Band 37

Cartwheel-Zyklus

 

Reise zur Sterneninsel

Die Galaktiker erreichen die Galaxis Cartwheel

 

Ralf König & Tobias Schäfer

 

Was bisher geschah

Wir schreiben Februar 1295 NGZ. Die Entität DORGON hat zu einem kosmischen Projekt gerufen: Der Besiedelung einer Galaxis, 500 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. DORGON nennt sie schlicht »Die Insel«. Den Terranern ist sie als Cartwheel bekannt.

Cartwheel soll von rund 50 unterschiedlichen Völkern besiedelt werden, um eine Festung gegen die negative Entität MODROR zu errichten. Die Gefahr durch MODROR ist groß. Auf seinen Geheiß hat Rodrom mit dem SONNENHAMMER – eine Sonnen zerstörende Kampfstation – die Galaxis Saggittor zerstört.

Während DORGON im letzten Jahr darum warb, brachen nun Milliarden Pioniere aus der gesamten Lokalen Gruppe auf, um durch das Sternenportal in eine neue Heimat zu reisen.

Es ist die REISE ZUR STERNENINSEL …

Hauptpersonen

Julian Tifflor – Der Residenz-Minister steht vor dem Unbekannten.

Joak Cascal, Gal'Arn, Remus Scorbit, Uthe Scorbit und Jonathan Andrews – Sie versuchen, die neue Galaxis zu besiedeln.

Sam – Der Somer nimmt ebenfalls am Projekt teil.

Leticron, Uwahn Jenmuhs und Michael Shorne – Ihre Beweggründe sind weniger edel als die der Terraner.

DORGON – Die Entität gibt die letzten Anweisungen.

Aurec – Der Saggittone besiedelt eine neue Heimat.

 

 

 

 

Unendliche Weiten ...

23. Februar 1295 NGZ

Die gigantische Armada schwebte in relativem Stillstand einige Milliarden Kilometer vor der einsam im Leerraum stehenden Sonne. Reglos verharrten hunderttausende von Transporterraumschiffen, die DORGON geschickt hatte, um über 60 Milliarden Wesen aus der Lokalen Gruppe zur Insel zu transportieren.

Terraner, Arkoniden, Tefroder, Maahks, Kartanin, Gurrads, Perlians, Haluter, Jülziisch, Akonen, Topsider, Mehandor, Aras, Paddler, Vennos und viele andere Spezies warteten auf den Sprung in ihre neue Heimat.

Nun war es an der Zeit, diesen großen Sprung zu wagen. Die vier Energiestationen des Sternenportals waren justiert, doch noch zögerten die Wesen. Alle standen sie vor den Panoramafenstern und Hologrammen, verabschiedeten sich still von ihrer Heimat.

Nicht jeder sah der Zukunft ruhig entgegen, manch einer hegte Zweifel an dieser Mission, andere hatten Machtgelüste... So, wie ein sadistisch veranlagter Arkonide in der Luxuskabine eines der Transportschiffe. Er stand nicht ruhig vor dem Schirm. Er ging aufgeregt durch den Raum und schmiedete Pläne. Er fluchte über die scheinbare Unentschlossenheit der Völker. Er verstand nicht ihre Beweggründe, ihre Gefühle. Er wollte endlich mit der Eroberung der fremden Galaxis beginnen.

Auf einem anderen Schiff stand ein hochgewachsener Terraner, dem nicht der Abschied schwerfiel, sondern der sich Sorgen um die Zukunft machte. Ihm fiel es nicht leicht zu glauben, dass diese verschiedenen Völker ein friedliches Miteinander finden konnten. Zu viele Zerwürfnisse gab es schon in der eigenen Milchstraße – und das seit Jahrtausenden.

Derartigen verantwortungsbewussten Gedanken hingen auch die Verantwortlichen vieler anderer Völker nach. Und alle warteten sie auf das Zeichen zum Aufbruch. Zum Aufbruch in eine neue Welt, dem Ruf einer Superintelligenz folgend, die vor dem Untergang des Universums warnte.

Es kam dann doch unerwartet. Kein Signal warnte vor dem Aufbruch, aber langsam setzten sich die Schiffe in Bewegung. Zuerst die TERSAL, die von dem Ritter der Tiefe aus Shagor Gal'Arn kommandiert wurde. Gal'Arn bereitete sich auf seine Aufgabe vor, dem Vertrauen Perry Rhodans und DORGONs gerecht zu werden und verantwortungsvollen Einfluss auf das Geschehen in der Insel zu nehmen.

Topsider, Gurrads, Kartanin und Blues verschwanden nacheinander durch den Transmitter. Akonen, Unither, Tefroder und Hauris folgten rasch.

Auf einigen arkonidischen Schiffen setzte eine verstärkte Unruhe ein. Man glaubte sich zurückgesetzt, des Vorranges beraubt. Doch da waren auch die Arkoniden samt ihrer Kolonialvölker verschwunden. Maahks, Posbis und Überschwere wurden gefolgt von Terranern, Ertrusern, Oxtornern und anderen Terra-Kolonisten. Den Transportern folgten die Privatverbände der noch geheimen Neuen USO und anderer Privatorganisationen.

Wirtschaft! – Seit er von dem Projekt gehört hatte, konnte Michael Shorne an nichts anderes mehr denken als an die absolute wirtschaftliche Kontrolle der Insel. Macht und Reichtum wären die unausbleibliche Folge, auch politischer Einfluss konnte dann nicht ausbleiben. Michael Shorne streckte sich auf seinem weichen Lager. Er achtete nicht auf das grandiose Schauspiel der gewaltigen Energien, das sich im Raum abspielte. Er sah sich schon als eigentlichen Herrscher der Insel, der aus dem Hintergrund die Fäden zog und die Abhängigkeit der einzelnen Systeme immer mehr steigerte.

Rache! – Cau Thon hatte ihm die Gelegenheit gegeben, und er würde sie bis zum Letzten nutzen. Dabei war er nicht direkt an Zeit gebunden, denn er war relativ unsterblich, ebenso wie sein Erzfeind Perry Rhodan, dem seine Rache galt. Er war ein Sohn des Chaos. Er würde langsam vorgehen und so das Leiden Rhodans verlängern. Als Erstes würde er das Projekt zerstören. Diesem Akt galt Leticrons Aufmerksamkeit. Kein verschwendeter Gedanke an die bevorstehende Reise.

Macht! – Die neue Heimat sollte ihm allein unterstehen. Uwahn Jenmuhs wusste, dass es seine Aufgabe war, eine neue arkonidische Blütezeit ins Leben zu rufen. Die Insel würde die Quelle aller arkonidischen Macht sein – das Rückgrad des neuen Imperiums, das sich immer weiter ausdehnen würde.

*

Joaquin Manuel Cascal entspannte sich, als das Schiff den Gegenpol des Transmitters verließ. Der Flug durch das Sternenportal war wie gewohnt schnell und schmerzlos verlaufen. Die fremde Galaxis Cartwheel besaß also eine Gegenstation. Dieses Portal würde die Verbindung zur Heimat sein.

Als militärischer Leiter der Mission war ihm auch für diesen ersten Einsatz das Kommando über die IVANHOE übertragen worden. Xavier Jeamour, der ständige Kommandant, akzeptierte diese Bevormundung in ungewöhnlichen Situationen. Standardsituationen überließ Cascal ihm.

»Ortung, genaue Darstellung der Umgebung! Sämtliche Stationen zur Statusmeldung!«

Während die einzelnen Klarmeldungen einliefen, entstand auf dem Panoramaschirm das sie umgebende Bild. Dazu liefen einige Daten neben den Bildern ab, aus denen Cascal ersehen konnte, dass in einer Entfernung von fast fünf Lichtjahren zwei weitere Sonnen standen. Außerdem lag ein merkwürdiges grünes Leuchten im Raum.

»Ortung, Auswertung des grünen Leuchtens, bitte!« Cascals Stimme klang ein wenig ungeduldig.

»Kommandant, es handelt sich um einen grün strahlenden Nebel, der sich über einige Lichtjahre hinweg erstreckt. Das Leuchten entsteht wahrscheinlich durch die merkwürdige Beschaffenheit der Materie. Sie ist für das Licht der umliegenden Sterne durchlässig, scheint jedoch das Spektrum aufzuspalten und nur dem mittleren Teil, eben der grünen Farbe, den normalen Weg zu ermöglichen, während die anderen Bestandteile entweder absorbiert oder reflektiert werden. Wir sind uns jedoch noch nicht vollständig über die Richtigkeit unserer These sicher.« Die schwankende Stimme des Mannes bestätigte seine letzten Worte.

»Hm, das sieht ja fürs Erste nicht schlecht aus«, brummte der Mann aus der Zeit des Solaren Imperiums. »Man könnte annehmen, in einer absolut friedfertigen Galaxis herausgekommen...«

»Ortung! Kommandant, das musst du dir ansehen! Seit wenigen Sekunden tauchen überall in der Galaxis unbekannte Raumschiffe auf! Plötzlich wimmelt es hier wie in einem Ameisenhaufen!« Die sich überschlagende Stimme des Ortungsoffiziers klang auf das Äußerste erregt.

»In die Zentrale überspielen«, rief Cascal nervös. So hatte er sich ihre Ankunft nicht vorgestellt. Nach DORGONs Beschreibungen hatte er eine absolut unbevölkerte Kleingalaxis erwartet. Und nun das!

Ein Panoramahologramm zeigte das Zentrum der Insel. Es wurden immer mehr, der Zustrom wollte kein Ende nehmen.

»Hier Funkzentrale! Kommandant, wir haben quasi den Kontakt zu den übrigen Einheiten verloren!« Auch in der Funkzentrale herrschte Chaos. »Seit es hier das geballte Schiffstreffen gibt, herrscht ein Wirrwarr von Funksprüchen auf allen Frequenzen, das ein Durchkommen einzelner Nachrichten unmöglich macht. Wir haben alle Sendungen eingestellt, vielleicht schaffen die Anderen das auch bald, damit wieder ein geregelter Verkehr stattfinden kann!«

»Ortung! Wir haben die Kollision mehrerer Raumschiffe registriert!«

»Funkzentrale! Notrufe aus grün-beta-98!«

»Ortung! Erneut Schiffe havariert!«

»Das ist ja die Hölle«, stöhnte Cascal. »Wer soll in diesem Chaos wieder für Ordnung sorgen, wenn keine vernünftigen Funknachrichten empfangen werden können und sich die Schiffe gegenseitig rammen? So eng kann das hier doch auch nicht sein!«

»Funkzentrale! Notrufe verstummen...«

»Ortung! Wir messen ein starkes Energiefeld, das...«

»Maschinenraum! Bei allen grünen Kreaturen, Kommandant, unsere Maschinen reagieren nicht mehr! Irgendwas hemmt unsere Energieentfaltung und blockiert unsere Optionen!«

»Kommandant an Kommandant!« Cascal verfiel jetzt auch diesem Chaos.

Jeamour schmunzelte. Er schlürfte ganz genüsslich seinen Earl Grey Tee.

»Was sagen Sie zu diesem Energiefeld? Hat das was mit den Beobachtungen des Maschinenstands zu tun?«, fragte Cascal.

»Das kann nicht ausgeschlossen werden! Das Energiefeld fängt die Schiffe ein und sortiert sie«, erwiderte Jeamour.

»Was soll das heißen, es sortiert die Schiffe?«

Der Posbi Lorif ergriff das Wort.

»Nun ja, es scheint wie ein Gitterwerk zu sein, nein, eher wie ein Drahtgewebe, in dessen Maschen die Schiffe gehalten werden, so dass sie nicht mehr kollidieren können und alle einen einheitlichen Kurs verfolgen.«

»Kann der Ursprung des Feldes registriert werden?«, wollte Cascal wissen.

»Nein, hab ich schon versucht, es scheint einfach nur zu existieren«, erwiderte Lorif. »Es sei denn, diese kaum wahrnehmbare, lineare Verbindung zu der Riesensonne in diesem System...«

Plötzlich erklang eine Stimme, die jedes Besatzungsmitglied hörte, ja die in der gesamten Flotte und in den fremdartigen Raumern zu hören war. Eine geistige Stimme, deren Erscheinungsart an ES erinnerte.

»Völker der Insel! Ihr steht im Zentrum eurer neuen Heimat. Das Energiefeld, das ihr sicherlich geortet habt, diente dazu, den vorläufigen Kurs festzulegen. Ich werde es in wenigen Augenblicken wieder deaktivieren. Bitte lasst euch fürs Erste von mir leiten, bis ich die Insel vollständig eurer Obhut übergebe!«

»DORGON«, rief Cascal beeindruckt. »Natürlich hat die Entität für Ordnung gesorgt, bevor das Projekt so kurz nach seinem Start scheitern konnte. Wer sonst hätte dieses gewaltige Maschenfeld erzeugen können?«

»Ihre Ausführungen sind logisch«, meinte Lorif.

»Danke, Silberjunge.«

Kurze Zeit herrschte Schweigen in der großen Kommandozentrale. Jeder betrachtete staunend das Schauspiel, das sich in der näheren Umgebung des Schiffes abspielte. Die riesigen Schiffe änderten ohne ersichtlichen Grund ihren Kurs, pendelten kurz und kaum bemerkbar hin und her und folgten einem vorgeschriebenen Kurs, dem mittlerweile auch die IVANHOE angepasst war. Langsam ordnete sich das Chaos, das die gewaltige Menge der Raumer verursacht hatte, als sie mit den verschiedensten Kursen das Portal verließen. »Joak, was sagst du zu den ganzen fremden Raumern?« Unbemerkt hatte Sandal Tolk die Zentrale betreten. »Wo die nur alle herkommen? Ich vermute, dass es die Siedlungsschiffe der anderen auserwählten Völker sind, von denen DORGON gesprochen hat.«

»Da kannst du Recht haben. Vielleicht sollten wir versuchen, sie zu identifizieren.« Eine steile Falte bildete sich auf Cascals Stirn. »Sind das da nicht die Eierschiffe der Cappins? Ortungszentrale, ich erwarte eine vollständige Analyse der hier versammelten Völker umgehend im Besprechungsraum! Mister Fraces, rufen Sie bitte alle Verantwortlichen dorthin, ich glaube, wir werden einige Überraschungen erleben!« Mit diesen Worten verließ er die Zentrale und begab sich in die Kantine, um einen Happen zu sich zu nehmen.

*

Als er nach einer Stunde den Besprechungsraum erreichte, waren die Expeditionsleiter schon versammelt und in der Analyse vertieft.

»Darf ich um Aufklärung bitten? Timo Zoltan, Lorif, welche Resultate hat die Ortung zu bieten?«

»Wir haben die Schiffe weitgehend identifiziert und katalogisiert«, begann der Wissenschaftler Zoltan seine Ausführungen. »Es sind Völker aus diversen uns bekannten Galaxien. Die Nonggo und Galornen von der Koalition Thoregon.« Seine Gesichtszüge nahmen einen zweifelnden Ausdruck an. »Jedoch war es ein Schock für mich, Schiffe der Dscherro auszumachen...«

»Wie bitte? DORGON hat uns die Dscherro auf den Hals gehetzt? Das kann ja wohl nicht sein Ernst sein!« Cascals Augen weiteten sich entsetzt.

»Ich denke, DORGON wird schon seine Gründe haben«, warf Julian Tifflor begütigend ein. »Schließlich geht es darum, eine schlagkräftige Armee aufzustellen. Dafür sind die Dscherro wie geschaffen.«

»Okay, man wird sich mit ihnen arrangieren müssen.« Cascal schüttelte sich kurz, wie um die Gedanken an die Dscherro von sich zu weisen. »Weiter!«

»Galornen, Zentrifaal, Dorgonen...«

»DORGON wird nicht gerade auf das Volk seiner Mächtigkeitsballung verzichten. Als er uns in Dorgon das erste Mal begegnete, sprach er außerdem von der kosmischen Bedeutung der Dorgonen.«

Der Interkom summte. Nachdem Cascal ihn aktiviert hatte, erschien das Gesicht des diensthabenden Funkchefs.

»Soeben ist ein großer Verband der Völker ESTARTUs aufgetaucht. Der Somer Sruel Allok Mok entrichtet seine Grüße. Er war positiv überrascht, die Galaktiker mit einem ebenfalls nicht geringen Aufgebot vorzufinden. Sam freut sich auf ein Wiedersehen.«

»Danke.« Cascal schaltete ab.

Seine Stimmung erreichte einen erneuten Tiefpunkt, als er erfuhr, dass auch die Hauptintelligenzen der Galaxis M 87 erschienen waren – die Okefenokees, auch bekannt als die Konstrukteure des Zentrums, ihre Kampftruppe, die Dumfries und die Bestien, die Pelewon und Mooghs.

»Was hat sich DORGON dabei gedacht?!«, fragte Cascal zweifelnd. »Die Todfeinde aus M 87 gepaart sowohl mit friedliebenden Wesen aus zahlreichen Galaxien, als auch mit den kriegerischen Dscherro! Wo soll das hinführen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Ansammlung verschiedenartigster Wesen ohne große Auseinandersetzungen bestehen kann. Schon die galaktischen Wesen... Allein die Menschen führen noch immer Kriege miteinander!« Er blickte den Versammelten in die Augen. Überall stieß er auf nachdenkliches Schweigen. Die führende Entität schien entweder tatsächlich an die Vernunft aller Wesen zu glauben, so dass ein Zusammenleben möglich wäre, oder sie wusste nichts von den Zerwürfnissen, die zwischen einigen Völkern bestanden. Dagegen sprach aber die Tatsache, dass alle Völker bereits Kontakt mit Perry Rhodan hatten und DORGON derjenige war, der sie ausgewählt hatte. Er kannte also die Zusammenhänge. Ebenfalls unbegreiflich erschien es, dass sich Wesen wie Bestien und Dumfries zu ein und demselben Projekt zusammenfanden. Da musste etwas dahinterstecken, von dem die Terraner noch keine Ahnung hatten.

»Diese Grübeleien führen auch nicht weiter!« Tifflor setzte der gedrückten Stimmung ein Ende. »Wir werden uns ausruhen, solange DORGON keine Ziele angibt oder sich anderweitig meldet. Für die kommenden Arbeiten werden wir womöglich unsere gesamte Geisteskapazität benötigen. Selbst wenn alles friedlich abläuft wird noch eine Menge diplomatische Arbeit auf uns zukommen. Also, nutzen wir die Zeit der Ruhe!«

 

Die erste Zusammenkunft

»Wir sind uns ein wenig unsicher, ob diese Wesen sich vertragen können.«

Tifflor stand von seinem Platz am Besprechungstisch auf und ging auf das leuchtende Wesen zu, das mitten im Raum zu schweben schien. Sie hatten eine weitere Besprechung führen wollen, als DORGON plötzlich erschienen war. Sie hatten ihre Zweifel vorgetragen, doch die Entität schien sich keine Sorgen zu machen.

»Wir werden feststellen, dass diese vernunftbegabten Wesen friedlich nebeneinander leben können«, gab sie beruhigende Auskunft. »Doch macht euch darum keine Sorgen. Jetzt ist erst einmal wichtig, die nächsten Aktionen abzustimmen. Zu diesem Zweck schickt eure Repräsentanten auf die Welt Paxus. Sie liegt zehn Lichtjahre von hier entfernt. Genauere Daten findet ihr ab jetzt in euren Speichern. Sendet nur ein kleines Boot. Ihr werdet unterwegs die Abgesandten der anderen Völker treffen. Seid bedacht, Paxus in fünf Stunden zu erreichen.«

Das Wesen war verschwunden. Nachdem sich das Erstaunen über die plötzliche Aktivität DORGONs gelegt hatte, atmeten alle erleichtert auf. Endlich ging es weiter! Nun würden sie die Einzelheiten des Projekts erfahren. Tifflor ließ eine Space-Jet klar machen und beauftragte Mathew Wallace und seine Crew mit der Führung der Jet. Er glaubte nicht, dass während ihrer Abwesenheit wichtige Ereignisse auftreten würden, übergab jedoch für diesen Fall das terranische Oberkommando an Xavier Jeamour.

Eine Stunde später wurde die Jet ausgeschleust. Als Repräsentanten der terranischen Kolonien und Terras waren der Marquês Don Phillippe Alfonso Jaime de la Siniestro, Joak Cascal und Julian Tifflor an Bord.

Vor ihnen lag die gewaltige Ansammlung der Schiffe. Milliarden Wesen benötigten Millionen Schiffe, die für ihren sicheren und bequemen Transport sorgten. Fast fünfzig Völker waren hier versammelt.

»Mathew, jetzt kannst du mal wieder beweisen, was ein guter Pilot ist.« Cascals Augen funkelten ironisch. »Sich durch dieses Gewirr zu schlängeln ist sicher nicht jedermanns Sache.«

»Das ist doch kein Problem...«

»Klar, durch kommen wir, aber wie wär's mal ohne Kollision?«

Hastig wich er einem Kaffeebecher aus, der sich offensichtlich selbstständig gemacht hatte.

»Vielen Dank für die Einladung, aber ich hab schon einen Becher!«

»Oh, keine Ursache!« Wallace musste gegen seinen Willen grinsen. Gegen diesen Cascal kam man nicht ohne weiteres an. Dann musste er sich auch schon konzentrieren, denn immer wieder schob sich ein gewaltiger Schatten in den Kurs des Bootes. Doch Wallace vollführte glänzende Manöver, die das Schiff immer ungefährdet um die Hindernisse brachten. Cascal grinste zufrieden. Dieser Mann war ein echtes Talent, das stellte sein Kennerauge sofort fest.

Gefahrlos erreichten sie die äußeren Bereiche der Ballung und beschleunigten mit der vollen Leistung der Triebwerke, bis Wallace bei halber Lichtgeschwindigkeit das Metagravtriebwerk aktivierte und Zielkurs auf Paxus setzte. Mit ihnen flogen mehrere Schiffe der gleichen Größenordnung, welche die Vertreter der anderen Völker beförderten. Nur ein Schiff war etwas gewaltiger. Es war von arkonidischen Schiffsbauern entworfen und konstruiert worden, Uwahn Jenmuhs befehligte es. Der ehrgeizige Arkonide konnte nicht umhin, seine Machtambitionen deutlich darzustellen. Tifflor hatte nur ein verachtendes Hüsteln für dieses Gehabe übrig.

Pünktlich erreichten sie ihr Ziel. Paxus war ein schöner Planet, erdähnlich, jedoch etwas kleiner bei einem Durchmesser von 12.357 Kilometern. Die drei Kontinente teilten sich die verschiedenen Klimazonen gut ein. Während Wallace den Planeten mehrmals umkreiste, konnten alle Daten gesammelt werden. Der äquatoriale Kontinent hieß Peschull, wie aus den Daten zu ersehen war, die DORGON in ihrem Zentralrechner installiert hatte. Seine Durchschnittstemperatur lag bei 40°C, weite Savannen erstreckten sich über die Landschaft, bevölkert von einer vielfältigen Tierwelt. Die heißesten Zonen waren durch große Wüstenflächen gekennzeichnet, die stark an die Sahara erinnerten.

»Freunde, das, was ihr direkt unter uns erkennen könnt«, erklärte der Ortungsoffizier Mandine Tatzk, »ist der karge Südpolkontinent Mechtor. Ich denke, den brauchen wir nicht weiter zu erforschen.«

»Ungemütlich dort!« Ein Schaudern lief über den Rücken des alten Spaniers. »Da würde ich schon eher auf Peschull einziehen...«

Plötzlich stieß Tifflor einen ungläubigen Ruf aus.

»Wie ist das möglich? Schaut mal auf den Kontinent unter uns! Sind das da nicht Wohnanlagen und andere Gebäude?«

»Eine Stadt! Wir befinden uns über einer riesigen Stadt!« Erstauntes Gemurmel wurde laut. Tatsächlich befand sich auf dem dritten Kontinent Erisor, dessen mildes Klima bei einer Durchschnittstemperatur von 15°C eine wirklich saftig grüne Vegetation ermöglichte, eine gigantische Stadt. Sie erstreckte sich fast über den gesamten Kontinent. Sie bestand aus zusammenhängenden Stadtteilen, die immer wieder von Grünflächen und Wäldern unterbrochen waren. Riesige, prunkvolle architektonische Meisterwerke bildeten die Gebäude verschiedenster Stilrichtungen und Größenordnungen. Es schien so, als ob sich hier die Architekten der unterschiedlichsten Völker ein Stelldichein gegeben und eine Stadt geschaffen hätten, die den Bedürfnissen einer Vielzahl an Völkern angepasst war. Es gab Trichterbauten, die an arkonidische Architektur erinnerten, riesige Wohntürme nach terranischem Stil oder die eher flachen Bauten der Blues. Es gab auch Gebiete, deren Baustil äußerst fremdartig war, so dass keiner der Galaktiker eine Verbindung zu einem Volk herstellen konnte.

Sie saßen überwältigt in ihrer Jet, die auf einem riesigen Raumhafen niedergegangen war. Schweigend ließen die sieben Wesen ihre Blicke über das weite Landefeld gleiten. Dabei war seit ihrer Landung nicht mehr allzu viel zu sehen. Ihr Sichtfeld wurde durch die mächtigen Rümpfe gigantischer Schlachtschiffe regelrecht versperrt. Das Feld war besetzt mit ungefähr 200.000 zumeist kugelförmigen Schlachtschiffen. Diesen Anblick hatten sie nicht erwartet und benötigten deshalb eine geraume Zeit, um ihre Überraschung zu überwinden. Sie hatten während des Landeanfluges festgestellt, dass die riesige Stadt völlig unbewohnt war. Das gleiche galt auch für die Raumschiffe. Herrenlos, so schien es, warteten sie auf ihre neuen Besitzer. Und zwischen ihnen waren an die fünfzig Raumboote zu Boden gegangen, um die Abgesandten der auserwählten Völker zusammenzubringen.

»Hervorragende Organisation, würde ich sagen!« Der spanische Graf zeigte sich sehr beeindruckt, ebenso wie Joak Cascal, der schon einige bewundernde Ausdrücke hervorgebracht hatte.

»Jetzt fehlen nur noch die Wesen, um dieses Städtchen zu beleben. DORGON scheint sich große Mühe gegeben zu haben, um uns die Umsiedlung so einfach wie möglich zu gestalten. Wahrscheinlich nimmt er an, dass wir dann sofort mit dem Aufbau der Schutzmacht für das bekannte Universum beginnen werden.«

»Ich glaube noch nicht an das, was ich sehe.« Tifflor beäugte immer wieder misstrauisch die Abbildungen der Stadt. »Wenn es wirklich nicht nur den Anschein der Perfektion hat, sondern tatsächlich so perfekt ist, dann habe ich die Superintelligenzen noch immer unterschätzt. Dieser Planet ist einfach perfekt als Zentralplanet eines multikulturellen Staates.«

»Sei nicht so pessimistisch, sondern lass uns erstmal Sam begrüßen! Siehst du ihn? Er hat seinen Raumer schon verlassen. Kommt, lassen wir ihn nicht warten.«

Don Philippe de la Siniestro, Cascal und Tifflor verließen eilig die Jet, während Wallace und seine Crew sich auf eine längere Wartezeit vorbereiteten. Als Erstes bereitete Alton Klaron, der Feuerleitoffizier, eine warme, wohlriechende Speise zu...

*

Auf dem Landefeld war es indessen zu einer herzlichen Begrüßungsszene zwischen den Galaktikern und dem Somer gekommen. Bei ihnen stand der Dorgone Titolus sowie der halutische Abgesandte Goz Kongan. Es begann ein reger Austausch der bisher gemachten Erfahrungen und natürlich ein erstes Kennenlernen der späteren Verhandlungspartner. Der Dorgone konnte sich noch gut an Cascal und Sam erinnern, die in seiner Galaxis berühmt geworden waren, da es maßgeblich ihrer Hilfe zu verdanken gewesen war, dass Dorgon von der imperialen Schreckens- und Gewaltherrschaft befreit worden war. Offenbar war Titolus ein Anhänger Ulemans und nicht der alten Ordnung. Zumindest ließ die freundliche Begrüßung darauf schließen.

Als ein donnerndes Gebrüll ertönte, drehten sich die Versammelten um. Die lange Gestalt eines Nonggo wurde brutal zur Seite gefegt und die grüne, gehörnte Gestalt von Taka Kudon erschien. Gedrungen und kraftstrotzend bewegte er sich wieder auf den Nonggo zu.

»Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn diese Wesen ihre Emotionen nicht zügeln können?« Besorgt wandte sich Sam an Cascal. »Sie dir das am Beispiel des Nonggo an. Dieses Wesen hat doch gar keine Chance, sich gegen ein solch selbstbewusst auftretendes Kraftpaket durchzusetzen!«

»Vielleicht können wir die Auseinandersetzung friedlich lösen!« Cascal wandte sich an Kongan. »Was halten Sie davon? Ich kann mir vorstellen, dass Sie dem Dscherro den nötigen Respekt abverlangen, um ihn zur Räson zu bringen.«

Wortlos drehte sich der Haluter um und ging hoch aufgerichtet auf die Gruppe zu. In seinen drei rotglühenden Augen war nur kurz das belustigte Funkeln aufgeblitzt, welches Cascal bewies, dass er die richtige Abwechslung gefunden hatte. Inzwischen wich der Nonggo ängstlich immer weiter zurück, während der Anführer der Dscherro-Horden schnaufend und brüllend auf ihn zu marschierte. Der Nonggo verschwand plötzlich hinter dem Teleskopbein eines der Schlachtschiffe. Taka Kudon grunzte erstaunt und bog um die Ecke – und stand dem riesenhaften Haluter gegenüber, der mindestens doppelt so groß wie er war.

»Ich nehme an, Sie erlaubten sich nur einen kleinen Spaß mit unserem Freund. Wenn Sie das nächste Mal Ihre Aggressionen loswerden möchten, wenden Sie sich vertrauensvoll an mich. Mein Name ist Goz Kongan, und ich stehe Ihnen gern zur Verfügung.«

Ob diesem mit freundlicher Stimme und in höflichem Ton vorgetragenen Hinweis, den Nonggo zukünftig nicht mehr zu belästigen, knurrte der Dscherro akzeptierend und wandte sich nach einem respektvollen Blick auf die gigantische Gestalt des Haluters dem Ausgang des Raumhafens zu.

Erstaunt blickten sich die Galaktiker und Sam an. Ein solches Verhalten hatten sie nach ihren Erfahrungen von keinem Dscherro erwartet. Tifflor zuckte mit den Achseln und bedeutete den Anderen, sich dem Zug der Abgesandten anzuschließen.

 

Dunkel

Einige Stunden zuvor

»Ich habe alle Abgesandten der ausgewählten Völker gebeten, sich in höchstens fünf Stunden auf Paxus einzufinden. Die Daten findet ihr in euren Speichern. Michael Shorne, auch den Beobachtern ist es gestattet, an der Versammlung teilzunehmen. Wenn ihr der Versammlung beiwohnen wollt, kommt mit einem kleinen Boot und schließt euch den Abgesandten an...«

Sobald DORGON verschwunden war, ließ Shorne eine kleine Yacht bereitstellen.

»Nor Citel, du wirst mich sicherlich begleiten wollen«, wandte er sich an den Überschweren, der ihn bei seinem Vorhaben, die Wirtschaft zu kontrollieren, bisher mit guten Ideen und großem Engagement unterstützt hatte.

»Selbstverständlich. Ich bin gespannt zu erfahren, welche Vorstellungen mein Volk in diese Insel getrieben hat.« Ein diabolisches Grinsen huschte so schnell über sein Gesicht, dass Shorne nichts davon bemerkte. »Außerdem bin ich stark an dem genauen Zweck dieses Projekts interessiert...«

Shorne, der nicht wusste, welchem Wesen er wirklich den Weg ebnete, zweifelte keine Sekunde an Nor Citels Loyalität.

Der Flug dauerte etwas länger als vier Stunden. Leticron führte die Yacht als Pilot. Er interessierte sich nicht für die Monde des Planeten Paxus. Er steuerte an dem äußersten Mond Betan vorbei, dessen saturnähnliche Ringe in dem Licht der Sonne glänzten. Den beiden folgenden Monden, Setan und Etan, schenkte er gar keine Aufmerksamkeit. Seine Gedanken waren woanders. Sein Volk wurde derzeit von dem Parcizaner Wursus angeführt. Es sollte die Rolle der Herrenrasse erst in der Insel, später auch in der Milchstraße übernehmen. Es sollte sein Werkzeug werden, das Werkzeug eines Sohnes des Chaos!

 

Paxus

Die Welt der Entscheidungen

»Wohin mag man uns führen?«

Eigentlich erwartete der Dorgone gar keine Antwort. Es war ihm klar, dass sie nun ein Regierungsgebäude aufsuchen und dort von DORGON die Einzelheiten erfahren würden.

Sie gingen an riesigen Gebäuden vorüber. Cascal und Don Philippe kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus – der alte Spanier hatte erst wenige Bauwerke dieser Art gesehen und Cascal konnte es nicht fassen, dass sie in dieser absolut fremden Galaxie Städte vorfanden, die sicherlich gut mit Terrania City konkurrieren konnten. Tifflor ging äußerlich unbeeindruckt die Straßen entlang. Innerlich suchte er nach einem Grund für seine Zweifel. Er konnte sich nicht damit anfreunden, dass DORGON eine derartig perfekte Infrastruktur aufgebaut hatte und so eine Galaxis verschiedenen Völkern einfach zur Verfügung stellte. Wenn es so auf allen Planeten aussah, konnte man quasi landen, einziehen und so weiterleben wie in der alten Heimat. Unbegreiflich!

»Seht euch jenes gigantische... Teil dort mal an!« Dem Ex- Offizier aus imperialer Zeit fehlten die Worte für dieses imposante Bauwerk, das sich vor ihnen in den Himmel reckte.

Vergleichbar nur mit den Palästen der Dorgonen stand es majestätisch da und wachte über den Planeten.

»Das Lebenszentrum einer Welt, vielleicht sogar dieser Insel!« Nun brach auch Tifflors Begeisterung durch. »Hier werden die zukünftigen Ratsmitglieder und alle Mitarbeiter der Regierung sitzen und ihre Entscheidungen fällen. Hier befindet sich wahrlich das Herz des Planeten!«

Eine Stimme forderte die Delegierten der Völker auf, sich in das Gebäude zu begeben und den Richtungsangaben weiterhin zu folgen. So gelangten sie in einen Saal, dessen einzig sichtbarer Einrichtungsgegenstand ein großer, runder Tisch war, um den sich recht bequeme Sitzgelegenheiten gruppierten und für jede Spezies die richtige Form annahmen. Viele der Wesen hatten schon Platz genommen und waren in angeregte Unterhaltungen verstrickt. Tifflor hörte aus einigen Gesprächen die Begeisterung über diese Stadt heraus. Andere Stimmen registrierte er, konnte aber kein Wort verstehen. Es herrschte eine unglaubliche Lautstärke in dem Saal. Da saßen die Vertreter der Maahks, umgeben von Sphären aus Methan-Ammoniak- Gasen, neben den Abgesandten der Posbis. Diesen Wesen vertraute Tifflor, schon lange Zeit bestand die Freundschaft oder das Bündnis zwischen den Völkern. Ewige Konflikte gab es jedoch mit den Arkoniden. Tifflor ließ seine misstrauischen Blicke über die arkonidische Delegation Uwahn Jenmuhs' gleiten, die ihm gegenüber ihre Plätze eingenommen hatte. Es schien ein ganzer militärischer Stab dabei zu sein. Sie machten einen wenig vertrauenerweckenden Eindruck. Wenn sie die gleichen Ambitionen hatten wie in der heimatlichen Milchstraße, konnten es gefährliche Gegner werden.

Dagegen war es respektheischend, wie entspannt die Vertreter aus M 87 beieinander saßen. Tifflor hatte noch gut im Gedächtnis, mit welchem Hass die Dumfriesflotten unter okefenokeeischer Leitung die Uleb aus der Kleinen Magellanschen Wolke vernichtet hatten. Damals hatten sie schon die in M 87 lebenden Mooghs mit sogenannten Novabomben bekämpft und viele Sonnen zerstört. Aber auch die Bestien waren nicht kleinlich gewesen, wenn es darum ging, andere Lebewesen zu unterjochen oder zu bekämpfen. Ihre Brutalität hatte ihnen ihre Bezeichnung eingebracht, die ihnen noch immer anhaftete. Die derzeitigen Hauptvölker der Bestien waren die Mooghs und die Pelewon, die sich durch unterschiedliche Struktur und Farbgebung der Hautschuppen unterschieden. Nun saßen sie einträchtig beieinander, der Führer der Okefenokees, Carjul, und der gewaltige Herrscher der Bestien, Torsor. Bei diesem Anblick schüttelte auch Cascal ungläubig den Kopf.

»Eine Szene, die beweist, dass vernunftbegabte Wesen immer zu friedlichen Lösungen ihrer Konflikte fähig sind«, sagte er bedächtig zu Tifflor.

»Du hast Recht – in diesem Fall«, schränkte Tifflor ein. »Aber nicht jedes Volk wird diesen Weg gehen können. Und bei vielen Völkern ist der Weg dorthin noch sehr weit und beschwerlich.«

»Ruhe jetzt, DORGON erscheint! Ich bin gespannt auf seine Ausführungen.«

Tatsächlich entstand an der einen Seite des Tisches jenes bläuliche Leuchten, das die Ankunft einer Entität ankündigte. Daraus schälte sich die Gestalt eines weisen Mannes hervor – wenigstens für die Humanoiden als solcher sichtbar. Tifflor konnte sich vorstellen, dass jedem Wesen eine passende Gestalt erschien.

»Herzlich willkommen in der Insel.« Sanft klang seine Stimme auf. »Ein herzliches Willkommen jedem Volk, dessen Vertreter hier anwesend sind!«

»Jedem Volk? Ich kann nicht verstehen, dass man die Dscherro hier zugelassen hat!«

Nach diesem Ausspruch, Tifflor konnte später nicht mehr sagen, wer ihn von sich gegeben hatte, brach ein unbeschreiblicher Tumult los. Taka Kudon sprang sofort brüllend auf und donnerte die Fäuste auf den Tisch.

»Wer spricht so abwertend negativ von den bedeutendsten Wesen des Universums? Ich verlange, dass dieses minderwertige Volk aus dem Bund gestoßen wird!«

»Die Terraner haben geheime Maßnahmen ergriffen, um eine Machtposition zu schaffen, die ihnen die absolute Macht einbrächte!« Der hinterhältige Arkonide Jenmuhs nutzte die Unruhen, um die Terraner, die er als größte Gegner ansah, in Misskredit zu bringen. Tifflor warf ihm einen verächtlichen Blick zu und sah rasch zu DORGON hinüber, der unberührt die Szene beobachtete. Ihm war es ein Rätsel, warum die Entität noch nicht eingriff.

Die Tefroder beschwerten sich über die Haluter und Gurrads, die Perlians waren mit der Anwesenheit der Bestien nicht einverstanden und die Nonggo brachten ihre Zweifel an der Zuverlässigkeit der gewalttätigen Völker wie der Dscherro vor. Auch Cascal konnte nicht umhin, in einer kurzen Pause seine Zweifel an der Gemeinschaftsfähigkeit zum Ausdruck zu bringen. DORGON registrierte alle Argumente und hielt sich ansonsten vollkommen zurück.

»Nach welchem Verfahren und welchen Kriterien wurde die Auswahl der Völker denn bewerkstelligt?«, wollte Don Philippe wissen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Zufallsverfahren war, denn dazu bestehen zu große Verbindungen zwischen einzelnen Völkern. Wie kam man jedoch zu der Annahme, dass sich alle hier Versammelten untereinander respektieren oder zumindest akzeptieren würden? Es bestehen derartig viele Differenzen zwischen uns allen, dass mit einheitlichen Meinungen nicht gerechnet werden kann! Ein Zusammenleben wird sich als äußerst schwierig herausstellen. Zumal man nicht annehmen kann, dass jedes der unterschiedlichen Wesen und Spezies ausschließlich dem Projekt dienen wird und nicht versucht, sich und das eigen Volk in den Vordergrund zu rücken oder anderweitige Machtgelüste zu befriedigen!«

Der Spanier hatte einen wunden Punkt getroffen.

Erneut begannen verschiedene Vertreter mit lautstarken Protesten oder Zustimmungen, denen schließlich DORGON Einhalt gebot.

»Mit der Zeit werdet ihr meine Beweggründe verstehen und achten. Jedes der ausgewählten Völker besitzt eigene Vorzüge und Eigenschaften, die dem kosmischen Projekt zum Vorteil gereichen werden. Die Völker kennen sich untereinander, kennen die Schwächen und Stärken der Anderen. Sie ergänzen sich vorzüglich in allen Bereichen und haben alle einen gemeinsamen Wesenszug, manchmal stärker ausgeprägt, manchmal weniger oder in modifizierter Form: Sie kämpfen entschlossen und willensstark für ihre Sache. Der Plan, aus dem das Projekt entstanden ist, vertraut der Möglichkeit, dass sich alle diese Völker – so verschieden sie auch sein mögen – für eine gemeinsame Sache begeistern, einsetzen und verbünden oder sogar verbinden können. Aus dieser Verbindung werden die besten Streiter für die Sicherheit des Lebens im Universum hervorgehen. Die Anwesenheit eines jeden Volkes ist berechtigt. Auch die der Dscherro, wie betont werden sollte, da viele Wesen noch daran zweifeln. Ich sprach von Streitern, von herausragenden Streitern. Wie alle Anwesenden zugeben werden, besitzen die Dscherro wirklich herausragende Kämpfereigenschaften. Sie werden eine wichtige Stütze des Projekts werden, denn das Unheil, das uns zu diesen ungewöhnlichen Taten zwingt, wird nicht vor diesem Teil des Universums halt machen. Kämpfer werden eine wichtige Rolle spielen. Kämpfer vom Format der Dscherro, der Pelewon oder der Mooghs. Man wird sie alle dringend benötigen, kein Volk ist sinnlos anwesend. Terraner, Cappins, Dorgonen oder Akonen, alle verfügen über ein ausgeprägtes logisches Urteilsvermögen. Auch darauf wird es ankommen, auf die Organisation und die Kombination aller verschiedenen Fähigkeiten. Vergesst niemals, dass das gesamte Leben im Universum bedroht ist und dieses Projekt zu seinem Schutz erdacht und gestartet wurde! Mit diesem Bewusstsein wird das Zusammenwachsen der Völker erleichtert werden. Die Verantwortung für alles Leben liegt in eurem Handeln! Jedes Volk verteidigt nicht nur unbekannte Wesen, sondern arbeitet aktiv an der Erhaltung des eigenen Daseins, dem Schutz des eigenen Volkes und dem aller friedliebenden Völker!«

Die eindringliche Stimme DORGONs drang in die Gedanken aller Versammelten. In diesem Moment spürten alle die Gefahren, und waren bereit, für die Gemeinschaft und das Universum zu handeln. Tifflor registrierte erstaunt, dass die allgemeine Aggressivität nachgelassen hatte und einer alles umfassenden Spannung Platz machte, von den Worten der Entität ausgelöst. DORGON appellierte an die Vernunft der Intelligenzen. Tifflor staunte über die Endgültigkeit, mit der die Entität das Schicksal allen Lebens darstellte. Es schien ihm so, als bedeutete die Existenz von Rodrom und seinem Meister MODROR nicht nur eine unbeschreibliche Gefahr für sie, die Normalsterblichen, sondern in gleichem Maße auch für jene, die unglaublich Mächtigen, die Geisteswesen wie Superintelligenzen und Kosmokraten.

Jedoch konnte er eines mit absoluter Sicherheit sagen: Jenes Volk, welches sich bewusst aus diesem Konflikt um die allgemeine Existenz heraushalten würde, begänne mit der eigenen Vernichtung, schaufelte sich sein eigenes Grab!

Nach dieser Ansprache herrschte mehrere Minuten lang tiefstes Schweigen unter den Delegierten. Beeindruckt hing jeder seinen Gedanken nach und versuchte, die Worte DORGONs in jedem Verhältnis zu verstehen. Tifflor erkannte, dass momentan die Wirkung der Rede vollständig den vermutlichen Erwartungen der Superintelligenz entsprach. Die Wesen fühlten sich verbunden, da ihrer aller Existenz bedroht war. Dieses Phänomen kannte Tifflor. Schon immer hatten sich verschiedene Interessengemeinschaften plötzlich geeinigt, wenn eine größere und bedrohlichere Gefahr für alle entstand. Jedoch hatte er noch nie eine Verbindung in dieser Größenordnung miterlebt. Und doch konnte er seine anfängliche Skepsis nicht auflösen. Seine tausendjährige Erfahrung ließ ihn noch immer an der Dauerhaftigkeit einer solchen Verbindung zweifeln. Zu deutlich standen noch Erinnerungen von Konflikten vor seinen Augen, die auch andere Völker nicht vergessen haben konnten. Und die Gefahr, von der DORGON sprach, lag vielleicht noch viele Generationen entfernt. Diese Wesen dachten und handelten ja nach ganz anderem Zeitempfinden als organische Lebewesen. Tifflor befürchtete, dass in kurzer Zeit die alten Rivalitäten zwischen den Völkern wieder aufleben und sie ihrem alten Drang nach Selbstbestätigung folgen würden.

Vor jedem Delegierten erschienen Datenträger auf der Tischoberfläche.

»Ihr kennt nun die Gründe für die Zusammenstellung der Völker und überhaupt das Entstehen des Projekts. Die Datenträger beinhalten alle wichtigen Daten der Insel, vor allem die Koordinaten eurer zukünftigen Heimatsysteme. Dort werdet ihr jeweils eine auf eure Kultur abgestimmte komplette Infrastruktur vorfinden, es wird nichts fehlen, was man zum Leben braucht und außerdem, um sich wohl zu fühlen.«

Tifflor glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Hatte DORGON eben vollständige Infrastrukturen gesagt? Konnte es wahr sein, dass jeder bewohnbare Planet bereits ausgebaut und zivilisiert war?

»Es wird an euch liegen, wie lange ihr benötigt, euch hier einzuleben. Es ist jedoch unumgänglich, dass ihr euch untereinander verständigt und eng zusammenarbeitet.«

 

Warnung

Julian Tifflor, LFT-Botschafter in der Insel

Was mich eigentlich am meisten überrascht hatte, war die absolute Perfektion, mit der DORGON alles organisiert hatte. Nun lag alles Weitere an uns. Mich überkam ein schauriges Gefühl, als ich an die Schwierigkeiten dachte, die nun auf uns zukommen würden. Eine friedliche Verständigung sollte meiner Ansicht nach zwar möglich, aber nicht einfach sein. Versuche mal, dich mit einem Dscherro friedlich zu verständigen! DORGON hatte ja Recht, die Dscherro und die Bestien waren außergewöhnliche Kämpfer. Was aber, wenn sie ihre Vorrangstellung in unserer Streitmacht ausnutzten, um uns zu unterjochen oder zu eliminieren? Ich wusste, dass wir enorm vorsichtig sein und sehr behutsam vorgehen mussten, wenn wir hier eine Entwicklung in unserem Sinne fördern wollten.

Die Diskussion wollte vorerst kein Ende nehmen. DORGONs Wunsch, dass wir eine beachtlich starke Militärpräsenz aufbauen sollten, fiel auf guten Boden. Als er diesen Wunsch vorbrachte, blitzte es in vielen Augen auf. Ich beobachtete vordringlich den machtgierigen Arkoniden Uwahn Jenmuhs. Sein Gesicht spannte sich, und seine Hände verkrampften sich unwillkürlich. Im nächsten Augenblick sprang er auf. Ich tauschte einen schnellen Blick mit Joak, unserem militärischen Leiter. Er machte sich auch so seine Gedanken.

»Ich und mein Stab sind der Ansicht«, begann Jenmuhs, »dass es wohl das geringste Problem darstellen sollte, mächtige Flotten bereit zu stellen. Man beachte jedoch, dass wir zu der Erkenntnis kamen, dass nur unter arkonidischer Führung eine solche Aktion akzeptabel wäre. Unsere Erfahrungen auf dieser Ebene prädestinieren uns geradezu dafür.«

Meine Güte, so konnte er doch nicht mit Erfolgen rechnen! Hatte der junge Mann noch nie etwas von den Regeln der Diplomatie gehört? Glaubte er wirklich, die Völker würden auf seinen Vorschlag eingehen? Nicht nur ich war erstaunt über diese Unverfrorenheit. Auch in Joaks Augen blitzte es belustigt, aber auch besorgt auf. Er hatte ebenfalls erkannt, dass dieser Arkonide ein negatives Ziel anstrebte.

»Wir glauben nicht, dass wir uns den kümmerlichen Wesen der arkonidischen Menschheit beugen würden!«

Das klang nach der grölenden Stimme der riesigen Bestie Torsor. In ihrem blauen Kampfanzug und mit einer beachtlichen Größe von 5,50 Metern ging von der Gestalt eine düster bedrohliche Aura aus. Taka Kudon, der wilde Dscherro, donnerte seine beipflichtenden Geräusche in den Raum. Ich empfand es als lästig, immer mit diesen rücksichtslosen Wesen in einem Raum sitzen zu müssen. Sobald sie ihren Mund öffneten, konnte man sicher sein, mit einem beachtlichen Gehörschaden davon zu kommen. Dagegen verhielten sich die Haluter sehr human. Sie hatten es gelernt, in Gesellschaft schwächerer Wesen ihre Stimmorgane im Zaum zu halten. Das und viele andere Aspekte machten sie mir viel sympathischer.

Über diese Gedankengänge hatte ich einen Teil der Unterhaltung verpasst. Es ging immer noch um die militärische Rüstung. Gerade hatte Joak eingeworfen, dass auch er kein wirkliches Problem darin sah. Er schloss sich Jenmuhs' Meinung an, was diesen erstaunt aufblicken ließ. Ich lächelte wissend. Joak erinnerte mich an mich selbst, als ich im Solaren Imperium als Solarmarschall für die militärische Macht zuständig gewesen war. Oft hatte ich unvernünftig erscheinende Meinungen vertreten, zum Teil, um den Gegner zu verwirren, aber auch um die Herren Rhodan und Atlan mit der Realität zu konfrontieren und so auf das Wesentliche aufmerksam zu machen. Joak handelte oft aus ähnlichen Gründen und musste sich anschließend mit dem Unverständnis seiner Gesprächspartner auseinander setzen.

Neben mir räusperte sich der Abgesandte aus Siom Som, der Somer Sruel Allok Mok. Der eigenartige Name hatte uns veranlasst, ihn einfach Sam zu nennen. Und er nahm es uns nicht übel. Jetzt schien das friedliebende blaue Vogelwesen etwas auf dem Herzen zu haben.

»Wenn ich die Lage richtig einschätze, wird es zu einem Wettrüsten zwischen den Mächten kommen.« Besorgt blickte er in die Runde. »Die Delegierten kriegen sich bereits jetzt in die Haare«, ich musste grinsen, als er unbewusst diesen terranischen Ausdruck benutzte, »obwohl sie alle der Meinung sind, keine Probleme in der Rüstung zu sehen. Und auch wir werden diesem Rüstungswahn nicht entgehen, wenn wir eine ausgeglichene Machtverteilung wollen.«

Er hatte Recht. Ich musste ihm zustimmen und dachte an die Zeit, als auf Terra noch vergleichbare Zustände herrschten. Allerdings in kleineren Ausmaßen. Ich wandte mich an DORGON und berichtete ihm von unseren Befürchtungen. Die Entität schien anderer Meinung zu sein.

»Vertraut der Vernunft dieser Wesen. Vielleicht wird es anfangs Probleme geben. Doch es sind tatsächlich vernünftige Intelligenzen, auch wenn sie sich nicht immer so verhalten. Sie werden einsehen, dass sie gemeinsam mehr erreichen können.«

»Ich kann dir nicht vollständig zustimmen.« Ich musste ihm widersprechen, denn ich sah nicht in jedem der hier Anwesenden ein vernünftiges Wesen. Und das sagte ich ihm auch.

»Ja, bei einigen wird die Entwicklung vielleicht etwas länger dauern. Aber glaub mir, alle diese Völker sind im Grunde vernunftbegabt.«

Unbefriedigt kehrte ich auf meinen Platz zurück. Der Somer mochte meinem besorgten Blick ansehen, das DORGON nicht so reagiert hatte, wie ich es mir gewünscht hätte. Er sagte jedoch kein Wort dazu.

Ich blickte auf, als DORGON sich anschickte, weitere Erklärungen abzugeben. Wahrscheinlich würde er letzte Instruktionen geben und dann verschwinden.

»Ich sehe, es liegt noch ein Stück Arbeit vor euch. Doch ich glaube nicht, dass ihr scheitern werdet. Ich persönlich werde mich nun entfernen, denn es warten noch andere Aufgaben auf mich. Doch werde ich euch eine Kontaktperson zurücklassen, die mich auf dem Laufenden hält und bei Schwierigkeiten eingreifen kann...«

Neben ihm erkannte ich den Schemen eines humanoiden Wesens, das immer mehr an Klarheit gewann und immer deutlicher sichtbar wurde. Dann erkannte ich das Gesicht und stieß erstaunt die Luft zwischen meinen Zähnen aus. Doch was hatte ich erwartet? Wir wussten doch mittlerweile, wer DORGONs terranisches Konzept war.

Besorgt warf ich einen Blick zu Joak hinüber. Auf seinem Gesicht spiegelten sich seine Gefühle wider. Er war ebenso erstaunt wie ich, Nadine Schneider zu erkennen, doch musste er sicherlich einige Erinnerungen an ihre Freundschaft abschütteln, die es ihm nicht leicht machten, sie als unnahbare Kontaktperson zu einer Entität zu akzeptieren.

Ein Raunen ging durch die Versammlung. Nicht jeder war einverstanden mit dieser Maßnahme DORGONs, die in ihren Augen hart an Kontrolle grenzte. DORGON hatte noch etwas zu sagen.

»Die Insel soll demokratisch regiert werden, wobei ich euch nicht vorschreiben will, wie die einzelnen Völker ihre eigenen Kolonien verwalten. Doch hier auf Paxus soll der Regierungssitz aller Völker entstehen. Hier sollten die Entscheidungen gefällt werden, die für das große Projekt von Bedeutung sind.

Aus den autarken Regierungen soll ein Rat gewählt werden, der über die Geschicke aller Völker wachen wird. Dieser Rat wird nicht von einem bestimmten Volk gestellt, sondern aus der Gemeinschaft gewählt werden. In diesem Projekt ist es von aller größter Wichtigkeit, dass alle Völker zusammen arbeiten. Wie ich schon mehrfach betonte, kann nur durch Zusammenarbeit der Einzug des Chaos verhindert werden. Bekämpft ihr euch gegenseitig, werdet ihr erst dem Chaos anheimfallen, bis schließlich alles Leben im Universum erlöschen wird.«

Ohne weitere Worte verschwand die Entität und ließ eine verwirrte und tief betroffene Versammlung zurück. Unsere Aufgabe würde nun sein, einen Rat zu bilden, der DORGONs Vorstellungen entsprach. Ich sah schwere Zeiten auf uns zukommen.

 

Cartwheel

Die Galaxis Cartwheel besaß einen größeren Durchmesser als die Milchstraße. Betrachtete man aber ausschließlich den Kernbereich der Galaxis, der von Sonnen und bewohnbaren Planeten gebildet wurde, und ließ man die Wasserstoffsphäre, die diesen Kern in Form eines weiten Ringes umgab, außer acht, so betrug die Ausdehnung der Insel nur 8.000 mal 6.000 Lichtjahre – eine kleine, scheibenförmige Galaxis, deren Aussehen zu ihrem Namen geführt hatte.

Der Kern umfasste etwa 10.000 Sonnensysteme, von denen nur knapp 1.700 bewohnbar waren – so zumindest lauteten die Angaben von DORGON. Diese eintausend sieben hundert Systeme waren in den Datenspeichern DORGONs beschrieben und unter den Völkern verteilt worden. Außerdem konnte man den Speichern genaueste Daten über die Insel entnehmen.

Es gab außerhalb des Kerns mit Sicherheit weitere bewohnbare Welten. Sah man die Galaxis tatsächlich wie ein Wagenrad, so lebten die verschiedenen Völker in der Nabe. Die Speichen, welche zum umspannenden Radkranz führten, waren – wie der Außenbereich selbst – nicht besiedelt. Cartwheel war vermutlich durch eine Kollision mit einer anderen Galaxie entstanden.

DORGON hatte mit Hilfe einiger Verbündeten diese Galaxis erschlossen und den Gegebenheiten angepasst, die den Völkern entsprachen und die vom Projekt vorgegeben wurden. Auf relativ kleinem Raum, der den Völkern verbot, sich zu ignorieren, sondern sie eher zur Zusammenarbeit zwang, war dieses künstliche Gebilde entstanden. Die Dichte schaffte viele Berührungspunkte und gewährte einen besseren Überblick als riesige Bereiche.

Jedem Volk wurden bestimmte Systeme oder Planeten zugewiesen. Sie verfügten sämtliche über den Völkern individuell angepasste Infrastrukturen und Städte. DORGON war darauf bedacht gewesen, den Völkern, die dieses Projekt ermöglichten, eine perfekte zweite Heimat zu bieten. Die Welten entsprachen in ihrem Aufbau der Zentrumswelt Paxus, konnten also sofort besiedelt werden. Es gab keine aufwendigen Bauarbeiten. Es schien, als wären die Wesen von einem Haus ins nächste gegangen. Nichts erinnerte an eine fremde Galaxis, Cartwheel war besser bekannt als die eigene Milchstraße – Dank der Unterlagen DORGONs.

In der Zentrale der IVANHOE saßen die Mannschaften vor ihren Kontrollen. Eine erwartungsvolle Spannung hatte sich aufgebaut, seit man an der Spitze der terranischen Verbände das Zentrum verlassen hatte.

»Wann werden wir unser System erreichen?« Der Marquês durchbrach das Schweigen. Die Köpfe der nächstsitzenden Offiziere ruckten herum und fixierten fragend ihren Kommandanten.

Jeamour hatte bisher schweigend in seinem Sessel gesessen. Jetzt wurde er abrupt aus seinen Gedanken gerissen. Mit einer verwirrten Geste wischte er sich über das Gesicht und wandte sich um. Langsam klärten sich seine Blicke.

»Wie bitte?« Er brauchte eine Weile, bis er sich vollständig gesammelt hatte.

»EINSTEIN, eine genaue Berechnung der Reisedauer bis zum Zielsystem, bitte!«

Das leistungsfähige Bordgehirn meldete sich nach kaum messbarer Zeit.

»Die IVANHOE wird in 24 Minuten und sekundären 12 Sekunden die äußere Region des Planetensystems erreichen!«

Nicht nur der Marquês blickte bei dieser eigenwilligen Modifikation der Äußerung erstaunt auf. Auch Jeamour musste einmal mehr den Kopf schütteln. Ihre Bordsyntronik besaß so etwas wie ein Eigenbewusstsein und gab individuell gefärbte Kommentare, die zum Teil sogar über einen leichten Touch von Humor verfügten.

Das kleine System, das die Terraner von DORGON als Hauptsystem zugewiesen bekommen hatten, lag 1.350 Lichtjahre von der Zentralwelt Paxus entfernt. Es umfasste sieben Planeten, von denen nur drei für die Menschen von Wichtigkeit waren. Der zweite wies die größte Ähnlichkeit zur Erde auf. Er hatte einen Durchmesser von 8.589 Kilometern, seine Schwerkraft betrug 1 g. Vier Kontinente und zwei eisbedeckte Pole beherrschten das äußere Bild der Welt. Der dritte Planet besaß einen Durchmesser von 4.999 Kilometern, war damit also etwa halb so groß wie der zweite. Man konnte ihn am ehesten mit dem solaren Mars vergleichen, obwohl er mit seinen drei Kontinenten und den beiden Polen eine andere Gestalt hatte. Auch auf dieser Welt herrschte die gewohnte Schwerkraft von einem Gravo. Hier zeigte sich deutlich die Manipulation DORGONs.

Der fünfte Planet sollte laut DORGON von den Halutern besiedelt werden. Er besaß ebenfalls eine Sauerstoffatmosphäre, war jedoch mit nur 0,53 g eine relativ leichte Welt. Sein Durchmesser betrug nur 1.213 Kilometer, und seine Oberfläche zeigte neben den beiden Polen nur einen Kontinent.

Wie Jeamour gehört hatte, besaß dieser Planet schon seinen Namen: Small Halut.

»Ein außergewöhnliches Ereignis, das wir hier miterleben«, flüsterte der Marquês ergriffen. »Ein weiterer großer Schritt für die Menschheit, die gemeinsame Initiative gegen kosmische Gefahren!«

Jeamour nickte nachdenklich.

»Mankind!«

»Wie bitte?«

»Wir werden unsere neue Hauptwelt Mankind taufen, bezeichnend für die Wünsche und Träume der Menschheit, die keine Strapazen scheuen würde, um ihrer Art gerecht zu werden!«

Don Philippe blickte Jeamour forschend an und erkannte die Wünsche des Kommandanten in seinen glänzenden Augen.

»Darf ich fragen, ob Sie sich auch für den dritten Planeten einen Namen überlegt haben?«

»Nein, der wird zu gegebener Zeit gesucht, denke ich. Ob der zweite tatsächlich Mankind genannt wird, hängt außerdem ganz von den Einsatzleitern ab.«

»Also auch von mir«, stellte Don Philippe befriedigt fest. »Somit besitze ich die Vollmacht, den dritten Planeten zu benennen. Hiermit taufe ich ihn feierlich auf den Namen Siniestro! Gedenk meiner alten Heimat soll dieser Planet ihren Namen tragen!«

 

Mensch – Emotion – Ungeduld?

Remus Scorbit

»Geh mir aus dem Weg!«

Die kleine Reinigungseinheit glitt hastig zur Seite. Das war auch gut so, denn ich hatte schon blind vor unbeherrschter Wut nach einem Golfschläger gegriffen, um sie manuell zu entfernen.

Ich hatte es eilig. Ich wusste doch selbst, wie ungern man auf seine Verabredung wartete.

»Remus!«

Konnte man hier nicht eine Minute verweilen, ohne gleich wieder eingespannt zu werden? Das war doch meine Frau, der wieder irgendwas eingefallen war, das noch schnell erledigt werden musste.

»Was?!«, herrschte ich sie darum an.

Ich hatte mich so schnell umgedreht, dass meine Golftasche einen Tisch abräumte.

»Scheiße! Wer stellt mir hier immer alles in den Weg? Immer, wenn ich weg will, passiert so ein Unsinn!«

Ist doch war! Wer kann behaupten, diese Situation nicht zu kennen? Als Kind und junger Erwachsener ist es am schlimmsten. Dann steht die Mutter da und drückt einem eine Arbeit nach der anderen auf. Ein eigener Haushalt ist nicht viel besser, wenn man liiert ist.

»Was ist jetzt noch? Du weißt, dass ich dringend zum Golfen muss! Also bitte, fass' dich kurz!«

»Remus, was ist bloß los?« Uthe klang besorgt. Aber konnte sie nicht selbst sehen, was los war?

»Ich will weg, das ist los!« Wenn heute alle so langsam waren, konnte das ja noch heiter werden.

»Okay, geh du ruhig mal zum Golfen und reagier' dich ab. Ich hab ja auch besseres zu tun, als dir nachzulaufen!«

Ups....

Egal jetzt, ich musste los. Mein Partner würde auch nicht ewig warten. Er befand sich in der gleichen Lage wie wir.

Vor einer Woche waren wir in unserem neuen Heimatsystem angekommen. Die Verantwortlichen hatten die Planeten getauft, soweit sie wichtig für uns waren. Mankind war der zweite Planet und war vergleichbar mit der Erde. Er besaß einen Mond, der Lunar genannt worden war. Etwas einfallslos fand ich den Namen der Hauptstadt: New Terrania. Naja, man konnte ja nicht andauernd mit bedeutungsschweren Namen dienen, das sah ich ja ein.

Der dritte Planet hieß Siniestro, seine beiden Monde Mechos und Jariba. Der alte Spanier konnte wohl seine Abstammung nicht verleugnen. Jedoch auch hier die traditionelle Anlehnung des Hauptstadtnamens an die alten Namen Terras. Don Philippe schien dem Planeten seinen Stempel aufdrücken zu wollen. Seine Hauptstadt hieß Nuevo Madrid!

Seit nun einer Woche wurden alle möglichen Sachen geregelt und organisiert, die mit der Besiedlung der Welten zusammen hingen. Kein Wunder, dass jeder von uns bis aufs Äußerste gereizt war! Absolut tatenlos mussten wir hier rumhängen.

Ich hatte tief in Gedanken versunken die Sportanlage der IVANHOE erreicht. Mein Golfpartner, Jonathan Andrews, stand unruhig vor dem Court und rauchte.

»Remus, ich komme gerade von Gal'Arn. Es geht los!«

Seine blendend gute Laune ließ mich sofort die Auseinandersetzung mit Uthe vergessen. Es geht los! Das konnte nur heißen, dass bald die Besiedlung beginnen würde!

»Endlich! Du glaubst gar nicht, was wir gelitten haben!«

Jonathan grinste glücklich.

»Bleibst du jetzt doch bei uns, oder wie kommt es sonst, dass du dich so mit mir freust?«

Ein Schatten glitt für Augenblicke über sein Gesicht – er war Schüler Gal'Arns, er konnte nicht sesshaft werden!

»Komm, lass' uns anfangen! Laut Joak Cascal beginnt die Übermittlung der genauen Pläne in fünf Stunden...«

 

Die letzten Vorbereitungen

Gal'Arn saß ruhig in seinem Gliedersessel aus Formenergie, der sich jeder Bewegung perfekt anpasste. Er war der Diskussion bisher interessiert gefolgt, hatte sich jedoch nicht eingemischt. Ihm wurde bewusst, dass diese Wesen keine Hilfe in organisatorischer Hinsicht benötigten.

Gerade führte Julian Tifflor das Wort.

»Wir sind uns also einig, dass die Grundzüge der Planung beibehalten werden.« Sein Blick suchte Cascal. »Joak, diese Aufgabe wird wahrscheinlich die schwerste und verantwortungsvollste, die du jemals erhalten hast. Ich weiß, dass es nicht immer leicht ist, die militärische Stärke mit der diplomatischen Geschicklichkeit in Einklang zu bringen.

Jedoch bin ich sicher, dass ein derart erfahrener Mann wie du jedes Problem zu lösen im Stande ist.«

»Die militärische Kontrolle zu führen bedeutet: Rüstung, Ausbildung, Strategie und Taktik, sowie natürlich den Bezug zur Politik zu wahren und in ihrem Sinne zu handeln.« Cascals Stimme klang ernst und gespannt. »Ich kann mich noch gut an die Vorgehensweise zu meiner Zeit erinnern. Damals war die solare Flotte zum wichtigsten Teil ein Demonstrationsinstrument. Sie hat ihre Dienste gut geleistet.«

»Als Terramarschall stehen dir alle Vollmachten zur Verfügung, die sich aus der Notwendigkeit zum optimalen Einsatz der Flotte ergeben. Selbstverständlich kann dir das Kommando zu jeder Zeit aberkannt werden, doch das steht nicht zur Debatte.«

»Don Philippe, Sie werden als mein Stellvertreter Terra-Administrator des terranischen Einflussbereichs in Cartwheel. Ihr Hauptsitz wird Siniestro sein, wie geplant. Das Parlament auf Mankind dient den normalen Regierungsgeschäften, wie schon seit langem bekannt.«

In diesem Moment ertönte ein leises Knallen. Erschrocken zuckten die Teilnehmer der Konferenz zusammen. Cascal war versucht, Gucky dafür verantwortlich zu machen, dessen Teleportationen ähnliche Geräusche verursachten. Doch der Mausbiber saß erstaunlich ruhig auf seinem Platz.

Und dann sahen sie es. Im Hintergrund des Raumes war ein leise schimmernder Schemen entstanden. Er besaß die Form eines humanoiden Körpers, seine Konturen wurden verwischt durch die schillernde Sphäre, die ihn umgab.

»Gal'Arn ist der Abgesandte der Elaren. Ihm als Ritter der Tiefe obliegt die Aufgabe, euch in allen Entscheidungen zu unterstützen. Vertraut seiner Weisheit, unterlasst es niemals, ihn zu konsultieren. Vertraut Gal'Arn!«

Wie erstarrt blickte die Versammlung auf den Punkt, an dem sich das Wesen Augenblicke zuvor noch befunden hatte. Schließlich war es Cascal, der die Stille unterbrach.

»DORGON«, murmelte er. »Die Entität hat sich nach ihrer Ansprache auf Paxus endgültig verabschiedet. Wenn sie nun zu dieser weiteren Äußerung bereit war, müssen wir davon ausgehen, dass sie von hoher Wichtigkeit war.«

»Gal'Arn scheint in den Plänen der Entität eine gewisse Schlüsselposition zu besitzen, wenn sie darauf besteht, dass wir ihn als Berater zu jeder Entscheidung hinzuziehen. Dabei hatten wir dieses noch mit Perry Rhodan besprochen.« Tifflor sah zu dem Elaren hinüber.

Gal'Arn blickte auf. »Damit hätten wir soweit alles geklärt. Was noch unklar ist, wird sich in den nächsten Stunden aufklären.

Ich bleibe also ebenfalls wie verabredet in der Insel. Ich werde für euch immer erreichbar sein, selbst wenn ich nicht persönlich anwesend sein sollte. Aber das Nähere kommt zu gegebener Zeit.

Jetzt lasst uns die Welten bevölkern, die Menschen haben lange genug gewartet!«

Diese Worte lösten die spürbare Spannung, die sich nach dem Auftauchen DORGONs in dem Raum gebildet hatte. Erleichtert atmeten die Männer auf.

 

Anpfiff

Remus Scorbit

Es war lange her, dass ich so viele Besatzungsmitglieder und Passagiere zu Gesicht bekommen hatte. Wir standen dichtgedrängt in einer der großen Messen der IVANHOE und lauschten gebannt den Worten des Mannes, dessen Hologramm jetzt vor uns auf einem Podest erschienen war. Julian Tifflor, der Leiter des gesamten Unternehmens aus terranischer Sicht, bat mit einer Geste die Leute um Aufmerksamkeit. Da fiel mir wieder einmal auf, wie jung der Mann wirkte. Wenn ich mich richtig erinnerte, war er in einem Alter von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, als sein biologisches Alter konserviert wurde. Und trotz seines Aussehens übertraf er uns alle, was Lebenserfahrung und Weisheit betraf.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als der Zellaktivatorträger zu sprechen begann. Seine Stimme wurde getragen von der Energie und Willenskraft, die diesen Mann auszeichneten.

»Es ist soweit! Morgen beginnen wir mit der Besiedlung dieses Systems. Die Verantwortlichen und ich haben uns während der letzten Zeit alle Einzelheiten eines großen Planes überlegt, mit dessen Hilfe wir eine reibungslose Ausschiffung zu bewerkstelligen hoffen.«

Ich musste grinsen, als er jene Pause machte, die jeder Redner an dieser Stelle gemacht hätte. Doch ich war so fasziniert, dass ich schnell wieder nur auf seine nächsten Worte wartete – wie die anderen Wesen in meiner Nähe.

»Wir werden genaue Informationen über die Gegenden der Planeten, die Landschaften, Temperaturzonen und dergleichen herausgeben, so dass jeder seine besonderen Wünsche über die Bordterminals angeben kann. EINSTEIN wird diese Angaben koordinieren und ihnen nach Möglichkeit entsprechen. Ich bin überzeugt, dass jeder die ideale Behausung finden wird.

Des Weiteren koordinieren wir die Gestaltung des Aktiven-Zirkels. Damit ist der Bereich in direkter Nähe des Regierungsgebäudes gemeint, den jene Männer und Frauen beziehen sollen, die mit der Regierung zu tun haben oder anderweitig aktiv einbezogen werden sollen.

Dazu gehören unter anderem Raumschiffsbesatzungen und ihre Familien, Abwehrspezialisten, Wissenschaftler und Privatpersonen, deren Einbeziehung geplant oder vorauszusehen ist.«

Wieso bekam ich bei diesen Worten nur so ein merkwürdiges Gefühl? Die Projektion von Tifflors Augen schien mich direkt anzustarren. Obwohl das unmöglich war, fühlte ich mich unbehaglich. Ich wechselte einen raschen Blick mit Uthe. Schon allein die Tatsache, dass auch sie in diesem Moment zu mir blickte, sagte mir genug. Sie hatte es ebenfalls gefühlt. Kamen wieder Abenteuer auf uns zu, die unser Leben bedrohen konnten?

Tifflor sprach weiter. Was nun folgte, interessierte mich nicht mehr, denn es betraf mich nicht direkt. Ich war mir sicher, dass meine Vermutung stimmte.

Auf dem Weg zu meinem Quartier traf ich mit unverhofft mit Jonathan zusammen. Der junge Mann schien mich schon eine geraume Weile gesucht zu haben, denn er atmete erleichtert auf, als er mich sah. Ich war jedoch viel zu sehr in Gedanken versunken, als dass ich ihn hätte bemerken können. So gingen wir schweigend nebeneinander her.

Einige Minuten vergingen. Wollte er etwas Besonderes von mir, oder bemerkte er, dass ich die nächsten Sekunden noch zu meiner Sammlung benötigen würde?

Dann brach er das Schweigen.

»Du weißt es schon.«

»Nein, aber ich ahne es. Gal'Arn?«

Andrews nickte.

Ich verstand. Gal'Arn, der Elare, der Ritter der Tiefe! Er war unversehens in die Situation gedrängt worden, unter Fremden Völkern den Ruhenden Pol zu bilden. Wir hatten ihn erlebt. Wir hatten gemeinsam viele Abenteuer bestanden. Es war nur zu verständlich, dass der einsame Mann, der viele seiner Freunde verloren hatte, nun seine letzten Bekannten in seiner Nähe haben wollte. Das allerdings bedeutete, dass wir – wie ich es geahnt hatte – stärker in die Sache eingebunden werden sollten. Gal'Arn vertraute uns. Er würde sich wahrscheinlich häufig mit uns in Verbindung setzen. Ich sah harte Zeiten auf uns zukommen!

 

Aus den Chroniken Cartwheels

Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon

Die Entstehung der Machtballungszentren

Anfang März 1295 NGZ

...konnte eindeutig festgestellt werden, dass die initiierende Entität, DORGON, die innenpolitischen Gegebenheiten zwischen den einzelnen Völkern bei der Ausarbeitung des Besiedlungskonzepts für die Insel durchaus nicht vergessen hatte, sondern bis auf das Genaueste beachtete. Die terranisch loyalen Völker wurden in direkter Nachbarschaft zueinander angesiedelt. Es handelte sich vordringlich um Völker terranischer Abstammung wie Oxtorner, Epsaler, Ertruser, Plophoser, olympische Freihändler und andere. Eine Ausnahme waren die Ferronen, die nur indirekt über lemurische Kolonisationen mit den Terranern verwandt waren, sowie die Haluter, die sogar im terranischen Hauptsystem ihre Heimat fanden. Beide Völker sind jedoch seit frühester terranischer Geschichte Verbündete und loyale Freunde in diesem Gefüge (vgl. Altterranische Chroniken, Erster Fernflug Perry Rhodans).

Dieses Ballungszentrum eines Interessenverbandes erhielt alsbald eine individuelle Bezeichnung. Ein Terranischer Block entstand...

*

»Start!«

Die Passagierjet verließ pünktlich den kleinen Hangar der IVANHOE und nahm Kurs auf den blaugrünen Planeten. Sie wurde vollautomatisch manövriert, denn in dem herrschenden Gedränge von Verbindungsbooten und Raumern rund um Mankind hätte der menschliche Pilot versagen müssen. In alle Richtungen heizten die kleinen und großen Maschinen, die Menschen und Gegenstände ihren neuen Behausungen zuführten.

Uthe Scorbit blickte starr geradeaus durch das Panoramafenster. Sie wurde von der gleichen Nervosität erfasst wie Milliarden andere Wesen, die nun mit der Besiedlung der Welten begannen.

Uthe blickte sich um. Hinten in der Kanzel saßen die beiden Zechonin Anica und Jaquine. Die beiden jungen Frauen hatten am meisten mit ihren Gefühlen zu kämpfen. Bis vor wenigen Wochen hatten sie nicht gewusst, dass sie nicht die einzigen intelligenten Wesen im Universum waren. Und nun befanden sie sich weit abseits des Sektors, in dem ihre Heimatgalaxis zu finden war. Ihre einzigen Bekannten waren die Scorbits, an die sie sich in jedem Fall halten mussten.

Neben Uthe saß ihr Mann, scheinbar völlig ruhig. Doch sie kannte ihn besser.

»Wir hätten schon lange da sein können!«

Uthe erwiderte nichts darauf. Sie wusste, dass er eigentlich Recht hatte. Wären sie durch einen der Transmitter gegangen, läge ihr Häuschen jetzt tatsächlich bereits vor ihnen. Doch aus Rücksicht auf die beiden Zechonin hatten sie auf diesen Komfort verzichtet und sich wie die meisten Menschen per Raumboot zum Planeten bringen lassen. Bis sie dort ankamen, würde noch einige Zeit vergehen. Und sie würden sich daran gewöhnen müssen, auf verschiedene Dinge zu verzichten, denn die beiden Mädchen würden auch weiterhin bei ihnen bleiben.

Eine Stunde später war es soweit. Die Jet setzte auf dem Raumhafen des Regierungskomplexes auf Mankind auf. Unzählige Roboter verschiedenster Größen quirlten zwischen den Beinen der gelandeten Verkehrsboote herum, in dem Bestreben, den Neuankömmlingen ihr Gepäck abzunehmen sowieso die Laderäume zu leeren. Ein ständiges Summen erfüllte die warme, etwas metallisch schmeckende Luft der neuen Welt. Uthe blickte interessiert den schwer beladenen Robotträgern nach, die sich voll beladen systematisch verteilten Schächten näherten und ihre Lasten in ihnen verschwinden ließen.

Als die drei Frauen und der Mann einen dieser Schächte passierten, konnten sie erkennen, dass knapp einen Meter unter der Bodenoberfläche das Entmaterialisierungsfeld eines Abfertigungstransmitters glühte. Uthe erkannte erstaunt, dass die robotischen Einrichtungen Möglichkeiten haben mussten, die Frachtstücke dem jeweiligen Haushalt zuordnen zu können. Demnach waren ihnen bereits individuelle Unterscheidungskriterien der Neuankömmlinge bekannt. Außerdem mussten entsprechende Hinweise an oder in den Gepäckstücken vorhanden sein.

Plötzlich tauchte ein Antigravgleiter auf und lud die Vier mit geöffneten Türen zum Einsteigen ein. Auch hier hatten sie keine Möglichkeit, ihr Ziel anzugeben. Der Autopilot beschleunigte den Gleiter unbeeinflusst.

»Es muss hier ein ausgeklügeltes Informations- und Kontrollsystem geben, von dem jede robotische Einheit ihre Informationen bezieht.« Remus hatte also ebenfalls versucht, die Perfektion der Abfertigung zu analysieren. »Demnach besteht die Möglichkeit, dass das Besiedlungsprogramm nicht ausschließlich von Cascal und den anderen Verantwortlichen stammt, sondern von den lokalen Einheiten unterstützt wird. Wahrscheinlich wurde die Auswertung der Wohnwünsche von EINSTEIN auf diese Rechner übertragen, die sich nun um die richtige Unterbringung kümmern, denn sie müssen ja am besten wissen, wo die gewünschten Bedingungen anzutreffen sind.«

Wie die Gepäckstücke den einzelnen Wesen zugeordnet wurden, konnte sich Uthe nun nach Remus' Ausführungen auch vorstellen. Dazu mussten die Kontrolleinheiten des Raumhafens während des Entladungsvorgangs die individuellen Impulse der Ankömmlinge registriert und als Versandgrundlage für die Fracht benutzt haben. Die Lieferdaten wurden dann den Speichern entnommen, in denen das Ziel der Neuen verankert war. Ein einfaches System, wenn die nötigen Abfertigungsanlagen zur Verfügung standen.

Der Gleiter hielt nach dreiminütigem Flug vor einer geräumigen Behausung, die von einem kleinen Garten umgeben war. Hier wuchsen alle möglichen Ziergewächse ebenso wie zahlreiche Gemüsesorten und Obstpflanzen. Uthe fühlte sich zurückversetzt in jene frühe Zeit ihres Lebens, als sie noch in der Ruhe des bürgerlichen Lebens gelebt hatte und von den Gefahren des Universums nichts wusste.

Plötzlich fühlte sie einen stechenden Schmerz durch ihren Kopf ziehen, als reiße jemand alle Haare gleichzeitig einzeln heraus. Stöhnend fuhr sie mit den Händen zu den Schläfen und sank langsam in sich zusammen.

Beunruhigt beugte sich Remus über sie und versuchte, ihr wieder aufzuhelfen. Erst nach mehrmaligen Bemühungen gelang es ihm. Er führte sie in ihr neues Heim und ließ sie von dem hausinternen Medokit untersuchen. Die Diagnose lautete auf Stress und empfahl einige Stunden Ruhe. Aufatmend verabreichte Remus seiner Frau die angebotenen Medikamente und legte sie in ein Bett. Er wusste seit ihren Abenteuern mit Gal'Arn von einer leichten Reizbarkeit seiner Frau, wenn sie von fremden Welten, Atmosphären und Sonnen beeinflusst wurde. Hinzu kamen die lange Reise und die vielfältigen Eindrücke, die sie bereits in dieser Galaxis gesammelt hatten.

Mit einem missbilligenden Blick auf die Zechonin verließ er den Raum und schlenderte durch ihr neues Heim. Ihm war gar nicht recht, dass die beiden Mädchen, die sie aus der Gewalt von Prosperoh befreit hatten, sie auf Schritt und Tritt begleiteten, quasi eine Wohn- und Lebensgemeinschaft mit ihnen gebildet hatten. Hauptsächlich störte ihn ihre Unselbstständigkeit. Sie waren auf ihn und seine Frau angewiesen, außer ihnen hatten sie keine Bekannten unter den Galaktikern oder jetzt in der Insel.

Seufzend wandte er sich um und streunte durch das Haus. Die geschmackvolle Einrichtung erstaunte ihn, denn sie entsprach genau seinen Vorstellungen. Dazu war das Haus nicht allzu groß, so dass eine gemütliche Atmosphäre entstand. Es waren sogar komplett eingerichtete Kinderzimmer vorhanden! Sollte das eine Aufforderung sein?

»Remus!«

Die geschwächte Stimme seiner Frau riss ihn aus den Gedanken. Eilig begab er sich an ihr Lager – eine formenergetische Liege, bequem wie man es sich nur vorstellen konnte und mit allen Servomechanismen der Moderne ausgestattet.

»Remus, lass uns nach Hause fahren!« In ihrer Stimme klang die Resignation einer Seele mit, die sich ihrer Schwächen durchaus bewusst war, jedoch diese auf Dauer nicht überwinden zu können glaubte.

»Komm zu dir, Schatz!« Remus hatte die Krise sofort bemerkt und versuchte, seine Frau zu unterstützen. »Es ist für niemanden leicht, seine Heimat mit einer fremden Welt zu vertauschen – auch für mich nicht! Wir haben uns jedoch freiwillig dazu bereit erklärt, Gal'Arn zählt auf uns!«

»Mir wird schlecht, wenn ich nur an diese Sonne denke...«

Ruhig saß Remus da und hielt ihre Hand. Er ahnte, dass dies die schwerste Krise sein würde, die sie psychisch durchzustehen hatten.

»Die Erde...«, flüsterte sie matt. »Ich kann sie deutlich sehen... die tiefblauen, beherrschenden Meere, die eisbedeckten Pole! Kleine, paradiesische Inselgruppen zwischen den großen Kontinenten...«

Er streichelte liebevoll ihre Wange und küsste sie auf die Stirn.

»Die Erde und der Frieden verlangt, dass der Mensch Opfer bringt, ihn zu erhalten. Unser Opfer ist die Abwesenheit von der Heimat!«

Draußen wurde es rasch dunkel. Remus programmierte die syntronische Schlafkontrolle und kuschelte sich an seine Frau. Minuten später war das Haus zum ersten Mal von Geräuschen schlafender Menschen erfüllt – Ruhe und Frieden legte sich über die Welt.

 

Der Chronist

Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon

Die Entstehung der Machtballungszentren

März 1295 Neuer Galaktischer Zeitrechnung

...war die Besiedlung in vollem Gange. Die Organisation musste als Produkt von kombinierter Kreativität des Menschen mit robotischer Genauigkeit der Syntroniken entstanden sein. Es gab bisher nur wenige kleine Pannen, die allesamt auf emotionelle Starrköpfigkeit oder Verschleißerscheinungen im verwendeten Material zurück zu führen waren. Menschen strömten regelrecht aus den Transportraumern, wurden individuell abgefertigt und zu ihren Wohnungen befördert. Groß angelegte Informationskampagnen sorgten für die Findung in das Alltagsleben, das nun langsam seinen Start nahm. Bis auf wenige Ausnahmen erhielten die Auswanderer entsprechende Tätigkeitsfelder wie seinerzeit auf der Erde und den anderen Heimatwelten.

Die meisten Menschen hatten sich nach einer überstandenen Nacht in ihrer neuen Umgebung soweit akklimatisiert, dass sie ihre Tätigkeiten aufnehmen konnten. So wurde die Kapazität der Abfertigung ständig gesteigert, denn die Unterstützung der Maschinen durch organische Intelligenzen war nicht zu verachten, und sie wuchs ständig...

*

»Verbindungsshuttle Tr-31LI-12 von der D-1.2 nach Siniestro klar zum Flug«, schnarrte die unmodulierte Stimme des einfachen Bordrechners. Jaaron Jargon nickte zufrieden und erwartungsvoll, während seine Nichte Nataly leise seufzte und die Arme verschränkte. In Gedanken suchte sie nach Möglichkeiten, Kontakte nach Mankind zu knüpfen, um öfter mehr Zeit dort zu verbringen.

»Dieses Zentralbewusstsein der Normalen«, nörgelte ihr Onkel, der schon im gehobenen Alter stand. »Ich würde in dieser Masse eingehen! Der Mensch muss sich auch mal von der Wichtigkeit und Popularität des Zentrums lösen können. Hoffentlich erkennst du bald die Wahrheit in meinen Worten!«

»Ich fühle mich abgeschnitten von der Hauptebene der Entwicklung«, beklagte sie sich. »Und du musst zugeben, dass es auf Mankind ebenfalls dezentrale Wohnmöglichkeiten gegeben hätte! Damit wäre für dich die Abgelegenheit gegeben, und ich müsste nicht absolut ab vom Schuss mein Dasein fristen. Auf einem einzigen Planeten ist es leichter, von einem Ort zum nächsten zu kommen, als wenn es sich bei den Orten nicht nur um Orte als solche, sondern gar um Welten handelt!«

»Du redest wirr, mein Kind.« Der Alte legte ihr begütigend die Hand auf den Arm. »Jedoch werde ich dir nicht verbieten, deine Freunde zu treffen und deine Freude zu haben. Nur halt dich ein wenig zurück, verlass mich nicht gleich, ja? Du bist meine letzte Verwandte, mein letztes vertrautes Wesen.«

Nataly blickte ihm in die Augen. Nein, sie konnte ihn nicht verlassen – noch nicht...

Der alte Historiker richtete sich ächzend auf. Der lange Flug hatte ihn geschwächt. Doch das störte ihn nicht, wenn er an die Aufgabe dachte, die ihm von einem mächtigen Wesen gegeben worden war. Er hatte die ersten Treffen auf Paxus miterlebt. Dort hatte er die nötigen Kontakte geknüpft, um die Aufgabe DORGONs zu dessen Zufriedenheit und zur Zufriedenheit aller Völker lösen zu können.

Eilig begab er sich in einen Raum seiner neuen Wohnung, der wie sein Arbeitszimmer eingerichtet war. Dort ließ er sich ohne zu zögern in den großen Sessel fallen und begann sofort mit der Analyse seiner bisherigen Aufzeichnungen. Allzu weit kam er heute allerdings nicht mehr, zu sehr hatte sein Körper unter der Reise gelitten und er schlief bereits wenige Minuten später ein...

 

Der Militärattaché

Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon

Die Entstehung der Machtballungszentren

März 1295 Neuer Galaktischer Zeitrechnung

...ging hervor, dass den Arkoniden und ihren Verbündeten ebenfalls eine geballte Siedlungszone gestellt wurde. Nur 1800 Lichtjahre von Mankind entfernt, etwa 2.500 Lichtjahre südlich von Paxus gelegen. Entweder in gemeinsamen Systemen oder wenigstens in direkter Nachbarschaft siedelten dort Aras, Zaliter, Báalols und Mehandor-Sippen. Die Naats erhielten keinen eigenen Planeten, denn auch hier setzte sich die arrogante Mentalität der Arkoniden durch: Entsprechend dem Vorbild aus der Milchstraße wurden sie auf der neuen Welt Arkon V angesiedelt. Zu dieser arkonidischen Allianz zählten auch die echsenartigen Topsider, welche wohl jedoch insgeheim sich Autarkie in dieser neuen Galaxis erhofften. Der Sprachgebrauch der Insulaner prägte den Begriff Arkonidischer Block, konträr in seiner Einstellung zum bekannten Terranischen Block...

*

Rhonda Portland saß im Wohnzimmer und starrte verdrießlich in eine Ecke. Sie war erst seit zwei Tagen hier und langweilte sich schon. Wie sollte das nur weitergehen?

Plötzlich blickte sie auf.

Ihr Mann Henry Portland kam zur Tür herein. Erschöpft warf er die ID-Karte auf einen Beistelltisch und entledigte sich seines Mantels.

Rhonda ging zu ihm und gab ihrem Mann zur Begrüßung einen Kuss auf die Stirn.

»Wie war dein Tag, Liebling?«

Müde ließ sich Flak Portland in den Sessel fallen und rieb sich die Augen.

»Alles sehr anstrengend«, erzählte er verdrossen. »Cascal und ich sind dabei, die Soldaten einzuquartieren, den Stab festzulegen, die Standorte der Kasernen zu bestimmen, die Schiffe mit fähigen Soldaten zu besetzen und sie entsprechend im Terra-Block zu verteilen. Sehr viel Papierkram...«

Rhonda hörte gespannt zu.

»Aber das ist doch eine spannende Sache. Du bist ein sehr bedeutender Mann, Flak. Das ist die Chance, auf die wir immer gewartet haben. Du hast sogar mit Perry Rhodan persönlich gesprochen, als wir noch in der Milchstraße waren.«

Flak nickte schwach. Irgendwie war dieser Job nicht das richtige für ihn. Er wollte lieber ein Raumschiff kommandieren. Doch natürlich wollte er weder Rhodan noch Cascal enttäuschen. Außerdem war er ein Soldat, der seine Befehle zu befolgen hatte.

»Wir müssen vielmehr überlegen, was ich die ganze Zeit über tun werde«, seufzte Rhonda. »Ich fühle mich so alleine. Keine unserer Freunde sind mitgekommen und ich habe bis jetzt keine Leute kennengelernt.«

»Wir sind doch erst wenige Tage hier, Rhonda!« stellte Flak fast schon ungehalten fest. Er konnte das ewige Nörgeln seiner Frau nicht mehr hören.

»Denk doch auch einmal an mich. Nicht immer nur an deine Arbeit, Flak!«

»Wenn alles seinen gewohnten Gang nimmt, dann können wir auch mehr tun. Aber im Moment habe ich keine Zeit.«

Rhonda verzog das Gesicht und goss sich ihr Glas mit Vurguzz voll. Wenigstens das Trinken vertrieb ihr die Zeit.

»Was ist mit Remus und Uthe?«, fragte Henry.

Sie winkte ab.

»Ach, diese Landpomeranze kann mich nicht leiden. Sie spielt die Kultivierte, doch hinter der steifen Fassade ist sie nichts weiter als eine Farmerstochter. Was ist mit Remus und dir? Kommt er in deinen Stab?«

»Nun, das habe ich noch nicht entschieden. Unser Neffe muss formal eine Akademie besuchen und dort eine Ausbildung absolvieren. Dann kann er als Raumkadett auf Schiffen oder wo auch immer im Militär eingesetzt werden«, erklärte Flak seiner Frau.

»Und dann auf Nimmerwiedersehen, wie Jan. Wo auch immer der sich herumtreibt…«

Portland atmete tief durch. Er hasste die Diskussionen mit Rhonda.

»Nun, auch Remus und Uthe waren ohne Ausbildung Jahrelang weg und in ein kosmisches Abenteuer verstrickt. Jan hat einen anderen Weg gewählt. Ich wäre froh gewesen, wenn er die LFT gewählt hätte. Doch ich glaube, bei Homer G. Adams, Michael Rhodan und Monkey ist er gut aufgehoben.«

Portland  zog wieder seinen Mantel an und kehrte zur Arbeit zurück. Da hatte er wenigstens seine Ruhe.

Rhonda blickte ihm verständnislos hinterher und schenkte sich ein weiteres Glas Vurguzz ein. Sonst hatte sie ja nichts zu tun.

 

Die Arkoniden

Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon

Die Entstehung der Machtballungszentren

März 1295 Neuer Galaktischer Zeitrechnung

...hatte der Führer der Arkoniden die Benennung der Hauptplaneten übernommen. Neben der Hauptwelt »Bostich« wurden die Militärplaneten nach arkonidischem Vorbild »Arkon IV« bis »Arkon VI« getauft. Die wichtigste Nachricht, spiegelte sie doch die Einstellung des imperialen Vertreters wieder, war die Nachricht von einer weiteren Welt, die seinen Namen erhielt: Jenmuhs.

Ein ausgesprochen schlauer Zug DORGONs war die Ansiedlung der Linguiden zwischen den beiden großen Machtblöcken der Terraner und der Arkoniden. Dieses friedliebende Volk besiedelte als einziges die brodelnde Zone, kein weiteres System erhielt neue Bewohner. Die so entstandene Pufferzone wurde von den Terranern aufatmend registriert, denn ihnen lag tatsächlich an einem friedlichen Zusammenleben mit allen anwesenden Völkern, um dem großen Projekt der Entität zur Verwirklichung zu verhelfen und damit nicht nur sich selbst, sondern ebenso andere Völker und vielleicht das gesamte Universum vor dem prophezeiten Chaos zu schützen...

*

Behäbig bewegte sich die Gestalt durch sehr luxuriös eingerichtete Räume. Nur 1,61 Meter klein, mit einer für Arkoniden ungewöhnlicher Speckschicht, die ihm ein Gewicht von 120 Kilogramm bei einer Schwerkraft von 1 g normal bescherte, schien es eher, als würde er rollen denn laufen. Doch Terz von Eskor hütete sich vor Äußerungen dieser Art. Er wusste, dass Uwahn Jenmuhs darauf äußerst empfindlich reagierte, brutal reagierte. Der kleine Sadist forderte die Menschen seiner Umgebung regelrecht heraus, damit er sie nachher leiden sehen konnte.

»Mir scheint, dieser seltsame DORGON ist ein verweichlichtes Wesen mit utopischen Vorstellungen«, setzte Jenmuhs wieder an. »Das Universum bedroht! Das ich nicht lache! Und diese popelige Galaxis mit ihren Bewohnern ist dazu geschaffen, es zu retten!«

»Vielleicht ist da was Wahres dran, Zhdopanda!«

Jenmuhs grinste überheblich.

»Ja ich weiß, dir kann man so was erzählen, und du glaubst es! So wie die anderen Minderbemittelten, die Terraner allen voran!« Er holte mit einer großartigen Geste aus und legte sich die Hand auf die dicke Brust. »Ein Herrscher von meinem Format jedoch weist derartige Hirngespinste mit aller Energie von sich. Möge den armen Würmchen diese Weisheit irgendwann von nutzen sein!«

Ächzend setzte er sich in einen prunkvollen Sessel.

»Kommen Sie, Mascant da Eskor, setzen Sie sich ruhig.« Demütig gehorchte der Arkonide.

»Man müsste mal was anderes machen«, überlegte Jenmuhs laut, abrupt das Thema wechselnd. »Immer nur das gleiche Verfahren wird irgendwann auch auffällig. Wenn ich die Herrscher einfach psychischem Druck aussetze? Ich meine, wenn meine Psychologen ihr Handwerk so gut verstehen wie ich meines, dann dürfte es für sie kein Problem sein, mit Psychoterror an der Erweiterung des neuen Reiches zu arbeiten...«

So schwelgte er in Träumen, die bei ihm rasch in ernste Pläne umschlagen konnten.

»Sie dürfen Ihre Meinung kund tun.«

Terz von Eskor richtete sich etwas auf und sagte leise: »Ich bewundere Eure planerischen Fähigkeiten, Zhdopanda! Nur glaube ich, dass diese Art von Eroberungsmaßnahmen um viele Zeiteinheiten länger dauern würden.«

»Das weiß ich, denn meine Überlegungen dienten nur eurer Überprüfung«, sagte der Widerling mit schneidender Arroganz in der Stimme. »Sie haben bestanden. Ihr dürft euch entfernen.«

Der jüngere Arkonide richtete sich rasch auf, verbeugte sich demütig und ging gebückt zur Tür.

»Halt! Morgen um diese Zeit erwarte ich Ergebnisse!«

 

Leticron

Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon

Die Entstehung der Machtballungszentren

März 1295 Neuer Galaktischer Zeitrechnung

...war die weitere Aufteilung der Galaxis bekannt. Nordwestlich von Mankind, angrenzend an den Terranischen Block lagen die Systeme, die DORGON den Völkern aus Estartu zugeteilt hatte. Sruel Allok Mok als Vertreter der Völker aus Siom Som war bekannt als Freund und Verbündeter der Terraner, so dass aus dieser Konstellation keine Probleme entstanden. Eher Gegenteiliges war der Fall, denn die Völker ESTARTUs vertraten ebenfalls den eigentlichen Sinn des kosmischen Projekts.

Die aus der Eastside der Milchstraße stammenden Blues fanden ihr neues Gebiet in der Westside von Cartwheel, gemeinsam mit weiteren Völkern. Ihnen war es nur recht, dass sie in gebührendem Abstand zu den Arkoniden siedeln konnten. Ob ihre Position jedoch von Vorteil war, musste sich erst noch herausstellen, denn auf der Nordwestseite der Galaxis wurden weitere als gewalttätig bekannte Völker ansässig – unter ihnen waren wohl die Dscherro die unheimlichsten, neben ihnen fanden hier auch die Hauris und Pariczaner ihre neue Heimat, in der Nähe der Völker ESTARTUs. Auffällige Raummerkmale gab es wenige, die einzige Besonderheit war ein kleiner Nebel, der die Nordseite markierte...

*

Es war an der Zeit, aktiv zu werden. Sein Volk benötigte wieder eine starke, führende Hand. Dies war sein erstes Ziel auf dem Weg zur Rache. Er musste erst seine eigene Position stärken und festigen, dann konnte er sich langsam auf sein Hauptziel konzentrieren.

Leticron, in dem Körper des Überschweren Siddus, verzog sein Gesicht, das nun einer entstellten diabolischen Grimasse glich. Obwohl er den Plan des Ersten Sohn des Chaos nicht vollständig verstand, hatte er keine Bedenken, seinen Teil zum Erfolg beizutragen – schließlich hatte Cau Thon ihm ein neues Leben in Freiheit geschenkt und ihn so zu seinem Werkzeug gemacht. Und die Rache war sein!

Nur mühsam gelang ihm die Rückkehr in die Realität. Als er sich umblickte, fand er sich in einem Stadtteil wieder, der seinem Ziel nahe lag.

Er war auf dem Weg zum vorläufigen Büro von Michael Shorne, dem Wirtschaftsriesen, als dessen Stellvertreter er zur Insel aufgebrochen war. Anerkennend nickte Nor'Citel, als er die weithin sichtbaren Reklame- und Werbeanimationen bemerkte, von ihnen förmlich erschlagen wurde. Shorne machte sich bereits breit. Und dabei befanden sie sich erst seit einigen Tagen auf dieser Welt! Der Terraner musste schon im Voraus geplant haben. Nor'Citel konnte nicht umhin, diesen Geschäftsgeist zu bewundern.

Weithin sichtbar leuchtete das neue Symbol von SHORNE INDUSTRY über die Stadt – eine flach ausgestreckte Hand, auf der sich die Wagenradförmige Galaxis drehte: Cartwheel. Shorne zeigte hier deutlich, in welche Richtung seine Ambitionen gingen.

Nor'Citel – so sein Alias für die Öffentlichkeit – bewegte sich gemächlich auf das protzige Bauwerk zu. Davor hielt er kurz inne und legte den Kopf in den Nacken. Dort oben stand er jetzt am Fenster und bewunderte seine Genialität. Der Überschwere grinste spöttisch. Solange er die Völker schwächte und ausbeutete war nichts gegen seine Maßnahmen einzuwenden. Umso bereitwilliger würden sie ihm folgen, wenn es an der Zeit war.

Er durchschritt die formenergetische Wand, deren Sensormechanismen ihn als des Zutritts befugt identifiziert hatten und eine semipermeable Strukturlücke öffneten. Dabei war die Energie gleich gepolt mit seinen Individualimpulsen, kein Körper anderer Frequenz konnte diese Strukturlücke durchdringen. Innerhalb des Gebäudes wurde er von einem zielgerichteten Antigravfeld erfasst und auf direktestem Weg zum Chef der Firma transportiert. Dieser Service wurde nur jenen wenigen wichtigen Persönlichkeiten zuteil, die erstens das Vertrauen Shornes besaßen und zweitens von ihm erwartet wurden. Unerwarteter Besuch war hier nahezu unmöglich, zu viele Sicherungen verhinderten das unbefugte Eindringen. Shorne verstand es perfekt, sich abzusichern und eventuellen unüberlegten Taten vielleicht unzufriedener Kunden vorzubeugen. Bisher hatte es noch niemand geschafft, ohne seine Einwilligung bis zu ihm vorzudringen.

Als Nor'Citel aus dem Feld entlassen wurde, fiel ihm wieder auf, wie weit die persönliche oder nachträgliche Einrichtung schon fortgeschritten war. Drei Tage der Anwesenheit hatten gereicht, um dem Gebäude einen hochpersönlichen Touch zu verleihen. Überall standen, hingen oder lagen Gegenstände, Grafiken und Bodenbeläge, die vom übermäßigen Reichtum des Mannes und der Firma zeugten.

In einem weichen, bequem aussehenden Sofa saß der Mann, der die Firma zu diesem Machtfaktor ausgebaut hatte. Mit 184 Zentimeter ein Mann durchschnittlicher Größe, die schwarzen Haare korrekt gestylt. Der Hausanzug von einem bekannten Londoner Schneider musste ein kleineres Vermögen wert sein. Neben ihm lag noch der kleine Ball, den er häufig zu kneten pflegte.

»Ich bin positiv überrascht!«

Nor'Citel ging unpersönlich lächelnd auf die Couch zu und reichte Shorne, der sich lässig erhob, die Hand. Dabei ging er derart vorsichtig und höflich vor, dass Shorne nichts von seinen gewaltigen Körperkräften bemerkte. Obwohl Shorne einen außergewöhnlich athletischen Eindruck machte, musste er um einiges schwächer sein als der Überschwere. Nor'Citel hatte sich angewöhnt, gute Beziehungen, die er jetzt noch benötigte, nicht durch übermäßige Kraftakte zu zerstören. Später würde er das natürlich nicht mehr nötig haben. Keiner würde ihm mehr die Hand schütteln – ob nun gewollt oder nicht. Er würde der unpersönliche Herrscher werden, jedem Kontakt fern.

Shorne deutete auf eine weitere Couch, nicht weniger gemütlich als die eigene, doch für das Gewicht eines Überschweren eher geeignet.

»Gut, dass Sie kommen«, eröffnete er das Gespräch. In der Firma hatte sich wieder die alte Form der Anrede durchgesetzt, die bei weitem nicht so persönlich war und zu mehr Respekt der Beteiligten untereinander führte.

»Meine Pläne sind weitgehend fertig gediehen. Ich werde mich so bald wie möglich aktiv betätigen. Der Vorsprung muss gehalten und ausgebaut werden! Nur noch einige Jahre, vielleicht, und die Galaxis ist unser!«

Nor'Citel erlaubte sich ein zurückhaltendes Lächeln. Natürlich wusste er, dass Shorne nicht im Traum daran dachte, ihn an seinen Geschäften und Erfolgen zu beteiligen.

»Ich zweifle nicht an dem Erfolg! Der Plan entspricht ganz meinen Vorstellungen.«

Shorne stand auf und trat an die Glaswand, die ihm den Blick über die gigantische Stadt freigab. Euphorisch breitete er die Arme aus.

»Es gibt keine Abwehr! Ahnungslos werden sie mir in die Fänge laufen. Ich werde mich rasant ausbreiten. Das wird ihnen noch keinen Grund zum Eingreifen liefern. Dann werde ich langsam meinen Einfluss in die einzelnen Politiksphären und in den Bevölkerungsschichten erweitern. Und wenn es dann soweit ist, werden sie sich hüten, meine Position anzugreifen. Das wäre ihr Untergang, und sie werden es wissen!«

Shorne wandte sich um. Da saß der Überschwere auf der Couch, ein winziges kaltes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Shorne lief es eiskalt den Rücken herunter. Ihm war dieser Mann noch immer unheimlich, obwohl er bereits hervorragende Arbeit für Shorne geleistet hatte.

Shorne fuhr fort, seine Pläne genauer darzustellen.

»Es wird eine Wandlung in der Wirtschaft stattfinden. Die bisherigen sozialen Strukturen werden verschwinden und der absoluten Marktwirtschaft das Feld räumen. Das Individuum wird endlich wieder dazu gebracht, seine gesamte Leistung in den Dienst der Wirtschaft zu stellen. Arbeitszeitlimit ist Schnee von gestern!« Stolz machte er eine Pause, um die Wirkung des alten Sprichwortes zu beobachten. »Und der Mensch kann arbeiten, solange und soviel ihm beliebt oder soviel und so hart es seine Lebenserhaltung fordert. Der totale Kapitalismus wird ein Comeback feiern, wie es niemand mehr geglaubt hätte!

SHORNE INDUSTRY ist das Symbol der Macht, ich werde durch die Beherrschung des Marktes nicht mehr aufzuhalten sein! Mein Reichtum wird mir auch die letzten Türen zur Macht über die Insel öffnen. Und dann behaupte noch einmal einer, Politik sei unabhängig von der Wirtschaft!«

Hämisch grinsend blickte er in die Ferne. Macht! Er konnte die magische Anziehungskraft fast körperlich fühlen, aber er konnte ihr nicht widerstehen. Auf diese Chance hatte er seit langen Jahren gewartet. Cartwheel würde sein Sprungbrett zu großer, galaxisübergreifender Macht sein!

Er erinnerte sich, dass da ja noch Nor'Citel war. Weshalb war er eigentlich gekommen? Er drehte sich zu dem Riesen um.

»Was halten Sie davon?«

»Der Plan ist vielversprechend.« Nor'Citel nickte überzeugt. »Doch ist meine Aufgabe eine andere. Ich habe Sie soweit unterstützt, wie es mir möglich war. Dafür haben Sie mir die Reise hierher ermöglicht. Eine Hand wäscht hier also die andere. Wir bildeten eine gute Gemeinschaft.«

»Sie reden so, als wollten Sie uns verlassen?! Es wäre doch schade um diese Erfolgsgemeinschaft, von der Sie eben sprachen! Aber ist das der Grund Ihres Erscheinens?«

Leticron nickte stumm und wartete auf eine Reaktion.

»Ich verstehe Sie nur teilweise. Was bewegt Sie, mich zu verlassen, wenn Sie von der Qualität meines Planes überzeugt sind? Welche Aufgabe kann mehr bieten als diese?«

»Es ist richtig, das können Sie nicht verstehen. Es handelt sich um eine Sache, die außer mir nur noch einer Person bekannt ist. Und es betrifft eine persönliche Schmach, die mir zugefügt wurde. Es ist mein Ziel, meine Rache zu vollziehen. Was danach ist, steht in den Sternen, aber ich werde Sie nicht vergessen. Unsere Wege werden sich bald wieder kreuzen! Ihr Betätigungsfeld ist die Wirtschaft – meine wird vorerst die Politik sein.«

Unbewegt drehte er sich um und verließ die Zentrale der Firma, einen beeindruckten Shorne zurücklassend. Sein nächstes Ziel hieß New Paricza.

 

Die ersten Wochen in Cartwheel

Julian Tifflor blickte sich um. Irgendwie kam er sich verloren vor in der großen Halle, die im neuen Regierungspalast der Hauptstadt des Terra-Blocks gelegen war. Eine Menge Menschen umgab ihn und bildete ein Chaos, das seinesgleichen suchte. Das war nun nicht wirklich verwunderlich. Ein Projekt wie die Schaffung der Insel hatte es in der Geschichte der Milchstraße noch nie gegeben. Das Ergebnis dieses Experiments würde eine Galaxie sein, die in vielen Bereichen eine genaue Kopie der Milchstraße war, allerdings ergänzt durch einige Völker, die aus anderen Galaxien oder sogar Mächtigkeitsballungen kamen. Was DORGON damit bezweckte, war niemandem so richtig klar. Und das würde sich auch noch eine ganze Weile nicht ändern.

Dabei gab es viel zu organisieren. Die Verwaltungsbeamten mussten einen funktionierenden Staat aufbauen, die Wirtschaft ein System der Güter, die Journalisten die Informationen übernehmen und die Militärs die Verteidigung. Tifflor hatte sich während der mehrwöchigen Reise zum Sternenportal akribisch vorbereitet, Kompetenzen und Aufgaben vergeben. Nach der Ankunft auf Mankind hatte er einiges streichen müssen, da die Infrastruktur bereits vorhanden war. Doch noch immer gab es unglaublich viel zu organisieren. Einzig auf dem Gebiet des Militärs lief alles wie am Schnürchen. Mit Joak Cascal, Henry Portland und Xavier Jeamour waren eben Soldaten dabei, die ihr Handwerk verstanden. Vielmehr fehlte es Tifflor an vertrauenswürdigen Unternehmern, Politikern und Beamten. Das lag vielleicht daran, dass er nicht alle gut kannte. Immerhin entpuppte sich der Spanier Don Philippe de la Siniestro als wahres Organisationsgenie. Er entlastete Tifflor enorm und verdiente sich damit auch die Vorschusslorbeeren.

Tiff gab sich einen Ruck und folgte dem Strom der Menschen, die durch die Empfangshalle seines Regierungsgebäudes rannten. Im Augenblick fühlte er sich nicht wirklich als der neue Regierungschef des Terra-Blocks. Mehr wie ein Verwalter, dem eine Verwaltung fehlte. Und das war mit Sicherheit das Wichtigste, was einem Verwalter fehlen konnte.

Er erreichte den zentralen Antigrav und ließ sich in den obersten Stock des Gebäudes tragen. Seit der Erfindung des Aufzuges war es in terranischen Herrschafts- und Verwaltungsgebäuden üblich, dass der Chef oben saß und angenehmerweise hatte DORGON ihnen in den vorbereiteten Städten des Terra-Blocks auch sehr terranische Lebensweisen ermöglicht, so dass es in einigen Bereichen durchaus möglich war, sich wie zu Hause zu fühlen.

Das setzte voraus, dass DORGON sehr viel über die an dieser Aktion beteiligten Völker wusste. Und das traf definitiv auch zu, wie Tifflor am Beispiel seines kleinen Sternenreiches erkennen konnte. Was DORGON hingegen plante, konnte er nicht erkennen. Aber das würde sich sicher bald zeigen.

Tifflor verschwendete einen Augenblick an tiefer gehende Gedanken über seine Motivation, DORGON zu helfen. Vermutlich war es ein großer Fehler, sich einfach so blauäugig in die Hand einer Superintelligenz – oder was auch immer DORGON war – zu begeben, von der man bis vor kurzem noch nicht einmal gehört hatte. Nun, mittlerweile kannte man sie und DORGON hatte sich als sehr positive SI erwiesen. Andererseits war Tiff sich durchaus nach den Geschehnissen am PULS darüber im Klaren, dass positiv wohl nicht unbedingt gut im Sinne der Terraner bedeuten musste. Die Kosmokraten hatten sich jedenfalls als wesentlich weniger verlässliche Verbündete erwiesen, als der ehemalige Ritter der Tiefe Perry Rhodan und die anderen Zellaktivatorträger gedacht hätten.

Tifflor war sich darüber im Klaren, dass es einen ungeheuren Vorschuss an Vertrauen seitens der an dieser Aktion beteiligten Völker bedeutete, einfach so dem Aufruf von DORGON zu folgen.

Eine Entscheidung war getroffen worden. Tifflor bezweifelte, das sie jemals wieder Rückgängig zu machen war. Und das bedeutete, dass er einfach weitermachen musste. Einfach damit beginnen musste, diesem Block eine Regierung zu geben, eine Verwaltung, die den Namen auch verdiente. Und dass er einfach dafür sorgen musste, in diesem Teil der neu geschaffenen terranischen Liga eine stabile Ordnung zu schaffen.

Zögernd betrat er sein Büro. Die Glaswand auf der gegenüberliegenden Seite gewährte ihm einen Überblick über seine neue Stadt New Terrania, die nicht in allen Punkten mit dem Terrania, das er kannte und das seine Heimat war, übereinstimmte. Aber das machte nichts. Eine neue Heimat musste man sich eben erst verdienen. Das betraf nicht nur die Errichtung einer neuen Verwaltung, sondern auch die gesamte Einstellung, die man zu einem solchen neuen Heimatort gewinnen musste.

Er wandte sich von der beeindruckenden Kulisse der Skyline dieser neuen Stadt ab und setzte sich an seinen Schreibtisch. Jetzt musste er sich erst einmal vor Augen führen, was am nötigsten war. Dann würde sich sicher langsam aber sicher alles fügen. Vor allem durfte er nicht den Fehler machen, alles selber machen zu wollen. Stellvertreter und Verantwortliche für alle möglichen Ressorts waren zu suchen. Langsam, Schritt für Schritt, würde sich so eine neue Verwaltung automatisch etablieren. Und dabei hatten sie nicht einmal allzu viel Zeit.

Seufzend ließ sich Tifflor eine Darstellung der zu besetzenden Posten geben. Dabei fiel ihm auf, dass sie viel zu wenige gute Politiker auf der Insel hatten. Das würde ein Problem werden. Eine politische Führung mochte ihre Schwächen haben, aber sie war trotzdem eine Notwendigkeit in einer funktionierenden Demokratie.

Immerhin hatten sie einen Administrator. Der Marquês von Siniestro mochte ein Relikt aus der Vergangenheit sein und einige sehr merkwürdige Angewohnheiten mitgebracht haben, aber immerhin erschien er Vertrauenswürdig. Tifflor fällte seine erste Entscheidung. Er beschloss, dem Administrator wesentlich mehr Macht zu verleihen, als ursprünglich geplant. Damit würden sie wenigstens einen Politiker haben, der diesen Namen auch verdiente. Tiff war sich sicher, dass der alte Spanier die späteren Wahlen auch gewinnen würde. Der Mann genoss eine unbeschreibliche Popularität als ältester Mann der Welt.

Dann widmete er sich der Besetzungsliste und ließ seine Gedanken schweifen. Wo konnte er noch korrigieren? Er nahm hier und dort Umbesetzungen vor. Einige neue Gesichter waren ihm aufgefallen, während ihrer bisherigen Zeit in Cartwheel.

Langsam wurde Tifflor klar, worauf er sich eingelassen hatte. Andere würden sicher weniger Rücksichten nehmen, so etwas wie Humanität war von ihnen wohl nicht zu erwarten. Diese neue Galaxis stellte ein Machtvakuum dar und der schnellste würde die meiste Macht gewinnen können. Also konnte er sich zumindest Anfangs wenig Rücksichten erlauben.

Nach einigen Stunden konzentrierter Arbeit erhob sich der Verwalter. Er hatte seine Liste weitgehend überarbeitet.

Er drehte sich um und ließ seine Blicke über die Stadt schweifen. Innerlich sammelte er Kraft, denn nun würde der eigentlich schwierige Teil der Operation kommen, nämlich jeden einzelnen der Kandidaten nochmals zu sich zu bitten und ihm klar zu machen, was seine Aufgabe war. Und ihm darüber hinaus die Motivation geben, seine Aufgabe mit aller Kraft zu erfüllen, sofern er oder sie es nicht bereits tat. Und bei einigen, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie dieser Aufgabe auch wirklich gewachsen waren. Tiff schauderte bei dem Gedanken an so manche Person und die Verwendung, der er sie zuzuführen gedachte. Das würde kein Vergnügen werden. Er straffte sich und wandte sich um.

»Syntron, bitte Rufe Cascal zu mir«, wies er die zentrale Recheneinheit der Verwaltung an.

Das würde eher zu den leichteren Aufgaben zählen, dachte er, während er am Rande die Bestätigung des Rechners registrierte.

Er stellte sich hinter seinem Schreibtisch auf und wartete. Es dauerte nicht lange, da öffnete sich die Tür.

*

Sams Blicke schweiften über die Dächer von Paxus, einer prunkvollen Stadt, die nach dem Planeten benannt war. Das besondere an dieser Stadt war, dass sie architektonisch mit nichts in der bekannten Milchstraße zu vergleichen war, nicht einmal mit einem parlamentarischen Begegnungspark, wie es das Mirkandol auf Arkon I darstellte.

Und doch hatte es eine ähnliche Funktion. Die Bauwerke dieser Stadt entsprachen jeweils der Architektur des Volkes, dessen Vertreter darin auch residierten. So war gewährleistet, dass die jeweiligen Bewohner sich auch wohl darin fühlten.

Sam befand sich in der Nähe des Palastes, in dem das Parlament der neuen galaktischen Vertretung der Insel residieren sollte. Wenn er an die Probleme dachte, die in der Galaxis vollkommen normal waren, dann fragte er sich, was sich DORGON bei dieser Einrichtung gedacht hatte, denn eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, dass die Völker dieser Galaxis sich besser verstanden als in der Milchstraße. Abgesehen davon, dass die gleichen Problemgruppen auch hier aufeinandertreffen würden, würden sicher die neu hinzugekommenen neue Probleme bereiten. Das sah nach einer Aufgabe aus, die kaum zu bewältigen war.

Trotzdem war der Diplomat bereit, sich diesem Problem zu stellen. Auf Paxus sollten sich all die Völker bald zum ersten Mal treffen. Schon heute waren viele von ihnen hier anzutreffen, und so stellte dieser Planet einen Schmelztiegel dar, wie er in der gesamten bekannten Milchstraße auch nur an einem einzigen Ort zu finden war, nämlich dem Mirkandol. Ähnlichkeiten in der Konzeption waren kaum zu verkennen.

Trotzdem stand der Somer vor einem gewaltigen Problem. Noch war nicht klar, wie das neue Parlament der Insel aussehen sollte, also welche Vertreter darin sitzen würden und wie die Verwaltung organisiert war. Hier – wie an vielen anderen Stellen in dieser Galaxis – stand man vor denselben Problemen, von unterschiedlichen Wesen auf unterschiedliche Weise gelöst. Nur im Unterschied zu den anderen Machtgruppen, sollte hier eben eine Einrichtung geschaffen werden, die eine gemeinsame Regierung repräsentierte. Wie so etwas aussehen sollte, darüber war man sich schon in der Milchstraße nicht einig. Mochten auch die meisten anwesenden Völker einer Meinung sein, es reichten nur wenige Quertreiber, um einen Kompromiss unmöglich zu machen.

Sam genoss den Anblick der Stadt, die auf dem Kontinent Erisor gelegen war. Mit einer Durchschnittstemperatur von 15° ein eher warmer Kontinent. Hätte Sam die Erde genauer gekannt, hätte er sich an die Insel Irland erinnert gefühlt. Viel Grün, zum Teil in herrlichen Parklandschaften gelegen. Ein angenehm mildes Klima, hin und wieder regnerisch, aber überwiegend sonnig. Jedenfalls wesentlich mehr, als das in Irland der Fall gewesen wäre.

Alles in allem ein Kontinent, auf dem sich viele der Terraner sicher sehr wohl fühlen würden, soweit der Somer sie bisher kennen gelernt hatte.

Auf jeden Fall erinnerte die Wetterlage im Augenblick an einen Frühling auf Terra, an einem warmen, sonnigen Tag, der aber immer noch das Gefühl der Kühle erahnen ließ, die bis vor kurzem noch geherrscht hatte.

Sam liebte den Frühling. Er schloss die Augen und sog die frische, leicht kühle Luft in die Nase. Sein vogelartiger Körper machte einige ruckhafte Bewegungen, er flatterte kurz mit den Flügeln, als wolle er sich in die Luft erheben. Er öffnete die Augen und entließ die Luft aus seinen Lungen. Ruhig atmend drehte er sich um.

Dann gab er sich einen Ruck. Langsam schritt er durch die weit geöffneten Flügeltüren ins Innere des großen Parlamentssaales von Paxus, wo sich bald die Völker der Insel versammeln würden.

Steil ansteigende Ränge, deren einzelne Logen dazu geeignet waren, die Vertreter des jeweiligen Volkes darin aufzunehmen, stiegen ringsherum in Richtung der Decke des Raumes, die sie aber nie erreichten. In der Mitte war das Rednerpult angebracht. Wenn ein Redner darauf stehen würde, dann würde es für die Zuschauer so aussehen, als wende er sich genau ihnen zu. Dabei war es vollkommen egal, wie der Redner stand oder in welche Richtung er sich während seiner Rede drehte. Nur so war es möglich, eine solche Anordnung einzuhalten. Sam schritt durch den leeren Saal und erreichte das Rednerpult. Im Augenblick würde man seinen Rücken auch erkennen können, dieser besondere Effekt würde erst aktiviert werden, wenn auch eine Versammlung in dieser Halle stattfand.

Schweigend wandte er sich ab und verließ den Raum. Hinter ihm versank der nunmehr wieder leere Raum in Schweigen. Dunkelheit senkte sich über ihn, als sich die Tür geschlossen hatte. Nicht sehr lange würde es dauern, dann sollte die erste Sitzung in ihm stattfinden.

 

Die Macht des Corun von Paricza

Als Leticron seinen Fuß zum ersten Mal auf den Boden der Welt New Paricza setzte, zog er unwillkürlich Vergleiche mit dem Planeten, der seine Heimat war. Die neue Welt schnitt dabei schlecht ab, aber das war kaum verwunderlich. Die Heimat war selbst in diesen Zeiten, in denen die Galaxis, das gesamte Universum eine Heimat für jedes Lebewesen darstellte, immer noch ein Begriff, der nur mit einem Ort verknüpft wurde, nämlich mit dem Ort der eigenen Geburt. Aber dieser Ort war weit entfernt, deshalb musste Leticron und mussten auch die anderen Mitgliedsvölker der Insel mit dem leben, was sie erhielten. Und wie ein Terraner schon an einem anderen Ort der Insel gedacht hatte, war auch dem Überschweren durchaus klar, dass sie sich die neue Heimat erst verdienen mussten.

Doch für die Pariczaner war diese Welt sogar eine neue Chance. Sein eigenes Volk war aus der Milchstraße und von ihrer Heimat verbannt worden. Ein unglaublicher Akt der Grausamkeit. Leticron schwor sich bitte Rache.

Es war alles nur eine Frage der Perspektive, dachte sich der Pariczaner. Während all die anderen sich damit beschäftigten, wie sie die Insel zu einem sicheren Ort machen konnten, auf dem zu leben für jedes Wesen eine Freude war, überlegte sich der Überschwere, wie er diese Galaxis in seine Hand bekommen konnte.

Damals, als er noch in der Milchstraße zum ersten Hetran erkoren worden war und damit die Nachfolge des Schwächlings Perry Rhodan angetreten hatte, war das alles sehr viel einfacher gewesen. Mit den Laren hatte er eine Macht hinter sich gehabt, die es wesentlich erleichterte, Kontrolle über eine ganze Galaxis auszuüben. Und auch wenn diese Galaxis im bewohnten Raum wesentlich kleiner war, als die heimatliche Milchstraße, handelte es sich doch um ein Gebiet, in dem man nicht einfach kommen und Ansprüche erheben konnte.

Nein, man musste sich seine Macht mühsam erarbeiten oder besser erkämpfen, wie es den Gepflogenheiten seines Volkes entsprach. Das alles hatte sich der Überschwere in seinem neuen Körper bereits klar gemacht, als er noch an seinem Platz auf dem Schiff gewesen war, das sie alle in die neue Heimat gebracht hatte. Jetzt saß er einem hochrangigen Vertreter jener Macht gegenüber, vor der man sich in der Milchstraße fürchtete und die auch hinter den Machenschaften in der BASIS steckten.

Der Pariczaner ihm gegenüber war ein eher schwächlicher Vertreter seines Volkes. Das betraf zum einen schon einmal seinen Körperbau. Er war kleiner als der durchschnittliche Überschwere und sein Körper war auch bei weitem nicht so muskulös. An die Gegebenheiten einer Extremwelt gewöhnt, war er durchaus in der Lage, seine Ansprüche auch mit körperlicher Gewalt durchzusetzen. In einer Organisation wie den Galactic Guardians, die nicht nur aus Überschweren sondern auch aus anderen Völkern der Galaxis bestand und deren Ziele sich mit dem Gemeinwohl eines so hochstehenden sozialen Gebildes wie der Milchstraße nicht einmal annäherungsweise deckten, musste man allerdings schon besondere Qualifikationen aufweisen, wollte man eine Position wie die des Überschweren erreichen. Er war zum neuen Herrscher über alle Galactic Guardians erkoren worden, die in der Insel ihr Unwesen treiben sollten. Und damit war er zu einem wertvollen Verbündeten für Leticron geworden.

Nor'Citel, wie er sich in seinem neuen Körper, den er diesem Jungen abgenommen hatte, nannte, lehnte sich schweigend zurück. Worte waren zwischen ihnen nicht mehr nötig. Der Pariczaner hatte seine psionischen Fähigkeiten eingesetzt und es so erreicht, dass die Guardians in seinem Sinne beeinflusst waren. Der Überschwere hatte eigentlich Bedenken, seine Fähigkeiten einzusetzen. Die Bewunderung, die ihm entgegengebracht wurde, war zwar durchaus angenehm und seinen Plänen förderlich, andererseits lenkte es die Opfer teilweise aber auch zu sehr ab. Was die Guardians betraf, war ihm das aber egal, denn sie dienten ihm nur als Mittel zum Zweck. Dem Zweck nämlich, an andere, wesentlich wichtigere Persönlichkeiten heranzukommen.

In diesem Fall an Wursus, den Anführer aller Überschweren in der Insel. Diesen wollte er treffen, mit diesem wollte er sich als erstes auseinandersetzen. Die Überschweren waren in der Milchstraße nicht bekannt für besondere Fähigkeiten in der Demokratie. Demnach war es kaum verwunderlich, dass auch auf New Paricza ein eher feudales System herrschte. Wursus war der unumschränkte Herrscher über alle Überschweren und gegen ihn anzutreten würde Leticron zwar in große Gefahr bringen, aber es würde ihm auch große Achtung bei den anderen Angehörigen des Volkes verschaffen, wenn er den Corun of New Paricza herausforderte und in einem Zweikampf möglicherweise sogar besiegen konnte.

Diese Form der Herausforderung bezeichnete der Überschwere als Coru'Scar. Es gab bestimmte Riten und Traditionen, die das Coru'Scar begleiteten. Leticron kannte sie alle noch aus lange vergangener Zeit und er war sich einigermaßen sicher, dass die derzeitigen Herrscher von Paricza – oder auch New Paricza, was das betrifft – nicht wirklich wussten, was dahintersteckte. Und so marschierte er einfach in die Residenz des Corun of New Paricza. Er trat vor den Herrscher hin und konfrontierte ihn mit den traditionellen Worten, die das Coru'Scar zur Folge haben mussten, wollte der Herrscher nicht sein Gesicht verlieren.

»Ar'Chara ta Coru'Scar«, stieß er hervor. Und er registrierte mit Befriedigung, wie sich die lindgrüne Farbe im Gesicht des Überschweren in ein leichtes blasses grün verwandelte.

Sicher hatte er niemals damit gerechnet, sich mit einer solchen Herausforderung auseinanderzusetzen. Aber nun war das »Ich fordere dich zum Zweikampf« ausgesprochen und er hatte nur eine Chance. Er musste die Herausforderung annehmen und den Zweikampf wählen. Eine Weigerung hätte unweigerlich zur Folge, dass er mit Schimpf und Schande aus seinem Amt gejagt worden wäre und das wollte der Herrscher der Überschweren in der Insel nicht riskieren.

Langsam erhob sich der Corun of New Paricza und trat dem Herausforderer entgegen. Das verhaltene Lächeln, das er die ganze Zeit über im Gesicht trug, war wie weggewischt. Der 1,84 Meter große Corun, der stattliche 168 Kilogramm auf die Waage brachte und eine beeindruckende Muskulatur aufzuweisen hatte, ging auf den Überschweren zu und blickte ihm in die Augen. Leticron hatte keine Mühe, seine Kräfte unter Kontrolle zu halten. Die Bewunderung setzte beim Gegner nur nach zähem Ringen ein und war in einer solchen Situation, in der der Herrscher von seinem Hofstaat umgeben in Sicherheit war, nicht möglich. Ruhig stand er, auf die Erwiderung des Herrschers wartend. Wursus sprach die traditionellen Worte aus.

»Coru'Scar mech trana te sia«, artikulierte er. »Der Zweikampf möge beginnen.«

Leticron neigte das Haupt.

»Nor'Citel«, stellte er sich, der Tradition folgend, vor.

»Wursus«, antwortete der Corun.

Ein Adjutant trat neben Leticron, eben jener Anführer der Galactic Guardians. Maylpancer selbst hätte kaum größere Verblüffung in das Antlitz des Anführers zaubern können, oder gar der legendäre Leticron, als er den Guardian erkannte. Natürlich wusste der Corun um die Identität des Gangsterbosses. Unter den Überschweren, die von je her einen schlechten Ruf als Söldner hatten, kannte man solche Verwirrungen nicht. Lemaylar, der Überschwere, nickte dem Corun kurz zu. Ein weiterer Überschwerer stellte sich schräg hinter dem Herrscher auf und reichte ihm eine Waffe.

»Das Tor'Sachar soll unsere Waffe sein«, bestimmte der Herausgeforderte, wie es der Tradition seines Volkes entsprach.

Leticron nickte nur. In Wahrheit war es ihm egal, mit welcher Waffe man ihn angreifen wollte. Er konnte mit ihnen allen kämpfen, vor allem mit den sehr alten Waffen seines Volkes. Und in den letzten Wochen hatte er fleißig geübt.

Er nahm eine der Waffen entgegen, die einem langen Stab glichen, der zwei Spitze Enden hatte. Die Enden waren so gebogen, dass sie immer in Richtung des Gegners zeigen konnten und außerdem messerscharf. Man wollte von ihnen nicht getroffen werden.

Die Griffschalen des Kampfstabes lagen in der Mitte, dicht beieinander, und ermöglichten es einem geübten Kämpfer, die Waffe schnell und elegant zu senken. Nur um dem Corun zu zeigen, dass er es mit einem schweren Gegner zu tun haben würde, schwang Leticron die Waffe zweimal um seinen Körper und stieß das eine Ende dann hart auf den Boden. Locker stütze er sich auf den Schaft der Waffe und blickte den Herrscher erwartungsvoll an.

»Lasst uns auf den Kampfplatz gehen«, meinte Wursus.

Er drehte sich um und schritt furchtlos aus der Tür. Der Kampfplatz befand sich im Freien und glich einer steinernen Plattform, die allerdings blitzblank war. Um die Plattform lag ein Graben, der seine Gefährlichkeit daraus bezog, dass er mit einer Säure gefüllt war, die den Verlierer des Zweikampfes sofort auflösen würde. Damit entfiel selbst das Wegschaffen der Leiche.

Furchtlos trat der Herausforderer als erstes auf die Planke, die über den Graben führte. Der Herrscher folgte ihm auf dem Fuße und nahm die Grundstellung des Tor'Sachar Kampfes ein.

Leticron stand entspannt, den Kampfstab quer vor dem Körper. Er blickte in die Augen des Gegners und erwartete seinen Angriff. Als Herausgeforderter hatte Wursus den ersten Schlag.

Als Wursus ausholte, riss Leticron den Kampfstab hoch, um den Hieb des Gegners zu blocken. Der reagierte blitzschnell, riss den Stab herum und stieß mit der anderen Spitze von unten zu.

Leticron, der einen sehr konzentrierten Eindruck machte, wich einen Schritt zurück. Die Bewegung wirkte wie ein sanftes Gleiten. Wie beiläufig machte er die Bewegung rückgängig und blockte den zurück schwingenden Stab des Coruns.

Er riss die eigene Waffe hoch und traf das Gesicht des Gegners mit der Spitze. Ein Blutstropfen quoll hervor und mit einem Aufschrei sprang der Corun zurück.

Leticron stand still, gab dem Gegner Gelegenheit, seinen Schock zu überwinden. Offensichtlich hatte Wursus nicht damit gerechnet, einen ebenbürtigen Gegner in dem jungen Herausforderer zu finden. Er konnte ja nicht wissen, dass der in dem Körper wohnende Geist sehr viel älter war.

Schweigen herrschte um das Rund, die anwesenden Überschweren wussten im Augenblick nicht, wie sie sich verhalten sollten. Jubeln war wohl nicht angesagt, wenn der Herrscher gerade dabei war, eine Niederlage zu erleiden. Andererseits mussten sie ihn irgendwie anfeuern, da der Herausforderer sich aber als so gut erwies, hatten sie Furcht, er könne der neue Herrscher werden und deshalb zogen sie es lieber vor, zu schweigen.

Tödliche Stille breitete sich in dem Rund aus, nicht einmal das Rascheln der Gewänder war noch zu hören. Wursus spürte die Stimmung und erkannte langsam, dass sein Gegenüber wesentlich gefährlicher war, als er gedacht hatte. Niemals konnte ein junger Mensch wie sein Gegner solche Kraft haben und über solche Fähigkeiten verfügen. Das erforderte jahrelanges Training, das ein so junger Mensch noch nicht haben konnte!

»Wer bist du?«, stieß er hervor. »Du weißt doch, dass das Coru'Scar die volle Wahrheit erfordert.«

Der Überschwere zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht, das dem Corun den Angstschweiß auf die Stirn trieb.

»Ich bin Nor'Citel. Drehe den Namen herum, dann weißt du, wer sich dahinter verbirgt.«

Er hatte leise gesprochen. Wursus dachte einen Augenblick nach und wurde blass. Dann lächelte er und entspannte sich.

»Du kannst es nicht sein, denn er ist tot.«

»Eingesperrt in einen PEW-Block«, stieß der Überschwere hervor und spuckte auf den blanken Boden. »Jahrhundertelang dazu gezwungen, in diesem Block zu verharren, zu keiner Bewegung fähig, nicht auf geistiger und vor allem nicht auf körperlicher Ebene. Jetzt wurde ich von einem höheren Wesen befreit! Jetzt will ich mir meinen Titel wieder zurückholen. Ich bin Corun!«

Die Zuschauer hatten von dem leisten Zwiegespräch nichts verstanden. Sie standen immer noch wie erstarrt und warteten auf weitere Handlungen.

»Du bist gerade rechtzeitig wiedergekommen, Leticron«, flüsterte der Corun. »Rechtzeitig dafür, das Metall des Tor'Sachar zu spüren zu bekommen und daran zu sterben.«

»Rede nicht«, meinte der Überschwere ruhig. »Verteidige dich.«

Wortlos begann er damit, den Kampfstab kreisen zu lassen und deckte den Corun mit einer Serie von harten Hieben ein.

Schritt für Schritt wich der Mann zurück, bis er mit dem Rücken zum Abgrund stand. Blitzschnell ließ sich der schwerfällig erscheinende Überschwere zu Boden gleiten und ließ das Bein unter den Körper des Gegners wirbeln. Sein Fuß hakte sich bei dem Gegner ein und brachte ihn zu Fall.

Der Corun konnte sich gerade noch durch eine schnelle Drehung vor einem Sturz in das Säurebad retten. Dafür stieß er sofort mit der unteren Spitze des Kampfstabes zu und erwischte Leticron am rechten Knöchel. Die Spitze durchdrang den Fuß des Überschweren, der aufstöhnend zu Boden ging. Hart schlug er von innen gegen den Schaft der Waffe und trieb damit die Spitze wieder aus dem Fleisch. Dafür knickte er mit dem Bein ein und landete auf dem rechten Knie. Er konnte nicht mehr aufstehen, der Fuß wollte ihn nicht mehr tragen.

Leticron erkannte, dass er ein schnelles Ende machen musste. Sonst würde dieser kleine Narr seinen großen Traum zunichte machen. Der aus ferner Vergangenheit stammende Überschwere ließ kein Auge von seinem Gegner, der sich langsam erhob und den Kampfstab in die richtige Position brachte, um ihn ernsthaft zu verletzen. Blut tropfte aus der Wunde des Pariczaners heraus auf den Boden.

Leticron stöhnte auf und verstummte. Einen Augenblick nahm er sich Zeit, konzentrierte sich auf den Gegner, der mit langsam gleitenden Bewegungen um ihn schlich, in seinen Rücken zu kommen versuchte. Dann sammelte er alle Kraft für einen entscheidenden Angriff.

Als der Hieb kam, der ihn töten sollte, rollte er sich so schnell über die Schulter, dass selbst die Zuschauer verblüfft aufstöhnten. Dann kam er auf die Knie, ließ das Tor'Sachar wirbeln und traf mit tödlicher Präzision den Kehlkopf des Gegners, der nicht verstand, wohin Leticron verschwunden war.

Verblüffung zeichnete sich auf dem Gesicht ab, die Augen traten leicht hervor und Blut pulsierte aus einer klaffenden Wunde, als Leticron die Waffe daraus hervorzog. Unbarmherzig blickte er auf den Herrscher, der auf die Knie brach. Die Waffe entfiel seinen kraftlos werdenden Fingern.

Leticron verharrte auf einem Knie und überließ es dem Gegner, mit seinem näher rückenden Ende klarzukommen. Ein Corun lebte in einem Umfeld ständiger Gewalt und ständiger Gefahr. Dieser Corun hatte sicher schon anderen Überschweren das Sterben erleichtert. Aber ebenso sicher war der eigene Tod für ihn ein Ereignis, das noch in weiter Ferne lag. Das alles ließ sich aus den entsetzt aufgerissenen Augen des dem Tode Geweihten entnehmen. Die Tradition besagte, dass die Planke erst wieder eingesetzt werden durfte, wenn nur noch einer der Kämpfer am Leben war.

Und dieser Fall trat nun ein.

Der Sieger vollzog das letzte Ritual. Er kroch über den Boden auf den Toten zu und packte in sein Haar. Als er die Hand daraus hervorzog, umklammerte er das mit wertvollen Brillanten besetzte Netz des Herrschers und hielt es triumphierend in die Höhe. Damit war der Sieg endlich der Seine.

Leticron ließ sich erschöpft auf den Boden sinken. Er wartete auf die Ärzte, die ihn nun erst einmal versorgten. In der Zeit, die er brauchte, um vollständig wiederhergestellt zu werden, durfte ihn niemand zu einem weiteren Kampf herausfordern. Sonst hätte der Gegner auch sehr leichtes Spiel gehabt. Leticron wusste die alten Regeln für sich zu nutzen.

Und er hatte den ersten Schritt zum Corun der Insel gemacht. Lange würde es nicht mehr dauern. Der zweite Schritt stand unmittelbar bevor.

 

Verhandlungen

Der Unsterbliche Julian Tifflor gönnte sich einen Augenblick der Ruhe. Eigentlich hatte er diese Zeit nicht, deshalb würde er die komplette Meditation der Upanishad nicht schaffen. Aber er brauchte eine Pause und deshalb ließ er den Zugang zu seinem Büro für eine halbe Stunde sperren.

Tifflor ging auf die Knie nieder und atmete mehrmals tief durch. Er stützte locker die Hände auf die Oberschenkel und ließ sich langsam in einen Zustand der Trance gleiten. Dabei hatte er ständig ein Bauwerk vor Augen, das vor vielen Jahrhunderten eine wichtige Rolle in seinem Leben gespielt hatte. Ein blaues, von innen heraus leuchtendes Gebilde, so erschien es zumindest, auf dem höchsten Berggipfel Terras. Ein Bauwerk, das an ein Schloss erinnerte, mit verspielt erscheinenden, kleinen Türmen.

Tschomolungma, durchfuhr es den Terraner wie ein Elektroschock. Er verlor nicht die Konzentration, die er benötigte, um zumindest die erste Stufe der Upanishad zu erreichen. Panisha Somodrag Yag Veda erschien vor dem geistigen Auge des Unsterblichen und erzählte von der Geschichte der Upanishad. Er betonte, wie wertvoll die Errichtung dieser ersten Heldenschule in der Milchstraße für alle Völker war, deren oberstes Ziel die Weihe zum ewigen Krieger sein würde. Und er verkündete die Lehre des Permanenten Konflikts.

Julian Tifflor verdrängte diesen negativen Aspekt seiner Ausbildung. Bezwungen von Kodexmolekülen hatte er sich in diese Ausbildung gestürzt und war der erste menschliche Absolvent der Lehre der Upanishad gewesen. Zusammen mit einem anderen Menschen.

Nia Selegris, durchzuckte es ihn. Zusammen mit ihr hatte er die höchsten Weihen eines Ewigen Kriegers erreicht. Zusammen mit ihr war er von den Kodexmolekülen befreit worden. Und zusammen mit ihr hatte er einen großen Teil seines Lebens verbracht.

Er schüttelte diese Gedanken ab und ließ sich langsam von den eigenen Gedanken in Bereiche entführen, die jenseits des eigenen Fleisches gelegen waren.

Charimchar, dachte er, als er einen Zustand erreichte, der vergleichbar war mit dem eines buddhistischen Mönches oder Fakirs, der seinen Körper vollendet kontrollieren konnte.

Konzentriert näherte er sich der zweiten Stufe, die er für das bevorstehende Gespräch benötigte. Wenn ihn jemand beobachtet hätte, hätte er niemals erkennen können, was sich in dem Körper dieses Unsterblichen abspielte. Er hätte niemals nachvollziehen können, was den Ewigen Krieger auszeichnete. Nicht die Philosophie des Permanenten Konflikts gefiel dem Unsterblichen so gut. Es war diese philosophische Lehre, deren Inhalte eine Reife vermittelten, die kaum ein Mensch, ja kaum ein Unsterblicher in diesem Universum auf sich vereinigen konnte. Schüler ESTARTUs, die zu dieser Zeit verschollen war. Ein Stellenwert, der unglaublich viel bedeutete. Eine Lehre, die in diesen unsicheren Zeiten eines Thoregon, einer Superintelligenz DORGON, die nicht sagte, was sie wollte, von einer ungeheuren Wichtigkeit waren.

Tifflor folgte dem Pfad seiner Gedanken, bis er eine Schwelle erreichte, die über den Geist hinausging.

Chargonchar, dachte er, als er einen Zustand erreichte, der mit nichts vergleichbar war, was ein Mensch mit seinen Meditationstechniken jemals erreicht hatte. Einen Zustand, der eigentlich dazu diente, die Persönlichkeit des Shad, des Schülers einer Upanishad zu festigen, bis er ein Charisma erlangt, das es ihm in gewissem Maße erlaubte, ein anderes Wesen zu beeinflussen. Eine Tatsache, die Tifflor in dem nun folgenden Gespräch zu nutzen gedachte.

Langsam erhob er sich, sein Gesicht zeigte einen abseitigen Ausdruck, der allerdings nicht erschreckend wirkte. Eher entrückt. Und er wies den Syntron an, Uthe Scorbit zu ihm zu bitten. Seine Blicke richteten sich auf den wolkenlosen Himmel über dem neuen Terrania, das er mehr und mehr zu lieben begann. Es war ein Stück weit seine Stadt, genauso, wie Terrania auf der Erde ein Stück weit die Stadt des Perry Rhodan war.

Und in diesem Augenblick, mit auf den Händen verschränkten Armen, wirkte der aus dem terranische New York stammende Terraner wie der Galaktiker Perry Rhodan.

Er drehte sich zu Uthe Scorbit um, die energisch den Raum betreten hatte. Als sie seiner ansichtig wurde, lächelte sie ihm freundlich zu. Er nickte nur knapp und bat sie, Platz zu nehmen.

Ein leises Gefühl des Unbehagens durchlief die Terranerin, als der Unsterbliche vor dem Schreibtisch stehenblieb. Irgendetwas war in seinem Blick, das anders war, als gewohnt. Sie konnte es nicht lokalisieren. Sie lies sich von Tifflor nicht weiter nervös machen und beschloss dieses merkwürdige Gefühl zu ignorieren.

»Ich brauche deine Hilfe«, begann Tifflor. Er setzte ihr auseinander, wozu er sie benötigte, was sie entsetzt mit dem Kopf schütteln ließ.

»Ich will das aber nicht«, meinte sie, als hätte er sie gebeten, seine Frau zu werden. Dabei sollte sie nur die Geschicke dieser Machtgruppe mitgestalten helfen und als Sozialbeauftragte an seiner Seite stehen.

»Das kann ich mir vorstellen«, meinte der Terraner.

Er ließ sich langsam in dem Sessel ihr gegenüber nieder. Die bequeme Sitzecke kam ihr plötzlich so unbequem wie eine Holzbank vor. Sie fühlte sich von seinem Blick seziert und wusste nicht, wie sie dem sehr alten Terraner in die Augen blicken sollte. Er schien das auch nicht zu erwarten, denn er sagte zunächst nichts weiter. Da jedoch erinnerte er sie an die beiden Zechoninnen, die immer noch im Hause der Scorbits wohnten. Ihre aufopfernde Hilfe hatte ihm gezeigt, dass sie die richtige Einstellung für eine verantwortungsvolle Aufgabe wie diese mitbrachte. Deshalb bat er sie erneut darum, diese Stelle anzutreten.

Seine ganze Erscheinung erschien ihr anders als sonst. Sie schüttelte wieder den Kopf, allerdings mit schwindendem Widerstand.

Chargonchar, dachte der Terraner mit einem Schmunzeln, das allerdings nicht den Weg in sein Gesicht fand, sondern irgendwo hinter der undurchdringlichen Fassade, die er sich aufgesetzt hatte, hängenblieb. Nur das, was er vermitteln wollte, drang nach außen. Nur das, was seinen Willen unterstützte. Nur das, was er zeigen wollte. Und im Augenblick vermittelte er den tiefen Ernst, den sein Ansinnen bedeutete und den sie zu spüren bekam.

Sie verlor ihre Angst und ihr Widerstand begann langsam dahin zu schmelzen. Sie senkte für einen Augenblick den Kopf, dann blickte sie ihm fest in die Augen.

»Einverstanden, Julian«, meinte sie.

Zögernd zunächst, dann immer sicherer werdend, akzeptierte sie sein Angebot und nahm ihm damit eine weitere Last von seiner Seele. Eine Sozialbeauftragte hatte der neue Terra-Block nun. Weitere Positionen mussten besetzt werden und die Spannung, die ihn erfüllte, das innere Gleichgewicht, das ihn immer noch im Griff hielt, ließ ihn nicht in Jubel ausbrechen, nicht einmal ein befreites lachen brach aus ihm hervor. Er lächelte nur ganz leicht angedeutet und erhob sich. Er drückte ihr die Hand und nickte ihr zu.

»Du wirst es nicht bereuen«, meinte er. Dann führte er sie hinaus und überließ es dem Servo, ihr das neue Büro zu zeigen, das nun ihren Aufgabenbereich ausmachte.

Die Tür glitt lautlos aus der Wand zurück und er ließ es zu, dass der Zustand der Entrückung langsam von ihm abfiel.

*

Jonathan Andrews schlenderte gelangweilt durch den Park und hing seinen Gedanken nach. Fast wäre er direkt in einen entgegenkommenden Mann gelaufen, der sich auf den zweiten Blick als Matthew Wallace erwies.

Der Schotte kam aus der anderen Richtung und schien ebenfalls in Gedanken versunken. Der leicht sonnige Tag und das angenehme Klima dieser Welt hatten sie beide etwas Träge gemacht.

Andrews entschuldigte sich wortreich und begrüßte den Freund. Trotz ihrer unterschiedlichen Arbeitsbereiche, trafen sie sich in letzter Zeit öfter.

Andrews hatte sich entschlossen, auch an diesem neuen Ort für den Ritter der Tiefe Gal'Arn zu arbeiten und in seinem Dienst zu verbleiben. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, seinen Kontakt zu Marya Jost zu intensivieren. Wallace überraschte das nicht wirklich. Schließlich hatte Andrews schon einen schlechten Ruf, was seinen Schlag bei den Frauen anging. Der ursprünglich aus Schleswig-Holstein stammende Terraner hatte nicht nur ein ungeheures Glück beim weiblichen Geschlecht, dank einer Transportlieferung nach Gäa, wo er eigentlich einen Gleiter abliefern sollte, hatte er auch die intergalaktischen Kontakte knüpfen können, mit denen er immer noch angab. Nun hatte er es sogar geschafft, mit Gal'Arn an dem Insel-Projekt teilzunehmen.

Wallace schmunzelte, als er an die abenteuerliche Odyssee des jungen Terraners dachte. Aber auch seine eigenen Wege waren in den letzten Jahren nicht kontinuierlich geradeaus gegangen. Nach dem Ende des Aufenthalts in Dorgon hatte er zusammen mit anderen Mitgliedern der IVANHOE einige Abenteuer erlebt. Remus Scorbit rannte an ihnen vorbei und nickte ihnen nur kurz zu.

»Keine Zeit«, stöhnte er. »Onkel Flak hat gerufen. Er muss noch einige dringende Dinge erledigen, bei denen ich ihm helfen soll...«

Wallace und Andrews bestätigten kurz, dann genossen sie wieder den sonnigen Tag. Das geschah in letzter Zeit nicht allzu häufig. Der Aufbau der Verwaltung hatte Vorrang vor geregelten Arbeitszeiten und selbst in einem Zeitalter, in dem Roboter viele Dinge übernehmen konnten und Syntroniken den Hauptteil der mechanischen Arbeit erledigten – niemand musste heute mehr Texte von Hand eintippen und auch die Kommunikation war mit diesen Maschinen wesentlich einfacher, als in den alten prästellaren Zeiten.

Trotzdem musste eine solche Verwaltung auch erst einmal funktionieren und viele Dinge beeinflusste immer noch der Mensch, auch wenn es nur deshalb war, damit die Maschinen nicht vollends alles übernahmen und der Mensch zum Sklaven seiner eigenen Automation wurde.

Wallace unterbrach seine Gedanken. Er wollte in diesen Augenblicken der Ruhe nicht über die Arbeit nachdenken.

»Wie geht es eigentlich Marya?«, wandte er sich an Andrews, der nur für einen Augenblick verlegen wurde.

*

Cascal wanderte nervös in der Zentrale der stellaren Verwaltung umher. Er blickte auf die Bildschirme und ließ sich den Stand der Einsatzbereitschaft der Flotte anzeigen. Er war nicht unzufrieden, als er die Werte sah. Fast alle Schiffe, die auf dem langen Flug von der Milchstraße zum Portal, dem gigantischen Kunsttransmitter, der zu Insel führte, Maschinenschäden erlitten hatten, waren langsam wieder in der Lage, an den Manövern der anderen Schiffe teilzunehmen. Zwar gehörte der Terra-Block nicht zu den stärksten Fraktionen, die Bewaffnung der Erde war in den Zeiten eines erstarkten Arkon auch nicht unwichtig. Aber da die Arkoniden auch eine Menge Schiffe mit in diese Galaxis genommen hatten, waren einige terranische Raumschiffe abgezogen worden.

Auf den Raumhäfen von Mankind, Siniestro und all den anderen Welten standen Tausende von Raumschiffen, die den Terra-Block mit knapp 50.000 zusätzlichen Einheiten stärkte. Insgesamt lag man bei 60.000 Einheiten.

Ein weiterer Befehl Cascals war es, die Produktionsanlagen zu besetzen und mit dem Bau von neuen Raumschiffen zu beginnen. Tifflor hatte festgestellt, dass jedes Volk mit 50.000 Raumschiffen ihrer Bauart beschenkt wurde. Die Arkoniden bildeten keine Ausnahme, das bedeutete, sie hatten einen Vorsprung.

SHORNE INDUSTRY erklärte sich sofort bereit, die Anlagen mit Personal zu besetzen und die Produktion zu beginnen. Cascal war dieser Shorne zuwider, doch er hatte die Mittel, um den Terra-Block wirtschaftlich schnell an die Spitze zu katapultieren. Das Militär hatte durch die Produktion von Raumschiffen einen großen Vorteil davon.

Remus Scorbit hatte sich zusammen mit seinem Onkel Flak Portland der Ausbildung der ersten Kadetten angenommen, also war auch der Nachwuchs für die Flotte gesichert. Allerdings beharrte der alte Portland darauf, dass auch Remus als gutes Vorbild eine ordentliche Ausbildung an der Raumakademie bestreiten sollte. Erst dann könne er von der zivilen Planungsstelle auch auf dem Feld oder im Raum die Kadetten ausbilden. Cascal schmunzelte über die Korrektheit von Portland. Aber er bewunderte diese Eigenschaft auch.

Die Kadettenschule war unweit des Raumhafens untergebracht und die Kadetten trainierten und exerzierten in streng abgeschlossenen Bereichen für den Einsatz in der terranischen Flotte. Soweit sah es ja ganz gut aus. Aber dem Terraner war durchaus klar, dass diese Sicherheit eher zweifelhafter Natur war. Insofern war er ganz froh, dass derzeit gerade Ruhe in der Insel herrschte. Er hoffte, dass das auch noch eine Weile so bleiben würde.

Während Remus also eher die Planungen übernahm, trainierte ein Bernd Goss die Kadetten als Chefausbilder.

Henry Portland sollte sich derweil um den Bau einer richtigen Militärakademie kümmern, die den Arbeitstitel »Redhorse Point« trug.

*

Der Konferenzraum sah anders aus, als noch vor einigen Tagen. Sam blickte auf die Ränge, die sich langsam füllten. Die Vertreter der Insel-Völker traten nach und nach ein, wurden von Kabinen in Empfang genommen, die bereits am Eingang warteten und in ihre jeweiligen Ehrenlogen geflogen. Alle wichtigen Völker waren anwesend.

Julian Tifflor betrat den Raum und sah sich um. Bisher hatte Sam mit dem Terraner noch nicht so viel zu tun gehabt, aber seit Beginn des Insel-Projekts hatten sie angefangen, sich kennen zu lernen. Tifflor war ein guter Diplomat, wie der Somer neidlos feststellen musste. Er hatte eine besondere Ausstrahlung, nicht immer allerdings, sondern nur dann, wenn er es benötigt. Das war dem Somer schon aufgefallen, aber er wusste nicht, wie der Mensch das machte. Wenn er wollte, konnte er jedenfalls auf Menschen in einer Weise wirken, die fast schon unheimlich war. Und nicht nur auf Menschen, sondern auch auf andere Völker verfehlte seine besondere Aura ihre Wirkung nicht.

Auch jetzt, in diesem Augenblick, umgab ihn etwas Besonderes. Gemessenen Schrittes näherte er sich dem Somer und schüttelte ihm nach terranischer Sitte vorsichtig den Flügel.

»Ich grüße dich, mein Freund.« Seine Stimme war leise, angenehm und trotzdem gut zu verstehen. Er verstand es, zu wirken.

»Ich freue mich, dich im Paxus-Parlament Willkommen zu heißen«, antwortete der Somer. Seine Stimme kam ihm wie ein unmelodisches Krächzen vor, verglichen mit der des Terraners. »Wie gefällt es euch in eurem Lebensbereich?«

Das jungenhafte Leuchten in den Augen des alten Wesens zeigte ihm, dass er seine neue Rolle genoss. Lange Jahre hatte er eine fast gefährliche Rolle in diesem Universum gespielt, oder gar keine. Je nachdem, was höhere Mächte gerade bestimmt hatten.

Tifflor wusste aber durchaus, sich in Szene zu setzen. Er war ein Verhandlungspartner, der jedem Gegner Respekt abnötigte. Er war ein Streiter für den Frieden und ein geborener Staatsmann. Er war auch schon als der Nachfolger Perry Rhodans gehandelt worden, als dieser noch Großadministrator war. Das allein zeigte schon, dass dieser Terraner wahre Größe besaß. Trotzdem wurde er immer wieder in Einsätze geschickt, die ihm eine Bedeutung in zweiter Reihe verlieh.

Und er trug diese Rolle mit einer Gelassenheit, als wäre es das Normalste der Welt. Und wahrscheinlich war es das auch. Jeder der Unsterblichen war sich seiner besonderen Verantwortung, die aus dem Zellaktivatorchip und dem damit verbundenen hohen Alter und der großen Erfahrung verbunden war, durchaus bewusst.

Nach kurzer, gedämpfter Unterhaltung wandte sich der Terraner seiner Loge zu und schwebte in die den Terranern zugewiesene Nische.

Sam sah den arkonidischen Vertreter und registrierte mit einiger Verwunderung, dass die Arkoniden tatsächlich den Kristalladministrator zu dieser Besprechung geschickt hatten. Der direkte Vertreter Bostichs auf der Insel, Uwahn Jenmuhs. Der Arkonide verursachte ein unbehagliches Gefühl in dem Somer. Seine Augen funkelten in einem Glanz, der verhieß, dass diese Verhandlungen nicht ohne die Arkoniden möglich waren und seine Gesten bewiesen, dass er sich für das wichtigste Wesen in diesem Raum hielt.

Langsam kehrte Ruhe in dem großen Raum ein. Sam blickte sich unbehaglich um. Er erkannte, dass sein Einsatz unmittelbar bevorstand. Er trat in die Mitte des Raumes und stellte ich der Versammlung. Er räusperte sich nicht, stand einfach locker vor allen Versammelten, die ihm alle ins Gesicht blickten, auch diejenigen, die sich hinter ihm befanden. Und er blickte in Gesichter erfahrener Diplomaten. Das bedeutete aber auch, dass es in diesem Raum, ähnlich wie im Galaktikum, zu zähen Verhandlungen kommen würde, endlosem Reden und Zerreden von Ideen und Einwänden, die jeglicher Grundlage entbehrten und nur dem Eigeninteressen eines jeden Machtbereiches entsprachen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass dieses Projekt ein Abbild der Milchstraße werden würde, dann konnte man es in diesem Raum sehen.

Und Sam merkte, wie er langsam in die richtige Stimmung kam. Seine Pulsfrequenz erhöhte sich leicht, er stellte sich all den Blicken und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die anstehenden Probleme.

Er eröffnete die erste Sitzung des Paxus-Parlaments.

Und er verfluchte diese erste Sitzung schon kurz nach der Eröffnung. Zuerst hatte er in seiner Rede alle anwesenden Völker persönlich begrüßt. Er musste dabei darauf achten, jedes der Völker auch wirklich persönlich anzusprechen. Und die Reihenfolge entsprach der Wichtigkeit, die jedem der Blocks beigemessen wurde. Dabei konnten schon genug Fehler passieren und es war Sam durchaus nicht entgangen, wie zornig Jenmuhs geblickt hatte, als die Terraner vor ihm begrüßt worden waren.

Die wahren Probleme waren dann aber aufgekommen, als er das Modell für das Insel-Parlament vorgestellt hatte. Er dachte dabei an eine Einrichtung, die eine Art Regierung dieser Welt darstellen sollte. Paritätisch gewählte Vertreter sollten das Parlament insgesamt bilden. Aus den Mitgliedern eines Volkes sollte einer ausgewählt werden, der in einer Art Regierungsrat seinen Sitz finden würde und aus dessen Mitte sollten vier Vertreter erwählt werden, die die Insel dann in letzter Konsequenz – natürlich in Abstimmung mit dem Gesamtrat – regieren würden.

Die meisten Vertreter erklärten sich mit diesem Vorgehen einverstanden. Aber bestimmte Völker, die ihre Machtinteressen durch diesen Vorschlag gefährdet sahen, sprachen sich dagegen aus. An vorderster Front waren hier die Arkoniden zu nennen, die sich dem Vorschlag vehement entgegenstellten. Aber auch die Blues wehrten sich heftig. Besonders enttäuschte den Somer, dass auch die Dorgonen offensichtlich ein Problem mit diesem Vorgehen hatten. Und so schleppten sich die Verhandlungen über mehrere Stunden dahin und anstatt wertvolle Arbeit zu leisten, wurden all die Vorschläge, die in mühsamer Kleinarbeit ausgearbeitet worden waren, zerredet wo es nur ging.

Bis Tifflor aufstand und Sam in der Mitte des Raumes beistand. Er hielt eine Rede darüber, wie anstehende Probleme zu behandeln seien und schaffte es in der Tat, Aufmerksamkeit zu erregen. Man hörte ihm zu, wollte sich aber immer noch nicht auf die angeregten Punkte einlassen.

Schließlich einigte man sich darauf, die Sitzung erst einmal zu vertagen. In Verhandlungen einzelner Völker miteinander hoffte man, Probleme erst einmal lösen zu können, ohne längere Diskussionen hinnehmen zu müssen. Und so trennte sich das provisorische Parlament nach seiner ersten Sitzung ohne großes Ergebnis. Die Angehörigen der einzelnen Völker verließen das Parlament und betraten die Parks und Gärten. Einige zogen sich in ihre Botschaftsbereiche zurück, andere zogen es vor, in den Gärten umherzuwandern und dabei erste Gespräche untereinander zu führen und mit diesen Ergebnissen, kleineren Bündnissen und Absprachen dann auf einer ganz neuen Basis verhandeln zu können.

Sam blickte den Abgeordneten hinterher und schüttelte leicht den Kopf. Er hätte sich denken können, dass es nicht so einfach werden würde. Nicht mit all diesen Vertretern humanoider Rassen, denen eigene Interessen immer wichtiger schienen, als gemeinsame Ziele. Aber er konnte andererseits auch nicht zu hart urteilen. Sein eigenes Volk war in der Vergangenheit kaum anders gewesen.

Trotzdem war er mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Er beschloss, erst einmal Gespräche mit dem Terra-Block zu führen um bei weiteren Verhandlungen einige Rückendeckung aufbieten zu können. Offenkundig ging es ohne diese nicht.

 

Die neuen Bürger Cartwheels

Anya Guuze blickte trübsinnig in ihr Glas. Sylke Stabum stand neben ihr und flirtete ungeniert mit einem Raumsoldaten, der an der Bar lehnte. Sie widmete der Freundin nur einen Seitenblick, ließ sich von ihrer schlechten Laune aber nicht weiter anstecken.

Die Inselbar am Rande des Raumhafens war, wie immer um diese Zeit, gut gefüllt. Wilde Musik drang an die Ohren der jungen Terranerin, die bei den Raumkadetten diente und sich dort zur Kommandostationsoffizierin ausbilden ließ. Andere ihrer Klassenkameraden waren ebenfalls Teil dieser Einheit, unter anderem Neve Prometh, die Anya schon während der gemeinsamen Zeit auf der Erde des Öfteren auf die Nerven gegangen war. Und auch hier, fernab der Heimat, wollte man nicht akzeptieren, dass sie die beste und vor allem schönste dieser Einheit war.

Die ehemaligen Klassenkameraden des Überschweren Siddus hatte es auch nach Cartwheel gezogen. Ursprünglich war es Neve Promeths Idee, doch auch die anderen waren schnell begeistert. Da im Dezember die Bürokommunikationsausbildung beendet war und der größte Teil bestanden hatte, hatten sie sich für die Insel als Freiwillige beworben. Die lukrativste Chance war eine Ausbildung bei der neuen Raumfahrtakademie. Von dort aus standen einem viele Wege offen. Entweder eine Beschäftigung als Beamter oder Raumfahrer im Terra-Block oder ein Job in der freien Wirtschaft.

Anya schüttelte zornig das Haupt und biss sich auf die Unterlippe. Sie ignorierte einen aufdringlichen Soldaten, der ihr gerade den Hof machte und deutete nur wortlos auf ihre Rangabzeichen, die sie als Unteroffiziersanwärterin auswiesen. Der Soldat verzog sich daraufhin wortlos und widmete sich lieber Frauen, die nicht zum Trübsal blasen in diesen Club gekommen waren.

»Ach nein«, hörte Anya ihre Freundin Sylke gerade begeistert aufstöhnen. »Sternenstaub? Wie kommst du denn an das Zeug? Ich dachte, das hätten wir in der Milchstraße zurückgelassen.«

»Das schon«, meinte der andere Soldat. »Aber die Aras haben wir ja mitgenommen. Die können auch hier gute Ware liefern. Also, was ist nun, willst du eine Prise von dem Zeug?«

Sylke zögerte nur einen Augenblick.

Sie wusste zwar, dass der Genus dieser Droge starke Halluzinationen hervorrief und auf Dauer der Gesundheit eher abträglich war, aber sie war jung und wie alle jungen Menschen hielt sie sich ohnehin für unsterblich. Also nickte sie und nahm offen eine Prise von der Droge. Sie stieß Anya an, die sich nur einen Augenblick zierte und dann ebenfalls zur Droge griff. Kurz bevor sie sich den Staub zuführte, warf sie noch einen Blick in eine Nische nicht weit entfernt, in der einige Soldaten der Bodentruppen am Feiern waren.

Frauen waren auch dabei. Aber nicht sie und das machte ihr sehr zu schaffen. Denn bei den Raumsoldaten war nicht nur Roppert Nakkhole dabei, sondern auch Krizan »The Bush« Bulrich. Sie hasste ihn. Eigentlich hasste sie ihn nicht wirklich, aber sie war wütend, weil er es gewagt, hatte, mit ihr Schluss zu machen. Er mit ihr! Das musste man sich einmal vorstellen! Wie konnte er es nur wagen.

Die Droge begann zu wirken und erlaubte ihr, das Geschehen mit mehr Gleichgültigkeit zu sehen.

Gleichzeitig saßen Remus Scorbit und Uthe gerade in einem der besseren Lokale in der Nähe des Zentrums. Sie waren nicht allein in diesem Restaurant. Einer der Ausbilder aus Remus' Einheit begleitete sie, nachdem Scorbit ihn zum Essen eingeladen hatte.

Henner von Herkner war einmal der Freund von Uthes Schwester gewesen. Das war noch auf der Erde und auch schon länger her. Aber aus verschiedenen Gründen würde sich Remus immer an ihn erinnern. Denn er war kein besonders freundlicher Zeitgenosse gewesen. Im Gegenteil, er erwies sich als eher brutaler Mensch.

Aber auch in diesen Zeiten war es immer gut, wenn man die richtigen Leute in den richtigen Positionen kannte.

Networking nannte man das, und von Herkner hatte das schon immer recht gut verstanden. In einem solchen Projekt, vor allem in einer schweren Zeit, wo die wirklich guten Leute auf der Erde und in der Milchstraße gebraucht wurden, war es schwierig, Menschen wie ihn außen vor zu halten und deshalb hatte sich Remus entschlossen, mit dem Mann eine Art Burgfrieden zu schließen. In der letzten Zeit arbeiteten sie auch gut zusammen, die Ausbildung der Kadetten ging recht gut vor sich und sie hatten auch wenig Probleme mit den jungen Menschen.

Deshalb hatte sich Remus zu diesem gemeinsamen Essen entschlossen.

Uthe war darüber nicht sonderlich begeistert gewesen. Im Gegenteil, sie stand dem Mann, der ihrer Schwester Probleme bereitet hatte, eher reserviert gegenüber. Sie traute ihm nicht und hielt ihn für intrigant. Aber Remus hatte es geschafft, ihr seinen Standpunkt klarzulegen. Deshalb hatte sie sich entschlossen, den Abend so gut es ging zu genießen. Und es schien auch ein angenehmer Abend werden zu wollen. Das Restaurant war nicht nur ein besonders eingerichtetes Bauwerk, das sogar auf Terra zu einigem Staunen angeregt hätte, auch das Unterhaltungsprogramm konnte sich sehen lassen. Und das Essen war einfach nur hervorragend.

Aus dem nichts heraus materialisierten die Künstler auf der Bühne und begannen, Musik zu machen oder Kunststücke vorzuführen. Immer wieder erschien ein etwas merkwürdig erscheinender kleiner Mann mit einem großen Schnauzbart, der den nächsten Show Act ankündigte und die Menschen in dem Restaurant spendeten Applaus. Dann kündigte der Mann das besondere Ereignis an, weswegen das AnhaltersInn zu einem der Besonderheiten auf diesem Planeten geworden war. Es simulierte den Untergang des Universums und schaffte auf diese Weise eine geradezu unheimliche Atmosphäre. Es war schon ein Wunder, dass es gelungen war, einen Platz hier zu reservieren. Aber vermutlich war es geschehen, weil sie beide Teil der Regierung waren. Von Seiten der Geschäftsleitung aus wollte man ihnen wohl einen gefallen tun. Deshalb kamen Remus und Uthe zusammen mit ihrem Gast in den besonderen Genus eines solchen Ereignisses.

Doch Uthe störte die Gesellschaft von Henner von Herkner. Der Unteroffiziersanwärter versuchte Remus davon zu überzeugen, auch ins Militär zu gehen und selbst eine Ausbildung zu machen, anstelle einen Organisationsposten zur Bewachung der Ausbildung zu übernehmen. Henner von Herkner sprach von Patriotismus und gesundem Menschenverstand, den die Blauen oder andere Wesen nicht besaßen.

Remus schienen die Worte zu gefallen, Uthe hingegen war angewidert.

*

Leticron spazierte durch einen der Gärten, der fast wirkte, als wäre er New Paricza entnommen und direkt hier eingeflogen worden. Natürlich war er das nicht. Er war aber trotzdem auf eine Weise ästhetisch, die sogar dem Überschweren ein erfreuliches Gefühl zu entlocken vermochte.

Die Folgen des Coru'Scar hatte er mittlerweile überwunden. Nun wollte er sich auf einen zweiten Teil des Planes konzentrieren, der ihm über kurz oder lang die Herrschaft über das gesamte Insel-System verschaffen würde. Er nahm eine Einladung von Taka Kudon an, dem Herrscher der Dscherro, die aus unerfindlichen Gründen ebenfalls Teil der Insel waren.

Taka Kudon hatte sein Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Pariczaner bekundet. Bereits in den wenigen Amtswochen von Wursus gab es Konferenzen mit den Dscherro und Hauri, die eine Allianz bilden wollten.

Leticron wollte diese Gedanken wieder aufleben lassen und konnte die Dscherro und Hauri sicherlich als Faktoten gebrauchen. Natürlich hatte er kein wirkliches Interesse an einem Bündnis, doch er musste sich ihrer bedienen, um voran zu kommen.

Leticron rückte seinen Anzug zurecht, der eher an einen Kampfanzug erinnerte, als besonders geeignet für einen Empfang zu sein. Aber bei der besonderen Art, die der Gastgeber bevorzugte, war es sicher ratsam, sich nicht allzu sehr in Schale zu werfen. Man konnte schließlich nie wissen.

Der Pariczaner schickte sich an, mit seinem Gefolge die Liegenschaften der Überschweren zu verlassen und näherte sich dem Areal der Dscherro, die einen wild wuchernden Dschungel um ihre Burg wachsen ließen. Zwischen den Bäumen hindurch konnte man gerade noch so zu der Dscherro-Burg kommen und Leticron betrat die Burg mit einem gemischten Gefühl. Einerseits fühlte er sich fast wie zu Hause, weil er bereits an der ganzen Ausstrahlung der Gehörnten verspürte, dass sie eher von seiner Art waren. Nicht so wie diese Diplomaten, die nichts anderes taten, als zu reden, anstatt endlich zu handeln. Paricza brauchte Platz, sein Volk wollte mehr von dieser Sterneninsel besitzen. Genaugenommen den ganzen Bereich. Dieses Ziel war aber noch in weiter Ferne. Die Party mit den Dscherro hingegen lag nahe und konnte sehr wichtig für sie werden, wenn es ihm gelang, den Dscherro entsprechend zu beeinflussen.

 

Politik

Julian Tifflor und der Somer Sam standen auf der einen Seite des Raumes vor einer terranischen Delegation. Auf der anderen Seite standen Jenmuhs und Michael Shorne in trauter Einigkeit, die man ihnen so nicht zugetraut hätte. Weitere Vertreter der terranischen Verwaltung waren ebenfalls anwesend, unter anderem auch Uthe Scorbit. Sam war klar, dass die Terraner und die Arkoniden sehr wichtig in diesem Ringen um eine Einigung waren. Wenn beide Völker an einem Strang ziehen würden, dann würden die anderen wohl kaum nein sagen. Dies hatte er mit Tifflor besprochen, der sich nicht gegen die Pläne des Somers stellen wollte, weil er ähnliche Gedanken bereits gehabt hatte.

Die Atmosphäre in diesem Raum war gespannt. Nicht nur die Politik der Insel in der Zukunft war ein Streitpunkt zwischen den Anwesenden auch die zukünftige Geschäftspolitik war ein Thema, deshalb war auch Shorne, der als führender Unternehmer dieser Galaxis gelten konnte, anwesend. Uthe Scorbit wollte besonders auf ihn einwirken, um ihn zu einer für die Menschen verträglicheren Geschäftspolitik zu bringen.  Bisher hatte sie sich allerdings die Zähne an ihm ausgebissen. Der Unternehmer war eiskalt und ließ sich nichts einreden. Uthe war schon nahe daran, aufzugeben.

Gleichzeitig verhandelten Sam, Tifflor, Don Philippe de la Siniestro und Jenmuhs um die neue Regierungsform in der Galaxis. Jenmuhs wehrte sich vehement dagegen, eine Regierung zu akzeptieren, der eventuell auch Terraner angehören würden. Als Uthe ihre Verhandlungen mit Shorne unterbrach, weil sie zu keinem Ergebnis kamen und sich Tifflor und Sam zugesellte, verdüsterte sich das Gesicht des Arkoniden plötzlich. Er verschloss sich wie eine Auster und verweigerte die Fortsetzung der Verhandlungen. Keiner verstand wirklich, was dahintersteckte.

Uthe hätte es sich denken können, aber auch sie verdrängte die Erinnerungen an die unselige Fahrt der LONDON II, deren Ende nicht nur das Ende eines Schiffes sondern auch vieler Wesen der Galaxis gewesen war. Einer der Toten war der Bruder des arkonidischen Botschafters, der damals versucht hatte, das Schiff erst in den Untergang zu führen und nur von Rosan Orbanashol-Nordment und Uthe Scorbit daran gehindert werden konnte. Nicht zuletzt den beiden Frauen war der Tod seines Bruders zu verdanken. Und wohl aus diesem Grunde, verweigerte Jenmuhs die Fortführung der Verhandlungen.

Tifflor unterbrach seine Versuche, mit dem Arkoniden zu einer Einigung zu kommen, weil eine Nachricht eingegangen war. Da im Augenblick nur die wichtigsten Nachrichten zu ihm durchgestellt wurden, wusste der Terraner, dass etwas Bedeutsames geschehen war. Er rief die Nachricht ab und winkte dann dem Somer. Zusammen verabschiedeten sie sich von den Anwesenden und machten sich so schnell es die Höflichkeit erlaubte auf den Weg nach draußen.

Uthe wollte ihnen folgen, sah sich aber plötzlich von Jenmuhs abgedrängt. Sie konnte sich nicht dagegen wehren und merkte auch mit entsetzen, dass sie plötzlich allein zu sein schienen. Erschreckt blickte sie sich um beschloss dann aber, das Problem direkt anzugehen.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie freundlich den Arkoniden, dem man seinen Hass förmlich ansehen konnte.

Schweigend musterte der Arkonide sie. Seine Hände zitterten, er ballte sie langsam zu Fäusten und entspannte sie dann ebenso langsam wieder. Er beherrschte sich mühsam aber sie erkannte, dass er kurz davor war, ihr Gewalt anzutun.

»Mein Bruder...« presste er hervor. »Waren Sie nicht auf der LONDON II?«

Sie nickte langsam.

Jenmuhs wollte noch etwas sagen, wurde aber unterbrochen, als Anica den Raum betrat und Uthe in einer unangenehmen Situation vorfand. Sie blickte den Arkoniden verständnislos an, der einen Schritt zurücktrat, als er Anica gewahrte.

Nur für einen Augenblick streifte sein Blick ihr Gesicht. Die Ebenmäßigkeit dieser Gesichtszüge, die schlanke Gestalt der jungen Frau und ihr sanftes Lächeln schienen ihn besonders zu berühren.

Uthe musterte ihn genau und verstand, dass er Anica offenbar besonders anziehend fand. Vielleicht deshalb konnte er seine Augen kaum von ihr nehmen. Vielleicht genoss er vor allem ihre puppenartige, fast filigrane Erscheinung. Besonders arkonidisch wirkte sie jedenfalls nicht, das konnte es also nicht sein.

Jedenfalls ließ er von ihr ab und das war ihr vor allem wichtig. Das junge Mädchen warf einen verständnislosen Blick auf den Arkoniden, als der aber nichts weiter sagte sondern Anstalten machte, rot zu werden, wandte sie sich Uthe zu.

»Ich wollte dich abholen. Ich hoffe, ich störe nicht?«

Erstaunlich, dachte Uthe. Normalerweise war das Mädchen eher zurückhaltend und naiv, dass sie so sensibel auf diese Situation reagierte, rang ihr leichtes Erstaunen ab.

Sie schüttelte den Kopf.

»Du störst nicht. Ich wollte sowieso gerade gehen. Wenn du erlaubst, verabschiede ich mich nun von Ihnen, Uwahn Jenmuhs. Ich wünsche noch angenehme Verhandlungen und ich wünsche uns allen, dass wir sehr bald zu einer Einigung kommen.«

Wiederum verblüffte der Arkonide sie, indem er lediglich mit dem Kopf nickte und sich dann wortlos umwandte. So verpasste er den Auftritt von Remus, der angerannt kam und Uthe wichtige Neuigkeiten persönlich überbrachte.

»Das Portal...«, keuchte er. Er atmete tief durch und vollendete dann den Satz. »Das Portal ist aktiv geworden. Aurec ist auf der Insel angekommen. Und er hat eine gewaltige Flotte mitgebracht. In unserer Galaxis sind soeben 500.000 Raumschiffe der Saggittonen materialisiert.«

 

Die Saggittonen

Die Flotte der Saggittonen war auf der Insel materialisiert und sie war ebenfalls durch das Portal gekommen. Sam hatte sich als einziger so etwas schon gedacht, er war fast sicher gewesen, dass DORGON auch die Saggittonen schicken würde.

Der Somer hatte die Beteiligung der Saggittonen vermisst. Dass sie jedoch mit diesem Aufgebot ankamen, war überraschend.

Er erwartete die Flotte des Saggittonen über Paxus, denn diese Welt, die das Zentrum der Insel sein sollte, würde die erste Station der Saggittonen sein. Hier würden sie erfahren, wohin sie ihre Schiffe lenken durften, hier würde man ihnen mitteilen, welches Sternenreich das ihre werden würde.

Sam, Tifflor und Don Philippe erwarteten die Ankunft der gewaltigen Flotte, die ein solches Ausmaß hatte, dass man sie vom Boden dieser Welt aus erkennen können würde, wenn sie einmal eingetroffen war. Und die drei Wesen hatten nicht lange zu warten, bis sich am Himmel am hellen Tag Sternschnuppen sehen ließen, die in großer Zahl über den Himmel dahin glitten, ohne jemals zu verglühen. Sie hielten nur einfach irgendwann an, verließen die Atmosphäre wieder und suchten sich eine Parkposition. Dieses kleine Feuerwerk war ein Gruß des großen Saggittonen an alle Wesen auf Paxus.

Nur ein einzelnes Beiboot löste sich aus der Flotte. Es landete unweit der drei Wesen auf dem großen Raumhafen, auf dem immer noch 200.000 Schiffe DORGONs auf ihre Bestimmung warteten.

Aurec verließ das Schiff und lief über das Flugfeld. Bevor er die Terraner erreichen konnte, flimmerte die Luft vor dem Saggittonen. Tifflor, Sam und Don Philippe hatten mittlerweile den Saggittonen fast erreicht. Alle vier hielten abrupt an und starrten auf die Gestalt, die sich aus der Luft zu schälen schien.

»Ein Glück, dass Cascal nicht hier ist«, meinte Tifflor trocken, als er die schlanke Gestalt der Botin DORGONs erkannte.

Nadine Schneider materialisierte auf dem Flugfeld, nur kurz nach Paxus geschickt von der Wesenheit, deren Beschlüsse man noch immer nicht ganz verstand.

»Aurec«, sprach die junge Frau. »Du findest die Koordinaten deiner neuen Heimat im Syntron deines Schiffes. DORGON freut sich, auch die Saggittonen auf der Insel begrüßen zu dürfen. Vergesst nicht, dass DORGON sich um dein Volk kümmern wird!«

Sie wandte sich allen zu und sprach nochmals zu den Menschen und Wesen, die sich langsam in immer größeren Gruppen auf dem Flugfeld versammelten und die Worte der Botin hörten.

»Jetzt sind alle Völker auf der Insel versammelt. Ich wünsche euch allen viel Erfolg darin, eure Welten einzurichten und ein gemeinsames Parlament zu etablieren. Es wird nicht mehr lange dauern. Dann wird sich DORGON wieder bei euch melden.«

Bevor jemand etwas sagen konnte, löste sich die Gestalt der jungen Frau in Nichts auf. Es war nicht wie eine Teleportation, bei der die Luft mit einem Knall in das entstandene Vakuum stürzt. Der Vorgang spielte sich vollkommen lautlos ab, so als öffne sich eine kleine Schleuse, durch die sie aus dieser Welt trat und in ein unbegreifliches Irgendwo überwechselte. Es wirkte fast wie der distanzlose Schritt, als sich die Botin von dieser Welt verabschiedete und die Wesen allein mit ihren Aufgaben zurückließ.

Aurec verschwendete keine Zeit mit langen Reden.

»Wir haben eine Menge Arbeit vor uns. Viele Milliarden Saggittonen wollen eine neue Heimat finden. Viele Milliarden Wesen in 500.000 Raumschiffen. Wenn wir unsere Welt bezogen und eine provisorische Regierung gebildet haben, dann melde ich mich wieder. Ihr seid aber gerne dazu eingeladen, euch auch in unserem neuen System sehen zu lassen.«

Ohne ein weiteres Wort wandte sich der Saggittone um und betrat wieder sein Beiboot. Es schwang sich in die Höhe und ließ die Atmosphäre dieser Welt schnell hinter sich. Kurz nach dem Einschleusen des Saggittonen setzte sich die gewaltige Flotte wieder in Marsch, um ihre Welt zu besiedeln.

 

Epilog

Auf dem Weg zu seinem System hatte Aurec über Holographie Sam, Tifflor und einigen Völkern erklärt, was in Saggittor passiert war. Die Gefahr durch MODROR hatte neue Formen angenommen, denn er war in der Lage eine ganze Galaxis zu vernichten. Auch wenn DORGON half, die restlichen Lebewesen zu retten, so musste doch die Superintelligenz SAGGITTORA sterben. Die Gefolgsleute von MODROR schienen mehr und mehr zu werden. Nicht nur Cau Thon und Goshkan zählten zu ihnen, nun auch die Rote Entität Rodrom, die bereits früher gefürchtet war.

Aurec hoffte, mit seinen Erlebnissen etwas Licht in das Dunkel zu bringen. Sam und Tifflor reagierten schockiert auf diese Nachricht und sicherten den Flüchtlingen vollste Unterstützung zu.

Auch die estartischen Völker, Dorgonen und Akonen erkannten die gefährliche Situation. Die Arkoniden jedoch sahen in den Saggittonen nur eine weitere Großmacht, die ihre Machtgelüste behindern könnte.

Es würden noch harte Zeiten auf die Insel zukommen.

Aurec hatte keine Ahnung von Vorgängen, die sich in der gesamten Galaxis abspielten. Aber er konnte sich vorstellen, dass es bei den anderen Völkern, die immerhin schon etwas länger hier waren, inzwischen etwas ruhiger geworden war. Er selbst rannte durch die Zentralverwaltung seines neuen Hauptplaneten, der den gleichen Namen trug, wie der Alte. »Saggitton« war die Hauptwelt dieses neuen Reiches. Und er hatte die Absicht, diese Vertretung in ein genaues Abbild dieses alten Saggitton zu verwandeln, das er hinter sich gelassen hatte.

Aurec hatte im Augenblick wenig Gelegenheit, über seine alte Welt und seine alten Probleme nachzudenken. Im Gegenteil, derzeit musste er sich vollkommen auf die neuen Probleme konzentrieren. Sie waren noch nicht lange in diesem Planetensystem. Die meisten Raumschiffe seines Volkes waren noch nicht einmal in einer stabilen Umlaufbahn angekommen. Die Saggittonen darin warteten noch darauf, auf einem Planeten landen zu dürfen und auszusteigen.

Andere waren da schon etwas weiter, nicht nur in der Ausführung all der anfallenden Arbeiten, die bei der Neuerrichtung einer solchen Welt auf ein Volk zukamen. Vor allem hatten sie auch einen leichten zeitlichen Vorsprung, denn bis vor sehr kurzem musste der Prinz des saggittonischen Reiches noch sehr um sein Königreich fürchten. Mittlerweile hatten sich einige der Wogen wieder geglättet und sein Volk konnte aufatmen, denn die Umstürzler hatten es nicht geschafft, die Herrschaft über Saggitton an sich zu reißen.

Doch die Flucht aus der sterbenden Galaxis Saggittor lag jedem einzelnen wie ein Felsbrocken auf dem Herzen. Aurecs Gedanken kreisten um die vielen hunderte Milliarden Lebewesen, die DORGON in sich aufgenommen hatte. Was wurde aus ihnen?

Doch jetzt musste er sich um seine übriggebliebenen Artgenossen kümmern.

Da war es kein Wunder, dass auch auf Saggitton noch nicht alles perfekt war. Hunderte Millionen Lebewesen warteten geduldig darauf, bis sie ihr Schiff endlich verlassen konnten und ihre wenigen Habseligkeiten, die sie auf diese weite Reise mitgenommen hatten, auch wirklich in den ihnen zugewiesenen Häusern unterzubringen. Die Schiffe landeten in mehreren Gruppen, entluden nach und nach die Fracht und ließen die Lebewesen aussteigen. Dann hoben sie wieder ab und suchten sich einen Platz, wo das Schiff für einen längeren Zeitraum liegen konnte.

Auf dem Raumhafen der neuen Welt herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Aurec befand sich zwar im Verwaltungsgebäude, aber er konnte auf vielen Hologrammen einen Überblick über die Lage gewinnen.

500.000 Raumschiffe umfasste der Verband. Der größte einzelne Verband auf der Insel, wie sich Aurec klarmachte. Für einen Moment erschauerte er, als ihm klar wurde, was das für sein Volk bedeutete. Und gleichzeitig verspürte er stolz auf die Wesen, die mit ihm dieses Wagnis eingegangen waren. Trotz der Zustände, die mittlerweile auf den Schiffen herrschen mussten, konnte er niemanden hören, der sich beklagte.

Sie hatten auch keine andere Wahl. Diese Galaxis musste ihr neue Heimat werden. Ihre Galaxis war dem Chaos zum Opfer gefallen.

Alle fassten mit an. Nachdem sie die Schiffe verlassen hatten und in den Straßen der Stadt verschwanden, ihre Häuser erreicht und ihre Habseligkeiten notdürftig untergebracht hatten, verließen sie fast alle die Häuser wieder und meldeten sich am Raumhafen freiwillig, um den anderen beim Entladen der Schiffe zu helfen oder sie in der neuen Stadt zu ihrem neuen Wohnort zu führen. Alle arbeiteten zusammen und wirkten wie eine große Einheit. Die Aufgabe, eine neue Stabilität fern der Heimat zu erschaffen schweißte offensichtlich alle zusammen und der Kanzler musste nicht extra darauf hinweisen, wie wichtig ein solches Verhalten auch war.

Zehn Systeme waren ihnen zugewiesen worden. Auf anderen Schirmen konnte er erkennen, dass sich in den anderen Systemen in wesentlich kleinerem Umfang ähnliche Szenen abspielten und ein Lächeln zuckte über sein Gesicht.

Trotz der angespannten Situation kein lautes Rufen und Schreien, sondern nur ein leiser, sachlicher Hinweis. Fast schon unglaublich, was eine gemeinsame Herausforderung aus einem Volk machen konnte, das noch vor sehr kurzem damit beschäftigt gewesen war, einen Bürgerkrieg auszutragen.

Er löste sich aus seiner Erstarrung, wandte sich dem Mann zu, der hinter ihm stand und eine Liste in der Hand hielt. Konzentriert blickte er auf das Blatt, das man ihm hinhielt und gab einige leise Anweisungen, die prompt ausgeführt wurden. Es schien alles perfekt in diesem Teil der Galaxis. Aber die Gegner und politischen Unruhestifter schliefen sicher auch in dieser neuen Galaxis nicht. Wer würde seinen Machtbereich am schnellsten geordnet und abgesichert haben? Wie lange würde es dauern, bis in dieser Galaxis wirklich Stabilität einkehrte? Alle beteiligten waren sich darüber im Klaren gewesen, als das Projekt begonnen hatte. Solange einzelne Völker noch in der Einrichtungsphase waren, konnte am meisten schiefgehen.

Aurec hoffte auf seine Freunde, denn um dieses Problem konnte er sich im Augenblick nicht kümmern.

Zusammen mit Serakan, Rauoch und Sato Ambush musste er seinen Artgenossen helfen, sich in der neuen Heimat einzufinden.

Und er setzte darauf, dass man ein Volk, das über so viele Raumschiffe verfügte, vorläufig in Ruhe lassen würde.

ENDE

 

 

Die Saggittonen komplettieren das Aufgebot DORGONs auf der Insel. Doch weitere Probleme ergeben sich, denn nicht nur die Arkoniden sorgen für Antipathien. Auch kleinere Völker und Gruppen begehren auf und wollen Cartwheel zu ihrem Vorteil nutzen.

Mehr davon berichten Tobias Schäfer und Ralf König in Heft 38 mit dem Titel: CARTWHEEL

 

 

 

Kommentar

Regierungsformen

Jetzt hat sich also auf der INSEL ein buntes Vielvölkergemisch versammelt das auch ihre eigenen Regierungsformen mitgebracht hat. Allerdings hat DORGON verfügt, dass die Zentralregierung auf Paxus ein demokratisch gewählter Rat sein soll, auch wenn die Völker auf ihren Planeten verfahren können, wie sie wollen.

Jeder, der schon einmal Civilization, Master of Orion oder erst recht Alpha Centauri gespielt hat, weiß wie stark sich unterschiedliche Regierungs- und Staatsformen auf das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben auswirken können. Nehmen wir als Beispiel die Arkoniden. Diese sind traditionellerweise eine parlamentarische Monarchie, in der das Parlament sich aus dem Großen Rat der gewählten Bürgervertreter und dem Hohen Rat der Adelsvertreter zusammensetzt. Der Imperator hatte mal mehr oder weniger viel Einfluss, doch derzeit ist das Parlament unter Bostich praktisch ausgeschaltet. Bei den Pariczanern ist es noch viel radikaler, wie wir in diesem Heft lesen konnten.

Jetzt stellt sich nun die Frage, wie eine parlamentarische Republik funktionieren soll, dessen »Teilstaaten« völlig unterschiedliche politische Systeme beherbergen. Man stelle sich einfach einmal kurz vor, dass von den Bundesländern in unserem Land einige demokratisch, einige kommunistisch, einige despotisch und einige fundamentalistisch organisiert wären (also etwa so wie die »Allianz deutscher Länder« in Shadowrun). Würde da ein Parlament überhaupt Einfluss auf die Länder nehmen können? Falls nicht, könnte so ein Gebilde sich sinnvoll nach Außen vertreten?

Aki Nofftz

 

 

GLOSSAR

Paxus

Die Welt Paxus liegt nur 10 Lichtjahre von dem Sonnenportal zur Milchstraße und den anderen Galaxien entfernt und ist das Herz Cartwheels. Von hier aus werden die galaktischen Geschäfte in einem Parlament und einem Rat abgewickelt.

Durchmesser: 12.357 km

Schwerkraft: 0,995 g

Drei Monde: Etan, Setan und Betan – Betan besitzt Ringe.

Drei Kontinente

·         Peschull – sehr heiß, ca. 40 ° C Durschnittstemperatur, Wüste oder Graslandschaften, viel Tierwelt und Natur.

·         Erisor – mildes Klima, 15 ° C im Durchschnitt, viel Grünlandschaft.

·         Mechtor – sehr kalter Kontinent, nur wenig Vegetation.

Gesamtbevölkerung: 1,4 Milliarden

Hauptstadt: Paxus (City) mit 715 Millionen Einwohnern.

Die Hauptstadt Paxus erstreckt sich über fast den ganzen Kontinent Erisor. Sie ist prunkvoll gebaut und bildet den Regierungssitz des "Paxus-Rates" und des Parlaments. Paxus ist eine Stadt, die Bauten aus Kulturen aller Völker darstellt, damit sich jedes Wesen der Insel dort heimisch fühlen kann. Zudem verfügt sie über einen riesigen Raumhafen, wo knapp 200.000 Schlachtschiffe unbemannt bereitstehen.

Mankind

Der Planet Mankind ist die Hauptwelt der Terraner in Cartwheel. Die Gebäude dort wurden den Befindlichkeiten der normalen terranischen Lebewesen und ihrer einstigen Kolonisten erstellt.

Durchmesser: 8.589 km

Schwerkraft: 1 g

Ein Mond (Lunar)

Vier Kontinente

Hauptstadt: New Terrania

Sonstiges: Das System hat insgesamt 7 Planeten, von denen drei besiedelt sind: Mankind, Siniestro und Small Halut.

New Sphinx / Drorah Neo

New Sphinx bzw. Drorah Neo ist die Hauptwelt der Republik Akon in der Galaxis Cartwheel. Er wird ab 1295 NGZ von den Akonen bewohnt.

Durchmesser: 10.412 km

Schwerkraft: 1,02 g

Zwei Monde

Drei Kontinente

Hauptstadt: Losath

Sonstiges: Die Durchschnittstemperatur des Planeten liegt bei 20 ° Celsius. Zwei der Kontinente sind Stein- und Sandwüsten, während der dritte eine grüne Landschaft mit reichlich Vegetation bietet. Dort liegt auch die Hauptstadt Losath, während auf den anderen beiden Kontinenten Stationen des Militär und Geheimdienstes sind.

Völker in Cartwheel

Die folgenden Völker waren 1295 NGZ dem Ruf DORGONs gefolgt: Arkoniden, Akonen, Ertruser, Oxtorner, Epsaler, Zaliter, Aras, Antis, Mehandor, Jülziisch, Haluter, Posbi, Topsider, Pariczaner, Galornen, Nonggo, Zentrifaal, Dscherro, Okefenokee, Perlians, Dumfries, Dorgonen, Pelewon, Mooghs, Somer, Pterus, Ophaler, Kartanin, Gurrads, Tefroder, Saggittonen, Varnider, Trötter, Holpigons, Multivons, Cappins, Unither, Cheborparner, Elfahder, Linguiden, Ferronen, Plophoser, Freihändler (Olymper), Naats, Tasch-Ter-Man.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2015

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Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 37, veröffentlicht am 11.09.2015 —

Titelillustration: Heiko PoppLektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel