Band 31

M100-Zyklus

 

Nersonos

Ein Künstler wird zum Kaiser Dorgons

 

Jens Hirseland & Ralf König

 

Was bisher geschah

Wir schreiben November des Jahres 1292 NGZ. Seit mehr als einem halten Jahr befinden sich Galaktiker und Saggittonen in M100 und versuchen die geplante Invasion der Dorgonen in die Milchstraße zu verhindern. Die Expeditionsflotte musste dabei empfindliche Verluste einstecken, denn bis auf die IVANHOE, SAGRITON und die in Siom Som befindliche SIOM SOM wurden alle Raumschiffe vernichtet.

Doch den Alliierten sind auch Erfolge gelungen. Kontakt zum Widerstand unter dem einflussreichen Konsul Uleman wurde hergestellt. Aurec tötete im Zweikampf Kaiser Thesasian und löste damit unbewusst eine Destabilisierung des Reiches aus. Die Regentschaft des neuen Kaisers Carigul dauerte nur 41 Tage, ehe er von Verschwörern ermordet wurde und sein Onkel Klausius zum Kaiser ausgerufen wurde. Doch auch seine Position wackelt, seine Ehefrau und Schwester Alupia plant den Tod des Klausius und die Inthronisierung ihres Sohnes NERSONOS…

Hauptpersonen

Klausius – Auch er sitzt nicht lange auf dem Thron.

Nersonos – Der Dorgone an der Spitze der Macht.

Alupia – Nersonos Mutter.

Cauthon Despair – Der Cameloter verfolgt einen Plan.

Mathew Wallace und Saraah – Düstere Zeiten brechen für sie an.

Aurec, Julian Tifflor und Uleman – Sie sind erklärte Feinde von Nersonos.

 

 

 

 

1. IVANHOE

08. November 1292 NGZ

Unruhig ging Joak Cascal in seinem Quartier an Bord der IVANHOE auf und ab. Er war zutiefst beunruhigt. Noch immer hatten sie keine Nachricht von Julian Tifflor und den anderen erhalten, die auf Dorgon zurückgeblieben waren. Es war nun rund zwei Monate her, seit dem letzten Kontakt.

Sandal Tolk war ebenfalls anwesend. Er saß am Tisch und aß etwas Geflügel. Missmutig sah er Joak Cascal an.

»Du solltest dich lieber hinsetzen und essen, anstatt so hin und her zu gehen«, meinte der Mann von Exota Alpha.

»Deine Nerven möchte ich haben. Wir haben noch immer kein Lebenszeichen von unseren Freunden. Unsere Flotte ist fast völlig aufgerieben worden und wir müssen aufpassen, dass wir nicht die nächsten sind, und du setzt dich seelenruhig hin und mampfst dein Hähnchen«, erregte sich Cascal.

»Hungern nützt gar nichts. Gutes Essen hält Leib und Seele zusammen«, erwiderte Tolk.

»Ach, jetzt wird unser Barbar auf seine alten Tage noch philosophisch«, entgegnete Cascal sarkastisch.

Bevor Tolk etwas erwidern konnte, surrte der Interkom. Cascal ging ran.

Es war Xavier Jeamour, der Kommandant der IVANHOE. Er kam sofort zur Sache.

»Cascal, wir haben eine Nachricht von Julian Tifflor. Komm schnell auf die Brücke!«

»Bin schon unterwegs.«

Cascal begab sich schnellstens in die Kommandozentrale. Auch Sandal Tolk ließ sein Essen stehen und folgte ihm.

Als Cascal die Zentrale erreichte, sah er auch schon das Gesicht von Julian Tifflor auf dem Bildschirm. Alle Besatzungsmitglieder waren auf das höchste gespannt.

»Julian, Sie leben! Wir fürchteten schon das Schlimmste«, begrüßte Cascal den Unsterblichen.

»Unkraut vergeht nicht. Das sollten Sie doch am besten wissen«, erwiderte Tifflor. Der Unsterbliche lächelte, dann wurde er wieder ernst. »Wie sieht es bei euch aus?«

»Schlecht. Wir haben alle Schiffe, bis auf die IVANHOE und SAGRITON verloren – mit fast allen Besatzungsmitgliedern. Nur die Crew der TAKVORIAN und GOLDSTAR wurde zum größten Teil gerettet.«

Wie aufs Stichwort marschierte Henry Portland in die Zentrale der IVANHOE. Er zog die linke Augenbraue hoch und nickte Tifflor bedächtig zu.

Tifflor erstarrte.

»Dann ist es also wahr.«

»Ja, leider. Was ist mit euch? Sollen wir euch herausholen?«, fragte Cascal.

»Im Moment nicht. Es sieht fast so aus, als würde sich alles zum Guten wenden. Kaiser Thesasian und sein Nachfolger Carigul sind getötet worden. Thesasians Bruder Klausius ist jetzt Kaiser von Dorgon. Er hat einen Politikwechsel angekündigt und den Widerständlern Friedensverhandlungen angeboten. Uleman will dem zustimmen.«

Joak runzelte die Stirn. Er war skeptisch.

»Das klingt schon wieder zu schön, um wahr zu sein. Seid bloß vorsichtig«, warnte er.

»Auf jeden Fall. Die Dorgonen scheinen etwas wankelmütig zu sein. Dennoch sollten wir versuchen, eine friedliche Lösung anzustreben. Immerhin können wir von nun an wieder in Verbindung treten. Die Rebellen dürfen sich wieder frei bewegen. Hat man euch in den letzten Tagen verfolgt?«

Kommandant Jeamour beantwortete die Frage. »Nein, in den letzten Tagen haben wir keine Suchaktionen mehr bemerkt. Die Präsenz der Kriegsschiffe hat deutlich nachgelassen.«

»Nun, auf jeden Fall solltet ihr weiterhin vorsichtig agieren. Wir werden so bald wie möglich wieder Verbindung mit euch aufnehmen. Weiterhin viel Glück. Ende!«

»Euch auch viel Glück. Hoffentlich bis bald«, verabschiedete sich Cascal.

Tifflor Gesicht verblasste.

Cascal sah seinen Freund Sandal an und meinte: »So, jetzt hätte ich doch Appetit auf ein gutes Essen.«

 

2. Verhandlungen

Im Versteck der Rebellen, in den unterirdischen Anlagen der dorgonischen Hauptstadt Dom, besprachen sich Tifflor, Aurec und Sam Tyler mit Rebellenführer Uleman.

»Es hat wirklich fast alle Schiffe getroffen. Aber Cascal und Tolk leben und sind wohlauf. Sie werden sich weiterhin verbergen«, berichtete Tifflor.

»Vielleicht haben wir bald eine Möglichkeit, uns mit ihnen zu treffen«, hoffte Aurec.

»Meine Freunde, ich habe mich entschlossen, Klausius Angebot anzunehmen. Noch heute sende ich einen Boten mit meiner Antwort«, verkündete Uleman.

»Glaubst du, dass man dem Stotterfritzen trauen kann?«, fragte Tyler misstrauisch.

»Ich hoffe es, denn Klausius hat einen glaubwürdigen Politikwechsel eingeleitet«, erwiderte der füllige Dorgone. »Das er nun seine Schwester ehelicht, ist zwar abstoßend, für uns aber zweitrangig. Wir müssen versuchen ein Friedensabkommen zu erreichen.«

»Und wir müssen sicherstellen, dass die Milchstraße auch in Zukunft keinen ungebetenen Besuch aus Dorgon bekommt«, erinnerte Tifflor.

*

Uleman sandte den Goner Flavus Brombus als Unterhändler in den Senat, der seine Friedensbotschaft überbrachte.

Auch Kaiser Klausius war zugegen. Klausius studierte die Botschaft Ulemans gründlich, was einige Zeit in Anspruch nahm. Dann wandte er sich an Brombus.

»R... richte U... Uleman aus, d... dass ich e... ei... einverstanden bin. Die Fri... Friedenskonferenz soll ü... ü... übermorgen z... zur zehnten Stunde be... beginnen«, verkündete der Kaiser.

»Mein Herr wird froh sein, dies zu hören«, erwiderte Brombus.

Er verneigte sich und verließ den Ratssaal. Princips Protector Priamus erhob sich.

»Es ist unverantwortlich mit Verbrecherpack Verhandlungen zu führen! Thesasian hätte mit denen kurzen Prozess gemacht«, sagte er gehässig.

»Sch... schweig! Ich b... b... bin n... nicht Thesasian. I... ich bin Klausius und i... ich w... werde Dorgon wieder Recht u... und O... Ordnung zu... zurückgeben. D... das ist mein l... letztes Wort.«

Klausius verließ aufgebracht den Senat. Er war fest entschlossen, die Friedensverhandlungen auch gegen den Willen einiger Senatoren und seiner Ratgeber durchzuziehen. Er war davon überzeugt, dass Dorgon nur durch inneren Frieden zu neuer Blüte kommen würde.

 

3. Das Attentat

Alupia hatte die Vorgänge im Senat per Bildschirm mitverfolgt. Sie lag im Bett, neben ihr lag Digalinus.

»Du musst dich anziehen. Mein Mann wird bald zurück sein. Dann wird er mich sehen wollen.«

»Dein Mann, dein Bruder, kommst du da nicht allmählich durcheinander?«, fragte Digalinus sarkastisch.

»Das lass' nur meine Sorge sein. Es wird nun Zeit, Klausius auszuschalten, bevor er das Reich in den Abgrund stürzt.«

»Und wie?«

Alupia erhob sich aus dem Bett und zog sich an. Dann holte sie aus einem Schrank einen kleinen Beutel. Sie hob ihn hoch.

»Damit.«

»Was ist das?«

»Gift. Ein exotisches, schnell wirkendes und nicht nachweisbares Gift.«

»Und wann?«

»Heute Abend.«

Als Alupia wieder allein war, kam Klausius zu ihr. Seine Arbeit war beendet und er setzte sich zu seiner Schwester, die nun auch seine Frau war.

»Na, mein Schnuppelchen, wie war dein Tag?«, fragte Alupia scheinheilig.

Klausius berichtete ihr von den Vorgängen im Senat.

»P... Priamus i... ist s... ständig gegen mich«, jammerte der Kaiser.

Alupia heuchelte Mitleid.

»So ein Schlimmer. Du wirst es ihm zeigen. Damit du wieder fröhlich wirst, lasse ich heute Abend ein Essen für uns vorbereiten.«

»G... gut, w... was gibt es d... denn?«

»Dein Lieblingsgericht, geschmorte Pilze.«

»P... Pilze? Wie schön«, freute sich Klausius.

Auch Alupia war heiteren Gemütes. Die Dinge nahmen von nun an ihren Lauf.

*

Am Abend versammelte sich eine kleine Gesellschaft zum Abendessen. Neben Klausius und Alupia waren auch Digalinus, Nersonos und Cauthon Despair anwesend.

Alupia war über Despairs Anwesenheit nicht sonderlich begeistert.

»Musstest du dieses Monstrum unbedingt mitbringen?«, fragte sie ihren Sohn Nersonos gehässig.

»Cauthon ist mein Berater und Freund. Er bleibt hier«, widersprach Nersonos.

Despair sagte nichts. Er starrte nur düster auf Alupia, die sich dadurch unbehaglich fühlte.

»Ich will, dass er geht, Nersonos«, sagte sie bestimmt.

»N... nun lass ihn do... doch, A... Alupia. I... ich habe H... Hunger u... und will essen«, bestimmte Klausius.

Alupia gab notgedrungen nach. Man begab sich zu Tisch. Jedem wurde eingeschenkt und aufgetischt.

»Für mich nichts«, lehnte Despair ab.

Cauthon fühlte sich in der Gesellschaft dieser abstoßenden Leute unwohl. Aber er musste Nersonos bei Laune halten. Er hoffte dadurch Sanna Breen frei zu bekommen.

Klausius war bester Laune. Je mehr er trank, desto redseliger wurde er.

»Ich habe noch etwas ganz besonderes für dich. Exotische Pilze vom Planeten Curyfar«, sagte Alupia.

Auf ihren Wink brachte ein Sklave ein goldenes Tablett mit großen, braunen Pilzen herein.

»Oh, w... wie sch... schön. Danke, Alupia«, freute sich der Kaiser.

Despair beschlich ein ungutes Gefühl, als er sah wie Klausius die Pilze gierig verschlang.

Der Kaiser war jedoch nach wie vor bester Stimmung. Despair bemerkte jedoch, wie angespannt Alupia wirkte. Plötzlich begann Klausius sich an den Bauch zu greifen und zu stöhnen.

»Was hast du, Liebling?«, fragte Alupia scheinbar besorgt.

»I... ich w... weiß n... nicht. Sch... Sch... Schmerzen. Ah!«

Klausius sank zusammen und würgte. Er pupste wieder und wieder, der Magen und der Bauch grollten laut. Schaum trat aus seinem Mund. Der Geruch von Kot machte sich im Raum breit. Der Kaiser hatte offensichtlich Durchfall.

»Holt einen Arzt, schnell! So tut doch etwas«, rief Alupia scheinbar hysterisch.

»Beruhige dich, Mutter«, sagte Nersonos, der gebannt auf den zuckenden Körper von Klausius sah und sich an den Qualen seines Onkels ergötzte.

Nach einem neuen Schwall von Schaum vor dem Mund und Kot erstarrte Klausius. Leblos blieb sein Körper auf dem Boden liegen.

Ein Arzt war inzwischen herbeigeeilt. Der Mediziner konnte nur noch den Tod des Herrschers feststellen.

»Der Kaiser weilt nicht mehr unter den Lebenden«, sagte er ruhig.

Despair bedauerte das Ableben des Dorgonen. Es war ein unwürdiges Ende, in seiner eigenen Kacke und Erbrochenen zu sitzen. Die Regentschaft des Klausius war nun sogar noch kürzer gewesen, als jene des Carigul.

Alupia schrie auf und schien einem Zusammenbruch nahe zu sein. Nersonos versuchte seine Mutter zu trösten. Despair nahm Nersonos Mutter ihren theatralischen Ausbruch nicht ab. Er war sicher, dass sie ihre Finger im Spiel hatte.

»Woran ist der Kaiser gestorben?«, fragte Cauthon den Arzt.

»Alle Symptome deuten auf eine exotische Pilzvergiftung hin. Ich habe ihn schon immer gewarnt, dass er keine unbekannten Pilze essen soll!«

Despair glaubte ihm nichts, aber er hielt es für sinnlos, etwas zu sagen. Jeder der Anwesenden konnte an Klausius Tod beteiligt sein. Jeder hatte dadurch seine Vorteile. Ausgerechnet vor der Friedenskonferenz musste der Kaiser sterben. Hoffentlich änderte dieser Umstand nicht die Lage der Galaktiker zum negativen.

Digalinus trat auf Nersonos zu, hob die rechte Hand und rief:

»Der Kaiser ist tot, es lebe Kaiser Nersonos.«

Nersonos lächelte verzückt.

*

Bereits am nächsten Tag trat das Forum Preconsus zusammen, um den neuen Kaiser zu ernennen. Da aus Thesasians Familie niemand außer Nersonos mehr übrig war und es die dorgonische Verfassung Frauen nicht gestattete zu regieren, kam niemand außer Nersonos mehr in Frage. Nersonos war im Senat nicht sonderlich beliebt. Aber wieder glaubte man, den jungen Kaiser im Sinne des Senats beeinflussen zu können, da Nersonos sich stets mehr für die Kunst und sexuelle Ausschweifungen interessiert hatte, als für Politik.

Konsul Priamus verachtete Nersonos zwar, aber riet den Senatoren, Nersonos zuzustimmen. Er hoffte, wenn das letzte Mitglied aus Thesasian Familie ebenfalls versagen würde oder beiseite geräumt worden war, wäre der Weg frei für einen neuen Kaiser und der sollte Priamus heißen. Denn so langsam brauchte das dorgonische Imperium wieder Stabilität. Vier Kaiser in einem Jahr – das hatte es seit Jahrtausenden nicht mehr gegeben.

So wurde Nersonos mit absoluter Mehrheit zum neuen Kaiser Dorgons gewählt.

Am nächsten Tag fand die Beisetzung des verstorbenen Klausius statt. Die Kaiserinwitwe Alupia hatte den Tod ihres Brudermannes als tragischen Unfall dargestellt. Da Klausius Leichnam verbrannt wurde, konnte ihr niemand den Mord an ihrem Gemahl nachweisen. Die Bevölkerung von Dorgon nahm den erneuten Regierungswechsel ziemlich gelassen zur Kenntnis. Allmählich bekamen die Dorgonen darin Routine. Zudem hatte sich Klausius mit der Ehelichung seiner Schwester Alupia unbeliebt gemacht. Von Nersonos erhoffte man sich eine Belebung der Kultur des Reiches, auch wenn seine Gesangskünste alles andere als gut eingeschätzt wurden. Aber schlechte Sänger gab es schließlich in jeder Kultur und dennoch hatten sie oftmals Erfolg.

Nersonos hielt nach seiner Ernennung seine Antrittsrede.

»Volk von Dorgon! Euer neuer Kaiser wird euch vom Mief des galaktischen Spießertums und dem verwesenden Geruch der Mittelmäßigkeit befreien. Ich bringe euch Freizügigkeit und Unterhaltung. Kultur und Kreativität und mehr Macht für die Jugend.

Als erstes ordne ich an, dass anlässlich meiner Ernennung ein Festwochenende ausgerufen wird. Mein erster Befehl lautet, dass ihr euch amüsieren sollt. Als Höhepunkt wird euer Kaiser in der Dom-Halle im Decrusian-Zentrum ein kostenloses Konzert für euch geben.«

Während die älteren Bürger Dorgons weniger erfreut über Nersonos Amtsantritt waren, wurde der junge Kaiser bei der Jugend schnell beliebt.

Das Konzert des Kaisers wurde ein voller Erfolg, wenn auch vorwiegend bei den jüngeren Bewohnern Dorgons, zumal Nersonos geschickt nicht nur eigene Darbietungen gab, sondern auch die prominentesten und beliebtesten Künstler Dorgons eingeladen hatte.

Es wurde ein wildes Festwochenende für Nersonos, der sich abwechselnd mit Frauen und Männern amüsierte. Aber er machte sich bei der Jugend beliebt, weil er ihnen eine neue, zügellose Lebensweise anbot.

*

Die Woche endete und mit der neuen Woche riefen den Kaiser die Pflichten.

Für den Vormittag war eine Konferenz mit Alupia, Digalinus und einigen Senatoren anberaumt worden. Doch eine halbe Stunde nach dem vereinbarten Termin war der Kaiser noch immer nicht erschienen. Besorgt suchte Alupia das Gemach ihres Sohnes auf. Als sie die Tür öffnete, glaubte sie ihren Augen nicht zu trauen. Nersonos lag unbekleidet auf seinem großen Prunkbett, neben ihm lagen zwei ebenfalls nackte Männer und eine Frau.

»Nersonos!«, rief Alupia wütend.

Nersonos erwachte und blickte benommen auf. Auch seine Bettgefährten wachten auf.

»Mutter, was ist denn?«, fragte Nersonos schlaftrunken.

»Der Hofstaat wartet seit einer halben Stunde auf die Ankunft seines Kaisers. Mach' endlich, dass du aus deinem Bett kommst!«, verlangte Alupia resolut, dann wandte sie sich den drei Bettgenossen ihres Sohnes zu. »Und ihr schert euch raus!«

»Mutter, du redest mit meinen Freunden«, protestierte Nersonos lahm.

Alupia griff sich Nersonos Sachen und warf sie aufs Bett.

»Du hast fünf Minuten Zeit, zu erscheinen!«, befahl sie herrisch.

Dann verließ sie den Raum. Mürrisch zog Nersonos sich an und schlurfte in den Thronsaal.

Er hatte die Nacht in vollen Zügen genossen, doch jetzt taten ihm alle Körperteile weh.

Der neue Kaiser ließ sich in seinen Thron sinken. Alupia begann das Wort zu führen.

»Ich bin dafür, dass wir die Friedensverhandlungen mit den verräterischen Rebellen umgehend absagen und dafür sorgen, dass Uleman und seine Banditen zur Strecke gebracht werden. Digalinus wird sich darum kümmern«, forderte Alupia.

Nersonos nickte.

»Also gut, einverstanden«, stimmte Nersonos zu.

Dann erhob er sich und kehrte in sein Schlafgemach zurück, um seinen Rausch auszuschlafen.

Konsul Priamus sah ihm höhnisch nach.

»Euer Sohn scheint seiner Aufgabe nicht gewachsen zu sein«, sagte er gehässig zu Alupia und fuhr mit drohendem Unterton fort: »Vielleicht sollte der Senat sich lieber einen neuen Kaiser suchen, aus einer fähigeren Familie, mit mehr Ansehen.«

Alupia presste die Lippen zusammen. Priamus konnte ihnen gefährlich werden. Sie musste Nersonos zur Räson bringen.

 

4. Der Tod eines Princips Protectors

Cauthon Despair hatte die Geschehnisse der letzten Tage aus dem Hintergrund verfolgt. Er beschloss, nun aktiv zu werden. Als Berater des Kaisers hatte er überall Zugang, ja sogar gewissen Einfluss. Aber Sanna Breen konnte er noch nicht befreien. Sie gehörte jetzt zum persönlichen Inventar des Kaisers. Despair hoffte Nersonos dahingehend beeinflussen zu können, dass er Sanna endlich freiließ. Doch das brauchte Zeit. Zunächst einmal musste endlich dieser bösartige und gefährliche Senator Priamus ausgeschaltet werden.

Cauthon suchte das Gemach des Kaisers auf. Nersonos zeigte sich über den Besuch erfreut.

»Cauthon, wie schön endlich einmal ein intelligentes Lebewesen zu sehen«, begrüßte er den Mann mit der Silbermaske.

»Auch ich freue mich, dich zu sehen. Doch ich bin besorgt um dich.«

Nersonos zeigte sich gerührt.

»Besorgt? Wie lieb von dir. Doch warum? Ich bin jetzt Kaiser, die Galaxis liegt mir zu Füßen.«

»Leider nicht. Konsul Priamus intrigiert gegen dich. Er plant eine Verschwörung gegen dich, um selbst Kaiser zu werden. Er ist eine Gefahr für dich«, sagte Despair eindringlich.

Nersonos wurde wütend.

»Wie kann er es wagen, dieser undankbare Hund!«

Der Kaiser ging an sein Interkom und rief nach Digalinus, der kurz darauf erschien.

»Digalinus, ich habe gehört, dass Priamus eine Verschwörung gegen mich plant«, sprach Nersonos.

»Ich bin derselben Meinung, mein Kaiser. Priamus wollte schon Carigul und Klausius als Marionette benutzen. Da er weiß, dass er das mit dir nicht machen kann, plant er deine Ermordung«, behauptete der Praefekt Tutum der Prettosgarde.

Nersonos schluchzte und warf sich auf sein Bett.

»Dieses gemeine Schwein! Tötet ihn! Schlachtet seine Tiere! Verkauft seine Sklaven! Desintegriert sein Haus auf Mesoph und verstaatlicht seinen Besitz!«

»Ja, mein Kaiser.«

Despair wandte sich an Digalinus.

»Wir lassen den Kaiser jetzt besser allein.«

Die beiden verließen das Gemach und begaben sich in den Korridor.

»Gibt es handfeste Beweise gegen Priamus?«, erkundigte sich Despair.

Digalinus lächelte kalt.

»Die werden wir schon beschaffen.«

*

Kurz darauf wurde Priamus von der Garde verhaftet und bereits am nächsten Tag von Nersonos zum Tode verurteilt.

»Das könnt ihr nicht tun! Ich war der engste Vertraute Eures Onkels Thesasian!«, flehte Priamus.

Doch vergebenes. Nersonos blieb hart.

»Ihr wart es. Die Betonung liegt auf Vergangenheit. Jetzt könnt Ihr Euer unnützes Leben wenigsten noch dazu nutzen, den wilden Bestien einen Gefallen zu tun«, sagte Nersonos kalt.

»Nein, bitte nicht! Nein!«, schrie Priamus.

»Schafft ihn weg«, befahl Nersonos.

Priamus wurde von den Gardisten weggebracht. Noch am selben Tag schaffte man ihn die Arena. In der Mitte der Arena des Madisonus Squarus wurde der einst so mächtige Senator an einen Pfahl gebunden. Priamus wurde entkleidet und sein ganzer Körper wurde mit flüssigem Honig bestrichen. Die Wärter entfernten sich. Voller Angst wartete Priamus darauf, was geschehen würde.

Kurz darauf öffnete sich unter ihm eine Luke. Darunter befand sich eine Grube mit kleinen ameisenähnlichen Insekten. Priamus begriff nun die schreckliche Wahrheit. Die Insekten würden in bei lebendigem Leibe auffressen. Priamus schrie und versuchte vergeblich sich loszureißen. Doch es half nichts. Der Pfahl wurde in einem Stück in die Grube versenkt, so dass sich Priamus nun inmitten der Insekten befand, die gleich darauf an ihm hoch krabbelten und ihre Mahlzeit begannen. Priamus schrie auf. Das Publikum blieb größtenteils still. Priamus war hoch angesehen gewesen, seine öffentliche Ermordung machte Nersonos viele Feinde.

*

Fassungslos beobachteten Julian Tifflor und Uleman an einem Bildschirm das Geschehen. Die schauerliche Darbietung wurde auf ganz Dorgon live übertragen.

»Er war einer unserer schlimmsten Feinde. Aber ein solch bestialisches Ende hätte ich ihm nicht gewünscht«, sagte Tifflor mit belegter Stimme.

»Ich fürchte, auf uns kommen nun schwere Zeiten zu. Nersonos und seine Mutter Alupia werden einen radikalen Kurs gegen uns fahren. Klausius war unsere letzte Hoffnung auf eine friedliche Lösung«, meinte Uleman.

Tifflor deutete auf den Bildschirm.

»Wir müssen vorbereitet sein. Ich möchte nicht so enden wie Priamus.«

Auf dem Monitor war deutlich zu erkennen, wie die Raubinsekten ihr grausiges Werk verrichteten. Nach etwa einer Stunde wurde der Pfahl mit Priamus abgenagtem Körper wieder hochgefahren. Das war das Ende des einstmals so mächtigen Dorgonen.

 

5. Despairs Einfluss

Auch Nersonos und Cauthon Despair hatten Priamus Ende am Bildschirm verfolgt. Im Gegensatz zu Julian Tifflor empfand Despair kein Mitleid mit dem Senator. Er hatte sein Ende verdient. Despair war sich bewusst, dass er einen gewissen Einfluss auf den Kaiser besaß. Den wollte er nutzen. Die Dorgonen sollten sich gegenseitig vernichten.

»Man sollte Senator Urisus nicht vergessen. Er war Priamus rechte Hand«, meinte Despair zu Nersonos, der in einem großen Sessel saß und etwas Gebäck verzehrte. Angewidert verzog Nersonos, der in letzter Zeit deutlich zugenommen hatte, das Gesicht.

»Bäh! Die Kekse sind viel zu süß! Das wird mir der Konditor büßen«, sagte der neue Kaiser zornig.

Nersonos erhob sich von seiner Liege.

»Ja, lieber Cauthon, du hast vollkommen Recht. Urisus ist eine verschlagene, fette Schlange. Er wird einen guten Bissen für die wilden Tiere abgeben«, meinte der Kaiser, schon wieder besser gelaunt.

Despair lächelte hinter seiner Maske. Damit war das Schicksal Urisus besiegelt.

Schon wenige Stunden später wurde Senator Urisus verhaftet. Auch sein Vermögen wurde zugunsten von Nersonos eingezogen. Urisus wurde zum Tode verurteilt und starb einen ebenso schrecklichen Tod in der Arena wie vor ihm Priamus.

Im Senat und beim Volk lösten die jüngsten Vorfälle Empörung aus. Doch nach dem Tod von Priamus und Urisus fehlte ein Anführer, der den Senat zu ernsthaftem Widerstand formieren konnte. Der neue Princips Protector des Protektorates Harrisch hieß Festatus. Er ernannte den ehemaligen Bankier und Consus Falcus zum Preconsus von Mesoph. Beide huldigten Nersonos und schworen ihm ewige Treue und Unterstützung. Ein Freund des Digalinus namens Carilla sorgte als Militium Magister indes im Protektorat Mesaphan für Angst und Schrecken, indem er alle Freunde des Uleman verfolgen ließ und systematisch gegen den Widerstand auf Hesophia ankämpfte. Da sich vorerst kein neuer Princips Protector für Mesaphan finden ließ, erhielt Carilla vorläufige Befugnisse über die Regierung, bis die Rebellen dort besiegt waren. Ihm zur Seite stand ein Tribun namens Carcus. Despair erinnerte sich an Carilla und Carcus. Er hatte sie auf Cermium getroffen, als die Galaktiker den ersten Kontakt zu den Dorgonen hergestellt hatten.

Doch die vielen Todesfälle ließen ein großes Machtvakuum zurück. Nersonos selbst vergab den Titel des Princips Protectors für das Protektorat Jusilus an seinen Freund Digalinus. Die Senatoren wagten es kaum noch, aufzubegehren, denn die Furcht in der kurzen Regierungszeit des Nersonos war schnell angewachsen.

Damit hatte Nersonos weitere Macht gewonnen. Der Kaiser gab sich nun noch mehr seinem Privatleben hin.

Cauthon Despair ermunterte ihn dazu, so gut er konnte. Despair wusste, dass dies früher oder später zu ernsthaften Streitigkeiten zwischen Nersonos und seiner Mutter Alupia führen würde. Von einem war Nersonos jedoch nicht abzubringen, einer Großaktion gegen Uleman und seine Rebellen. In diesem Punkt herrschte Einigkeit zwischen Sohn und Mutter.

Nersonos rief Despair, Digalinus, Alupia, Dux Superior Vesus, General Celusian, Dux Valurus, dessen Sohn Valerus und einige Offiziere zur Lagebesprechung.

Jeder der Beteiligten hatte Respekt vor Nersonos. Weniger Achtung vor seinem Können, als vor seiner gefährlichen Ausstrahlung. Vesus war nicht mit Nersonos zufrieden, doch die jüngsten Ereignisse hatten ihn abgeschreckt. Jeder war ersetzbar, auch er.

Valerus dachte an Sanna Breen. Er hatte sie länger nicht gesehen, wusste jedoch, dass sie wohlauf war.

Nersonos wanderte im Raum umher, dann begann er seinen Plan zu verkünden.

»Ich habe beschlossen, Uleman und sein Rebellenpack ein für alle Mal zu vernichten, damit wird endlich wieder Ruhe und Ordnung im dorgonischen Imperium herrschen!«

»Ist dieser Aufwand wirklich nötig? Uleman und seine Jammergestalten können dir doch nicht das Wasser reichen«, unternahm Despair einen letzten Versuch, Nersonos von seinem Vorhaben abzubringen.

Der Kaiser lächelte geschmeichelt.

»Gewiss, mein lieber Freund. Aber sie sind wie lästige Parasiten. Sie jucken. Man muss sie erschlagen.«

»Besteht nicht die Gefahr, sie damit zu Märtyrern zu machen?«, fragte Cauthon.

Nersonos sah Despair finster an.

»Glaube mir, wenn ich mit diesen Rebellen fertig bin, wird niemand mehr wissen, dass sie jemals existiert haben.«

Despair wusste nun, dass er nichts mehr für Tifflor und die anderen tun konnte.

»Es ist uns gelungen, das wichtigste Geheimversteck, in dem sich Uleman mit den Fremden befindet, ausfindig zu machen«, verkündete Digalinus stolz.

»Wie ist dir das gelungen?«, wollte Nersonos wissen.

»Wir haben einen Informanten, der schon eine ganze Weile unter den Rebellen ist.«

Nersonos lächelte zufrieden. Despair schüttelte bedächtig den Kopf.

»Es ist überall im Universum das Gleiche. Jeder hat seinen Preis. Vom kleinen Mann bis zu den Politikern.«

»Jemand, den man nicht bestechen kann, ist gefährlich. Solche Leute müssen vernichtet werden«, warf Alupia ein. Sie warf Despair dabei einen unfreundlichen Blick zu.

Digalinus meldete sich wieder zu Wort. »Dux Superior Vesus und ich haben einen Plan entwickelt, wie wir die Rebellen vernichtend schlagen werden.«

Nersonos winkte ab.

»Verschont mich mit diesen derben, militärischen Einzelheiten. Das überlasse ich dir, Digalinus. Bringe du mir Uleman und die Anführer der Galaktiker lebend, damit ich mich mit ihnen befassen kann. Mehr interessiert mich nicht.«

»Wie du wünschst, mein Kaiser«, sagte Digalinus und verneigte sich.

»Kommen wir nun zu erfreulicheren Dingen. Ich habe beschlossen, zu heiraten.«

Diese Nachricht kam für alle Beteiligten überraschend. Besonders Alupia schien verärgert, dass Nersonos eine solche Entscheidung ohne sie getroffen hatte.

»Und wer ist die Glückliche?«, wollte Nersonos Mutter wissen.

»Nicht die Glückliche, sondern die Glücklichen, muss es heißen.«

Alupia und die anderen sahen sich verwundert an, während Nersonos zu einer Tür ging und sie öffnete.

»Kommt herein, meine Lieben!«

Durch die Tür kamen zwei gutaussehende, junge Männer, die nur knapp bekleidet waren.

»Darf ich vorstellen? Das sind Cryton und Erus. Ich werde sie beide heiraten.«

Despair musste sich sehr beherrschen, um Nersonos nicht seine Verachtung zu zeigen. Stattdessen gratulierte er Nersonos. Alupia war indessen rot angelaufen.

»Ich wünsche, dass ihr mich und meinen Sohn alleine lasst. Auf der Stelle!«, sagte die Dorgonin, nur äußerst mühsam beherrscht.

Despair, Digalinus und die dorgonischen Offiziere, die sichtlich betreten waren, verließen den Saal. Alupia zeigte auf Cryton und Erus.

»Die da auch!«

»Geht, meine Süßen. Ich komme später zu euch«, gebot Nersonos seinen beiden Geliebten, die willig den Raum verließen.

Kaum waren sie gegangen, bekam Alupia einen Wutanfall.

»Bist du nun vollkommen wahnsinnig geworden! Was denkst du dir dabei? Willst du uns zum Gespött des Volkes machen!«

»Ich bin der Kaiser, Mutter, nicht du!«, erwiderte Nersonos wütend. »Ich bin ein Gott und kann tun und lassen, was ich will.«

»Dich lächerlich zu machen? Ist es das was du willst? Nun, das ist dir gelungen. Aber dafür habe ich nicht für dich gemordet. Du wirst das tun, was ich dir befehle. Du wirst diese lächerliche Hochzeit absagen und statt dessen eine Frau, die ich aussuchen werde, ehelichen.«

»Nein, das werde ich nicht. Ich bin der Kaiser und ich werde heiraten wen ich will und so viele ich will. Geh jetzt!«

Nersonos war wütend. Alupia erkannte, dass in seinen Augen der Wahnsinn stand. Sie beschloss, sich vorläufig zu fügen und ging wortlos. Alupia war sich ziemlich sicher, wem sie es zu verdanken hatte, dass ihr Sohn sich mehr und mehr von ihr entfernte – Cauthon Despair. Dieser Fremde wurde allmählich zur Bedrohung. Sie nahm sich vor, etwas gegen ihn zu unternehmen.

*

Drei Tage später fand im Palast die Hochzeit statt. Alles, was Rang und Namen hatte, war anwesend. Nur Alupia war demonstrativ ferngeblieben.

Nachdem die Zeremonie vorüber war, ging Despair in sein Gemach. Der Hochzeitsfeierlichkeit wollte er nicht mehr beiwohnen. Nersonos würde diese Nacht ohnehin viel zu tun haben und sein Fehlen nicht bemerken. Der Kaiser wusste, dass Despair kein geselliger Mensch war.

Als Despair die Tür öffnen wollte, bemerkte er ein merkwürdiges Geräusch. Es kam aus seinem Gemach. Der Cameloter spürte, dass etwas nicht stimmte. Langsam zog er sein Schwert, dann öffnete er die Tür. Als er eintrat, schien alles in Ordnung zu sein. Doch irgendetwas roch merkwürdig. Wie die Ausdünstungen eines fremden Wesens. Plötzlich stürmten zwei fremdartige Wesen, die mit Äxten bewaffnet waren, auf Despair ein. Einer von vorn, der andere von hinten. Der Silberne Ritter befand sich in der Mitte des Raumes.

Cauthon hatte solche Wesen schon einmal gesehen. Sie waren über zwei Meter groß, hatten eine rosafarbene Haut und waren nur mit einem grünen Lendenschurz bekleidet. Dafür schwangen sie aber in jeder Hand eine Axt. Diese Kreaturen wurden bei Gladiatorenkämpfen in der Arena eingesetzt. Jetzt sollten sie ihn töten. Grunzend und glucksend rannten sie auf ihn zu. Despair wich dem ersten Ansturm aus, indem er im letzten Moment beiseite sprang. Die beiden Kolosse prallten gegeneinander und kamen zu Fall. Despair setzte nach und rammte sein Schwert dem oben liegenden Riesen mit voller Wucht in den Rücken. Die Kreatur schrie gepeinigt auf, Blut spritzte aus seinem Rücken. Despair zog sein Schwert wieder aus der Wunde und schlug nochmals mit einem gewaltigen Hieb zu. Schreiend und gurgelnd brach der Koloss zusammen und verfiel in konvulsivische Zuckungen. Um sicher zu gehen, dass sich dieses gefährliche Wesen nicht noch mal erhob, trennte ihm Despair mit einem Hieb den Kopf vom Rumpf. Inzwischen hatte sich der andere Koloss wieder aufgerappelt. Das Wesen schrie wütend auf, als es seinen toten Kameraden bemerkte.

Der Koloss stapfte auf Despair zu. Bedrohlich schwang er seine Axt. Despair konnte seinem Hieb gerade noch ausweichen. Das Wesen erwischte Cauthon jedoch mit einer Hand und schleuderte den Cameloter über dessen Bett. Dieser fiel unsanft hin. Der Riese gestikulierte und rief etwas, was sich anhörte wie »Huijaa!«. Wahrscheinlich ein Triumphschrei, vermutete Despair. Er bemerkte, dass er sein Schwert verloren hatte. Lachend kam der Koloss langsam auf ihn zu und hob seine Axt.

Despair war neben seinem Nachttisch liegen geblieben. Langsam zog er die oberste Schublade des Nachtschränkchens auf. Dort lag ein Strahler für ihn bereit. Als der Riese zum Schlag ausholte griff Despair die Waffe, richtete sie auf das Monstrum und drückte ab.

Der Riese brach zusammen. Cauthon rappelte sich auf und holte sich sein Schwert, das auf dem Fußboden lag.

Der Gigant war nicht tot und versuchte, noch am Boden liegend, nach seiner Axt zu greifen. Despair trennte mit einem Hieb den rechten Arm ab, der nach dem Beil griff. Das Monster schrie. Despair stand jetzt über der Kreatur und drohte mit seinem Schwert.

»Ich Krüppel. Du mich töten, sonst bin ich entehrt«, flehte das Wesen, das nun gar nicht mehr bedrohlich, sondern eher jämmerlich auf Despair wirkte.

Der Cameloter holte sich ein Aufzeichnungsgerät und schaltete es an.

»Warum wolltet ihr mich töten?«, fragte Cauthon.

»Uns befohlen worden«, antwortete die Kreatur.

»Von wem?«

»Ich nicht sagen dürfen.«

»Dann bleibst du am Leben. Jeder deiner Artgenossen wird über dich lachen.«

»Nein, Herr, nicht leben, nicht leben!«

»Dann nenne mir deinen Auftraggeber!«

»Es sein die Herrin.«

»Die Herrin? Wie heißt sie?«

»Alupia.«

Alupia, das hätte Despair sich denken können. In ihr hatte er von nun an eine Todfeindin.

»Bitte, nun totmachen mich, Herr«, flehte die Kreatur.

Despair hatte Mitleid mit dem Wesen, es war nur ein Werkzeug der intriganten Alupia. Er beschloss das Wesen zu erlösen und stach zu. Nach wenigen Momenten war der Riese tot.

Da im Palast die Hochzeitsfeier noch in vollem Gange war, hatte niemand etwas vom Kampf in Cauthons Raum bemerkt. Despair holte sich einen Desintegrator und beseitigte die Leichen der beiden Gladiatoren. Reinigungsroboter beseitigen die restlichen Spuren. Als Beweis hatte Despair die Aufzeichnung des Geständnisses. Vielleicht konnte er es gegen Alupia verwenden. Despair aktivierte seinen Pikosyn. Er beschloss nun Verbindung mit Julian Tifflor aufzunehmen. Kurz darauf hörte die Stimme des Unsterblichen.

»Despair hier. Ich muss euch warnen. In den nächsten Tagen wird ein Angriff gegen den Stützpunkt der Widerständler erfolgen. Nersonos und Digalinus ist die Position des Verstecks durch Verrat bekannt«, berichtete Cauthon.

Tifflor war bestürzt.

»Verdammt! Wann wird der Angriff erfolgen?«

»Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich erst in ein paar Tagen, denn Nersonos ist vorläufig mit seiner Hochzeitsfeier beschäftigt.«

»Dann haben wir noch genug Zeit, alles zu evakuieren. Danke für die Warnung. Was ist mit Sanna Breen?«

»Sie befindet sich im Palastflügel von Nersonos. Im Moment geht es ihr gut. Ich werde auf sie aufpassen.«

»Gut, wir werden versuchen zur IVANHOE und zur SAGRITON zurückzukehren. Ich hoffe, wir finden eine Möglichkeit euch rauszuholen.«

»Wir schaffen das schon. Besser, wir beenden das Gespräch.«

»Verstehe, Ende.«

Kaum hatte Despair geendet, als der Interkom surrte. Es war Nersonos, der Despair in den Thronsaal bat. Cauthon machte sich auf den Weg. Im Saal lag Nersonos auf einer Sänfte, seine beiden Männer waren an seiner Seite. Digalinus und Alupia waren ebenfalls zugegen.

Alupia ließ sich nichts anmerken, aber Despair sah das Entsetzen in ihren Augen.

»Du hast mich zu dir gebeten, mein Kaiser«, fragte Cauthon ehrerbietig.

»Ja, Digalinus hat ein Hochzeitsgeschenk für mich. Ich wollte, dass du dabei bist, wenn er es mir überreicht. Sprich nun, Digalinus.«

Der Anführer der Leibgarde setzte ein schwer einzuschätzendes Lächeln auf.

»Ja, mein Kaiser. Das ist schnell getan. Vor wenigen Minuten hat die Großoffensive gegen Ulemans Rebellen begonnen. Unsere kaiserlichen Truppen sind auf dem Vormarsch.«

»Wie schön! Ist das nicht herrlich, Cauthon?«, fragte Nersonos.

»Ja, wunderbar«, sagte Despair mit belegter Stimme.

Der Angriff hatte also schon begonnen. Hoffentlich konnten sich Aurec und Tifflor retten.

 

6. Auf der Flucht

Seit ihrer Flucht hatten Mathew Wallace und Saraah viel Zeit miteinander verbringen können. In dieser Zeit war ihre Liebe zueinander noch stärker geworden. Die beiden saßen in der Kantine des Rebellenstützpunktes und unterhielten sich über ihre gemeinsame Zukunft.

»Wirst du mit mir in die Milchstraße kommen, wenn wir wieder zurück müssen?«, fragte Mathew.

»Ich habe es mir lange überlegt. Die Galaxis Dorgon ist meine Heimat, aber mit solchen Herrschern wie Nersonos kann man kein ruhiges Leben führen. Ich will endlich frei sein«, entgegnete die ehemalige Sklavin, die von Wallace aus der Gefangenschaft Priamus befreit wurde.

»Das wirst du. Das verspreche ich dir.«

»Und ich will bei dir sein, für immer. Ich liebe dich!«

Mathew lächelte.

»Ich liebe dich auch.«

Plötzlich wurde der Raum erschüttert. Geschirr fiel von einigen Tischen auf den Boden und zerbrach. Eine Sirene gellte durch die Basis.

»Dorgonische Truppen sind in den Stützpunkt eingedrungen! Ich wiederhole: Dorgonische Truppen sind in den Stützpunkt eingedrungen!« rief eine Stimme aus den Lautsprechern der Interkomanlage.

»Komm, Saraah, wir müssen zu Tifflor!«, rief Mathew und nahm Saraah bei der Hand.

Plötzlich wurde die Tür aufgesprengt und bewaffnete dorgonische Soldaten drangen in die Kantine ein und eröffneten das Feuer. Einige Rebellen feuerten zurück. Es gab auf beiden Seiten Tote und Verletzte. Mathew zog seinen Thermostrahler und schoss einem Dorgonen die Waffe aus der Hand. Doch der Soldat ergab sich nicht, sondern stürzte sich auf den jungen Terraner. Während die beiden erbittert miteinander rangen, wurde Saraah von zwei anderen Soldaten gepackt und weggezerrt. Die junge Frau wehrte sich verzweifelt, aber die Männer waren stärker. Einer schlug sie nieder, so dass sie zu Boden stürzte.

Dann wurde sie gepackt und weggeschafft. Mathew konnte nichts für Saraah tun, denn er kämpfte immer noch mit dorgonischen Soldaten. Rund sechs Soldaten befanden sich in der Kantine. Plötzlich wurden sie von hinten niedergeschossen. Sam Tyler und Japar stürmten in den Raum. Mathew gelang es endlich, den Soldaten niederzuschlagen.

»Los komm, Jungchen, wir müssen von hier verschwinden! Die werden gleich in doppelter Anzahl zurückkommen!«, rief Tyler.

»Das geht nicht! Sie haben Saraah verschleppt! Ich muss sie finden!« weigerte sich Mathew.

»Das ist unmöglich! Es sind zu viele! Sie kommen mit geballter Kraft. Wir müssen den Stützpunkt verlassen«, meinte der Mehandor Japar.

»Nein, ich bleibe! Ich werde durch einen der geheimen Seiteneingänge fliehen und mich in der Stadt verstecken. Dann werde ich Saraah suchen und befreien!«

»Sei doch vernünftig, Junge. Das ist Wahnsinn.«

Doch Wallace blieb stur. Er war eben ein schottischer Dickschädel.

Sam Tyler zuckte nur mit den Schultern.

»Lass doch diesen liebestollen Idioten. Wenn er sich umbringen lassen will, ist das sein Privatvergnügen. Wir müssen machen, dass wir zu Tifflor und Uleman in den Hangar kommen.«

Japar klopfte Mathew aufmunternd auf die Schulter und gab ihm noch einen Thermostrahler und ein paar Handgranaten. Für einen so harten Mann wie Japar war dies eine rührende Geste. Dann gingen die drei getrennte Wege. Mathew Wallace verschwand in einem der Seitengänge während Tyler und Chris sich feuernd in Richtung Hangar zurückzogen.

Fast überall im Stützpunkt wurde erbittert gekämpft. Der Angriff war mit überraschender Härte und Schlagkraft gekommen. Schon wenige Minuten nach Despairs Warnung hatte die dorgonische Offensive begonnen. Uleman bemühte sich verzweifelt eine Verteidigung aufzubauen und es gelang den Rebellen die dorgonische Leibgarde, die von Digalinus kommandiert wurde, vorerst aufzuhalten. Uleman und Tifflor war jedoch klar, dass der Stützpunkt nicht zu halten war.

»Wir müssen Zeit gewinnen, um uns in den Hangar zurückzuziehen. Dort stehen zwei Raumschiffe mit denen wir fliehen können«, erklärte Uleman Tifflor.

»Wir haben wohl keine andere Wahl, oder?«, fragte Tifflor.

»Keine.«

Ulemans Adjutant Brombus kam aufgeregt herein gelaufen.

»Brombus, wo ist Arimad? Wo ist meine Tochter? Du solltest sie doch mitbringen!«

»Es tut mir leid, Uleman. Sie sind in den Bereich, in dem sich Arimad aufhielt, eingedrungen und haben dort alles besetzt. Ich konnte nur noch sehen, dass sie sie gefangengenommen haben. Dann mussten wir uns zurückziehen. Die Garde dringt immer weiter vor. Wir können sie nicht mehr lange aufhalten«, berichtete der Goner Flavus Brombus zerknirscht.

Uleman schluckte schwer. Mit versteinertem Gesicht nickte er. Nachdem er bereits eine Tochter verloren hatte, drohte nun auch Arimad das gleiche Schicksal. Doch Uleman war zu sehr Anführer, als das er sich von seinen privaten Sorgen hätte ablenken lassen. Er trug die Verantwortung für den gesamten Widerstand und er musste nun retten, was davon noch übrig war.

»Wir ziehen uns zurück. Wer kann, soll sich zum Hangar begeben, der Rest muss versuchen, durch die Geheimgänge zu fliehen.«

In diesem Augenblick kamen Tyler und Chris in die Kommandozentrale.

»Wo sind Wallace und Saraah?«, fragte Tifflor.

»Saraah wurde verschleppt. Wallace weigerte sich mitzukommen und will lieber hierbleiben.«

Tifflor nickte nur. Sie konnten momentan nichts für die beiden tun.

Aurec kam herein. Bei ihm waren Irwan Dove und Lorif.

»Wir sind soweit, Julian. Wir haben alle wichtigen Unterlagen beisammen«, meldete Aurec.

Der Posbi Lorif und der Oxtorner Dove, der ein Nachfahre des legendären Stalion Dove war, hatten alle wichtigen Daten über die dorgonischen Waffen gesammelt.

»Dann lasst uns keine Zeit verlieren. Wir brechen auf!«, befahl Uleman.

Keine Minute zu spät, denn kurz darauf drang die dorgonische Garde in die Kommandozentrale vor.

»Flieht, Uleman. Meine Männer und ich halten sie auf!«, rief Brombus.

Uleman legte seinem alten Freund die rechte Hand auf die Schulter und nickte anerkennend.

»Der Widerstand hat dir viel zu verdanken, mein Freund. Leb wohl.«

Brombus und etwa zehn Männer gaben den Fliehenden Deckung.

*

Zur selben Zeit betrat Digalinus, eskortiert von mehreren Prettosgardisten, die Rebellenbasis.

Ein Tribun der Garde trat heran und salutierte.

»Herr, unsere Truppen sind siegreich und rücken unaufhaltsam vor«, meldete er.

Digalinus blieb unbeeindruckt.

»Das hatte ich auch nicht anders erwartet. Habt ihr Uleman und die Fremden aus Galaxia?«

Der Tribun wurde verlegen.

»Äh, nein, noch nicht, Herr. Sie haben sich im hinteren Teil der Basis verschanzt, der nur sehr schwer zugänglich ist.«

»Na und? Dann erstürmt den hinteren Teil. Das dürfte kaum Zeit in Anspruch nehmen.«

»Verzeiht, Herr, das haben wir schon versucht, aber meine Männer erlitten hohe Verluste.«

»Was soll's? Soldaten sind schließlich dazu da, für ihren Kaiser und ihr Vaterland zu sterben.

Ich habe dem Kaiser die Auslieferung von Uleman und den Fremden versprochen. Und ich gedenke mein Wort zu halten«, sagte Digalinus drohend.

Der Tribun wurde bleich.

»Ja, Herr, ich verstehe. Ich werde umgehend Verstärkung anfordern und dann einen Frontalangriff einleiten.«

Digalinus lächelte kalt.

»So ist es gut.«

*

Inzwischen erreichten Uleman, Aurec, Tifflor, Lorif, Dove, Tyler, Japar und die restlichen Rebellen den unterirdisch gelegenen Hangar. Dort standen zwei mittelgroße Rebellenkreuzer.

Ein Offizier begrüßte Uleman.

»Uleman, gut das ihr kommt.«

»Können wir starten?«, erkundigte sich der Rebellenführer.

»Wir haben fast alle Startvorbereitungen abgeschlossen. Doch wir benötigen noch etwa fünfzehn Minuten.«

»Beeilt euch. Es kommt auf jede Sekunde an.«

Uleman holte einen Kommunikator hervor und nahm Verbindung mit Brombus auf, der nach wie vor die Stellung hielt. Er erkundigte sich nach der Lage.

»Wir haben sie aufhalten können. Sie haben sich zurückgezogen, aber ich fürchte, sie kommen mit Verstärkung zurück«, kam Brombus Stimme aus dem Gerät.

»Versucht sie fünfzehn Minuten aufzuhalten, dann setzt euch ab.«

»Verstanden, Ende.«

»Meinst du, wir schaffen es?«, fragte Aurec den Rebellenführer.

»Ich hoffe es.«

*

Brombus und die anderen Rebellen erwarteten jede Minute den erneuten Angriff der dorgonischen Garde. Jede Minute die verstrich, half Uleman und den anderen zu entkommen.

Nach fünf Minuten, die Brombus wie eine Ewigkeit vorkamen, begann der Angriff der Garde.

»Feuer!«, befahl Brombus seinen Männern.

Die Rebellen eröffneten das Feuer auf die heranstürmenden Soldaten, die ihrerseits mit voller Wucht zurück schossen. Ein Gardist nach dem anderen fiel, während die Rebellen aus sicherer Deckung heraus feuerten.

Der anführende Centrus bemerkte diesen Nachteil. Die Verluste seiner Männer stiegen rapide.

»So kommen wir nicht weiter«, sagte er zu einem Dekurio.

»Bringt ein leichtes Geschütz heran.«

Der Dekurio befahl seinen Männern, ein bereitgestelltes leichtes Geschütz in Stellung zu bringen, während der Centrus seinen Männern einstweilen den Rückzug befahl.

Als das Energiegeschütz positioniert und justiert war, gab der Dekurio Feuerbefehl. Die erste Salve schlug inmitten von Brombus Männern ein und tötete die Hälfte der Männer.

»Sie haben ein Geschütz! Wir müssen zum Hangar!«, rief einer der Männer Brombus zu.

»Es sind noch fünf Minuten! Wir müssen sie noch so lange aufhalten!«, verneinte Brombus.

Wieder schlug eine Salve ein und erzielte tödliche Wirkung. Nur Brombus und zwei Männer waren noch übrig. Um sie herum drohte alles zusammenzustürzen. Eine weitere Energiesalve blieb jedoch aus, stattdessen traten die Gardisten erneut zum Angriff an.

Brombus griff entschlossen nach seinem Strahler und feuerte. Einige Gardisten fielen, aber auch die restlichen Männer von Brombus. Brombus stand auf und schoss auf zwei heranstürmende Dorgonen. Er war ein Goner. Noch nie waren Goner in Gefangenschaft der Dorgonen geraten. Eher würde er sterben. Brombus visierte die Dorgonen an, die beiden Gardisten waren jedoch schneller und erzielten einen Treffer, der Brombus tödlich getroffen zusammenbrechen ließ.

Die Gardisten stürmten weiter in Richtung Hangar.

*

»Brombus, melde dich!« rief Uleman in das Komgerät, der vergeblich versuchte, Kontakt mit seinem Freund aufzunehmen. Inzwischen hatte sich die Gruppe in einen der Kreuzer begeben und wartete in der Kommandozentrale auf den Start.

»Ich fürchte, Brombus und die anderen sind nicht mehr am leben. Sie werden jeden Moment hier sein«, meinte Uleman düster.

»Wann können wir starten, Monderos?«, fragte er den Schiffskommandanten.

»In einer Minute«, erwiderte der junge Dorgone und startete die Triebwerke.

»Ich hasse solche Starts«, murmelte er, als die Startvorbereitungen beendet waren.

Über den Kreuzern öffnete sich ein riesiges Schott. Inzwischen war es Morgen geworden und blauer Himmel kam zum Vorschein. Die Triebwerke heulten auf und das erste Schiff begann abzuheben, danach das zweite, auf dem sich Uleman und die Galaktiker befanden. Keine Sekunde zu früh, denn schon stürmten die Gardisten in den Hangar und eröffneten sofort das Feuer. Die Energiestrahlen prallten jedoch wirkungslos am Rumpf des Schiffes ab. Beide Schiffe jagten in den Himmel und von dort in den Weltraum hinaus, wo sie so schnell wie möglich in den Hyperraum eintauchten.

*

Digalinus betrat hastend den Hangar. Doch er konnte nur noch hilflos mit ansehen, wie Ulemans Schiff abhob und am Horizont verschwand.

»Du Narr hast sie entkommen lassen!«, herrschte er den konsternierten Tribun an.

»Wir können nichts dafür. Niemand hat uns mitgeteilt, dass hier ein geheimer Hangar mit startbereiten Schiffen ist«, verteidigte sich dieser.

»Dafür wird unser Informant zur Belohnung an den Spielen in der Arena teilnehmen. Allerdings nicht als Zuschauer«, sagte Digalinus bösartig.

»Unser Informant ist mit ihnen gegangen...«

Digalinus schwieg zähneknirschend.

»Sollen wir die Raumflotte alarmieren?«, fragte der Offizier.

»Dazu ist es schon zu spät. Daran hätten wir vorher denken müssen. Aber gib eine Suchmeldung über die beiden Schiffe an die Flotte durch.«

»Ja, Herr.«

Ein zweiter Tribun betrat den Hangar und salutierte vor Digalinus

»Was gibt es?«

»Wir haben den gesamten Stützpunkt eingenommen und fast alle Rebellen getötet oder gefangengenommen. Wir haben Meldung, dass alle weiteren Widerstandsnester auf Dorgon ebenfalls eingenommen wurden.«

Digalinus lächelte zufrieden.

»Dann war die Aktion doch ein recht guter Erfolg. Schade nur, dass uns Uleman und die Galaktiker entkommen sind.«

»Dafür haben wir Ulemans Tochter Arimad gefangengenommen«, berichtete der Tribun stolz.

Digalinus Laune war damit wieder hergestellt.

»Sehr gut. Dann habe ich doch noch ein schönes Hochzeitsgeschenk für den Kaiser.«

*

Mathew Wallace hatte es geschafft. Es war ihm gelungen, sich durch einen Geheimgang durch die Katakomben durchzuschlagen. Einer der dorgonischen Rebellen hatte ihn hinaus ins Freie geführt. Mathew beschloss, in der Großstadt von Dom unterzutauchen und auf eine Gelegenheit zu warten, seine geliebte Saraah zu befreien. Es war ihm schon einmal gelungen, er war überzeugt, dass er es wieder schaffen würde.

*

»Wir haben es geschafft. Auch die BARGON ist in Sicherheit«, meldete Monderos seinem Anführer.

Uleman nickte.

»Wir nehmen Kurs nach Hesophia. Achtet auf die dorgonische Flotte. Sie wird sicherlich nach uns suchen.«

Monderos bejahte und ging auf seinen Posten zurück.

Uleman ließ sich schwer in einen Sessel fallen. Aurec und Tifflor standen bei ihm.

»Das war erneut ein schwerer Schlag für uns. Und Arimad...«

»Wir fühlen mit dir«, sagte Tifflor.

»Wir gehen wir jetzt vor?« erkundigte sich Aurec.

»Wir fliegen nach Hesophia. Dort ist unser größter Stützpunkt. Wir werden uns neu sammeln«, sagte Uleman entschlossen.

»Dieser Carilla ist dort. Ist Hesophia nicht zu gefährlich?«, wandte Aurec ein.

»Wir haben keine andere Wahl. Carilla weiß nichts von der Unterwasserstadt.«

»Ich schlage vor, dass wir Kontakt zur SAGRITON und zur IVANHOE aufnehmen, und sie über den Stand der Dinge informieren«, meinte Aurec.

Uleman nickte.

»Ja, einverstanden.«

Der Dorgone befahl Monderos Kontakt zur IVANHOE herzustellen, die jetzt von Joak Cascal geführt wurde. Das Bild von Cascal erschien auf dem Panoramabildschirm.

Nach kurzer Begrüßung informierte Aurec die Galaktiker über die jüngsten Vorkommnisse.

»Wir nehmen nun Kurs auf Hesophia. Bei der nächsten Gelegenheit werdet ihr mit der IVANHOE und der SAGRITON dort zu uns stoßen«, schloss Aurec seinen Bericht.

»Ist gut. Leider wird unsere Lage immer beschissener«, meinte Cascal betreten.

»Ja, aber wir geben nicht auf. Ein Regime wie das von Nersonos hat Schwachpunkte und die werden wir finden.«

»Das werden wir. Wir sehen uns. Bis bald«, verabschiedete sich Cascal.

»Bis bald«, erwiderte Aurec. Hoffentlich, fügte er in Gedanken hinzu.

 

7. Im Palast

Stolz meldete Digalinus Nersonos seinen Erfolg. Sämtliche Rebellenstützpunkte auf Dorgon waren dem Erdboden gleichgemacht worden. Tausende von Rebellen waren getötet oder gefangengenommen worden. Allerdings musste er einräumen, dass Uleman und die Galaktiker, die er seinem Kaiser bringen wollte, entkommen waren.

»Ich bin enttäuscht, Digalinus. Ich hatte sie mir so sehr als Hochzeitsgeschenk gewünscht«, sagte Nersonos schmollend wie ein Kind.

»Es tut mir so leid Nersonos. Doch es war nicht meine Schuld. Der unfähige Informant hat angeblich nicht gewusst, dass Uleman dort einen geheimen Fluchthangar angelegt hatte. Ich werde ihn bestrafen, sobald er von seiner Mission zurück ist.«

»Das dürfte wohl kaum ausreichen, um den Kaiser zufriedenzustellen«, warf Cauthon Despair ein.

Nersonos stimmte Despair zu.

»Ja, das stimmt, Digalinus, das ist dürftig.«

»Gewiss, mein Kaiser. Aber ich habe noch ein weiteres Trostpflaster, das dich zufriedenstellen wird.«

Digalinus wandte sich an einen seiner Gardisten.

»Bringt das Geschenk für den Kaiser.«

Kurz darauf kamen zwei Gardisten herein, die eine junge, spärlich bekleidete Frau mit sich führten.

»Dies ist Arimad, die Tochter von Uleman. Ich habe sie für dich gefangen und mache sie dir zum Geschenk. Sie ist zweifellos reizvoller als ihr hässlicher Vater«, meinte Digalinus.

Nersonos strahlte und erhob sich, um Arimad von allen Seiten zu begutachten. Die 16jährige Arimad war eine natürliche Schönheit. Ihr langes Haar war blau mit braunen Strähnen. Das zarte Gesicht eben. Sie war sehr zierlich, ihr Blick war traurig. Und dennoch funkelte in ihren brauen Augen auch ein gewisser Trotz.

»Ja, wirklich, ein hübsches Geschenk. Danke, Digalinus. Lasst sie in meine Gemächer bringen. Dort soll sie bleiben und gut behandelt werden. Wenn ich Lust habe, werde ich mich um sie kümmern«, befahl der Kaiser, der nun wieder versöhnt war.

»Was Uleman anbelangt, wird es nur noch eine Frage der Zeit sein bis wir ihn zur Strecke gebracht haben. Du bist ihm so weit überlegen, dass er keine Gefahr für dich bedeutet«, schmeichelte Digalinus seinem Kaiser. Sogar Despair musste einräumen, dass Digalinus sehr geschickt vorging.

Der Preconsus Falcus betrat den Saal und verneigte sich vor Nersonos.

»Was ist? Warum störst du mich?«, fragte dieser ungehalten.

»Die Siegesparade beginnt in Kürze. Das Volk hat sich zahlreich auf dem Forum versammelt, und will Euch sehen, mein Kaiser«, erklärte der Senator von Mesoph.

Nersonos wurde wütend.

»Das Volk will schon wieder etwas von mir? Dummer, nutzloser, undankbarer Pöbel! Ich habe an meinen Kompositionen zu arbeiten und soll statt dessen meine Zeit mit diesen armseligen Tieren verschwenden!«

»Du bist nun mal ihre Sonne«, warf Despair ein.

»Aber die Sonne hat die Nacht, um sich zu erholen. Ich soll immer scheinen!«

Nersonos stöhnte und griff sich mit Leidensmine an sein Herz.

»Ich wünschte...«, begann er.

»Was wünscht du, mein Kaiser?«, fragte Digalinus eifrig.

»Ich wünschte, der Pöbel hätte nur einen Hals, den ich durchschneiden könnte.«

»Dein Befehl soll ausgeführt werden«, bot der Chef der Garde an.

Um noch mehr Macht zu bekommen, hätte Digalinus seine eigene Großmutter geopfert.

»Typisch, Digalinus. Er will dir das einzige rauben, was ein Künstler nun einmal braucht: Sein Publikum«, sagte Despair verächtlich.

Der Cameloter war bemüht ein Massaker dieser Wahnsinnigen an ihrem eigenen Volk zu verhindern. Despair zweifelte keine Sekunde daran, dass die beiden zu solch einer Wahnsinnstat fähig waren. Digalinus gab jedoch nicht klein bei.

»Despair hat leicht reden. Es sind ja nicht seine Schultern, die diese Last tragen müssen.«

»Die einzigen Schultern im Universum, die fähig sind diese Last zu tragen«, erwiderte der Cameloter geschickt. Nersonos sprang auch darauf an.

»Du hast ja so Recht, lieber Cauthon«, sagte er gerührt. »Also, dann gebe ich dem Pöbel eine Vorstellung.«

Nersonos und sein Gefolge begaben sich auf das Podium des Pons Domus. Vor ihnen lag das prächtige Forum von Dom, wo sich schätzungsweise hunderttausend Anhänger von Nersonos versammelt hatten. Nersonos erhob die rechte Hand und auf sein Zeichen hin begann die prächtige Parade. Tausende von Soldaten und Hunderte von Fahrzeugen und Gleitern paradierten vor ihrem Kaiser auf dem Jusilus-Platz entlang. Nersonos war dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt. Mit seinem Sieg über die Rebellen hatte er wieder Pluspunkte beim Volk gemacht, die er durch seinen zügellosen Lebenswandel und seine Grausamkeit zuvor verloren hatte.

 

8. Alupia

Es dauerte jedoch nicht lange, bis Nersonos sich wieder eben diesen Grausamkeiten hingab. Tausende von gefangenen Rebellen und willkürlich verhafteten Sympathisanten wurden in die Arena des Madisonus Squarus geschafft und dort auf grausamste Weise hingerichtet. Auch das Privatleben des Kaisers war nicht dazu angetan, Beliebtheit beim Volk zu wecken. Seine Ehe mit zwei Männern war nach dorgonischen Moralvorstellungen verwerflich. Nersonos hatte nun auch seine Vorliebe für das weibliche Geschlecht entdeckt und umgab sich täglich mit neuen Geliebten. Eine davon war die berüchtigte Prostituierte Sonara, eine dunkelhäutige Schönheit, die Nersonos jeden noch so abartigen Wunsch erfüllte. Das alles kostete den Kaiser erneut die gerade wiedererlangen Sympathien.

Alupia verfolgte diese Vorgänge mit großer Sorge. Ihr Sohn drohte immer mehr, ihrem Einfluss zu entgleiten. Alupia beschloss, dies nicht länger hinzunehmen und Nersonos zur Räson zu bringen. Sie bestellte ihren Sohn zum Frühstück zu sich. Es war bereits Mittag als Alupia, die stundenlang vergeblich gewartet hatte, sich wütend in Nersonos Gemach begab.

Dort fand sie ihren Sohn, eng umschlungen mit Sonara, im kaiserlichen Bett liegend. Daneben lagen Erus und Cryton, Nersonos angetraute Männer.

»Raus mit dir, du Schlampe!«, rief Alupia ungehalten.

Sonara bedachte sie mit einem verächtlichen Blick.

»Was willst du denn, alte Frau?«

Alupia bedachte sie dafür mit einem hasserfüllten Blick. Die Geliebte des Kaisers war davon beeindruckt. Sie verließ das Bett, kleidete sich an und ging aus dem Raum.

»Und ihr auch, ihr jämmerlichen Gestalten! Verschwindet auf der Stelle«, brüllte Alupia Erus und Cryton an, die sichtlich erschrocken, nackt wie sie waren das Zimmer verließen.

»Was ist denn los mit dir, Mutter? Warum störst du mich?«, fragte Nersonos ungehalten.

»Was los ist? Du verkommst immer mehr, umgibst dich mit Abschaum und vernachlässigst die Staatsgeschäfte!«

»Aber, Mutter. Digalinus und Cauthon machen das doch für mich.«

»Ich traue Digalinus nicht und dieser maskierte Fremde ist völlig indiskutabel.«

»Ich bin nun mal Kaiser und ich entscheide allein, was ich tue. Und du bist ja wohl die letzte, die Moral predigen kann, nachdem du deinen eigenen Bruder geheiratet hast.«

Alupia nahm einen grausamen Blick an.

»Ich warne dich, mein Sohn, ich habe dies alles nur für dich getan. Solltest du mich aber weiterhin enttäuschen, sorge ich dafür, dass du die längste Zeit Kaiser gewesen bist. Ich bin sicher, der Senat findet schnell jemanden, der diesen Posten bekleiden möchte.«

Bevor der verdutzte Nersonos antworten konnte, verließ Alupia den Raum.

Als seine Mutter gegangen war, bekam der Kaiser einen Tobsuchtsanfall. Er schleuderte umliegende Kissen durch das Zimmer trommelte schreiend mit den Fäusten auf sein Bett.

Nach einiger Zeit beruhigte sich Nersonos wieder und bestellte Cauthon Despair zu sich.

Der junge Kaiser berichtete dem Cameloter von dem Vorfall und der Drohung seiner Mutter.

Despair tat empört.

»Eine Frechheit. Auch wenn sie deine Mutter ist, hat sie nicht das Recht, so etwas zu tun. Du bist der Kaiser, die Sonne für das dorgonische Volk. Ohne dich wären sie hilflos. Du musst um deinen Titel kämpfen«, hetzte er Nersonos auf.

»Aber sie ist doch meine Mutter«, entgegnete Nersonos weinerlich.

»Lieber Nersonos, ich muss dir etwas Schreckliches sagen. Deine Mutter hat versucht, mich umbringen zu lassen.«

Despair holte sein Aufzeichnungsgerät hervor und spielte Nersonos das Geständnis des gedungenen Killers vor.

Nersonos war fassungslos.

»Außerdem habe ich den Verdacht, dass Alupia Kaiser Klausius vergiftet hat, um durch dich an die Macht zu gelangen«, erzählte Despair, womit er ja auch die Wahrheit sagte. »Ich befürchte, dass sie dich ebenfalls beseitigt, wenn du nicht tust, was sie will.«

»Ja, ich glaube dir. Aber was soll ich nun tun? Ich kann sie nicht einfach hinrichten lassen. Das würde einen Riesenwirbel verursachen. Sie hat viele, einflussreiche Freunde«, sagte Nersonos.

»Es muss wie ein Unfall aussehen. Sie hat doch eine Hochseejacht, mit der sie oft auf das Meer hinausfährt, nicht wahr?«, erkundigte sich Despair, der bereits einen Plan hatte.

»Ja, sie fährt damit mehrmals in der Woche zu ihrer Privatinsel, wo sie eine Villa besitzt.«

»Ausgezeichnet! Sabotiere die Jacht, wenn sie das nächste Mal hinausfährt. Das Forum Preconsus und das Volk werden glauben, dass sie einen tragischen Unfall hatte.«

Nersonos freute sich wie ein kleines Kind.

»Genial, ich werde sofort Digalinus damit beauftragen.«

Despair musste sich beherrschen, damit ihm nicht übel wurde. Solche Ränkespiele waren unter seinem Niveau. Aber wenn Alupia sich durchsetzte, war auch sein Leben gefährdet. Das durfte er nicht zulassen.

 

9. Uleman

Die AGRON und die BARGON hatten Hesophia erreicht. Hesophia lag 27.445 Lichtjahre von Dorgon entfernt und war die Heimatwelt Ulemans. Vorläufig war man hier sicher, denn der dorgonische Senat schreckte davor zurück, diese blühende Welt anzugreifen, die von eminenter Wichtigkeit für die Wirtschaft des Imperiums war, da es dabei zu großen Schäden kommen konnte.

Stattdessen hatte man einen neuen Preconsus eingesetzt, der jedoch ein geheimer Anhänger Ulemans war. So konnten die beiden Rebellenschiffe ungehindert in der Unterwasserstadt Tiranus, der größten Widerstandsbasis im dorgonischen Reich, landen. Etwa sieben Millionen Widerständler lebten in Tiranus.

Allerdings galt dies nicht für das Protektorat. Dort wütete der Militium Magister Carilla mit einer Flotte Adlerraumschiffe und suchte Planet für Planet nach Rebellen ab. Es hatte auch Verhaftungen auf Hesophia gegeben, doch dass sich das Versteck der Rebellen in einer Unterwasserstadt befand, davon wusste Carillas nichts. Trotzdem mussten sie vorsichtig sein. Da es keinen Princips Protector von Mesaphan gab und der Preconsus von Hesophia keine Befugnisse außerhalb der Welt besaß, war Carilla der Herrscher des Sektors. Jederzeit könnte er über Hesophia auftauchen.

Eine Abordnung begrüßte Uleman und seine Freunde. Ein grauhaariger Tribun trat auf Uleman zu.

»Ich bin froh, dass du am Leben bist. Es war schlimm, was wir von Dorgon hörten.«

»Danke, Vilardos, aber wir haben keine Zeit für Trauer. Wir müssen handeln, wenn wir nicht untergehen wollen.«

Vilardos führte Uleman, Aurec und Tifflor in einen Konferenzsaal, wo sie Platz nahmen.

»Es hat keinen Sinn mehr, auf andere Kaiser zu spekulieren. Es gibt nur noch eine Möglichkeit: Die Bestie Nersonos muss sterben«, meinte Aurec.

»Und wer soll dann Kaiser werden?«, fragte Uleman.

»Du.«

»Ich?«, war Uleman erstaunt.

»Du bist der Einzige, der dafür in Frage kommt. Nur du hast die Moral, Dorgon von dieser unmenschlichen Grausamkeit zu befreien.«

»Aurec hat Recht«, stimmte Tifflor zu.

Uleman hatte schon oft daran gedacht, doch er wusste nicht, ob die anderen es auch so sehen würden. Er sah den Vorschlag Aurecs als Zeichen an.

»Ich werde es versuchen. Werdet ihr mir dabei helfen?«, fragte der Rebellenführer.

»Du hast uns geholfen, nun helfen wir dir«, versicherte Aurec. »Wir müssen Nersonos töten und dann selbst an die Macht gelangen.«

 

10. Nersonos

17. Dezember 1292 NGZ

Gutgelaunt besuchte Nersonos die gefangene Arimad, die nach wie vor in seinen Gemächern »zu Gast« war. Arimad erschrak, als Nersonos den Raum betrat. Es war das erste Mal, dass er sie seit ihrer Gefangenschaft aufsuchte. In dieser Zeit dazwischen hatte Arimad ein durchaus annehmbares Leben in dem goldenen Käfig auf dem Pons Domus geführt. Abgesehen von der beständigen Angst der Willkür der Herrscher ausgesetzt zu sein.

»Du brauchst dich nicht vor mir zu fürchten, meine Liebe. Ich werde dir nichts tun. Obwohl du eine Rebellin bist, werde ich dich verschonen«, erklärte Nersonos freundlich.

»Wie komme ich zu dieser Ehre?«, fragte Arimad skeptisch.

»Da ich mir bald eine Gemahlin nehmen werde, habe ich beschlossen großzügig zu sein.«

»Oh, du willst heiraten? Ich gratuliere, Herr.«

Arimad blieb vorsichtig. Sie wollte Nersonos nicht reizen. Dieser lächelte verlegen.

»Vorläufig weiß die Frau, die ich verehre, noch gar nichts von meinen Absichten.«

Arimad bemerkte, dass der Kaiser sie lüstern anstarrte. Der jungen Frau wurde unbehaglich.

»Nun, dann will ich dich nicht aufhalten. Darf ich dann gehen und Dorgon verlassen? Ich muss wieder auf meine Privatschule auf Hesophia.« Nersonos lachte.

»Schule? Hier gibt es bessere Gelehrte. Du wirst nicht nach Hesophia zurückkehren.«

»Warum nicht?«

»Weil du diejenige bist, die ich zu heiraten gedenke«.

»Heiraten? Du bist verrückt?«

Nersonos wurde wütend.

»Ich bin nicht verrückt! Ich bin ein genialer Künstler! Und ich habe beschlossen, dich zu heiraten. Du bist attraktiv, das kann niemand leugnen. Außerdem stelle ich mit unserer Heirat den Frieden innerhalb Dorgons wieder her. Da ich Pläne habe, das Reich bedeutend zu vergrößern, muss innerhalb des Imperiums Frieden herrschen.«

»Mein Vater wird niemals aufhören gegen dich zu kämpfen!«, begehrte Arimad auf.

»Doch, das wird er. Denn ich habe seine Tochter und kann mit ihr machen, was ich will. Du wirst meine Hauptfrau werden und mir viele Kinder gebären«, sagte Nersonos bestimmt.

»Deine Hauptfrau?«

»Ja, es wird eine Doppelhochzeit geben. Sonara wird mich ebenfalls heiraten.«

»Und wenn ich mich weigere?«

»Wenn du zustimmst, stelle ich die Verfolgung gegen deinen Vater ein und begnadige ihn. Wenn nicht, greife ich Hesophia an und vernichte den Planeten mit all seinen Einwohnern.«

Arimad begriff, dass Nersonos es ernst meinte. Er war irrsinnig und besaß keinerlei moralische Bedenken. Hesophia war eine Welt mit Milliarden Bewohnern. Sie galt neben Dorgon und Mesoph als wichtigster Planet des Reiches.

»Ich muss also zustimmen. Aber eine Doppelhochzeit verstößt gegen das Gesetz.«

»Ich bin ein Gott, folglich stehe ich über den Gesetzen«, sagte Nersonos völlig ernst.

Der Kaiser sah auf die Uhr und stutzte.

»Oh, schon so spät. Ich muss meine Mutter noch verabschieden. Wir sehen uns bald wieder, meine Liebe.«

Als der Kaiser den Raum verlassen hatte, sank Arimad auf das Bett und weinte.

*

Es war schon dunkel geworden. Nersonos, eskortiert von mehreren Gardisten, begleitete seine Mutter zu ihrer Seejacht, die an einem großen Steg festgemacht worden war.

»Ich bin erstaunt, mein Sohn, dass du mich verabschiedest. Das machst du doch sonst nie, wenn ich zu meiner Insel fahre«, sagte Alupia erstaunt.

»Liebste Mutter, es tut mir leid, dass wir uns gestritten haben. Ich liebe dich doch und will von nun an der Sohn sein, den du dir wünschst«, gab Nersonos zurück.

»Das wäre schön, Nersi, wirklich schön.«

»Ja, Mutter. Wenn du zurückkommst wird alles anders sein. Schon bald wird Friede in Dorgon herrschen.«

Alupia lächelte. Innerlich blieb sie jedoch skeptisch.

»Bis bald«, verabschiedete sie sich.

Alupia betrat ihre Jacht, die kurz darauf ablegte.

Nersonos winkte seiner Mutter nach. Digalinus kam hinzu.

»Nun?«, fragte der Kaiser.

»Alles erledigt. Verursacht durch ein Leck, wird es einen tragischen Unfall geben«, antwortete der Chef der Garde.

Nersonos lächelte.

»Das müssen wir begießen!«

Die beiden verließen den Strand und kehrten zum Palast zurück. Dort wartete schon Cauthon Despair im Thronsaal auf sie.

Eine Stunde verging, dann kam ein aufgeregter Centrus herein.

»Mein Kaiser, es ist etwas Furchtbares passiert!«

Nersonos tat erstaunt.

»Was ist denn nur? Sprich.«

»Die Jacht Eurer Mutter ist gesunken. Alle Besatzungsmitglieder sind tot.«

Nersonos fing an zu weinen, zumindest tat er so.

»Mutti?«

Nersonos schluchzte.

»Muttilein. Mamichen. Mama. Oh…oh, wie schrecklich! Meine arme, arme Mami! «

Der Kaiser nahm sein Tränengefäß und vergoss eine Krokodilsträne für seine Mutter.

»Oh, Mutter, warum musstest du mich jetzt verlassen?«

Weinend sank Nersonos auf die Knie. Cauthon Despair wurde übel, angesichts dieser Heuchelei.

»Aber nein, mein Kaiser, deine Mutter lebt. Sie ist eine ausgezeichnete Schwimmerin und konnte sich ans Ufer retten.«

Nersonos Mine gefror. Blitzartig erhob er sich.

»Sie... sie ist nicht... sie ist nicht tot?«

»Nein, mein Kaiser. Hier ist sie.«

Der Offizier öffnete die Tür und eine durchnässte Alupia, die in eine Decke eingehüllt war, betrat den Saal.

»Oh«, sagte Nersonos nur.

»Äh, Centrus, wir lassen sie besser allein«, sagte Digalinus, der schleunigst in der Furcht, Nersonos Zorn könnte sich gegen ihn richten, das Weite suchte.

Als die beiden gegangen waren, fing Alupia an zu schreien.

»Du Dreckskerl! Du hast meine Jacht sabotiert und wolltest mich ersaufen lassen! Du schleimiger Lügner, du bist nicht mehr mein Sohn. Ich sorge dafür, dass du wegen deiner Geisteskrankheit entmündigt wirst. Und dann werde ich Kaiserin und über Dorgon herrschen!«

»Das wirst du nicht!«, schrie Nersonos zurück.

»Cauthon, schaffe sie mir endlich vom Leib!«

»Ja«, sagte Despair nur.

Der unheimliche Maskenträger zog sein Schwert und ging auf Alupia zu. Bevor diese begriff, was mit ihr geschah, hatte Despair ihr mit einem Schlag den Kopf abgetrennt.

*

Mama, wo bist du hin?

Wieso bist du gegangen?

Hoch zu den Sternen,

da bist du jetzt drin.

Zusammen mit den anderen auf gehangen,

an virtuellen Stangen,

für Verräter reserviert.

Mama, Mutti, Mami,

dein Sohn dich liebt,

und dir alten Kuh alle Sünden nie vergibt.

Aus den unveröffentlichten Gedichten des Nersonos anlässlich des Todes seiner Mutter Alupia.

 

11. Brot und Spiele

Wallace rannte wie gehetzt durch die Straßen der Stadt Dom, die sich wie ein Labyrinth vor ihm erstreckten. Transportmittel wollte er nicht benutzen, möglicherweise wäre er darin aufgefallen, obwohl die Terraner sich durch eine große Ähnlichkeit mit den Dorgonen auszeichneten. Er wollte lieber kein Risiko eingehen.

Durch die Straßen einer Stadt wie Dom zu rennen, machte die Angelegenheit allerdings auch nicht sicherer. Aber Wallace hoffte auf den üblichen Effekt einer Großstadt, dass die Menschen eher mal wegsahen, wenn etwas, ungewöhnliches vorfiel, als so etwas weiterzumelden. Irgendwelche robotischen Einrichtungen, die er in öffentlichen Transportmitteln ganz sicher vorfinden würde, waren da bestimmt nicht so zurückhaltend. Dass heute eigentlich Heiligabend war, hatte er beinahe verdrängt. Saraah zu finden, wäre ein schönes Weihnachtsgeschenk, doch sehr unrealistisch. Stattdessen befand er sich allein in der gigantischen Metropole Dom.

Diese Gedanken streiften allerdings nur sehr flüchtig die Oberfläche seiner bewussten Wahrnehmung. Viel deutlicher sah Mathew ein Bild vor sich, die letzte visuelle Spur in seinem Gehirn, die Saraah darstellte. Das Mädchen war von Kriegern Dorgons verschleppt worden. Sie hatte sich heftig gewehrt, wurde aber trotzdem von ihnen weggezerrt. Er hatte ihr folgen wollen, war allerdings zurückgeblieben und hatte sich schließlich doch noch losgerissen. Seither taumelte er seit Wochen durch die Straßen der Stadt und versuchte, klar zu denken.

Immer wieder blitzte vor seinem geistigen Auge das Bild auf, wie das Mädchen sich auf den Boden warf, schreiend um sich trat, von den Kriegern aber brutal über den Boden gezerrt wurde. Es war ihm durch Mark und Bein gegangen, als er ihre verzweifelten Schreie voller Todesangst gehört hatte.

Obwohl das schon Wochen her war, verspürte er immer noch Schauer der Angst über seinen Rücken laufen, wenn er daran zurückdachte. Seit jener Zeit war er nun schon auf der ziellosen Suche, ohne Erfolg, was ihm langsam fast noch mehr Angst machte, als die Art ihres Verschwindens.

Auch jetzt überkam ihn wieder ein kalter Schauer. Ein klarer Gedanke allerdings drängte sich an die Oberfläche seines Bewusstseins. Etwas war da gewesen, irgendeine Äußerung seiner verzweifelten Freundin, die ihn auf eine richtige Spur bringen konnte, irgendetwas in ihren verzweifelten Schreien, was ihm einen deutlichen Hinweis gegeben hatte. Es drängte an die Oberfläche seines Bewusstseins, plötzlich erinnerte er sich.

Abrupt blieb er stehen, verärgert, dass er Zeit vergeudet hatte, anstatt einmal richtig nachzudenken, doch er war allein. Der Widerstand auf Dom gebrochen. Seit dem Angriff des Digalinus auf die Rebellen, befand sich Wallace ebenso auf der Flucht. Er musste den dorgonischen Häschern entfliehen und dabei irgendwie Saraah finden. Wallace hielt inne. Er blickte zum Pons Domus, dem Sitz des Kaisers Nersonos. War Saraah dort? Falls es so war, so war sie diesmal unerreichbar für ihn.

 

12. Hesophia

10. Januar 1293 NGZ

»Mach' die Tür zu, es zieht.«

Aurec blickte nur kurz auf, erkannte Cascal und arbeitete weiter an einigen Einsatzplänen, die er gerade bearbeitete.

»Scheißplanet«, fluchte Cascal unflätig, während er schaudernd die Schultern hochzog und die Hände aneinander rieb. Dann zuckte er zusammen und blickte sich kurz erschrocken um. Als er niemanden sah, fuhr er fort: »Ich habe diesen Unterwasserstationen noch nie getraut.«

Aurec grinste hinterhältig. »Da kann wohl jemand dein Fluchen nicht ertragen, nehme ich an?«

Cascal nickte grimmig und lenkte dann von dem Thema ab. Frauen waren ein unerschöpflicher Hort für Probleme, jedenfalls für Männer, und die wiedererweckte Nadine machte da keine Ausnahme. Er ging näher an den Tisch und schaute auf die Holographie, die sich über Aurecs Arbeitsfläche aufgebaut hatte. Der Saggittone sagte allerdings kein Wort, er wollte wohl erst auf die Anderen warten.

Tifflor und Tolk erschienen nur kurze Zeit später. Der Barbar grinste Cascal kurz an, der das Grinsen säuerlich erwiderte. Tifflor nickte nur kurz und gewichtig, dann setzte er sich neben Aurec.

»Wie weit sind wir?«

»Kommt alles. Es fehlen noch drei«, wiegelte der Saggittone ab.

Auf dem Gang ertönte ein dumpfes Geräusch. Alle vier drehten sich um, als sich die Tür öffnete und ein Oxtorner einen Posbi über die Türschwelle schleifte. Hinter ihnen folgte Henry Portland mit genervter Miene.

»Lass mich los, ich kann alleine gehen.«

Der Oxtorner grinste. »Offensichtlich hat dein Bewegungsapparat in der Gefangenschaft auf Mesoph gelitten.« Er wandte sich an die anderen, die leicht verständnislos aussahen. »Er ist einfach so hingedonnert, über seine eigenen beiden Beine gestolpert.«

Tifflor zog die Augenbrauen zusammen und runzelte gleichzeitig die Stirn. Es sah erschreckend aus, wie sich seine Miene in reine Missbilligung verwandelte.

»Meine Herren«, begann er, nicht eben leise. »Ich muss doch bitten. Verhalten sie sich dem Ernst der Lage entsprechend. Immerhin hatten wir in der Vergangenheit einige Opfer zu beklagen.«

Der Oxtorner senkte beschämt das Haupt, während der Posbi ihm einen kurzen Tritt gegen das Schienbein gab.

»Ich habe es dir gleich gesagt«, keifte er.

»Schluss jetzt!«

Aurec erhob sich und hatte seinen Gesichtsausdruck auf drohend umgeschaltet. Beide verstummten augenblicklich und blickten auf das Hologramm über der Tischplatte.

»Ah ja«, begann der Posbi sofort. »M100, jedenfalls die wesentlichen Teile davon. Wollen mal sehen – da haben wir Mesoph, Hesophia und natürlich Dorgon. Die Hauptwelt, versteht sich...«

»Halt endlich die Klappe«, meinte Cascal nun ungehalten. »Wir haben wahrhaft andere Probleme, als uns dein überflüssiges Geplapper anzuhören.«

Der Posbi verstummte beleidigt.

»Kommen wir endlich zum Grund der Besprechung«, begann Aurec. »Unsere beiden Koryphäen hier haben zusammen mit den saggittonischen Wissenschaftlern eine Geheimwaffe entwickelt. Wir haben sie in zwei unserer Raumer einbauen lassen und wollen damit einen kleinen Versuch starten, ob wir nicht ein Kommando nach Dorgon bekommen. Das Kommando hat zwei Ziele. Zum einen diesen verrückten Diktator und zum anderen Wallace, der immer noch auf dem Planeten festsitzt, weil ihm seine Freundin offensichtlich wichtiger war. Naja, kann man verstehen...« Er warf einen Seitenblick auf Cascal, der recht missbilligend schaute. »Jedenfalls sollten wir nicht nur unsere Freunde da herausholen, sondern auch einen Versuch bei diesem Imperator machen. Ich habe mit Uleman gesprochen. Wir sind uns einig, dass wir Nersonos absetzen wollen und ihn an seiner Stelle zum Kaiser machen wollen.«

Cascal nickte. »Und was ist unser Job dabei? Lass mich raten – ihr braucht uns als Rückendeckung, während Lorif die Schutzschirme der gegnerischen Schiffe eigenhändig aufschraubt?«

»Lassen Sie die Scherze, Cascal. Wir stehen vor einem ernsten Problem.«

Tifflor wurde langsam wütend. Es konnte doch nicht sein, dass sich seine Elitekämpfer innerhalb von nur einem Abend in eine Komiker Truppe verwandelt hatten. Auch denen musste doch klar sein, dass es sich hier um eine ernste Angelegenheit handelte. Bei Cascal waren es wohl die Hormonschübe, die ihn kurzfristig ausrasten ließen. Bei Lorif konnte es eigentlich nur ein Programmierungsfehler sein. Bei dem Oxtorner musste es sich um mangelnde Gravitation handeln, die ihm wohl das Gehirn vernebelte. Obwohl das bei seiner Kompaktkonstitution eigentlich unmöglich war. Die Anpassung an andere Schwerkraftverhältnisse erfolge für ihn automatisch.

Alle drei senkten die Köpfe und blickten für einen Moment schuldbewusst auf den Boden. Dann hob Cascal den Kopf und blickte Tifflor ernst in die Augen.

»Seit einiger Zeit passiert hier einfach zu viel. Ich würde es begrüßen, wieder einmal eine längere Zeit meine Ruhe zu haben. Wir verlieren dauernd Freunde, diese Verrückten von Dom wollen uns meucheln und für meine Freundin habe ich allmählich überhaupt keine Zeit mehr. Es wird einfach Zeit, dass dieser Ausflug endlich endet, sonst werden hier noch mehr wahnsinnig, und die anderen sind vielleicht nicht in ihrem Inneren so verständnisvoll wie wir.«

»Cascal, ich darf ich Sie daran erinnern, dass wir immer noch in einem Einsatz sind. Sie waren Soldat des Solaren Imperiums und sind es noch immer. Ihre Freundin ist nebensächlich. Reißen Sie sich zusammen und sparen sie sich ihre Bedenken bis zum Schluss auf«, rügte ihn ausgerechnet Henry Portland. Im Grunde genommen waren Portland und Cascal gleich gestellt, doch der pflichtbewusste Terraner schien das Gejammer Cascals nicht hören zu können. »Sie sind für mich ein Vorbild, Cascal. Vielleicht tut Ihnen diese ominöse Frau nicht gut«, fügte Portland hinzu.

»Vielleicht«, murmelte Cascal grimmig, dem das anscheinend selbst aufgefallen war.

Tifflor nickte Portland anerkennend zu. Vielleicht half eine Konzentration auf die bevorstehende Mission, die Herrschaften wieder auf den Boden der Tatsachen zu bekommen. Jedenfalls waren sie dabei, im falschen Moment etwas zu viel Galgenhumor zu entwickeln.

»Die SAGRITON und die IVANHOE haben die Geheimwaffe bereits an Bord. Einige Raumer der Dorgonen, die über Hesophia und im System stationiert sind, werden wir auch noch damit ausrüsten. Alles in allem haben wir aber immer noch zu wenig Kampfkraft gegen einen drohenden Angriff, obgleich die SAGRITON mit ihren Kreuzern und Fregatten schon eine kleine Flotte für sich darstellt. Daher sollen sie, mein lieber Cascal, mit Ihrem Herrn Tolk an der Seite mal vorfühlen und die Herren Krieger des Imperiums ablenken. Vielleicht kommen sie dann nicht auf dumme Gedanken. Haben wir uns soweit verstanden, Herr Kommandant?«

Tifflor war sehr förmlich geworden, um seinen erfahrenen Kommandanten auf dem Boden der Tatsachen zu halten.

Cascal tat ihm den Gefallen und beschränkte sich auf ein angedeutetes Nicken.

»Noch was?«, fragte er knapp.

»Das war alles.«

Cascal nickte und fuhr auf dem Absatz herum. Gefolgt von Tolk, der nur noch den Kopf schüttelte, verließ er den Raum.

»Und ihr beiden...«, wandte sich Tifflor an den Posbi und den Oxtorner.

»Ja, Chef?«, Lorif hörte sich etwas kleinlaut an.

»Ihr kümmert euch darum, dass die Waffen auch wirklich funktionieren. Und wenn ihr jetzt gleich zur Türe hinausgeht, dann möchte ich keine unangebrachten Blödeleien erleben. Ist das soweit klar geworden?«

»Natürlich, alles klar, Sir.« Lorif drehte sich um und rannte blitzschnell durch die Tür. So schnell allerdings, dass die Automatik nicht mehr mitkam. Er donnerte mit dem Körper voll gegen die Tür und wurde regelrecht hinausgeschleudert.

Der Oxtorner folgte kopfschüttelnd und sammelte den Blechkameraden auf. Lorif sortierte seine Einzelteile, dann schloss sich die Tür.

»Mein Gott, mein Gott«, murmelte der Terraner fassungslos und stützte sich an den Rand der Tischplatte, mitten in den Planeten Hesophia hinein. Ein symbolisches Bild, wie die Welt so unter seiner Hand verschwand.

Aurec klopfte ihm tröstend auf die Schulter. »Nimm es nicht so schwer. Die fangen sich schon wieder, sind nicht umsonst einige eurer besten Leute. Kann man schon mal verstehen, dass die eine gefährliche Situation nicht ganz ernst nehmen.«

»Nun fang du nicht auch noch an«, fauchte der Unsterbliche mimosenhaft. Er folgte seinem Einsatzkommando durch die Tür und wandte sich noch einmal um. »Ich hoffe, du hast recht. Sonst werden wir in nächster Zeit nichts zu lachen haben.«

Damit wandte er sich endgültig ab. Die Tür schloss sich unmittelbar hinter ihm.

Aurec blickte auf die Tür und schüttelte sich kurz. Hatte er geträumt, oder war das eben wirklich passiert?

*

11. Januar 1293 NGZ

Vesus saß im Kommandosessel der DOMULUS und genoss die Hektik um sich herum. Die Mitglieder der Zentralebesatzung waren alle auf ihren Positionen und machten einen konzentrierten Eindruck. Die Atmosphäre an Bord des Schiffes war gespannt, die Hektik durchaus greifbar. Trotzdem hatte man nicht den Eindruck, dass hier eine Raumschlacht vorbereitet wurde.

Er las sich den Bericht des Militium Magisters Carilla erneut durch. Carilla trug den unrühmlichen Spitznamen »Der Schlächter«, den er sich während diverser Strafexpeditionen gegen tributschuldige Völker im Protektorat Harrisch verdient hatte. Doch dieses Mal hatte der raubeinige Dorgone sehr besonnen reagiert, als er rebellische Aktivitäten auf Hesophia registriert hatte. Carilla hatte Vesus informiert und somit das einzig richtige getan. Vesus stellte eine Verbindung mit der DECRUSIAN her, einem Adlerraumschiff der SULVETIUS-Klasse. Es war nun das neue Flaggschiff des Militium Magisters.

Carillas vernarbtes, unrasiertes Gesicht erschien auf einem Display.

»Dux Superior«, grüßte er knapp.

»Gute Arbeit bisher, Carilla. Verhaltet euch weiter unauffällig. Ich bin auf dem Weg nach Hesophia. Diesmal werden wir den Widerstand endgültig zerschlagen.«

Der Großadmiral beendete die Verbindung. Er hoffte, Carilla hatte die Befehle auch klar verstanden. Vesus wünschte kein Massaker auf Hesophia. Das würde dem ohnehin schlechten Ruf der Kaiserdynastie noch mehr schaden. Natürlich erwähnte er gegenüber Carilla nicht, dass Vesus schon von seinem Informanten auf Hesophia über die Aktivitäten der Rebellen unterrichtet worden war. Zwei Quellen waren jedoch besser. Pflichtbewusste Agenten und Soldaten schätzte Vesus.

Vesus ließ über seiner Armlehne ein Hologramm aufleuchten, das ihm die Situation im Hesophia-System zeigte. Einige Schiffe schwirrten laut Ortungen, die vom Bordrechner synchronisiert in das Hologramm eingefügt wurden, zwischen den Planeten herum. Die Flugbahnen wiesen sie als Einheiten der Wachflotte aus, die wohl patrouillierten.

Der Dorgone wusste, dass er noch einige Stunden Zeit hatte, bis der große Knall erfolgen würde. Er erhob sich mit einer gleitenden Bewegung, straffte sich und schritt mit langsamen, kraftvollen Schritten, die nicht so ganz zu seinem leichten Bauchansatz passen wollten, die sechs Stufen herunter.

Er warf seinem Stellvertreter einen Blick zu. »Übernehmen«, schnarrte er. Er bemerkte nicht einmal mehr die Ehrenbezeigung, als er sich in Richtung seines kleinen Einsatzraumes in Bewegung setzte. Das Kreuz schmerzte leicht von dem harten Kommandantensessel, den er sein eigen nannte, daher setzte er sich nicht hin sondern blieb erst einmal stehen. »Computer, zeig mir die Nachricht des Agenten an.«

Es rauschte für einen Augenblick, als der Computer die Dateien durchsuchte, allerdings begann der Bildschirm nicht zu rieseln. Das war im Zeitalter ultramoderner dreidimensionaler Bilderzeugungsgeräte selten der Fall. Ein Bild stabilisierte sich und das Gesicht des Spions wurde sichtbar. Er nickte kurz und entbot seine unterwürfigsten Grüße.

»Hör schon auf zu schwafeln«, murmelte der Kommandant leicht ungehalten.

»Die Rebellen wollen offenbar der Heimatwelt Dorgons einen Besuch abstatten. Sie haben einige der Schiffe mit einer neuen Geheimwaffe ausgestattet, ich konnte allerdings noch nicht herausbekommen, was für eine Waffe das ist. Ich arbeite daran. Weitere Meldungen ab jetzt ohne Bildübertragung.«

Die Gestalt blickte sich kurz um, dann erlosch der Bildschirm.

So, man wollte also wieder nach Dorgon fliegen. Offensichtlich hatten diese Galaktiker aus der letzten Lektion nichts gelernt.

Andererseits bewunderte er den Mut dieser Wesen. Auch der Verlust von sehr vielen Schiffen und noch mehr Menschen konnte offenbar nicht verhindern, dass diese Wesen immer noch Widerstand leisteten. Ein mutiges Volk mit einer Menge Energie und Kraft.

Vesus lächelte. Er konnte nicht umhin, diesen Wesen die Achtung des Kriegers zu zollen. Endlich hatte er einmal einen Gegner, der es wirklich wert war, so genannt zu werden.

Er verließ seine Kabine wieder. Noch wusste die Besatzung nichts von dem Spion in den Reihen des Feindes. In diesem Geschäft war übertriebene Vorsicht manchmal recht gut, wie man als paranoider Geheimagent wusste. Und als Militarist genauso, denn Verrat war immer eine zweischneidige Sache.

»Wenn wir das System erreichen, Carilla informieren und mit seinen Streitkräften Formation Delta Omega einnehmen.«

Das war ein Zangenangriff, wenn man das so nennen konnte. Die Schiffe kamen dabei nämlich nicht nur von zwei Seiten, sondern von sechs. Aus allen vier Himmelsrichtungen, auch wenn die im Universum kaum Gültigkeit hatten, und noch dazu von oben und unten.

»Die Geschwader Kommandanten übernehmen die Koordination in Abstimmung mit ihren Rechnern.«

Die Akkustikfelder hatten die Befehle des Flottenkommandanten automatisch aufgenommen und an die anderen Schiffe weitergeleitet. Die Bestätigungen der Kommandanten wurden vom Rechner aufgefangen und ausgewertet, fehlende Meldungen wurden ebenfalls automatisch angefordert. Erst wenn das nichts brachte, informierte man den Flottenkommandanten.

Die Imperiumsflotte flog weiterhin ruhig im Hypertaktflug durch den Hyperraum. Gespannte Stille machte sich bereit. Noch 47 Minuten terranischer Zeit.

 

13. Gladiatoren gesucht

Mathew Wallace fragte sich, ob er seinen Geburtstag am 26. Januar auch in aller Einsamkeit verbringen würde? Weihnachten und Silvester hatte er nur mit sich selbst anstoßen können.

Wallace joggte durch die Straßen Doms. Eine Beschäftigung, die er inzwischen jeden Tag nachging. Dabei dachte er erneut an die Trennung von Saraah.

Saraah hatte immer wieder einen Satz gebrüllt, was ihm anfangs gar nicht aufgefallen war, weil er der Frau nicht zugehört hatte, sondern ihr und den Soldaten verzweifelt hinterher starrte. Dabei hatte er selber auch gebrüllt und war von seinen Freunden zurückgehalten worden, die ihn daran hinderten, blindlings in die Arme der Dorgonen zu rennen.

Schnaufend blieb er für einen Moment stehen und warf einen Blick auf das hohe Gebäude, das sich noch einige Straßenzüge von seinem Standpunkt entfernt befand. Die Arena des Madisonus Squarus war ein großes, ovales Stadion, in welchem hauptsächlich die Gladiatorenkämpfe stattfanden. Der Madisonus Squarus selbst war weitaus größer und verfügte über Rennbahnen, weitere Sporthallen und Sportplätze. Ob nun Gladiatorenkämpfe als Sport bezeichnet werden konnten, bezweifelte Wallace, doch hier war es offenbar ein Sport, sich gegenseitig umzubringen oder von wilden, interplanetaren Raubtieren zerfetzt zu werden. Nur der Palast auf dem Pons Domus überragte die Wettkampfstätte. Der Palast, der Jusilus-Platz und die Allee, der Kaiserraumhafen und der Madisonus Squarus waren neben dem Decrusian-Zentrum und dem politischen Sitz des Forum Preconsus wohl die markantesten Plätze in Dom.

Wallace versuchte sich vorzustellen, wie er mit einem Schwert in der Hand im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen würde. Er wusste nicht, wie es sein würde. War es eine Arena wie aus den alten Geschichten Roms, oder eher eine moderne mit metallenem Boden und richtig gemeinen Antigravfeldern, die noch zusätzlich Probleme bereiteten? Er wusste es nicht. Schnellen Schrittes näherte er sich dem Bauwerk, erreichte es schließlich und schaute sich um.

Eine genauere Nachfrage bei einem Passanten ergab, dass der Eingang für neue Gladiatoren auf der anderen Seite war. Da im Reiche Dorgons auf Leben und Tod gekämpft wurde, herrschte eigentlich immer Nachfrage nach Gladiatoren, und so wunderte sich der Terraner auch nicht über das Schild am Eingang, das in dreidimensionalen dorgonischen Lettern nach neuen Kräften geradezu schrie. Er meldete sich über die Türklingel und wurde von einem Computer hereingebeten. Der Computer geleitete ihn in einen Raum, wo sich ein fetter Dorgone gerade gemütlich in einem Sessel räkelte. Er ließ sich von einer Sklavin einheimische Früchte in den Mund stopfen und klopfte dem jungen Mädchen dann kichernd auf die Kehrseite.

Wallace verzog angewidert das Gesicht. Wenigstens hatte sich der saubere Herr nicht Saraah zur Entspannung kommen lassen.

»Wer stört meine Ruhe?«, meinte der Lümmel während er schmatzend die Früchte zerkaute und dabei unbeholfen über den Hintern der Sklavin rubbelte, die die Behandlung stoisch über sich ergehen ließ. Glücklich wirkte sie allerdings nicht.

»Ich will Gladiator werden«, meinte Wallace ruhig.

Der fette Dorgone lachte. »Du? Ein dürres Würstchen wie du sollte besser aufpassen, dass er nicht bei der geringsten Berührung verletzt wird.«

Er kicherte prustend, was einen Schwall zerkauter Früchte freisetzte. Dann verschluckte sich der Mann auch noch. Er hustete würgend, während ihm die Sklavin kräftig auf den Rücken klopfte. Sie schlug dabei stärker zu, als sie musste, aber das fiel dem Dicken nicht auf.

Angeekelt fixierte er den Kerl. Wallace war immerhin 1,83 Meter groß, wog dabei aber nur 75 Kilo. Er war also absolut als schlank zu bezeichnen. Als Mitglied der LFT und der dortigen Flotte war er allerdings durchaus nicht nur ein schmales Hemd, er konnte sich durchsetzen. Nicht zuletzt war er in einigen schottischen Schwerttechniken bewandert und dazu noch in einigen Dagortechniken, die zu seinen Hobbys gehörten. Seine Herkunft verpflichtete ihn geradezu, sich auch mit dem Schwertkampf vertraut zu machen und seine Mutter, die sehr traditionell war, hatte ihn darin eher noch unterstützt, um nicht zu sagen gedrängt.

»Mag sein, dass ich nicht stabil aussehe, aber ich kann was einstecken.«

Der Dorgone hatte sich mittlerweile beruhigt. »Na schön, wenn du meinst. Du kannst ja mal gegen einen meiner Männer antreten, dann werden wir schon sehen, was du aushältst.«

Wallace nickte nur ruhig.

Der Dorgone scheuchte seine Sklavin mit einer unwilligen Handbewegung hinaus. »Folge ihr, sie wird dich in die Umkleidekabine führen. Da bekommst du deine Ausrüstung.«

Wallace nickte und folgte der schlanken Gestalt, die vor ihm her durch die Gänge schritt. In einem Raum musste er Platz nehmen und einen Moment warten, dann war die Sklavin wieder da und legte ihm wortlos einige Kleider hin, die im Wesentlichen aus Fell bestanden. Unterkleidung schien es keine zu geben. Eine Waffe war auch nicht dabei.

»Das ist ja wie im finstersten Mittelalter – oder sogar noch schlimmer«, schimpfte der Terraner.

Die Sklavin verstand nicht. Mittelalter war ihr kein Begriff. Dafür begann sie, dem Terraner aus der Kleidung zu helfen, was dem überaus peinlich war. Er wehrte sich regelrecht dagegen.

Die Sklavin blickte ihn nur verständnislos an, dann zuckte sie die Achseln und ließ ihn sich selbst ausziehen. Sie verließ allerdings nicht den Raum, sondern beobachtete den Terraner, als er sich umkleidete. Als er seine muskulösen Oberarme enthüllte und die Brustmuskulatur deutlich wurde, erkannte er Bewunderung in ihrem Gesicht. Ungeniert entblätterte er sich und legte die ungewohnte Fellkleidung an, die im Wesentlichen seine Weichteile bedeckte, allerdings nicht schützte. Träger hielten den Felllappen in Position. So wirkte Wallace wie ein Höhlenmensch, als er die Umkleidekabine verließ. Fehlten eigentlich nur noch Fellstiefel, dachte er. Aber den Luxus von Schuhwerk gönnte man ihm nur in Form von Sandalen.

Er wurde von der Sklavin in ein kleines Amphitheater geführt, das als Übungsarena benutzt wurde und nahe bei der großen Arena von Dorgon gelegen war. Nur für einen Augenblick warf er einen Blick auf die hohen Mauern der gewaltigen Anlage und fragte sich, wie viele Menschen oder Dorgonen da wohl hineinpassten.

Dann wurde er allerdings abgelenkt, als sein Gegner aus einer Tür auf der anderen Seite trat. Er war groß, muskulös und hatte einen unheimlich schlecht gelaunten Blick. Und er brachte zwei Schwerter mit. Er warf eines davon vor Wallace in den Staub. Der blickte auf die schimmernde Waffe. Das sah ernst aus, er hatte eigentlich mit einem Trainingskampf gerechnet.

Mit gemischten Gefühlen hob er die Waffe auf und ergriff sie mit beiden Händen.

 

14. Nadine

Cascal betrat die Brücke der SAGRITON mit ebenfalls gemischten Gefühlen. Irgendwie war ihm nicht so ganz klar, warum er sich so merkwürdig verhalten hatte. Aber anscheinend bekamen sie langsam alle miteinander einen Koller, was nach so langer Zeit bei den überstandenen Gefahren auch durchaus nicht ungewöhnlich war.

Nur sollte er in seiner Position normalerweise in der Lage sein, sich zusammenzureißen.

»Da bist du ja wieder«, meldete sich eine vertraute Stimme.

Cascal fuhr herum, als hätte man ihn bei etwas verbotenem erwischt und blickte Nadine fast erschrocken in die Augen.

»Was ist los? Hast du was zu verbergen?«

»Nichts, was deine Superintelligenz etwas angehen würde«, meinte er leicht gereizt.

»Es ist keine...«

Sie verstummte.

Cascal blickte sie misstrauisch an. Was wollte sie damit sagen? Dass es wirklich keine der übermächtigen Wesenheiten war, dass es eine noch mächtigere Wesenheit, vielleicht gar ein Kosmokrat...? Oder dass sie es einfach nicht wusste?

»Ich meine, es ist nicht meine Superintelligenz.«

Nein, er wies den Gedanken an Kosmokraten als Hintermänner weit von sich. Nadine als Kosmokratengeschöpf zu sehen, das ging zu weit.

Ihre schnellen Stimmungswechsel allerdings konnten sich durchaus mit der Launenhaftigkeit eines Taurec messen. Trotzdem, sie war sicher von keiner dieser Lebensform geschickt worden. Dann wäre sie eher in Rhodans Nähe platziert worden, anstatt in seine.

Er hakte sich bei ihr unter und zog sie in Richtung der Kabine, die man ihm an Bord der SAGRITON zugewiesen hatte. Sie ließ sich willig führen.

In der Kabine angekommen, setzte sich Nadine auf eine Couch, während Cascal zwei Drinks mixte. Er ließ sich ihr gegenüber in einen Sessel sinken und stellte das Glas auf den Tisch. Es ertönte ein leises Klingen, als die Eiswürfel gegen den Rand des Glases stießen, eigentlich ein überflüssiger Klangeffekt, den die Gläser aus Formenergie abgaben. Cascal achtete nicht darauf.

»In letzter Zeit stimmt etwas nicht«, begann er. »Irgendwas ist anders, und ich bin mir nicht sicher, ob ich das bin oder du.«

Nadine rührte sich nicht. Sie saß entspannt auf der Couch, einen Ellbogen auf die Lehne gestützt, die schlanken Beine übereinandergeschlagen.

Cascal wartete eine Weile, als sie nicht antwortete, sprach er weiter. »Du bist ziemlich abweisend, manchmal. Außerdem habe ich in letzter Zeit das Gefühl, dass dir einiges an mir nicht passt.«

»Was erwartest du? Immerhin kann ich mich nicht einmal an die Zeit in den Gefilden der Entität erinnern, ich habe hin und wieder auch mal an andere Sachen zu denken«, meinte sie spitz. »Abgesehen davon mag ich dich immer noch.«

»Das reicht mir aber irgendwie nicht.« Er war unschlüssig, schließlich war ihm klar, dass sie recht hatte. Und einen Grund zu klagen hatte er eigentlich nicht.

»Dann kann ich dir auch nicht helfen.« Sie nahm ihren Drink und nippte an dem Glas.

Cascal erhob sich abrupt und stieß dabei an den Tisch. Das Glas fiel zu Boden, zerbrach aber nicht. Die Formenergie hielt, aber der Inhalt verteilte sich über Cascals Hose und über den Boden. Ein Reinigungsroboter wuselte herbei und umschwirrte Cascals Beine, während er den Boden säuberte. Dann wandte er sich der Hose zu, die in Oberschenkelhöhe einen Fleck hatte. Cascal hüpfte herum, während die Maschine ihn zu reinigen versuchte.

Nadine begann lauthals zu lachen, als sie den Kriegstanz des Kommandanten sah. Der versetzte dem unschuldigen Roboter einen Tritt, der ihm allerdings nur einen verstauchten Zeh einbrachte. Nun hüpfte er zu allem Überfluss auch noch auf einem Bein herum, während er mit der Hand den großen Zeh seines rechten Fußes umklammerte. Die Maschine reinigte wacker weiter und warf ihn dabei um.

»Genug«, japste Nadine und befahl dem Bordrechner, die Einheit abzuziehen.

Der Roboter verschwand mit einem enttäuscht klingenden Piepsen in einem Wartungsschacht. Nadine wusste natürlich, dass ein Roboter nicht enttäuscht klingen konnte. Aber irgendwie passte es zur Situation.

Sie ging zu Cascal und stellte sich neben ihn.

»Das kommt davon«, meinte sie. Er setzte sich auf, wischte kurz mit den Händen über die Hose und blickte zu seiner Freundin hoch.

»Das macht dir wohl auch noch Spaß?«

»Und wie«, meinte sie neckisch grinsend. Sie streckte die Hand aus, um ihm aufzuhelfen. Cascal griff zu und erwischte ihr Bein. Sie verlor das Gleichgewicht und landete direkt in seinen Armen. Er packte zu und hielt sie fest.

Nur für einen Augenblick hatten sie Blickkontakt, dann küssten sie sich leidenschaftlich. Nadine umarmte Cascal und klammerte sich fest an ihn, kam dabei auf ihm zu liegen. Vorsichtig rollte sich Joak herum und landete auf ihr. Er öffnete ihre Kombination und wollte gerade richtig zur Sache kommen, als sich der Rechner zu Wort meldete.

»Abflug in einer Stunde«, plärrte die Maschine.

Cascal warf einen Blick zum Lautsprecher. Als der Rechner noch was sagen wollte, erhob er die Stimme.

»Halt' einfach die Klappe und warte, bis wir hier fertig sind.«

Der Rechner verstummte mit einem leisen Knacken.

Cascal blickte Nadine tief in die Augen.

»Wo waren wir stehengeblieben?« Er ließ die Blicke tiefer schweifen.

»Ach da«, meinte er und küsste das Objekt seiner Begierde.

Nadine kicherte. Ihre Körper verschmolzen miteinander.

*

»Austritt aus dem Hyperraum in vier Minuten und 30 Sekunden«, meldete die Stimme des Rechners.

Vesus hatte wieder den Kommandantensessel erklommen und trommelte auf der Armlehne herum. Dabei verfehlte er den Feuerknopf jeweils nur um wenige Zentimeter, was allerdings nicht weiter schlimm war. Er hatte die Kontrollen deaktiviert.

Immer vor dem Kampf ergriff ihn eine eigentümliche Spannung und seine Männer wussten, dass sie ihn dann besser nicht in seiner Konzentration störten.

»Dux Superior?«

Eine Stimme, und das auch noch in Nähe seines Ohres!

Er zuckte zurück und warf einen übellaunigen Blick auf den Kerl, der sich erdreistete, ihn in dieser Situation anzusprechen. Es war allerdings kein Kerl, sondern eine junge Offizierin, die die Kommunikation leitete. Sie stand vier Meter von ihm entfernt vor ihrem Pult.

»Eine Nachricht«, meldete sie, während ihr Blick sehr unsicher wurde.

Vesus fixierte sie noch einige Sekunden sehr grimmig, was ihr einen Schauer über den Rücken jagte.

»Kode gelb«, fügte sie hinzu. Der Kode stand für höchste Dringlichkeit.

»Auf meinen Schirm, aber ohne Akustik«, gratete er.

Sie wandte sich blitzschnell um und erledigte den Befehl sicher und zuverlässig. Neben Vesus schob sich ein Formenergiearm aus der Lehne, schwenkte vor ihn und faltete ein Sichtfeld auf, das die Eigenschaften eines Bildschirms aufwies.

»SAGRITON und IVANHOE gestartet, bin an Bord der SAGRITON unter den Offizieren. Angriff sofort empfohlen. Ende.«

Die Schrift verblasste, der Bildschirm entstofflichte und der Schwenkarm versank in der Lehne. Für einen Augenblick warf Vesus einen Blick auf den wohlgeformten, um nicht zu sagen knackigen Hintern der Kommunikationsoffizierin, schimpfte sich einen versauten alten Sack und wandte die Blicke wieder auf den Sichtschirm.

»Austritt in einer Minute«, meldete der Computer.

Die Zeit tickte herunter.

»Angriff sofort nach Wiedereintritt einleiten«, erhob Vesus die Stimme.

Alle duckten sich, spannten sich für einen Moment, dann kehrte wieder Ruhe ein. Konzentriert und zuverlässig erledigten die Offiziere Dorgons ihre Aufgaben.

Eine Elitebesatzung bei der Arbeit, dachte Vesus stolz.

»Wiedereintritt – jetzt.«

Der Weltraum war sichtbar wie eh und je. Den Unterschied zwischen Hypertakt- und Impulsflug konnte man an den Bildschirmen nicht ablesen, die zeigten auch im Hypertaktflug die Umgebung mittels der Orter genau an.

Die Sterne hingen also immer noch genau an den gleichen Stellen auf dem Sichtschirm, der nicht etwa auf einen Bereich festgelegt war, sondern in Form eines Rundum-Sichtfeldes projiziert werden konnte.

Diese Funktion aktivierte der Kommandant jetzt. Seine Offiziere wirkten nun, als würden sie mitten in dem sie umgebenden All sitzen. Ihre Kontrollen hoben sich nur unmerklich davon ab, allerdings vollkommen ausreichend für die Besatzung eines Dorgonenschiffes.

Auf dem Rundum-Sichtfeld waren alle Raumschiffe der Dorgonen eingeblendet, dazu kamen noch weitere Raumschiffe, die beiden Schlachtschiffe der Terraner und Saggittonen.

In einer anderen Farbe waren die eigenen Einheiten dargestellt. Vesus betrachtete die Aufstellung, verglich das Geschehen mit einem Strategiespiel Dorgons und legte sich einen Plan zurecht. Carillas Flottenpulk schloss zu ihnen auf. Er ließ die eigenen Einheiten in das System Hesophias einfliegen, näherte sich langsam der Bahn des Planeten und funkte eine Warnung an die Raumschiffe.

Zuerst jedoch meldete sich Carilla.

»Aus den Ozeanen Hesophias steigt eine regelrechte Flotte auf. Es sind tausende Raumschiffe. Hinzu kommen weitere aus dem Hyperraum.«

Carilla hörte sich jedoch keineswegs besorgt an.

»Wir haben die Rebellen aufgescheucht«, sagte er grinsend.

Das Verhältnis sprach für die Angreifer des Imperiums. Diese Imperiale Flotte bestand immerhin aus 80.000 Einheiten, die Flotte der Rebellen lediglich aus 20.000 kleineren Einheiten. Da brauchte er sich nicht einmal einen Schlachtplan zurechtlegen.

Trotzdem teilten sich 30.000 Schiffe des Verbandes der 1. Imperialen Flotte in sechs verschiedene Teile und bereiteten die Formation Delta Omega vor. Der Rest bildete die Eingreifreserve.

 

15. Schlacht über Hesophia

»Die Scheißer kommen in Scharen!«

Dieser markante Ausspruch entfleuchte Sam Tylers Mund, der sich trotz Nadines nicht sehr freundlichem Blick nicht einmal schämte.

In der Zentrale der SAGRITON hatten sich alle wichtigen Männer versammelt, abgesehen von Dove, der auf der IVANHOE war. Lorif stand neben Cascal und machte sich für den Einsatz der Geheimwaffe bereit.

»Die werden unseren Hintern aus dem Universum blasen«, äußerte Tyler pessimistisch, als er die Zahlen las. 60.000 gegnerische Einheiten erwarteten sie, plötzlich aus dem Hyperraum gefallen. Dazu kamen die 20.000 Schlachtschiffe des Militium Magisters Carilla.

»Unterlasse er das bitte«, meinte Cascal leicht übellaunig. »Ich kann Pessimisten aus Prinzip nicht leiden.«

»Ach ja?«, Tyler klang angriffslustig. »Dann erklären Sie mir doch mal, Klugscheißer, wie Sie diesen unglaublichen Haufen von Schiffen aus dem Universum ballern wollen, denn das werden Sie müssen, wenn wir nicht alle vor die Hunde gehen wollen.«

»Tyler, jetzt werden Sie aber unverschämt.«

Auch Cascal wurde nun förmlich, die Anrede Sie war allerdings trotz allem nicht unbedingt üblich unter diesen Leuten. Tyler machte das nur um ihn zu ärgern. Cascal vermisste die Besatzung der TAKVORIAN, aber nur eine Sekunde lang, dann war er wieder bei der Sache.

»Ab zu ihren Kampfschiffen, die könnten bald sehr wichtig werden.« Cascal wandte sich an den Funker der SAGRITON. »Ruf die übrigen Mitglieder der Gruppe, sie sollen über Transmitter an Bord kommen. Wir sollten besser zusammen gegen sie vorgehen. Vielleicht müssen wir auch fliehen, dann will ich alle an Bord haben.«

»Cascal?«, Nadine sah noch leicht erhitzt aus, sonst erinnerte nichts mehr an das kurze Intermezzo in der Kabine.

Sie verunsicherte ihn, beeinträchtigte ihn in seinen Gedanken.

»Wir haben nicht sehr gute Chancen, oder?«

»Oder, würde ich sagen«, meinte Cascal leichthin. Es war ein vergeblicher Versuch, optimistisch zu wirken.

Tifflor und Aurec traten aus dem Transmitter im Hintergrund der Zentrale.

»Mach dir keine Sorgen«, flüsterte der Terraner. »Ich liebe dich.«

»Ich dich auch.« Sie wechselten einen kurzen Blick vollständiger Einvernehmlichkeit, wie ihn nur verliebte hinbekamen, dann wandte sich Cascal an die Herren Chefs.

»Aurec, ich übergebe das Kommando an dich. Immerhin ist das dein Schiff.«

»Serakan und Waskoch erfreuen sich deiner Hilfe. Sie müssen sowieso die 500 Kreuzer und Fregatten der SAGRITON koordinieren«, meinte Aurec leichthin. Er und der Unsterbliche beschränkten sich darauf, die Rolle von Passagieren zu übernehmen. Cascal fühlte sich nicht sehr wohl in seiner Haut.

Serakan und Waskoch sahen sich verdutzt an. Der bärtige Waskoch stellte sich drohend vor Cascal.

»Wehe, mein Schiffchen bekommt auch nur eine Schramme.«

Dann setzten sich Serakan und Waskoch an Kontrollen. Vor ihnen bauten sich die Positionen der Beiboote der SAGRITON auf, mit deren Koordination sie nun begannen.

»Bringen wir die Schiffe einmal in den freien Raum«, ordnete der Terraner etwas flapsig an.

Dann konzentrierte er sich voll auf die bevorstehende Schlacht. Mit einem Mann wie Aurec und einem Unsterblichen hinter sich, konnte er das ganze Universum erobern, wenn er wollte.

Oder vielleicht auch nicht.

*

»Zangenformation einnehmen, Gegner vernichten.«

Vesus sah richtig zufrieden aus, als er den Befehl erteilte. Die sechs Formationen verschwanden kurz im Hyperraum, um nur wenige Sekunden später wieder aufzutauchen und von allen Seiten auf das kleine Häuflein der Rebellen herabzustoßen.

Nur wenige der Schiffe hatten die vernichtenden Hypertron-Impulser an Bord. Diese Waffe hielt der Dorgone noch weitgehend zurück. Erst einmal wollte er wissen, wie sich die eigenen Einheiten schlugen.

»Siebter Vertasusverband, Flankenangriff auf die Formation. Durchbruch zu den galaktischen Einheiten versuchen«, ordnete er an.

Auf dem Rundumschirm überblickte er mühelos die Aktionen, alle Schiffe und Verbände waren eingefärbt und als langjähriger Kommandant reichte Vesus ein flüchtiger Blick um zu wissen, wer wo war.

Plötzlich verdampften einiger seiner Schiffe, vergingen in Explosionen, die allerdings im Vakuum nicht sichtbar wurden. Nur auf dem Rundumschirm erschienen Feuerbälle, die die vernichteten eigenen Einheiten markierten. Bei dieser ersten Angriffswelle konnten nur wenige der Gegner, die lediglich mit Transonatoren bewaffnet waren, auf ihn feuern. Diese Waffen waren kein Problem für seine Hypertronschirme.

Wo kamen dann die Explosionen her?

»Rückzug, Neuformation«, befahl der Kommandant.

»Achtzehnter Dorgonverband, Angriff unterstützen.«

Wollen doch mal sehen, was jetzt passiert. Vesus lehnte sich gespannt vor und behielt den eigenen Verband im Auge.

»Mist«, fluchte er, als die ersten sieben Raumschiffe des Verbandes, der aus tausend Schiffen bestand, einfach explodierte. Irgendetwas stimmte da nicht. Die sollten den Schutzschirm nicht so einfach knacken können.

Aber sollten oder nicht, wen interessierte das schon. Sie taten es und es war besser für ihn, darauf zu reagieren.

»Zweiter Dorgonverband, Angriff. Abbruch erst nach vollständiger Vernichtung ...«

Für einen Moment hielten die Mitglieder der Zentralebesatzung den Atem an, dann kam leises Gemurmel auf. Nach wenigen Sekunden hatten sich die Frauen und Männer wieder im Griff. Vesus verzichtete auf eine Ahndung dieses Vergehens.

Der zweite Verband der größten Einheiten Dorgons beschleunigte aus dem freien Fall heraus und ging in den Hypertaktflug. Ihre Symbole tauchten fast im gleichen Moment zwischen den Schiffen der Zangenbewegung auf. Die Rebellenflotte war eingekesselt, die Dorgon-Raumer dieses Typs hatten die gefährlichen Hypertron-Impuls Waffen an Bord. Die Situation war aussichtslos für die Rebellen.

*

»Wir haben lange gebraucht, bis uns wirklich klar war, wie diese Schutzschirme wirklich funktionieren. Die Anti-physikalische Blase, die wir so genannt haben, weil sie die Gesetze unseres Kontinuums eigentlich außer Kraft setzt indem sie ein eigenphysikalisch definiertes Universum bildet, musste irgendwie umgangen werden. Da das im vierdimensionalen Raum unmöglich war, kamen wir auf die Idee, die fünfte Dimension zu verwenden.

Fünfdimensionale Koordinatensätze sind aber nicht Standard bei den Transformkanonen, und schon gar nicht einfach zu berechnen. Daher müssen die Transformkanonen mit einem Syntron ausgestattet werden, der die fünfdimensionalen Koordinaten erst berechnet. Das ist aber auch nicht so einfach, daher mussten wir erst einen Orter entwickeln, der in der Lage ist, die fünfdimensionalen Koordinaten zu erfassen. Ist das gelungen, der Schuss abgefeuert, kann die Anti-physikalische Blase in der fünften Dimension umgangen werden. Das Schiff wird dann so lange beschossen, bis die Schirme überlastet sind. Das dauert genauso lange, wie bei einem Paratronschirm.

Diese Erkenntnis ist übrigens erst durch eine Entdeckung der letzten Zeit möglich gewesen. Bei den Heliotischen Bollwerken hat man erstmals erkannt, dass die Position im Raum auch von fünfdimensionalen Koordinaten abhängt. In der Folge...«

»Danke, das reicht.« Cascal unterbrach den Redeschwall des Posbis, der ihnen gerade die Funktion der neuen Waffe erklärte und heftig ins dozieren geraten war. »Wie bedient man das Ding?«

»Wie eine normale Transformkanone auch. Zielen – feuern«, schnarrte der Posbi beleidigt.

»Danke, das genügt. Auf welchen Schiffen haben wir die Waffe zur Verfügung? Ich nehme an auf der SAGRITON und der IVANHOE ist sie eingebaut.«

»In der Tat, dazu kommen noch acht weitere Schiffe.« Er schnarrte die Namen der acht Rebellenschiffe herunter.

»Acht? Da können wir ja gleich mit Schrotflinten auf die Dinger schießen.«

»Womit? Verzeihung, aber das Abfeuern einer Waffe mechanischer Natur, deren Wirkungsprinzip auf dem Erzeugen eines Feuerfunkens beruht, dürfte im Vakuum nicht möglich...«

»Halt die Klappe!«, schallte ihm Tyler entgegen.

Cascal verdrehte die Augen und wandte sich an den Funker. »Alle aufgerüsteten Raumer in meine Nähe. Wir spielen die Notreserve, die anderen beschäftigen die Angreifer.«

Dann wandte er sich an den Posbi.

»Gute Arbeit, aber nun steh uns nicht mehr im Weg herum und mach dich vom Acker.«

»Wovon?«

Nadine griff nach dem metallenen Arm des Posbi und zog ihn mit sich. »Nun erkläre mir doch mal genau, wie das mit den Bollwerken so war...«

Cascal bemerkte das Verschwinden des heftig plappernden Roboters schon nicht mehr, er wandte sich den Bildschirmen zu und konzentrierte sich auf das bevorstehende Gefecht. Es sah überhaupt nicht gut aus, wie der Terraner mit einem Blick feststellte. Das lag nicht nur an der Masse der Schiffe, auch die Taktik war nicht zu verachten.

Die Alarmglocken schrillten, als die Zangenformation der Dorgonen mit einem kleinen Hypertaktmanöver aufgebaut wurde. Plötzlich war die gesamte Flotte der Rebellen mitsamt dem Planeten von Raumschiffen eingekesselt.

»Spezialraumer Achtung, Feuer nach eigenem Ermessen«, kommandierte Cascal und eröffnete das Feuer auf einige Schiffe, die bedrohlich nahe kamen. Sie explodierten relativ schnell, gehörten allerdings auch zu den kleineren Einheiten Dorgons.

Eine Angriffswelle von tausend Einheiten versuchte plötzlich einen direkten Angriff auf die galaktischen Einheiten, zu denen im Augenblick auch die SAGRITON gehörte. Jetzt bewährten sich die neuen Waffen zum ersten Mal. Acht der Schiffe vergingen in einer Serie von Explosionen, die von den Bildschirmanzeigen plastisch sichtbar gemacht wurde.

Als diese Angriffswelle abgeschlagen war, wusste Cascal, dass es jetzt um alles oder nichts ging. Jetzt würden die großen und sehr gefährlichen Schiffe kommen. Die nächste Angriffswelle konnten sie vielleicht noch irgendwie abwehren, aber das wäre es dann gewesen.

Strahlbahnen schlugen in die Schutzschirme der SAGRITON, die standhielten. Einige der Rebellenschiffe hatten weniger Glück. Sie explodierten unter dem Feuer der Angreifer.

Uleman materialisierte auf der SAGRITON. Der Anführer der Rebellen war verschwitzt und blutete an der Stirn.

Aurec lief zu ihm und stützte ihn.

»Was ist passiert?«

»Sie haben Bodentruppen abgesetzt und Tiranus angegriffen. Sie kamen mit Amphibienfahrzeugen. Celusian hat selbst den Angriff geleitet und die Unterwasserstadt eingenommen. Einige von ihren dort stationierten Leuten, wie auch Krassus, sind in die Hände der imperialen Truppen gefallen«, erklärte der weißhaarige Dorgone keuchend.

Kurz nach dieser Erklärung materialisierte auch Monderos durch den Transmitter. Der schlaksige Dorgone atmete schwer.

»Wir konnten den Großteil evakuieren, doch etwa 2000 Tote und 3000 Gefangene haben wir an Verlusten«, berichtete er knapp und warf Aurec einen fragenden Blick zu.

Als der Saggittone diesen Blick erwiderte, musste er kurz an Ulesia denken. Monderos war Ulesias Jugendliebe gewesen. Zuerst hatte er ihm misstraut, doch inzwischen hatte der junge Dorgone bewiesen, dass er mehr als zuverlässig war.

»Das einzige, was wir noch zum Schutz Hesophias machen können, ist uns zurückzuziehen«, meinte Aurec und gab Joak Cascal einen Wink.

Cascal erteilte den Befehl zum Rückzug. Jeder musste sehen, wie weit er alleine kam. Die Flotte der Rebellen spritzte in verschiedene Richtungen auseinander, was recht schwierig in dem Kessel war. Da aber noch nicht alle Dorgonenschiffe in der Formation waren und diese einen sehr großen Raum abdeckte, gab es Lücken, durch die einige der Rebellen flüchten konnten.

Die SAGRITON verschwand als eine der letzten im Hyperraum, den Rückzug sichernd, dicht gefolgt von der IVANHOE. Zurück blieben vernichtete Raumschiffe, treibende Wracks, in denen Verletzte vergebens auf Hilfe warteten und eine Flotte von Siegern, die die noch nicht völlig vernichteten Schiffe eines nach dem anderen mit ihren leichten Bordwaffen zerschmolzen.

Hesophia war gefallen.

 

16. Kleinere Gefechte

15. Januar 1293 NGZ

Wallace fixierte den großen Gegner mit trainiertem Blick. Er schätzte ihn ein, versuchte, sich vorzustellen, wie sich ein Mann seines Gewichtes bewegen würde. Dabei nahm er die Grundstellung ein, die bei der Art der Waffe eigentlich immer die gleiche war. Er ging leicht in die Knie, hielt das Schwert mit nach oben gehaltener Klinge vor sich und wartete auf seinen Gegner.

Der große Kerl bewegte sich recht geschickt. Im Gegensatz zu Wallace vermochte er die Waffe mit einer Hand zu halten und wirbelte sie demonstrativ über den Kopf, als wäre sie ein kleines Messer. Dann ließ er die Klinge auf Wallace niederfahren.

Der Terraner brachte blitzschnell die Waffe nach oben, ging noch etwas mehr in die Knie und fing den Hieb somit ab. Er brach auf die Knie nieder und hatte für einen Augenblick das Gefühl, seine Schultergelenke würden aus den Pfannen gerissen.

»Bravo, Tralagatus. Du wirst ihn zerschmettern. Ich wusste gleich, dass er ein Weichei ist.« Der fette Dorgone lachte hässlich, Wallace bekam es aber nur am Rande mit.

Er rollte sich blitzschnell ab und tauchte unter einem weiteren Hieb durch. Am Gegner vorbei kam er auf die Beine und wirbelte herum. Sein Schwert zuckte vor und traf den Gegner an der Seite, der sich noch nicht einmal halb herumgedreht hatte.

Aufstöhnend ging der große, kräftige Mann auf ein Knie, wehrte einen weiteren Hieb ab und stieß dann mit Kraft und Verzweiflung zu. Der Gladiator kämpfte nun nicht mehr sehr gezielt, verfehlte den Terraner weit, kam dabei aber wieder auf die Beine. Ein Arm presste sich gegen die Seite mit der Verwundung, die andere Hand schwang wieder das Schwert, aber merklich schwächer.

Wallace trieb den Gegner nun selbst mit wütenden Schlägen vor sich her. Er wollte diesen Kampf möglichst schnell beenden. Schweiß rann ihm schon jetzt in die Augen, dazu kam der aufgewirbelte Staub, der sich an ihm festsetzte und einen leichten Schmierfilm auf seiner Haut bildete. Leichtere Kratzwunden schmerzten, seine Schultern waren nach dem Hieb auch schwer erschüttert. Mathew fühlte sich nicht sehr wohl.

Er zerfetzte die Deckung des Gegners mit schweren Hieben, dann hieb er ihm das Schwert aus der Hand. Tralagatus saß am Boden, gegen die Wand gepresst. Er hatte keine Möglichkeit mehr, auszuweichen. Also versuchte er einen uralten Trick. Er griff in den Staub und schleuderte eine Handvoll in das Gesicht des Gegners.

Ohne Erfolg allerdings, denn Wallace fiel auf den Trick nicht herein. Er schloss die Augen, wich aus und brachte sich sofort wieder in Position, richtete die Spitze des Schwertes wieder auf den Adamsapfel des Mannes und warf einen Blick auf den fetten Obergladiator. Neben ihm stand die junge Sklavin, die ihm ein nettes Lächeln schenkte. Der Dorgone war indes nicht sehr begeistert und schickte sofort einige Leute in die Arena, die den Verwundeten abtransportierten. Der warf dem neuen Gladiator einen wütenden Seitenblick zu. Verwundet, in einem Auslesekampf. Was für eine Niederlage. Wallace wusste, dass er sich einen Feind geschaffen hatte.

»In der Arena kannst du beweisen, wie gut du wirklich bist. Der Kaiser freut sich immer über gute Kämpfe. Vielleicht kannst du ihn wenigstens ein bisschen unterhalten.

Ich bin übrigens Qartanamin, Herr der Gladiatoren. Du kannst mich Herr nennen.«

»Aber gerne doch, Herr«, meinte Wallace mit eigentümlicher Betonung, die der Dorgone aus seinem Kulturkreis heraus nicht verstand, die für einen Terraner aber eindeutig ironisch herüberkam.

»Dann mach dich schon mal bereit. In zwei Stunden geht es nämlich los.« Der Dicke lachte hinterhältig.

Wallace nickte und folgte der jungen Sklavin, die ihn augenscheinlich sehr gerne in eine Vorbereitungskammer führte, wo einige andere Gladiatoren bereits trainierten.

Sie alle beäugten ihn misstrauisch und lächelten dann. Er würde wohl kein Problem werden. Dachten sie.

*

Der Kaiser saß auf seinem Thron und langweilte sich. Nicht, dass in diesen unruhigen Zeiten nichts los gewesen wäre, aber irgendwie machte es auf Dauer auch keinen Spaß mehr, die Untertanen zu ärgern, mit Sorana zu spielen oder sich einen Lustknaben zu holen.

Zudem war Sorana schwanger. Sie schenkte ihm einen Erben, wenn es denn ein Sohn werden sollte. Das stand zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht fest. Jedenfalls musste sie geschont werden, auch wenn sie behauptete, dass die Schwangerschaft sie keinesfalls sexuell einschränken würde. Nersonos wusste das nicht so genau. Er fragte sich, ob er nicht auch somit Sex mit seinem Kind hätte, wenn er es während der Schwangerschaft mit Sorana trieb? Nersonos plante, eine umfassende, philosophische Abhandlung und ein Gedicht seiner Gedanken darüber zu verfassen, wenn er die Zeit fand.

Arimad wäre eine Alternative, doch die Tochter des Uleman hatte sich ihm bisher verweigert. Sicher, er konnte sich nehmen, was er wollte, doch irgendwie regte ihn auch diese abweisende Art an.

»Cauthon?«, Die quengelnde Stimme seiner Hoheit holte den neugewonnen Berater und Lieblingsgesprächspartner in seine Nähe.

»Hoheit?«

»Mir ist langweilig. Was könnten wir denn tun, um etwas Unterhaltung zu bekommen?«

»Nun, Eure Hoheit ist doch mächtig kreativ. Vielleicht könntest du uns wieder mal mit einem besonderen Stückchen aus deiner Musikaliensammlung erfreuen, oder etwas für dein zukünftiges Kind schreiben?«

»Au ja, das ist eine gute Idee«, freute sich der Kaiser. Dann aber sank er wieder in seinem Thron zurück. »Aber das unterhält mich auch nur für eine Weile. Was kann ich denn noch machen?« klagte er seinem Berater sein großes Leid.

»Vielleicht könntest du deine Untertanen etwas ärgern, die freuen sich sicher, wenn sie mehr Steuern zahlen dürfen.«

Despair verfolgte gewisse Ziele mit seinen »Beratungen«, die den Kaiser mit Sicherheit in einigen Bereichen sehr in Probleme bringen würden. Die Untertanen würden bald so richtig sauer werden, wenn er an der Steuerschraube drehte.

Der Kaiser war glücklicherweise dumm genug, nicht zu erkennen, dass er von Cauthon manipuliert wurde. Auf andere Berater hörte er im Augenblick auch nicht und tatsächlich war der Hals desjenigen, der einen Widerspruch wagte, in sehr großer Gefahr, von einem Schwert durchbohrt zu werden. Oder, ein neues Hobby des Kaisers, von einem Feuerstrahl, der aus seiner reich verzierten persönlichen Waffe abgefeuert werden würde.

Und so sperrte auch jetzt seine Hoheit die Ohren weit auf, als er von der Möglichkeit hörte, seine Reichtümer, für einen gottgleichen Oberherrscher wie ihn überhaupt nicht ausreichend, etwas zu vermehren.

»Veranlassen, und zwar sofort«, reagierte er auch sogleich begeistert darauf.

Despair verzog das Gesicht, was unter der Maske zum Glück niemand sah. Selbst wenn, dann hätten sie seinen Gesichtsausdruck wohl kaum als geringschätzig eingestuft. Immerhin war den Dorgonen die terranische Mimik immer noch teilweise ein Rätsel. Daher brauchte sich Despair auch keinerlei Zurückhaltung aufzuerlegen. Er wunderte sich nur, dass sich Nersonos mehr und mehr als Trottel erwies, der sich von einem Fremden aus einer Galaxis, die Dorgon eigentlich erobern wollte, so ausdauernd an der Nase herumführen ließ.

Wahrscheinlich glaubt er immer noch, dass die ehemalige Nummer 2 der Mordred ein treuer Untertan seiner Hoheit ist.

Wobei er in einem recht hatte. Seit Sanna sich darin gefiel, Spielchen mit ihm zu spielen, begann Cauthon doch langsam sich mit einem alten, überwunden geglaubtem Problem zu beschäftigen. War die holde Sanna wirklich die Richtige? Und wenn sie es war, wie kam es dann, dass sie trotz gegenteiliger Versicherungen offensichtlich einen Narren an diesem Centrus, diesem Valerus, gefressen hatte? Dieser war immerhin der Sohn eines Admirals und auch noch von einem sehr wichtigen, der rechten Hand des Vesus. Wahrscheinlich ließ sich Sanna von diesen Äußerlichkeiten blenden. Oder vielleicht lag es auch daran, dass dieser Dorgone gut aussah. Sagen wir lieber, im Gegensatz zu ihm überhaupt ein Aussehen besaß, das erwähnenswert war.

Despair ballte die Fäuste dass die Glieder seiner Rüstung knirschten. Niemand beachtete ihn und glücklicherweise erwartete der debile Kaiser keine Antwort. Langsam entspannte er sich wieder, dann gefror er zu einer Statue, die rechts neben dem Kaiser stand. Sowohl er als auch der Kaiser schienen vergessen zu haben, dass er das erhöhen der Steuern eigentlich sofort veranlassen sollte. Despair entschied sich dazu, noch etwas zu warten.

*

Die Überbleibsel der einstmals stolzen Rebellenflotte plätscherten aus dem Hyperraum. Anders konnte man das eigentlich nicht mehr nennen, denn die Flotte war reichlich dezimiert worden. Immerhin erhöhte sich die Anzahl der Schiffe ständig, bis man die 10.000er Grenze doch noch erreichte. Langsam trafen alle verbliebenen Schiffe und Mannschaften in der Nähe der roten Sonne ein, die man als Treffpunkt im Falle eines taktischen Rückzuges ausgewählt hatte.

Taktischer Rückzug, was?, dachte Cascal. Von der Flotte war nicht mehr viel übrig, was man neu formieren konnte.

Aurec trat hinter ihn und klopfte ihm kurz auf die Schulter, als wolle er sagen, lass den Kopf nicht hängen, mein Freund. Er wandte sich um und ging zur Funkabteilung. Eine Nachricht erregte seine Aufmerksamkeit. Für einen Augenblick huschte ein Lächeln über seine Gesichtszüge, die seit dem Tode Ulesias oft sehr ernst wirkten. Er wandte sich an Lorif und schickte ihn durch den Transmitter. Kurze Zeit später setzte sich die IVANHOE in Bewegung und ging nach kurzer Beschleunigungsphase in den Hyperraum.

Aurec tuschelte kurz mit den anderen Führungsoffizieren. Einige Mitglieder der Zentralebesatzung horchten auf. Allerdings konnten sie nichts verstehen.

Eine Gestalt schlich sich aus der Zentrale, wenige Augenblicke später kehrte sie wieder in die Zentrale zurück. Der Rebell nahm seinen Platz wieder ein.

*

Vesus schaute auf den Rundumschirm. Er konnte nicht fassen, was er sah.

Kurz vor Erreichen des Systems der Rebellen hatte er noch eine kurze Verbindung mit einem seiner Stellvertreter gehabt. Valurus war an Bord eines der anderen Schiffe gewesen, hatte das Kommando über den zweiten Dorgonverband übernommen. Als die Schlacht sich zugespitzt hatte, hatte er seinem Stellvertreter den letzten Angriff überlassen, mit den wichtigen Einheiten hatte er sehr viele der gegnerischen Schiffe vernichtet. Aber nicht die Galaktiker, das war ihm nicht gelungen.

Dafür war sein Schiff von einem der letzten Geschosse, welche die Galaktiker auf unerklärliche Weise doch noch ins Ziel gebracht hatten, vernichtet worden. An der Stelle, an der sich der zweite Dorgonverband im Augenblick befand, markierte der Rechner eine Explosion, fügte eine weitere Nummer in der Gesamtstatistik der abgeschossenen Schiffe hinzu und zeigte außerdem an, dass der zweite Dorgonverband führungslos war. Automatisch ordnete er den Verband kurzzeitig dem ersten Dorgonverband unter, der Vesus' Kommando unterstand. Damit war dieses Problem gelöst. Fassungslos sah er das letzte Schiff der Galaktiker aus dem System verschwinden.

Dann fasste er sich.

»Alle gegnerischen Schiffe, die nicht vollständig vernichtet sind, endgültig zerstören. Wir machen keine Gefangenen und unternehmen keinerlei Rettungsversuche. Bestätigung erbeten.«

Der Rechner aktivierte innerhalb weniger Augenblicke ein blaues Licht, das ihm anzeigte, dass alle verstanden hatten. Ungerührt verfolgte er die Vernichtungsorgie. Dann setzte er einen Funkspruch nach Dorgon ab.

Celusian meldete sich. Der General und Oberkommandant der Bodenstreitkräfte hatte die Unterwasserstadt gestürmt und einige Gefangene machen können, darunter auch Galaktiker. Vesus beschloss diese nicht gleich zu exekutieren, sondern sie mit nach Dorgon zu nehmen. Nersonos würde sicher entzückt über diese »Geschenke« sein.

Krassus und Jenny Taylor, die Bordärztin der IVANHOE, gehörten zu diesen Gefangenen. Sie konnten nicht rechtzeitig evakuiert werden. Ihr Schicksal war nun ungewiss.

Vesus gratulierte Celusian zu seiner Beute.

Wieder wandte sich die Kommunikationsoffizierin an ihn.

»Eine Nachricht, Kode gelb.«

»Auf meinen Schirm.«

Die Nachricht war neuerlich von dem Spion.

»IVANHOE mit unbekanntem Ziel verschwunden. Galaktiker und Rebellen sammeln sich. Melde mich wieder, wenn ich neues Flugziel erfahren habe.«

Nachdenklich richtete sich das Auge des Kommandanten auf die Kommunikatorin, die ihn unsicher anblickte. Er nahm sie gar nicht wahr, was sie allerdings nicht wusste. Schnell richtete sie den Blick auf ihre Kontrollen und machte einen mächtig beschäftigten Eindruck.

Was hatte das Verschwinden der IVANHOE zu bedeuten? Konnte es Ärger anzeigen? Wahrscheinlich schon. Aber bevor der Agent nichts näheres vermeldete, konnte er das nicht so genau sagen. Also vergessen, befahl er sich selber, oder zumindest in einem Teil des Gehirns speichern, der zwar zugänglich war, aber im Moment nicht benötigt wurde.

Jetzt blieb ihm nur noch eines. Er musste das Ergebnis der Schlacht ins Dorgonia-System vermelden, den Tod von Valurus verkünden und außerdem das System sichern. Genau genommen drei Dinge, aber das war nicht so wichtig.

Er wandte sich an die Kommunikatorin.

»Verbindung mit dem Palast in Dom!«

 

17. Arena des Todes

Seine Hoheit war nicht sehr glücklich. Gerade hatte er erfahren müssen, dass seine über alles geliebte Sorana, die eigentlich nur dazu da war ihm einen Sohn zu schenken, eine Tochter in sich trug!

Das konnte nun aber wirklich nicht angehen. Wo kamen wir denn da hin, wenn sogar schon die Natur sich gegen den Gott und Kaiser Dorgons auflehnte!

Nersonos war zutiefst erzürnt. Cauthon hörte sich die Wutattacken des Kaisers eine Weile an, dann schaltete er innerlich ab. Er hörte einfach nicht mehr zu, nur noch ab und an schnappte er einige Worte auf, die er als wichtig erachtete, um mitzubekommen, wenn der Herrscher sich beruhigen würde und wieder einen Befehl erteilen oder eine Frage haben würde. Dank seiner Rüstung konnte man davon allerdings nichts sehen.

»Bringt mir dieses verkommene Frauenzimmer, und zwar auf der Stelle.«

Despair gab den Befehl weiter und wartete auf die Wachen, die nicht sehr freundlich zu Sorana waren. Hinter ihr schlich sich die unglückliche Arimad in den Raum, die sich denken konnte, dass der Herrscher bald mit ihr weitermachen würde, wenn er sich an Sorana abreagiert hatte.

Überhaupt wurde es mit diesem Herrscher immer schlimmer. Thesasian hatte wenigstens noch einigermaßen nachvollziehbar gehandelt, was man von seinen Nachfolgern schon nicht mehr behaupten konnte. Und dass nun dieser Widerling auf dem Thron saß, dieser degenerierte Trottel, der so von sich selbst überzeugt war, dass er nicht einmal bemerkte, wie ihn dieser Galaktiker an der Nase herumführte, war das Schlimmste, was ihr, Arimad, widerfahren konnte. Denn dummerweise hatte er einen Narren an ihr gefressen und daher nicht gezögert, sie zu seiner Nebenfrau zu ernennen. Das junge Mädchen verachtete den Herrscher, der offenbar Gefallen daran fand, dass sie widerspenstig war.

Arimad konnte sich denken, was nun passieren würde. Sie hatte von den Nachrichten genauso gehört, wie der Herrscher auch und schon jetzt Mitleid mit Sorana. Der Herrscher machte seiner Erstfrau Vorwürfe und beschuldigte indirekt sie, dass er eine Tochter bekommen würde.

Schließlich steigerte sich der Herrscher so sehr in seine Wut hinein, dass er sein reich verziertes Spielzeugstrahlerchen zog und ohne zu zögern abdrückte. Die Wachen brachten die Tote aus dem Thronsaal.

Nersonos winkte huldvoll in Arimads Richtung, die, obwohl sie eine solche Handlungsweise erwartet hatte, geschockt war und nur sehr zögerlich auf ihn zuging.

»Nun komm schon«, nörgelte der Kaiser dann auch. »Ich bin sicher, dass du mich nicht so abgrundtief enttäuschen wirst, meine Teure. Daher wirst du mich auch begleiten, wenn ich heute noch vor das Volk trete und mich an den Spielen erfreue. Und heute Nacht werden wir dann an meinem Sohn arbeiten. Ich rate dir, nicht zu versagen. Du hast gesehen, was dann passiert, nicht wahr, mein Täubchen?«

Sie nickte, da sie wusste, dass er keine Antwort hören wollte. Er griff nach ihrem Kinn und kniff sie in die Wange mit einer Bewegung, die er für sanft hielt. Arimad verzog keine Miene, wofür sie Despair insgeheim bewunderte. Er hätte den Kaiser schon längst eigenhändig aufgeschlitzt. Aber er beherrschte sich.

»Wie sehen wir denn aus, Cauthon. Ist unsere Sänfte bereit?«

»Ja mein Herr. Die Sänfte steht vor der Tür und wird dich direkt zur Arena bringen. Ich bin sicher, du wirst dich amüsieren.«

»Das will ich hoffen, ich langweile mich nämlich grässlich.«

Despair neigte bestätigend das Haupt.

»In einer Stunde verlassen wir den Palast. Bis dahin möchte ich mich mit meiner geliebten Gemahlin unterhalten.«

Despair erkannte die Pein in den Augen der jungen Frau, aber er konnte nichts tun. Schweren Herzens neigte er wieder das Haupt und verließ den Thronsaal, um seinen Herrscher alleine zu lassen.

*

Die Sklavin blickte durch das transparente Energiefeld. Außer Licht, Luft und Schall ließ dieses Feld leider nichts durch, jedenfalls nichts, auf das sie im Moment zugreifen konnte. Auf der anderen Seite des Raumes war eine breite Öffnung, die ebenso mit einem solchen Feld verschlossen war. Im Augenblick interessierte sich Saraah allerdings nicht dafür.

Erste Menschen strömten in die Arena, langsam füllten sich mehr und mehr der 250.000 Sitzplätze. Sie würde auf großer Bühne sterben, dachte sie mit einem Anflug von Galgenhumor. Denn wenn es nach den Oberen von Dorgon ging, dann würde sie in wenigen Stunden von dorgonischen Fleischfressern innerhalb weniger Augenblicke in Stücke gerissen werden.

Natürlich würde ihr der Herrscher vorher noch in Aussicht stellen, dass die lieben Tierchen im Vorfeld mit Joghurt gefüttert wurden und mächtigen Hunger hatten. Diese Herrscher waren doch alle gleich.

Damit endete dieser Anflug von Galgenhumor auch schon und mündete fast übergangslos in einen kleinen Weinkrampf, den sie allerdings mehr oder weniger erfolgreich unterdrückte. Sie wollte nicht, dass irgendjemand sie weinen sah. Das hatte auch gar nichts mit diesen üblichen Klischees von heldenhaftem Sterben zu tun. Sie wollte nur nicht, dass diese Dorgonen, die andere Dorgonen versklavten und in eine Art von Abhängigkeit brachten, die vollkommen widernatürlich war, ihre Gefühlswelt erkennen konnten. Denn das war es, was sie eigentlich wollten.

Wehmütig dachte sie an den Galaktiker, der sie zum ersten Mal wie einen Menschen, sogar wie eine Frau behandelt hatte. Sie hatte sich im ersten Moment sehr unangenehm gefühlt, als er zu ihr gesprochen hatte. Ihr Herr und auch die Folgen eines Kontaktes mit einem Fremden hatten ihr Angst gemacht. Was sie geritten hatte, den Galaktiker dann trotzdem zu retten, wusste sie nicht. Dieser Mann strahlte aber etwas aus, mit dem er es geschafft hatte, sie sofort auf seine Seite zu bringen. Er machte den Eindruck eines unabhängigen Wesens, eines Wesens dem sogar Gedanken wie die an Sklaverei vollkommen fremd waren. Er schien diese Idee sogar abzulehnen. Sie erkannte, dass sie in sich schon an Rebellion gedacht haben musste, sonst hätte dieser Mann es nicht schaffen können, sie so sehr zu beeindrucken.

Inzwischen war es allerdings egal. Die Ereignisse hatten sie überrollt, eine Flucht von Dorgon war einfach nicht mehr möglich gewesen. Die Soldaten des Kaisers hatten sie weggeschleift, vor den Augen ihres Geliebten. Sie hatte gewusst, was kommen würde, und mit ihren Schreien noch einen Hinweis an den Geliebten gegeben. Sie wusste nicht, ob er es verstanden hatte. Bisher war er allerdings nicht aufgetaucht. Sie hoffte wohl vergebens auf Rettung.

Sie hatte recht behalten. Man hatte sie in eine der Zellen der Arena geworfen, mit einer guten Aussicht auf die Veranstaltungsfläche. Sie würde beobachten können, wie die Gladiatoren miteinander rangen. Dann würde sie das Vergnügen haben, sich mit den Nsraulern anzulegen. Diese Tiere würden sie zerreißen und sie hatte sich auch bereits geschworen, dass sie sich nicht wehren würde.

Mittlerweile hatte sich die Arena recht gut gefüllt, die Geräuschkulisse des vergnügungssüchtigen Volkes drang in ihr kleines Verlies. Eine Fanfare ertönte, die die Ankunft des großen Herrschers verkündete. Einen Augenblick später schob sich der Kaiser in seine Loge und direkt hinter ihm konnte sie die Gestalt des unheimlichen Galaktikers Cauthon Despair erkennen.

Einige Minuten vergingen, dann erhob sich der Kaiser. Er winkte in die Menge, dann wurde ein Akustikfeld direkt vor ihn projiziert. Seine Stimme erfüllte die ganze Arena.

»Die Spiele mögen beginnen«, sprach er die traditionelle Formel, die sicher im ganzen Universum Gültigkeit hatte.

Eine der Formenergiewände erlosch, heraus trat eine Gruppe von Gladiatoren. Die imposanten Gestalten von sehr vielen Planeten traten in die Arena. Vierzehn Kämpfer näherten sich der kaiserlichen Loge.

In wenigen Minuten oder Stunden, so genau wusste man das vorher nie, würde nur noch einer übrig sein. Sie hoffte, dass sich die Gladiatoren lange abstrampeln würden. Denn sofort nach ihnen würde sie an die Reihe kommen. Der Gewinner konnte sich wünschen, was er wollte. Vorausgesetzt der Kaiser fand ihn der Ehre für würdig.

Erst jetzt fixierte sie die Gladiatoren genauer. Erschrocken registrierte sie eine Gestalt, die schlanker und kleiner als die anderen war, wenn auch nur geringfügig. Das war die Gestalt von Mathew! Ihr Herz begann höher zu klopfen. Offenbar hatte er ihre Schreie wahrgenommen. Warum war er so dumm, sich auf diesen sinnlosen Kampf einzulassen? Es musste für diese Galaktiker doch andere Wege geben.

Andererseits war das nicht so sicher. In der Reihe der Gladiatoren würde er nicht so leicht auffallen. Und wenn er gewann, dann würde ihm der Herrscher sicher einen Wunsch erfüllen. Das hatte er bisher noch immer getan. Eigentlich musste er es sogar. Aber das konnte man bei den gottgleichen Kaisern, die alles andere als göttlich waren, nie wissen.

Sie ging noch näher an das Energiefeld heran. Atemlos wartete sie auf den Beginn des Ringens.

*

Sanna Breen griff nach einer der Früchte, die in dem Korb lagen. Sie bis hinein und zerkaute genüsslich das einheimische Gewächs, das angenehm sauer schmeckte. Valerus saß neben ihr. Er hatte noch nichts vom Tod seines Vaters erfahren und war daher unbeschwert. Er mochte die Galaktikerin, die anscheinend zu dem großen Mann in der Rüstung gehörte.

Andererseits schien sie sich nicht sehr um diese Beziehung zu kümmern.

Sanna verstand sich eigentlich selbst nicht so recht. Da hatte sie dem Mann in der Rüstung mehr oder weniger zu verstehen gegeben, dass sie ihn sehr gerne hatte und nichts gegen ein näheres Kennenlernen einzuwenden hatte.

Nun allerdings traf sie sich immer mal wieder mit dem Sohn des Admirals, der ein sehr charmanter Dorgone zu sein schien. Dabei wusste sie nicht einmal, ob sie es tat, um einen weiteren wichtigen Mann im Reiche Dorgon auf die Seite der Galaktiker zu ziehen, oder ob sie nicht viel wichtigere, persönliche Gründe dafür hatte.

Andererseits wollte sie es im Augenblick auch nicht so genau wissen, denn sie war sich wohl bewusst, wie Despair auf eine solche Sache reagieren würde. Vermutlich würde er nicht zögern, Valerus mit dem Schwert persönlich zu enthaupten.

Und der Kaiser hatte sicher nichts dagegen, wenn sein Lieblingsberater jemand ermordete, der ihm nichts bedeutete.

Das führte zu einer sehr verzwickten Situation, in der sich die Terranerin augenblicklich befand. Sie fragte sich, während sie immer noch auf der Frucht kaute, wie sie in eine solche dumme Geschichte hineingeraten konnte.

Zuerst verliebte sie sich in Despair und nun auch noch in diesen Dorgonen.

Wen von beiden sie nehmen sollte, konnte sie sich auch nicht entscheiden. Das war gar nicht, was sie eigentlich wollte und ihr war durchaus klar, dass einige Mitglieder der Expedition sowie die Herren in der heimatlichen Milchstraße ihr dieses Verhalten ankreiden konnten.

Sie verschwendete einige Gedanken daran, wie sie aus diesem Dilemma herauskommen konnte. Zu einem Ergebnis war sie allerdings noch nicht gekommen, als plötzlich eine Gestalt in einer Rüstung um die Ecke gebogen kam.

Ihr erster Impuls war, aufzuspringen und wegzurennen. Doch dann beherrschte sie sich. Sie hatte nichts Schlimmes getan, nur mit Valerus einen Imbiss genommen und noch immer dabei, an einer Frucht zu nagen. Nichts, wofür sie sich schämen musste. Von ihren Gedanken konnte er ja nichts wissen, noch dazu gingen sie ihn nicht das Geringste an.

Despair stockte kurz, dann kam er langsam näher. Sie wollte ihn schon freundlich grüßen, als er etwas Ungeheuerliches tat. Er griff nach dem Dorgonen, erwischte ihn am Kragen und hob ihn mühelos hoch, was ihm Dank der mechanischen Unterstützung durch seine Rüstung keinerlei Probleme bereitete.

»Nicht«, brüllte Sanna. Sie sprang auf, ließ die Frucht endlich fallen und hieb auf seinen durch Metall geschützten Arm, was ihr nur schmerzende Finger einbrachte. Despair beachtete sie nicht einmal, dann aber schubste er sie einfach weg, so dass sie sich auf ihren Hosenboden setzte. Wütend und empört blickte sie aus der Froschperspektive auf die Szene, die sich vor ihr abspielte.

»Diese Frau ist für dich tabu«, klang es dumpf unter der Maske hervor. »Wenn ich dich noch einmal in ihrer Nähe erwische, werde ich dich umbringen.«

»Bist du jetzt vollkommen durchgedreht?«

Sannas Stimme war nur ein Flüstern, aber Despair hörte sie. Er drehte seinen Kopf in ihre Richtung und ließ Valerus in seiner Hand zappeln. Sie sprach einfach weiter, hoffte, dass er zuhören würde.

»Ich glaube, die Nähe zu diesem verrückten, größenwahnsinnigen und vollkommen maßlosen Herrscher hat auch dich verändert. Ich habe dich geachtet, habe bewundert, dass es dir gelungen ist, den Einfluss deines dunklen Herrschers abzuschütteln. In letzter Zeit sehe ich aber immer mehr, wie du dich in eine Richtung entwickelst, die ich nicht verstehe. Willst du wieder zurück in die Reihen der Dorgonen, für die du ja indirekt schon einmal gearbeitet hast oder ist alles nur ein Spiel?

Cauthon, ich verstehe dich nicht mehr. Du bist nicht mehr der Mensch den ich geachtet, in den ich mich verliebt habe. Im Moment verachte ich dich einfach nur.«

Sie erkannte Verunsicherung in der Bewegung, mit der er den unglücklichen Valerus absetzte. Er drehte sich abrupt um und lief mit steifen Schritten davon. Sanna fragte sich, ob das ein äußeres Zeichen seiner Unsicherheit war oder ob das nur an seiner Rüstung lag.

Er verschwand um eine Ecke. Er blickte nicht zurück, auch nicht, als sich Sanna erhob und zu Valerus ging, der verschreckt auf dem Boden saß und sich den Hals rieb, in den sein Kragen leicht eingeschnitten hatte. Ein kleiner Blutstropfen löste sich aus seinem Mundwinkel, anscheinend hatte er Bekanntschaft mit dem Metall von Despairs Rüstung gemacht.

Sie tupfte die Tropfen weg und es war ihr egal, ob sie Despair dabei beobachten würde. Sie fragte sich, ob ihm noch zu trauen war. Valerus war genauer betrachtet nicht so schlecht und er war in jedem Fall menschlicher, als jeder andere, den sie in diesem verkommenen Reich bisher angetroffen hatte.

Sie wusste nicht, welcher Teufel sie ritt, als sie ihm einen Kuss auf die blutende Stelle an der Lippe gab. Und in diesem Moment war es ihr vollkommen egal, ob Despair sie beobachten würde.

Als sie sich von ihm löste, warf sie ihm einen Blick in die Augen. Er wollte sie umarmen, sie wich allerdings aus.

»Das hat nichts zu bedeuten«, fauchte sie, über sich selber erschrocken.

Valerus blickte sie nur verständnislos an. Sie löste sich endgültig von ihm.

»Ich will wieder in den Palast.«

Valerus folgte ihr schweigend. Er verstand überhaupt nichts mehr.

*

Hoffentlich fangen sie jetzt nicht mit dieser »die Todgeweihten grüßen dich« Allüre an, dachte Mathew.

Die Szene erinnerte ihn allzu sehr an ein Ringen in dem berühmten Kolosseum in Rom. Andererseits war die Einrichtung doch etwas anders. Der Boden war zwar mit Staub bedeckt, aber er hatte ein Fundament, das sehr metallisch wirkte. Über den Einsatz irgendwelcher Antigravfelder konnte er allerdings noch keine Aussage treffen. Er stellte sich mit den anderen Gladiatoren in eine Reihe und versuchte, die schmerzenden Schultern zu ignorieren. Er kam dabei neben einem echsenartigen Wesen vom Planeten Kowe zu stehen, der über einen Kopf größer war und den Qartanamin als seinen Gegner ausgesucht hatte. Dieser Kerl war noch größer, als sein Übungsgegner, der nirgends in der Arena zu sehen war. Aber das war auch nicht sehr überraschend. Der fette Dorgone konnte ihn nicht leiden, vermutlich hatte er gemerkt, dass Mathew einen stärkeren Eindruck auf seine Sklavin machte, als er selbst. Das nahm er ihm vermutlich übel und nun musste Mathew darunter leiden.

Die Gladiatoren warteten nur auf das Zeichen des Kaisers, dann wandten sie sich alle zu ihren Gegnern und verteilten sich etwas besser über die Arena. Mathew sah sich plötzlich dem Echsenwesen gegenüber und er nahm die Grundstellung ein.

Beobachtungen der Bewegungen brachten in diesem Moment nicht allzu viel, dazu kannte er das Wesen von Kowe zu wenig. Er hatte auch nicht die Zeit, den anderen zu studieren, das machte die Sache natürlich nicht leichter.

Er umkreiste den Kämpfer, der mit Schwert und Schild etwas besser ausgerüstet war als er. Dafür musste er allerdings ein etwas leichteres Schwert verwenden, da er naturgemäß nur mit einer Hand kämpfen konnte, während die andere den Schild hielt. Er selbst hatte einen Zweihänder bekommen, der ihm zwar kaum Deckung gab, aber eine gewaltige Schlagkraft.

Allerdings war das Echsenwesen so groß, dass auch der Einhänder, den er führte, fast die gleiche Größe hatte wie die Waffe des Terraners. Das hatte er sicher auch dem Dicken zu verdanken.

Die Echse stieß zu. Mathew wich aus, schlug dabei auf das Schwert des Gegners. Er legte Kraft in den Schlag, um sein Gegenüber gleich auf einen harten Kampf vorzubereiten und ihm Respekt einzuflößen. Dann schlug er selber zu, traf aber nur die Deckung. Seine nackten Füße wurden von dem Sand, in dem er stand, leicht aufgescheuert. Er war nicht gewohnt, barfuß zu gehen.

Er begann unter der heißen Sonne zu schwitzen und schlug noch mehrmals auf den Schild des Gegners ein. Die Echse nahm die Schläge hin ohne groß zurückzuweichen. Stattdessen trieb er Mathew langsam zurück.

Der Terraner wich trotz heftiger Gegenwehr langsam bis an die Wand zurück. Das Volk pfiff ihn aus, was ihm aber egal war. Er wollte nur überleben und zurückweichen war im Augenblick die einzige Möglichkeit. Er nahm am Rande wahr, dass einer seiner Mitgladiatoren einen Kampf gewann und sich einen neuen Gegner suchte. Der Tote wurde aus der Arena getragen. Weitere Tote folgten, allerdings unbemerkt von Mathew, der nun im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Rücken zur Wand stand. Schweiß lief ihm in die Augen. Seine Füße bluteten mittlerweile, die Schmerzen, die der Sand in den Wunden verursachte, nahm er allerdings nur am Rande wahr. Er schlug mechanisch auf den Schild des Kowers, der mittlerweile schon sehr deformiert war. Die Füße des Schwertkämpfers scharrten im Sand, wirbelten kleine Wolken von Staub auf und ließen Mathews Mund langsam trocken werden. Er keuchte. Da traf die Echse das Schwert, hebelte es aus seiner Hand. Die Waffe kam drei Schritte zu seiner linken zu liegen. Schleier wallten vor Wallace Augen, er wollte einen Schritt in Richtung der Waffe machen, erkannte aber rechtzeitig, dass das Echsenwesen den Weg blockieren würde. Er konnte einem Hieb gerade noch ausweichen. Die Echse warf den Schild weg. Ein Hieb pfiff ganz in der Nähe von Mathews Ohr vorbei, erwischte ihn an der linken Schulter. Er stöhnte, presste die Hand auf die kleine Schnittwunde, aus der Blut hervorquoll, das sich mit dem Staub auf seiner Haut vermischte. Die Hitze wurde unerträglich, der Terraner taumelte von der Wand weg, fiel auf die Knie. Er blickte auf eine Lücke in der Wand und hatte eine Erscheinung. Sein Gehirn gaukelte ihm vor, Saraah stünde vor ihm. Er konnte nur ihren Kopf erkennen, der direkt vor ihm in der Wand war. Keuchend kroch er auf die Begrenzung der Arena zu, die Echse folgte ihm langsam, siegesgewiss, hob das Schwert. Die Augen seiner geliebten Freundin weiteten sich, erschrocken deutete sie auf etwas, das hinter ihm sein musste. Was sollte das sein? Er war so müde. Schmerzen raubten ihm fast das Bewusstsein, er kippte gegen die Wand und warf einen Blick zurück. Eine eher unbewusste Bewegung brachte ihn aus der Bahn des Schlages, der neben ihm in den Boden der Arena glitt. Das Metall unter dem Sand hielt die Waffe auf, der Kower wollte sie erheben und ihm endgültig das Leben nehmen. Mathew erkannte seine Chance und wendete nun denselben unfairen Trick an, den sein Gegner im Übungskampf verwendet hatte. Er schleuderte ihm eine Handvoll Sand entgegen, griff nach seiner Waffe, auf der er inzwischen fast lag und schlug zu. Die Klinge bohrte sich in den ungeschützten Unterleib des Gegners, der die Hände von den Augen nahm und aufheulte. Er ging in die Knie, Wallace köpfte ihn mit einem weiteren Schlag. Keuchend stemmte er die Waffe in den Boden und stützte sich darauf. Ein weiterer Gegner stand noch, aber der war so angeschlagen, dass er sich fast nicht mehr bewegen konnte. Er knickte ein, sank auf die Knie. Wallace blickte hoch und erkannte, dass die Sonne weitergewandert war. Er hatte sich eine Stunde lang gegen seinen Gegner gewehrt, eine Zeitspanne, an die er fast nicht glauben konnte. Er bemerkte nicht, dass inzwischen Totenstille in der Arena herrschte. Die dorgonischen Besucher verfolgten stumm das Ringen der beiden letzten Überlebenden Kämpfer.

Er war erschöpft, seine Muskeln schmerzten und seine Füße bestanden fast nur noch aus aufgeschürften Wunden. Er wankte auf schmerzenden Sohlen in Richtung des einzigen noch verbliebenen Gegners. Bevor er ihn erreichte, fiel der Dorgone mit dem Gesicht in den Sand. Tosender Jubel von den Rängen erschallte, dröhnte in Wallace' Ohren, als er neben dem letzten toten Gegner in die Knie ging und die Waffe neben sich legte. Er keuchte für einen Augenblick nur, dann hob er den Blick. Aus blutunterlaufenen Augen fixierte er den Herrscher. Jetzt wollte er seine Belohnung, das war das einzige, an das er noch denken konnte. Der Herrscher wedelte mit den Händen, bis sich das Volk beruhigt hatte.

»Gut gekämpft, Galaktiker.« Der Kaiser spuckte das Wort fast aus, auf einen Hinweis von Digalinus hatte er Wallace erkannt. »Aber leider etwas hinterhältig, daher werde ich dir den Siegeskranz versagen.«

Die Menge murmelte unwillig. Der Herrscher stampfte wütend mit dem Fuß auf, was die Menge zum Schweigen brachte. »Allerdings werde ich dir eine andere Freude erweisen. Du darfst zusammen mit deiner Freundin sterben. Das Schwert kannst du behalten, ich glaube nicht, dass du es damit schaffen wirst. Aber man soll nicht behaupten, dass du keine Chance hattest.«

Ein anderes Tor öffnete sich, die Sklavin Saraah wurde von einem Soldaten grob in die Arena geschubst. Sie fiel auf die Erde, erhob sich wieder und rannte auf Wallace zu, der sie mit hängenden Schultern erwartete. Sie kniete sich neben ihn und legte eine Hand auf seine Schultern. Er zuckte zusammen, weil sie in eine Wunde gegriffen hatte. Sofort hob sie die Hand wieder.

»Mathew«, flüsterte sie unter Tränen. »Es tut mir leid, aber wenigstens können wir zusammen sterben...«

Wie auf Kommando löste sich eine weitere Wand in nichts auf, die Nsrauler schlichen langsam ins Freie. Mäuler öffneten sich, Knurren ertönte.

Wallace hob leicht den Kopf, wie eine Serie von Momentaufnahmen zogen die Gesichter der Tiere an ihm vorbei. Er kannte diese Tiere nicht, aber die Mäuler, die sich brüllend öffneten, machten ihm klar, dass er keinen Ausweg finden würde. Dazu musste er die Tiere nicht kennen.

Despair stand erschrocken auf und legte seine Hand an das Schwert. Er wollte nicht tatenlos zusehen, wie Wallace zerfetzt wurde. Im Notfall würde er eingreifen.

Saraah drängte sich zitternd an Wallace, der immer noch nicht klar denken konnte. Er kauerte auf der Erde, die Sklavin neben ihm und er erkannte, dass sein Leben in diesen Minuten, auf dieser fremden Welt zu Ende gehen würde. Keine romantischen Träumereien mehr von irgendwelchen Schwertkämpfen, mit denen er wie ein wahrer Highlander seine Gegner besiegen würde, keine Träume mehr von einem gemeinsamen Beisammensein mit seiner geliebten Saraah, die er verzweifelt in die Arme nahm, fest an sich presste. Das Schwert lag neben ihm, Blut klebte daran, aber das Blut der Nsrauler würde nicht dazukommen. Die Bestien schritten langsam näher, umkreisten ihre beiden Opfer, schienen den Augenblick geradezu auszukosten. Knurrend kam eines der Tiere näher, schnappte nach der Wade des Mädchens, hinterließ einen blutigen Bis in der Haut Saraahs, die aufheulte und sich angsterfüllt an Mathew presste. Sie schluchzte, wollte ausweichen, heulte auf und trat gegen die empfindliche Schnauze des Tieres, das wütend zu brüllen begann. Es wollte sich auf die Sklavin stürzen, wurde aber von den hungrigen Artgenossen abgedrängt. Wallace und Saraah umklammerten sich schweigend, warfen sich einen letzten Blick in die Augen. Wallace küsste sie sanft und schloss die Augen. Saraah erwiderte den Kuss und schloss ebenfalls die Augen.

Schweigend, im letzten Moment ihres Lebens versunken, nicht auf die Gefahren achtend, erwarteten sie den Angriff der Nsrauler.

Unmut wurde auf den Rängen immer lauter.

Nersonos hatte sich erhoben, blickte befriedigt auf die engumschlungen stehenden Wesen in der Arena, genoss den Augenblick des Todes zweier seiner Feinde, auch wenn sie nicht zu den gefährlichsten gehörten.

Den Unmut bemerkte er nicht. Er war im Taumel seiner eigenen Verrücktheit vollkommen losgelöst von allem, was um ihn herum vorging, hörte auf das aufpeitschende Brüllen der Menge und erkannte nicht, dass sie nicht etwa den Tod der beiden Wesen in der Arena bejubelten.

Vielmehr riefen sie nach Befreiung für den heldenhaft kämpfenden Galaktiker, der sich in diesem Augenblick vollkommen aufgegeben hatte und in diesem letzten Augenblick seines Lebens nur noch Augen für Saraah hatte. Damit hatten sie das Herz der Dorgonen vollkommen erobert, die sich in diesem Moment gegen den ungerechten Herrscher stellten, der sie mehr und mehr mit Steuern überlastete. Erste Gruppierungen von Menschen waren schon zu den Rebellen übergetreten. Diese Menschen riefen jetzt immer lauter nach Rettung für die Wesen in der Arena. Rhythmische Rufe pulsierten über die Anlage.

»Imperator, nun ist es Zeit Größe zu zeigen. Das Volk fordert nach der Befreiung der beiden. Sie sind die moralischen Gewinner«, versuchte Despair auf Nersonos einzuwirken.

Digalinus warf ihm einen giftigen Blick zu, beschloss allerdings zu schweigen. Der Respekt vor dem Silbernen Ritter war zu groß.

»Dieses Pack interessiert mich nicht, ich will ihre Eingeweide in der Arena verteilt sehen!«

Bis der erste Strahlschuss fiel, dauerte es nur wenige Minuten. Die ersten Tiere hatten sich mittlerweile ganz nahe an die beiden Menschen herangearbeitet, der erste schnappte nach der Frau, als einer der Gladiatoren eine der Wachen überwältigte, sich seine Waffe schnappte und auf das Tier feuerte.

Andere Tiere, die sich dazwischendrängten, gerieten in die Strahlbahn und die Hälfte der Nsrauler verendete bereits in diesem ersten Angriff. Als hätte es nur dieses Funkens bedurft, rebellierten immer mehr Söldner in der Arena gegen die Entscheidung des Kaisers, den Terraner und die Sklavin zusammen sterben zu lassen. Sie fielen in die Arena ein und töteten die Tiere.

In der allgemeinen Aufregung löste sich Wallace von der jungen Frau und zog sie hinter sich her aus der Arena. Er verschwand in der Vorbereitungshalle der Gladiatoren, traf dort auf die Sklavin des fetten Gladiatorenausbilders und ließ sich von ihr zu seinen Sachen führen. Er zog sich um, auch Saraah hüllte sich in unauffällige Kleidung, gemeinsam flohen sie aus der Arena und tauchten in den Straßen der Stadt unter, während hinter ihnen die Herrscher von Dorgon die Insubordination der Gladiatoren blutig bestraften.

Nersonos schrie laut auf.

»Was soll das? Die versauen mir den ganzen Spaß!«, Er hüpfte so lange auf der Stelle, bis sein Gesicht rot anlief.

»Tötet diese ganzen Verräter! Ah, ich habe es satt mit diesem Pack, bringt mich zurück...«

Despair und Digalinus folgten dem Wunsch des Kaisers und eskortierten ihn unter Buhrufen des Publikums zurück zum Palast.

Mathew und Saraah verschwanden unter der Stadt, in den Katakomben Doms und tauchten erst einmal zusammen mit den anderen entflohenen Gladiatoren unter.

 

18. Todesstoss den Rebellen

Die Soldaten hielten vorerst treu zu Nersonos. Vesus mit seiner Flotte tauchte im Dorgonia-System auf. Er brachte augenblickliche Ruhe auf die Hauptwelt Dorgons.

Und er brachte schlechte Nachrichten. Die wichtigsten Rebellen hatten, wenn auch stark dezimiert, fliehen können. Valurus war tot – was vor allem für seinen Sohn eine schreckliche Nachricht war – und eigene Verluste bewiesen, dass der Gegner langsam besser wurde.

Die Flotte Dorgons allerdings war mächtig, das erkannte auch Nersonos. Er kommandierte die Hälfte der kaiserlichen Flotte für einen Siegeszug durch das System ab. Immerhin musste die Eroberung Hesophias gefeiert werden.

Vesus aber machte sich sorgen, ließ doch sein Agent nichts mehr von sich hören.

Trotzdem kam noch ein letzter Funkspruch herein und Vesus setzte sich sofort mit der halbierten Flotte in Marsch. 82.456 Lichtjahre legten sie zurück, so schnell die Hypertakttriebwerke es zuließen.

*

»Was machst du da?« Der da so polterte war Tyler. Er war plötzlich hinter dem murmelnden Spacus aufgetaucht und hatte ihn mit einem Funkgerät erwischt, über das er Nachrichten nach Dorgon absetzte. Er schlug dem Spion das kleine Funkgerät aus der Hand, zog die Waffe nur einen Sekundenbruchteil, bevor der Spion die Waffe zog und schoss ihn nieder.

Der Lärm und das Poltern rief die Mitglieder der Zentralebesatzung auf den Plan, die in den Nebenraum stürmten und sich von Tyler überzeugen lassen mussten, dass sie einen Verräter an Bord hatten. Wie Spacus in die Organisation kommen konnte, war niemandem so richtig klar.

Karakus konnte das Rätsel auflösen. Mit schlechtem Gewissen erklärte er, dass er selbst dafür verantwortlich gewesen war und dem vermeintlichen Gleichgesinnten Spacus getraut hatte.

Doch Spacus konnte noch den Sammelort der Rebellenflotte verraten, dies konnte man seinem Terminal entnehmen. Tyler war zu spät gekommen.

82.456 Lichtjahre vom Dorgonia-System entfernt hatten sich die Schiffe der Galaktiker und die der Rebellen versammelt. Sie warteten auf ein Wunder.

Die Adlerschiffe kamen zuerst an. Die Flotte der Rebellen formierte sich, erwartete den Angriff der Dorgonen. Die Schiffe der Dorgonen sammelten sich nach dem Hypertaktmanöver, und formierten sich ebenfalls zur zweiten Schlacht gegen die Rebellen.

Diesmal würde es eine endgültige sein, noch einmal würde Vesus diese Galaktiker nicht entkommen lassen.

Für einen Augenblick kehrte Ruhe ein, die Gegner belauerten sich.

Dann begann es am 21. Januar 1293 NGZ...

ENDE

 

Nersonos ist der Kaiser Dorgons und versucht die Galaktiker, Saggittonen und Rebellen endgültig zu vernichten. Im nächsten Roman von Nils Hirseland findet der aktuelle Zyklus sein Ende. Bezeichnend trägt Band 32 den Titel »Der Kreis schließt sich«.

 

 

 

Kommentar

Nach dem Tode Thesasians war die Regentschaft seiner Nachfolger kurz. Carigul wurde nach 41 Tagen ermordet und Klausius blieb auch nicht lange Kaiser, wurde er doch von seiner eigenen Schwestergattin Alupia vergiftet. Nun folgte Nersonos auf den Thron und entledigte sich seiner Mutter. Von der eigenen Familie droht keine Gefahr mehr – es ist keiner mehr übrig – wohl aber durch sich selbst und die Rebellen.

Nersonos möchte in seiner Regentschaft vielleicht Carigul noch übertreffen. Er selbst versteht sich als Künstler und glaubt, ein begnadeter Sänger, Dichter, Schauspieler, Kaiser, Reformator, Krieger, Zerstörer und Erschaffer zugleich zu sein.

Natürlich ist Nersonos alles andere als fähig und scheint sich besonders den grausamen Spielen im Madisonus Squarus zu erfreuen. Seine fähigen Admiräle Vesus und Celusian als auch sein Freund Digalinus hingegen könnten die Unfähigkeit des Kaisers kompensieren – sofern durch Unberechenbarkeit er ihren Plänen keinen Strich durch die Rechnung macht.

Im nächsten Roman kommt es zum Showdown zwischen den Galaktikern, Saggittonen und Rebellen gegen das Dorgonische Imperium. Es wird sich zeigen, ob eine Invasion in die Milchstraße abgewendet werden kann oder nicht.

Nils Hirseland

 

 

GLOSSAR

Nersonos

Nersonos ist ein Dorgone. Er ist ab 1293 NGZ Kaiser des Dorgonischen Imperiums. Nersonos ist der Sohn von Alupia, der Neffe von Thesasian und Klausius, der Vetter des Carigul.

Nersonos wurde als Sohn der Alupia und des Preconsus Paras 1269 NGZ auf Hesophia geboren. Er wuchs ohne Vater auf, da dieser von Thesasian hingerichtet wurde. Nersonos verstand sich seit jeher als Künstler, Musiker, Dichter und Schauspieler. Seine zarte Seele sehnte sich nach Zuneigung, Zerstreuung und Beachtung.

Es zog den jungen Nersonos früh nach Dom, denn er wollte in die Welt der Künstler eintauchen. Doch sein Onkel Thesasian ließ ihn lieber militärisch ausbilden. Nersonos überzeugte allerding nirgends. 1281 NGZ stellte ihm Thesasian den Gelehrten Nirvus als Mentor zur Seite.

Nirvus fand die richtigen Worte, um an Nersonos zu appellieren. Die nächste Dekade war ein hin- und her. Nersonos war unwillig, den Willen seines Onkels zu erfüllen. Seine Künstlerfreunde sorgten für Ablenkung sowie psychodelische und sexuelle Zerstreuung. In Digalinus fand er einen treuen Anhänger, der wie Nirvus, den Neffen des Kaisers politisch in die richtige Bahn lenken wollte.

Nersonos fühlte sich jedoch missverstanden. Um ihm mehr Disziplin zu lehren, schickte Thesasian seinen Enkel 1290 NGZ sogar in die Milchstraße zu Seamus. Nach diesem kurzen Intermezzo widmete sich Nersonos wieder der Kunst.

Nach dem Tode Thesasians und seiner Nachfolger war Nersonos plötzlich im Mittelpunkt Dorgons und wurde Kaiser. Diese schnelle Berufung, der Tod seines Mentors Nirvus, entfesselten eine zügellose Bestie des Wahnsinns.

Steckbrief

Geboren: 1269 NGZ

Geburtsort: Dorgon

Größe: 1,81 Meter

Gewicht: 89 kg

Augenfarbe: blau

Haarfarbe: blauschwarz

Bemerkungen: etwas untersetzt, Unterbart, arrogant, launisch, wirkt teilweise wie eine Witzfigur ist jedoch skrupellos und gefährlich

Arimad

Eine Dorgonin von der Welt Hesophia. Sie ist die Tochter des Uleman und Schwester der Ulesia.

Arimad wuchs auf Hesophia auf und entwickelte sich wie ihre Schwester Ulesia. Sie ist die hitzköpfigere von beiden und würden am liebsten Thesasian gleich an die Gurgel gehen. Sie kämpft mit Herz und Seele für die Rebellion. Arimad hat starke Prinzipien, an die sie sich hält. Sie glaubt an die Klugheit des Volkes und ist für eine Demokratie in Dorgon. Da sie 1292 NGZ noch ein Teenager ist, wird sie von Uleman aus rebellischen Angelegenheiten herausgehalten. Doch das funktioniert nicht mehr, als die Rebellen enttarnt sind.

Arimad wird 1293 NGZ entführt und von den Prettosgardisten vom Pons Domus verschleppt, wo Kaiser Nersonos Gefallen an ihr findet.

Steckbrief

Geboren: 1276 NGZ

Geburtsort: Hesophia, Dorgon

Größe: 1,64 Meter

Gewicht: 54 kg

Augenfarbe: grün

Haarfarbe: blauschwarz

Bemerkungen: niedliches Gesicht, gerecht, reif, ähnlich wie ihre Schwester

Prettosgarde

Eine Eliteeinheit im Dorgonischen Imperium. Die Prettosgardisten bilden die Leibstandarte eines Kaisers.

Die Prettosgarde existiert seit Jahrtausenden und weist eine nicht immer ruhmreiche Geschichte auf. Im Volksmund gibt es ein Sprichwort: »Prettosgarden erheben Kaiser, halten Kaiser und töten Kaiser«.

Gegründet als Leibstandarte des Kaisers sorgten die Elitesoldaten zunächst tatsächlich für den Schutz eines Kaisers. Je größer sie wurden, desto mehr wuchs ihre Macht. Sie führten Divisionen und sogar Feldzüge. Sie wurden bevorzugt gegen Staatsfeinde eingesetzt. Die Prettosgarde gründete sogar ihren eigenen Geheimdienst.

Und so wurde sie auch für Kaiser unberechenbar. Einige aus der Prettosgarde trachteten selbst nach der Macht. Jene Kaiser, die es sich mit der Prettosgarde verscherzten, konnten schnell sterben.

Anführer der Prettosgarde tragen den Titel Praefektus Tutum. Es gab bis 1293 NGZ mehrere Praefekten Tutum, doch seit der Inthronisierung von Nersonos hält Digalinus allein diesen Titel.

Hesophia

Hesophia ist ein Planet in M100 Dorgon. Es ist die Zentralwelt des Protektorates Mesaphan.

Hesophia ist der vierte Planet des Sorus-Systems, 27.445 Lichtjahre vom Dorgoniasystem entfernt. Die gelbe Sonne bewirkt eine Durchschnittstemperatur von 23 ° C auf dem Planeten mit den vier großen Kontinenten. Der Rest wird von Wasser bzw. Inseln bedeckt. Die Gravitation liegt bei 0,99 g.

Die Stadt Hesathan ist die Hauptstadt des Planeten mit insgesamt 1,8 Mrd. Bewohnern. Knapp 36 Millionen leben in Hesathan, welche auch zu den schönsten Städten der Galaxis gehört.

Hesophia ist Regierungssitz des Protektorates Mesaphan. Hier residiert der gebürtige Hesophier Uleman 1292 NGZ als Princips Protector.

Außerdem ist Hesophia der Hauptstützpunkt der Rebellenorganisation. In der Unterwasserstadt Tiranus leben etwa sieben Millionen Widerständler und haben eine beachtliche Militärbasis errichtet.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2015

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— Special-Edition Band 31, veröffentlicht am 31.07.2015

Titelillustration: Gaby HyllaInnenillustration: Gaby Hylla

Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel