Band 29

M100-Zyklus

 

Widerstand im Kaiserreich

Des Kaisers gnadenloser Kampf gegen die Rebellen

 

Ralf König

 

Was bisher geschah

Wir schreiben Anfang September 1292 NGZ. Die Expeditionsflotte M100 befindet sich im Herzen des Kaiserreiches Dorgon: Der gleichnamigen Welt Dorgon. In der ewigen Stadt Dom, die sich über einen ganzen Kontinent erstreckt, sind sie durch Geschick bis zum Kaiser Thesasian und dessen Familie vorgedrungen.

Doch nach wenigen Stunden sind sie bereits enttarnt worden, ohne es zu ahnen. Kaiser Thesasian treibt ein doppeltes Spiel und plant weiterhin eine Invasion der Milchstraße.

Die Galaktiker und Saggittonen, die sich derweil auf der Suche nach einer Opposition im Kaiserreich begeben, bekommen DIE MACHT DORGONS zu spüren…

Hauptpersonen

Kaiser Thesasian – Der Imperator Dorgons wittert Gefahr.

Uleman – Konsul und Gegner von Thesasians Politik.

Arimad und Ulesia – Die Töchter Ulemans.

Aurec, Julian Tifflor und Cauthon Despair – Sie geraten in einen Machtkampf.

Priamus – Der Senator von Mesoph bringt schlechte Kunde.

 

 

 

1. In der Höhle des Löwen

Aurec hatte die ganze Nacht über kaum geschlafen. Die Ereignisse des vergangenen Abends hatten ihn viel zu unruhig gemacht.

Der Saggittone konnte etliches über die wirklichen Motive der geplanten Invasion Dorgons in die Milchstraße in Erfahrung bringen. So schien hinter allen Machenschaften ein gewisser Cau Thon zu stehen. Dieses Wesen wurde von Nirvus, dem Geschichtsschreiber Dorgons, als etwa zwei Meter groß, humanoid, kahlköpfig und mit roter Haut beschrieben. Dieser Cau Thon trug eine schwarze Kutte und besaß auf der Stirn ein auffälliges Mal, das wie drei Sechsen in terranischer Schrift aussah.

Dieser Fremde war vor wenigen Jahren in Dorgon aufgetaucht und hatte gegen die Galaktiker intrigiert. Er war es gewesen, der Thesasian von einer Gefahr durch die Milchstraße und den Ruhm einer Eroberung überzeugt hatte.

Demnach hatten die Galaktiker nicht nur die Dorgonen, sondern auch den Drahtzieher Cau Thon als direkten Feind. Julian Tifflor war am späten Abend noch eingefallen, dass er den Namen Cau Thon kannte. Aus den alten Hyperkomnachrichten der Eltern Despairs an Camelot war von einem Freund namens Cau Thon die Rede gewesen. Sie hatten Despair darauf angesprochen, doch der Silberne Ritter behauptete, er wisse auch nicht mehr als sie.

Aurec verfluchte diese Situation, während er sich im Bett unruhig hin und her wälzte. Er betrachtete die mit kunstvollen Wandteppichen verzierten Wände. Die Dorgonen achteten sehr auf Prunk und Luxus. Doch Dekadent waren sie keineswegs. Sie konnten keine direkte Konfrontation mit den Dorgonen suchen. Die neun Raumschiffe hatten nicht den Hauch einer Chance. Sollte es zu einem militärischen Kampf kommen, so brauchten sie Verstärkung aus Saggittor und Siom Som. Dazu waren Sam und Will Dean bereits unterwegs.

Man musste anders vorgehen, überlegte sich der Saggittone, während der Morgen langsam graute und die ersten Sonnenstrahlen am Firmament zu sehen waren.

Die diktatorische Regierung Thesasians konnte nicht nur Freunde haben. Es musste auch Widerständler geben. Vielleicht sollte man versuchen, diese als Verbündete zu gewinnen. In den Geschichtserzählungen Nirvus tauchte ebenfalls der Name eines Arachnoidenvolkes auf, die Charkos.

Aurec erinnerte sich an einen Bericht Cauthon Despairs, dass eine kleine Gruppe auf einem Dschungelplaneten die Überreste einer spinnenartigen Kultur entdeckt hatte. Möglich, dass es das Volk noch gab. Sie wurden damals von den Dorgonen ausgelöscht. Aurec glaubte nicht, dass diese Charkos gut auf die Dorgonen zu sprechen waren, sollte sie sich im Laufe der Zeit neu entwickelt haben.

Auch an diesem Punkt sollte man ansetzen.

Plötzlich summte sein Türmelder auf. Der Saggittone stand auf und begab sich rasch ins Bad, um sich etwas frisch zu machen und sich einen langen Bademantel überzuziehen. Dann lief er zur Tür und ließ den Besucher eintreten – es war Ulesia!

»Guten Morgen, Aurec!«, begrüßte sie ihn. Der Saggittone musste sich beherrschen, denn Ulesia bot einen unvergleichlichen Anblick.

»Guten Morgen, Ulesia! Ein überraschender, aber dennoch sehr angenehmer Besuch.«

Die Dorgonin lächelte.

»Ich wollte dich fragen, ob wir zusammen essen könnten?«

Aurec akzeptierte sofort diese Einladung und zog sich etwas für den Anlass passendes an. Es dauerte etwa zehn Minuten bis der Saggittone fertig war. Ulesia nutzte die Zeit, um sich etwas im Quartier Aurecs umzusehen. Sie entdeckte einige interessante Dinge, wie Waffen oder Nirvus Geschichtsdatenträger.

Als Aurec aus der Tür des Bads kam, drehte sich Ulesia überrascht um und versuchte den Memowürfel vor Aurec zu verbergen.

Misstrauisch ging der Saggittone zur Dorgonin und musterte sie streng. »Du hast in meinen Sachen geschnüffelt«, stellte er mahnend fest. Ulesia legte nur ein schwaches Lächeln auf ihre Lippen und gab den Memowürfel wieder dem Besitzer zurück.

»Du interessierst dich sehr für dorgonische Geschichte, besonders für die geplante Invasion.«

»Mag sein...«

»Ich könnte das dem Kaiser melden«, drohte Ulesia. Das Gespräch nahm eine unangenehme Wendung an. Aurec schloss die Tür und packte Ulesia Handgelenk.

»Dann werde ich dich wohl entführen müssen.«

»Warum? Bis du ein Galaktiker?«

»Nein, aber ein guter Freund! Ihr Dorgonen maßt euch an, eine friedliche Galaxis zu überfallen. Doch das werden wir nicht mit uns machen lassen. Die Galaktiker und Saggittonen werden diesen grotesken Überfall verhindern!«

Aurec erschrak selbst über diese Worte. Er verfluchte sich selbst. Warum hatte er Ulesia alles erzählt? Er konnte sie jetzt nicht mehr gehen lassen und musste sie auf die SAGRITON bringen, da die Dorgonin sonst alles verraten würde.

»Das ist auch meine Meinung und die meines Vaters!«

»Dein Vater ist Konsul dieses Regimes!«

Ulesia riss sich los und schlug Aurec mit der Handfläche ins Gesicht. Verdrossen schubste er sie aufs Bett, doch Ulesia packte ihn am Arm und zog ihn zu sich.

»Mein Vater ist ein Dorgone, doch er ist ein Demokrat und er will nicht, dass wir die Milchstraße überfallen«, verteidigte sie sich.

»Gib mir einen Grund, dir zu glauben«, forderte Aurec. Ulesia überlegte nicht lange und küßte Aurec leidenschaftlich. Er fühlte sich wie auf einer Wolke, als er die wohlschmeckenden Lippen der heißblütigen Dorgonin spürte.

Er rang nach Luft als sie wieder absetzte und versuchte den Drang nach mehr unter Kontrolle zu halten.

»Das überzeugt mich nicht ganz...«

»Was denn noch?«, fluchte die bildhübsche Dorgonin. »Mein Vater ist Anführer aller Rebellen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Thesasian abzusetzen und aus Dorgon eine Republik zu machen.«

Nun verfluchte sie sich selbst. Konnte sie dem Saggittonen trauen? Wer sagte denn, dass er nicht ein Agent des Imperators war.

Irgendetwas in ihrem Herz sagte es. Ein Gefühl des Vertrauens und der Zuneigung. Sie fühlte sich stark mit Aurec verbunden. Das Gleiche fühlte auch der Saggittone.

Beide küssten sich wieder und gaben sich ihrer Leidenschaft hin.

 

2. Die Wut eines Herrschers

Thesasians Wut hatte sich auch am nächsten Tag nicht abgebaut. Er sagte das Frühstück mit seiner Familie ab, was er sowieso seit dem Tod seiner Frau als nervenaufreibend ansah, und tagte mit Priamus und Vesus auf einem Landsitz. Thesasian wunderte sich über seine Aufregung. Ihm war sehr früh klar geworden, dass mit diesen ominösen Händlern etwas nicht stimmte. Dass die Galaktiker Spione nach Dorgon schickten, musste ihm spätestens seit dem Ausbleiben der Nachrichten von Seamus klar sein. Und das war es auch gewesen. Allerdings regte ihn diese Dreistigkeit der Galaktiker auf. Sie marschierten einfach so in seine Residenz, speisten mit ihm und hätten ihn töten können, wenn sie gewollt hätten. Ganz schnell wäre seine Ära zu Ende gewesen. Dieses Gefühl von Machtlosigkeit kannte er nicht. Und das störte ihn am meisten.

Thesasians Sommersitz lag auf dem von großen Gebirgen gekennzeichneten Kontinent Ägol. Auf Ägol war vor vielen Jahrtausenden die erste dorgonische Weltmacht, die der Ägonen, entstanden.

In der kleinen Stadt Emrim, einer der wenigen Ansiedlungen auf dem Erholungs- und Naturkontinent Ägol, stand eine gewaltige Statue des Domulus. Hier war er geboren worden. Der Palast Thesasians lag knapp 20 Kilometer südlich von Emrim auf einem Berg. Von hier aus konnte der Imperator das gesamte Tal und auch Emrim überblicken.

In Emrim gab es die Atumre-Gemeinschaft. Das waren streng religiöse Fundamentalisten, die noch den Gott Atumre und seine Gefährten aus der Galaxie Chepri verehrten. Thesasian hatte nichts für diesen uralten Kult übrig. Er glaubte sowieso an keinen Gott, sondern nur an die Stärke des dorgonischen Imperiums. Er wusste, dass Seamus sich jedoch sehr zu dieser Sekte hingezogen gefühlt hatte. Er hatte offenbar sogar erfolgreiche Nachforschungen in der Milchstraße angestellt. So hatte er zumindest behauptet. Nersonos hatte berichtet, dass Seamus Hinweise zu den alten Chepri-Göttern in der Milchstraße gefunden hätte.

Vielleicht hätte Seamus sich lieber auf die Lebenden und Realen in der fernen Galaxie konzentrieren sollen und nicht auf mythologische, okkulte Figuren aus der Vergangenheit.

Thesasian ließ den Blick über das Tal schweifen.

Er genoss diesen Ausblick. Am Fuße des Berges brandeten die Wellen des Ozeans. Ein erfrischender Wind blies durch die weißgrauen Haare des mächtigsten Mannes der Galaxis. Die Sonne schien und brannte leicht auf Thesasians Haut.

Thesasian trug ein rotes Gewand und blickte auf die schäumenden Wellen. Er hatte viel nachzudenken.

Die Galaktiker waren tatsächlich nach Dorgon gekommen, um die Invasion zu verhindern. Cau Thon hatte mit seiner Prophezeiung recht behalten. Diese Völker waren in der Tat sehr gefährlich. Sie besaßen eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, wenn sie glaubten, ihn mit neun Raumschiffen stürzen zu können.

Viele Senatsmitglieder, allen voran Konsul Uleman und Princips Protector Antonus, hatten von einer Invasion abgeraten. Galaxia, so nannten die Dorgonen die Milchstraße, war viel zu weit weg. Man sollte sich auf nahegelegene Galaxien konzentrieren, wie der große Kugelsternhaufen in diesem Cluster. Princips Protector Uleman war sowieso immer gegen alles. Das verwunderte Thesasian nicht bei ihrer Vorgeschichte. Allerdings hatte er gehofft, Uleman und dessen Sympathisanten damit zu locken, die Gleichheit der dorgonischen Kolonisten, ja sogar der Jerrer, zu erlauben, wenn sie erstmal für Ersatzsklaven aus der Milchstraße gesorgt hätten.

Thesasian hatte dennoch Agenten in diverse Galaxien entsandt. Einst hatten sogenannte Ewige Krieger versucht, Dorgon zu erobern. Sie waren gescheitert.

Auch hier hatte Cau Thon ihn bereits bestens vorbereitet. Der Fremde hatte von dieser Mächtigkeitsballung ESTARTUs gesprochen, die zu den Verbündeten der Galaktiker gehörten. Sollten die Terraner einen Angriff auf Dorgon starten, so wären die Galaxien Siom-Som, Trovenoor und wie sie alle hießen, sehr gut als Brückenkopf geeignet. Denn eines hatte Thesasian nicht bedacht. So sehr er von dem Sternenportal fasziniert war, auf den Gedanken, dass die Fremden diese Technologie ebenfalls benutzen würden, war er nicht gekommen.

Von der großen Kugelgalaxis mit dem Namen Druithora hatte Cau Thon jedoch abgeraten. Er hatte gesagt, dass dort bereits andere Bestrebungen im Gange waren, was immer er auch damit gemeint hatte.

Thesasian hatte erkannt, dass dieser Cau Thon die Dorgonen brauchte. Er konnte anscheinend nicht mit den Galaktikern fertig werden, deshalb benötigte er die Hilfe des größten Sternenvolkes, so Thesasian.

Auch wollte sich der ehrgeizige Kaiser ein Denkmal setzen. Dies konnte er nur durch einen besonderen Verdienst, wie seinerzeit Domulus, Sulvetius, Jusilus oder Decrusian. Die Eroberung einer fremden Galaxis war ein besonderer Verdienst. Damit war die absolute Vergöttlichung Thesasians sicher.

Er würde zu den fünf größten Imperatoren Dorgons zählen. Dies machte den Angriff auf Galaxia lohnenswert.

Thesasian hörte hinter sich Schritte. Es war Priamus, der bedacht an die Seite seines Freundes ging. Ihm war die Aufdeckung des Schwindels zu verdanken.

Die Galaktiker hatten tatsächlich die Dreistigkeit besessen, sich als saggittonische Händler auszugeben und sich dem kaiserlichen Hof anzubiedern. Der Imperator hätte am liebsten sofort diesen Aurec eigenhändig erwürgt, doch er wollte mehr über die Galaktiker herausfinden.

Sollten sie tatsächlich an der Verhinderung der Invasion interessiert sein, so würden sie sich dem dorgonischen Widerstand anschließen. Vielleicht konnte er durch die unfreiwillige Hilfe der Galaktiker endlich die verhassten Rebellen zur Strecke bringen.

Dank Priamus war die Spur der Galaktiker nun genau verfolgt worden. Ein aufstrebender Praefektus namens Carilla hatte den Konsul über eine Handelskarawane auf Cermium informiert. Von da aus waren sie nach Mesoph geflogen. Ebenso hatten Untersuchungen ergeben, dass das Sternenportal benutzt worden waren. Thesasian hatte die Exekution all jener angeordnet, die dieser Meldung keine Bedeutung beigemessen hatten.

»Gibt es Neuigkeiten?«, fragte nun Thesasian den Konsul von Mesoph.

»Nein. Die Galaktiker benehmen sich unauffällig. Jedoch machen sie ihre ersten Fehler. Sie spionieren viel herum und versuchen Informationen zu ergattern«, erklärte Priamus.

Natürlich konnte dies nicht unbemerkt bleiben, da die Identität und Absicht der Galaktiker und Saggittonen bereits aufgedeckt war.

In diesem Moment betrat auch Carigul die prunkvoll hergerichtete Terrasse. Der Sohn Thesasians trug eine glamouröse Uniform. Sein krauses Haar stand in alle Himmelsrichtungen, die stahlblauen Augen strahlten Fanatismus und Verwirrung aus.

Der stark von sich selbst überzeugte Dorgone stellte sich ebenfalls an die Brüstung und blickte auf das Meer hinaus.

Der Sohn Thesasians war es gewohnt alles zu bekommen und keinen Widerspruch zu ernten. Er genoss sein Leben in vollen Zügen, viel Alkohol, Frauen und Drogenexzesse. Thesasian war nicht immer angetan von dem Benehmen seines Sohnes, doch das änderte bis jetzt wenig.

»Der Tag ist unattraktiver geworden, denn ich sehe Galaxia nicht, Vater.«

Thesasian musterte seinen Sohn misstrauisch. Seit dem Tod seiner Mutter wurde Carigul immer exzentrischer.

Niemand hatte den Tod von Padarmia verkraften können. Auch der so harte Thesasian nicht. Jede Hürde hatte er genommen, nur diese nicht.

Thesasian war der Sohn von Thesufus und Ulesiara. Der junge Dorgone hatte eine gute Ausbildung in der Armee genossen und sich vor allem durch seinen Überblick und seine Intelligenz ausgezeichnet.

Nach dem Ableben des Kaisers hatte dessen Sohn Domanus den Thron besteigen sollen, doch dieser war auf eine Weise gestorben, die bis heute nicht genau geklärt werden konnte. Angeblich war er einer schweren Krankheit zum Opfer gefallen. Pytatos Witwe Kasia hatte Thesasians Vater geehelicht, nachdem dieser seine eigene Frau Ulesiara hatte umbringen lassen. Das war eine Tat gewesen, die Thesasian niemals seinem Vater hatte verzeihen können.

Er hatte seine Mutter so sehr geliebt. Doch für seinen Vater hatte nur die Macht gezählt. Er hatte nie Wertschätzung oder gar Liebe für seine Familie übrig gehabt. Thesasian hatte stets nur Strenge von Thesufus erhalten, Ulesiara war ihm eine gute Frau gewesen, doch sein Vater hatte sie spätestens nach der Geburt von Klaudius als minderwertig angesehen. Thesasians behinderter Bruder hatte die Ehe seiner Eltern schwer belastet. Thesufus hatte sich Kasia, die Kaiserin zur Geliebten gemacht. Seine Mutter musste trotzdem ihren ehelichen Pflichten nachkommen. Daraus war Alupia entstanden.

Doch seine eigenen drei Kinder hatten Thesufus nichts bedeutet. Nachdem er seine eigene Frau hatte umbringen, während Thesasian auf einer Militärübung im Protektorat Harrisch gewesen war, hätten nach Thesufus Willen auch Klaudius und Alupia hätten sterben sollen. Doch der junge, beherzte Centrus Priamus hatte sie gerettet, sein eigenes Leben riskiert, nur um die unschuldigen Geschwister seines Freundes zu retten.

Thesasian fühlte sich seither für Klaudius und Alupia verantwortlich. Auch wenn er sie nicht unbedingt herzte, so waren sie seine Geschwister. Sie hatten unter den traumatischen Erlebnissen ihrer Kindheit gelitten und besaßen nicht die psychische Stärke des Kaisers.

Die Zeit vor seiner Inthronisierung hatten Thesasian geprägt. Seine Mutter war ermordet worden und er selbst hatte seinen eigenen Vater hinrichten lassen.

Thesasian hatte die Macht Dorgons noch weiter gefestigt. Allein zu seiner Regentschaft wurde die Flotte um 100.000 Schlachtschiffe erweitert. Ebenso wurden die Städte Dorgons, Hesophias und Mesophs mit Prachtbauten erneuert. Die Gelder nahm er sich durch die Ausbeutung der Nichtdorgonen.

Seine jüngeren Geschwister Klausius, der 1199 geboren worden war und Alupia, die 1215 NGZ erst vier Jahre alt gewesen, als ihr gemeinsamer Vater ihre Mutter hatte ermorden lassen, um den Weg für den Thron frei zu machen, hatte Thesasian stets beschützt und sie unterwiesen. Klausius wurde trotz seiner spastischen Krankheiten zum Preconsus der Zentralwelt Dorgon. Alupia hielt sich offiziell aus der Politik raus. Sie schenkte schließlich Nersonos das Leben. Thesasian hatte selbst nur ein Kind: Carigul. Das Produkt seiner innigen Liebe zu Padarmia.

Im Jahr der großen Schlacht am Throgahn-Dreieck war dieser Cau Thon aufgetaucht. Wenige Jahre später war Padarmia verstorben. Ihr Tod hatte Thesasian als auch Carigul stark verändert. Das dunkle Geheimnis um ihren Tod kannten nur Thesasian selbst und Konsul Uleman, den er innig hasste, doch aus Respekt vor Padarmia behielten beide dieses Geheimnis für sich. Ihr Name sollte niemals beschmutzt werden.

Nach dem Besuch dieses Cau Thons hatte Thesasian den fähigen Preconsus Seamus zum Legaten ernannt und als Beobachter zusammen mit Dux Pretonus zur Milchstraße geschickt. Dort hatten sie eine Dekade wertvolle Aufbauarbeit geleistet und die Separatistenorganisation Mordred unterstützt. Das Ende kannte Thesasian nun.

»Galaxia...«, sprach Thesasian bedächtig.

»Du verstehst, dass ich mich viel mit Galaxia beschäftige, denn ich und Vesus werden schließlich den Feldzug anführen«, meinte Carigul hochtrabend.

Damit hatte er zweifellos recht, doch auch der Kaiser spielte mit dem Gedanken, selbst an der Invasion teilzunehmen.

»Die Galaktiker sind bereits hier«, erklärte Thesasian. Er berichtete seinem Sohn von dem doppelten Spiel der vermeintlichen Händler aus Saggittor.

Wütend nahm Carigul eine Vase und warf sie den Berg hinunter. Es dauerte eine Weile, bis das Gefäß auf den Klippen zerschellte.

»Ich werde diesen Aurec persönlich das Herz herausreißen«, schrie er, doch Thesasian gebot ihm Einhalt.

»Noch nicht, erst sollen sie mich zu den Rebellen führen, denn mit Sicherheit werden sie mit den Republikanern sympathisieren.«

Auch Carigul konnte dies nicht von der Hand weisen. Thesasian bedauerte, dass selbst gelehrte Dorgonen, wie Nirvus, auf den Trick hereinfielen und den Galaktikern sogar weiterhalfen. Carigul hatte ein seltsames Zucken im Gesicht, als er das hörte. Er verabschiedete sich schnell von seinem Vater und lief eilenden Schrittes zum Ausgang.

»Was hat er jetzt wieder?«, fragte Priamus, der sich vorher aus dem Gespräch heraus gehalten hatte.

Thesasian ließ eine Antwort aus und blickte wieder auf den Ozean. Er gab sich selbst die Schuld an Cariguls psychischen Problemen. Hätte er Padarmia nur besser verstanden, wäre sie nicht gestorben und Carigul niemals so geworden.

*

Nirvus gab am Abend eine Feier. All seine Freunde waren anwesend. Mit etwas Glück konnte er Nersonos davon überzeugen, nicht zu der Feier zu kommen, um ein Ständchen seiner neuesten Komposition zu halten.

An seiner Seite saß eine Sklavin. Sie war wunderschön und trug den Namen Mirsara, was auf dorgonisch soviel wie Blume bedeutete.

Nirvus hatte sie auf dem Sklavenmarkt gekauft und sehr gut behandelt. Nach einer Zeit verliebte Mirsara sich in den alten Geschichtsschreiber, der ihre Zuneigung erwiderte. Einige sahen das nicht sehr gern, da sie das Ansehen Nirvus für gefährdet hielten, doch Nirvus wahre Freunde respektierten seine Entscheidung.

Die Villa war, wie eigentlich alle aristokratischen Häuser auf Dorgon, prachtvoll und luxuriös eingerichtet. An den Wänden lief das Hologramm einer Küste. Das virtuelle, blaue Meer reichte bis zum Horizont. Wellen brandeten leise gegen die ebenso virtuelle Küste am Fuße der Wand. Auf der anderen liefen Sport- und Kampfübertragungen aus den Arenen. Einige der Gäste starrten gebannt auf die Wettkämpfe, da sie einen Haufen Geld auf bestimmte Athleten gesetzt hatten.

Nirvus erhob einen Becher Wein, welcher ihm von einem scheibenförmigen Servoroboter gebracht wurde.

»Meine Freunde, ich danke für euer Kommen. Genießt diesen Abend«, sprach er.

Plötzlich stürmten einige Soldaten in den Raum, welche von Carigul angeführt wurden. Der Sohn des Kaisers lief entschlossenen Schrittes zu Nirvus und forderte ein Gespräch unter vier Augen. Der Geschichtsschreiber entschuldigte sich bei seinen Gästen und zog sich mit Carigul in einen separaten Raum zurück.

Der Sohn des Kaisers lehnte sich an einen Sims über künstlichen Kamin und betrachtete seine Fingernägel. Nirvus sah ihn irritiert an.

»Was ist los, Carigul? Welchen Grund hast du meine Feier zu stören?«

»Denke scharf nach, alter Mann«, zischte der Dorgone zurück.

Nirvus schwieg.

»Du hast Feinden Dorgons, Geheimnisse des Reiches verraten«, beantwortete nun Carigul seine Frage. Nirvus war immer noch verwirrt. Er verstand nicht, was der designierte Nachfolger Thesasians von ihm wollte.

»Soll ich noch deutlicher werden? Du hast den Galaktikern und Saggittonen die gesamte Geschichte Dorgons verraten und vom Besuch des Cau Thon gesprochen! Du elender Narr, Aurec ist ein Handlanger der Galaktiker. Sie sind hier, um die Invasion zu verhindern!« Während Carigul sprach, wurde er lauter und lauter. Unfreiwillig bekamen die Gäste im Nebenraum von dem Disput etwas mit.

Carigul lief wütend auf und ab und fuhr sich mit der Hand durch seine gekräuselten, blonden Haare.

Nirvus starrte verlegen auf den Boden.

»Und ich habe ihnen die Unterlagen in gutem Glauben gegeben. Sie haben uns hintergangen...«

Carigul schrie laut auf und zog sein Schwert.

»Du altes Schwein hast uns hintergangen!«, brüllte er mit fletschenden Zähnen. Der alte Dorgone schüttelte den Kopf.

»Ich konnte doch nicht wissen...«

»Doch, du konntest!«

Voller Aggressionen schlug Carigul mit dem Schwert um sich. Nirvus begann um sein Leben zu fürchten. Der Sohn der Armee, wie man ihn oft nannte, hatte wieder einen seiner Anfälle bekommen.

»Ich werde mich persönlich bei Thesasian für mein Ungeschick entschuldigen«, erklärte er und hob besänftigend beide Hände. Carigul zeigte wenig Verständnis dafür.

»Du hast dein Leben verwirkt. Versager brauchen wir nicht und nun, Kopf ab!« Mit einem wuchtigen Hieb trennte Carigul das Haupt des Geschichtsschreibers ab, der sein letztes Kapitel nicht einmal mehr schreiben durfte.

Andere würden dies übernehmen, sofern sie jemals die Wahrheit erfuhren. Nach einer Weile hatte sich der Sohn des Imperators beruhigt und betrachtete leicht verwirrt seine Schandtat. Ein paar Gäste waren in den Raum gestürmt und sahen mit Grauen die Leiche Nirvus an.

Mirsara hastete zu dem toten Körper und weinte über den traurigen und an sich unnötigen Verlust. Carigul starrte die Sklavin verwundert an.

»Wer ist sie?«

»Seine Dienerin und Geliebte«, erklärte Marconius, ein anerkannter Dichter und Poet.

Cariguls Mundwinkel zuckten kurz, dann rammte er sein Schwert in den Rücken der wehrlosen Frau. Die Gäste wichen entsetzt zurück. Mirsara schrie leise, dann war sie wieder mit ihrem Geliebten vereint. Sie waren in einer Welt, in der sie vor Carigul sicher waren.

Der Mörder zuckte mehrmals mit dem Kopf. Es waren unkontrollierbare Zuckungen, die auf seinen Zustand schließen ließen. Dann fasste er sich wieder.

»Nirvus, der Arme, wurde Opfer der Rebellen. Er, seine Geliebte und Gäste wurden während einer Feier grausam hingerichtet. Im Badezimmer werden die Worte ›Nieder mit der Aristokratie – alle Rechte für die Bauern!‹ stehen«, sinnierte Carigul.

Was das bedeutete, wagte keiner der Gäste zu sagen. Auch die Soldaten sahen sich ungläubig an, doch Cariguls Befehl war unmissverständlich.

Die Freunde Nirvus wurden ohne eine Möglichkeit auf Begnadigung hingerichtet, das Haus verwüstet und die Nachricht in den Bädern mit Blut geschrieben.

Carigul glaubte, damit eine plausible Erklärung für seinen Ausrutscher zu haben. Er hatte eigentlich gar nicht vorgehabt, Nirvus auf der Stelle töten, doch wieder war sein Temperament mit ihm durchgegangen. Aber was sollte er machen? Es lag eben in seiner Natur.

*

Thesasian war von dem fingierten Mord wenig begeistert. Er schrie Carigul an und nannte ihn einen schwachsinnigen Schlächter.

Nirvus war ein treuer und weiser Berater Thesasians gewesen. Es war eine Verschwendung gewesen, ihn einfach hinrichten zu lassen.

»Aber Vater, so habe ich zum einen diesen alten Greis bestraft und zum anderen die Rebellen in Verruf gebracht«, wehrte sich Carigul. Auch sein ständiger Begleiter Pantipassius, der König des Sklavenvolkes der Jerrer, war in dem hoheitlichen Raum.

»Euer Herrlichkeit, du solltest deinen Sohn nicht für eine Heldentat bestrafen«, meinte er zum Kaiser, der ihn verwundert anstarrte.

»Du jerrisches, päderastisches Schwein wagst es, mir Ratschläge zu erteilen?«, fauchte der Kaiser zurück.

Schweißperlen rannen dem Jerrer von der gebräunten Stirn. Er drehte sich um und lief aus dem Raum, dabei hörte man ihn laut Schluchzen.

Thesasian blickte ihm verächtlich hinterher.

Priamus, Celusian und Vesus wagten kein Wort zu sagen. Jeder beobachtete die angespannte Diskussion zwischen Vater und Sohn.

»Was geschehen ist, können wir nicht wieder wettmachen. Ich hoffe, du hast deine Lehre daraus gezogen, Carigul!«

Ein strafender Blick musterte den Dorgonen von oben bis unten, dann sprach der Kaiser und Vater weiter: »Wir warten auf die Reaktion der Rebellen und werden die Galaktiker beobachten.«

Nun meldete sich auch der Dux Superior der glorreichen dorgonischen Flotte, Vesus zu Wort: »Einer unserer besten Agenten ist bereits dabei, Kontakt mit den Rebellen zu knüpfen. Er hat einen sehr gewagten Verdacht, der ein hohes Mitglied des Rates belasten würde. Jedoch will unser Spion erst genaueres sagen, wenn er Beweise hat.«

Thesasian nickte zufrieden.

»Sohn, es wird Zeit, dass du zusammen mit Vesus die Invasion vorbereitest. Tue jetzt etwas Sinnvolles und meide diesen Jerrer!«

 

3. Ein Saggittone in Dorgon

Aurec wanderte durch die prächtigen Straßen Doms. Allerdings trübte diese Sightseeingtour, da Aurec wusste, die Galaxis wurde von einer gnadenlosen Diktatur regiert. Zu viele Wesen litten und kamen nicht in den Genuss dieser Pracht.

Sollten sie erfolgreich gegen die Dorgonen bestehen, war der Krieg jedoch noch lange nicht vorbei. Es galt mehr über Cau Thon herauszufinden. Wer war er? Steckte er alleine hinter der ganzen Verschwörung oder war auch Thon lediglich ein Handlanger?

Aurec mochte gar nicht daran denken, was war, wenn auch noch Cau Thon im Dienste eines anderen handelte.

Je mehr Informationen sie bekamen, desto gewaltiger schien diese Verschwörung. Es musste ein bestens ausgeklügelter Plan zur Vernichtung der Milchstraße, insbesondere Terras, sein.

Nur von wem? Die Gedanken des Saggittonen drehten sich im Kreise. Er musste sich eingestehen, dass er die Antworten nicht wusste. Er konnte sie auch gar nicht wissen.

»So in Gedanken?«, hörte er eine sanfte Stimme neben sich. Überrascht drehte er sich zur Seite und erblickte Ulesia, die lächelnd, mit den Armen vor dem Bauch verschränkt, vor ihm stand.

»Ja, es gibt über vieles nachzudenken...«

Sie gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Das bereits totgeglaubte Gefühl war wieder da. Sie hatte sein Herz erhellt und ihm Liebe geschenkt. Es war wie ein Motivationsschub für den Saggittonen.

»Über die Milchstraße, Saggittor und Dorgon«, erklärte er. »Ich muss deinen Vater sprechen. Wenn er mit den Rebellen kooperiert, dann müssen wir uns verbünden. Nur so haben wir eine Chance gegen Thesasian und seine Anhänger«, fügte er hinzu.

Ulesia nickte und blickte bedrückt auf den Boden.

»Wir führen schon lange diesen Kampf. Jeden Tag die Angst, entdeckt zu werden. Doch es ist für eine lohnende Sache.«

Aurec lächelte sanft. Ulesia hatte die richtige Einstellung. Sie war eine Frau, die sich für Recht und Frieden einsetzte. Das gefiel ihm.

»Kann ich dir auch trauen?«, fragte sie plötzlich. Diese Frage schien ihr vermutlich seit heute Morgen auf der Seele zu liegen. Sie liebte Aurec offenbar, doch konnte sie sich seiner wirklich sicher sein?

»Ich schwöre es beim Grab meiner Familie!«

Das reichte ihr.

»Ich bringe dich zu Vater.«

 

4. Eine neue Koalition

Uleman saß in seinem Versteck. Sie waren in Katakomben unterhalb seiner Villa im Diplomatenviertel von Dom angelegt. Diese Katakomben führten in die Unterwelt, einem Hort von Gesetzesbrechern, was jedoch nicht unbedingt etwas negatives sein musste. Hier lebten auch die Ärmsten der Armen. Solange sie sich nicht an das Tageslicht wagten, ließ man sie gewähren. Ob nun dorgonische Kolonisten oder Nichtdorgonen. Sie hausten in der einst unterirdischen Stadt, die schon längst nicht mehr von Dorgonen I. und II. Klasse bewohnt wurde und ernährten sich buchstäblich von den Abfällen. Diese Wesen waren nicht unbedingt Ulemans Feinde, aber auch nicht seine Verbündeten. Sie lebten in ihrer eigenen, isolierten Welt, hatten längst alle Ideale verloren und würden vermutlich für eine warme Mahlzeit, den Widerstand sofort an Digalinus verraten. Offiziell war dieser Unterweltsitz ein Umschlagsplatz für alle möglichen Waren. So wurde auch von den Unterweltlern kein Verdacht geschöpfte.

Um ihn herum saßen einige seiner Verbündeten.

Seine rechte Hand war der Goner Flavus Brombus. Er war wie ein Schatten Ulemans und ihm loyal untergeben. Solche Leute brauchte der dorgonische Widerstand.

Ein weiterer seiner Männer war Krassus, ein junger und aufstrebender Dorgone, der in einer friedlichen Welt leben wollte, ohne das Banner des Imperiums.

Der Widerstand in der ganzen Galaxis hatte etwa fünf Millionen Anhänger, die aktiv in Ulemans Freiheitsbewegung waren. Doch es gab noch viel mehr, die eine Änderung des Systems wollten, sich jedoch nicht trauten, öffentlich zu fordern.

Neben der Unterwelt Doms war Ulemans Hauptwelt Hesophia der Sitz der Rebellen. In einer geheimen Unterwasserwelt schlug das Herz des Widerstands.

Uleman hatte seine Jugend auf Hesophia als Sohn des Preconsus verbracht. Er hatte eine höhere Schule besucht und ein Studium in Politik- und Wirtschaftswissenschaft abgeschlossen. Schnell war er in die Politik gegangen und hatte als Consus einige Kolonien Hesophias verwaltet. Dort war ihm das Leid vieler Wesen das erste Mal bewusst aufgefallen. Es waren Jerrer, Algonnen, Goner und vor allem Nichtdorgonen, wie Ponas, Elevus, Puruden und Harriden.

Erst mit 61 hatte er die schöne Sadane geheiratet und vor 31 Jahren seine erste Tochter Ulesia bekommen. Vor 16 Jahren hatte seine zweite Tochter Arimad das Licht der Welt erblickt.

Uleman hatte vor 35 Jahren die Nachfolge seines Vaters angetreten und in dem Preconsus Erastos einen geistigen Verbündeten gegen die Politik Thesasians gefunden.

Beide hatten den Entschluss gefasst, einen Widerstand gegen die Monarchie zu gründen. Ihr Ziel war es, eine friedliche Galaxis zu schaffen, in der jedes Lebewesen die gleichen Rechte hat.

Auf Hesophia wurde die alte Unterwasserstadt Tiranus als Rebellenstützpunkt benutzt. Während Uleman mit mehr Bedacht vorgehen wollte, war Erastos ein Hitzkopf, der Thesasian vor 12 Jahren am Throgahn-Dreieck in eine Falle locken wollte, doch die Übermacht war zu groß gewesen. Erastos war gestorben und die Rebellen aufgerieben worden.

Es war eine der glorreichsten Schlachten Dorgons, so die Geschichtsschreiber. Damals hatte sich Vesus verdient gemacht und war zum Dux Superior aufgestiegen.

Seit dieser Schlappe hatte Uleman noch viel versteckter und vorsichtiger agiert, vor allem um seine Familie nicht zu gefährden. Doch das war nicht so einfach gewesen. Beinahe hätten persönliche Gefühle sein Ende bedeutet. Ulemans Frau war zwei Jahre vor der großen Schlacht gestorben. Uleman, der seit jeher einen guten Kontakt zu Thesasians Frau Padarmia gepflegt hatte, war einsam gewesen. Und sie war es auch gewesen, denn ihr Mann der Kaiser lebte nur für sein Imperium. Dabei liebte Thesasian sie wirklich. Das wusste Uleman. Und es war die einzige Gemeinsamkeit, die sie verband. Mit Schaudern dachte Uleman an die traurige Nacht vor 13 Jahren zurück. Schon damals waren Uleman und Thesasian große Widersacher gewesen und hatten sich im Forum Preconsus immer wieder gestritten. Doch in jener Nacht war die Situation eskaliert. Uleman wollte nicht weiter darüber nachdenken.

Der Princips Protektor von Mesaphan brütete über den Bericht von der Ermordung Nirvus. Er war erschüttert, denn Nirvus war ein weiser und gerechter Mann gewesen. Sein Tod war ein ethischer Verlust für die Dorgonen.

Doch auch die Lüge über den Überfall der Rebellen stimmte ihn wütend. Wer außer Thesasian oder seine verrückte Brut konnte auf solch eine Idee kommen, fragte sich der dicke Mann.

»Wir müssen ein Dementi verfassen«, forderte der grünhäutige Brombus. Krassus stimmte ihm zu. Uleman seufzte laut und kratzte sich am Hinterkopf.

»Ihr habt recht, doch wird man uns glauben? Nirvus war im Reich sehr beliebt und auch von Thesasian geschätzt. Ich kann nicht verstehen, warum er ihn umgebracht hat. Welchen Sinn hatte das?«

Niemand im Raum wusste darauf eine Antwort.

Totenstille herrschte zwischen den Beteiligten. Erst Ulemans ältere Tochter brach das Schweigen, wenn auch nur für eine kurze Zeit, denn nach der Begrüßung erstarrten Uleman und seine Gefolgsleute, als sie sahen, dass Ulesia von Aurec begleitet wurde.

Erst langsam überwand Uleman den Schock. Aurec stand vor ihm und wirkte entschlossen. Uleman wusste nicht, ob der Saggittone als Freund oder als Feind gekommen war.

An dem leichten Lächeln Ulesias konnte der große, grauhaarige Dorgone mit dem kräftigen Nacken jedoch sehen, dass Aurec nicht als Feind hier war. Er kannte dieses Lächeln nur zu gut. Es barg eine Nuance von Stolz in sich.

»Darf ich dir einen Abgesandten der Galaktiker vorstellen«, sprach Ulesia hochtrabend und deutete mit den Fingern auf Aurec.

Krassus blies überrascht durch die Zähne. Der Anführer der Rebellen war jedoch skeptisch.

»Ich nahm an, du seiest ein Saggittone?«

»Das bin ich auch. Doch die Saggittonen sind enge Freunde der Bewohner aus der Milchstraße, besonders der Terraner. Zusammen mit Julian Tifflor, einem der Unsterblichen und Gefährten Perry Rhodans, bin ich hier, um diese hinterhältige Invasion zu verhindern.«

Perry Rhodan war für Uleman bereits ein Begriff. Der Name und die Person Perry Rhodans wurden in den Propagandaberichten des Reiches stets als personifiziertes Böses beschrieben. Es hieß immer, Rhodan plane Dorgon anzugreifen und man müsste ihm deshalb zuvor kommen.

Uleman wusste, dass das Unsinn war, doch das gemeine Volk glaubte dem Kaiser. Die Integrität Thesasians war unumstritten. Er hatte viel geleistet und stand nun kurz davor, neue Geschichte zu schreiben. Sollte die Invasion der Milchstraße mit Erfolg gekrönt sein, war Thesasians Platz an Seite von Sulvetius, Domulus, Jusilus und Decrusian gesichert.

»Wie kann ich dir trauen, Saggittone?«

Aurec lächelte.

»Ich könnte dir von der Milchstraße und Saggittor erzählen, doch das würde wenig nutzen, da du sie nicht kennst. Du wirst mir vertrauen müssen. Wir sitzen im selben Boot, wie ein altes terranisches Sprichwort so schön sagt.«

Uleman blickte seine Tochter fragend an. Sie vertraute Aurec. Dann tat er es auch. Vielleicht war das ein Wink des Schicksals. Endlich waren sie nicht mehr allein. Sie hatten neue Verbündete gefunden.

Uleman ging zu dem Saggittonen und reichte ihm die Hand in Freundschaft. Ohne zu zögern ergriff Aurec sie.

Ulesia erklärte, dass sie Aurec über die Rebellenbewegung informiert hatte.

»Wie viel Schiffe habt ihr? Reicht es aus, um Thesasian zu stürzen?«, wollte Brombus wissen. Aurec schüttelte mit dem Kopf.

»Wir haben nur diese zehn Schiffe, mit denen wir in der Galaxis angekommen waren. Davon ist eines zu der sehr nahegelegenen Mächtigkeitsballung einer Superintelligenz aufgebrochen, um dort um Hilfe zu bitten«, erklärte der Saggittone.

Brombus fing an sarkastisch zu lachen.

»Neun Schiffe – wahrlich eine große Streitmacht gegen die 300.000 Adlerschiffe Thesasians!«

Uleman gebot ihm Einhalt.

»Was habt ihr denn zu bieten?«, fragte Aurec schnippisch.

»Auch nicht viel. Ungefähr 10.000 Schiffe, die jedoch der Technik der Adlerschiffe unterlegen sind. Wir haben uns darauf beschränkt, einen stillen und geheimen Krieg zu führen.«

Aurec verstand. Dieser Krieg schien jedoch nicht sonderlich erfolgreich zu sein. Sie hatten zwar neue Verbündete gefunden, doch die Situation erschien nicht besser. Vielmehr hatten sich zwei verzweifelte Parteien gefunden, die am selben Strang zogen.

»Dennoch sind wir von nun an Alliierte und wir werden alles daran setzen, die Invasion zu verhindern«, meinte Aurec entschlossen.

»Und wie?« fragte Krassus.

»Nun, zuerst würde es uns helfen, wenn ihr uns mehr über die Technologie der Adlerraumschiffe verratet. Ich nehme an, dass ist kein Geheimnis für einen Konsul?«

»Nein, Saggittone, das ist es nicht. Doch…«

»Doch willst du mir tatsächlich die Konstruktionspläne übergeben, damit wir die Adlerraumschiffe vernichten könnten? Dann wäre ja Dorgon ohne Schutz. Ist es das?«

Uleman biss auf die Unterlippe und nickte.

»Nun, dann werden wir chancenlos bleiben.«

Uleman atmete tief durch. Der mächtige Oberkörper bewegte sich dabei sichtlich auf und ab.

»Also gut, Saggittone. Ich werde euch Informationen über die Offensiv- und Defensivbewaffnung der Adlerraumschiff geben.«

Aurec lächelte zufrieden. Das war ein guter Anfang.

 

5. Ein alter Freund

Monderos war ein stolzer Soldat. Sein ganzes Leben wollte er dem Kaiser dienen und dem Reich Glorie bescheren. Nie hatte er richtig über den eigentlichen Sinn seines Tuns nachgedacht.

Die Karriere war ihm am wichtigsten. Seine Jugendliebe hatte er dafür aufgegeben. Sie war das bezauberndste Mädchen, was er kennengelernt hatte, doch er hatte sie verspielt.

Erst jetzt, nachdem er Zeuge des brutalen Mordes an Nirvus wurde, kamen ihm Zweifel. Das war nicht das glorreiche heroische Reich, dem er dienen wollte?

Carigul, der Sohn des Imperators, seines Gottes, war ein plumper Mörder. Eine Bestie! Einst würde Carigul Kaiser werden. Was sollte dann aus Dorgon werden?

Plötzlich war ihm klar, dass er nur einen blinden Befehlsempfänger gespielt hatte. Nie hatte er die Autorität seiner Vorgesetzten angezweifelt. Doch nun... sie waren Mörder!

Carigul, der den Mord ausgeübt hatte, wie auch Thesasian, der ihn billigte. Sie waren keine Götter, sie waren genauso menschlich wie alle in dieser Galaxis. Das Töten war immer eine grausame Eigenschaft des Dorgonen gewesen.

Er erkannte nun seine Fehler und wollte sie wiedergutmachen. Wie konnte er das? Monderos erste Tat war, seine alte Jugendliebe aufzusuchen.

Ulesia! Seine Beine schlotterten. Dieses Gefühl im Bauch hatte er lange nicht gehabt. Alte Gefühle kamen hoch, als er sich der Villa Ulemans näherte.

Der hochgewachsene, schlaksig wirkende Dorgone schritt langsam zum Eingang hin, in der rechten Hand einen Blumenstrauß.

Sein Herz schlug höher. Er informierte eine Bedienstete über seinen Besuch. Die dunkelhäutige Sklavin vom Kolonialvolk der Uzuaken lief eilig die Treppen hinauf und rief Ulesia.

Die wiederum erwartete jemand anders, als die Uzuakin ihr von einem hochgewachsenen jungen Mann erzählte, der auf sie wartete. Die Verliebte dachte natürlich an Aurec. Die Überraschung war umso größer, als sie ihren ehemaligen Geliebten vor sich sah. Abrupt stoppte sie an der Eingangstür. Ihr Lächeln erstarb.

»Was willst du hier?«, fauchte sie ihm entgegen.

Er senkte bedrückt den Kopf. Sie hatte ihm immer noch nicht verziehen.

»Ich bitte um Vergebung!«

»Reichlich spät, was?«

»Es sind einige Dinge passiert, die mich zum Nachdenken gezwungen haben...«

»Du kannst denken?«

Diese Sticheleien schmerzten Monderos sehr. Er drehte sich um, damit sie seine Verzweiflung nicht erkennen konnte. Eine Träne floss von seinem Gesicht.

»Mein Weltbild ist zusammengebrochen«, sagte er mit weinerlicher Stimme.

Ulesia erkannte die Verzweiflung in seinen Worten. Sie riss sich zusammen.

»Was ist passiert?«

»Mein Kaiser, meine Herren... sie sind keine Götter, sondern gemeine skrupellose Mörder...« Die Stimme klang gebrochen.

Ulesia legte ihre Hand auf seine Schulter und drehte ihn langsam zu sich hin. Sie blickte in seine traurigen Augen. Er schämte sich für diesen Anblick. Stets war er ein stolzer und unverwundbarer Soldat gewesen. Monderos hatte an die Unfehlbarkeit seiner Herren geglaubt und wurde nun schonungslos vom Gegenteil überzeugt. Er hatte erkannt, welchem Irrglauben er erlegen war.

»Sie haben Nirvus umgebracht. Es waren nicht die Rebellen. Es war Carigul selbst! Er wollte Nirvus bestrafen, weil er unbewusst Informationen an die Galaktiker weitergegeben hatte...«

Ulesia erschrak, als sie dies hörte.

Carigul hatte Nirvus auf dem Gewissen. Diese Nachricht war viel wert. Bevor sie jedoch ihrem Vater Bescheid geben konnte, musste sie sich um Monderos kümmern. Der alten Zeiten wegen wollte die Dorgonin ihn nicht hängen lassen. Sie empfand immer noch etwas für Monderos, auch wenn sie Aurec liebte, so verband die beiden eine tiefe Freundschaft, die zwar zeitweise eingefroren, jedoch nicht tot war.

Sie fasste einen heiklen Entschluss, nämlich Monderos zu trauen. Ulesia erklärte dem Dorgonen, dass ihr Vater Anführer der Rebellen war und fragte Monderos, ob er sich ihnen anschließen würde.

Der Soldat war zuerst überrascht und bat um Bedenkzeit, die ihm Ulesia jedoch nicht geben wollte. Sie konnte ihn nicht wieder gehen lassen, dazu wusste er nun zuviel.

»Es gibt kein zurück mehr, Monderos!«

Der schlaksige Dorgone erkannte, es war eine Zeit des Umbruchs. Verbrecher waren an der Macht, die nichts mehr mit Ruhm und Glorie für Dorgon zu tun hatten.

»Ich werde mich euch anschließen«, sprach der Offizier bedächtig.

Ulesia lächelte und umarmte ihre Jugendliebe. In dem Moment kamen auch Uleman, Julian Tifflor und Aurec, die eine Besprechung gehalten hatten.

»Ich nehme nicht an, dass die Charkos uns helfen würden. Wie wir wissen, gibt es nur noch primitive Nachfahren der Arachnoiden, die ziemlich feindselig sind«, meinte Uleman.

Tifflor stimmte zu.

»Ja, Cauthon Despair war auf einem Kolonialplaneten auf diese recht aggressiven Nachfahren getroffen. Nein, ich denke nicht, dass wir auf diese Wesen zählen können.«

Aurec blieb erstarrt stehen, als er sah, wie Ulesia zärtlich von dem Dorgonen umarmt wurde.

»Es ist so schön, dich wieder zu spüren«, hörte der Saggittone seinen vermeintlichen Rivalen flüstern. Energisch schritt Aurec zu den beiden.

»Wer ist das?«, fragte er barsch.

Uleman blickte die drei verblüfft an.

»Monderos! Was zum Teufel macht der hier?«

Ulesia erklärte sofort, was ihr Monderos berichtet hatte. Während sie davon erzählte, warfen sich Aurec und Monderos giftige Blicke zu.

Der Saggittone war unter keinen Umständen bereit, auf seine neue Liebe zu verzichten. Er brauchte Ulesia. Sie gab ihm Kraft und Motivation diese schweren Zeiten zu überstehen.

Monderos ging zu Uleman und kniete nieder.

»Ich biete dir mein Leben. Einst hatte ich viele Fehler gemacht. Ich verriet meine Liebe und mein Land, indem ich Thesasian diente. In tiefster Demut bitte ich, mich euch anschließen zu können.«

Diese in Aurecs Augen viel zu theatralische Ansprache verfehlte ihre Wirkung jedoch nicht. Uleman zeigte sich gerührt und legte seine Hand auf den Kopf des jungen Dorgonen.

»Du bist uns herzlich willkommen, Monderos. Wenn Ulesia dir vergeben kann, kann ich es auch. Setze von nun an deine Kraft zum Wohle allen Lebens in Dorgon ein!«

»Ich schwöre es!«

Über Tifflor Lippen huschte ein Lächeln, während Aurec mit versteinerter Miene dem Schauspiel folgte. Er traute diesem Monderos nicht. Warum, konnte er nicht sagen. Wahrscheinlich gestand er sich nicht ein, dass eine ziemliche menschliche Regung ihn dazu veranlasste; Eifersucht!

Wer ist dieser Monderos?«

»Ein alter Freund«, antwortete Ulesia leise.

Aurec war aufgebracht und verhielt sich ziemlich atypisch. Er war in der Tat eifersüchtig. Viel zu lange hatte er auf Liebe verzichten müssen, als dass er sie nun kampflos aufgeben würde.

»Nur ein alter Freund? Dein Vater kannte ihn auch und hatte ihm verziehen. Was hatte er ihm verziehen?«, wollte der Saggittone wissen.

Ulesia verschränkte die Arme vor dem Bauch. Wer sie besser kannte, wusste, dass dies ein Anzeichen von Trotz und Wut war.

»Wir waren vor einigen Jahren verlobt. Er wollte mich heiraten, doch die Armee war ihm wichtiger und wir lösten uns voneinander. Seitdem hatte ich ihn nicht wieder gesehen...«

»Und nun empfängst du ihn mit offenen Armen?«, rief Aurec erstaunt.

»Weil ich ihn auf eine gewisse Weise noch immer liebe«, erklärte die hübsche Dorgonin leise. Sie hoffte, damit Aurec nicht zu verletzten, doch genau das tat sie. Resignierend fiel Aurec in einen Sessel und starrte auf den Boden. Er verwünschte sich selbst. Wie konnte er so einem Impuls wie Liebe nachgeben? Langsam erkannte er, dass er, wie die Unsterblichen, anders war als die normalen Wesen.

Aurec konnte einfach keine normale Familie gründen und ein harmonisches Leben führen. Das Abenteuer lockte ihn zu sehr. Und wenn er nicht das Abenteuer suchte, dann suchte es ihn.

Eine Beziehung, so hart das auch klang, war hinderlich und brachte ihn von dem eigentlichen Sinn seiner Mission ab. Nun war er noch zusätzlich geschwächt, sein Herz gebrochen, sein Stolz verletzt.

»Ich verstehe«, sagte er dumpf. »Dann werde ich euch nicht im Weg stehen. Ich wünsche dir viel Glück mit ihm.«

Ulesia verstand den Sinn in Aurecs Worten nicht. Erst nach einigen Momenten begriff sie, was er damit meinte. Schnell ging sie zu ihm und hinderte Aurec daran, das Zimmer zu verlassen.

»Ich liebe ihn wie einen Freund. Viel zu sehr verband uns damals, um ihn zu hassen oder ihm gleichgültig gegenüber zu stehen. Aber dich liebe ich anders. Mit dir will ich mein Leben verbringen. An deiner Seite will ich kämpfen!«

Bevor der Saggittone etwas darauf antworten konnte küßte Ulesia ihn leidenschaftlich. Schnell wich Aurecs Selbstmitleid und machte der Leidenschaft Platz.

 

6. Die kaiserliche Familie

Nersonos lungerte in einer düsteren Kneipe am Rand der Innenstand. Neben ihm saß Digalinus, der enge Vertraute Nersonos und ranghohe Offizier der Prettosgarde, der Leibgarde des Kaisers.

Zu einer rhythmischen Musik wippte der Neffe des Imperators auf seinem Sitz hin und her, schwang seinen Bierkrug und grölte das Lied nach.

»Eines Tages bin ich Kaiser, mein guter Digalinus. Dann werde ich ein rauschendes Fest geben. Dann wird es viel Freibier, Frauen und Männer geben«, blubberte Nersonos vor sich hin und nahm einen kräftigen Zug vom Bier, wobei die Hälfte der Flüssigkeit auf seine Brust floss.

»Ich dachte du wolltest trinken und kein Bad nehmen«, erklang die dunkle Stimme Cauthon Despairs, der nach einer Weile auch dieses Gasthaus gefunden hatte.

Der Silberne Ritter hatte den Auftrag, sich mehr um Nersonos zu kümmern. Der labile Neffe des dorgonischen Monarchen vertraute Cauthon Despair, der ihm das Leben gerettet hatte. Dies galt es auszunutzen.

Nersonos blickte Despair verwirrt an, nachdem dieser die Worte gesprochen hatte und fing dann laut an zu lachen. Er warf den Bierkrug gegen die Wand und schrie nach dem Wirt.

»Mehr Bier!«, gellte Nersonos und sofort wurden neue Krüge gebracht. »Dein Humor ist ausgezeichnet, mein neuer Freund!«

Despair nickte nur und setzte sich zu Digalinus und seinem neuen »Freund« Nersonos. Dieser nahm eine Schatulle mit einem Stab, in dem sich etwas befand. Nersonos injizierte es sich in den Arm. Cauthon wusste sofort, dass es sich hierbei um Drogen handelte.

Nersonos genoss sein Leben sehr.

»Ich stoße an«, sprach er langsam und verlor dabei beinahe den Halt, doch bevor er rückwärts vom Stuhl fallen konnte, hatte ihn Despair bereits gepackt. Nersonos grinste nur.

»Ich stoße an... auf Nirvus. Den armen guten Nirvus, den mein toller Vetter einfach einen Kopf kürzer gemacht hat!«

»Nicht so laut«, riet Digalinus.

Despair wusste bereits davon, denn Aurec hatte ihm von Monderos berichtet, der Zeuge des Massakers wurde. Die Dorgonen schienen vor nichts zurückzuschrecken.

»Er war ein Besserwisser, aber auch ein guter Gesellschafter. Ich werde dich vermissen«, lallte Nersonos.

Nach einer Schweigeminute fing er wieder an, schallend zu lachen. »Jetzt feiern wir wieder. Stechen wir ein neues Fass an«, jubilierte er.

Der Blick des kaiserlichen Dorgonen fiel plötzlich auf zwei seltsame Dorgonen, die sehr leicht und feminin gekleidet in einer Ecke standen und sich ebenfalls ungeniert Drogen injizierten.

Einer der beiden warf Nersonos einen leidenschaftlichen Blick zu und fuhr mit der Zunge über seine Lippen.

Der gedrungene Adlige kicherte laut.

»Wo wir schon von anstechen sprechen, entschuldigt mich!«

Heftig schwankend erreichte Nersonos die gegenüberliegende Ecke und unterhielt sich bestens mit den beiden Männern.

Anschließend verschwanden sie in ein Nebenzimmer. Was dort passierte, wollte sich Cauthon Despair gar nicht erst vorstellen.

Auch Digalinus schüttelte den Kopf und bezahlte.

»Er kommt da heute bestimmt nicht mehr heraus. Wir sollten wieder zum Palast gehen«, erklärte der Offizier.

»Wie hatte Thesasian auf den Mord von Nirvus reagiert?«, erkundigte sich Cauthon Despair. Digalinus schwieg, denn er wusste, dass er einen Feind vor sich hatte. Der Silberne Ritter war ein Galaktiker und die Galaktiker waren der Grund für den Tod von Nirvus.

»Darüber weiß ich nichts. Es ist besser, du vergisst diesen Vorfall ziemlich schnell. Die Rebellen haben Nirvus getötet. Nersonos weiß nicht, wovon er redet. Er ist betrunken.«

Mit diesen Worten verabschiedete sich Digalinus von dem Galaktiker.

Despair beschloss, noch eine Weile durch die Stadt zu laufen. Er musste über vieles nachdenken.

Zum einen war da immer noch Sanna Breen. Er liebte sie. Zumindest glaubte er, sie zu lieben, denn er selbst hatte noch niemals wahre Liebe erfahren. Woher sollte er also wissen, wie dieses Gefühl war?

Sie gab seinem Leben wieder einen Sinn. Doch Despair fürchtete sich, sie zu enttäuschen, sie zu verletzten und für immer zu verlieren. Vielleicht konnte er Sanna als Freund besser gebrauchen.

Die anderen Gedanken wanderten um Nersonos. Welchen Nutzen hatte dieser Dorgone? Er war so verkommen, wie man nur verkommen sein konnte. Despairs anfänglicher Plan, Thesasian abzusetzen und Nersonos als neuen Kaiser einzusetzen, erschien ihm wenig hilfreich, denn Nersonos würde das dorgonische Volk sicher nicht positiv lenken.

Die Lage war noch immer verzweifelt.

 

7. Pläne für die Zukunft

Anfang September 1292 NGZ

Eine geheime Besprechung wurde in Ulemans Villa einberufen. Neben Uleman selbst, Ulesia, Monderos, Brombus und Krassus waren noch Aurec, Joak Cascal, Julian Tifflor, Sam Tyler und Cauthon Despair anwesend.

Uleman übergab dem Saggittonen einen Datenspeicher über die Technologie der Adlerraumschiffe.

Ein Datenblatt über die Stärke der gesamten dorgonischen Streitkräfte wurde zur Verdeutlichung gezeigt.

Die Galaktiker waren schockiert. Das Reich besaß 350.000 voll kampffähige Adlerschiffe. Die Rebellen hatten dem vielleicht knapp 15.000 Einheiten entgegenzusetzen. Das Kräfteverhältnis war sehr unausgeglichen.

Noch besaßen sie jedoch den Vorteil, unentdeckt agieren zu können. Niemand wusste, dass Uleman der Anführer der Rebellen war. Er konnte den Senat noch immer teilweise beeinflussen und seine Machtposition ausnutzen.

Politiker des Forum Preconsus besaßen eine natürliche Immunität, die nur vom Kaiser aufgehoben werden konnte, was allerdings auch häufig vorkam.

Symbolisch wurde in dieser Konferenz eine Allianz zwischen den Saggittonen, den Galaktikern und den rebellischen Dorgonen beschlossen, die bereits mündlich von Aurec und Uleman zuvor besiegelt worden war.

Man beriet nun über die weitere Vorgehensweise. Auch Lorif und Irwan Dove nahmen zum späteren Zeitpunkt an der geheimen Sitzung teil.

Viel Neues konnten sie jedoch nicht berichten. Die Hoffnung, dass Uleman eine Waffe gegen den Hypertronschirm haben könnte, erwies sich als Luftschloss.

Es war den Rebellen bisher nicht gelungen, die Schwächen der übermächtigen Waffen des Reiches zu finden, obgleich sie die Technologie kannten. Jedoch fehlten ihnen die Mittel, um entsprechende Offensivwaffen zu bauen. Aurec hoffte, dass Lorif und die Wissenschaftler der Expedition nach der Analyse der Technologie schon eine Idee haben würden. Bisher konnte sich Aurec unter den Waffennamen wie Transonator, Hypertron-Impulser oder Semi-Transit-Feld und Hypertronschirm reichlich wenig vorstellen. Es waren Begriffe, die ehrfürchtig von den Separatisten genannt wurden. Gemessen an der Zähigkeit der HESOPHIA in der Milchstraße, waren es vermutlich jedoch sehr gefährliche Waffen.

Trotzdem schöpfte man Mut aus der neuen Allianz.

Julian Tifflor war über diese Entwicklung froh. Er sah die Dinge, trotz der schier unüberwindlichen Übermacht Thesasians, wieder in einem helleren Licht.

Der Unsterbliche war zuversichtlich, dass sich ihnen wie immer eine Lösung bot und man das dunkle, drohende Schicksal, welches über der Milchstraße wie ein Damoklesschwert hing, abwenden konnte. Doch der Zellaktivatorträger konnte nicht ahnen, dass Thesasian in Dorgon allmächtig war...

 

8. Im Dunkel der Nacht

Dom, die Hauptstadt der Dorgonen, lag von der Nacht verdunkelt und schweigend da. Nicht mehr viel regte sich in der gigantischen Stadt, die den Kontinent Patronn vollständig bedeckte. Bei genauem Hinsehen würde man allerdings Bewegungen erkennen können, denn natürlich schläft eine solche Stadt niemals. Ruhe war ein Fremdwort auf einer Welt, die für einen Krieg rüstete, welcher für mehrere fremde Galaxien eine große Gefahr bedeutete.

Im Augenblick lag die Gefahr allerdings ganz auf der Seite der Dorgonen. Menschen, Eindringlinge aus der fernen Galaxis Milchstraße, die auf der Wunschliste Thesasians ganz oben lag, waren in die Galaxis der Dorgonen eingedrungen und brachten große Gefahr für die Pläne des Herrschers und die Freiheit der Dorgonen.

So jedenfalls die offizielle Lesart.

Nicht alle Dorgonen jedoch glaubten daran.

Karakus wandelte einsam durch die Straßen einer unbelebten Vorortsiedlung. Vorort war allerdings relativ, denn eigentlich lag die kleine Ansiedlung fast in der Mitte des Kontinents. Der Palast war jedoch immerhin vierhundert Kilometer entfernt, daher war es durchaus berechtigt, von einem Vorort zu reden.

Karakus sah sich nicht um, um kein Aufsehen zu erregen. Er war nur ein Bürger, der durch die Straßen der Stadt ging und seinen eigenen Geschäften nachging. Unauffällig warf er einen Blick in die Runde, der allerdings keine versteckten Verfolger offenbarte.

Karakus hatte Angst.

Offenbar hatte der Kaiser herausgefunden, was sich da im Untergrund zusammenbraute. Der Wunsch nach einem Senat, der eine mehr demokratische Form der Regierung ermöglichen würde, war verständlich, allerdings aus Sicht des despotischen Alleinherrschers vollkommen inakzeptabel. Noch hatte Thesasian die Fäden der Macht in der Hand und konnte den Rebellen große Probleme bereiten, was er im Augenblick auch tat. Es war jedenfalls nicht mehr unbedingt sicher, allein durch die Straßen der Stadt zu gehen.

Andererseits waren größere Gruppen auch nicht sehr unauffällig.

Daher hatten sich die Rebellen entschlossen, zu Fuß und allein in Richtung ihrer Versammlung zu gehen, um so zu ermöglichen, dass so viele wie möglich ihr Ziel erreichen würden. Andernfalls könnte es durchaus sein, dass viele der Rebellen zu gleicher Zeit gefasst wurden.

Bisher hatte Karakus aber noch niemanden gesehen, der in irgendeiner Form verdächtig war.

Andererseits war Dom auch einfach zu groß, um wirklich vollständig bewacht werden zu können. Hoffentlich fand niemand heraus, in welchem Vorort die Versammlung stattfinden sollte.

Karakus passierte einige erleuchtete Straßen, die gesäumt waren von Vergnügungseinrichtungen. Leicht bekleidete Dorgoninnen standen auf der Straße und boten ihre Dienste feil. Die Prostitution blühte genauso, wie andere unwürdige Vergnügungen. Spiele, bei denen Menschen geopfert wurden, waren ein weiteres Beispiel für die zunehmende Dekadenz der Dorgonen, die erschreckenderweise immer tiefer in eine Spirale zu geraten schienen, die nur zu einem Ziel führen konnte.

Früher oder später würde das Volk der Dorgonen untergehen, wenn niemand etwas dagegen tat.

Glücklicherweise hatte sich in der Gestalt des Princips Protectors Uleman eine Figur gefunden, die im Reiche Dorgons genügend Ansehen genoss, um eine größere Zahl von Anhängern um sich zu versammeln. Sollte es den Rebellen gelingen, einige Erfolge zu erzielen, dann würde sicher mit der Zeit eine Mehrheit gegen den Kaiser aufstehen und dieses Volk endlich wieder in eine Richtung bringen, die eine Weiterentwicklung ermöglichen würde.

Karakus schaute sich wieder um und warf einen Blick in eine dunkle Seitengasse. Im Hintergrund glaubte er, einige Gestalten zu erkennen. Er war sich nicht sicher, aber das leise Stöhnen, welches er hörte, klang fast, als würde jemand in Schwierigkeiten sein. Vorsichtig schob er sich in die Seitengasse und presste sich an eine Hauswand. Er ging im Schutz der Dunkelheit immer tiefer in die Gasse hinein. Abfallschächte lagen in seinem Weg, boten ihm aber auch gleichzeitig Deckung. Langsam wurden die Geräusche lauter und der Rebell hatte immer mehr den Eindruck, dass er sich nicht allein in der Gasse befand. Irgendwo vor ihm waren wohl Menschen, und wie es sich anhörte, war einer davon in Gefahr, denn in diesem Moment konnte er deutlich einige Worte verstehen.

»Nein«, vernahm er, keuchend zwischen den Lippen hervor gepresst, dann hörte er einen dumpfen Laut, dem ein Würgen folgt. Offenbar wurde hier jemand nach allen Regeln des Straßenkampfes verprügelt. Und jeder Dorgone weiß, dass Straßenkämpfe keine Regeln hatten.

»Nimm das, du Verräter«, vernahm er nun eine andere Stimme, die ihm klarmachte, dass es sich bei dem Dorgonen, der da in Bedrängnis war, durchaus um einen Verbündeten handeln konnte.

»Nieder mit dem Kaiser«, erklang nun fast schon deutlich die erste Stimme, allerdings begleitet von einem Husten.

Karakus spitzte die Ohren. Entweder war der Mann bereits in der Gruppe der Widerständler, oder er würde es bald sein, denn in diesem Moment fasste der Rebell einen Entschluss.

Er zog sein Schwert aus dem Gürtel und drückte auf einen verborgenen Knopf. Die Klinge begann zu vibrieren. Blitzschnell sprang er hinter einem der Abfallschächte hervor und wirbelte das Schwert über den Kopf.

Vier Männer sprangen erschreckt von einem fünften zurück, der auf dem Boden saß und leise vor sich hin keuchte. Als niemand mehr auf ihn einprügelte, zog er sich mit den Händen über den Boden, bis er die Wand erreichte, gegen die er keuchend sank, und wischte einen Blutstropfen von seiner Nase. Karakus nahm die Handbewegung nur aus den Augenwinkeln wahr.

Er konzentrierte sich voll auf seine Gegner, die nacheinander nach ihren Waffen griffen. Nun kam es darauf an, inwiefern er sich auf seine Kampftechniken zu konzentrieren verstand und wie gut der Gegner ausgebildet war.

Breitbeinig nahm er die Grundhaltung der Schwertkämpfergilde ein und hielt das Schwert im Winkel von ungefähr 45 Grad nach oben gerichtet.

Der erste der Gegner schlug zu. Karakus bewegte sich nur leicht, gerade so viel, wie nötig war, um den Schlag zu parieren. Noch ging er nicht zum Gegenangriff über.

Die vier Männer bewegten sich auf ihn zu. Zwei blieben vor ihm, während die anderen zwei weitergingen und ihn von hinten bedrohten. Karakus fühlte sich nicht sehr wohl, er erinnerte sich, wie er noch wenige Augenblicke zuvor über die Regeln eines Straßenkampfes gedacht hatte. Er war in großen Schwierigkeiten.

Zwei der Männer bewegten sich gleichzeitig auf ihn zu. Karakus wusste, dass er jetzt konsequent reagieren musste, um sich zumindest einen der Gegner vom Hals zu schaffen.

Die Waffen der beiden Angreifer schwangen zurück.

Blitzschnell riss der Rebell die Waffe hoch und ließ sie quer durch die Luft gleiten. Sie prallte gegen eines der Schwerter und parierte einen wuchtigen Hieb. Die ebenfalls vibrierende Klinge des anderen prallte ab und für einen winzigen Augenblick war die Chance da. Die Waffe des Rebellen zuckte vor und stieß in den Hals des Dorgonen. Eine der Schlagadern wurde zerrissen, die Kehle des Mannes regelrecht zerfetzt. Der Schrei, den er ausstieß, wurde zu einem Gurgeln. Er sank zu Boden, das bekam Karakus aber schon nicht mehr mit.

Sein Schwert wirbelte hinter seinen Körper und parierte einen Hieb, der von einem anderen der drei Angreifer geführt wurde. Er drehte sich auf dem Absatz, ging gleichzeitig in die Knie und führte von unten herauf einen Stich gegen den Bauch eines weiteren Angreifers. Die Kleidung des Mannes wurde genauso zerrissen, wie sein Unterleib. Stöhnend presste er die Hände gegen die Eingeweide und sank zu Boden. Ungläubig blickte er auf etwas rosa schimmerndes, das er in der Hand hielt. Er wurde blass und versank in einer gnädigen Ohnmacht, aus der er nie wieder erwachen würde.

Karakus hatte davon nichts mehr mitbekommen, denn er ließ sein Schwert bereits wieder vor den beiden verbleibenden Kämpfern herumwirbeln. Die Männer wichen langsam vor ihm zurück, offenbar hatten sie es mit der Angst zu tun bekommen. Karakus folgte langsam und brachte sich dabei zwischen den Verletzten und die Angreifer. Der Dorgone lehnte noch immer mit dem Rücken an der Wand und schaute ansonsten dem Kampf fast amüsiert zu.

Die beiden verbliebenen Angreifer warfen einen Blick auf ihre toten und schwerverletzten Kameraden und entschieden sich dann aber dazu, ihr Heil lieber in der Flucht zu suchen. Sie wichen noch einige Schritte weiter zurück. Karakus folgte ihnen nicht. Er beobachtete, wie sie die Klingen deaktivierten und dann durch die dunkle Gasse davonrannten.

Langsam wandte er sich um und blickte auf den Mann nieder, der verwegen grinste.

»Ich bin sicher, du weißt, was hier gespielt wurde«, meinte der Verwundete, dann versuchte er, sich aufzurichten. Hustend sank er wieder zurück. Karakus griff ihm unter die Arme und half ihm, auf die Füße zu kommen.

»Ich habe genug davon mitbekommen.«

Der Mann stützte sich auf die Schulter des Rebellen, der sein Schwert deaktivierte und in den Gürtel steckte. »Dann verstehe ich allerdings nicht, warum du mir geholfen hast. Du hättest eher den anderen helfen sollen, oder nicht?«

»Ich glaube nicht, dass die meine Hilfe gebraucht hätten. Was hier passiert ist, ist letztendlich nur ein weiteres Indiz dafür, dass etwas mit dieser Welt nicht stimmt. Ich habe die Absicht, das zu ändern.«

»Du musst verrückt sein. Wie solltest du alleine es schaffen können, gegen einen ganzen Planeten und einen verrückten Kaiser anzukämpfen?«

»Gar nicht.« Als der Verwundete den Mund wieder öffnete, hob der Rebell die Hand. »Keine weiteren Fragen. Du wirst alles erfahren, was du wissen musst. Jetzt folge mir.«

Der Mann nickte. Schweigend gingen sie weiter durch die Straßen der nächtlichen Stadt. Nur die Sterne der nördlichen Hemisphäre schimmerten durch die Dunkelheit und brachten zusätzlich etwas Licht zu den um diese Zeit energiesparend herunter gedimmten Straßenlaternen.

 

9. Der Neuling

Karakus wanderte schweigend neben dem Fremden her, der sich bisher noch nicht vorgestellt hatte. Seit dem Kampf waren nur wenige Minuten vergangen. Der Vorort war nach wie vor sehr dunkel, die Nacht lag immer noch über der Stadt. Der Fremde, den Karakus gerettet hatte, schwieg und stellte auch keine weiteren Fragen, wohin sie gehen würden oder wieso Karakus so sicher war, dass es eine Möglichkeit gegen den Kaiser geben würde.

Schließlich aber brach Karakus das Schweigen, weil ihm klar war, dass er nicht einfach mit einem völlig Fremden am Treffpunkt auftauchen durfte. Wenn er nicht einmal einen Namen präsentieren konnte, dann würden sicher einige misstrauisch bleiben. Karakus war sich über den Fremden noch nicht im Klaren, aber er war sich sicher, dass dieser Mann Feinde hatte. Wahrscheinlich wäre er ohne sein Eingreifen bereits tot.

»Wer bist du?«

Der Fremde warf ihm einen raschen Seitenblick zu, ging aber schweigend weiter. Karakus wollte ihn in seinen Gedanken nicht stören, er war sicher, dass der Fremde ihn genau verstanden hatte.

»Ein Verfemter«, meinte der Mann schließlich, was allerdings nicht allzu sehr weiterhalf. »Ein Mann, der sich im falschen Augenblick mit den Wächtern dieser Stadt angelegt hat. Ich habe im falschen Moment das Richtige gesagt. Natürlich wird das weder der Kaiser noch einer seiner Schergen akzeptieren, deshalb haben sie mir klargemacht, wohin mich das führen kann.«

Er schwieg wiederum, dann blickte er Karakus von der Seite an.

»Ist dir klar, dass du einige der Wachen des Kaisers schwer verletzt, wenn nicht gar getötet hast? Das werden sie sicher nicht auf sich beruhen lassen.«

»Kann schon sein. Ein Grund mehr, dass sie mich jagen, was soll's? Glaubst du, dass sie mich in den dunklen Gassen der Stadt gesehen haben?«

»Nein, das denke ich nicht. Aber das will nichts heißen. Bei den Möglichkeiten heutzutage können sie dich trotzdem irgendwie erkannt haben. Oder gar einen Satelliten irgendwo platziert haben, der den Kampf live in den Palast übertragen hat.«

»Das ist eher unwahrscheinlich. Dom ist groß und wenn sie dieses Gebiet gescannt haben, dann müssen sie einen Grund haben. Wenn sie etwas wissen, dann gibt es für uns keinen Grund, irgendetwas anders zu machen, denn letztendlich sitzen wir sowieso auf einem Schleudersitz. Ein Fehler und wir sind erledigt.«

Er verstummte abrupt, als er erkannte, dass er im Prinzip bereits alles enthüllte. Eigentlich wollte er das anderen überlassen und immerhin war da auch noch ein Rest Misstrauen, der geblieben war. Der Mann war angegriffen worden und er war sichtlich verletzt. Aber wäre er wirklich umgebracht worden, wenn er, Karakus, nicht vorbeigekommen wäre? Wäre er überhaupt da gewesen? Wussten sie womöglich mehr, als sie alle dachten?

Karakus schüttelte diese Gedanken ab. Sie führten zu nichts, höchstens zu einer gewaltigen Paranoia. Sie mussten natürlich vorsichtig sein, aber wo kein Gegner war, da sollte man besser auch keinen sehen. Man musste sicher aufpassen, aber wenn man mit der Angst zu weit ging, dann konnte das erst recht zu Fehlern führen, die auf Dauer tödlich enden würden.

Trotzdem hörte er an dieser Stelle besser zu reden auf.

Glücklicherweise verstummte auch der andere und fragte nicht weiter. Karakus fiel auf, dass er letztendlich nichts erfahren hatte. Er hatte nur Informationen preisgegeben, die er besser für sich behalten hätte. Nachdenklich ging er weiter, den neuen Begleiter immer an der Seite.

Nach einiger Zeit, die beide in Schweigen verbrachten, tauchte das Haus vor ihnen auf. Karakus betätigte den Türsummer, indem er einen geheimen Zahlencode eingab und wartete auf ein Zeichen aus dem Inneren, dass man ihn erkannt hatte.

Es dauerte auch nicht lange, da glitt die Tür links zur Seite. Niemand erschien in dem Durchgang, aber das hatte Karakus auch nicht erwartet. Er durchschritt die Pforte, nicht ohne seinem Begleiter einen Wink zu geben, mit ihm zu kommen. Ruhigen Schrittes betrat er das konspirative Haus, in dem sich eine regionale Gruppe der Rebellen zu einem Treffen versammeln wollte. Er war sich darüber im Klaren, dass die Mitverschwörer im ersten Augenblick über den Neuankömmling nicht sehr begeistert sein würden. Aber dieses Risiko musste er wohl eingehen.

Niemand stellte sich ihnen in den Weg, als er das Wohnzimmer betrat, in dem bereits sieben seiner Freunde anwesend waren. Keiner sagte ein Wort, aber alle beäugten den Fremden misstrauisch. Karakus gab dem Mann einen Wink, sich zu setzen. Er gehorchte schweigend.

»Jetzt ist es an der Zeit, mein Freund, deine wahre Identität zu enthüllen.«

Er trat in den Hintergrund und beobachtete die weitere Entwicklung schweigend. Er würde sich in die bevorstehende Unterhaltung nicht einmischen, das war nicht seine Aufgabe. Er würde Rede und Antwort stehen, wenn jemand Fragen hatte, aber das war auch alles.

»Mein Name ist Spacus«, gab der Neuling endlich seine Identität preis. »Was ich beruflich mache, tut wohl nichts zur Sache. Privat bin ich jedenfalls sehr interessiert in Politik und ein erklärter Gegner des Kaisers. Das hat mich auch in nicht unerhebliche Schwierigkeiten gebracht, aus denen mich Ihr Freund da gerettet hat.«

Er wies mit dem Kinn auf Karakus, während er einen Arm gegen seinen Körper presste und leicht stöhnte.

»Holt ihm einen Arzt. Er musste einiges einstecken.« Kurz schilderte Karakus, in welcher Situation er Spacus vorgefunden hatte. Die Mitglieder der Gruppe nickten.

Lydia kümmerte sich um die Verwundung des Spacus. Dabei stellte sich heraus, dass der Mann mehrere Rippen gebrochen hatte und auch sonst nicht unerheblich verletzt war. Es musste schon fast als ein Wunder gelten, dass er es überhaupt geschafft hatte, bis zum Haus der Verschwörer auf seinen eigenen Beinen zu gehen. Aber mit den Mitteln der Medizin, die in diesen Tagen auf Dorgon üblich waren, konnte die völlige Bewegungsfähigkeit von Spacus wiederhergestellt werden. Er war damit noch nicht geheilt, das würde immerhin einige Tage dauern, aber er konnte wenigstens seine verletzten Körperteile gebrauchen ohne behindert zu werden.

Nach der Einführung des neuen Mitglieds der Rebellenbewegung gingen die Verschwörer auf einige Punkte ein, die zu besprechen man sich getroffen hatte.

 

10. Die Allianz zum Scheitern verurteilt

Despair ließ nachdenklich seinen Blick in die Runde schweifen. Eine illustre Gesellschaft hatte sich vor dem Kaiser versammelt.

Da war zum einen der Kaiser selbst, der durch den Mord an seinem Vater und dessen Frau sehr bekannt geworden war. Der Kaiser der Dorgonen war ein großgewachsener Mann, der nicht mehr ganz jung war, was durch die graue Haarfarbe noch unterstrichen wurde. Er war schlank und seine grauen Augen strahlten eine Intelligenz aus, welche unterstrich, dass er diesen Posten zu Recht schon seit vielen Jahren innehatte.

Nersonos hingegen war eher untersetzt, kleiner als der Kaiser. Despair hatte ihm vor einigen Tagen das Leben gerettet, als einige Freischärler versucht hatten, ihn zu eliminieren.

Nersonos war sein Bezugspunkt, auch wenn sich der Silberne Ritter vor diesem Mann ekelte. Der Neffe des Kaisers war nicht nur ein schlechter Poet, er trank, nahm Drogen, hatte Geschlechtsverkehr mit Dutzenden von Männern und Frauen und keine Achtung vor dem Leben. Schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen auf der HESOPHIA vor knapp zwei Jahren hatte Despair ihm nicht viel abgewinnen können. Nersonos war ein verzogener Lebemann, impulsiv und unberechenbar.

Auch Carigul war anwesend, ein kleiner, bösartig blickender Mann, der stark zu Wutausbrüchen neigte und bei vielen sehr unbeliebt war.

Vesus passte eigentlich nicht zu den anderen. Er war diszipliniert und ein vollkommener Militarist. Er war nicht umsonst der Oberbefehlshaber der dorgonischen Flotte.

Despair mochte eigentlich keinen der Versammelten. Für seinen Geschmack waren die Dorgonen viel zu dekadent, außerdem neigten sie dazu, jähzornig zu sein und sie missachteten das Leben. Allerdings war der Tatendrang des Thesasian ungebrochen. Vielleicht merkte er, dass die Dorgonen auf eine gefährliche Epoche zusteuerten, welcher bereits die Arkoniden einst anheim gefallen waren. Dorgon schien für Fortschritt zu stehen. Nachdem die Galaxis M100 nun besiedelt war und es nichts mehr zu erobern oder zu entwickeln gab, wenn der natürliche Wettkampf und die Herausforderung für eine Rasse fehlte, da war sie zur Degeneration verdammt. Mit einer Invasion in die Milchstraße würde sich das ändern.

Vesus lief entschlossenen Schrittes zu den Gemächern des Imperators. Auf dem Weg dorthin traf er Klausius, der zur Bibliothek schlurfte.

»Gut... en M.. mor... gen, V... V... V... Vesus«, stotterte der Bruder Thesasians, der spastische Veranlagungen hatte, die nicht geheilt werden durften. Das beruhte auf einen alten Glauben, dass die Götter mit Absicht jene Menschen mit Geburtsfehlern so auf die Welt schickten. Daher war es verboten, sich genetisch verändern zu lassen.

»Sei gegrüßt, edler Klausius. Es ist am besten, du folgst mir sogleich, denn ich habe endlich den Kopf der Rebellen!«

»Oh«, machte Klausius nur und entschloss Vesus hinterher zu humpeln.

Thesasian hielt gerade eine Beratung mit dem bierbäuchigen Celusian, dem Kommandanten aller Bodenstreitkräfte.

»Was gibt es, Vesus?«, fragte er in gewohnt strengem Ton nach.

Auch Priamus war anwesend. Der beste Freund Thesasians hatte beschlossen, solange auf Dorgon zu bleiben, bis das Problem mit den Rebellen gelöst war.

»Unser Agent?«

Vesus stockte als er Cauthon Despair sah. Thesasian verstand schnell.

»Nersonos, zeige doch deinem neuen Freund die Gärten. Unverzüglich!« Der Neffe des Imperators machte einen pikierten Eindruck, doch er fügte sich dem Befehl seines Onkels. Despair verwünschte diese Situation, denn anscheinend hatte Vesus Agenten in die Widerstandsgruppe eingeschleust.

Er musste umgehend Aurec darüber informieren, doch während er den Raum verließ, bemerkte er einige Wachen, die ihn beobachteten und auf Schritt und Tritt folgten.

Schon wenige Minuten später wurden die beiden wieder in den Thronsaal gerufen.

Die grauen Augen des Kaisers fixierten den Silbernen Ritter. Sie funkelten wütend, als er sich an den Galaktiker wandte.

»Also haben wir doch tatsächlich einen von euch hier. Händler wollt ihr sein, die friedlich in diese Galaxis gekommen sind, war es nicht so? Du sogar ein Mitglied der Mordred, jener Organisation, die wir gutmütig unterstützt haben. Dummerweise haben wir einige von euch erwischt, wie sie gemeinsame Sache mit Rebellen gegen meine Würde als Kaiser machen. Was hast du dazu zu sagen?«

Despair blieb vollkommen ruhig, unter seiner Rüstung war ihm keine Regung anzumerken. Er äußerte sich nicht und schließlich ergriff Nersonos das Wort.

»Mein kaiserlicher Onkel, ich kann nicht erkennen, warum wir den Händlern misstrauen sollen. Schließlich hat mir dieser hier das Leben gerettet. Das hätte er sicher nicht getan, wenn er gegen uns arbeiten würde.«

»Schweig«, brüllte der Kaiser der Dorgonen wütend. Sein Gesicht rötete sich, er drehte sich zu Nersonos um. »Ich will hören, was er dazu zu sagen hat, nicht dein Gejammer, verstanden?«

Nersonos zuckte leicht zusammen. Er neigte den Kopf und gab damit zu erkennen, dass er die Anweisung des Kaisers vollkommen verstanden hatte.

»Nun, was hast du dazu zu sagen, Despair?«

Immer noch war nicht zu erkennen, was sich im Kopf des Silbernen Ritters abspielte. Schließlich erklang seine Stimme durch den Helm leicht gedämpft, aber jeder der anwesenden Dorgonen konnte ihn deutlich verstehen.

»Ihr habt recht, Kaiser. Wir alle kommen aus der Milchstraße, die ihr den Namen Galaxia gabt. Unsere Mission ist, die Milchstraße vor euch zu retten.«

Der Kaiser nickte triumphierend und warf einen Blick in Richtung von Nersonos. Aber Despair war noch nicht fertig. Er redete weiter und die Dorgonen ließen ihn gewähren. Niemand, nicht einmal der Kaiser, wagte es, ihn zu unterbrechen.

»Das gilt allerdings nicht für mich. Ich bin Teil der Mordred gewesen, die auf euren Befehl hin unter dem Kommando von Seamus in der Galaxis aktiv geworden ist. Ich war die Nummer Zwei der Mordred, die Nummer Eins ist leider tot, getötet von dem Unsterblichen Perry Rhodan«, äußerte er, in Verdrehung der Tatsachen. »Ich habe nur zum Schein die Seiten gewechselt, damit ich euch besser dienen kann, Kaiser. Welche Wahl hatte ich denn? Ich sah die einzige Chance darin, das Vertrauen der Galaktiker zu erschleichen und sie zu begleiten. Doch tief in meinem Herzen stehe ich zu meinen alten Idealen. Daher habe ich auch Nersonos das Leben gerettet.«

Wieder verstummte er und wartete gespannt auf eine Reaktion des Herrschers der Dorgonen. Für einige Zeit herrschte vollkommenen Stille im Raum, niemand wagte, etwas zu sagen, bevor nicht der Kaiser gesprochen und sein Urteil verkündet hatte.

»Hört sich gut an, was du erzählst, Cauthon Despair. Leider glaube ich dir nicht ein Wort. Mag sein, dass du in Galaxia für uns gearbeitet hast, aber das ist schon lange her. Dein Opportunismus könnte mir gefährlich werden, falls er echt ist. Ich glaube dir jedenfalls nicht. Sperrt ihn ein, wir werden später über sein Schicksal beraten.«

Die Wachen nickten und nahmen den Mann mit der Rüstung zwischen sich. Gemeinsam verließen sie den Thronsaal und gingen in Richtung des Gefängnistraktes der Burg, welcher in den unteren Geschossen, noch unter der Erde, zu finden waren, wie sich das für Gefängnisse gehörte, die vorwiegend dazu dienten, missliebige Gefangene von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Ob man aus diesem Gefängnis wieder heraus kam, war eine sehr zweifelhafte Sache.

*

Schweigen herrschte im Thronsaal, noch wagte niemand zu reden. Dann jedoch äußerte sich Nersonos und er wagte es, seinem Onkel zu widersprechen.

»Kaiser, ich glaube nicht, dass deine Entscheidung richtig war. Er hat mir das Leben gerettet und die Galaktiker verraten. Hätte er das wirklich getan, wenn er gegen uns arbeiten würde? Ich würde ihm vertrauen, schließlich vertraut er auch uns, sonst hätte er sich sicher nicht offenbart.«

Der Kaiser schwieg. Langsam drehte er seinen Kopf in Richtung seines Neffen und blickte ihn lange an. Dann schüttelte er den Kopf.

»Ich hätte mehr von dir erwartet, Nersonos. Offensichtlich bist du für deinen Posten ungeeignet, oder wie soll ich dieses Verhalten sonst verstehen? Er ist ein Verräter. Ob er uns oder sein Volk verraten hat, werden wir schon noch herausfinden. Bis dahin misstrauen wir ihm, das ist in jedem Fall sicherer. Also höre endlich auf, mir zu widersprechen, oder du wirst dich in ernsthaften Schwierigkeiten wiederfinden.«

»Aber Onkel...« Viel zu spät erkannte er, dass er sich einen Fehler geleistet hatte. Auch wenn er sein Onkel war – es war immer besser, den Kaiser mit seinem Titel anzureden. Thesasian mochte es an manchen Tagen nicht, wenn er so tituliert wurde. Heute war solch ein Tag!

Niemand wagte, etwas zu sagen. Der Kaiser schaute nur vorwurfsvoll in das Gesicht seines Neffen. Dann wies er mit der Hand zur Tür. Schweigend verließ Nersonos den Raum, froh, nicht bestraft worden zu sein. Thesasian hätte ihn durchaus zum Militärdienst verdonnern können.

Immerhin war die Reise nach Galaxia vor zwei Jahren auch eine Strafe gewesen, weil Thesasian aus Nersonos einen Mann hatte machen wollen.

In Zukunft musste er sich besser vorsehen, dachte er, während er den Raum verließ und in Richtung seiner Unterkünfte ging. Traurig beschloss er, erst einmal eine Ode an die Trauer zu verfassen, im Gedenken an seinen Freund Despair und in der Hoffnung, seinen Onkel mit seiner Dichtkunst erfreuen und sich wieder mit ihm versöhnen zu können. Ruhigen Schrittes näherte er sich seiner Suite.

Oh, ich bin so traurig.

Nein, was bin ich klagend.

Mein Herz, das ist feurig,

so wie die Sonne …

Nersonos hielt inne. Was reimte sich auf klagend? Er musste doch einen Reim Vers dichten.

So wie die Sonne… schlagend? Tragend? Fragend?

Nersonos seufzte. Ihm war heute nicht nach einem Gedicht. Er setzte sich zu Bett, injizierte sich eine der Drogen und rief einen algonnischen Lustsklaven und dessen Schwester zu sich.

*

Die Konferenz im Thronsaal hingegen ging auch ohne den Neffen des Kaiser weiter. Carigul traute sich endlich, den Mund aufzumachen, als er erkannte, dass sein Vater seine Wut auf den Neffen konzentrierte.

»Wir sollten uns rächen und die Rebellen vernichten. Die Galaktiker müssen ohnehin sterben, erstens sind sie hierher gekommen, um uns zu vernichten und Dorgon zu erobern.« Hier übertrieb er natürlich gewaltig. »Und zweitens sind sie offenbar mit den Rebellen einen Pakt eingegangen. Vater, wir sollten einen Maulwurf in die Reihen der Rebellen einschleusen. Ich kann das gerne übernehmen, wenn ihr wollt. Sicher werden wir es so schaffen, das Versteck der Rebellen zu finden und die Hintermänner festzunehmen. Es ist an der Zeit, dass wir endlich etwas unternehmen, wir können nicht länger hinnehmen, dass die Rebellen euch eure Macht wegnehmen wollen.«

Das war schon eher das, was der Kaiser hören wollte. Er nickte wohlgefällig zu den Worten seines Sohnes und gab ihm den Auftrag, alles Nötige zu veranlassen. Auch sein Sohn verließ nun den Raum.

»Nun, Vesus, was denkst du über die Situation?«

»Kaiser, ich folge euren Befehlen. Wir haben bereits Agenten in der Organisation, wie ich eingehend schon bemerkte. Es ist unnötig, dass Carigul sich der Sache annimmt, ich habe alles unter Kontrolle. Schon morgen werde ich dir den Namen des Rebellenführers nennen können.«

Er schlug die Hacken zusammen und machte eine Ehrenbezeigung.

»Wohl gesprochen. Ich warte auf deine Erfolgsmeldung.«

Wieder machte der Kommandant der kaiserlichen Flotte eine Ehrenbezeigung und drehte sich auf dem Absatz um. Gemessenen Schrittes verließ er den Thronsaal.

Das Katz- und Mausspiel mit den Galaktikern war nun endgültig vorbei! Es würde nur noch wenige Tage andauern, dann würden die Galaktiker und die Rebellen mit einem Streich vernichtet werden.

 

11. Die Technik der Dorgonen

Aurec und Julian Tifflor hatten sich wieder in ihr Hotel in Dom zurückgezogen. Trabon Saranos untersuchte mal wieder die Räume nach Abhöranlagen, doch er wurde nicht fündig.

Aurec und Tifflor hatten einen Abstecher über das Sulvitalon genommen. Das Sulvitalon war die Uraltstadt Doms. Das Viertel war ein einziges Museum mit Relikten, Bauten und Touren durch die dorgonische Geschichte. Hier waren die beiden auch auf Hinweise zu einer Verbindung zwischen dem pharaonischen Ägypten und Dorgon gestoßen. Tifflor hatte sich mit eigenen Augen davon überzeugen können, dass die Statuen einiger Götter durchaus Ähnlichkeiten zu Horus, Anubis und anderen Göttern aus der terranischen Mythologie hatten. Allerdings war dieser Götterkult in Dorgon inzwischen nur noch eine Randkultur.

Es hieß, dass Atumre der Vater DORGONs war und Götter wie Anjetus und Nebtadjeser zusammen mit Atumre aus der fernen Sterninsel Chepri gekommen waren und nach einigen Jahrhunderten in eine andere Galaxie aufgebrochen waren. Ob damit die Milchstraße gemeint war? Falls dem so war, hatte wohl einst eine raumfahrende Spezies existiert, die sowohl die Entwicklung der Dorgonen als auch der Terraner beeinflusst hatte? Das wäre beinahe zu phantastisch.

Der Posbi Lorif und der Wissenschaftler Timo Zoltan erreichten das Quartier.

»Neuigkeiten?«, fragte Tifflor hoffnungsvoll.

»Oh, ja! Sir, wir haben die Daten von Uleman ausgewertet«, erklärte der Posbi. Lorif legte eine Kunstpause ein. Tifflor wurde langsam ungeduldig und auch Aurec wartete gespannt auf die Ergebnisse.

Lorif ging zu einem Tisch und stellte ein Terminal auf. Er baute eine drahtlose Datenverbindung auf und ein Hologramm erschien.

»Ich gehe davon aus, dass ihr euch nichts Genaues unter diesen dorgonischen Daten vorstellen könnt. Deshalb erkläre ich nun den Aufbau der dorgonischen Waffen.

Ich beginne mit den Defensivwaffen: Der Hypertronschirm funktioniert im Prinzip genauso, wie ein herkömmlicher Paratronschirm. Das heißt, dass er auftreffende Energien und Materie in den Hyperraum ableitet.

Jedoch hat der Hypertronschirm ein andersgeartetes Energiegefüge als der Paratron. Und das funktioniert folgendermaßen:

Beim Errichten des Hypertronschirms bildet sich um das Schiff herum ein Feld, in dem praktisch die normalen physikalischen Gegebenheiten aufgehoben werden. Die Grenzen zwischen Normalraum und Hyperraum verschwimmen. Auftreffende Energien müssen nicht durch eigene Energieaufwendung, wie beim Paratron, abgeleitet werden, sondern sie leiten sich selbst ab, indem sie durch ihre eigene Energie die ohnehin schon verschwommenen Grenzen zwischen 4. Und 5. Dimension durchbrechen, und dort verpuffen. Transformbomben gelangen nicht an ihr Ziel, sondern werden in den Hyperraum abgeleitet. Jedes bekannte Waffensystem schießt so ins Leere, der Schirm kann nicht überlastet werden, wie das bei jedem anderen gewöhnlichen Schutzfeld der Fall ist. Es ist nur zur Erhaltung des Feldes eine konstante Energieaufwendung nötig, deren Quantität aber durch Beschuss nicht beeinflusst wird. Außerdem ist das Schiff selbst nicht mehr zu orten, sondern nur durch Unregelmäßigkeiten im Raum-Zeit-Gefüge, was allerdings schon auffällig genug ist, da diese Unregelmäßigkeiten kugelförmig sind. Der Hypertronschirm hat ansonsten alle Eigenschaften eines Paratrons, also bleibt das Schiff manövrierfähig und so weiter, und so weiter...

Mit diesem Schirm sind die Adlerschiffe mit normalen Waffen praktisch unangreifbar!«

»Und was haben wir damit jetzt herausgefunden?« erkundigte sich Aurec verständnislos. Er hatte nie viel für dieses »Technikgelaber« übrig gehabt.

»Nun, Sir! Wir wissen, dass der Schutzschirm mit herkömmlichen Waffen unangreifbar ist und bis jetzt haben wir auch keine Gegenmaßnahmen, wenn ich das hinzufügen dürfte.«

Aurec schüttelte den Kopf.

»Fahre fort, Lorif!«, forderte Aurec den Posbi auf, der dem gerne nachkam.

»Nun, eine Offensivwaffe ist der Hypertron-Impulser. Der Hypertron-Impulser ist eindeutig die mächtigste Waffe der Dorgonen. Mit einer speziellen Emittervorrichtung wird ein Impuls aus Hypertron-Feldern ausgelöst, der sich wellenförmig in die gewünschte Richtung ausbreitet. Die emittierten Hypertron-Felder kompensieren zuerst jede Art von bekannten Schutzschirmen, indem sie deren Energie so lange in den Hyperraum ableiten, bis die Schutzschirmgeneratoren überlastet sind. Dies dauert normalerweise maximal 10 Sekunden, je nach Schiffsgröße. Anschließend wird nach und nach das gesamte gegnerische Schiff in seiner Struktur erst destabilisiert und dann ebenfalls abgestrahlt. Die Dauer beträgt maximal 5 Sekunden, je nach Schiffsgröße. Es entsteht dabei ein ähnlicher visueller Effekt wie bei der nachfolgenden Druckwelle einer Atombombenexplosion: das Schiff scheint wie durch einen gigantischen Sturm ›verweht‹ zu werden.

Nachteil dieser machtvollen Waffe: Der Energiebedarf! Es wird für einen Impuls extrem viel Energie benötigt, dass selbst bei den größten dorgonischen Schiffen die Schussfrequenz nur bei etwa einem Impuls pro 45 Minuten liegt. Zudem muss das Raumschiff die Kapazität seiner Schutzschirme senken, da die Energie nicht direkt aus dem Hyperraum bezogen werden kann, sondern in den erwähnten Speichern zuerst gelagert wird. Das Adlerraumschiff wäre während dieser Zeit verwundbar. Die Reichweite des Impulsers ist ebenfalls nicht sehr hoch. Ich schätze, vielleicht 900.000 Kilometer. Das Raumschiff muss also relativ nahe an das Feindesraumschiff heran.

Die zwielichtigste Waffe der Dorgonen ist der Transonator. Er kann wie ein fokussiertes Hypertron-Feld, also wie ein hypertronischer Energiestrahl verstanden werden. Das beschossene Ziel nur an der getroffenen Stelle entmaterialisiert und in den Hyperraum abgestrahlt. Paratronschirme bieten begrenzten Schutz gegen diese Waffe. Erst durch intensiven Beschuss wird ein Paratron überlastet, nicht schon durch den ersten Treffer. Ist der Schutzschirm neutralisiert, dann ist die Wirkungsweise auf das Schiff ähnlich wie eine Gravitationsbombe, nur in gebündelter Form. Die Materie wird an den getroffenen Stellen entmaterialisiert und komplett in den Hyperraum abgestrahlt. Der Transonator lässt sich natürlich sowohl fächern als auch bündeln. Bei normaler Fokussierung hat das entstehende Loch einen Durchmesser von ca. 22 Metern. Bei stärkster Fokussierung nur noch wenige Zentimeter. Wir haben bereits auf der IVANHOE den Einsatz dieser Waffe im Kampf gegen die HESOPHIA zu spüren bekommen. Allerdings nicht die des Hypertron-Impulsers, denn nicht jedes Adlerraumschiff verfügt über den notwendigen Energiespeicher für den Einsatz der Waffe.

Der Transonator wird in Raumschlachten benutzt da er wie ein chirurgisches Werkzeug benutzt werden kann – im Gegensatz zu unserer Transformkanone, die zwar einen hohen Wirkungsgrad hat, aber dafür auch alles eliminiert, was sich in Reichweite befindet. Die Dorgonen verwenden einen Hypertaktantrieb ähnlich denen der SOL. Wem diese Technik noch nicht geläufig ist, dem erläutere ich sie sogleich.«

Bevor Aurec Einspruch erheben konnte, ratterte Lorif bereits los.

»Ein Hypertakt-Antrieb basiert auf dem Prinzip eines Transitions-Antriebes. Im Takt von 1230 Hertz finden sogenannte ›weiche‹ Transitionen statt. Soll heißen, dass das Raumschiff aus dem Normalraum gehoben wird, jedoch nicht wie bei einer klassischen Transition entmaterialisiert, sondern von einer Grigoroff-Blase, die sogenannte Hypertakt-Vakuole, eingehüllt, und das 1230 mal pro Sekunde. Es gibt also keinen Ent- und Rematerialisierungsschmerz. Für alle, die dies nicht wissen oder vergessen haben: eine Grigoroff-Blase stellt sozusagen ein kleines Mini-Universum dar, das für das Raumschiff quasi im Hyperraum geschaffen wird. Wird auch bei Metagrav-Triebwerken benutzt.

Weil ein Raumschiff, welches sich im Hypertakt-Modus befindet, im Hypertakt niemals vollständig in den Normalraum zurückkehrt, kann es mit herkömmlichen Systemen weder geortet noch beschossen werden.

Für das Eintauchen in den Hypertakt-Modus ist eine Mindestgeschwindigkeit 0,5 Licht erforderlich.«

Nach Lorifs Vortrag mussten sich Aurec und Tifflor erst einmal eine Ruhepause gönnen. Das waren zu viele Informationen auf einmal.

»Lorif, du hast den Auftrag, eine Gegenwaffe zu entwickeln, koste es was es wolle! An die Arbeit!« befahl Aurec.

 

12. Im Palast des Kaisers

In den Gemächern der Delegation herrschte vergleichsweise Gelassenheit. Niemand geriet in Panik, nachdem die Schergen des Imperators anfingen, Jagd auf die Rebellen in Dom zu machen. Tifflor machte den Begleitern seiner Expedition klar, dass es jetzt vor allem darauf ankam, die Nerven zu behalten. Im Zweifelsfalle würde das gegen einen Diktator nicht helfen, aber außer dem Diktator gab es ja immer noch einen liberalen Konsul, der offenkundig gewillt war, sich auf eine Revolte einzulassen.

Stillhalten hieß also die Devise und abwarten, was passierte.

In diesem Zusammenhang bereitete es dem einstigen kosmischen Lockvogel und Ersten Terraner gewisse Sorgen, was mit Cauthon Despair geschehen war.

Der Princips Protector von Mesaphan, Uleman betrat den Raum. Uleman wirkte mit seiner grünen, verschlissenen Robe über den blauen Einteiler alles andere als stattlich. Fast schon unbeholfen bewegte er sich auf Tifflor zu. Erst jetzt bemerkte der Terraner, dass Uleman ganz leicht hinkte. Vielleicht lag das an dem großen Gewicht, welches der Hesophier mit sich trug.

»Ich möchte Sie alle in mein Haus einladen«, begann er. »Im Augenblick ist es auf den Anlagen des Pons Domus wohl nicht allzu sicher, und noch ist sich Thesasian nicht wirklich sicher über meine Person. Daher würde ich vorschlagen, dass Sie einige Zeit in meiner Villa verbringen, bis wir wissen inwiefern man uns bereits auf der Spur ist.

Übrigens habe ich eine Nachricht für Mathew Wallace. Saraah lässt ihm Grüße ausrichten und sie möchte ihn heute Abend außerhalb des Palastes treffen.«

»Sie ist im Palast? Wie ist sie nach Dorgon gekommen?«, fragte Wallace überrascht.

»Ich weiß es nicht, aber ich vermute, mit meinem Amtskollegen Priamus, der zur Zeit in Dom weilt.«

»Priamus ist hier? Was will der alte Sklaventreiber in Dom? Wenn der mal nur nicht Verrat plant«, meinte der Terraner aus Schottland, der die Expedition nicht gerade wegen seiner Verdienste begleitete, sondern eher, weil er gewisse Erfahrungen mit den Dorgonen sammeln konnte. Mesoph war noch nicht vergessen und immerhin hatte Mathew Wallace die bislang am weitest gehenden Erfahrungen mit den Dorgonen sammeln können. Von daher war er eine wertvolle Hilfe. Dennoch war Tifflor über dessen eigenwilliges Vorgehen auf Mesoph erbost. Er ging nicht soweit, zu behaupten, Wallace hätte seine drei Kameraden auf dem Gewissen, dennoch hätten sie vorsichtiger sein müssen. Vielleicht wären die drei dann noch am Leben. Und solange er bei der Gruppe war, konnte er wenigstens keine weiteren Fehler begehen.

Daher hörte es Tifflor nicht sehr gerne, dass er sich mit jemandem außerhalb des Palastes treffen wollte.

»Sei vorsichtig, Mathew Wallace. Bedenke, dass die Jerrer Saraah nicht mit dir gehen kann.«

»Das ist mir klar. Sie hat diesen Mikrochip am Herzen. Damit kann Priamus sie jederzeit umbringen. So wie sie es mit meinen drei Besatzungsmitgliedern getan haben. Dass musst du mir nicht sagen, bei allem Respekt, Sir!«

Er ließ den Kopf hängen.

Aurec klopfte ihm auf die Schultern. »Ich kann durchaus verstehen, dass der Verlust deiner Freunde schmerzlich für dich ist und die Situation um Saraah alles andere als gut. Aber so ist das nun mal. Schließlich sind wir im Krieg und eigene Opfer müssen einkalkuliert werden.«

»Da hast du recht. Die drei sind nicht mehr am Leben. Das kann sich der Konsul auch gar nicht leisten. Immerhin ließ er sie foltern und wenn sie ihnen wieder lebend in die Hände fallen würden, dann wäre das für den Senator eine Niederlage gewesen. Es ist also nur logisch, dass er seine Feinde sofort vernichten ließ.«

»Ich schlage vor, wir warten bis Mathew mit Saraah fertig ist. Ich meine, sicher kann sie ihm Informationen geben, die wir bisher noch nicht haben. Daher denke ich, wir sollten erst einmal abwarten, was er uns berichten kann.«

Aurec nickte nachdrücklich, wie um seine eigenen Worte zu bestätigen.

»Dazu können wir aber auch die Einladung unseres Freundes annehmen«, meinte nun Irwan Dove, der zusammen mit Lorif immer noch an der Technik der Dorgonen arbeitete und Unterlagen studierte, die ihnen zum Teil von Uleman zur Verfügung gestellt worden waren.

Es war geradezu Angst machend, wie die Technik der Dorgonen funktionierte. Aber sie hatten schon einige Ideen, wie sie mit den Problemen der übermäßigen Bewaffnungsstärke und der überwältigenden Defensivschirme fertig werden würden.

»Diese Diskussion bringt uns nicht weiter. Ich denke nicht, dass unser Aufenthaltsort einen großen Unterschied macht. Ob wir im Palast sind oder uns im Hause des Konsuls aufhalten, wenn der Kaiser uns finden will, dann wird er das überall auf diesem Planeten tun.«

»Das ist nicht gesagt«, meinte der Princips Protector. »Zum einen wissen wir nun wirklich nicht, was der Kaiser weiß und zum anderen weiß der Kaiser auch nicht alles, was ich weiß. Zum Beispiel kenne ich so das eine oder andere Versteck in der Stadt und auf dem Planeten, falls es gefährlich werden sollte. Thesasian als auch die Prettosgardisten meiden die Unterwelt Doms. Wir nicht.

Des Weiteren kenne ich den einen oder anderen Fluchtweg aus meiner Villa, wenn die Schergen des Kaisers doch kommen sollten.

Ich meine, wenn den Palast verlassen, der für uns ohnehin nur eine Gefahr bedeutet, dann sind wir letztendlich besser dran.«

»Aber erregen wir damit nicht erst recht Verdacht?«, Aurec blieb weiterhin skeptisch.

»Erstens nicht mehr als ohnehin schon«, meinte Tifflor. »Und zweitens, wenn dieser Priamus wirklich hier ist und wenn er unsere Leute befragt hat, und wenn die geredet haben, dann brauchen wir uns darüber keine Sorgen mehr machen, denn dann wissen die alle längst Bescheid. Es wird einen Grund dafür geben, dass die Rebellen gejagt werden und Despair verschwunden ist. Vermutlich deshalb, weil der Kaiser längst Bescheid weiß. Wir werden also die Einladung unseres Freundes annehmen und dem Kaiser zunächst mal nicht Bescheid über unseren kleinen Stellungswechsel geben. Ist das in Ihrem Sinne, Princips Protector?«

»Sie haben recht, es ist im Augenblick besser, wenn unser Freund nicht so genau darüber informiert wird, wohin wir uns begeben. Aber sicher können wir uns nicht sein, wenn er also nachfragt und uns suchen lässt, dann machen wir uns nur verdächtig.«

»Wir sind aber keine Gefangenen auf dieser Welt, ich meine noch nicht, daher bin ich sicher, dass sie uns nicht einfach hier im Palast festhalten können.«

»Nein, aber Sie sind Gäste. Das kann unter Umständen gefährlicher sein.«

»Sollen wir ihm also Bescheid geben und uns quasi abmelden?«

»Das würde ich vorschlagen, Julian.«

»Gut, wir machen es so«, meinte Tifflor. »Bereitet unseren Umzug vor und dann verschwinden wir, hinterlassen allerdings eine Nachricht. Mathew, du triffst dich mit der Sklavin und lässt dich über alle Neuigkeiten informieren. Los geht's!«

 

13. Vesus

Vesus lehnte sich zurück, trank ein Glas Wein und genoss die Szenen, die sich vor ihm auf dem Bildschirm abspielten.

Zu sehen waren sechs Menschen in einer dunklen Seitengasse. Allerdings nicht dunkel genug für das Infrarotauge einer Kamera, die in seinem Flaggschiff postiert war. Die Kamera war auf den Agenten ausgerichtet, der als V-Mann in die Reihen der Rebellen eingeschleust werden sollte.

Warum man gerade diese Seitengasse ausgewählt hatte, hatte sich der Flottenkommandant gefragt, bis sein Stellvertreter ihn darüber aufgeklärt hatte, dass der Geheimdienst einen Hinweis auf ein Treffen der Verschwörer in dieser Gegend erhalten hatte. Anstatt diesen Umstand zu einem Angriff zu nutzen, hatte man sich nach den Anweisungen Cariguls – und den weitaus besser verständlichen Erläuterungen Vesus' – dazu entschlossen, auf diese Weise einen Agenten einzuschleusen.

Es hatte auch wider Erwarten gut geklappt. Die Agenten hatten eine schauspielerische Glanzleistung geboten, was nicht verwunderlich war. Die vier Angreifer waren programmierte Androiden gewesen, während der Agent natürlich ein echter Dorgone war. Als man bemerkte, dass die Taktik Erfolg zeigte und sich tatsächlich jemand gegen die Macht der Dorgonen stellen würde, hatten die Androiden den Agenten wie vorgesehen verletzt. Die Verletzungen, die er erlitten hatte, waren schlimm genug um wirkliche Gefahr zu suggerieren, allerdings in einer Welt wie Dorgon von jeder Hausapotheke zu heilen. Der Schwertkämpfer, der wirklich nicht schlecht war, hatte daraufhin zwei der Androiden ausgeschaltet und die anderen vertrieben und dem Agenten den Eintritt bei den Rebellen ermöglicht.

Jetzt musste man nur noch abwarten, bis der Agent erste Namen meldete, die man dann nach und nach unauffällig verschwinden lassen konnte. Ein Angriff auf den Stützpunkt der Verschwörer wäre nicht angeraten gewesen, da man den Agenten möglichst unverdächtig halten wollte. Ein sofortiger Angriff auf die Gruppe, die den Agenten aufnahm, hätte aber genau das Gegenteil bewirkt.

Daher ließ man sie laufen, nur um anschließend noch mehr der Gegner des Kaisers zu erwischen.

Als die Aufzeichnung zu ende war, erhob sich der Flottenoberkommandant. Er drehte sich zu seinem Stellvertreter auf der DOMULUS um und nickte ihm zu.

»Tribunus Laticlavius Rubinus, informiere mich über seine Aktionen und vor allem benachrichtigen Sie mich, wenn etwas Wichtiges passiert. Übernehmen Sie, ich warte in meiner Kabine.«

»Jawohl, Kommandant.« Der Tribunus Laticlavius, so die Bezeichnung eines stellvertretenden Kommandanten, nahm Haltung an, bis sein Kommandant die Zentrale verlassen hatte. Dann übernahm er den Platz des Kommandanten. Schweigend wartete er auf Nachrichten aus Dom.

 

14. Gedanken eines Unsterblichen

Tifflor hatte die Nachricht an den Herrscher im Palastrechner gespeichert. Angenehmerweise hatte der Rechner gemeldet, dass der hohe Herr derzeit ein Nickerchen mache und nicht gestört werden wolle, was dem Terraner natürlich sehr gelegen kam. Schnell formulierte er die Nachricht, dass man die Einladung eines Senatsmitglieds akzeptiert habe. Bewusst verschwieg er den Namen. Dann folgte er den anderen Mitgliedern der Delegation, die sich bereits aus dem Palast entfernt hatten. Niemand hielt sie auf.

Wozu auch, dachte Tifflor mit gemischten Gefühlen. Noch waren sie in Dom und wohin sie sich auch immer wendeten, es wäre sicher ein leichtes für die Schergen des Thesasian, sie wieder aufzufinden. In Sicherheit waren sie also nun wirklich nicht.

Andererseits waren Überlegungen dieser Art vollkommen unnötig, weil sie ohnehin nicht besonders weit führten. Seufzend machte er sich auf den Weg zu den anderen. Gemeinsam wechselten sie die Unterkunft und besuchten Senator Uleman in seiner privaten Villa.

Irwan Dove, Timo Zoltan und Lorif hatten keine Zeit verloren. Kaum hatten sie die Villa des Senators betreten, beschäftigten sie sich bereits wieder mit Konstruktionszeichnungen der Raumschiffe und Waffen der Dorgonen, jedenfalls insofern man darüber verfügte. Aber dank des Konsuls war es durchaus möglich, sich mit der Technik vertraut zu machen und auf einige Dinge zur Gegenwehr zu kommen.

Andererseits war es schon erschreckend, was man bisher so herausgefunden hatte.

Die Dorgonen verfügten über Technik, welche jener der Galaktiker teilweise ebenbürtig, teilweise auch überlegen war.

Das begann mit den Hypertakttriebwerken und hörte sicherlich nicht bei der Defensivbewaffnung der dorgonischen Schiffe auf.

Ein Gegenmittel hatten sie gegen diese überwältigende Technologie noch nicht gefunden, allerdings folgten Irwan und Lorif gerade einigen Ideen, die ihnen vielleicht in der Zukunft noch von Nutzen sein konnten.

Tifflor blickte den drei Wissenschaftlern von der IVANHOE einige Zeit über die Schultern. Er hatte zwar mittlerweile verstanden, was so an Problemen in der Technik ihrer Gegner steckte, aber er hatte noch nicht wirklich begriffen, wie das alles funktionierte. Erklärungsversuche von Zoltan und Lorif hatten zwar etwas genützt, schließlich hatte der Unsterbliche in seinem langen Leben so einiges aufgeschnappt, aber das beschränkte sich auf bekannte Technik. Bei neuen Dingen war er nicht sehr kreativ, wie es ein Forscher notwendigerweise sein musste.

Tifflor setzte sich in einen Sessel und beobachtete die Mitglieder seiner Truppe einige Zeit. Dabei schweiften seine Gedanken ab, für wenige Augenblicke gönnte er sich eine geistige Verschnaufpause. Tifflor hätte beinahe eine Meditationsweise aus seiner Zeit als Upanishad angewendet, doch schnell konzentrierte er sich lieber auf eine terranische Meditationsart: Dem Sen. Der Unterschied lag schon in dem Ziel der Entspannungstherapie. Das Upanishad sollte Körper und Geist für den Kampf stärken, das Sen sollte Körper und Geist in friedlichen Einklang bringen.

Tifflor wurde sich seiner Verantwortung erst jetzt richtig bewusst. Wenn er versagte, was würde dann aus der Milchstraße werden? Wenn nun etwa 300.000 dorgonische Adlerschiffe plötzlich vor den Toren der Heimat standen, was dann? Tifflor musste das verhindern, doch wie sollte er das mit neun Raumschiffen tun? Er hatte Angst, zu versagen. 50 Millionen Lichtjahre von zuhause entfernt, fühlte er sich trotzdem im Schatten von Perry Rhodan, Reginald Bull und Atlan. Wäre ihnen etwas Besseres eingefallen? Wären die drei anders vorgegangen? Tifflor ermahnte sich. Er war kein junger Kadett mehr, wie in den Anfangstagen der Dritten Macht. Er besaß selbst eine dreitausendjährige Erfahrung und war auch über 400 Jahre Erster Terraner der LFT gewesen. Doch leider fühlte er sich im Moment wie ein kleiner Jungspund, der sich die Hilfe des großen Rhodans ersehnte.

Er seufzte, dann schüttelte er sich, wie um sich von diesen Gedanken befreien zu wollen. Mit einem energischen Ruck stemmte er sich aus dem Sessel und wandte sich wieder der Gruppe zu, die sein nachdenkliches Schweigen ohne ihn zu stören akzeptiert hatte. Einer der Teilnehmer hatte eine Frage und wandte sich an den Unsterblichen. Julian hörte gespannt zu.

 

15. Verfolgung

Drynius lag in seinem Yakuzi und entspannte sich. Zufrieden seufzte er, während sich eine Sklavin hinter ihn kniete und seinen Nacken massierte. Er schloss die Augen und genoss das Prickeln der Blasen auf der Haut. Die weichen Hände von Yarinia kneteten sanft seinen Nacken und bereiteten ihm die Entspannung, die er in seinem Job als kaiserliche Hofschranze und Leibbeamter Seiner kaiserlichen Hoheit leider nicht bekommen konnte.

Wohlig seufzend streckte er sich und war kurz davor, einzuschlafen. Seine Gedanken beschäftigten sich mit seiner Tätigkeit für den Kaiser und einigen Kleinigkeiten, die er morgen gleich in aller Frühe erledigen musste.

Die sanften Hände der Sklavin, die ohne Scheu hinter dem nackten Beamten kniete, kümmerten sich gerade um eine besonders verspannte Stelle am Rücken des Mannes, als die Massage plötzlich endete. Der Beamte behielt die Augen geschlossen und grunzte nur, dann äußerte er:

»Ich bitte doch darum, weiterzumachen.«

Er war ein sehr nachsichtiger Herrscher, welcher der Politik des Kaisers eher kritisch gegenüberstand. Natürlich durfte der das nie erfahren. Nicht nur sein Job, nein, vor allem sein Leben wäre in Gefahr, wenn irgendwer von seinem Doppelspiel erfahren würde.

Als die Hände der Sklavin weiterhin ausblieben, öffnete er erst einmal das rechte Auge. Etwas Schaum hatte sich vor seinem Gesicht gebildet, den er unwillig wegblies. Dann blinzelte er nach rechts, um etwas von der hinter ihm knienden Sklavin zu sehen.

Ein Stiefel rückte in sein Blickfeld, der dort eigentlich nicht hingehörte. Er zuckte zusammen und öffnete nun auch das andere Auge. Das Bild, das sich ihm bot, ließ ihn sehr nervös werden. Aber noch blieb er einigermaßen ruhig in dem Yakuzi sitzen.

»Was hat dieser Aufmarsch zu bedeuten?«, richtete er das Wort an die aufgetauchten uniformierten Soldaten, die vor ihm standen.

Schweigen antwortete ihm. Er blinzelte nun auch nach links und zuckte zusammen. Diesmal packte ihn die Angst.

Vesus stand dort und blickte geringschätzig auf ihn herab. Neben dem obersten Flottenkommandanten stand Valurus, der alte Soldat, der selten von Vesus Seite wich. Seine Augen schienen den Dorgonen zu durchdringen.

Drynius glaubte, etwas wie Mitleid in den grauen Augen zu sehen, Mitleid mit Drynius...

»Welch eine dumme Frage. Ich hätte eigentlich mehr von dir erwartet. Drynius. Bist du dir eigentlich darüber im Klaren, welchen Schaden du dem dorgonischen Volk zufügst, von seiner Erhabenheit überhaupt nicht zu reden?«, herrschte Vesus den Dorgonen an.

Der Beamte ließ die Anklage einfach im Raum stehen. Er stemmte sich auf den Beckenrand und wollte sich erheben. Ein Stiefel, der zu einem Soldaten in seinem Rücken gehörte, stemmte sich auf seine Schulter und drückte ihn in das Becken zurück.

»Ich...«

»Schweig, Verräter. Wir wissen alles. Du hast dich gegen das Volk versündigt, das wirst du büßen.«

Er trat einen Schritt näher heran. Drynius erkannte, dass er in ernsten Schwierigkeiten war. Er hielt sich nicht mehr zurück. Schließlich war er kein Verbrecher und schon gar kein Feigling.

»Von wegen Volk. Hier versündigt sich nur einer gegen das Volk, und dessen Namen kennen wir beide.«

Vesus lachte.

»Das mag sein, aber wer von den beiden in der besseren Position ist, wissen wir beide auch, nicht wahr?«

Drynius wurde ganz ruhig, als er die Worte des Kommandanten der kaiserlichen Flotte hörte.

»Dieses Geschwätz ist so selbstentlarvend«, meinte er geringschätzig. Er versuchte nicht mehr, aufzustehen. »Du bist ein Feigling, Vesus.«

Das Gespräch zeigte deutlich, wie wenig sich die beiden Kontrahenten schätzten. Vesus beendete den Disput, indem er den Stiefel hob und damit heftig gegen die Nase des Beamten trat.

Ein Blutschwall trat aus der Nase und färbte das Wasser leicht rot. Erschrocken presste der Angegriffene seine Hand auf das verletzte Objekt. Inmitten seines Gesichtes und richtete nun die Augen mit einem sehr mordlüsternen Ausdruck auf den Gegner.

Ohnmächtig schluckte er seinen Zorn hinunter. Er schwieg, obwohl sein Gegner eigentlich auf eine Antwort wartete, die es ihm ermöglichen würde, dem Verräter noch einmal deutlich zu zeigen, wer in der besseren Position war.

»Du wirst verlieren, Vesus. Und ich werde es noch erleben.«

Damit verstummte er.

»Wir werden sehen, wer am längeren Hebel sitzt. Schafft ihn weg. Sperrt ihn mit den Mördern in eine Zelle, da gehört er hin.«

Er beobachtete das Gesicht des Mannes und registrierte zufrieden, wie es sich weiß verfärbte. Drynius wusste sehr genau, was das für ihn bedeutete. Vergewaltigung, körperliche Züchtigung und sogar Mord war in den Zellen der überführten Mörder an der Tagesordnung. Dieser Befehl bedeutete sein Todesurteil.

Er zog die einzig mögliche Konsequenz daraus.

Er griff unter seinen rechten Schenkel, der unter Wasser und unter dem Schaum gut verborgen war. Auch seine Hand war verborgen. Als sie aus dem Wasser tauchte, beförderte sie ein Messer, das zielgenau auf den Hals des Kommandanten zielte. Vesus zog den Kopf blitzschnell zurück, als er das Aufblitzen der Klinge sah. Sie streifte nur leicht seine Haut und ließ einen blutigen Streifen an seinem Hals zurück.

Ungerührt trat einer der Wächter der Prettosgarden gegen den Hals des Gegners. Das Genick brach mit einem hässlichen Knirschen. Drynius' Gesicht zeigte ein zufriedenes Lächeln, das über den Tod hinaus konserviert wurde und den Kommandanten der Flotte zu verhöhnen schien. Er hatte dem Henker und den Methoden des Kaisers ein Schnippchen geschlagen.

»Schafft mir diese Leiche aus den Augen«, herrschte Vesus wütend einen seiner Leute an, der sofort eine Ehrenbezeigung machte und den Abtransport des Verräters in die Wege leitete.

Vesus verschränkte die Arme vor der Brust. Er war nur zum Teil zufrieden mit sich. Der V-Mann in den Reihen der Verräter hatte erste Erfolge vorzuweisen. Andererseits hatte der Beamte des Kaisers, um den sich der Kommandant wegen seines hohen Amtes persönlich kümmern wollte, ihm gerade eine herbe persönliche Niederlage beigebracht.

Valurus blickte der Leiche hinterher.

»Musste das sein, Vesus?«

Der Dux Superior mit den eingefallenen Wangenknochen blickte seinen Stellvertreter und Freund verdutzt an. Er nickte mit dem Kopf.

»Die Feinde Thesasians müssen bestraft werden, wir haben einen Eid auf den Imperator geschworen und müssen ihn erfüllen.«

»Um jeden Preis?«

Vesus schaute kurz auf den Boden und wich somit den prüfenden Blick Valurus aus. Dann sah er seinem Freund wieder fest in die Augen.

»Um jeden Preis!«

Entschlossenen Schrittes stapfte er aus dem Badezimmer des Beamten und stürmte an der zitternden Sklavin vorbei, die Tränen in den Augen hatte.

Er stoppte.

Vesus fasste die Sklavin ans Kinn und hob leicht ihren Kopf. Er lächelte schwach und befahl, die Dienerin zu seinen Sklaven zu bringen, dann verließ den Tatort.

 

16. Wallace und die Liebe

Mathew hatte sich aus der Villa des Senators entfernt und war durch die Straßen der Stadt in Richtung des Palastes gegangen. Dom war eine wunderbare Stadt voller Gegensätze. Auf der einen Seite ultramoderne Architektur, Gleiter und Raumschiffe, auf der anderen Seite aber Menschen, die noch mit Schwertern an der Seite herumliefen und sehr merkwürdige Ansichten hatten. Das alles traf man in dieser Stadt, in dieser Welt an und es zeigte dem Terraner wieder einmal, wie vielfältig doch das Universum war.

Er ließ die vielen Menschen an sich vorüberziehen, während er in Richtung des Palastes Pons Domus ging.

Der Pons Domus lag zentral in Dom. An ihn grenzten der Jusilus-Platz und die gewaltige Hauptstraße im Süden. Im Osten erstreckten sich große Parkanlagen und ein künstlicher See. Im Süden befand sich der Sport- und Kampfkomplex Madisonus Squarus. Eine gewaltige Sportanlage mit Stadien und Arenen. Im Norden lag der kaiserliche Raumhafen.

Saraah wollte sich mit ihm im Park treffen. Das war auch so eine Sache, die Mathew nicht verstehen konnte. Als Terraner konnte er eine Regierungsform, welche die Sklaverei nicht nur guthieß, sondern sogar förderte, weder verstehen, noch tolerieren. Es erfüllte ihn mit Entsetzen, Menschen zu erleben, die von einem anderen Menschen Befehle annahmen. Das war heutzutage sogar auf Raumschiffen irgendwie out. Man ordnete sich unter, aber nicht, wegen eines höheren Ranges oder eine höhere soziale Stellung, sondern durch die Persönlichkeit des Befehlenden. Ein Mensch, der sich aufgrund seiner Erfahrung und seinen Leistungen bewährte, war ohne weiteres jemand, den man akzeptieren und von dem man Anweisungen annehmen konnte. Aber doch nicht jemand, der nur wollte, dass man ihm die Schuhe zuband und das auch nur, weil er zufällig von edlerer Geburt war.

Mathew war Schotte und mit den Gebräuchen seiner ehemaligen Heimat durchaus vertraut. Im finstersten Mittelalter, als sich die Briten die Highlands widerrechtlich angeeignet hatten, waren die Schotten auch von Lehnsherrn unterdrückt worden. Die Herrschaft der Briten hatte noch lange gewährt und bis in die Zeit des Raumfahrtalters angehalten, allerdings lediglich noch von den Schotten toleriert und weniger akzeptiert. Heute war das alles anders, aber da seine Mutter sehr traditionell eingestellt war, hatte sie ihm solche Dinge gelehrt und ihm gleichzeitig eine große Achtung vor der Unabhängigkeit beigebracht. Als Kind hatte sich Wallace, der Stolz auf seinen Nachnamen war, da er an den legendären William Wallace erinnerte, oft vorgestellt, wie er in den Highlands gelebt hätte, mit dem Schwert und einer schönen, treuen und selbstverständlich rothaarigen Frau an seiner Seite.

Die bösen Briten hätten natürlich nichts zu lachen gehabt. Schmunzelnd betrat Mathew den Park, in dem das Treffen mit Saraah stattfinden sollte.

Die Dorgonin, die ihm da so unverhofft auf Mesoph begegnet war, entsprach diesem Schönheitsideal mit ihren schwarzen Haaren, ihrem zierlichen Körperbau und ihrer sanften Schönheit allerdings nicht im Geringsten. Aber das machte nichts. Im Gegenteil, Mathew fand Saraah mehr als attraktiv. Was zählte, war das Gefühl und das sagte dem Schotten, dass er mit ihr einen guten Fang machen würde.

Ehrlich gesagt, waren ihm wertvolle Informationen auch vollkommen egal. Er freute sich nur darauf, das junge Mädchen wiederzusehen.

Er ging in den Park, gespannt die Umgebung betrachtend. Noch konnte er das Mädchen nirgends entdecken. Er warf einen Blick auf den Chronometer. Er war etwas früh, also ließ er sich am vereinbarten Treffpunkt auf einer Bank nieder. Es war dunkel, ein kleiner Brunnen in der Nähe wurde von einer Lichtquelle angestrahlt, die Fontäne wunderschön beleuchtet. In der Nähe konnte er das Bellen einer einheimischen Kreatur hören. Nicht, dass es sich wie Bellen anhörte, in Ermangelung eines anderen Wortes musste er es jedoch so ausdrücken.

Fünf Minuten musste er noch warten, solange betrachtete er den Brunnen und das Spiel des Wassers in der Fontäne aus Licht, so jedenfalls wirkte es auf den Betrachter. Wunderschön und einer romantischen Begegnung wie der nun Folgenden durchaus angemessen.

Saraah bog um die Ecke und warf einen scheuen Blick in seine Richtung. Als sie ihn erkannte, blitzte es kurz in ihren Augen auf. Sie näherte sich ohne Hast dem Sitz und ließ sich in gebührendem Abstand neben dem Besucher aus einer fremden Galaxie nieder, der sie so sehr beeindruckte.

Für einige Augenblicke sagte niemand etwas. Saraah traute sich nicht, das Gespräch zu eröffnen und Wallace genoss einfach nur den wunderbaren Augenblick.

Dann räusperte sich der Schotte verlegen und richtete das Wort an die junge Frau.

»Ich freue mich sehr, dich wiederzusehen.«

Sie drehte den Kopf schüchtern zur Seite, dann warf sie ihm ein verstohlenes Lächeln zu, das Mathew tief im Inneren berührte.

»Es tut mir leid um deine Freunde«, flüsterte das Mädchen.

Wallace verstand sie kaum, dann jedoch nickte er.

»Ich hoffe, sie mussten nicht allzu sehr leiden.«

Sie schüttelte nur stumm den Kopf. »Er ließ sie zu Tode foltern.«

Damit war alles gesagt. Erschüttert senkte der Terraner den Kopf.

»Saraah, gibt es etwas Neues, das du uns berichten kannst?«

»Sie haben alles verraten. Priamus weiß Bescheid und wir sind nur deshalb hier, weil der Kaiser es auch erfahren soll. Sie sind euch auf den Fersen.«

Mathew nickte. »Ich verstehe. Ich bitte dich, mit mir zu kommen und diesen Konsulpenner und den Planeten mit mir zu verlassen. Gemeinsam sind wir stark, gemeinsam werden wir alle Probleme lösen können.«

»Nein.«

Die Antwort der Sklavin kam heftig.

Mathew lehnte sich erschüttert zurück. Er suchte ihren Blick mit den Augen, sie wich ihm aus. Er legte seinen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. Sie widersetzte sich nicht, war viel zu sehr gewohnt, zu gehorchen. Als Mathew das merkte, ließ er sie los. Er wollte keinen Zwang auf sie ausüben.

»Er wird mich töten«, flüsterte sie traurig.

»Wir können dich schützen.«

»Wie wollt ihr das machen? Ihr seid in der Unterzahl und sie sind euch technisch weit überlegen.«

Sie legte den Finger genau in die Wunde. Mathew wusste nicht so recht, was er darauf antworten sollte.

»Zugestanden«, meinte er daher. »Aber wir werden den Feind sicher mit unserer Liebe überwinden können.«

Wie das funktionieren sollte, sagte er nicht. Anscheinend hatte ihn seine Mutter in einen romantischen Trottel verwandelt, durchzuckte es ihn für einen Augenblick. Er erhob sich abrupt.

»Ich kann und will dich zu nichts zwingen. Wenn du deine Meinung ändern solltest, dann weißt du sicher, wie du uns erreichen kannst. Wende dich an Uleman oder einen seiner Sklaven.«

Für einen Augenblick verwunderte es ihn, wie selbstverständlich er dieses verhasste Wort schon benutzte. Dann wollte er sich abwenden.

»Mathew?«

Die leise Stimme der Sklavin ließ ihn innehalten. Sie legte eine Hand auf seine Schulter. Er folgte dem sanften Druck und wandte sich ihr noch einmal zu.

»Sei vorsichtig«, meinte sie. Dann beugte sie sich vor und hauchte einen Kuss auf seine Wange. Sie drehte sich um und verschwand mit schnellen Schritten hinter der nächsten Wegbiegung.

Verwirrt folgte der Terraner ihr mit den Blicken, dann wandte er sich um und wanderte den Weg zurück, den er gekommen war. Er hatte nicht viel erfahren. Er fühlte sich nicht sehr wohl in seiner Haut.

 

17. Beziehungsprobleme

Dass Aurec erfolgreicher war, was die Liebe anging, war zum Glück noch nicht so bekannt. Seit kurzem jedenfalls unterhielt der Saggittone eine äußerst intime Beziehung mit Ulesia, der Tochter des rebellischen Senators. Bislang wusste der alte Herr noch nicht so genau Bescheid, wobei er allerdings einen gewissen Verdacht hegte. Nicht, dass es ihn wirklich störte. Zunächst einmal war Ulesia alt genug, sie konnte machen, was sie wollte. Des Weiteren knüpfte es nur ein noch engeres Band zwischen den beiden Parteien. Also alles im grünen Bereich für den Konsul und mehr wollte er eigentlich auch nicht wissen.

Aurec hingegen schon. Denn Sex war eine Sache, die er nicht gerade regelmäßig bekam, da der Kanzler mehr zwischen den Galaxien herumgondelte als irgendwo sesshaft zu sein. In dieser Beziehung jedenfalls fühlte sich Aurec deshalb auch am einsamsten.

Ulesia war aber von einer besonderen Güte. Aurec genoss die Zweisamkeit mit ihr mehr und mehr, driftete zunehmend in eine emotionale Bindung, die er natürlich in seiner Situation als gefährlich erkannte. Er fragte sich, wie es mit dieser Beziehung weitergehen sollte. Sollte er sie pflegen, solange es ging, und dann einfach den berühmten Schlussstrich ziehen? Oder sollte er lieber sofort mit offenen Karten spielen und der schönen Dorgonin klarmachen, dass es vermutlich irgendwann zu Ende war?

Andererseits, warum sollte er sie nicht einfach nach Saggittor mitnehmen? Sie würde eine würdige Herrscherin an seiner Seite sein. Doch würde sie Dorgon verlassen?

Er warf einen verstohlenen Blick in das Gesicht der Freundin, die entspannt und zufrieden an ihn geschmiegt schlief. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, zog er sie näher heran und hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn. Sie seufzte leise und begann zu lächeln, aber sie erwachte nicht. Er fragte sich, was sie davon halten würde.

Vielleicht war es aber auch am besten, endlich einmal das eigene Leben zu ändern und sesshaft zu werden. Dorgon war derzeit nicht gerade der angenehmste Ort in der Galaxis, aber unabhängig davon ob die Mission der Galaktiker einen Erfolg brachte, existierten immerhin schon Ansätze einer geistigen Änderung in diesem Reich, die sich sicher fortsetzen ließen. Vorausgesetzt, man machte in der richtigen Weise an der richtigen Stelle weiter.

Und da könnte er ins Spiel kommen. Auch wenn die Galaktiker keinen Erfolg hatten und irgendwann wieder verschwinden würden – immer vorausgesetzt sie könnten das noch – könnte er immerhin da bleiben und ein gefährliches aber sicher nicht ganz uninteressantes Leben an der Seite der Dorgonin verbringen. Dann musste der alte Herr natürlich Bescheid wissen.

Ganz zu schweigen von Ulesia, die sicher brennend an einer solchen Sache interessiert wäre. Doch er war auch Kanzler der Galaxis Saggittor, seiner Heimat! Er konnte sie nicht einfach im Stich lassen. Das war nicht rechtens!

Hier und jetzt könnte er eigentlich gleich in Medias res gehen und ihr seine Liebe eingestehen, was er eigentlich ja schon getan hatte. Aber das Wort Liebe wurde heutzutage sowieso zu leichtfertig ausgesprochen. Sicher hatte sie ihn bisher nicht so ernst genommen. Wenn er mal ins Detail ging, dann würde sie sicher verstehen, dass er es ernst meinte.

Er dachte flüchtig an die zurückliegende Nacht und schmunzelte. Sie war schon eine wilde kleine Schönheit. Weitergehende Gedanken verkniff er sich für den Moment. Immerhin sollte er als Leiter einer solchen Expedition seine Sinne doch besser auf das Wesentliche ausrichten. Andererseits tat er das eigentlich zu oft.

Wieder drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn und hoffte halb, dass sie aufwachen würde. Aber sie tat ihm den Gefallen nicht und ließ ihn mit seinen Gedanken allein.

Seufzend entspannte er sich und versuchte, zu schlafen. Die Frau in seinen Armen und die Gedanken, die ihn so quälten, hielten ihn aber doch noch eine Weile im Griff.

 

18. Tod und Vernichtung

Mittlerweile ließ es sich nicht mehr verleugnen – es gab Probleme innerhalb der Widerstandsbewegung.

In den letzten Tagen waren einige Leute verschwunden, die für die Organisation eigentlich zu wichtig waren, um an einen Zufall zu glauben. Irgendwo hatten sie sich wohl eine Laus in den Pelz gesetzt. Diese zu finden, war eines der wichtigsten Ziele der nächsten Zeit. Andererseits sollten sie aber auch endlich mal zu einem konstruktiven Ergebnis kommen, sonst würden sie auf längere Sicht nicht weiterkommen.

Aurec entspannte sich und versuchte, die Gedanken an die letzte Nacht von sich zu schieben. Offensichtlich plagte auch Mathew etwas, er wirkte jedenfalls sehr nachdenklich. Ob auch er bei seiner kleinen Verabredung mit Saraah etwas versucht hatte? Wenn ja, dann war er scheinbar nicht sehr erfolgreich gewesen.

Aurec schmunzelte leicht, obwohl ihm der Schotte eigentlich leid tat. Dann rief er sich jedoch zur Ordnung. Es war keine gute Idee, sich ausgerechnet in einer solchen Situation in derartige Gedanken zu verlieren. Auf der anderen Seite: Wenn gleich zwei Besatzungsmitglieder sich in Dorgoninnen verliebt hatten, dann bestand doch noch Hoffnung zur Einigung zwischen den Völkern.

Er konzentrierte sich wieder auf die Situation und stellte fest, dass er die ersten Sätze von Ulemans Rede verpasst hatte.

» ... wir sollten eine Beratung einberufen. Nur die wichtigsten Leute und am besten in meiner Villa. Ich weiß, das ist gefährlich, aber wir sollten das Risiko eingehen. Irgendwo müssen wir uns treffen und über die Sache reden und hier kenne ich mich immerhin am besten aus.«

Kein Widerspruch wurde laut. Aurec nickte leicht und unterstützte somit den Vorschlag, auch Tifflor hatte offenbar nichts dagegen. Mathew kümmerte sich nicht um die Unterhaltung und auch Dove und Lorif hatten besseres zu tun.

Uleman erhob sich also und berief eine Konferenz der Führungskräfte ein.

*

Natürlich konnte Uleman nicht ahnen, dass er damit den Stein ins Rollen brachte. Die Einladung zur Konferenz machte die Runde und aktivierte die führenden Mitglieder der Rebellion, die sich auf die Versammlung vorbereiteten. Auch in die Gruppen selber drang vor, dass einzelne Mitglieder sich auf den Weg zu Uleman machen würden.

In Karakus' Truppe erreichte diese Nachricht schließlich auch Spacus, der sofort eine Nachricht an Vesus absetzte. So erfuhr der Oberkommandant der Flotte bereits vier Stunden, nachdem die Einladungen ausgesprochen waren, was sich zusammenbraute.

Eine Führerkonferenz war das Beste, was ihm passieren konnte. Alle auf einen Schlag und an einer Stelle erwischen, einer Stelle, die auch noch bekannt war. Und dazu hatte er noch den entscheidenden Hinweis erhalten. Nicht, dass er es nicht geahnt hätte. Einige kleinere Hinweise der letzten Tage dazu die bekannt skeptische Einstellung des Mannes, da musste man einfach Verdacht schöpfen. Ulemans Villa wurde ab sofort verstärkt überwacht und zwar aus dem All, vom Flaggschiff des Kommandanten aus.

Wozu sollte er bei den Mitteln der Kameratechnik auch jemanden vor der Türe postieren, der doch nur erwischt werden würde?

Vesus fletschte die Zähne und knurrte leise vor sich hin, ein Ausdruck des größten Behagens bei den Dorgonen. Er musste sofort mit dem Kaiser reden, der würde sich freuen.

Natürlich freute er sich nicht. Er war wütend und benutzte mehrfach Worte, die Vesus überhörte. Ein Kaiser sollte solche Worte nicht aussprechen, aber manchmal musste man sich wohl Luft machen.

Der Neffe des kaiserlichen Herrschers lief rot an und verschluckte sich, während er die Ode an die Traurigkeit vortrug.

Oh, ich bin so traurig.

Es ist mir so schaurig.

Mein Herz ist schwer.

So wie ein Schwarzes Loch leer.

Die Galaktiker wie Nattern,

an meinen Brustwarzen knattern,

doch wir Dorgonen sind Helden,

niemand wird uns das Leben erschweren.

Diese ließ Thesasian mit stoischer Miene über sich ergehen, bis Vesus ihm einige kurze Bemerkungen in die Gehörgänge wisperte. Da war seiner Majestät dann allerdings der Kragen geplatzt. Er knallte gerade zum sechsten Mal die Faust auf die Armlehne.

»Uleman!«

Thesasian atmete tief durch. Die Gedanken an Padarmias Tod kamen in ihm hoch. Uleman, der heimliche Geliebte seiner alles geliebten Ehefrau. Schon damals hatte er Thesasian Hörner aufgesetzt. Doch nun war es zuviel!

»Was bildet sich dieser Ochse eigentlich ein? Wie kann dieser dahergelaufene Fettsack es wagen, meine Politik und meine Person in Frage zu stellen?

Nersonos, Spiel' weiter, sonst reiße ich dir höchstpersönlich die Ohren ab. Vesus, wann soll diese Konferenz stattfinden? Morgen Abend? Hast du alles vorbereitet? Ja? Gut, dann will ich, dass du sie ausradierst! Vernichte sie, erbarmungslos! Sie sollen diesem Verräter, wie hieß er noch gleich...«

»Drynius«, half Vesus ungerührt aus.

»Drynius, ja genau«, winkte der Herrscher ab. »Sie sollen sein Schicksal teilen. Töte sie, aber bringe mit die Rädelsführer!«

»Ja, mein Kaiser.«

Vesus drehte sich um und verließ fluchtartig den Thronsaal.

Einen Widerspruch bezüglich der Vorverlegung des Angriffs verkniff er sich angesichts der kaiserlichen Laune dann doch lieber.

Nersonos warf ihm einen hilfesuchenden Blick hinterher, auf einen wütenden Befehl des Kaisers hin spielte er jedoch weiter. Nervös beobachtete er, wie sein Onkel mit der geballten Faust immer wieder auf die Lehne klopfte, ein deutliches Zeichen, dass zurzeit jeder in größter Gefahr war.

»Und trage Sorge dafür, dass diese Galaktikerschiffe sofort aus der Umlaufbahn verschwinden«, brüllte er vollkommen unkaiserlich hinter dem Kommandanten her, der noch kurz nickte, bevor sich die Tür hinter ihm surrend schloss.

Der Kaiser bemerkte gar nicht, dass Vesus hier eigentlich eine Ungeheuerlichkeit begangen hatte. Doch das war ihm relativ egal, Vesus war viel zu wertvoll, als das man ihn wegen solcher Banalitäten zur Rechenschaft ziehen sollte.

Genervt blickte Thesasian zu Nersonos, der seine Ode trällerte:

»Oh, ich bin so einsam und allein.

Keiner schaut zu mir herein.

Deshalb geht die Langeweile ein und die

Trauer kehrt zurück ein in mein Heim!«

Wütend warf der Kaiser eine wertvolle Vase um.

»Warum höre ich eigentlich diesem Schwachsinn zu?«, fragte er sich laut.

Nersonos hörte sofort auf zu spielen.

»Weil du meine Poesie magst, Onkelchen?«

»Nein! Ich hasse sie und nun verschwinde!«

Nersonos nahm pikiert sein Musikinstrument und verließ den Raum.

Thesasian sah ihm nur kopfschüttelnd hinterher. Er hatte sich wieder beruhigt und dachte über Vesus Bericht nach. Die Galaktiker waren wirklich so gefährlich, wie sie dieser Fremde mit dem Namen Cau Thon beschrieben hatte. Schnell hatten sie die Schwächen des Reiches gefunden – den Widerstand! Doch damit hatte er ja gerechnet. Die unangenehme Überraschung lag eher darin, wer der Anführer des Widerstands war.

Ausgerechnet Uleman, der Konsuls Hesophias war der Anführer dieser Freischärler. Das passte zu ihm. All die Jahre war Uleman ihm ein Dorn im Auge gewesen. Doch er hatte diesen feisten Hesophier geschützt, um die Liebe und den guten Ruf seiner Frau wegen. Niemand sollte jemals von ihrer Affäre erfahren, doch hätte er Uleman angeklagt, so wäre es dazu gekommen, da sie in seinem Hause gestorben war. Nicht als Besucherin eines Freundes im Auftrage des Kaisers, sondern als seine Geliebte. Thesasian schloss die Augen. Die Erinnerungen kamen in ihm wieder hoch, als er Uleman und Padarmia innig umkost erwischt hatte. Diese Demütigung. Dann ihr Tod.

Diese Impertinenz sollte er büßen. Bald würde der Widerstand auf ewig gebrochen sein! Und Uleman würde den grausamsten Tod in der Geschichte Dorgons sterben!

*

»...ergeht somit an alle Schiffe der Galaktiker der Befehl, sich aus der Umlaufbahn über Dom zu entfernen. Dieser Aufforderung ist innerhalb von fünf Minuten Ihrer Zeitrechnung Folge zu leisten, danach wird das Feuer auf Sie eröffnet werden. Wir werden keine Rücksicht nehmen.«

Xavier Jeamour, der kleine Belgier, runzelte die Stirn. Anscheinend war irgendetwas vorgefallen. Er fragte sich, ob er sich weigern und lieber einen Rettungsversuch wagen sollte. Angesichts der Überlegenheit der dorgonischen Raumschiffe wäre das aber einem Selbstmord gleichgekommen. Wenn er sich nun zurückzog, bestand vielleicht eine Möglichkeit, dass sie später zurückkommen konnten und sich um die auf Dom Festsitzenden kümmern konnten.

Er gab den Befehl, der Anweisung zu folgen.

»Benutzen Sie folgenden Leitstrahl, um das System zu verlassen.«

Ein Blick zum Navigator der IVANHOE bestätigte, dass die Koordinaten gespeichert waren. Die Schiffe der Galaktiker lösten sich in einem synchronisierten Manöver aus der Umlaufbahn und setzten Kurs auf die Sonne, wohin sie der Leitstrahl zunächst führte.

»Informiert Portland und Serakan. Etwas stimmt nicht. Wir müssen auf alles vorbereitet sein.«

*

Am Abend des folgenden Tages sollten sich die Räumlichkeiten des Konsuls langsam aber sicher mit Leuten aus der Rebellenbewegung füllen. Uleman hatte eine Party organisiert, die eintreffenden Leute fielen so nicht weiter auf. Sie waren einfach Gäste des Princips Protectors, der die einzelnen Personen Willkommen hieß.

Ulesia, Monderos, Aurec, Mathew, Tifflor und die anderen Galaktiker sollten sich in einem der hinteren Zimmer verborgen halten. Sie sollten von dem Konsul vorgestellt werden, der damit den Aufruf zu einer gemeinsamen Offensive verbinden wollte. Die einzelnen Gruppen sollten mit der Unterstützung der galaktischen Streitkräfte, die als Motivationsspritze gedacht waren, weitere Mitglieder rekrutieren, um in einer Woche einen Angriff gegen den Palast führen zu können. Das Ziel sollte die Beseitigung der kaiserlichen Macht und somit der Person des Kaisers sein.

»Ich schlage vor, dass wir Thesasian absetzen und durch das Forum Preconsus einen neuen Kaiser wählen lassen«, waren die Worte des grauhaarigen Konsuls.

»Doch wer soll das sein?«, wollte Monderos wissen. Er warf Ulesia einen Blick zu, die Aurecs Hand hielt. Monderos musste sich damit abfinden, dass seine ehemalige Geliebte nun in festen Händen war.

»Keiner aus seiner Dynastie. Priamus sicher auch nicht. Vielleicht Konsul Antonus von Rosza oder Preconsus Urisus?«, warf die jüngere Tochter Ulemans, Arimad ein, die für ihre sechzehn Jahre schon sehr klug war.

Uleman schüttelte mit dem Kopf.

»Antonus hat nicht das Rückrad und Urisus ist bestechlich...«

»Wir sollten die ganze Galaxis hochjagen«, murmelte Tyler zu Japar, der freudig lächelte.

Tifflor hatte das ebenfalls gehört und schüttelte nur mit dem Kopf. Er suchte kurz Cascal, da fiel ihm auf, dass der Veteran aus dem Solaren Imperium wieder auf die TAKVORIAN zurückgekehrt war.

Der Konsul schaffte es nicht mehr ganz, den Plan zu vollenden. Gerade als er soweit war, dass die Galaktiker den Raum durch die Hintertür betreten sollten, öffnete sich die Vordertür und eine der aufgestellten Wachen erschien.

»Angriff! Die Wachen des Kaisers kommen, wir sind verraten worden...«

Ein Gurgeln unterbrach ihn. Verblüffung zeichnete sich auf dem Gesicht des Wächters, er sank auf die Knie. Als er mit dem Gesicht aufschlug wurde die hässliche Brandwunde in seinem Rücken sichtbar.

Zunächst herrschte entsetztes Schweigen.

*

Schwarzrot gekleidete Männer der Prettosgarde nutzten die Dunkelheit um sich an das Grundstück des Senators heranzuschleichen. Hier war die rein dunkle Tarnung allerdings wertlos, denn sicher würden auf dem Grundstück des Konsuls Wachen sein, die mit allerlei Detektoren ausgestattet waren. Trinitas drückte sich an die Mauer, die das Anwesen des Konsuls umgab und winkte seinen Männern zu. Deflektoren wurden aktiviert.

Gespannt warteten die Männer auf ein Zeichen zum Angriff. Trinitas hatte den Empfänger an seinem Handgelenk im Auge, der ihm den genauen Zeitpunkt verraten würde, an dem ein koordiniertes Eindringen möglich war.

Als der Empfänger ansprach und dunkelgrün zu Leuchten begann, wusste der Soldat, dass der richtige Augenblick gekommen war. Für einen Sekundenbruchteil rekapitulierte er den Auftrag noch einmal, genauso wie seine Männer, als er die Hand hob, genauso wie alle Einsatzkräfte, die im Augenblick das Grundstück des Konsuls umgaben.

Eindringen – Töten. Das war eigentlich der ganze Befehl gewesen. Im ersten Augenblick hatte sich der Soldat gefragt, was die Männer getan hatten, um so eine grauenhafte Bestrafung zu erfahren. Aber im Grunde war ihm das egal. Er gehorchte, wie es sich für einen Soldaten Dorgons gehörte.

Mit ihm die ganze Gruppe, an dieser Stelle sieben Personen, die sich auf die Mauerkrone schwangen und auf der anderen Seite zu Boden fallen ließen.

Von allen Seiten drangen die Soldaten des Imperiums auf das Anwesen des Konsuls ein. Menschen duckten sich und glitten fast lautlos auf das Haus Ulemans zu.

Trinitas hielt selbst einen Detektor in der Hand, der ihm zum einen signalisierte, ob sich vor ihm jemand befand, zum anderen aber auch anzeigte, ob er selber von Orterstrahlen irgendwelcher Art getroffen wurde.

Natürlich konnte er nicht feststellen, wie es sich mit einer passiven Ortung, also zum Beispiel einer Infrarotortung, die rein visuell aufgrund von Wärme erfolgte, verhielt. Daher verwunderte es ihn auch nicht, als Schreie erschallen, die anzeigten, dass sie entdeckt waren.

Er konnte vor sich in der Dunkelheit einen Menschen erkennen, der sich auf der Türschwelle des Hauses befand. Einige Stufen führten nach oben zu der Tür, die sich geöffnet hatte und ein helles Rechteck in der Dunkelheit abbildete, vor dem sich die Gestalt deutlich abzeichnete.

Trinitas zögerte nicht, er schnitt den Schrei des Wachpostens mit einem gezielten Schuss ab, der in den Rücken des Mannes schlug. Er kippte nach vorn und gab den Blick auf eine Gruppe von Personen frei, die entsetzt aufgesprungen war.

Sofort feuerte er, an den Befehl denkend, der das Töten aller Anwesenden vorschrieb.

*

Die Menschen im Inneren ließen sich zu Boden fallen und verschwanden aus seinem Gesichtsfeld. Schnell legte er die letzten Meter bis zur Tür zurück, gefolgt von seinen Männern. Niemand, wie er mit einem schnellen Rundblick erkannte, hielt sich mehr in dem Raum auf. Vor sich auf dem Boden konnte er allerdings Blutspuren erkennen. Einer der Fliehenden war verletzt.

Die Schrecksekunde dauerte nicht sehr lange. Aurec fasste sich am schnellsten und riss Tifflor, der neben ihm stand, mit sich zu Boden. Ein Strahlenschuss fauchte durch die Tür. Der Saggittone kümmerte sich nicht darum, sondern stieß Tifflor zur Tür auf der anderen Seite des Raumes, durch den sie morgen eigentlich hätten eintreten sollen. Als er sich umwandte, erkannte er, dass alle auf der Flucht waren und sich ihm angeschlossen hatten.

Ein Balken stürzte herab und trennte eine Gruppe. Monderos erschoss zwei Angreifer und packte Ulesia, mit der er in einen Hinterraum rannte.

Aurec sah den beiden hinterher, doch schnell wurde er wieder von einigen Strahlenschüssen abgelenkt. Tyler feuerte mit allem, was er hatte und konnte den angreifenden kaiserlichen Truppen schwere Verluste zufügen, doch es waren zu viele. Das Haus stand bereits in Flammen, sie mussten weg!

»Hier entlang«, ertönte die vertraute Stimme von Uleman, der die Gruppe in eine bestimmte Richtung drängen wollte. Gemeinsam rannten sie in die Richtung einer weiteren Tür, welche die Gruppe in ein Kellergewölbe führte.

Doch Aurec wollte nicht ohne Ulesia gehen. Uleman verstand das. Auch er wollte seine Tochter nicht zurücklassen. Zusammen mit Tyler rannten sie wieder hoch.

Monderos und Ulesia waren in einem Raum und verschanzten sich hinter einen umgefallenen Tisch. Feuer und Rauch machte sich breit.

»Lauf, Ulesia!«, rief Monderos und sie rannte im Schutz des Rauches los.

In selben Moment sah sie auch Aurec, der aus einem anderen Eingang hereinkam. Sie wollte sich ihm in die Arme werfen, da blitzte ein Strahl auf und traf sie im Rücken.

Aurec konnte nicht erkennen, woher der Schuss kam. Tyler und er schossen in die Richtung des anderen Ausgangs und hörten einige Schreie.

Als nächste stürmte Monderos zu den Galaktikern. Danach rannten sie wieder zu den unteren Gewölben, wobei Ulesia von Aurec getragen werden musste. Er legte sie über seine Schulter und wagte nicht, an die Folgen des Treffers zu denken.

Uleman erhielt von Brombus eine Mitteilung, dass er zusammen mit Arimad und einigen anderen sicher aus der Villa gekommen war. Das beruhigte Uleman sehr.

Krassus und Spacus waren ebenfalls unten. Monderos und Spacus warfen sich einen Blick zu.

»Kenne ich dich nicht irgendwoher?«, wollte Monderos wissen, doch Spacus verneinte.

Mehr Gedanken machte sich der Freund Ulesias nicht. Das erschien ihm sekundär. Viel wichtiger war die Flucht und das Wohl seiner ehemaligen Geliebten, die schwer verletzt schien.

Schnell verschwanden sie unter der Villa des Senators.

Ein Fluss verlief direkt unter dem Haus, wie der Konsul rasch berichtete. Er gehörte eigentlich zur Wasserversorgung. Nur ein Privilegierter durfte an einer solchen Stelle bauen. Diesen Umstand hatte er genutzt, um sich einen Fluchtweg zur Unterstadt Doms zu verschaffen.

Vorsichtig rannten die Galaktiker hinter dem Princips Protector die Stufen hinunter und warfen sich in ein kleines Boot, in dem sie alle gerade noch Platz fanden.

Der Konsul übernahm selbst das Steuer und aktivierte den Motor. Erste Soldaten erreichten die Tür und feuerten blindlings in das Gewölbe, allerdings ohne etwas zu treffen. Schnell entfernte sich das Boot von der Anlegestelle, die Verfolger kamen außer Sicht.

Aurec beugte sich über Ulesia. Er hielt ihre Hand und drückte sie sanft, sie reagierte allerdings nur noch sehr schwach darauf. Schnell griff er nach einem Medopack, den er gegen den Körper der jungen Dorgonin presste. Die Anzeigen zeigten nur noch schwache Lebenszeichen an.

Ulesia schlug die Augen auf und versuchte Aurec anzulächeln.

»Es tut mir leid...«, seufzte sie.

»Was tut dir leid?«

»Dass ich nicht an deiner Seite sein kann. Auch wenn du es nie... gesagt hast. Du bist einsam gewesen und ich wollte dir eine gute Frau sein... ich wäre überall... mit... hin gekommen.«

Ulesia fing an zu zittern – ebenso Aurec! Tränen flossen ihm aus den Augen.

»Ich... liebe... dich...«, waren Ulesias letzte Worte, dann schloss sie die Augen für immer. Aurec beugte seinen Kopf über ihren und hoffte, dass niemand seine Trauer mitbekam. Die letzten Worte Ulesias hatten ihm gezeigt, wie hoch ihm der Verlust dieses Menschen war. Sie hatte ihn in der kurzen Zeit sehr gut kennengelernt und hätte ihn sehr glücklich gemacht. Nun wurde sie ihm wieder genommen – von Thesasian! Hass keimte in dem Saggittonen auf.

Thesasian soll dafür bezahlen!

Uleman war der Tod seiner Tochter noch nicht aufgefallen und Aurec hütete sich, etwas zu sagen, solange der Senator mit dem Lenken des Bootes beschäftigt war.

Auch als sie einen Anlegesteg erreichten und schließlich das Boot verließen, nahm er schweigend und von Trauer ergriffen die Tote auf die Arme und folgte den anderen, ohne etwas zu sagen.

Monderos schien es jedoch aufgefallen zu sein. Er sah in die traurigen Augen Aurecs und erkannte, dass Ulesia tot war. Er zwang Aurec zu stoppen und gab der Toten einen Kuss auf die Stirn. Monderos wusste, dass Aurec ihn nicht mochte. Einst war er mit Ulesia zusammen gewesen, doch seine Karriere im Militär war ihm wichtiger gewesen. Der Dienst unter Thesasian war ihm wichtiger gewesen, doch all das hatte sich geändert. Niemand wollte ihm das glauben, außer Ulesia. Auch Monderos hatte viel verloren, seine beste Freundin.

Die beiden Männer sahen sich kurz an, dann gingen sie weiter.

Uleman führte sie durch die unterirdischen Gänge der Stadt. Dabei erklärte er ihnen, dass die gesamte Stadt von einem Netzwerk aus unterirdischen Gängen und Wohnsilos durchzogen war. Die meisten gehörten dem dorgonischen Abwassersystem an, viele waren aber auch Gänge, die in früheren Zeiten aus unterschiedlichen Gründen angelegt worden waren, die meisten allerdings um den Herrschern, die im Laufe der Zeit über Dorgon geherrscht hatten, Fluchtwege zu bieten. Doch das System war weit verzweigt, denn die Gesetzlosen lebten in dieser Region.

Auch Uleman kannte sich nur in groben Zügen aus, aber er verkündete, dass sie schon bald auf einen Eingeweihten treffen würden. In einer kleinen Kaverne, in dem sich mehrere Abwasserkanäle trafen, sollten sie warten.

»Ich habe kein Glück mit den Frauen, die ich liebe«, sagte Uleman traurig und sah auf den Leichnam seiner Tochter. »Erst ihre Mutter, dann Padarmia, nun Ulesia…«

Der alte Konsul hatte den Tod seiner Tochter bereits bemerkt. Doch er trug ihn mit Würde oder stand unter Schock.

»Padarmia war doch die Frau des Kaisers.«

Uleman winkte ab.

»Ja, das war sie. Doch wir liebten uns. Wir waren beide einsam. Doch Thesasian entdeckte uns damals in meiner Villa. Es war zum Streit gekommen. Wir kämpften gegeneinander und stießen in unserem blinden Zorn während des Gerangels Padarmia die Treppe hinunter. Sie war sofort tot.«

Die Gruppe blieb stehen. Tifflor und Aurec waren gleichermaßen überrascht.

»Thesasian hätte allen Grund gehabt, mich anzuklagen. Doch er wollte die Ehre seiner Frau nicht beschmutzen. So behielten wir das Geheimnis für uns. Doch der Hass zwischen uns ist seit jeher noch viel größer geworden.«

Sie betraten eine kleine Halle, die von Uleman als die angekündigte Kaverne bezeichnet wurde. Ein kleiner Wasserfall ergoss sich von der gegenüberliegenden Seite in ein tief aussehendes Becken, in dem sich das Wasser sprudelnd ansammelte.

Uleman erhielt von Brombus die Nachricht, dass Arimad ebenfalls in Sicherheit war.

Aurec bettete den toten Körper seiner geliebten Freundin auf den Boden und verkündete nun endlich die schreckliche Nachricht. Er hatte Tränen in den Augen, obwohl er am längsten Zeit gehabt hatte, sich mit dem Unausweichlichen abzufinden.

Uleman ließ seinen Gefühlen nun freien lauf. Er schrie auf und beugte sich weinend über ihren toten Körper.

Schweigend bildeten sie einen Kreis um die Tote und den trauernden Vater. Stumm trauend nahm jeder Abschied von der jungen Frau, welche die Meisten von ihnen viel zu wenig kennengelernt hatten. Besonders Aurec konnte sich nur mühsam beherrschen.

*

Jeamour steuerte die kleine Flotte der Terraner in die Nähe der Sonne und gab die nötigen Befehle für die folgenden Manöver. Die ganze Flotte sammelte sich und flog in Formation der Sonne entgegen.

Trent Llamand, der die Sicherheitsanlagen überwachte und somit Irwans Job übernahm, weil der gerade auf Dom weilte, meldete sich. Der Kommandant verbot sich jede Störung.

Trotzdem machte der stellvertretende Sicherheitsmann Meldung.

»Ich orte Unregelmäßigkeiten im Energiegefüge des Normalraums aus der Nähe der Sonne. Ursprung unbekannt. Insgesamt sind die Unregelmäßigkeiten an sieben Stellen zu messen.«

Jeamour verwendete einige Gedanken an das Gesagte, kam aber zu dem Schluss, dass es nichts zu bedeuten hatte. Sie waren zwar dazu aufgefordert worden, das System zu verlassen, aber das bedeutete nicht, dass es zu einem Angriff kommen musste. Sonst hätte man sich den Aufwand mit der Warnung sparen können.

Auch Portland meldete sich und wirkte besorgt. Ebenso eine Botschaft von Serakan und Waskoch drückte die Besorgnis der Saggittonen aus.

»Sir, das erinnert mich an das Seshur-System«, warf Fraces ein.

Langsam näherten sie sich der Sonne.

»Dieses Semi-Transit-Feld«, überlegte Jeamour. »Das ist eine Falle! Stoppen und sofort in den Hyperraum«, rief Jeamour durch das Interkom an alle Raumschiffe.

»Raumschiffe voraus«, brüllte der Funker. »Sieben große Kampfraumer der Dorgonen, die 6,5 Kilometer langen Schiffe.«

Für eine Sekunde herrschte Schweigen in der Zentrale. Jeder musste mit seinem Schrecken erst einmal fertig werden. Unterdessen beschleunigten die Schiffe und näherten sich den Terranern langsam aber unaufhaltsam.

*

Schweigen hatte sich über die trauernden Flüchtlinge gebreitet, dann räusperte sich Tifflor.

»Es tut mir leid, Konsul. Was ich jetzt sagen werde, wird hart für sie klingen, aber ich fürchte, wir können uns in unserer jetzigen Position nicht mit der Leiche belasten. Sie würde uns hier unten nur behindern.«

Der Konsul blickte ihn aus tränenverschleierten Augen an. »Wie wollen wir sie denn hier begraben? Es gibt doch keine Möglichkeit. Oder...«

Er verstummte entsetzt und blickte den Unsterblichen aus weit aufgerissenen Augen an. Auch Aurec begriff in diesem Augenblick, wohin der Vorschlag des Unsterblichen zielte.

»Nein«, brüllten beide gleichzeitig. Uleman stellte sich vor die Tote, Aurec neben ihn. Beide blickten Tifflor fast feindselig an.

»Aber wir können uns nicht mit ihr abschleppen...«

Er verstummte und senkte den Blick. Er sollte es besser wissen, hatte er doch in seinem Leben schon genug Freunde verloren. So einfach trennte man sich nicht von einem Menschen, der einem sehr viel bedeutete.

Das schaffte nicht einmal er, obwohl er im Laufe der Zeit naturgemäß Techniken entwickelt hatte, um Trauer schnell verarbeiten zu können. Aber er konnte nicht von Aurec oder Uleman, die beide sterbliche Wesen waren, verlangen, genauso schnell und eigentlich kaltherzig zu reagieren. Er warf einen Blick auf die sprudelnden Wassermassen, die eine wunderbare Möglichkeit geboten hätten, sich der Toten zu entledigen. Dann schüttelte er den Kopf.

»Ich bin einverstanden, das Mädchen mitzunehmen. Ich fühle mit dir, Uleman, und ich wünsche deiner Tochter ein Begräbnis gemäß der Sitten und Gebräuchen ihres Volkes.«

Uleman entspannte sich leicht. Zusammen mit Aurec ließ er sich neben der Toten auf den nassen Plastikbeton sinken. Gemeinsam warteten sie auf das Abholkommando. Aurec und Uleman hielten jeweils eine Hand der Toten, wie um noch ein letztes Mal Abschied zu nehmen, während die anderen hinter ihnen standen und stumm auf die Freunde warteten.

*

Niemand ahnte etwas von der sich dramatisch zuspitzenden Lage im All.

Jeamour nahm Kontakt mit Cascal auf, der sofort befahl sich für den Eintritt in den Hyperraum bereit zu machen. Der Kommandant der TAKVORIAN zündete sich eine Zigarette an und sah sehr angespannt aus. Sofort ließ er alle Waffensysteme hochfahren und wartete auf den Angriff.

Der erfahrene Soldat blickte zu Coreene Quon und Sandal Tolk. Ihm war seltsam zumute. Auch Nadine Schneider war anwesend.

»Sagt dir dein Auftraggeber nicht, was wir in dieser Situation tun können?« fragte er auffordernd.

Nadine sah ihn kalt an. »Er schweigt...«

Manchmal war ihm seine Freundin nicht geheuer. Auch wenn er Nadine Schneider liebte, so umgab sie etwas geheimnisvolles, etwas uneinschätzbares und vielleicht gefährliches...

Joak Cascal atmete tief durch und beobachtete die sieben gigantischen Adlerschiffe, die unaufhaltsam ihren Kurs fortsetzten.

»Schutzschirme auf volle Leistung, alle Waffen aktivieren!«m befahl Cascal.

Er wandte sich an Tolk.

»Das nimmt kein gutes Ende«, flüsterte er leise dem Barbaren von Exota-Alpha zu.

»Fluchtkurs«, rief Henry Portland zu. »Wir müssen in den Hyperraum. Sofort!«

*

Vesus stand vor dem großen Panoramaschirm und blickte auf die ankommenden Schiffe der Galaktiker. Neben ihm stand natürlich Valurus, der die Koordination zwischen den anderen sechs Schiffen und der DOMULUS selbst leitete.

»Alle Schiffe sind auf Position«, meldete der alte Admiral.

»Vorläufig«, stellte Vesus fest.

»Sollen wir das Feuer eröffnen?«

»Noch nicht...«

Vesus genoss diesen Kampf. Es war das erste richtige Kräftemessen zwischen den Galaktikern und Dorgonen. Ein Platz in den Geschichtsbüchern war für ihn bereits reserviert. Er würde der erste Kommandant sein, der die feindlichen Galaktiker vernichtend geschlagen hatte. Vielleicht wurde ihm sogar die Ehre zuteil, die Invasion in Galaxia zu führen.

Nun war es soweit. Vesus hob seinen Arm.

»Feuer auf mein Kommando!«

Jeder in der Zentrale hielt den Atem an. Ein großes Ereignis in der dorgonischen Geschichte war angebrochen. Der Kampf gegen den Feind aus der fremden Galaxis begann.

Vesus senkte den Arm.

»Feuer!«

*

»Ausweichkurs programmieren. So bald wie möglich in den Hyperrau«, brüllte Jeamour und nickte dem Piloten zu, der sofort das Schiff in eine enge Kurve riss und versuchte, den Schiffen der Dorgonen auszuweichen, die sich ihnen in den Weg gestellt hatten. Die Dorgonen waren verdammt nahe dran.

Da feuerte die DOMULUS eine wabernde, transparente Welle ab. Die DRUSILLA wurde getroffen. Der Schutzschirm brach zusammen und das Raumschiff wirkte, als würde es von mächtigen Winden verweht werden.

»Hier Serakan an alle. Begebt euch zu uns. Landet auf der SAGRITON. Los!«

Jeamour dachte nicht nach und folgte sofort dem Befehl.

Die anderen Adlerraumschiffe feuerten ebenfalls ihre tödliche Fracht ab. Das war der Hypertron-Impulser. Die Dorgonen waren zu nahe, um noch auszuweichen. Die NELES wurde vom zweiten Impulserstrahl vernichtet.

Die TAKVORIAN beschleunigte hart und stieß mitten zwischen die dorgonischen Raumschiffe vor. Die automatische Zielverfolgung eines der Schiffe behielt sie im Visier, das dorgonische Schiff feuerte. In diesem Augenblick verschwand die TAKVORIAN zwischen den anderen Schiffen und brachte somit ein anderes Dorgonenschiff zwischen sich und den feuernden Gegner. Dieses wurde offensichtlich schwer getroffen, doch der gegnerische Schutzschirm bewahrte es vor der Vernichtung.

Gleichzeitig feuerte die TAKVORIAN auf eines der Schiffe, das gerade gefeuert hatte. Cascal zwang sie so, nicht den Impulser einzusetzen.

Der größte Nachteil des Hypertron-Impulsers war, wie Cascal sehr wohl aus Berichten von Irwan Dove wusste, dass sie einen hohen Energiebedarf hatte. Daher konnte die Waffe der Dorgonen nur maximal alle 45 Minuten feuern.

Der Schutzschirm des Schiffes schien noch nicht vollständig hochgefahren. Cascal konnte sich keinen rechten Reim darauf machen.

Sofort feuerte die TAKVORIAN auf das Schiff, das gerade seinen Kameraden schwer beschädigt hatte.

Das terranische Schiff schaffte es, drei Transformbomben ins Ziel zu befördern, bevor der Hypertronschirm sich wieder aktivierte. Die dritte der Transformbomben schaffte es, die angeschlagenen Normalschirme zu durchdringen und explodierte im Inneren des dorgonischen Schiffes.

Es explodierte fast gleichzeitig mit seinem Kameraden, den er gerade manövrierunfähig geschossen hatte.

*

Vesus registrierte die Verluste der zwei Schiffe. Er gratulierte den Gegnern im Gedanken. Sie boten ihm einen guten Kampf, doch die Zeit des Spielens war vorbei.

»In das Semi-Transit-Feld eintauchen!« befahl der Flottenoberkommandant.

Die DOMULUS verschwand im Semi-Transit-Feld.

Das Semi-Transit-Feld hob das Schiff praktisch aus dem Normalraum in eine Grigoroff-Blase, so wie das Hypertakt-Triebwerk. Dabei wurde es nicht entmaterialisiert. In diesem Zustand war es mit keiner bekannten Waffentechnologie erreichbar, denn seine Koordinaten sind von keinem Bezugssystem abhängig. Man konnte das mit den Paratronblasen der Zweitkonditionierten vergleichen.

Für das Funktionieren des Semi-Transit-Feldes war keine Mindestgeschwindigkeit wie bei einem gewöhnlichen Hyperantrieb notwendig. Aus diesem Grund wurde jedoch eine enorme Menge an Energie benötigt, welche die Adlerschiffe von der Sonne abzapfen mussten. Dies stellte in gewisser Weise einen Nachteil dar, da sie sich in relativer Nähe zu einer Sonne befinden mussten. Die Entfernung durfte je nach Sonnentyp nicht mehr als 1 bis 1,5 Millionen Kilometer betragen, da sonst der Energieverlust beim Transfer zu hoch wurde.

War das Eintauchen einmal geschafft, fungierten herkömmliche Fusionsreaktoren als Energielieferanten.

Das Schiff war bei aktiviertem Semi-Transit-Feld nicht manövrierfähig, das bedeutete, es musste erst wieder in den Normalraum eintauchen, um beschleunigen zu können.

Die Adlerschiffe konnten im Semi-Transit-Feld weder geortet noch angegriffen werden oder selbst angreifen. Die anderen vier Adlerraumschiffe feuerten ihre tödliche Fracht ab. Die ARAMIS, RUDO, und AKRAN fielen ihnen zum Opfer. Damit hatten die Dorgonen allerdings ihr Pulver für die Hypertron-Impulser verschossen.

Die GOLDSTAR und IVANHOE steuerten auf die SAGRITON zu, die ihnen Feuerschutz gab. Dieses mächtige Raumschiff war ein ebenbürtiger Gegner für die DOMULUS.

Die DOMULUS setzte einen gezielten Punktbeschuss mit dem Transonator auf die GOLDSTAR und vernichtete den Antrieb. Dann kesselten die fünf Adlerraumschiffe die TAKVORIAN und NELES ein und begann mit dem Feuer.

*

»In die Transmitter! Zur SAGRITON und IVANHOE«, brüllte Cascal, als er erkannte, dass die Flotte verloren war.

Der Syntron beschoss die nicht verschwundenen kleineren Schiffe, während die Besatzung sich absetzte. Aus den Augenwinkeln erkannte der Kommandant noch, wie sich eine weitere Feuerwolke im All bildete. Die NELES war zerstört.

Cascal sah Sandal Tolk in dem Transmitter verschwinden und packte seine Freundin Nadine am Arm, die ihn entsetzt anblickte.

»Sie sind alle tot«, meinte sie schockiert.

Cascal verlor keine Zeit, er schubste sie einfach in den Transmitter und warf sich hinterher. Gerade rechtzeitig, denn als er das Feld berührte, spürte er die Hitze explodierender Aggregate.

Im nächsten Moment materialisierte er in der Zentrale der IVANHOE und konnte um den Horizont der Sonne gerade noch erkennen, wie auch die stolze TAKVORIAN explodierte. Er verschwendete kurz einen wehmütigen Gedanken an die gemeinsame Zeit auf diesem wunderbaren Schiff und schüttelte traurig den Kopf.

Dann blickte er Jeamour fragend an. Als nächstes kam die GOLDSTAR an die Reihe. Jeamour beobachtete auf dem geteilten Bildschirm die Ankunft vieler Besatzungsmitglieder der GOLDSTAR über den Transmitter. Die SAGRITON schleuste ihre dreihundert Beiboote und Kreuzer aus, die wie ein Schwarm Bienen die kolossalen Adler umschwirrten und angriffen. Die GOLDSTAR war schwer beschädigt, doch der Angriff der SAGRITON verschaffte ihnen einige kostbare Minuten. Die Kreuzer und Space-Jets der GOLDSTAR wurden ausgeschleust. Die SAGRITON öffnete eine Strukturlücke im Schutzschirm, damit diese dort andockten.

»Ist ein Andockmanöver möglich bei der SAGRITON?«, fragte Jeamour seinen Ersten Offizier James Fraces.

»Ja, Sir!«

»Dann parken wir auf dem Schiff.«

Die SAGRITON besaß Pol-Landefelder, auf denen die IVANHOE zusammen mit den Kreuzern der GOLDSTAR landete. Nun kehrten auch die Beiboote und Kreuzer der Saggittonen zurück, während die SAGRITON mit allen Offensivwaffen feuerte. Ein Adlerraumschiff drehte beschädigt ab. Jeamour wollte sich über diesen Triumph nicht erfreuen. Sieben ihrer eigenen Raumschiffe waren soeben vernichtet worden. Tausende Besatzungsmitglieder hatten den Tod gefunden. Nur die Crew der TAKVORIAN und GOLDSTAR war größtenteils entkommen.

Einige der Kreuzer gingen direkt in den Hyperraum, andere dockten durch Strukturlücken halsbrecherisch auf der Oberfläche der SAGRITON an und sausten in die Hangars. Nachdem der letzte Kreuzer in Sicherheit war, sprang die SAGRITON in den Hyperraum.

Sie waren gerettet. Doch um welchen Preis? Xavier Jeamour begab sich über den Transmitter in die Kommandozentrale der SAGRITON. Dort wurde er von Serakan und Waskoch erwartet. Wenig später stießen Henry Portland und Joak Cascal hinzu.

»Wir hätten besser vorbereitet sein müssen«, rügte sich Cascal.

»Worauf, Sir? Die Dorgonen haben zu schnell ihre Aktionen durchgeführt. Militärisch gesehen, fast perfekt. Sie liegen im Semi-Transit-Feld voll aufgeladen auf der Lauer, verlassen dieses, wenn das Zielschiff in unmittelbarer Nähe ist und feuern mit dem Hypertron-Impulser«, analysierte Portland zerknirscht.

»Wir hätten gar nicht zu diesem Treffpunkt fliegen dürfen, sondern sofort fliehen müssen«, meinte Jeamour.

»Und damit wissentlich unsere Freunde auf Dorgon zurücklassen?«, fragte Cascal.

Serakan hob beschwichtigend die Hände.

»Es ist geschehen. Wir können daran nichts ändern. Nicht wir haben unsere Schiffe zerstört, sondern die Dorgonen. Sie tragen die Schuld. Es gab keine Vorwarnung, kein Ultimatum, keine Kriegserklärung. Vergesst das nicht!«

Nun schwiegen die Raumschiffkommandanten. Die SAGRITON suchte sich ein 829 Lichtjahre entferntes, unbewohntes Sonnensystem als Rückzugsgebiet aus. Von dort aus wollten sie die Situation in Ruhe analysieren. Sie konnten Aurec, Tifflor und den anderen auf Dorgon nicht helfen. Die SAGRITON konnte gegen eine ganze Flotte an Adlerraumschiffen, die jeder ein Schuss mit dem Hypertron-Impulser frei hatte, nicht bestehen. Sie waren zu zwei Dingen verurteilt. Die Toten zu betrauen und auf die Lebenden zu hoffen.

*

Tifflor hatte keine Ahnung von den Geschehnissen im Dorgonia-System und von den Verlusten auf der eigenen Seite. Er hatte allerdings vor Ort selbst eigene Verluste zu beklagen.

Für einen Moment dachte er an die Freunde, die über dem Planeten Dorgon auf ihre Rückkehr warteten.

Die Zukunft lag im Dunkeln. Er hoffte, dass sich bald etwas ereignen würde, was ihnen aus den augenblicklichen Problemen heraushelfen würde und die zu erwartende Zukunft für die gesamte Milchstraße etwas erstrebenswerter machte.

Im Moment hoffte er allerdings vergeblich.

Niemand kam und rettete sie aus ihrer nicht sehr beneidenswerten Lage. Nur die Tote lag immer noch ruhig und erinnerte die Mitglieder der Delegation an die Gefahr, in der sie noch immer schwebten.

ENDE

 

Eine Katastrophe. Bis auf die IVANHOE und SAGRITON wurden alle Raumschiffe der Expedition vernichtet. Der dorgonische Widerstand scheint gebrochen. Da plant Aurec im Zorn eine Verzweiflungstat.

Mehr darüber schildert Jens Hirseland in Band 30 »Intrigen im Imperium«.

 

 

 

Kommentar

Der Traum ist zu ende. Die Hoffnung, mit der Expedition relativ gewaltlos die Invasion zu verhindern, ist fehlgeschlagen. Nur die IVANHOE und SAGRITON konnten der Falle des Dux Superior Vesus entkommen. Alle anderen Schiffe wurden vernichtet.

Uleman hat sich als Anführer der Rebellen entpuppt, doch das führte zum Tod seiner Tochter und einem herben Rückschlag der Rebellen. Thesasian hat seine Muskeln spielen lassen. Die Galaktiker und Saggittonen vermochten nicht gegen die Technologie der Adlerraumschiffe zu bestehen. In Kombination mit dem Semi-Transit-Feld und der furchtbaren Waffe namens Hyperton-Impulser vergingen ihre Schiffe.

Ulemans Rebellen waren den Prettosgardisten und der Willensstärke des Thesasian unterlegen. Das Dorgon des Thesasian ist stark. Vielleicht ist diese Stärke der Schwachpunkt. Was geschieht, wenn Thesasian stirbt? Könnten seine Nachfolger nahtlos an dessen Kurs anknüpfen? Möglich, dass ein Priamus das könnte. Ein Triumvirat mit Priamus, Vesus und Celusian an der Spitze würde den Galaktikern, Saggittonen und Rebellen ebenfalls den Todesstoß versetzen. Doch wenn wir uns die kaiserliche Familie betrachten, so ist es schwer abzuschätzen, ob Carigul als designierter Nachfolger das Können seines Vaters besitzt.

Klausius als Bruder des Kaisers verfügt nicht über die nötige physische Präsenz und Ausdrucksweise aufgrund seiner angeborenen Behinderung. Er ist ein kluger Geist, aber reicht das aus, um in der von Stärke dominierten Gesellschaft Dorgons als Kaiser zu bestehen?

Nersonos ist ein verweichlichter Pseudokünstler. Auf Terra würde er vermutlich in Casting- oder Realityshows auftreten und als C-Klassen-Promi in Container oder in den Dschungel einziehen. Nersonos ist kein Politiker noch ein großer Soldat.

Der Tod Thesasians wäre eine Schwächung und vielleicht die einzige Hoffnung für die Milchstraße. Doch der alte Herrscher gedenkt keineswegs abzutreten. Er sitzt fest im Sattel und das bedeutet, dass der Milchstraße eine baldige Invasion droht.

Nils Hirseland

 

 

GLOSSAR

Hypertron-Impulser

Der Hypertron-Impuls ist eindeutig die mächtigste Waffe der Dorgonen. Mit einer speziellen Emittervorrichtung wird ein Impuls aus Hypertron-Feldern ausgelöst, der sich wellenförmig in die gewünschte Richtung ausbreitet. Die emittierten Hypertron-Felder kompensieren zuerst jede Art von bekannten Schutzschirmen, indem sie deren Energie so lange in den Hyperraum ableiten, bis die Schutzschirmgeneratoren überlastet sind. Dies dauert normalerweise maximal 10 Sekunden (je nach Schiffsgröße). Anschließend wird nach und nach das gesamte gegnerische Schiff in seiner Struktur erst destabilisiert und dann ebenfalls abgestrahlt (Dauer: max. 5 Sekunden je nach Schiffsgröße). Visuell entsteht dabei ein ähnlicher Effekt wie bei der nachfolgenden Hitzewelle einer Atombombenexplosion: das Schiff scheint wie durch einen gigantischen Sturm "verweht" zu werden. Wer von euch sich darunter nichts vorstellen kann, der sollte sich mal "Terminator2" oder "The Day After" anschauen, dort wird das eindrucksvoll in Szene gesetzt!

Nachteil dieser wirklich gewaltigen Waffe: Der Energiebedarf. Es wird für einen Impuls extrem viel Energie benötigt (wenn man das Resultat sieht, durchaus verständlich), sodass selbst bei den größten dorgonischen Schiffen die Impulsfrequenz nur bei ca. einem Impuls pro 45 Minuten liegt. Eine Aufladung erfordert außerdem ein Zwischenspeichern in den Energiespeichern eines Raumschiffes, dadurch muss der Hypertron-Schutzschirm abgesenkt werden. Das Adlerraumschiff wird angreifbar. Daher hat ein Raumschiff meist nur einen Schuss während eines Kampfes. Aufgrund der großen Speicher besitzen nur Adlerraumschiffe der DOMULUS, SULVETIUS und JUSILUS-Klasse einen Hypertron-Impulser.

Die Reichweite der Hypertron-Welle beträgt 900.000 Kilometer.

Taktik: Die Dorgonen nutzen das Semi-Transit-Feld, um sich auf die Lauer zu legen. Befindet sich der Gegner in Reichweite des Hypertron-Impulsers, taucht das Adlerraumschiff aus dem STF aus und feuert. Ein Ausweichmanöver ist nicht mehr möglich, zumal der Überraschungseffekt auf Seiten der Dorgonen liegt.

Semi-Transit-Feld

Verwenden die Dorgonen das Semi-Transit-Feld, so sind sie für alle bekannten Waffen unangreifbar.

Das Semi-Transit-Feld hebt das Schiff praktisch aus dem Normalraum in eine Grigoroff-Blase, so wie das Hypertakt-Triebwerk. Dabei wird es nicht entmaterialisiert. In diesem Zustand ist es mit keiner bekannten Waffentechnologie erreichbar, denn seine Koordinaten sind von keinem Bezugssystem abhängig. Man könnte das mit den Paratronblasen der Zweitkonditionierten oder den Hyperraumsenken von Vincent Garron vergleichen.

Für das Funktionieren des Semi-Transit-Feldes ist keine Mindestgeschwindigkeit wie bei einem Ü-Licht-Antrieb notwendig. Aus diesem Grund wird jedoch eine extreme Menge an Energie benötigt, welche die Adlerschiffe von einer nahen Sonne abzapfen müssen. Und damit wären wir bei den Nachteilen dieser Defensivwaffe:

Das Schiff muss sich in relativer Nähe zu einer Sonne befinden, und zwar darf es je nach Sonnentyp nicht mehr als 1–1,5 Mio. km von ihr entfernt sein, da sonst der Energieverlust beim Transfer zu hoch wird. Ist das Eintauchen einmal geschafft, fungieren herkömmliche Fusionsreaktoren als Energielieferanten (Hypertropzapfer funktionieren aufgrund unbekannter hyperdimensionaler Störfelder nicht, zum Eintauchen können ebenfalls keine Hypertrops benutzt werden, da es durch die gewaltigen Energiemengen die dem Hyperraum entzogen werden müssten zu Instabilitäten des Raum-Zeit-Gefüges im betreffenden Raumsektor kommen würde).

Das Schiff ist bei aktiviertem Semi-Transit-Feld nicht manövrierfähig, d.h. es muss erst wieder in den Normalraum eintauchen, um beschleunigen zu können. Begründung: Für eine Fortbewegung im Semi-Transit-Feld würde mehr Energie benötigt, als in diesem Zustand auf irgendeine bekannte Weise erzeugt/gewonnen werden könnte.

Transonator

Der Transonator kann wie ein fokussiertes Hypertron-Feld, also wie ein hypertronischer Energiestrahl verstanden werden. Das beschossene Ziel wird an der getroffenen Stelle entmaterialisiert und in den Hyperraum abgestrahlt. Paratronschirme bieten begrenzten Schutz gegen diese Waffe, soll heißen erst durch intensiven Beschuss wird ein Paratron überlastet, nicht schon durch den ersten Treffer. Ist der Schutzschirm neutralisiert, ist die Wirkungsweise auf das Schiff ähnlich wie ein Desintegrator, die Materie wird an den getroffenen Stellen entmaterialisiert, jedoch bleiben keine Restbestände wie beim Desintegrieren übrig, sondern die Materie wird komplett in den Hyperraum abgestrahlt. Außerdem ist der Beschuss  eines Schiffes unglaublich effektiv, es wird keine Sekunde benötigt, um beispielsweise ein Loch quer durch ein NOVA-Raumschiff zu strahlen. Der Transonator lässt sich natürlich auch fächern oder bündeln. Bei normaler Fokussierung hat das entstehende Loch einen Durchmesser von ca. 22 Metern. Bei stärkster Fokussierung nur noch wenige Zentimeter.

Der Transonator wird in Raumschlachten benutzt. Er ist eine extrem effektive Waffe, da er auch stärkste Energieschirme überwinden und trotzdem wie ein chirurgisches Werkzeug benutzt werden kann (im Gegensatz zur Transformkanone, welche zwar einen hohen Wirkungsgrad hat, aber dafür auch alles platt macht, was sich in Reichweite befindet).

Hypertron-Schutzschirm

Der Hypertronschirm funktioniert im Prinzip genauso, wie ein herkömmlicher Paratronschirm. Das bedeutet, er leitet auftreffende Energien/Materie in den Hyperraum ab.

Jedoch hat der Hypertronschirm ein andersgeartetes Energiegefüge als der Paratron. Und das soll folgendermaßen funktionieren:

Beim Errichten des Hypertronschirms bildet sich um das Schiff herum ein Feld, in dem praktisch die normalen physikalischen Gegebenheiten aufgehoben werden. Die Grenzen zwischen Normalraum und Hyperraum verschwimmen. Auftreffende Energien müssen nicht durch eigene Energieaufwendung (wie beim Paratron) abgeleitet werden, sondern sie leiten sich selbst ab, indem sie durch ihre eigene Energie die ohnehin schon verschwommenen Grenzen zwischen 4. und 5. Dimension durchbrechen, und damit im Nichts verpuffen. Transformbomben gelangen nicht an ihr Ziel, sondern verpuffen im Hyperraum. Jedes bekannte Waffensystem schießt so ins Leere, der Schirm kann nicht überlastet werden, wie das mit jedem anderen Schutzfeld der Fall ist. Es ist nur zur Erhaltung des Feldes eine konstante Energieaufwendung nötig, die aber durch Beschuss nicht beeinträchtigt wird. Außerdem ist das Schiff nicht mehr zu Orten, sondern nur noch Unregelmäßigkeiten im Raum-Zeit-Gefüge, was allerdings schon auffällig genug ist, da diese Unregelmäßigkeiten Kugelform haben. Der Hypertronschirm hat ansonsten alle Eigenschaften eines Paratrons.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2015

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 29, veröffentlicht am 17.07.2015 —

Titelillustration: Heiko Popp • Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen Seel • Digitale Formate: Jürgen Seel