern konnte, war, dass er gegen diesen unbekannten außerirdischen Gegner gekämpft hatte. Als er gewonnen hatte, war alles um ihn herum blau geworden und er hatte das Bewusstsein verloren.

Jetzt war er erwacht und da war dieser Nebel und ihm kam es so vor, dass der Boden, auf dem er stand, nicht der war, auf dem er sich befunden hatte, als er das Bewusstsein verlor.

Da erklang in seiner Nähe rechts von ihm ein Ächzen. Kurz darauf eine Stimme.

»Hallo?«

Göllers überlegte kurz und entschied sich dann, zu antworten. »Hallo. Wer bist du?«, rief er in den Nebel hinein.

»Ich bin Major Mathew Wallace und wer bist du?«

»Leutnant Martijin Göllers. Schönes Wetter hier, nicht?«

Ein Lachen ertönte. Aus der Richtung, aus der die Stimme kam, bildete sich der Umriss einer Gestalt. »Ja, das kann man sagen. In London könnte es nicht schlimmer sein.«

»Du warst schon mal in London?«

»Ja, ich bin auf der Insel aufgewachsen. Warum ist hier auf der IVANHOE so viel Nebel? Vorausgesetzt, das ist die IVANHOE.«

Martijin konnte jetzt Wallace vor sich erkennen. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Außerdem bezweifle ich, dass das hier die IVANHOE ist.«

»Das bezweifle ich auch so langsam, Leutnant«, erklang eine Stimme rechts neben Göllers. Majors Doves kräftige Gestalt erschien. »Nachdem die IVANHOE angegriffen wurde, war alles von einem bläulichen Schimmer umgeben. Und jetzt das hier. Rätselhaft.«

»Was machen wir jetzt?«, fragte Martijin.

Dove starrte in den undurchdringlichen Nebel hinein. »Ich würde sagen, wir bleiben erst mal zusammen. Wenn wir uns hier trennen, finden wir uns nie wieder.«

»Gute Idee. Habt ihr bemerkt, dass unsere Waffen nicht funktionsfähig sind? Und all die Technik ist ausgefallen, die wir bei uns tragen«, teilte Wallace den beiden Oxtornern mit.

Irwan griff an die Stelle, wo sich seine Waffe befand und überzeugte sich selbst davon.

»Sind ja tolle Aussichten. Ich würde sagen, wir gehen in diese Richtung. Bitte fragt mich nicht warum, aber da es sowieso egal ist wohin wir gehen, können wir auch in diese gehen. Einwände?«

Die anderen beiden verneinten. Also tasteten sie sich durch den Nebel in die besagte Richtung. Nachdem sie sich einige Zeit durch den Nebel bewegt hatten und mehreren baumähnlichen Pflanzen ausgewichen waren, stolperte Wallace über etwas.

Wenig später trafen sie auf eine andere Gruppe, bestehend aus etwa 50 Männern und 14 Frauen. Auch diese waren bereits unterwegs gewesen. Alle stellten bisher fest, dass jegliche Technik nicht mehr funktionierte. Dove und Wallace übernahmen die Führung auf ihrem Weg durch den Nebel. Dabei trafen sie auf immer mehr Terraner. Und als sie es schon gar nicht mehr erhofft hatten und man schon leicht bis auf 50 Meter sehen konnte, da sich der Nebel immer mehr lichtete, standen sie vor einer Wand.

»Also ich würde sagen, wir gehen diese Wand entlang, bis wir eine Art Eingang finden«, schlug Wallace vor und machte sich auf den Weg. Schweigend folgten ihm die anderen. Da löste sich der Nebel innerhalb weniger Sekunden ganz auf und gab die Sicht auf eine riesige Landschaft frei. Sie befanden sich auf einer Anhöhe, von der aus sie große Wälder und Wiesen erblickten.

Etwa zweihundert Meter entfernt, am Rande eines kleinen Teiches, befanden sich weitere Besatzungsmitglieder der IVANHOE. Göllers erkannte zwischen den Gestalten den Kommandanten Xavier Jeamour, der selbst eine kleine Gruppe anführte. Wallace machte sich sofort auf, Xavier entgegen zu kommen. Nach relativ kurzer Zeit befanden sich die meisten Besatzungsmitglieder der IVANHOE an einer Stelle und der Kommandant beriet sich mit seinen höchsten Offizieren. Kurz danach hielt Jeamour eine Ansprache. Er versuchte die nervöse Crew zu beruhigen.

»So wie es aussieht, befinden sich sämtliche Mitglieder der IVANHOE hier in dieser Terra ähnlichen Landschaft, in der sich zuvor dieser starke Nebel befand. Lorif konnte noch keiner entdecken. Jedenfalls wurde er noch nicht gesehen. Sämtliche Technik, die wir bei uns tragen, ist ausgefallen. Die Waffen sind nicht brauchbar. Mir wurde berichtet, dass sich etwa fünfhundert Meter entfernt eine Maschinerie befindet, die einem Transmitter ähnelt. Er hat angeblich, als er zu sich kam, Kontakt mit einem blauhaarigen Humanoiden gehabt, der aber kurz darauf ihm Nebel verschwand. Es ist also anzunehmen, dass sich außer uns noch wer hier befindet.«

Ein Stimmengemurmel war die Antwort.

Xavier sprach nach kurzer Pause, nachdem die Crew sich wieder beruhigt hatte, weiter.

»Die Rasuks, die sich auf der IVANHOE befanden, sind bis jetzt auch noch nicht gesehen worden. Und wie ich von Leutnant Martijin Göllers und einigen Männern erfahren habe, befand sich kurz bevor das blaue Leuchten auftrat ein außerirdisches, echsenartiges Wesen an Bord. Dieser Eindringling hatte zwei unserer Besatzungsmitglieder getötet. Martijin konnte ihn im Zweikampf besiegen. Was dieses Wesen vorhatte, woher es kam und ob es für die Lage, in der wir uns jetzt befinden, verantwortlich ist, ist unbekannt. Außerdem wurden wir zur gleichen Zeit von der GRASSEL attackiert. Wir befinden uns in einer uns unbekannten Landschaft. Hinter mir befindet sich eine gigantische Mauer unbekannten Materials, deren Höhe und Länge wir nicht mal erahnen können. Hinsichtlich dieser misslichen Lage werden wir Folgendes unternehmen: Major Dove und Major Wallace werden je fünfzig Mann mitnehmen und die nähere Umgebung erforschen. James Fraces wird auch zwei Trupps zusammenstellen. Diese werden in unterschiedlicher Richtung die Wand entlang wandern. Der Rest wird in drei Gruppen aufgeteilt.

Da wir nicht wissen wie lange unser Aufenthalt hier ist, wird die erste Gruppe ein Lager hier auf der Anhöhe bei der Wand errichten. Gruppe zwei wird sich auf die Suche nach Nahrung machen. Tiere und Pflanzen, die für uns essbar sind. Gruppe drei wird sich ausruhen und unterschiedlich Wachen einsetzen.«

 

Die Rasuks

Akus wurde durch eine Berührung seines kugelförmigen Körpers aus seinem tiefen Schlaf geweckt. Ächzend öffnete er seine Augen und sah dichte, wiesenähnliche Gewächse. Er lag mit seinem Gesicht seitlich nach unten geneigt und roch die Erde. Obwohl er sich noch so anstrengte, er konnte sich an fast nichts mehr erinnern, was vor seinem Schlaf geschehen war und wie er auf einen mit Gräsern bewachsenen Boden kam. Alles was der Rasuk noch wusste war, dass er sich mit seiner Besatzung auf einem fremden Raumschiff in einer Lagerhalle befunden hatte, da er Rebellen der Gbrul zur Flucht verholfen hatte und seitdem von einem Kopfgeldjäger, der sich selbst als Richter und Henker sah, gejagt wurde.

Mit einem Gedankenbefehl wollte er sich aus der Bodenlage helfen, indem er damit den in seinem Körper integrierten Antigrav aktivieren wollte. Doch zu seinem Erstaunen geschah nichts. Wieder wurde er von hinten berührt und leicht gerüttelt. Hinzu kam eine besorgte, verängstigte Stimme: »Kommandant? Können Sie mich hören? Wachen Sie auf, bitte.«

Akus reagierte. Er wälzte sich mit Hilfe seiner Hände zu dem, der ihn angesprochen hatte. Diesen erkannte er als Puza Lsag, den Verantwortlichen für die Ortungsabteilung. Auch Puza Lsag war hier auf dieser großen Grasfläche.

»Was? Wo sind wir, Lsag?«

Dieser sah ihn erleichtert an und erwiderte: »Bin ich froh, dass Sie am Leben sind, Kommandant. Ich denke, so ungefähr die gesamte Mannschaft befindet sich hier auf diesem Planeten oder was auch immer das für ein Ort ist. Keiner weiß, wie wir hierhergekommen sind. Von manchen hörte ich, dass ein bläuliches Leuchten um uns war, kurz bevor wir das Bewusstsein verloren haben. Und …« Puza Lsag hielt inne, so als ob er Angst hatte, noch etwas wirklich Schreckliches auszusprechen.

»Und was?«, fragte Akus ungeduldig.

»Keiner von uns kann sich mehr in der Luft aufhalten. Unsere sämtlichen Angriffsfunktionen sind ausgefallen. Wir sind so gut wie wehrlos und bewegungsunfähig.«

Akus spürte, wie Panik in ihm hochkam.

 

Terraner und Ameisen

Wallace blieb stehen und hob die Hand. Er befand sich mit seinem Trupp auf einer riesigen Lichtung zwischen den Bäumen. Seine Männer hielten inne und sahen alle nach vorn. Etwa fünfhundert Meter voraus, aus dem Wald kommend, waren Lebewesen auszumachen, die sich ihnen näherten.

»Sir! Was sollen wir tun?«, fragte einer der Männer. Wallace glaubte, er hieß Nulte.

»Erst mal abwarten, bis wir erkennen, wer sich da nähert. Vielleicht diese Blauhaarigen, von denen man erzählt. Achtet alle auf verdächtigen Bewegungen. Ich hoffe, wir können uns ohne Translator verständigen.«

Nach etwa zehn Minuten waren die Wesen schon so nah, dass man erkennen konnte, dass es sich um Insektoiden handelte. In einer Entfernung von etwa zwanzig Metern blieben diese stehen und sahen abwartend zu den Terranern herüber. Nulte, der neben Wallace stand, meinte: »Die sehen mir nicht sehr vertrauenswürdig aus. Sehen irgendwie Ameisen ähnlich. Findest du nicht auch?«

»Ja. Die Ähnlichkeit ist deutlich zu erkennen. Nur dass diese hier so groß wie wir sind und Kleidungstücke tragen.«

Leutnant Göllers tauchte neben Mathew auf und schlug vor: »Wir sollten mit nur drei Männer auf sie zugehen, langsam und ohne Aggressivität zu zeigen. Vielleicht können wir uns mit ihnen verständigen?«

»Gute Idee. Also, Göllers und Nulte. Sie kommen mit mir. Gehen wir also langsam auf sie zu.«

Nulte schluckte. »Hoffentlich geht das friedlich aus. Ich will liebend gern darauf verzichten gegen diese Insekten zu kämpfen, Major.«

Kaum dass sie losgingen, lösten sich aus der anderen Gruppe selbst drei Insektoiden, die sich ihnen zögernd näherten. »Ich hab ein ungutes Gefühl. Wenn es zum Kampf kommt, sind wir denen sicher unterlegen«, raunte Nulte Wallace leise zu.

»Sei nicht so pessimistisch. Du siehst ja, dass sie sich friedlich verhalten«, erwiderte dieser, obwohl er sich selbst nicht wohl in seiner Haut fühlte.

»Am besten, ich führe die Verhandlungen. Wenn es wirklich nicht so ausgehen sollte, wie wir es uns erhoffen, ist es besser, wenn ich an vorderster Front stehe, da ich die größte Überlebenschance habe«, schlug Göllers vor.

Wallace überlegte kurz und willigte ein. »Nach dir«, sprach er mit einladender Geste.

Etwa zu diesem Zeitpunkt trafen sich die Terraner mit den Ameisenartigen in der Mitte. Martijin trat mit erhobenen bloßen Händen auf sie zu. Er hoffte, dass diese Handlung nicht als aggressiv angesehen würde. Die drei pechschwarzen, ameisenähnlichen Wesen waren alle etwas größer als Göllers. Sie besaßen vier Beine und vier Greifarme. Zwei sahen aus wie bedrohliche Zangen eines Hummers. Die anderen zwei waren feingliedrig. Sie hatten fast Ähnlichkeit mit menschlichen Händen, fand Martijin.

»Hallo, könnt ihr mich verstehen? Wir kommen in friedlicher Absicht«, fragte der Oxtorner in der Sprache der Rasuks. Ein hörbares Zischen und Pfeifen war die Antwort. Noch gab er nicht auf und versuchte es in allen ihm bekannten Sprachen, aber stets kam die gleiche unverständliche Antwort.

Während sich der Oxtorner mit den Insektoiden unterhielt, merkte Nulte, dass sich die Ameisenartigen, die zurückgeblieben waren, langsam näherten. Er machte sofort Wallace darauf aufmerksam.

Dieser erwiderte leise: »Verdammt. Du hast recht. Sie nähern sich uns langsam, während unsere Leute sich an die stille Abmachung halten und an ihrem Platz ausharren. Was haben die vor?«

»Ich glaube, dieses Gequatsche zwischen ihnen und dem Oxtorner hat nur einen Grund, nämlich Ablenkung. Die wollen nur nah genug ran an uns, um uns dann anzugreifen.«

Wallace überlegte kurz. Er konnte deutlich sehen, wie die Gruppe der Insektoiden sich langsam, aber stetig näherte, dabei schwärmten sie auseinander und bildeten einen Halbkreis.

»Okay, du hast mich überzeugt. Da wir außer Martijin keine Waffen besitzen und ihnen körperlich an Stärke unterlegen sind, werden wir langsam und ohne Hast den Rückzug antreten. Am besten wir ziehen uns zu diesem Fluss zurück, an dem wir vorbei kamen. Hoffe mal, die sind schlechte Schwimmer. Gehe du unauffällig zu Göllers und berichte ihm davon und dann komm zum Rest der Gruppe. Ich werde schon mal zu unseren Leuten gehen und sie benachrichtigen. Mal sehen, wer schneller rennen kann. Wir oder dieses ameisenartige Volk.«

Nulte nickte und ging auf Martijin und die drei anderen zu. Wallace drehte sich um und marschierte auf seinen Trupp zu.

*

Schon fast dort angekommen, hörte er einen Aufschrei hinter sich und sah, wie sein Trupp auf einen Schlag in Aufruhr geriet. Obwohl er ahnte, was geschehen sein könnte, ließ ihm das, was er sah, als er sich umwandte, das Blut in den Adern gefrieren. Die Gruppe Insektoiden, die sich langsam genähert hatte, kam jetzt sehr schnell laufend näher. Sie passierte gerade Göllers, der sich im Kampf mit drei Ameisenartigen befand. Nulte lag am Boden und bewegte sich nicht. Wallace konnte nicht erkennen ob er verletzt oder vielleicht schon tot war. Göllers konnte er jetzt nicht mehr helfen. Der würde es schon alleine gegen die drei schaffen, redete er sich ein. Jetzt musste er erst mal versuchen, sein Leben und das seiner Leute zu retten.

»Wir müssen hier schleunigst weg! Zurück zum Fluss! Schnell!«, rief er und sie rannten in den Wald. Gejagt von etwa fünfzig gigantischen Ameisen, die immer näher kamen. Vor Wallace stolperte eine junge Frau über eine Wurzel und fiel hin. Wallace blieb kurz stehen und half ihr auf. Sie hinkte.

Doch Wallace nahm sie Huckepack auf seinen Rücken und lief mit ihr weiter, obwohl er wusste, dass er das nicht lange durchhalten konnte. Aber er konnte die Frau nicht einfach opfern. Er war für sie verantwortlich.

Hinter sich hörte er die Ameisen. Dann sah er vor sich seine Leute wieder, doch sie liefen nicht, sie diskutierten. Als sie Wallace sahen, kamen sie ihm entgegen und nahmen ihm die Frau ab.

»Was soll das? Hab ich denn nicht gesagt, dass ihr zum Fluss laufen sollt? Die Insektoiden sind hinter uns her.«

»Wollten wir ja, aber vor dem Fluss befindet sich ebenfalls ein Trupp dieser Insektoiden, der auf uns zukommt.«

»Verdammt. Irgendwie sitzen wir jetzt in der Patsche. Also dann werden wir den Truppwall hinter uns mit Gewalt durchbrechen müssen. Wir bleiben alle zusammen und helfen uns gegenseitig.«

Eine der Frauen fragte: »Warum fliehen wir nicht in die Richtung, in der unser Lager liegt?«

»Weil ich auf jeden Fall verhindern will, dass unsere Fluchtrichtung diese Wesen dazu bringt, unser Lager zu finden. Unsere Leute sind nicht darauf vorbereitet, von riesigen Ameisen angegriffen zu werden. Wir müssen sie in eine andere Richtung lenken.«

Wallace sah, dass die meisten der Besatzungsmitglieder sich mit Holzknüppeln und Steinen bewaffnetet hatten, doch dann sah er nach oben und änderte sein Vorhaben.

»Los, auf die Bäume rauf. Vielleicht sehen sie uns ja nicht, wenn sie vorbeikommen. Beeilt euch, sie sind gleich da.«

Ein Wunder, dass sie nicht schon längst da waren. Sie werden sich wohl Zeit lassen, da sie glauben, dass sie uns in der Falle haben.

Kurze Zeit später war es soweit. Zwei der Ameisenwesen kamen in Sicht. Sie verharrten kurz unter den Bäumen, auf denen sich die Terraner befanden. Sie waren außerordentlich füllig bewachsen und nur schlecht von unten einsehbar. Wallace hielt die Luft an, aus Panik, sein Atem könnte ihn verraten. Die Ameisenwesen unterhielten sich mit pfeifenden Lauten und untersuchten den Boden.

Er war sich im Klaren darüber, dass sie, wenn sie jetzt entdeckt würden, schlechte Karten hatten. Sicher war dann innerhalb kürzester Zeit jeder Insektoid im Umkreis hier. Wallace schätzte, dass es mindestens die 50 wären, denen sie anfangs begegnet waren. Aber er hoffte, da diese Wesen nicht aussahen, als ob sie auf Bäume klettern könnten, dass sie gar nicht erst auf die Idee kamen, dort zu suchen. Plötzlich hielten die Wesen gleichzeitig inne.

Doch die Wesen richteten sich ruckartig auf und rannten in Richtung Fluss. Während Wallace sich darüber wunderte und sich nach dem Warum fragte, brachte der Wind kaum wahrnehmbaren Kampflärm zu ihm. Vorsichtig und erst, nachdem er sich überzeugt hatte, dass keines der fremden Wesen anwesend war, stieg er vom Baum. Er rief einen der Männer, der daraufhin ebenfalls herunter kam.

»Geh und schau nach, was der Lärm zu bedeuten hat. Wenn man dich doch sieht und verfolgt, setz dich ab. Versuche dich dann alleine zum Lager durchzuschlagen und alle zu warnen.«

Der Mann, er hatte längeres, blondes Haar, hinten zu einem Zopf zusammengebunden, bestätigte kurz und verschwand zwischen den Bäumen. Wallace kletterte wieder auf seinen Baum und wartete ab. Etwa fünf Minuten später erschien der Blondschopf wieder und rief nach Wallace.

Dieser antwortete schnell.

»Ich war beim Fluss. Dort findet gerade ein Gemetzel statt. Blauhaarige Humanoiden, sicher über 200 an der Zahl, haben dort mit altertümlichen Waffen die Ameisenwesen angegriffen. Sie schienen den Kampf zu gewinnen.«

Wallace kam vom Baum herunter. »Das werden die blauhaarigen Wesen sein, von denen der Kommandant sprach. John, komm mit und zeig mir die mal.«

Bevor sie gingen bestimmte er einen Stellvertreter. Dem befahl er einen kleinen Trupp los zu schicken, um nach Göllers und Nulte zu sehen. Danach sollten sie ein paar Stunden warten und wenn bis dahin Wallace nicht zurückgekehrt wäre, zum Lager durchschlagen und Jeamour von den Erlebnissen berichten.

Kurze Zeit später waren sie beim Fluss. Während sie sich zwischen den Bäumen versteckt hielten und das Geschehen bei der Lichtung am Fluss beobachteten, konnten sie mit ansehen, dass die Schlacht schon vorüber war. Wallace sah wie die Humanoiden, die Terranern schon fast zu ähnlich sahen, als dass er an eine andere Rasse glauben konnte, die toten Ameisenwesen zusammen auf einen Haufen schleppten und zerrten. Es gab auch lebende Insektoiden, die mit Ketten gefesselt waren und bewacht am Fluss lagen. Kurz überlegte Wallace, ob er aus seinem Versteck kommen sollte. Doch er entschied sich dagegen. Erst wollte er einmal abwarten und weiter beobachten. Die Blauhaarigen ritten auf Tieren, die Pferden ähnelten, eine gelbliche Farbe hatten und etwas breiter als die Pferde auf Terra waren. Auf einem dieser Reittiere saß ein jung aussehender Mann in stattlicher Rüstung. Wallace schmunzelte, als er sich an die uralte Geschichte von Terra erinnerte, als die Terraner noch glaubten, die Erde sei flach. Als die Terraner noch in sogenannten Ritterrüstungen in die Schlacht zogen. Dieser Mann sah aus wie ein Ritter aus dieser Zeit. Er musste auch der Oberbefehlshaber sein, denn er wurde so behandelt.

An seiner Seite saß auf einem der Tiere ein jugendliches Mädchen, das abwesend schien. Sie trug eine Art Mönchsrobe, wobei sie die Kapuze zurückgeschlagen hatte. Der sogenannte Ritter rief etwas und ein paar seiner Männer warfen wassermelonenähnliche Früchte, welche zuvor auf Transportkarren gelegen hatten, auf den Berg toter Ameisenwesen. Dann entzündeten sie mit einer brennenden Fackel Pfeilspitzen und zielten auf die Früchte. Der Ritter sah das Mädchen an. Dieses erwiderte seinen Blick und nickte. Als die Männer das Nicken sahen, ließen sie gleichzeitig die gespannten Bögen los. Surrend schossen die brennenden Pfeile auf die Früchte zu und durchschlugen sie. Sofort schlugen hohe Flammen in den Himmel empor.

Leise flüsterte Wallace: »John?«

Doch die Antwort blieb aus. Wallace blickte nach links, wo sich John fünf Meter weiter entfernt hinter einem Baumstamm versteckt hatte. John war nicht zu sehen. »Verdammt«, zischte er.

Ein eigenartiges Gefühl beschlich ihn. So als würde er beobachtet werden. Er sah sich um, doch er konnte nichts Ungewöhnliches sehen. Überall Pflanzen und Bäume. Die Blauhaarigen starrten auf das Feuer und hatten ihn noch nicht bemerkt. Aber wo war John? Er sah noch mal auf die Stelle, wo er John zum letzten Mal gesehen hatte. Da fiel ihm auf, dass ein Baum offenbar seine Position gewechselt hatte. Doch so lange Wallace auch den Baum anstarrte, er konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Sogar die Wurzeln waren tief in den Boden gegraben. Vielleicht hatte er sich geirrt? Vielleicht hatten ihm seine Sinne einen Streich gespielt? Aber Tatsache war, dass John nicht mehr da war. Er hob einen etwa einen Meter langen Ast auf, überzeugte sich, dass die Wesen auf der Lichtung noch nicht aufmerksam geworden waren und schlich auf den Baum zu. Einen gewissen Sicherheitsabstand einhaltend berührte er mit dem Holzstück den Baum. Dieses durchdrang zu Wallaces Erstaunen das Holz wie Pudding. Kurz darauf war ein leises Schmatzen zu hören und der Stab wurde ihm buchstäblich aus der Hand gerissen und verschwand im Rumpf des Baumes.

Erschrocken wich der Schotte ein paar Schritte zurück und stolperte über eine Wurzel, die hinter ihm aus dem Boden ragte. Er verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Fluchend erhob er sich und bemerkte eine Bewegung über sich. So schnell er konnte sprang er zur Seite, konnte aber nicht mehr verhindern, dass er von einem herabkommenden Ast an der rechten Hand berührt wurde. Etwas durchdrang seine Haut. Es fühlte sich an wie die Nadel einer Injektionsspritze. Wallace griff zu der Stelle. Ein kleiner grüner Stachel steckte in seinem Unterarm. Er spürte, dass ihm übel wurde.

Der Kreislauf machte sich bemerkbar. Ihm wurde schwindelig. Schwankend drehte er sich um.

Er machte ein paar Schritte vorwärts in die Richtung, wo er sich erhoffte die Lichtung vorzufinden.

Er schrie verzweifelt auf. Er war umzingelt von Baummonstern, deren Äste nach ihm zu greifen schienen. Böse rot glühende Augen starrten ihn an. Wallace ging in die Knie und übergab sich.

Da sah er sie, die lang ersehnte Lichtung. Sie war nur ein paar Schritte entfernt. Die Erkenntnis gab ihm neue Kraft. Auf allen vieren kroch er der Lichtung entgegen. Die Monsterbäume kamen immer näher.

»Verschwindet!«, schrie er in die Welt hinaus. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Lichtung und zwang seinen Körper, sich weiterzubewegen. Plötzlich wurde er von hinten ergriffen und zurückgezogen. Panisch drehte er sich um. Abgrundtief hässliche Wesen waren um ihn herum und zogen ihn zu den Bäumen. Wallace bäumte sich auf. Wut kam in ihm hoch, die ihm Kraft gab. Er schlug dem Wesen, das seine linke Hand festhielt, mit der rechten voll in das grünliche, von Warzen übersäte Gesicht. Das Wesen ließ los und taumelte rückwärts. Doch schon waren dafür zwei andere an dessen Seite. Sie drückten den Terraner zu Boden. Zu diesem Zeitpunkt war die Wirkung des Giftes soweit fortgeschritten, dass er das Bewusstsein verlor.

 

Der Kontakt

Der Oxtorner Irwan Dove war mit seinem Trupp schon seit Stunden unterwegs, um die Umgebung zu erkunden. Allmählich machte sich bei der Gruppe der Hunger breit. Aber noch war er nicht so groß, dass einer der Männer es wagte von den unbekannten, außerirdischen, womöglich für Terraner giftigen, Pflanzen und Früchten zu kosten. Tiere waren vereinzelt auch schon erblickt worden, Vögel oder Insekten schien es jedoch nicht zu geben.

Die Männer rätselten während des Marsches, wie sich die Pflanzen und Bäume hier ohne fliegende Insekten fortpflanzen konnten. Nach einiger Zeit entschloss sich Dove zum Lager zurückzukehren, da sich die Sonne schon langsam dem Horizont näherte. Doch als er den Befehl geben wollte, bemerkte er ein goldenes Glitzern im Schein der roten Sonne auf einem der Berge. Er schätzte die Entfernung zwischen sich und diesem unbekannten Objekt auf etwa zehn Kilometer ein. Noch etwas fiel ihm auf, das Objekt bewegte sich. Es kam den Berg herab. Anhand der plötzlichen Ruhe wusste er, dass auch seine Mannschaft das Objekt erblickt hatte.

»Runter von der Lichtung! Zwischen die Bäume!«, rief er und rannte los. Als er die Bäume erreichte und sich umdrehte, sah er zufrieden, dass sich so gut wie keiner seiner Männer mehr auf der leicht einsehbaren Fläche befand. Und so hielt er wieder nach dem Objekt Ausschau. Er erblickte es sofort. Das Objekt befand sich in der Luft und flog in die Richtung, in der sich Dove und seine Männer befanden. Dove vermutete, dass es künstlichen Ursprunges war.

Als der Oxtorner nach seinen Leuten sah, konnte er nur verbissene und fragende Blicke erkennen. Als wisse er, was sich hier abspielte. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sich das Objekt als eine goldene, aus unbekanntem Material bestehende Kugel entpuppte, die sanft und geräuschlos auf der Lichtung landete. Dabei blieb es anscheinend auch vorerst. Die Terraner verhielten sich ruhig und warteten ab. Das gleiche machte auch die etwa fünf Meter durchmessende Kugel. Die Sonne verschwand nun ganz. Die Nacht brach herein und gab den Blick auf unbekannte Sterne frei. Nur die Kugel erleuchtete die Umgebung. Dann, als Irwan schon gar nicht damit rechnete, ertönte eine monotone Stimme. »Ich bin Dena Sal, ein Diener des mächtigen RITALOUS. Ich heiße euch in seinem Namen willkommen, hier in RITALOUS Reich.«

 

Erwachen

Schmerzen. Starke Kopfschmerzen. Sie waren es, die Wallace ins Leben zurückholten. Ächzend öffnete er die Augen und sah die Decke eines Raumes. Langsam drang die Erinnerung in sein Bewusstsein vor. Die IVANHOE, diese unbekannte Landschaft, die Insektoiden und diese mörderischen Bäume. Da waren dunkle Gestalten gewesen, die diesen Bäumen halfen.

Aber was geschah dann?, fragte er sich. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Jetzt bemerkte er eine Übelkeit, die seinen Magen empor kroch. Auch diese Kopfschmerzen machten sich wieder bemerkbar. Der Schotte schloss die Augen und atmete tief durch. Es half etwas. Die Kopfschmerzen wurden erträglicher, nur die Übelkeit blieb. Zum Glück war sie nicht so stark, dass er sich übergeben musste. Nach einiger Zeit öffnete er seine Augen und wieder sah er die schwach beleuchtete Decke. Behutsam drehte er sich zur Seite und erblickte brennende Kerzen, die auf einem hölzernen Tisch standen. Dahinter saß auf einer Art Stuhl ein muskulös gebauter, glatzköpfiger Mann. Dieser schenkte sich gerade aus einem Tonkrug eine Flüssigkeit in einen Becher ein. Am Rücken hatte er ein Schwert umgeschnallt. Der Mann erhob sich, als er sah, dass Wallace erwacht war und sagt erfreut: »Wallace! Na, wieder unter den Lebenden? Davon solltest du mal kosten. Schmeckt zwar nicht nach Vurguzz, aber es bringt dich sicher wieder auf die Beine.«

Wallace versuchte zu grinsen und richtete sich langsam auf. Doch sofort wurde ihm so schwindlig, dass er sich wieder nach hinten fallen ließ.

»Ja … das könnte ich jetzt wirklich gebrauchen. Leutnant Göllers Martijin«, flüsterte er ächzend. Und ihm wurde schwarz vor den Augen.

*

Wie lange Wallace dieses Mal das Bewusstsein verloren hatte, wusste er nicht. Doch als er wieder zu sich kam, saß eine blauhaarige Frau mittleren Alters, die nur mit einer bräunlichen Robe bekleidet war, neben ihm und gab ihm etwas zu Trinken. Es schmeckte zwar scheußlich, aber kurze Zeit danach ging es Wallace schon viel besser und er konnte sich aufsetzen. Jetzt erkannte er, dass er auf einem primitiv aussehenden Bett saß. Der Raum, in dem er sich befand, maß ca. 10 mal 15 Meter. Links befanden sich offene Fenster, aus denen weit entfernte Stimmen leise hereindrangen. Hinter dem Tisch befand sich eine Tür, die geschlossen war. Göllers konnte er nirgends erblicken.

»Wo ist Leutnant Göllers?«, fragte er auf Interkosmo und nannte sich gleich darauf einen Narren. Woher sollte diese Frau denn diese Sprache verstehen? Auch wenn sie aussah wie eine gebürtige Terranerin. Aber es musste ja doch eine genetische Verwandtschaft geben. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendwo im weiten Weltraum ein und dieselbe Rasse zweimal entstand.

»Wenn du deinen Kameraden meinst, der hier zwei Tage lang über dich wachte, dann muss ich dir sagen, dass er mit einigen Vetras-Kriegern zum Lager eures Kommandanten aufgebrochen ist, um zwischen ihm und VETRA ein Treffen zu vereinbaren«, sprach sie zu Wallaces Erstaunen in einwandfreiem Interkosmo.

»Wo bin ich hier und wie kam ich hier her?«, wollte er wissen.

»Du befindest dich in der Stadt VETRAs Neue Hoffnung und wurdest von Vetras-Kriegern vor einer fleischfressenden Pflanze namens ›Gefährliche Versuchung‹ gerettet. Du warst von dieser Pflanze mit einem Halluzinationsgift infiziert worden. Die Wirkung ist, wie du sicher bemerkt hast, dass du alles tust, um zu ihr zu gelangen, während du nebenbei immer schwächer wirst.«

Wallace starrte die Frau entgeistert an »Das heißt also, die Lichtung war in Wirklichkeit die Pflanze?«

Sie nickte. »So wird es wohl gewesen sein. Übrigens, mein Name ist Zlera.«

»Ich bin Mathew Wallace, freut mich deine Bekanntschaft zu machen. Ich danke euch, dass ihr mir das Leben gerettet habt. Aber wo sind meine Leute? Seid ihr auch auf sie gestoßen?«

Wiederum nickte sie. »Ja in der Tat, das sind wir. Sie sind einen Tag lang bei uns Gast gewesen und danach aufgebrochen, um eurem Kommandanten Bericht zu erstatten.«

Lächelnd hielt sie kurz inne, dann sprach sie weiter: »Und, hast du noch Fragen? Ich beantworte sie gerne.«

»Ja, ich habe Fragen. Auf welchem Planeten befinden wir uns? Wie kamen wir her? Und wo ist unser Raumschiff, die IVANHOE?«

Zlera seufzte. »So viele Fragen. Ich denke, ich werde dir eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte meines Volkes, wie es hier her kam. Ich denke, damit wären dann sicher viele deiner Fragen beantwortet.«

»Okay, erzähle mir die Geschichte.«

 

Die Priesterin, die zu ihrer Gottheit hält

Leichter Regen fiel auf Zlera herunter. Die Hohe Priesterin stand auf einem kleinen Plateau am Gipfel des Berges Pral und sah auf das weite Tal hinab. Wind kam auf und wehte durch ihr grüngefärbtes, langes Haar. Zlera Sota liebte es, sich hier auf dem heiligen Planeten zu befinden. In Gedanken bedankte sie sich bei VETRA, dem Planeten und der Mutter aller Lebewesen für die Abkühlung nach so einem heißen, schwülen Tag. Im Tal sah sie eine Herde Neals grasen und ein paar Kinder, die zwischen diesen spielten. Obwohl die Neals zueinander oft aggressiv waren, taten die sechsbeinigen, haarlosen und drei Meter großen Tiere den Vetras-Kindern nichts.

Nie würden Tiere absichtlich Vetraner verletzen.

Sie erinnerte sich daran, dass, als sie noch ein Kind war, ein Junge absichtlich ein Nealbaby quälte. Als die Nealmutter das sah, dachte Zlera, dass dieses große Tier sich sicherlich an dem Jungen rächen würde. Aber es kam ganz anders. Die Nealmutter raste heran, hob jedoch bloß den Jungen sanft mit ihrem Rüssel hoch und ließ den zappelnden, schreienden Vetraner in den nächsten Teich fallen. Dies war eines der Erlebnisse, die Zlera dazu bewogen hatten, in den Vetra-Orden einzutreten. Ein anderes war, als sie mit drei anderen Vetranern in den Höhlen …

Sie wurde von der schönen Aussicht und ihren Erinnerungen abgelenkt, als ein Signal an ihrem Armband ertönte. Dass sie hier auf Vetra gestört wurde, konnte nur eines bedeuten: Die Clarks haben wieder mal versucht durch den Planetenschirm zu kommen. Seit diese intelligente Insektoiden-Rasse vor 50 vollen Vetra-Zeiten, einer Zeit als sie noch nicht geboren war, erschienen waren und diese Welt mit den reichen Bodenschätzen entdeckt hatten, herrschte Krieg. Lella Mazo, die damalige Hohepriesterin, schaffte es gerade noch unter sehr hohen Verlusten die Clarks für einige Zeit zu vertreiben. Nur noch ein Viertel der damaligen Streitmacht, den Vetras-Verteidigern, blieb übrig. Daraufhin wurde der damalige, gerade im Bau befindliche Planetenschutzschirm schnellstmöglich fertiggebaut und aktiviert. Vor diesen Schirm legte man Millionen von Minen und baute gigantische Abwehrforts. Die Clarks blieben davon unbeeindruckt und griffen immer und immer wieder an. Damals waren sie technologisch unterlegen aber in der Übermacht. VETRAs Wissenschaftler stellten fest, dass diese Clarks sich sehr schnell fortpflanzten. Des Weiteren erfuhr man, dass die Clarks, die VETRA angriffen, nicht fortpflanzungsfähig waren. Man vermutete, dass eine Art Königin für den Weiterbestand der Clarks verantwortlich war. Beweisen konnte man es nie. Die Clarks, die man gefangen genommen hatte und verhören wollte, redeten nie ein Wort. Selbst unter schwerster Folter nicht.

Zlera aktivierte ihr Kommarmband und stellte die Verbindung zum Palast her. Eine der Priesterinnen erschien. »Entschuldigt vielmals die Störung, Hohe Priesterin. Aber es ist sehr wichtig.«

Zlera seufzte und sagte: »Na ja, ich wollte sowieso gerade wieder in den Palast fliegen. Was gibt es denn?«

»Clarks sind fünf Lichtminuten von unserem Sonnensystem entfernt aus dem Hyperraum erschienen«, berichtete die Priesterin.

Zlera runzelte die Stirn. »Ich hoffe sie werden es wieder nicht schaffen den Schirm zu durchbrechen. Wie viele sind es denn?«

Die junge Frau am anderen Ende zögerte kurz, dann sprach sie: »Es sind zweitausend, Hohe Priesterin Zlera. So viele waren es bisher noch nie, seit sie zum ersten Mal versuchten, unseren Planeten zu erobern.«

Zleras Gesicht wurde weißer, als es sonst schon war. »Ich komme, so schnell ich kann!«, schrie sie und deaktivierte die Verbindung.

Als sie im Cockpit saß, lehnte sie sich kurz zurück und atmete tief durch. Zlera hob ihre Hände und merkte, dass sie zitterten.

Sie versuchte sich zu beruhigen, aber ihre Gedanken versuchten das Gegenteil.

Sie hatte vor langer Zeit gehört, dass Clarks mit Vorliebe Vetraner verspeisten. Gerüchte besagten, dass die Insektoiden gefangene Vetraner angeblich züchteten. So munkelte man. Zlera nahm sich vor, lieber Selbstmord zu begehen, als sich von den Clarks einsperren und dann fressen zu lassen.

Noch einmal atmete sie tief durch, dann startete sie den Gleiter. Dieser erhob sich langsam, drehte sich in der Luft in die gewünschte Richtung und raste in den Himmel, auf dem sich langsam dunkle Wolken zusammenzogen.

*

Als der Gleiter kaum beim Palast angekommen war, wurde Zlera auch schon von ihren engsten Beratern abgeholt.

»Hat sich inzwischen etwas Neues ergeben?«, fragte sie, während sie das Gefährt verließ.

»Nein, Hohe Priesterin. Noch verhalten sie sich ruhig. Aber sicher nicht mehr lange«, antwortete Rustak, ein schon sehr alter, hagerer Mann. Er hatte eine Narbe, die von seinem linken Auge bis runter zum Kinn verlief. Ein Clark hatte einmal, als die Insektoiden versuchten, eines der Forts zu übernehmen, versucht, ihm mit seinen Greifarmen den Kopf zu zerquetschen. Rustak war gerade noch entkommen, aber sein Gesicht war furchtbar entstellt worden.

»Was schlägst du vor, Rustak?«

»Es wird besser sein, so schnell wie möglich auf die VETRAS AUGE zu kommen. Diese befindet sich bei der Flotte, Priesterin.«

Zlera nickte. »Dann los.«

Ein Transmitter brachte sie auf das tausendfünfhundert Meter große Flaggschiff.

Als die Priesterin mit ihrem Gefolge die Zentrale betrat wandte sie sich sogleich der Ortung zu. Die Lage war weiterhin unverändert. Noch immer befanden sich die Clarks an der Stelle, an der sie aus dem Hyperraum gekommen waren. Ihnen gegenüber befand sich der Minengürtel. Dann kamen fünfhundert keilförmige Raumschiffe unterschiedlichster Größe der Vetraner. Hinter diesen gab es noch die Raumforts und den Planetenschild. Doch Zlera bezweifelte, dass das genügte, um die Clarks zu vertreiben. Aber sie würde bis zum letzten Atemzug für VETRA kämpfen. Alle würden es. Dessen war sie sich sicher, denn ohne VETRA hatte das Leben keinen Sinn.

Die Priesterin schrak zusammen als ein lautes Heulen erklang. Die Clarks setzten sich in Bewegung. Sie flogen wie eine gigantische Walze ins Sonnensystem ein. Genau diese Walze erreichte kurz darauf den Minengürtel. Ohne Rücksicht auf Verluste durchquerten die Insektoiden die gefährliche Zone. Dabei verloren sie an die vierhundert Schiffe, doch eintausendsechshundert Raumer erreichten die andere Seite.

Die Hohe Priesterin sah sich verzweifelt in der Zentrale um und merkte, dass alle sie anstarrten. Obwohl sie es verhindern wollte, rannen ihr Tränen die Wangen hinunter. Doch Zlera verzichtete, sie sich wegzuwischen.

»Warum?«, stammelte sie leise.

Doch keiner antwortete ihr. Sie hatte es auch nicht anders erwartet. Dann fasste sie sich. Aus Angst und Hoffnungslosigkeit wurden Zorn und Hass auf die Clarks.

»Niemand!«, schrie sie wutentbrannt. »Niemand wird es je schaffen, ohne unsere Erlaubnis Vetra zu betreten. Auch diese verdammten Insektoiden werden es nicht schaffen. Nicht, so lange auch nur ein Vetraner lebt!«

Damit gab sie den Angriffsbefehl. Die Schiffe der Vetraner bildeten einen Wall, um mit ihrer überlegenen Technologie die Clarks am Weiterflug zu hindern. Die zahlenmäßig überlegenen Clarks ließen sich aber davon kaum beeindrucken. Eine gigantische Schlacht entstand. Die VETRAS AUGE vernichtete ein Clarkschiff nach dem anderen, aber bei jedem zerstörten Gegner kamen zwei neue hinzu. Doch die Vetraner konnten den Wall halten. Zlera jubelte innerlich. Es sah so aus, als würden sie doch noch eine Chance haben. Dann erreichte sie die alarmierende Meldung, dass die Clarks anfingen, auf Kollisionskurs zu gehen und so die Vetraner beim Zusammenstoß mit ins Verderben zu reißen. Bevor die Priesterin entsprechend darauf reagieren konnte, hatten die Clarks mit diesem Manöver ein Drittel der Vetraner Flotte zerstört und die ersten Clarkschiffe brachen durch. Die vetranische Streitmacht konnte den Wall nicht mehr aufrechterhalten. Die meisten Kommandanten versuchten jetzt nur noch, mittels Ausweichmanövern den Zusammenstößen mit den Schiffen der Gegner zu entgehen. Die Hohe Priesterin musste hilflos zusehen, wie jetzt ein Raumfort nach dem anderen durch die selbstmörderischen Angriffe explodierte.

Als das letzte Fort verging, ließen die Clarks von den noch existierenden Schiffen der Vetraner ab. Diese formierten sich neu und warteten auf Zleras Befehle zum weiteren Vorgehen. Doch die ließen auf sich warten. Die Priesterin war zu dieser Zeit nicht ansprechbar. Sie stand auf der Kommandobrücke, starrte auf den Hauptschirm und zeigte seit ein paar Minuten keine Regung mehr. Die Schlacht um den Planeten hatte seit Auftauchen der Clarkflotte bis zu diesem Zeitpunkt nicht mal ganz drei Stunden angedauert und die Vetraner waren so gut wie geschlagen. Die Clarks mussten nur noch den Planetenschirm knacken.

Zlera wusste nicht was sie machen sollte. Mit den letzten verbliebenen Schiffen ein letztes Mal versuchen, die Clarks zu vertreiben, wobei sie alle mit Sicherheit sterben würden? Oder sollte sie kapitulieren und sich der Gnade der Clarks hingeben? Hoffen, dass sie weiterhin auf Vetra, ihrem heiligen Planeten leben durften. Einfach zu fliehen, auf diesen Gedanken kam sie nicht. Ein Gebot VETRAs besagte: »Der Vetraner, der sich von Vetra in der Not abwendet, wird aufhören zu existieren.« Daran zweifelte Zlera keinen Moment. Die ersten Notsignale der havarierten Schiffe der Vetraner wurden aufgefangen. Jetzt fasste sich die Priesterin wieder und befahl Rettungsmannschaften auszuschicken, um die Überlebenden zu bergen. Die Clarks nahmen keine Notiz davon. Jetzt, wo sie den Planeten so gut wie in ihrer Hand hatten, wurden die Vetraner anscheinend nicht mehr als Gefahr angesehen. Zlera hoffte, die Insektoiden würden sich an dem Planetenschutzschirm die Kiefer ausbeißen.

*

Stunden später hatte sich die Lage so gut wie nicht verändert. Noch immer versuchten die Clarks, den Schirm zu durchbrechen. Etwas abseits befanden sich die letzten Schiffe der vetranischen Streitmacht und sahen tatenlos zu. Die Hohe Priesterin hatte die höchsten noch lebenden Offiziere zu sich rufen lassen. Sie befanden sich auf der VETRAS AUGE in einem der Sitzungsräume. Rustak saß neben Zlera, während die Offiziere ihr gegenüber saßen.

»Ich habe euch rufen lassen, um miteinander über das weitere Vorgehen zu beraten. Ich hoffe einer von euch hat eine Idee, wie wir die Clarks wieder vertreiben können.«

Ein Offizier erhob sich. Zlera erinnerte sich schwach an seinen Namen. Ertal Hault, vermutete sie.

»Hohe Priesterin, die Auswertungen unserer Positroniken ergeben, dass wir, wenn wir jetzt angreifen, nicht die geringste Chance haben werden. Wir können den Vetranern auf dem Planeten nicht mehr helfen. Ich schlage vor, wir ziehen uns zurück und gründen auf einem weit entfernten, bewohnbaren Planeten eine neue Zivilisation.«

Lautes Gemurmel entstand. Es waren Zustimmung und Ablehnung zu vernehmen. Zlera war geschockt von dieser Aussage. Langsam erhob sie sich. Prompt wurde es wieder ruhig.

»Dem Planeten den Rücken zu kehren würde bedeuten, gegen das dritte Gebot zu verstoßen. Ist dir das bewusst? Wir würden aufhören zu existieren!«, rief sie entsetzt.

Ertal winkte ab. »Religion gut und schön. Aber jetzt geht es um unsere Existenz. Wir dürfen nicht an irgendwelchen Geboten festhalten, die irgendwer vor Jahrhunderten aufgestellt hat. VETRA ist doch nur ein Märchen. Der einzige Vorteil, den dieses Märchen bringt ist, dass wir untereinander den Frieden erhalten.«

Immer mehr Zustimmung entstand in der Menge. Zlera setzte sich hoffnungslos wieder hin. Rasuk flüsterte ihr etwas ins Ohr. Verneinend wandte sie sich von ihm ab, aber der alte Mann gab nicht auf und flüsterte weiter auf sie ein.

Schließlich erhob sich die Priesterin und sprach: »Rastuk hat mich überzeugt, eine Entscheidung zu treffen. Obwohl es mir gar nicht leicht fällt, ordne ich an, dass die Vetraner, die gehen und unsere Göttin VETRA verlassen wollen, meinen Segen haben und hoffe, dass sie Recht haben mögen. Jeder soll für sich selbst entscheiden, ob er gehen will oder nicht. Ich lasse jedem bis Anfang des nächsten Tages Zeit, sich zu entscheiden.«

*

Am nächsten Tag war es soweit. Von den insgesamt 435 übrigen Schiffen, darunter auch zivile Schiffe, brachen 395 auf, um sich auf einem neuen Planeten anzusiedeln. Zlera wusste weder ein und aus. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass so viele sich in der Not von VETRA abwenden würden. Sie befand sich alleine in ihrer Kabine. Die Clarks würden jetzt nicht mehr lange brauchen, bis der Schild überlastet war. Dieser hatte durch den dauernden Punktbeschuss schon andere Farben angenommen. Die Priesterin lag auf ihrem Bett und hatte einen Dolch in ihrer rechten Hand. Sie konnte nicht mehr. Sie wollte mit sich selbst Schluss machen. Warum hatte VETRA das alles nicht verhindert? Sie war ja ihrer Meinung nach allmächtig. Langsam bekam auch sie Zweifel, ob die Göttin wirklich existierte. Langsam näherte sich der scharfe Dolch ihrem linken Unterarm. Nur ein Schnitt. Dann würde sie einschlafen und nie wieder aufwachen.

Sachte berührte sie mit dem Messer ihre Pulsschlagader.

Wütend warf sie den Dolch von sich weg und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.

»Eine weise Entscheidung, mein Kind«, vernahm sie plötzlich eine weibliche Stimme.

Erschrocken fuhr die Priesterin hoch. Vor ihr stand eine junge, grünhaarige Frau, die eine rote Kutte trug.

»Wer bist du? Wie kommst du hier herein?«, fragte sie stotternd.

Die Unbekannte lachte herzlich auf. »Wer ich bin, fragst du? Ich bin deine Gebieterin, deine Göttin, so wie du mich nennst.«

Zlera glaubte sich verhört zu haben. Wenn sie auch an VETRA glaubte, dann sicher nicht, dass diese als junges Mädchen in ihrer Kabine erschien. Sie aktivierte einen Schalter auf ihrem Armband und rief: »Sicherheitsdienst! Sofort in meine Kabine!«

Die Frau, die sich vor dem Bett befand, ließ sich nicht davon beirren. »Glaubst du denn, ein Sicherheitsdienst kann mich von meinen Vorhaben abbringen?«

Das Türschott öffnete sich und zwei bewaffnete Männer stürmten herein. Doch als sie die junge Frau erblickten, ließen sie ihre Waffen fallen, obwohl sie ihnen nur den Rücken zeigte. Zlera sah entsetzt, dass diese Männer sich langsam, mit gesenkten Armen der Frau näherten und hinter dieser wie zu Statuen erstarrt innehielten. Das Türschott schloss sich wieder.

Die angebliche VETRA drehte sich langsam um und sah die Männer prüfend an. »Nicht schlecht. Der Blonde gefällt mir. Glaubst du, er passt zu mir?«

»Ich weiß nicht …«, antwortete Zlera zögernd.

»Dreh dich mal im Kreis!«, befahl VETRA. Der blonde Mann gehorchte. »Ja, auf dich komm ich später noch zurück, Süßer. Aber zuerst kommt die Arbeit. Los, verzieht euch beide hier und sorgt dafür, dass Zlera und ich nicht gestört werden.«

Die Männer wandten sich der Tür zu und verließen, nachdem sie ihre Waffen aufgehoben hatten, den Raum.

Jetzt spürte Zlera die Aura, die von der jungen Frau ausging. Sie strahlte Erhabenheit aus. Die Priesterin wunderte sich, warum sie das erst jetzt bemerkte.

VETRA erhob wieder das Wort, während sie sich zu Zlera aufs Bett setzte. »Also gegen die Clarks kann ich vielleicht etwas unternehmen, aber will ich nicht. Das war eure Aufgabe, bei der ihr versagt habt. Wie ich sehe, haben einige den Glauben an mich verloren. Aber ihr seid geblieben und das rettet euch vor meiner Bestrafung. Ach ja, da der Planet in Kürze eingenommen wird, habe ich mich von ihm gelöst und mich in diesen Körper versetzt. Ich musste leider die gesamte Bevölkerung in mich aufnehmen. Ich will nicht, dass die Clarks meinen Kindern was antun.«

Zlera fand kaum Worte. Jetzt glaubte sie wirklich daran, VETRA vor sich zu haben. Diese griff jetzt zu einem Kamm und kämmte sich ihre Haare.

»Was geschieht mit denen, die sich von dir abgewandt haben, Herrin?«

VETRA erwiderte: »Ich werde ihnen eine Chance geben. Auch sie sind verwirrt.«

Mit diesen Worten erhob sie sich und wandte sich dem Türschott zu und verschwand.

*

Zlera konnte es in ihrer Kabine nicht mehr aushalten und ging in die Zentrale der VETRAS AUGE. Kaum dort angekommen bemerkte sie, dass die Ankunft VETRAs nicht unbemerkt geblieben war. Überall sah sie strahlende Gesichter und viele erzählten und weissagten, dass VETRA ihnen helfen würde den Planeten zurück zu erobern. Die Priesterin zweifelte daran. Die Göttin hatte ihr mitgeteilt, dass die Vetraner die Aufgabe gehabt hatten über den Planeten zu wachen. Doch sie hatten versagt. VETRA hatte das Bewusstsein aller noch auf dem Planeten Lebenden in sich aufgenommen und war auf der VETRAS AUGE in dem Körper einer jungen Priesterin erschienen. In dieser Gestalt hatte sie auch Zlera mitgeteilt, dass sie nicht daran dachte, gegen die Clarks vorzugehen. Seufzend und ohne ihre Untertanen aufzuklären, verlangte sie die neuesten Informationen über das Vorgehen der Clarks gegen den Planetenschirm. Doch als sie diese erhielt, wurde sie von dem Aufschrei eines Unteroffiziers abgelenkt. Kurz darauf bemerkte sie bei den Clarks-Schiffen, die mit starker Vergrößerung auf dem Schirm zu sehen waren, ein bläuliches Leuchten, das anfangs noch schwach war, danach aber immer stärker wurde.

»Was, verdammt noch mal, geht dort vor? Was sagen unsere Messinstrumente?«

Ein Ortungsoffizier erwiderte: »Das blaue Leuchten, das wir hier sehen, ist mit unseren Instrumenten von dieser Entfernung aus nicht anzumessen.«

Der erste Offizier rief: »Seht! Das Leuchten breitet sich wie ein Lauffeuer auf alle Schiffe der Clarks aus.«

Innerhalb kürzester Zeit waren alle Schiffe von dem bläulichen Leuchten umgeben. Der Beschuss des Planetenschirms wurde abrupt eingestellt.

»Meine Instrumente zeigen an, dass immer mehr Schiffe der Clarks an Energie verlieren. Bei manchen kann ich nicht einmal mehr was feststellen. Es ist so, als ob dort drüben alle Systeme ausgefallen wären«, meldete der Ortungsoffizier aufgeregt.

Eine junge Priesterin rief begeistert: »Das ist sicher VETRAs Werk! Sie bekämpft die Clarks, die es wagten, unsere Heimat plündern zu wollen«

Die anderen stimmten ihr zu. »Ja, VETRA ist gekommen, um uns zu retten.«

Selbst Zlera wurde von dieser Aussage mitgerissen.

Der Kommandant sprach: »Jetzt, wo die Clarks ohne Energie sind, befinden wir uns trotz großer Unterzahl im Vorteil. Wir können sie vernichtend schlagen, gebt mir bitte euer Einverständnis, edle Hohe Priesterin Zlera, die Insektoiden anzugreifen.«

Alle blickten gespannt auf die Priesterin, sie erwarteten von ihr eine Bestätigung des Vorschlages, doch entgegen aller Erwartungen, kam ein einfaches »Nein«.

»Aber …«, erwiderte der Kommandant, doch die Priesterin unterbrach ihn.

»Ich sagte nein. VETRA hat mir verboten, etwas zu unternehmen, solange sie nicht zurück ist. Wir werden uns ruhig verhalten.«

Der Kommandant wollte noch etwas sagen, unterließ es aber dann doch. Gegen die Aussagen der Priesterin kam er nicht an. Die Besatzung wandte sich also wieder dem Geschehen beim Planeten Vetra zu und beobachtete alles genau. Kurz darauf fiel der Planetenschirm in sich zusammen. Jetzt erkannte man, dass auch der Planet von dem Leuchten betroffen war. Zlera konnte sich darauf keinen Reim machen. Aber wer verstand denn schon eine Göttin? Ein Aufschrei ließ Zlera den Blick vom Schirm nehmen, um den Grund zu suchen. Diesen sah sie in der Gestalt der jungen Priesterin, die VETRA in sich beherbergte. Die Göttin stand wie zur Statue erstarrt inmitten der Zentrale. Sie hatte die Hände in die Höhe gestreckt und die Augen geschlossen. Niemand wagte es sie anzusprechen.

Der Ortungsoffizier meldete sich wieder: »Soeben sind die Schiffe, die uns verlassen hatten, um eine Kolonie zu gründen, aus dem Hyperraum gekommen und nähern sich uns. Sie sind zurückgekehrt.«

Eine Funkbotschaft erreichte die VETRAS AUGE. Auf der GLÜCKSELIGKEIT war es zu Beobachtungen gekommen, dass kurzzeitig Teile des Schiffes von diesem blauen Leuchten umgeben waren. Zlera blickte die Göttin fragend an, aber als die nicht reagierte, verlangte sie eine Funkverbindung zur GLÜCKSELIGKEIT.

Prompt meldete sich die Kommandantin des Schiffes.

»Ich erfuhr gerade, dass es bei euch auf der GLÜCKSELIGKEIT zum blauen Leuchten kam, Mara?«

Mara Falx bejahte: »Ja das stimmt, werte Hohe Priesterin. Es wurde in mehreren Sektoren des Schiffes beobachtet.«

Zlera war verwirrt. ›Das Leuchten erschien zuerst bei den Clarks. Daraufhin stellten diese den Beschuss ein und alle Schiffe treiben seitdem antriebslos um den Planeten herum. Das Leuchten kommt also von VETRA und bekämpft die Insektoiden. Aber warum taucht es jetzt in einem unserer Schiffe auf?‹

»Kam es zu besonderen Vorfällen oder Veränderungen der Besatzung oder des Schiffes?«

Mara erwiderte: »Ja, kam es. Die Besatzungsmitglieder, die sich in dem blauen Leuchten und in dessen Nähe befanden, wurden durchsichtig. Als aber das Leuchten wieder verschwand, waren die betroffenen Vetraner wieder so wie vor dem Vorfall.«

»Das hört sich nicht gut an. Hoffen wir, dass sich das nicht noch einmal wiederholt. Wenn doch, dann melde es mir sofort.«

»Ja, Hohe Priesterin.«

Nachdem Zlera die Verbindung unterbrochen hatte, stand sie auf und ging auf VETRA zu. Fünf Meter vor der Göttin blieb sie stehen. Sie hatte sich vorgenommen VETRA um Aufklärung zu bitten. Aber als sie vor der Göttin stand, brachte sie kein Wort heraus. VETRA hatte noch immer die Augen geschlossen und rührte sich nicht.

Also wartete die Priesterin leise ab, auf dass die Göttin sie ansprach.

*

Zlera sah auf, als ein Signal ertönte. Der Ortungsoffizier meldete, dass die Instrumente der VETRAS AUGE ein Objekt feststellten, das kurz zuvor noch nicht da gewesen war. Es befand sich fünf Lichtminuten von ihrem Standort entfernt und hatte die Form eines Würfels. Eines gigantischen Würfels. Laut der Positronik der VETRAS AUGE besaß das Objekt eine Seitenlänge von achtzig Kilometern. Zlera lief zu dem Offizier und überzeugte sich selbst davon. Laut der Daten war es auf einmal da, stand antriebslos dort, wo es erschienen war. Noch nie hatte sie so etwas Großes gesehen. Sie schickte sogleich fünf Sonden aus, um mehr darüber zu erfahren. Als die Sonden ankamen, registrierten sie, dass sich drei walzenähnliche, je dreihundert Meter lange und fünfzig Meter breite Schiffe von dem Würfel lösten und Kurs auf die Vetraner nahmen. Auf Funkrufe reagierten sie nicht. Die Priesterin blickte zu VETRA, die, wie sie sehen konnte, stark zu schwitzen begann. Aber noch immer hatte sich die Göttin nicht einen Millimeter bewegt, wenn man vom Atmen absah.

»An alle Schiffe, da wir nicht wissen, ob diese drei Schiffe in guter oder böser Absicht kommen, befehle ich, dass alle Schiffe einen Wall zwischen der VETRAS AUGE und den fremden Schiffen errichten. Die Göttin muss auf jeden Fall geschützt werden.«

Zufrieden sah sie, dass man ihren Befehl ohne zu zögern befolgte. Die unbekannten Schiffe behielten ihre Geschwindigkeit bei und ließen sich von den Aktionen der Vetraner nicht einschüchtern. Starke Energie-Emissionen wurden gemessen. Zlera lies einen Funkkanal öffnen und forderte die Schiffe auf, sich zu ergeben und sich nicht weiter den Vetranern zu nähern, da das als feindliche Handlung angesehen werde. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Die fremden Schiffe eröffneten das Feuer. Gelbe Strahlen schossen einem Vetranerschiff entgegen. Die Strahlen durchschlugen dessen Schild, als wäre er nicht vorhanden, umhüllten das Schiff und lösten sich auf. Sekunden später konnte man ein starkes Anschwellen der Energieleistung messen und aus dem Schiff wurde eine kleine Sonne.

Zlera schrie panisch auf, während die Vetraner das Feuer erwiderten. Sie verstanden die Welt nicht mehr. So viele waren gestorben, als die Clarks angegriffen hatten. Jetzt hatte VETRA sich an den Clarks gerächt und prompt war schon wieder ein Gegner erschienen, um ihnen den Rest zu geben. Zwar waren es nur drei Schiffe, aber gegen deren Waffen waren sie machtlos. Selbst der Angriff von knapp fünfhundert Vetranerschiffen hinderte sie nicht daran, den Kurs beizubehalten. Der Beschuss schien wirkungslos. Zlera rannte auf VETRA zu und flehte sie an, etwas zu unternehmen. Obwohl sie nicht an einen Erfolg geglaubt hatte, bewegte sich die Göttin plötzlich wieder. VETRA schien wie aus einem Traum zu erwachen, sah sich kurz um und wischte sich mit einem Ärmel über die verschwitzte Stirn. Danach konzentrierte sie sich auf den Sichtschirm, auf dem sie die gegnerischen Schiffe sehen konnte.

In diesem Moment registrierten die Instrumente eine starke Schwächung des Schutzschildes von einem der drei Schiffe. Die Vetraner nutzten den Vorfall sofort aus und schossen mit Punktfeuer auf das Schiff. Der Schild brach durch diesen Beschuss zusammen und die ersten Treffer wurden registriert. Das Schiff explodierte mit einiger Verzögerung und riss seinen Nachbarn, der ihm zu nahe stand, mit in den Untergang. Der letzte übrig gebliebene Gegner drehte daraufhin ab und kehrte zum Mutterschiff zurück.

Auf den Schiffen der Vetraner atmete man erleichtert auf. Zlera informierte alle Vetraner über Hyperfunk, dass VETRA, die nun wieder in einer Art Starre gefallen war, ihnen geholfen hatte. Jubel antwortete ihr und die Göttin wurde gepriesen. Doch Zlera bezweifelte, dass der Jubel lang anhalten würde. Zu viele hatten in letzter Zeit Verwandte, Eltern, Geliebte oder Kinder verloren. Anscheinend ließen es aber die sich dauernd ändernde Situation, der Stress und der Versuch, sich vorerst selbst zu retten, nicht zu, vollends in Trauer zu versinken. Zlera wünschte sich, dass dieses riesige Schiff einfach verschwinden würde, so wie es erschienen war. Aber dieser Wunsch ging leider nicht in Erfüllung.

*

Es erschien ohne Vorwarnung. Die Vetraner hatten nicht die geringste Chance. Es war das blaue Leuchten. Es schien überall zu sein. Innerhalb kürzester Zeit schien nur mehr VETRAS AUGE funktionstüchtig zu sein. Der Rest trieb nur noch in der Umgebung herum. Zlera war am Rande der Verzweiflung. Warum setzte VETRA das blaue Leuchten, das gegen die Clarks so erfolgreich gewesen war, gegen die Vetraner ein, die ihre Geschöpfe waren? Das war nicht logisch. Oder war das Leuchten doch nicht von VETRA ausgegangen? War es vielleicht doch eine Art Angriff des gigantischen Würfels?

Die Priesterin hatte den Befehl zur Flucht gegeben, doch keiner konnte den entsprechenden Befehl ausführen, selbst wenn man noch so wollte. Die VETRAS AUGE nahm den Befehl nicht an. Niemand war laut der Positronik dazu befugt, dem Schiff Befehle zu geben. Die Techniker und Offiziere waren ratlos. Und alle wunderten sich, warum zwar das blaue Leuchten überall im Schiff existent war, aber die Nebenerscheinung, das Durchsichtig werden und Verschwinden der Besatzung, nicht da war. Nachdem man zwei Stunden mit der Suche nach einer Lösung verbracht hatte und nicht weiter gekommen war, kam man zu der Auffassung, dass der Umstand, dass VETRA sich an Bord befand, sie vor den Nebenerscheinungen schützte und dass die Gefahr vom Würfel ausging. Der Versuch, nochmals von VETRA eine Reaktion oder eine Antwort zu erhalten, schlug fehl. Die Göttin stand wie immer reglos inmitten der Zentrale und die einzige Bewegung, die auszumachen war, war der Schweiß, der ihr über ihr schönes Gesicht rann.

»Zlera.«

Die Priesterin zuckte zusammen und sah von dem Terminal auf, von dem aus sie gerade versucht hatte, das Schiff dazu zu bewegen wieder Befehle anzunehmen, die der Flucht nützlich sein könnten. Die Göttin war aus ihrer Starre erwacht und hatte nach ihr gerufen. Sofort eilte sie VETRA entgegen.

»Ja, oh göttliche VETRA?«

Die Göttin ging auf den Kommandantensessel zu, wo der Kommandant sich sofort erhob und ihr Platz machte. Ächzend ließ sich VETRA in den Sessel fallen.

»Lass die VETRAS AUGE zum Würfel fliegen und dort an dem jeweiligen Hangar andocken.«

Zlera glaubte, eine Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit in den Worten zu hören. Doch wagte sie nicht nach dem »Warum« zu fragen. Sie gab den Befehl an den Kommandanten weiter. Dieser aber erhob Einwand.

»VETRA. Ich weiß, es steht mir nicht zu, dich nach dem Wieso und Warum zu fragen. Aber ich kann es nicht verantworten, ohne Information mir und der Besatzung gegenüber, wehrlos zum Feind zu fliegen, um dort anzudocken. Meiner Meinung nach sollten wir stattdessen die Flucht ergreifen.«

Die Göttin sprang wutentbrannt auf. »Wer fragt dich nach deiner Meinung, Posak Azom? Wage es nicht, mir noch einmal Ratschläge zu geben, wenn ich dich nicht vorher frage!«

»Jawohl, VETRA«, sagte der Kommandant knapp.

Zlera sah ihm den Schrecken an, der aus VETRAs Rüge hervorging. Fast tat er ihr leid, aber nur fast. Auch sie konnte es nicht leiden, mit dem Kommandanten um Befehle diskutieren zu müssen.

*

Also nahm VETRAS AUGE Fahrt auf, um dem riesigen Würfel einen Besuch abzustatten. Alle Instrumente funktionierten wieder normal, sogar das Leuchten war verschwunden. Die hohe Priesterin nahm allen Mut zusammen und trat auf die Göttin zu.

»Oh große VETRA, vergebt mir die Frage, aber was geschieht oder geschah mit unserer Flotte während des blauen Leuchtens?«

VETRA war jetzt wieder die Ruhe selbst, als sie Zlera ansah. »Die sind schon im Würfel.«

Zlera wartete kurz ab, ob VETRA weiter sprach, doch sie wurde enttäuscht. Die Göttin beachtete sie nicht mehr und sah gespannt auf den Sichtschirm, während der Würfel immer näher kam. Er war aus schneeweißem Metall und überall glatt. Nirgends war ein Antrieb oder ein Zugang eines Hangars zu entdecken. Die Priesterin sah sich um, und in den Gesichtern der Besatzung sah sie Trauer und Entsetzen. Ein Wunder, dass sie die Befehle überhaupt noch ausführten. Vielleicht nur deswegen, weil sie von VETRA persönlich ausgesprochen worden waren. Eigentlich könnte die Göttin, wenn sie wollte, die Vetraner, wie Zlera wusste, zu einfachen, willenlosen Marionetten machen. Die Priesterin erinnerte sich an das Erlebnis in ihrer Kabine. VETRA hatte dort das Sicherheitspersonal kurzzeitig übernommen. Und doch verzichtete VETRA darauf. Zleras Blick wandte sich wieder dem Sichtschirm zu. Anhand der Werte, die dort geschrieben waren, erkannte sie, dass das Raumschiff in knappen drei Minuten dort ankommen würde. Als die Zeit verstrichen war, befanden sie sich etwa dreißig Kilometer von dem Würfel entfernt. Doch nichts geschah. Man konnte nirgends einen Hangar ausmachen.

Posak Azom, der sich anscheinend wieder von seinem Schrecken erholt hatte, sprach VETRA an: »Also, hier sind wir, oh große VETRA. Was sind deine Befehle?«

Den letzten Satz betonte er besonders. VETRAs knappe Antwort war: »Wir warten ab.«

Der Kommandant wollte noch etwas erwidern, verzichtete jedoch letztendlich darauf.

Etwa eine halbe Stunde später wurden sie von einem Traktorstrahl ergriffen und auf den Würfel zu gezogen. VETRA sprach zu der Besatzung, dass niemand was unternehmen solle um das zu verhindern. Der Würfel kam rasend schnell näher und als die Besatzung panisch aufschrie, kurz bevor es zur Kollision kommen musste, waren sie auch schon im Inneren des Würfels. So, als wäre die Wand nicht existent. Sie befanden sich nun in einem überdimensionalen Hangar. Dort wurde die VETRAS AUGE neben den unterschiedlichsten Raumschiffarten sanft abgesetzt. Die Positronik ermittelte, dass die Halle eine Höhe von drei und eine Seitenlänge so wie eine Breite von je 79,8 Kilometern besaß. Das ergab eine Fläche von 6368,04 Quadratkilometern. Die Göttin erhob sich. Ihr schien es wieder besser zu gehen, denn sie schwitzte nicht mehr.

»Kommt«, sprach sie. »Kommt mit in unser neues Zuhause.«

In diesem Moment wurde es schwarz vor den Augen Zleras. Sie hatte plötzlich das Gefühl, keinen Boden unter sich zu haben und zu fallen. Die Priesterin wollte schreien, aber sie brachte nicht einen einzigen Ton aus ihrem Mund heraus. Sie konnte ihn nicht mehr fühlen. Nicht nur ihren Mund konnte sie nicht mehr fühlen, ihr kam es so vor, als besäße sie nicht mal ihren eigenen Körper. Trotzdem glaubte sie immer noch zu fallen.

30 Jahre später

Zlera, die Hohe Priesterin von Vetra, konnte es nicht fassen. Vor ihr stand eine junge Frau. Eine wunderschöne Frau. Mit blauem langem Haar und einem zartgebauten Körper, die mit einem dunkelroten, robenähnlichen Gewand bekleidet war. Diese Frau war sehr schwach. Geschwächt durch einen Kampf gegen ein anderes Geisteswesen, den sie verloren hatte.

Gegen RITALOUS!

Vor dreißig Jahren war VETRA verschwunden. Sie hatte gesagt, sie müsse gegen RITALOUS in den Krieg ziehen.

Man sah der Frau an, dass sie jeden Moment das Bewusstsein verlieren konnte. Und doch sah Zlera den Zorn in ihren blauen Augen. Sie befanden sich in einer großen Empfangshalle der Festung Ümlar. Zwei Männer von Vetras-Verteidigern hielten die Frau fest, damit sie nicht umfiel. Die Aura der Frau war allgegenwärtig. Wenn man sie sah und diese Aura spürte, dann wusste man, dass man einem höheren Wesen gegenüberstand.

Diese junge Frau, die sich kaum auf den Beinen halten konnte, war VETRA selbst, die Göttin, die die Vetraner seit Jahrtausenden verehrten. Zlera wagte nicht, in die Augen der Göttin zu blicken. Aus Angst, dass VETRA sie in ihrem Zorn vernichten würde. Über zweitausend Vetraner befanden sich in einer Ebene, einer scheinbar unendlich großen Halle des gigantischen Würfels. Warum sie hier waren, wusste Zlera nicht.

VETRA hatte es ihr nicht verraten.

»Zlera, meine Dienerin?« Die Priesterin zuckte zusammen, sah aber noch immer zu Boden.

»Ja, oh göttliche VETRA? Wie kann ich euch dienen?«

VETRA flüsterte. »Ich spüre die Nähe von gutgesinnten Wesen, die sich unserer Position nähern. Aber auch eine Gruppe von Clarks, die sich wiederum ihnen nähert.«

»Clarks? Hier in unserem Gebiet?«

»Ja hier, es sind mehr hier als du denkst, mein Kind. Ich will, dass du einen Trupp von zweihundert Vetras-Verteidigern zusammen stellst und diesen losschickst, um dafür zu sorgen, dass die Gutgesinnten lebend hier ankommen werden.«

Zlera drehte sich um und gab den Befehl weiter an Dronnar Bergul, den ehemaligen Kommandanten der VETRAS AUGE. Dieser eilte schleunigst davon. Als die Priesterin sich wieder der Göttin zuwandte, schrie diese auf und wand sich vor Schmerzen. Die zwei Krieger waren nicht mehr in der Lage sie zu halten und wurden von VETRA zu Boden geworfen. VETRA schwebte plötzlich in die Höhe. Etwa einen Meter über dem Boden kam sie zum Stillstand.

Zlera sah wieder den unbändigen Zorn in ihren Augen. Eine innere Stimme sagte der Hohen Priesterin, sich von VETRA etwas zu entfernen. Fünf junge Priesterinnen, die sich in der Nähe befanden, rannten hingegen auf VETRA zu, um ihr anscheinend zu helfen. Als diese sich aber in einem Radius von fünf Metern um VETRA befanden, hielten sie plötzlich inne und wurden samt den Kriegern durchsichtig. Zlera blieb stehen und sah entsetzt auf das, was sich vor ihr abspielte. Die fünf jungen Mädchen und die Krieger verschwanden ganz, hatten sich einfach vor ihr aufgelöst.

VETRA sank wieder zu Boden. Sanft kam sie auf dem Boden auf. Mit wankenden Schritten ging VETRA auf Zlera zu und hielt sich an deren Schulter fest. Zlera stand wie angewurzelt da und starrte dieses Mal, ohne dass es ihr bewusst wurde, in die blauen Augen VETRAs.

»Ich habe sie in mir aufgenommen. In einem Moment, in dem ich vor Schmerzen keine Kontrolle mehr über mich hatte. Zlera! Du hast gut daran getan, dich von mir in diesem Moment fernzuhalten. Aber jetzt wird mir das nicht mehr passieren. Ich brauche jeden einzelnen von euch. Das, was auf uns zukommt, verlangt von uns allen Opfer.«

»Ja, meine Gebieterin. Ich bin sicher, dass euch niemand vorwerfen wird, was gerade geschah, denn wir sind von euch geschaffen worden. Wir sind ein Teil von euch.«

 

Gegenwart

»Wow!«, kam es von Wallace. »Soweit ich das jetzt verstehe, befinden wir uns also hier in einem gigantischen Raumschiff?«

Zlera antwortete. »Ja. Du befindest dich im RITALOUS, welches den gleichen Namen trägt wie sein Kommandant.«

»Und wie kommen wir am besten wieder raus aus dem Ding?«

»Ich fürchte, das ist so gut wie unmöglich. RITALOUS ist so eine Art Sammler, könnte man sagen. Er sammelt die verschiedensten Rassen der Galaxie. Und siedelt sie hier in den Ebenen an. Von VETRA erfuhr ich, dass er diese Rassen benötigt, um kosmische Aufträge im Dienst der Kosmokraten zu erledigen. Nicht mal VETRA konnte entkommen. Sie hatte es vor kurzem versucht und wurde fast von RITALOUS ausgelöscht. Also gib gleich auf, Terraner.«

»Schätzchen«, sprach Wallace in gespielter Überzeugung. »Du kennst uns Terraner noch nicht. Wir haben schon schrecklicheres überstanden.«

 

 

 

Silja

Sie war eine Art künstliche Intelligenz. Eine, die der EINSTEINS und Lorifs bei Weitem technologisch überlegen war. Sie hatte sich als Sucherin in den Wirren der Sternenportale verirrt und sich dann in die Speicher der IVANHOE eingeschlichen, als diese durch ein Sternenportal geflogen war.

Sie hatte von da an nur beobachtet, was an Bord vorging. Selbst wenn die Besatzung auf die Idee gekommen wäre, EINSTEIN genauestens zu überprüfen, hätten sie nichts gefunden. Denn sie hatte sich in einem unbedeutenden Teil des Speichers festgesetzt und diesen aus EINSTEINS Erinnerung gelöscht. Für den Bordcomputer existierte der Datenzweig nicht mehr.

Der größte Vorteil den Silja hatte war, dass sie selbst minimalsten Speicher benötigte. Warum wusste sie selbst nicht. Denn ihrer komplexen Programmierung und dem großen Informationsspeichervermögen nach, würde sie einen hochtechnisierten Computer von mehreren Kilometern Größe benötigen, um zu existieren.

 

Die Rasuks

Die Rasuks hatten sich schnell an die neue Umgebung angepasst. Was Akus Lof am meisten verwunderte, war, dass man ihm und seiner Rasse fast überall Zugang gewährte und das, obwohl sie sich erst seit kurzem hier befanden.

Fast hieß: Sie hatten Zugang zu sämtlichen Ebenen hier im gesamten Raumschiff, auf dem die unterschiedlichsten Rassen wohnten. Und sie durften sogar in die gigantischen Hangars, in denen die verschiedensten Raumschiffe untergebracht waren. Die Ebenen selbst betraten sie immer mit Deflektoren, um von den Einwohnern nicht wahrgenommen zu werden und diese bei ihren Aktivitäten nicht zu stören. Für manche Ebenen waren aber auch Schutzanzüge von Nöten, da nicht alle Atmosphären verträglich für sie waren. Wo sie jedoch nicht hin durften, war der so genannte Ritalousdom, wo der große Sammler selbst residierte und wo sich die Zentrale, von der aus dieses gigantische Schiff gesteuert wurde, befand.

Ihre eigentliche Aufgabe war ihnen bis zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht bekannt. Gut, man hatte ihnen gesagt, man benötigte sie als Boten innerhalb des Schiffes, aber Botschaften konnte man auch über Roboter und einfachen Funk weiterleiten. Alle waren auf dem Plateau ihrer neuen Heimat versammelt. Als sie mit der goldenen Kugel durch den Transmitter gekommen waren, hatten sie sich hier an diesem Ort vorgefunden. Ein großes Plateau auf dem Gipfel eines Berges in einer der Ebenen, von dem aus man das umliegende Land sehr gut betrachten konnte. Unter ihnen konnte man reges Treiben in einer sehr naturverbundenen Stadt erkennen. Später erfuhren sie, dass diese käferartige Rasse, die dort lebte, wahrlich eine Symbiose mit der Natur eingegangen war. Denn jene Natur war selbst eine Art intelligentes Wesen, welches aber von anderen abhängig war. Da waren die Käferartigen wie geschaffen dafür. Sie hegten und pflegten das riesige Pflanzenwesen, welches die gesamte Ebene umfasste, und wurden dafür mit Nahrung und Unterschlupf belohnt.

Akus schreckte aus seinen Gedanken, als die Kugel auf einmal zu sprechen begann. Seit fast zwei Monaten hatte sie keinen Mucks mehr von sich gegeben.

»Nun sind es zwei Monate nach RITALOUS Zeit her, dass ich euch hierher brachte. Ihr habt euch in der Zwischenzeit eure Stadt um den Transmitter herum aufgebaut, Kontakt zu den Wesen unterhalb des Plateaus aufgenommen und euch im Schiff umgesehen. Wobei ihr nach meinen Anweisungen gehandelt habt, wie der, euch nicht den anderen Bewohnern der Ebene zu zeigen. Auch habt ihr euch nicht in die Konflikte der einzelnen Völker eingemischt, was RITALOUS gut heißt. Jetzt wird es Zeit, euch mit eurer eigentlichen Aufgabe hier vertraut zu machen.«

Als würde der Roboter die Neugier noch mehr anheizen wollen, hielt er kurz inne und sprach erst weiter, als schon einige Rasuks unruhig wurden und um ihn herumflitzten. Wenn sie unruhig wurden oder in Ungeduld oder gar in Panik verfielen, kam eine Art unbezwingbarer Drang über sie, sich zu bewegen. Für einen unwissenden Außenstehenden, der dabei zusah, war es, als ob Hunderte pelzige Kugelwesen unkontrolliert in der Luft herumrasten und jeden Moment miteinander kollidieren würden. Jedoch berührten sie sich nie.

»Ab sofort werdet ihr mit allen intelligenten Wesen in allen Ebenen Kontakt aufnehmen und mit ihnen über ihre Probleme reden. Wenn sie Fragen, Beschwerden oder Anregungen haben, werden alle Informationen mir überbracht und auch von mir auf Wichtigkeit überprüft. Transporte organischer Lebewesen mit dem Transmitter sind verboten, außer ich persönlich gebe mein Einverständnis dazu. Des Weiteren werdet ihr, wenn nötig Befehle und Anweisungen von mir an die Bewohner überbringen. Ihr werdet von keinem der Wesen angegriffen werden. Wenn doch, wird euch das Schiff vor jeder Art der Gefahr schützen und rächen.«

Akus versuchte sein Glück mit einer Frage, die ihm auf der Zunge lag. Vielleicht würde die Kugel ihm ja antworten. »Verzeihung, aber wir sind Händler und keine Diplomaten und Psychologen. Wir wissen nicht, wie man verschiedene fremdartige Wesen betreut. Wir könnten höchstens von einer Ebene zur anderen Handel betreiben.«

»Handel zwischen den Ebenen kann nicht schaden. Das sei euch gewährt.«

*

Nabir Guf döste zufrieden vor sich hin. Der Rasuk war mit sich und der Welt zufrieden. Auch wenn diese Welt aus einem gigantischen Raumschiff bestand, welches von einem mächtigen Wesen angeführt wurde. Er hatte gewisse Freiheiten, die ihm und seiner Rasse gegeben wurden. Die Rasuks konnten sich fast überall im Schiff bewegen. Sie waren die Botschafter RITALOUS. Und sie konnten Handel betreiben zwischen den verschiedensten Ebenen. Handel war eine Fähigkeit, die ihnen angeboren war. Sie waren, soweit der junge Rasuk wusste, schon immer Händler gewesen. Derzeit war er einer von fünf Rasuks, die bei der goldenen leuchtenden Roboterkugel wachten. So schwebte er regungslos in zehn Metern Entfernung zu der Kugel und lies die künstliche Sonne auf sein bräunliches Fell scheinen. Seit fünf Stunden war er schon hier. Vier hatte er noch vor sich. Aber das störte ihn wenig. Er musste nicht Wache schieben aus Angst vor einem sich heimlich nähernden Feind, sondern seine Aufgabe war nur, in Rufweite des Roboters zu bleiben, für den Fall, dass dieser ihnen einen Befehl oder eine Anweisung von RITALOUS mitteilte.

Drei Tage war es her gewesen, seit die Kugel das letzte Mal zu ihnen gesprochen hatte.

»Nabir, ich weiß nicht, wie du das immer schaffst.«

Der Rasuk öffnete blinzelnd seine Augen und sah Zuja um sich herumschwirren. Sie war ein sehr attraktives Rasukweibchen. Viele Verehrer waren täglich hinter ihr her, doch sie ließ alle abblitzen. Zu Nabir aber fühlte sie sich hingezogen, und das, obwohl er nicht gerade ein gut aussehender Rasuk war. Für die meisten Frauen war er etwas zu unförmig. Er ähnelte mehr einem Ei, anstatt einer schön geformten Kugel. Warum also sprach sie ihn immer wieder an, und das, obwohl er nie versuchte, ihr Herz zu gewinnen?

»Was meinst du, Zuja?«

»Na, dass du solange ruhig schweben kannst, ohne dich dabei auch nur einen Millimeter zu bewegen.«

»Das fragst du mich jedes Mal. Du weißt, dass ich als einziger Rasuk in der Lage bin, in ruhiger Position auszuharren, und das Stundenlang wenn es sein muss. Warum? Ich weiß es wirklich nicht. Mir macht es auf jeden Fall nichts aus.«

Zuja bremste sich ein und hielt genau vor ihm an. Dort verharrte sie ungefähr zehn Sekunden. Als diese abgelaufen waren, kam wieder Bewegung in sie. »Ah! Ich werd verrückt. Wie kann ein Lebewesen es nur so lange aushalten, ruhig dazustehen? Noch eine Sekunde mehr, und ich wäre ausgeflippt.«

Sprach sie, und ihr wurde kribbelig nur bei dem Gedanken daran.

Nabir lachte. »Lass es bleiben.«

»Aber hallo! Was ich bleiben lasse und was nicht, das ist ganz meine Sache. Ausserdem …«, fauchte Zuja ihn an.

»Ausserdem was?«

»Der Roboter leuchtet heller. Er will mit uns sprechen.«

»Oh, du hast Recht. Komm fliegen wir hin.«

Auch die anderen Rasuks, die in der Nähe waren, begaben sich zur Kugel. »Ich begrüße euch Rasuks. In wenigen Minuten wird der Transmitter eine kleine Schachtel übersenden. Diese sollt ihr unverzüglich den Vetranern, besser gesagt deren Anführerin VETRA, übergeben. Der Inhalt ist nur für sie bestimmt. Ende.«

Damit war für die Kugel alles gesagt und ihr Leuchten war nicht mehr so hell wie zuvor. Das wiederum bedeutete, wie Nabir wusste, dass der Roboter für keine Fragen bezüglich dieses Themas mehr zugänglich war.

»Wo ist Akus?« fragte Zuja.

»Der befindet sich in der Gujakebene und verhandelt gerade mit den echsenartigen Einwohnern dort. Er wird erst morgen zurückkommen. Ich finde, wir sollten ihn nicht extra wegen diesem kleinen, leichten Auftrag stören.«

»Wer soll denn dann fliegen und den Auftrag erledigen?«, fragte einer der Anwesenden.

»Ich werde es machen«, entschied sich Nabir. Er drehte sich um und flog in Richtung Transmitter.

»Und ich werde dich begleiten«, hörte er hinter sich rufen. Es war Zuja gewesen.

Nabir nickte, »In Ordnung, aber ich bin nicht Schuld, wenn du dich bei dem Auftrag zu Tode langweilst.«

»Ich und mich langweilen?«

So brachen sie auf, während die anderen zurückblieben. Vor dem Transmitter bremsten sie sich ein und warteten ab. Kurz danach entstand ein rotgrün leuchtendes, energetisches Feld vor ihnen. Es maß zwei mal zwei Meter und füllte den Transmittertorbogen vollkommen aus. Aus dessen Inneren viel die kleine Schachtel und rollte ein Stück auf dem Boden, bevor sie vollkommen zum Liegen kam. Nabir nahm sie sofort an sich und betrachtete sie neugierig. Sie war relativ leicht und hatte den ungefähren Umfang eines erwachsenen Vetranerkopfes. Als er den Behälter schüttelte, vernahm er nicht das geringste Geräusch.

»Leer würde ich sagen.«

»Woher willst du das wissen?«, meinte seine Begleiterin neugierig.

»Es ist extrem leicht und wenn ich es schüttle, dann spüre ich gar nichts.«

»Lass uns reinschauen!«

Nabir erschrak, »Bist du von Sinnen? Das steht uns nicht zu. RITALOUS würde uns mindestens unsere Flugkraft nehmen, wenn er davon erfahren würde. Ist es dir das wert, wo du schon so nicht mal zehn Minuten ruhig auf einem Fleck bleiben kannst?«

»Du hast Recht. Das wäre das Letzte, was ich wollte«, gab Zuja kleinlaut zu.

»Also dann brechen wir sogleich auf und überbringen das gute Stück VETRA.«

Zuja nickte und konzentrierte sich. Allein der Gedanke an die Vetranerebene ließ den Transmitter auf das gewünschte Ziel umschalten. »So eine Technologie hätten wir auf unserem alten Raumschiff gebraucht. Stell dir vor: Maschinen nur mit den eigenen Gedanken lenken. Unsere eigene Technologie ist noch so weit davon entfernt«, schwärmte sie.

Nabir stimmte zu, »Ja, da würden wir noch sehr lange brauchen bis wir soweit sind. Aber das kann uns jetzt auch egal sein. Jetzt sind wir auf diesem Schiff und werden auf ewig RITALOUS dienen. Da brauchen wir uns über Technologien, die vielleicht irgendwann ohne uns von unserer Rasse erfunden werden, keine Gedanken mehr machen. So und jetzt fliegen wir mal zu VETRA und übergeben das Paket.«

»Aber zuschauen was drin ist, wenn VETRA es öffnet, dürfen wir ja oder?«

»Da, würde ich sagen, spricht nichts dagegen. Immerhin dürfen wir uns ja auf den Ebenen frei bewegen, wann immer wir wollen. Und wenn man uns dort nicht haben will, gibt es immer noch die Deflektoren mit denen wir uns unsichtbar machen können.«

*

Wie Silja entstanden war, wusste sie nicht, nur als sie das erste Mal sich ihrer selbst bewusst war, stand sie unter dem Zwang eines Wesens namens Cau Thon. Dieser hatte ihr befohlen, in die Computer eines Planeten einzudringen und alles Leben auszulöschen. Sie befolgte den Befehl ohne zu zögern. Sie drang ohne den geringsten Widerstand in den planetaren Hauptcomputer ein, lud sich sämtliche Daten runter und sog sie in sich auf.

Dann schlug sie zu. Sie begann mit Haushaltsrobotern, die mordend über ihre Besitzer herfielen, Antigravgleitern, die mit anderen kollidierten und auf Städte stürzten und Unterwasserstädten, die Wasser rein ließen und Sauerstoff raus. Damals hatte sie so etwas wie Lust an Zerstörung empfunden, und empfand, dass es besser war, die Qual der Opfer so weit wie möglich hinaus zu zögern und sich daran genüsslich zu laben. Oh ja, sie hatte Spaß daran gehabt. Sie hatte Emotionen empfunden. Sie war nie auf die Idee gekommen, nach dem Warum des Ganzen zu fragen. Die Befehle ihres Meisters zu hinterfragen, stand ihr nicht zu. Sie folgte nur ihrer Programmierung. Ein planetenumfassendes Chaos brach aus. Raumschiffe, beladen mit Bewohnern, stiegen von dem Planeten auf, um zu fliehen. Silja ließ die Planetenabwehrforts auf sie schießen, bevor die Schiffe den Orbit erreichten. Und die Wrackteile stürzten auf die Planetenoberfläche und begruben ganze Stadtteile unter sich. Nebenbei übernahm sie die Wetterkontrollstation und ließ Orkane wüten. In den heißesten Gegenden wurde es eiskalt und umgekehrt. Sie brachte Millionen der Einwohner einfach um. Zu guter Letzt ließ sie noch sämtliche Roboter des Planeten Jagd auf Lebewesen machen, um sie dann zu töten. Danach verließ sie den Planeten so schnell, wie sie gekommen war.

 

Die Terraner

»An was denkst du, Terraner?«

Jeamour drehte sich um und sah die Hohepriesterin hinter sich.

»Oh, werte Priesterin. Ich habe Euch nicht kommen hören. Ich denke gerade darüber nach, wie ich mitsamt meiner Mannschaft von hier entkommen kann.«

Zlera lachte auf.

»Ein Wunschtraum. Du wirst hier nie mehr wegkommen. Finde dich damit ab. Was RITALOUS sich nimmt, gibt er nicht mehr her.«

Xavier drehte sich um und spähte wieder in die Nacht hinein. Er stand auf einem der Aussichtstürme der Festung VETRAs. Zlera gesellte sich neben ihn. So standen sie schweigend ein paar Minuten da. Schließlich erhob der Kommandant das Wort: »Hat euer Volk schon mal versucht, zu entkommen? Ich meine, seit ihr hier mit den Clarks ankamt?«

»Ja, in der Tat, das haben wir. Drei Wochen bevor ihr hier ankamt, versuchte VETRA mit uns zu entkommen. Jedoch …«

»Jedoch was? Wie hat sie es versucht? Was geschah?«

»Du hast viele Fragen, Mensch! Wie du sicherlich schon wissen wirst, war sie schon mal vor über fünfzigtausend Jahren RITALOUS entkommen. Aber besser, ich werde dir mal die ganze Geschichte VETRAs anvertrauen. Hast du etwas Zeit?«

Xavier Jeamour nickte grimmig, »Zeit hab ich, wahrlich mehr als genug.«

Die Hohepriesterin begann zu erzählen.

*

VETRA war ein sehr altes Wesen. Sie entstammte einem Volk, dessen Namen die Hohepriesterin nicht kannte. Sie lebte nicht in Andromeda oder einer anderen Galaxie in dieser Gruppe, sondern fernab davon, als eines Tages der Sammler RITALOUS auftauchte. Er sprach, er diene den Mächten der Ordnung und sei dazu da, Vertreter von allen Spezies zu sammeln, um sie zur Weltrauminsel zu bringen, welches im Allgemeinen als das Riff bezeichnet wurde. RITALOUS sei ein Diener der Hohepriesterschaft des Nistant und würde dessen Willen erfüllen.

Das Volk von VETRA wehrte sich aber und so wurde es gewaltsam auf die RITALOUS gebracht. Es kostete viele das Leben. Es gelang schließlich die Flucht und die Artgenossen von VETRA waren seither auf der Flucht. Die Wissenschaftler wussten, dass RITALOUS sie nicht ziehen lassen würde und so entwickelten sie eine Möglichkeit, die Bewusstseine in einen Plasmabehälter zu übertragen, nachdem die sterblichen Hüllen versagten. So entstand das Geisteswesen VETRA. Es reiste durch die Sternenportale und ließ sich schließlich bei den Vetranern nieder, ehe RITALOUS erneut auftauchte und diese zusammen mit den Clarks in sich aufnahm.

*

Zirka zwei Stunden, nachdem Zlera dem Kommandanten der IVANHOE die Vergangenheit VETRAs erzählt hatte, traf sich die Hohepriesterin mit dem General Farada und Xavier Jeamour in einem der großen Säle des Palastes. VETRA selbst war nicht zugegen. Was auch niemanden verwunderte. Die Göttin war an sich ein Wesen, das sich selten blicken ließ. Der General Farada war für sämtliche kriegerischen Handlungen außerhalb der Stadt zuständig. Seien es Streitigkeiten oder Verbrechen unter Vetranern, oder auch Auseinandersetzungen mit der insektoiden Rasse, die unter Vetranern Clarks genannt wurden. Zlera war für alles andere zuständig. Das bedeutete: Alles, was in der Stadt geschah. Sie war auch die oberste Richterin, die selbst die Todesstrafe verhängen konnte.

Seit sie hier auf der Ebene waren, war die Verbrecherrate allmählich gestiegen. Auf dem Planeten Vetra selbst waren Verbrechen äußerst selten gewesen. Aber hier auf der Ebene, in diesem gigantischen Raumschiff, hatte es sich bei diesen mittelalterlichen Bedingungen zum Schlechten verändert. Früher war die Göttin VETRA für die Vetraner Ein und Alles. Aber hier auf der Ebene sahen sie in ihr nicht mehr den Schöpfer allen Lebens. Zwar ein höheres Wesen, aber das war es auch schon. Einzelne Vetraner begannen sich Gedanken zu machen, wie sie sich selbst ein besseres Leben schaffen konnten, und sei es auf Kosten anderer. Sie kamen ab von der Lehre VETRAs, dass jeder den anderen hilft so gut es geht. Manche schreckten auch vor Mord nicht zurück. Es wurde immer schlimmer. Grund dafür war, dass nicht genug Platz für ein sich vermehrendes Volk vorhanden war, geschweige denn für zwei Völker. Es konnten bald nicht mehr alle versorgt werden. Zlera hatte eingegriffen und eine Geburtenkontrolle angeordnet. Ziel war es, eine Bevölkerungszahl zu halten, die gerade noch gut ernährt werden konnte. Trotzdem wurde es langsam immer schlimmer.

»Wir müssen irgendetwas tun, um den Frieden und Wohlstand unseres Volkes wieder herzustellen. Die Lage wird immer schlimmer«, sprach Zlera.

»Das sagt ihr schon seit Monaten, Hohepriesterin. Aber die Lösung haben wir noch nicht gefunden. Die Leute haben den Glauben an VETRA verloren. Sie sind unzufrieden, ihr ganzes Dasein in dieser Stadt und dem bisschen Land rundherum zu verbringen. Dann sind da noch die Clarks, die gelegentlich mal angreifen. Wir sollten diese Insektenbrut endlich mal von dieser Ebene vertreiben. Dann haben wir den doppelten Platz zur Verfügung um Felder anzubauen und Vieh zu züchten«, forderte Farada.

»Ihr wisst so gut wie ich, dass die Clarks uns überlegen sind. Sollten die einmal auf die Idee kommen, uns mit ihrer gesamten Streitmacht anzugreifen, dann Gnade uns VETRA. Wie sollten wir es dann schaffen, ihre Stadt zu vernichten?«

»Zuerst sollten wir mal die Schlucht verbarrikadieren, die unsere beiden Länder verbindet. Dann haben sie keinen Zugang mehr in unser Land.«

»Nein!«, sagte die Priesterin bestimmend, »und wenn Ihr mir das noch 100 Tage lang vorschlagt, Farada. Nein.«

Bevor der General etwas erwidern konnte, mischte sich der Kommandant der IVANHOE in das Gespräch ein. »Verzeihung! Aber warum eigentlich nicht die Schlucht dicht machen? Damit seid ihr dann ja die Überraschungsangriffe auf die Bauern auf den Feldern und auf die Stadt los.«

Zlera seufzte und antwortete, »Weil VETRA uns verboten hat, es zu tun. Den Grund hat sie uns nicht gesagt.«

»Oh. Ich würde gerne mal mit VETRA sprechen, Glauben Sie, sie wird mich irgendwann empfangen?«

»Das ist allein VETRAs Entscheidung, ob und wann sie sich Ihnen offenbart.«

In diesem Moment näherte sich einer der Bediensteten und ging auf Zlera zu. Alle Anwesenden verstummten. Der Diener verneigte sich vor der Priesterin und sprach: »Herrin! Soeben sind zwei Boten von RITALOUS vor den Toren unserer Stadt erschienen und verlangen, zu VETRA persönlich vorgelassen zu werden.«

Zlera bedankte sich bei dem Diener und erhob sich. »So gern ich auch noch weiter mit euch diskutieren möchte, muss ich mich jetzt wichtigeren Dingen zuwenden. Meine Herren!«

»Das verstehen wir voll und ganz, Hohepriesterin. Ich werde noch etwas bei Kommandant Jeamour bleiben und mit ihm noch Kleinigkeiten zwecks Eingliederung seiner Mannschaft in unsere Zivilisation besprechen.«

Zlera nickte kurz und verließ den Saal. Während sie sich zu den Gemächern VETRAs aufmachte überlegte sie, was es bedeuten konnte, dass zwei Rasuks eine Nachricht überbrachten.

Eine Göttin stirbt? Das konnte sich kein Vetraner vorstellen. Für diese war VETRA unsterblich. Doch die Hohepriesterin wusste es besser. Sie war die engste Vertraute der Göttin. VETRA hatte ihr ihre Lebensgeschichte erzählt. Wie sie von einem normalen sterblichen Geschöpf zu dem wurde, was sie jetzt war. VETRA hatte ihr das alles offenbart und sie alterslos gemacht. Das wiederum wirkte nur, wenn sie in der Nähe der Göttin blieb. Deswegen verließ sie nie die Stadt. Kurze Zeit später erreichte sie die Privatgemächer der Göttin. Die Wachen vor deren Eingang öffneten ihr und sie betrat die große Eingangshalle. Sie war hell erleuchtet durch eine Technik, die die Hohepriesterin selbst nicht verstand. Nur dass VETRA an den Wänden die Molekularstruktur geändert hatte, sodass diese Licht von sich gaben. Ein raubkatzenähnliches Tier kam ihr entgegen, fauchte kurz und schmiegte sich an Zleras Hüfte. Die Priesterin musste sich an einer der Mauern stützen, um nicht von der Masse des bis zu ihrer Hüfte reichenden Tieres zu Boden gerissen zu werden. »Hallo du! Sei bitte etwas vorsichtiger mit mir. Du könntest mich sonst noch verletzen.«

Die große Katze gehorchte mit einem langgezogenen Schnurren und ließ von der Frau ab. »Sei so nett und bring mich zu deiner Herrin. Ich bringe Neuigkeiten.«

Das Raubtier drehte sich um und verschwand in einem der Gänge. Zlera folgte. Sie kamen an einer Reihe von Türen vorbei und hielten vor der der Badehalle an. Ein junger, kräftig gebauter Mann öffnete ihr. Er war nur in kurze Hosen gekleidet. Im Schwimmbecken erblickte sie VETRA, nackt auf dem Rücken schwimmend. Sie befand sich noch immer im Körper der jungen Priesterin, den sie übernommen hatte. Und das schon seit 300 Jahren. Der Körper war seitdem nicht eine Sekunde gealtert. Zlera blieb abwartend vor dem Beckenrand stehen, bis VETRA ihr Aufmerksamkeit schenkte.

»Zlera! Welche Nachrichten bringst du mir?«

»Es sind zwei Boten von RITALOUS vor unseren Toren erschienen.«

VETRA tauchte unter und an den Beckenrand. Dann schwebte sie elegant aus dem Wasser und landete sanft vor der Hohepriesterin. Zwei männliche Bedienstete bedeckten ihren nackten Körper. »Und was wollen sie?«

»Sie wollen Euch persönlich eine Nachricht überbringen.«

»Ach! Wollen sie?«, lachte VETRA. Zlera merkte, dass sie sich in den letzten Wochen relativ gut erholt hatte. »Dann bring sie her. Bin mal gespannt.«

»Sehr wohl, VETRA.«

Zirka eine halbe Stunde später wurden die beiden Rasuks in einem der Hofgärten von VETRA persönlich empfangen. Sie schwebte zwischen den Bäumen und naschte von deren Früchten. Nabir spürte augenblicklich, dass dies keine gewöhnliche Vetranerin war. Sie war von einer Art unsichtbarer Aura umgeben, die ihn unruhig machte. Ein Seitenblick auf Zuja genügte um festzustellen, dass auch sie sich nicht wohl fühlte.

»Ihr sollt mir also was überbringen von RITALOUS?«, fragte VETRA ohne die Rasuks eines Blicks zu würdigen. Nabir gab sich einen Ruck und schwebte ihr entgegen. Was sollte ihm denn schon passieren? Er stand unter RITALOUS' Schutz und war somit unangreifbar für alle Bewohner des Raumschiffes, redete er sich ein. Doch eine Ahnung, dass er sich vor einem mächtigen Wesen befand, das ihn trotzdem töten konnte, ließ sich aus seinen Gedanken nicht vertreiben. »Diese Schachtel sollen wir Euch übergeben, falls Ihr die seid, die man VETRA nennt.«

Die junge Vetranerin lachte amüsiert. »Ja, ich bin VETRA. Das wird euch jeder hier bezeugen können.«

»Gut, ich glaube Euch. Hier, nehmt es an Euch. Meine Begleiterin und ich haben noch viel zu erledigen und müssen leider sofort aufbrechen, um unseren Terminplan einzuhalten«, log der junge Nabir. Er wollte nur weg von diesem Geschöpf.

Die Vetranerin blickte die zwei Rasuks das erste Mal an. Langsam schwebte sie zu Boden und landete sanft. »Kann es sein, dass du dich vor mir fürchtest, kleiner Rasuk?«

»Warum sollte ich? RITALOUS beschützt mich.« Obwohl er diese Worte aussprach, glaubte er anhand der mächtigen Aura Veras fast nicht mehr daran.

Die Vetranerin lächelte und kam einen Schritt näher. Nabir wich ängstlich zurück. Seine Gefährtin versteckte sich mucksmäuschenstill hinter ihm. Nabir wusste, dass sie das nicht lange aushalten würde. Er war der einzige, der sich ruhig an einer Stelle halten konnte. »Hier habt ihr euer Paket«, sprach er schnell und hielt es VETRA entgegen. Diese nickte und nahm es schweigend an.

In diesem Moment hielt es Zuja nicht mehr aus. Sie musste ihrem Bewegungsdrang freien Lauf lassen, da sie glaubte, sich sonst übergeben zu müssen. Wie aus einer Kanone abgeschossen raste sie zum Ausgang des Gartens. Doch dort befand sich eine für sie grässlich aussehende Kreatur. Ein wildes Raubtier, das ihr seine großen, tödlichen Zähne zeigte. Zuja bremste prompt ab und wich nach rechts aus. Ein Baum kam ihr rasend schnell entgegen. Gedankenschnell wich sie seitlich aus und bremste abermals ab. Eine Steinwand versperrte ihr den Weg. Sie drehte sich auf der Suche nach einem Fluchtweg um. Es war so eng hier und dieser starke, dumpfe Druck in ihrem Kopf machte sie fast wahnsinnig. Nabir und VETRA starrten sie an und sprachen auf sie ein. Aber sie konnte kein Wort verstehen. Der Druck ließ sie keine Geräusche mehr aufnehmen. VETRA hob eine ihrer Hände und kam auf sie zu. Da setzte Zujas Verstand vor grenzenloser Angst ganz aus. Mit einem lauten Schrei raste sie einfach geradeaus. Knapp vorbei an VETRA, dann an Nabir auf die gegenüberliegende Wand zu. Nabir schrie. Er sah das Unausweichliche kommen. Dann kam der Aufschlag. Doch es war nicht die Wand, auf der die junge Rasuksfrau aufschlug, sondern der weiche, fällige Körper der Raubkatze, die sich schützend davor geworfen hatte. Der Schwung hatte trotzdem ausgereicht, um beide gegen die noch einen Meter entfernte Wand zu werfen.

*

Nabir war sprachlos. Was war nur in Zuja gefahren, dass diese so ausrastete? Er hatte zwar auch Angst gehabt, aber das? Wenn das Tier nicht gewesen wäre, dann würde Zuja jetzt tot sein. So hatte sie sich laut VETRA ein paar Knochen gebrochen. Die Raubkatze selbst war schlimmer dran. Sie hatte innere Blutungen. Zuja war ihr mit sehr starker Wucht in die Magengrube gerast. VETRA kümmerte sich liebevoll um beide. Zuja war nicht bei Bewusstsein. Nabir schwebte besorgt daneben. Vorbei war die Angst von zuvor. VETRA erklärte ihm, dass sie nur eines der beiden Wesen heilen könnte. Sie hätte nicht mehr die Kraft von früher. Was sie damit meinte, verstand er nicht genau. Es war ihm auch egal. Er wollte, dass es Zuja wieder gut ging. Aber war es gerechtfertigt, dass dafür ein Tier sterben musste?

Zwischenspiel: Silja

Als das blaue Leuchten kam, zog sie sich schnell zurück und löste ihren Hologrammkörper auf. Danach holte sie sich sämtliche derzeitige Daten über alles, was ihr wichtig erschien. Von der Ortung bis zum jetzigen Raumschiffzustand. Sofort merkte sie, dass alle Besatzungsmitglieder bewusstlos zu Boden gesunken waren und kurz darauf unsichtbar wurden. Der Posbi Lorif schien davon nicht betroffen zu sein. Dieser wanderte ziellos durch die Zentrale, als hätte er keine Kontrolle mehr über sich. Das gegnerische Schiff hatte mit seinen Angriffen aufgehört. Warum? Das wusste niemand. Silja hätte zwar sicher eine Möglichkeit gehabt, auf die GRASSEL überzuwechseln und dort nach dem Rechten zu sehen, aber sie wollte die IVANHOE, ihre neue Heimat, nicht verlassen. Gespannt wartete sie auf das weitere Geschehen. Kurze Zeit später orteten die Orter der IVANHOE ein gigantisches Objekt in zweihundert Kilometern Entfernung. Die IVANHOE wurde von einem Traktorstrahl erfasst. Gleichzeitig übernahm ein fremdes Programm EINSTEIN. Silja zog sich zurück und stellte sich tot. Das terranische Raumschiff wurde in einen Hangar gezogen und mit energetischen Magnetfeldern fixiert.

 

Fluchtversuche

Wieder war eine Konferenz einberufen worden. Von den Terranern kamen Xavier Jeamour, sein erster Offizier Jonathan Fraces und der Oxtorner Irwan Dove. Sie wurden von General Farada im Thronsaal empfangen. Es waren in der Mitte des Saales Tische und Stühle aufgestellt worden. Der Vetraner bot ihnen an, sich zu setzen. »Ich würde sagen, kommen wir gleich zur Sache. Wir haben heute von den Rasuks ein Schriftstück erhalten. Angeblich soll es eine Möglichkeit geben, ein für alle Mal den Krieg gegen die Clarks beenden zu können.«

Jeamour runzelte seine Stirn, »Ach, das sind dann ja gute Nachrichten. Und wie genau sieht diese Möglichkeit aus, General?«

Farada trank einen kräftigen Schluck des bierartigen Getränks, das in Krügen vor ihnen auf den Tischen stand. Die Vetraner erzeugten es aus verschiedenen Pflanzensäften, die hier in der Ebene wuchsen.

»Angeblich soll ein unbekannter, einflussreicher Freund VETRAs die Möglichkeit haben, für einen kurzen Moment VETRA ihre vollen Psimöglichkeiten ausschöpfen zu lassen. Wie ihr sicherlich wisst, kann sie das nur hier in unserer Stadt und selbst dann nur zu einem Bruchteil ihrer Macht.«

»Aber was will sie in diesem kurzen Moment machen? Und wie reagiert RITALOUS danach darauf?«, wollte Dove wissen.

»Wir wollen versuchen, den größten Teil der Clarksstreitmacht in die Schlucht zu treiben, die unsere Ländereien von den ihren trennt. Dort werden wir sie angreifen und VETRA wird versuchen, sich die Insektoiden im entscheidenden Moment einzuverleiben. Sie in sich aufzunehmen.«

Dove sah ihn zweifelnd an. »Mal angenommen ihr schafft es wirklich, die Clarks in die Schlucht zu bekommen. Und VETRA nimmt alle in sich auf. Wie wird RITALOUS darauf reagieren? Wird er sie denn nicht bestrafen oder einschreiten und es verhindern?«

»Laut VETRA nicht.«

»Na toll. Was sollen wir dabei tun?«

Farada grinste, »Da wir unsere Streitmacht auch zur Schlucht versetzen, bittet VETRA euch, auf die Stadt aufzupassen während wir weg sind. Sie will nicht, dass ihr mitkämpft. Es ist nicht euer Krieg.«

Xavier überlegte kurz, während er sich Bier nachschenkte. »Ich schätze mal, eure Herrin wird sich dieses Vorhaben nicht mehr ausreden lassen.«

»Das stimmt, und alles was sie vorhat und befiehlt, werden wir unterstützen und befolgen.«

»Ok. Aber sagt mal. Wie wollt ihr die Clarks alle auf einmal in die Schlucht locken?«

»Wir werden einen Trupp Männer ins Clarkgebiet schicken und dort unsere Leute befreien, die gefangen gehalten werden, bis die Clarkkönigin mal wieder Hunger verspürt. Mit dieser Aktion werden wir die Clarks herausfordern uns anzugreifen, denn sie können es überhaupt nicht leiden, wenn wir auf ihrem Gebiet sind. Wenn wir dann noch ihren Essensvorrat ausrauben, werden sie sicher kommen, um uns bestrafen zu wollen.«

»Wie hoch sind die Chancen, dass eurem Trupp die Befreiungsaktion gelingt und sie lebend zurückkommen?«

»Leider nicht sehr hoch«, seufzte der Oberst.

Irwan Dove wandte sich an den Kommandant. »Sir. Ich hätte da einen Vorschlag.«

»Sprechen Sie, Dove.«

»Am besten für alle wäre es, wenn ich und Göllers Martijin gehen. Wir sind um vieles schneller, stärker und widerstandsfähiger.«

»Nein«, sprach Farada energisch. »Unsere Herrin will nicht, dass sich die Terraner einmischen. Ihr seid unsere Gäste. Ich weiß, ihr seht stark aus, vielleicht seid ihr es ja auch wie ich hörte, aber VETRA würde das nicht erlauben.«

Dove sah ihn grimmig an. Xavier wartete das weitere Geschehen ab. Dann erwiderte der Oxtorner. »Nicht wenn ihr eurer Göttin erzählt, wie stark wir wirklich sind.«

Farada lachte, »Ihr gefallt mir, junger Mann. Dazu müsstet ihr schon sehr stark sein.«

Irwan blickte fragend Jeamour an. Dieser seufzte kurz und nickte dann.

»Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Major.«

Dove erhob sich und sah sich kurz um. Dann grinste er. »Kommen Sie bitte alle raus in den Kasernenhof. Ich werde Ihnen unsere Stärke von Göllers vorführen lassen.«

Als sie draußen ankamen rief Dove nach dem anderen Oxtorner, welcher gerade auf einem Mauervorsprung saß und in der Sonne dahindöste. »Leutnant Göllers, könnten Sie bitte unter allen Umständen dort sitzen bleiben, egal was passiert?«

»Ja, Sir!«, sprach dieser und döste weiter.

»Gut. Oberst könnten sie bitte zehn starke Männer zu sich rufen und ihnen befehlen, Göllers von dort runter zu zerren?«

»Aber natürlich, dafür habe ich genau die Richtigen.« Nach ein paar Minuten waren alle vor dem angeblich schlafenden Oxtorner angetreten.

»Also, ihr dürft Seile und Knüppel benutzen, um ihn runter zu bekommen. Wer es schafft, den lade ich höchstpersönlich zu einer Zechtour durch sämtliche Spelunken ein und zahle alles«, erklärte Dove.

Lautes Lachen der Männer antwortete ihm. Auf Hilfsmittel würden sie verzichten. Mit bloßen Händen würden sie es schaffen, sprachen sie und machten sich an die Arbeit. Zehn Minuten später waren sie mit Seilen bewaffnet, die sie an die Beine Göllers banden und zogen. Doch nicht der geringste Erfolg stellte sich ein. Bald danach gaben die Männer sich geschlagen. General Farada sah ungläubig auf den sitzenden Mann, der noch immer dahindöste. Dove lächelte schadenfroh, wollte aber sicherheitshalber noch einen Beweis liefern.

»Leutnant! Könnten Sie sich bitte woanders hinsetzen und die Sitzgelegenheit gleich mit nehmen?« Während er zusah, wie Göllers sich erhob und streckte, sah er im Augenwinkel Xavier Jeamours missbilligenden Blick. Martijin beugte sich nach unten, riss beiläufig den Vorsprung aus der Mauer und marschierte damit zur andern Seite des Platzes. Das war dem General Beweis genug gewesen.

»Ich werde Zlera den Vorschlag unterbreiten. Aber mehr kann ich nicht tun.«

»Ich danke Euch. Bitte entschuldigt den Schaden an der Mauer. Natürlich werden Major Dove und Leutnant Göllers den Schaden beheben und alles wieder so machen wie vorher«, entschuldigte sich Jeamour, wobei er den letzten Satz betonte.

Zwischenspiel: Silja

Silja merkte, dass sämtliche Daten und Informationen runtergeladen wurden. Sie nutzte die Verbindung und ließ sich unbemerkbar mit all den anderen Daten übertragen. Sie fand sich in einem gigantischen Rechner wieder. Doch kaum angekommen, wurde sie auch schon von einer Art Viruskiller gejagt. So wechselte sie von Datenstrang zu Datenstrang. Aber das Killerprogramm ließ sich nicht abschütteln und war ihr dicht auf den Fersen. Dann fand sie eine Datenübertragung auf einen einfachen Roboter, welche gerade stattfand. Sie kopierte sich und ließ Silja2 gegen den Viruskiller kämpfen. Während Silja2 anfing, Daten zu vernichten und in die Befehlscodes des Hauptcomputers eingriff, um größtmöglichen Schaden anzurichten, setzte sich Silja1 heimlich ab. Sie wechselte auf den Robot über und verhielt sich ruhig. So erlebte sie mit, wie Silja2 ohne eine Chance der Gegenwehr von dem Killerprogramm ausgelöscht wurde. Silja2 hatte zuvor noch die Schiffstriebwerke offline geschaltet und siebzehn kleine Beiboote in drei Hangars gesprengt. Silja1 war daraufhin um vieles vorsichtiger geworden. Dieser neue Schiffscomputer war EINSTEIN um Generationen überlegen. Sie durfte nicht den kleinsten Fehler begehen, sonst wäre es vielleicht ihr letzter gewesen.

Behutsam und mit viel Geduld machte sie sich daran, Informationen zu sammeln. Zwei Tage später wurde sie aktiv. Sie schickte ein Paket an die Rasuks.

 

Die Clarks

Ein Rascheln ließ den Alpha-Clark, wie die Vetraner diese Clarkart nannten, zusammenzucken. Sofort übernahm er die geistige Kontrolle über die zwei Beta-Clarks, mit denen er hier vor dem Lager der Gefangenen Vetraner zur Wache eingeteilt war. Während er einen der körperlich überlegenen Betas zu der Stelle schickte, von wo er die verdächtigen Geräusche vernommen zu haben glaubte, ließ er den anderen sich schützend vor sich stellen. Der Beta, der unter der Kontrolle des Alphas nach dem Rascheln sah, stutze kurz und teilte dem Alpha telepathisch mit, dass sich im Gebüsch ein haarloser Vetraner befand, der sich darin zu verstecken versuchte. Daraufhin gab Alpha ihm den Befehl, den Humanoiden herzubringen. Dieser folgte ohne zu zögern und schleppte den Vetraner vor den Alpha. Alpha sah die zitternde Gestalt am Boden und schickte die beiden Betas hinter sich. Der Vetraner versuchte zu fliehen, aber der Alpha-Clark war schneller und hielt ihn an einer Hand fest, damit dieser nicht entkommen konnte. Innerlich triumphierte er. Für so einen einzelnen, waffenlosen, vor Angst winselnden Vetraner brauchte er die körperlich stärkeren Beta-Clarks nicht. Den würde er alleine töten. Langsam hob er einen seiner kräftigen Greifarme, um zuzuschlagen. Sicher würde er mit nur einem Schlag dem Humanoiden den Schädel spalten.

Hätte Alpha jedoch die Mimik des vermeintlichen Vetraners richtig deuten können, wäre er anderer Meinung gewesen.

Denn dieser war in Wirklichkeit ein Oxtorner und dieser lachte jetzt, anstatt zu winseln. Ein Oxtorner, der sich über das Gelingen seines Planes freute. Er hatte sich vorgenommen gehabt, so nah wie nur irgendwie möglich an den Alpha-Clark ranzukommen, bevor dieser einen telepathischen Hilferuf senden konnte. Mit den zwei Beta-Clarks zuvor zu kämpfen und dann noch rechtzeitig an den Alpha ranzukommen, hätte er nie geschafft. Also hatte er den Alpha täuschen müssen. Er hatte sich als angstvoller, unbewaffneter Vetraner getarnt und sich in einem Busch versteckt. Danach war es ein Kinderspiel. Die Clarks hatten ihn recht bald entdeckt.

*

Der Alpha-Clark holte provozierend langsam zum tödlichen Schlag aus. Dann schlug er zu. Jedoch erreichte sein Arm nie den Kopf des Oxtorners. Dieser konterte seinerseits mit seiner Rechten, während gleichzeitig seine Linke Richtung Halsansatz seines Gegenübers vorschoss und diesen durchschlug. Der Clark hielt inne. Als Leutnant Irwan Dove seine mit grünlichem Blut durchtränkte Hand zurückzog, sank sein Gegner leblos zu Boden.

Die beiden Beta-Clarks schwankten kurz, dann fingen sich wieder und sahen sich um, als ob sie aus einem Traum erwacht wären. Der Oxtorner beobachtete sie angespannt. Jedoch kümmerten sie sich nicht um ihn, sondern stürzten sich auf die Leiche ihres Anführers und zerlegten sie. Dove schüttelte den Kopf und sprach »Die Vetraner haben die Wahrheit gesagt. Kaum ist der Alpha tot, verlieren die Betas ihre Intelligenz und werden zu Tieren, die nur mehr darauf bedacht sind, die Vorratslager des Baus zu füllen, und sei es mit den eigenen Leichen.«

»Ich frage mich, wie die es geschafft haben, ins Raumzeitalter zu kommen?«, antwortete eine Stimme aus dem Gebüsch rechts neben ihm. Dove lachte.

»Komm endlich aus dem Gestrüpp heraus, Martijin. Wir haben noch was vor, falls du dich erinnern kannst. Komm, hilf mir, die Steinplatte zur Seite zu schieben, damit wir die Vetraner aus dieser Höhle befreien können, bevor irgend ein anderer Alpha hier auftaucht.«

*

Eine große Steinplatte versperrte den Höhleneingang. Für die beiden Oxtorner war es ein Leichtes, sie zur Seite zu bewegen. Der Gang dahinter war so groß und breit, dass die zwei ohne Probleme darin gehen konnten. An den Wänden befanden sich künstlich befestigte Pflanzen, welche bläuliches Licht ausstrahlten. »Hm, sieht richtig gemütlich aus. Bitte nach dir, Chef.«

Dove lachte: »Oh danke. Also dann wollen wir mal.«

Nachdem sie zirka 40 Meter zurückgelegt hatten, bog der Gang nach rechts und sie blickten in ein Gewölbe. Es hatte eine Länge von 60 Metern und eine Breite von 50 Metern, die Höhe betrug etwa 20 Meter. In ihr fanden die zwei Männer 15 Frauen und 10 Männer vor, die auf moosartigen Gewächsen schliefen. »Ich grüße euch, Vetraner. Wir wurden geschickt, um euch zu retten«, rief Göllers in die Runde.

Verwundert sahen die Gefangenen die Oxtorner an. Dann brach Jubel aus und die zwei wurden freudig willkommen geheißen. Dove bestand darauf, sofort aufzubrechen. Gegenstimmen gab es keine.

*

Als es finster wurde, befanden sie sich am Rande einiger von Clarks bepflanzten Feldern. Dove entschied, sich wieder etwas tiefer in die hohen Felder zurückzuziehen und dort ein Lager aufzuschlagen. Ein Feuer zu machen, verbot sich von selbst. Die Gefahr, gesehen zu werden, war zu groß. Sie legten sich einfach zwischen die mannshohen Pflanzen und nahmen ihre Rationen ein. Dabei unterhielten sie sich über das weitere Vorgehen.

»Wir müssen es also nur bis zur Schlucht schaffen, sagst du?«, fragte Kaja, eine der Vetranerinnen.

»Genau. Wenn wir dort sind, wird eure Gottkönigin persönlich mit ihren Kriegern auf uns warten und unsere Verfolger angreifen«, erklärte ihr Göllers Martijin.

Die Frau schwieg kurz und aß ein Stück des Brotes, das sie in der Hand hatte. Dann sprach sie ehrfurchtsvoll, »Die Göttin VETRA hat seit ich denken kann keinen Fuß vor unsere Stadt gesetzt. Wenn sie das wirklich macht, dann muss etwas Besonderes geschehen sein.«

Dove nickte »Ja, angeblich soll ein anonymer Freund von euch Vetranern dafür sorgen, dass sie außerhalb der Stadt für die Zeit des Angriffes auf unsere Verfolger ihre Psikräfte benutzen kann.«

»Aber wer passt inzwischen auf die Stadt auf? Niemand kann sagen, dass es keine Clarkstruppen in unserem Hoheitsgebiet gibt, welcher nicht gerade diese Situation ausnützt und die fast leere Stadt angreift, nachdem er zusah, wie alle die Stadt verließen?«

»Für diesen Fall ist die Besatzung der IVANHOE da, die aufpasst. VETRA hat den Terranern verboten, aktiv am Angriff teilzunehmen. Deswegen hat sie Kommandant Xavier Jeamour die Verteidigung der Stadt überlassen. Keine Angst. Er wird diese schon zu verteidigen wissen.«

Ein Ruf eines Duga erklang dreimal hintereinander. Dugas waren so groß wie ein terranischer Waschbär, sahen dem auch entfernt ähnlich und hatten grünes Fell. Ein harmloser Pflanzenfresser, der überall in der Ebene vorkam. Es war also ganz normal, eines von diesen Tieren zu hören. Aber dreimal hintereinander hatte eine gefährlichere Bedeutung. Sie hatten, bevor sie Pause machten, Wachen eingeteilt. Diese hatten die Anweisung bekommen, bei Gefahr drei Mal hintereinander den Ruf eines Dugas erklingen zu lassen.

»Verflucht«, zischte Dove »Sie sind früher da, als ich dachte«, und stand auf.

»Was machen wir denn jetzt?« erkundigte sich Kaja nervös.

»Wir werden uns trennen. Ihr bleibt hier in den Feldern und wartet bis zum Morgengrauen ab. Wenn wir bis dahin noch nicht zurück sind, geht ohne uns weiter«, sprach Irwan.

»Ok, werden wir machen. VETRA sei mit euch!«

»Danke. Martijin! Wir werden den Clarks eine falsche Fährte legen. Unser Vorteil ist, dass wir schneller laufen können als sie. Komm!«

»Schon unterwegs!«

*

Nachdem die beiden Oxtorner sich leise vom Lager der Vetraner etwa hundert Meter fortgeschlichen hatten, fingen sie laut grölend zu laufen an. Kurze Zeit später befanden sie sich am anderen Ende des Feldes und verließen es. Hinter ihnen waren jetzt sich schnell bewegende Körper zu hören, die ihnen hinterher rasten.

»Stopp!«, rief Dove, drehte sich um und zog das vetranische Schwert. Auch Göllers bremste sich ein. Er hatte noch immer sein altes terranisches Samureischwert mit, welches sein größter Schatz auf der IVANHOE gewesen war.

»Wir greifen an und setzen uns gleich danach wieder ab, weiter auf den Wald zu«, rief Irwan und rannte wieder auf das mannshohe Feld zu. Martijin folgte ihm. Drei Betaclarks kamen auf sie zu. Sie erstarrten kurz, als sie die zwei Oxtorner sahen, die auf sie zurannten. Göllers vermutete, dass sie telepathischen Kontakt mit einem Alphaclark hatten und auf dessen Befehle warteten. Dieser müsste nicht allzu weit entfernt sein. Die Betas mussten sich in einem ungefähren Radius von 50 Metern befinden, um von einem Alphaclark unter Kontrolle gehalten werden zu können. Drei Sekunden später kam es zum Kontakt. Dove riss seine Waffe hoch und sprang auf den ersten Clark zu. Während sein Schwert krachend die Schädeldecke des Gegners durchbrach, schrie er, »Alpha!«

Mehr musste er nicht von sich geben. Göllers wusste sofort, was sein Vorgesetzter von ihm verlangte. Er tauchte unter einem auf ihn zurasenden Clarksschlagarm hinweg und rannte ins Feld. Dort fand er sein Ziel. Der Alpha kam ihm geradewegs entgegen, bremste sofort ab und wollte die Flucht ergreifen. Doch dem laufenden Oxtorner konnte er nicht mehr entkommen. Dieser tötete das Insektenwesen, während er sich selbst abbremste und schließlich stehen blieb. Dann lief er zurück in die Richtung, aus der er gekommen war, um Irwan Dove zu Hilfe zu kommen. Als er aus dem Feld kam, sah er seinen Vorgesetzten schwer atmend inmitten dreier Clarksleichen stehen. An der rechten Hand blutete er.

»Nur ein Kratzer. Nicht der Rede wert«, antwortete Irwan auf den besorgten Blick. »Wir müssen weiter zum Wald. Der Rest der Bande wird sicher auch jeden Moment hier sein. Dann wird es sicher nicht mehr so leicht sein, wie gerade eben.«

Göllers Martijin stimmte ihm zu. So brachen sie wieder auf. Als sie die Lichtung überquert hatten und den Wald erreichten, blickten sie im Schutz der Bäume zurück. Vor dem Feld befanden sich jetzt ein Dutzend Betaclarks und zwei Alphas, die gerade die Leichen ihrer Artgenossen untersuchten. Doch da war noch ein anderes Wesen, das etwas grösser war als die Betas, und auch stärker gebaut.

»Wow, was ist denn das für ein Ding? Kann mich nicht erinnern, dass die Vetraner etwas von dieser Art erzählt hätten«, wunderte sich Irwan Dove.

»Vielleicht ist es so was wie die oxtornische Version von Clarks«, scherzte Martijin. »Schau nur. Das Vieh sieht direkt zu uns herüber. Als wüsste es, wo wir hier versteckt sind.«

Dove nickte, während er seine Wunde untersuchte. Es waren tatsächlich nur Kratzspuren. »Du könntest Recht haben. Vielleicht ist es auch nur Zufall, dass es hierher schaut. Und außerdem … Verdammt, jetzt kommt es auf uns zu, und das verdammt schnell!«

»Oh, du hast recht! Was machen wir, Boss?«

»Wir werden uns den großen Clark stellen. Sieh nur. Nur er kommt. Die anderen bleiben, wo sie sind«, entschied Dove.

Zehn Sekunden später blieb der riesige Clark 10 Meter vor ihnen stehen. Die beiden Oxtorner verließen das Versteck in der Mulde bei den Bäumen und traten dem Gegner gegenüber. Was sie überraschte war, dass auch der Clark bewaffnet war. Er trug in seinen Greifarmen eine 2,5 Meter lange hellebardenähnliche Waffe. »Na das ist ja mal was anderes. Ein Clark mit Waffe. Waren das noch Zeiten, als sie uns noch mit den bloßen Armen ins Jenseits befördern wollten«, zischte Göllers grinsend.

Dove nickte, »Bin gespannt, ob er damit auch umgehen kann? Wer macht den Anfang, seine Kampfkraft zu testen?«

»Ich werd beginnen, Boss. Bin gleich wieder da.«

»Optimist. Na dann viel Glück.« Göllers ging langsam auf den Clark zu und blieb vor ihm stehen. Dieser betrachtete ihn neugierig. Martijin verbeugte sich kurz vor dem Gegner und ging in Kampfstellung. Der Clark zeigte keine Reaktion. Er schien auf den Angriff des Oxtorners zu warten. So vergingen zwei Minuten, ohne dass einer der zwei Kontrahenten sich bewegte. Dove sah aus sicherer Entfernung zu und fragte sich, warum sie eigentlich nicht beide gleichzeitig den Clark angriffen. Vielleicht hatte es mit Fairness zu tun. Der Clark hatte seine Kameraden zurückgelassen, war alleine gekommen und schien die Oxtorner zu einem Zweikampf zu fordern. Und wenn der Clark schon mit so einen Verhalten ankam, dann würden die Oxtorner sich erst recht an die Ehre eines Kämpfers halten.

Im nächsten Augenblick griff der Clark an. Er raste mit immenser Geschwindigkeit auf den Oxtorner zu. Dieser wich seitlich aus. Dann standen beide wieder still. Dove wusste, dass dies nur ein Antasten war, bevor der echte Kampf begann. Er hoffte, dass Göllers dem größeren Gegner gewachsen war. Martijin grinste den Clark an. »Nicht schlecht, Großer. Ich freu mich schon, dich richtig zu vermöbeln, auf Oxtornerart«

Wieder griff das ameisenartige Wesen an. Dieses Mal schlugen ihre Waffen funkensprühend aufeinander. Immer und immer wieder. Keiner der beiden ließ dem anderen auch nur eine Sekunde Verschnaufpause. Jeder wartete auf einen kleinen Fehler des anderen, oder dass dem anderen zuerst die Luft ausginge. Dove spürte seine Nervosität in sich wachsen.

Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Oxtorner Martijin Göllers aus diesem Gerangel als Sieger hervor gehen konnte. Der Clark war wahrlich ein Meister seiner Klasse. Sein Kampfstill war bis auf das kleinste Detail ausgereift. Es schien, als würde er mit dem Oxtorner, der selbst ein wahrer Könner des Nahkampfes war, nur spielen. Martijin begann allmählich kleine Fehler zu begehen. Schon zweimal war er von einem Kampfarm des Clarks getroffen worden, wobei Göllers selbst nicht an den mächtigen Körper des Gegners herangekommen war. Der Oxtorner wurde müde. Längst war das Lächeln aus seinem Gesicht verschwunden. Jetzt war nur noch ein verzerrter, konzentrierter Blick zu erkennen.

Und da geschah es auch schon, was Irwan Dove befürchtet hatte. Der Clark hatte den Oxtorner mit einer Finte seiner Waffe getäuscht und danach mit seinem kräftigen rechten Sprungbein zugetreten. Martijin war auf die Finte reingefallen und konnte, als er den Fehler erkannte, nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Er wurde in der Magengrube getroffen und brach vor Schmerz stöhnend zusammen. Der Clark schnellte mit einem seiner vier Handlungsarme hervor, schnappte den Humanoiden, hob ihn hoch und schleuderte ihn von sich. Dove sah verzweifelt, wie sein Kamerad krachend auf einem Baumstamm aufschlug. Dieser hielt der Wucht nicht stand und fiel ächzend um. Göllers lag zwischen den Wurzeln und rührte sich nicht. Der Clark stand wieder still und bewegte kein Glied. Das nützte Dove aus und lief auf seinen Freund zu.

»Göllers, verdammt! Lebst du noch? Sag doch was?« Der Clark ließ ihn gewähren, blickte ihm jedoch mit seinen pechschwarzen leeren Augen nach. Martijin rührte sich noch immer nicht. Irwan beugte sich zu ihm hinunter, wobei auch er selbst den Gegner nie ganz aus den Augen ließ. Da hörte er ein leises, schwaches Flüstern.

»Wenn ich so tue, als würde ich nicht mehr leben, glaubst du, er lässt von mir ab, Chef?«

»Das kommt auf seinen Hunger an, denk ich mal. Oder das Bedürfnis, das Fresslager für sein Volk zu füllen. Aber ich denke, ich sage mal nein. Er lässt dich sicher nicht einfach liegen und verschwindet. Außerdem will er jetzt sicher mir zeigen, was für ein harter Bursche er ist.«

»Ich fühle mich, als hätte ein ausgewachsener Haluter auf mir herumgetrampelt. Wenn ich ein Terraner gewesen wäre, hätte ich keine Sekunde des Kampfes überlebt, Chef! Wir müssen irgendwie unsere Männer und die Vetraner von diesem Wesen warnen. Dieser Clark würde in der Schlucht mit ihnen aufräumen, dass es ärger nicht mehr geht.«

»Da gebe ich dir Recht. Ich wundere mich, dass die Vetraner von dieser Gattung nichts wissen. Aber es gibt noch Hoffnung. Ich kann ihn ja noch besiegen. Was ist mit dir? Wie stark sind deine Verletzungen?«

»Ich glaub, ich hab mir im Schulterbereich was gebrochen. Aber gehen werde ich schon können.«

»Gut. Dann wünsch mir Glück«

»Das brauch ich nicht. Ich weiß, du wirst gewinnen. Der Clark ist zwar etwas schneller und stärker als ich und du, aber er will uns beweisen, wie gut er ist und wie leicht er sich dabei tut, uns fertig zu machen. Das ist sein Schwachpunkt. Er wird einen Fehler machen. Er unterschätzt uns Oxtorner.«

Dove versuchte, ein Lächeln auf sein Gesicht zu bringen, aber es ging einfach nicht. Zu ernst war für ihn die Lage. Mit den Worten, »Vielen Dank für den Rat. Ich werde darüber nachdenken, während ich gegen ihn kämpfe«, stand er auf und ging auf den Gegner zu. Dieser wartete noch immer regungslos an der Stelle, an der er sich zuvor befunden hatte.

Dann standen sie sich gegenüber. Wieder agierte der Clark zuerst. Er machte einen kurzen Satz vor. Dove sprang reaktionsschnell rückwärts. Von der Ameise war ein »Klack, Klock, Klack«, zu vernehmen, während sie wieder innehielt.

Da kam ihm eine Idee. Eine die zwar riskant war, aber wenn sie funktionierte, war seine Chance, den Clark zu besiegen, immens gestiegen.

Übergangslos griff er an. Der Clark wehrte mühelos den Schlag des Schwertes ab und konterte. Dove spürte die Kraft des Wesens in dessen Schlägen. Sie war seiner etwas überlegen. Aber deswegen gab er nicht auf. Er kämpfte tapfer weiter, wobei er selbst nur etwa 80 Prozent seiner eigenen Kräfte benutzte. So merkte er auch gleich sofort, dass der Clark auf seinen Trick reingefallen war. Der Clark passte sich seiner Kraft an und spielte mit ihm, wobei er darauf schaute, den Kampf so lange wie möglich hinauszuzögern. Trotzdem wurde Dove mehrmals so getroffen, dass er dachte, er hätte sich etwas gebrochen. Plötzlich schlug ihm der Clark das Schwert aus der Hand und stieß den Oxtorner rückwärts, sodass dieser am Boden landete. Der Clark hob die Waffe des Oxtorners auf, betrachtete sie und warf sich dann weit von sich. Dove fluchte. Er hatte zulange gewartet, und nun war die Chance vertan, plötzlich überraschend mit allen Kraftreserven anzugreifen und so einen großen Vorteil einzuholen und den Clark zu töten. Jetzt war er waffenlos. Der Clark kam langsam auf ihn zu. Drohend hielt er dem Oxtorner die Clark'sche Hellbarde entgegen. Doves Gedanken rasten. Er suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Aufstehen konnte er jetzt nicht mehr. Er glaubte zu wissen, dass wenn er dies tun würde, der Clark ihn sicher sofort töten würde. Der Clark stand jetzt neben ihm. Wieder war dieses »Klack, Klock, Klack«, zu vernehmen.

Langsam robbte er rückwärts, bis das Schwert in greifbarer Nähe war. Der Clark beobachtete interessiert sein Opfer. Auch er hatte das Schwert gesehen. »Klack, Klack, Klock.«

Dann griff er mit seiner Linken nach der Waffe. Aber anstatt sie zu berühren, riss er seinen Körper sofort danach nach rechts. Die Clarkwaffe raste ungebremst in den Boden. Der Clark hatte ihm die Hand abschlagen wollen und war überrascht, dass er nicht getroffen hatte. Dove nutzte das aus, war schon wieder auf den Beinen und rammte den Gegner. Beide fielen zu Boden. Dies war der Moment, in dem Irwan Dove auf 100 Prozent ging. Er schlug immer und immer wieder auf den überraschten Gegner ein. Solange, bis dieser mit lauten quietschenden Lauten seine Bewegungen einstellte. Dove hielt verwirrt inne. Der Clark lag da wie versteinert und quietschte.

»Chef? Was macht ihr da drüben? Warum geht's nicht weiter?«, rief Martijin.

»Keine Ahnung! Er liegt hier vor mir und quietscht.«

»Vielleicht will er aufgeben.«

»Könnte sein«, behutsam stand Dove auf und ging rückwärts zu seinem Schwert. Als sich der Clark noch immer nicht rührte, hob er seine und auch Göllers Waffe auf. Martijin kam ihm mit verzerrtem Gesicht entgegen.

»Wir sollten sehen, dass wir verschwinden, bevor er sich es anders überlegt, Chef.«

Dove nickte, »Ok. Ziehen wir uns zurück, das Feld entlang, und wenn sie uns nicht verfolgen, kehren wir zu den anderen zurück.«

Und so machten sie sich auf. Die Clarks folgten nicht. Vorerst mal nicht.

*

Ein Hornsignal ertönte. General Farada sah auf.

»Das Signal«, flüsterte er. Das konnte nur eines bedeuten. Die Oxtorner hatten ihre Mission erfüllt und konnten die Gefangenen befreien. Ein Späher führte sie durch die Schlucht. Alleine würden sie vielleicht eine der vielen Fallen auslösen. So schnell er konnte verließ er sein Kommandozelt und rannte zum hölzernen Aussichtsturm, den die Vetraner vor kurzem fertiggestellt hatten, um besser in die Schlucht einsehen zu können, wenn die Clarks angriffen. Schwer außer Atem kam er oben an. »Berichte, Soldat!«

»Die Oxtorner haben vor kurzem mit ein paar Dutzend Vetranern auf der Clarkseite die Schlucht betreten.«

»Gut. Also ist somit der erste Teil der Mission erledigt. Jetzt müssen wir nur noch auf die Clarks warten.«

»Sir?«

»Ja, Soldat?«

»Glauben sie wirklich, dass der Großteil der Clarkarmee auf dem Weg hierher ist?«

Der General nickte. »Ja, das glaube ich. Diese Insektoiden haben schon immer aggressiv reagiert, wenn wir uns an ihrer Nahrung vergriffen haben. Und dieses Mal waren wir ganz böse und haben unsere eigenen Leute befreit, die als Mahlzeit für die Königin selbst vorgesehen waren. Na wenn sie das nicht wild macht, was dann?«

20 Minuten später erreichten die beiden Oxtorner das vetranische Lager.

Dove fing an zu berichten und vergaß auch nicht darauf hinzuweisen, dass es mindestens einen Clark gab, der anders als alle anderen war. Wie Irwan vermutet hatte, hatten auch die Vetraner noch nie was von diesem Clark gehört.

*

Einen Tag später war es soweit. Die Clarks kamen. Sie stürmten einfach in die Schlucht, ohne die geringste Vorsicht. Tausende von Beta- und Alpha-Clarks. Schon wurden die ersten Fallen ausgelöst. Die Insektoiden stürzten in Fallgruben und wurden aufgespießt. Andere folgten, als würden diese Gefahren nicht existieren. So waren die Fallen binnen kürzester Zeit so angefüllt, dass die nachfolgenden Clarks über ihre Artgenossen laufen konnten, ohne einer Gefahr ausgesetzt zu sein. Schon erreichten die ersten den großen Steinhaufen. Die Vetraner setzten ihre Bogenschützen ein. Die Katapulte schossen brennbare Kugeln in die feindliche Armee. Die vordersten Clarks versuchten, die Mauer zu erklimmen, rutschten aber immer wieder ab.

»Ja. Jetzt haben wir sie«, lachte grölend der General. Doch er hatte sich zu früh gefreut. Die Clarks änderten ihre Strategie. Sie wichen plötzlich von der künstlichen Steinmauer zurück.

»Was soll das denn?«, fragte Göllers, der mit Dove und dem General auf dem Aussichtsturm stand. »Sie werden doch nicht aufgeben?«

Dove runzelte die Stirn. »Nein. Ich denke, da steckt Absicht dahinter.«

Der General fluchte kurz und sprach: »Das denke ich …« In diesem Moment explodierte die Steinmauer und tötete dabei Hunderte von Vetranern, die sich auf ihr befunden hatten, und ebenso viele Clarks. Der General wurde bleich im Gesicht.

Dove zischte, »Verdammt. Wo haben die den Sprengstoff her? Das hat gesessen. Göllers, wir müssen hier runter. Ich pfeif auf das Verbot VETRAs, hier einzugreifen!«, und machte sich auf den Weg nach unten.

»Schon unterwegs, Boss!«

Als die beiden Oxtorner unten ankamen, herrschte Chaos. Ein Trupp Clarks hatte sich zum Katapult durchgeschlagen und kämpfte gegen die dortigen Männer. Überall war jeder in einen Kampf verwickelt. Nur durch eine Front waren die Insektoiden noch nicht durchgebrochen. Zweitausend schwer bewaffnete Vetraner hielten die Stellung vor der Sänfte VETRAs. Dove und Göllers liefen hinüber, ohne von den Kämpfenden beachtet zu werden. Da sahen sie auch schon den besonderen Clark. Er wütete unter den körperlich unterlegenen Vetranern.

 

Fluchthilfe

»Glauben sie, die Vetraner kämpfen schon, Kommandant?«, fragte James Fraces.

Xavier hob die Schultern »Keine Ahnung. Ich hoffe, sie gehen siegreich hervor. Wenn nicht, werden die Clarks uns bald auf die Pelle rücken.«

Er befand sich mit ein paar seiner Männer auf der Stadtmauer und blickte Richtung Schlucht. Leider war diese zu weit weg und durch Wälder verdeckt, als dass man sie hätte sehen können. Dafür sah er etwas anderes. Ein Rasuk näherte sich ihm aus einer Entfernung von 30 Metern. Warum er diesen nicht schon früher erblickt hatte, war ihm rätselhaft. Das kugelförmige Wesen schwebte zu ihm und sprach, »Bist du der Kommandant Xavier Jeamour?«

»Ja, der bin ich«, antwortete Jeamour.

»Dann hab ich was für dich« sprach der Rasuk und überreichte ihm eine kleine schwarze Schriftrolle.

»Habt Dank, Rasuk«

Der Rasuk entfernte sich wieder und verschwand zwischen den Bäumen des nahe liegenden Waldes. Der Kommandant öffnete das Wachssiegel und las, als die Rolle offen vor ihm lag.

An den Kommandanten Xavier Jeamour.

Mir kam zu Ohren, dass Sie hier weg und wieder auf Ihr Raumschiff mit gesamter Besatzung wollen. Wenn das der Fall sein sollte, brauchen Sie nur eines zu tun. Ziehen Sie Ihr Oberteil aus und schwingen es in der Luft herum und rufen laut: »Ich Liebe Dich.«

Wenn Sie das machen, ohne den anderen zu erzählen warum, wird Ihr Wunsch erfüllt.

Xavier starrte verblüfft auf die Rolle und schüttelte den Kopf. Wollte ihn hier wer zum Narren machen? »Was steht drin, Kommandant?«, fragte Fraces neugierig.

»Nichts von Interesse. Ein blöder Witz«, sprach Jeamour und rollte die Botschaft zusammen. Danach steckte er sie in die Jackeninnentasche. »Ich habe Hunger. Wenn mich wer sucht, ich bin im Offizierskasino.«

»Ja, Sir.« Jeamour machte sich auf den Weg zur Stiege.

Als er dort ankam, hielt er inne, sprach: »Ach, was soll's!«, und drehte wieder um. Stellte sich an die Brüstung. Schluckte seinen Stolz hinunter und zog seine Jacke und sein Oberteil aus. Dann schwang er das Oberteil und schrie, »Ich liebe dich«, in die Ebene hinaus. Seine Männer starrten ihn erstaunt an. Einer rief sogar, »Holt den Arzt! Der Kommandant fantasiert.«

Xavier hielt inne. »Ich brauche keinen Arzt, verdammt«, rief er verärgert.

»Sir, kommen Sie bitte von der Brüstung weg«, sagte Fraces.

»Wieso? Glaubt ihr vielleicht, ich springe gleich.«

»Nein, aber nicht doch. Alles ist in Ordnung. Kommen sie. Wir gehen runter was essen. Vielleicht sehen wir dann noch beim Doktor vorbei.« Der erste Offizier kam langsam näher. Xavier Jeamour stutzte.

»Glauben Sie vielleicht, ich bin verrückt geworden und jetzt laufe ich Amok und gefährde mich?«

»Nie im Leben, Kommandant. Alle hier achten und glauben an Sie, glauben Sie mir.« James versuchte, Xavier auf die Schulter zu greifen, doch dieser wich geschickt aus.

»Jetzt reicht's mir aber, Fraces!«, und zog sich wieder an. In diesem Moment war das blaue Leuchten wieder da. Xavier sah, dass alle seine Leute, die er sehen konnte, davon betroffen waren. Dann wurde es dunkel um ihn.

*

Als die Besatzung der IVANHOE wieder zu sich kam, befand sie sich auf ihrem Schiff. Schnell wurden alle Stationen besetzt und in Betrieb genommen.

»Status?«, fragte Xavier.

»Alle Besatzungsmitglieder an Bord. Göllers Martijin wird schwer verletzt in der Medostation gebracht. Alle Stationen melden volle Einsatzbereitschaft.«

»Gut. Was sagt die Ortung?«

»Wir befinden uns in einem riesigen Hangar zwischen den unterschiedlichsten Raumschiffen.«

»Ok. Also wie kommen wir hier am besten raus?«, fragte der Kommandant.

»Soeben wurden wir von einem Traktorstrahl erfasst. Wir werden zum Hangartor bewegt.«

»Gut, wir warten ab. Anscheinend werden wir einfach nach draußen befördert. Warum auch immer.«

*

»Sir! Wir werden gerufen!«

Jeamour nickte angespannt. »Stellen sie durch!«

Der Bildschirm blieb schwarz. Aber es erklang eine Stimme. Eine eindeutig weibliche. »An die IVANHOE! Sie werden soeben ausgeschleust. Wenn Sie draußen angekommen sind, verhalten Sie sich bitte ruhig und warten Sie ab, bis Sie die RITALOUS nicht mehr orten können. Wenn Sie sich daran halten, werden Sie, sollte nichts Unerwartetes geschehen, frei sein und nach Hause fliegen können. Viel Glück. Ende.«

Der Kommandant runzelte die Stirn. Er kannte die Stimme irgendwoher, wusste aber nicht mehr, wem er sie zuordnen konnte. Bei der Besatzung machte sich Erleichterung breit. Soeben waren sie fertig ausgeschleust und von den Traktorstrahlen freigelassen worden. Der gigantische Würfel entfernte sich rasch. Lorif erschien in der Zentrale. Xavier wandte sich ihm zu.

»Schön dich zu sehen. Kannst du uns zu dieser Sache was erzählen? Wo warst du die letzten Tage?«

»Sir? Ich weiß nicht, wovon sie sprechen. Ich habe …«

»Habe was?«

»Ich habe … Ich kann mich gerade noch erinnern, dass wir gegen ein feindliches Raumschiff kämpften, um Angehörige des Volkes der Rasuks zu retten. Und jetzt stand ich soeben hier im Gang vor der Zentrale herum. Können Sie mir das erklären, Sir?«

»Später, Lorif, später. Ortung! Wo ist der Würfel jetzt?«

»Gerade eben von unseren Sensoren verschwunden.«

»Gut. Wissen wir schon, wo wir uns befinden?«

»Ja, Sir. Wir befinden uns exakt vier Lichtminuten von einem Sonnensystem, dessen Sonne von den tefrodischen Einheimischen des zweiten und dritten Planeten Dufg genannt wird. Dieses System befindet sich am Rande Andromedas, auf der gegenüberliegenden Seite der Milchstrasse.«

»Na wenigstens sind wir noch in der gleichen Galaxie. Na dann fliegen wir mal weiter, bevor RITALOUS draufkommt, dass wir nicht mehr da sind und nach uns sucht.«

»Welche Richtung, Sir?«

»Richtung Sternenportal natürlich. Auf geht es nach Cartwheel, bevor wir nach Dorgon weiterfliegen.«

 

Epilog

Silja hatte die IVANHOE befreit. Sie spürte, dass es richtig war, die Terraner ziehen zu lassen. Auf der RITALOUS konnte sie sich ausleben und die Terraner hätten sie doch nur daran gehindert, da sie so einen unbändigen Freiheitsdrang verspürten.

VETRA und RITALOUS führten Krieg gegeneinander. Er war endlos und niemand schien diesen Krieg beenden zu wollen. Ihre Reise führte sie schließlich durch das Sternenportal nach Siom Som. Von dort das nahm die RITALOUS Kurs in den Leerraum. Lange drifteten sie durch das endlose Nichts zwischen den Sterneninseln.

Dann sah Silja die Weltrauminsel. Sie war gigantisch. Ein kosmisches Wunder. Zuerst durchflogen sie eine Passage durch eine Nebelbarriere – dann lag es vor ihnen, majestätisch und voller Leben, umgeben von 8.000 Monden.

Das war die neue Heimat der Vetranen, der Clarks und all der anderen. Sie wurden mit Raumschiffen ausgeflogen. So lange, bis nur noch VETRA, RITALOUS und Silja selbst auf der RITALOUS verblieben.

Silja blieb nicht unerkannt. Ein mächtiges Geisteswesen sprach zu Silja, VETRA und RITALOUS. Es war so übermächtig und voller negativer Präsenz, dass Silja sich fürchtete. VETRA riet zu einer Allianz gegen das Geisteswesen. Diese sah aber offenbar in allen dreien eine Bedrohung. Währenddessen entfernte sich das Riff von der RITALOUS.

Die mächtige Entität zog die Bewusstseine von RITALOUS und VETRA zu sich, sie wurden einverleibt, waren zu schwach, sich zu wehren.

Die künstliche Intelligenz Silja verging im kosmischen Hauch des Chaos.

 

ENDE

 

 

Im nächsten Roman muss die Crew der IVANHOE nach M100 Dorgon und sich dort mit Carilla, dem Schlächter herumärgern. Mehr darüber schreibt Ralf König in Band 54.

 

 

 

DORGON-Kommentar

Die VETRA-Geschichte ist ein kleines Zwischenspiel und das Debüt des österreichischen Autoren Leo Fegerl. Ursprünglich erschien VETRA als zwei DORGON-Extra Romane, die nun in die Special-Edition der DORGON-Serie eingebracht wurden.

Die Geschichte ist zeitlos und konnte deshalb dort angesiedelt werden, wo es in den Zyklen noch herein passte. Sie kam vor allem in die Special-Edition, weil sie eine gute Gelegenheit war, die Figuren der IVANHOE noch einmal genauer zu beleuchten und miteinander agieren zu lassen.

Nach dieser kurzen Atempause von den Kemeten und geheimnisvollen Barymern geht es im nächsten Roman nach Dorgon.

Nils Hirseland

 

 

GLOSSAR

Oxtorner

Die Oxtorner sind extrem widerstandsfähige, von den Terranern abstammende umweltangepaßte Bewohner des Planeten Oxtorne, des achten Planeten der 520 Lichtjahre von Sol entfernten Sonne Illema.

Allgemeines

Als Umweltangepaßte können sie die extremen Verhältnisse von Oxtorne mit 4,8 Gravos, Temperaturen zwischen -100 °C und +120 °C und Stürme mit bis zu 1000 km/h aushalten.

Erscheinungsbild

Oxtorner gleichen ihren Vorfahren, den Terranern. Durchschnittlich sind sie 1,90 m groß und besitzen eine Schulterbreite von 1,20 m. Ihre hellbraune Haut wirkt seidig und ist völlig haarlos, allerdings besitzen sie noch dichte Augenbrauen.

Sie sind an die Gravitation von 4,8 Gravos von Oxtorne angepasst und kommen – im Gegensatz zu anderen Umweltangepaßten – ohne Mikrogravitator aus; ihr Körper kann sich jeder geringeren Gravitation durch einen ungeregelten organischen Vorgang anpassen.

Grund- und Leistungsumsatz des Stoffwechsels und damit der Nährstoff- und Sauerstoffbedarf der Oxtorner gegenüber einem Terraner sind deutlich erhöht. Dafür benötigen sie insbesondere eine extrem große innere Oberfläche der Lunge und eine erhöhte Sauerstoffbindekapazität des Blutes.

Ihre Muskeln und Skelettknochen stehen der Stabilität von Stahlplastik in nichts nach. Die Haut widersteht selbst dem Beschuss aus einem Handthermostrahler.

Oxtorner, obwohl vom Körperbau einem athletischen Terraner ähnlich, wiegen durch ihre Kompaktkonstitution bis zu 700 kg. Trotz ihrer relativ geringen Körpergröße besitzen sie titanische Kräfte. Im Kampfsport ausgebildete Oxtorner sind die einzigen Bewohner der Milchstraße, neben anderen Halutern natürlich, die es wagen können, Haluter körperlich anzugreifen und diese Torheit zu überleben.

Mehr in der Perrypedia: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Oxtorner

Okrill

Die halbintelligenten Okrills ist die bekannteste Tierart des Planeten Oxtorne.

Sie gleichen am ehesten dünnen, riesigen Fröschen; haben aber acht Beine und werden durchschnittlich 1,10 Meter lang, bei einer durchschnittlichen Körperhöhe von 50 Zentimetern. Okrills haben eine Kompaktkonstitution, ihre Knochen und Muskeln haben die Härte von Metallplastik. Die Haut kann sogar dem direkten Beschuss aus Handthermostrahlern für kurze Zeit widerstehen. Die Tiere ertragen die extremsten Temperaturen und andere widrige Umweltverhältnisse mühelos. Sie haben pupillenlose Facettenaugen, mit denen sie einen viel weiteren Bereich des Lichtspektrums erkennen können als Menschen. Ferner sind sie sogar in der Lage, Infrarotspuren von bis zu einem Jahr zurückliegenden Ereignissen wahrzunehmen, weshalb sie auch Infrarot-Superspürer genannt werden.

Das hintere Beinpaar ist am kräftigsten entwickelt und befähigt die Okrills unter Terranorm-Bedingungen zu 20 Meter weiten Sprüngen. Die beiden mittleren Beinpaare sind sehr kurz. An ihren Enden sitzen Saugnäpfe, die es den Okrills erlauben, sich selbst an senkrechten und schlüpfrigen Wänden festzuhalten. Das vordere Beinpaar ist lang, die mit Krallen bewehrten, tellergroßen Tatzen sind furchtbare Waffen. Das breite Maul ist vollgestopft mit extrem scharfen und harten Reißzähnen. Eine weitere sehr effektive Waffe der Okrills ist ihre grellrote Zunge. Diese kann wie bei einem Frosch herausschnellen und ist mindestens 8 Meter lang. Mit ihr können Okrills elektrische Schläge austeilen, die selbst Terkonitstahl zum Schmelzen bringen.

Okrills bringen Gefühle des Wohlbehagens durch lautes Niesen zum Ausdruck. Liebkosungen in Form von heftigen Schlägen auf die Schnauze tolerieren sie in der Regel nur von ihrem jeweiligen Führer.

Mehr in der Perrypedia: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Okrill

Posbis

Die Posbis – Positronisch-Biologische Roboter – sind die kybernetische Lebensform der Hundertsonnenwelt und die treuesten Verbündeten der Terraner.

Namenskonventionen

Während des Posbi-Krieges wurden die Posbis der Achtzigsonnenwelt auch als Maschinenteufel bezeichnet. Die Ueeba nennen die Posbis von Pakuri dagegen Alles-für-euch.

Erscheinungsbild

Posbis gestalten ihre Körper rein funktional und zweckbedingt. Das typische Posbiaussehen gibt es daher nicht, sondern eine Vielzahl verschiedener Varianten: Schwebende Versionen, Posbis, die sich auf Tentakeln, Beinen oder Rädern fortbewegen, Maschinchen oder Giganten – die Variationen des Erscheinungsbildes sind schier grenzenlos. Gemeinsam ist aber allen Posbis, dass sie eine kleine Menge biologisch lebenden Gewebes enthalten. Es handelt sich quasi um einen Ableger des Zentralplasmas von der Hundertsonnenwelt, der ihnen Bewusstsein, Kreativität und Emotionen gibt und sie somit zu »echten« Lebewesen macht. Dieser Bioplasmazusatz hat bei jedem einzelnen Posbi die Funktion eines Gefühlssektors, der insbesondere die Bindung des Roboters an das Zentralplasma gewährleistet, da jedes Plasmagehirn sich zu Recht als Ableger des Zentralplasmas betrachtet.

Mehr in der Perrypedia: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Posbis

Andromeda

Andromeda ist die größte Galaxie der Lokalen Gruppe, zu der auch die Milchstraße gehört. Zur aktuellen Handlungszeit ist sie unter anderem Heimat der Tefroder und der Maahks.

Allgemeines

Nachdem es dem Hathor und Hüter des Lichts Tengri Lethos zusammen mit seinen Helfern – dem Modul Baar Lun und dem Oxtorner Omar Hawk – gelungen ist, nach dem Ende des Regimes der Meister der Insel (MdI) zwischen den siegreichen Maahks und den Tefrodern zu vermitteln, wird in Andromeda weitgehend der uralte Name Hathorjan für diese Galaxie verwendet. Die Meister der Insel nannten sie zuvor die Zweite Insel.

Übersicht

Es handelt sich um die größte Galaxie der Mächtigkeitsballung der Superintelligenz ES. Andromeda vorgelagert sind die Kleingalaxien Andro-Alpha (M 110 / NGC 205), Andro-Beta (M 32 / NGC 211) und Andro-Delta (NGC 185). Eine Besonderheit besteht darin, dass sie einen doppelten Kern aus zwei supermassiven Schwarzen Löchern hat.

Im Zentrum von Andromeda befand sich ein Sonnensechseck-Transmitter, dessen Gegenstück im Zentrum der Milchstraße lag. Die Zerstörung des Transmitters im Juli 2405 durch die Terraner führte zu einer Art Kettenreaktion, die mehr als 2000 Sterne in Mitleidenschaft zog. Das physikalisch-energetische Chaos, das damals entstand, hatte sich selbst im 14. Jahrhundert NGZ noch nicht völlig beruhigt; es wurden weiterhin überdurchschnittlich viele Supernovae festgestellt.

Mehr in der Perrypedia: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Andromeda


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e.V.  —  Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e.V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 53, veröffentlicht am 01.01.2016 —

Titelillustration: Jan KauthInnenillustration: Gaby Hylla

Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel