19.

Das Seshurendorf

Nach einer erfolglos verlaufenen Stunde stieß Mathew Wallace – oder vielmehr seine Nase – plötzlich auf einen appetitmachenden Geruch.

»Aha«, machte er. »Hier sind wir richtig!«

Dove und er betraten das Gebäude, das sich in der Tat als Restaurant herausstellte. Sie setzten sich an einem Tisch und winkten der Bedienung.

Der Kellner des Restaurants trug ein weites, weißes Gewand, welches nur seine Hände und sein braungebranntes Gesicht herausragen ließ. Am Gürtel trug er einen Krummdolch, was Mathew eher an arabische Terra-Nostalgiker als an Springer erinnerte.

»Ja, bitte?«, fragte der Einheimische in für Mathews Ohren fürchterlichem Interkosmo.

»Wir hätten gerne etwas Nahrhaftes.«

»Das macht dann 25 Shrdny.«

Siedend heiß fiel jetzt Wallace ein, dass sie ja gar kein Geld hatten. Verzweifelt wühlte er in seinen Taschen und förderte schließlich das Jod-Fläschchen zu Tage, das ihm Lorif gegeben hatte.

»Leider kommen wir nicht von hier und haben kein Geld dieses Landes. Aber wie wäre es hiermit?«, fragte er und hielt dem Seshuren die dunkle Flüssigkeit unter die Nase.

»Was ist das?«, fragte dieser skeptisch.

»Jod.«

»Jott?«

»So in der Art. Es reinigt Wunden und führt zu schneller Heilung ohne Entzündung.«

Überrascht starrte der Seshure die Flasche an, um sie nach einem kurzen Augenblick in seinem Gewandt verschwinden zu lassen.

»Einverstanden. Das Gericht bringe ich gleich«, rief er ihnen zu, während er bereits durch eine Tür im Hinterzimmer verschwand.

Mathew blicke zu Dove. Dieser zuckte nur mit den Schultern und meinte dann: »Springer…«

Wallace konnte sich nur mühsam ein Lachen verkneifen; und da sagte man, Oxtorner haben keinen Humor.

Nach überraschend kurzer Zeit wurde ihnen aufgetischt. Wallace und Dove stellten erfreut fest, dass die seshurischen Speisen ganz vorzüglich schmeckten. Sie waren so in ihr Essen vertieft, dass sie gar nichts bemerkten, als sich jemand neben sie setzte. Erst, als sich Mathew nach dem Essen zufrieden zurück lehnte, bemerkte er den neuen Tischgefährten und zuckte erschrocken zusammen.

»Keine Angst«, sagte der Seshure, der ähnlich wie der Wirt in weiße Kleidung gehüllt und mit Krummdolch bewaffnet war. »Mein Name ist Bshynshyy und ihr seid nicht von hier, oder?«

»Nein, Bshy…«, wollte Wallace ehrlich zugeben, brachte den exotischen Namen aber nicht heraus.

»Bshynshyy«, schmunzelte der Fremde. »Ist doch ganz einfach!«

»Bsh.. Bnschie… Benschie. Ach, ich nenne dich einfach Benny!«

Der Einheimische zuckte nur mit den Achseln.

»Und wie heißt ihr?«

»Ich bin Mathew Wallace und dies ist Irwan Dove.«

»Ah… ja… und was führt euch nach Shabyn?«

Shabyn musste wohl dieser Ort sein. Mathew überlegte kurz, dem Seshuren die ganze Wahrheit zu sagen, entschied sich dann aber doch lieber dagegen.

»Wir kommen von weit her. Durch einen Sandsturm verloren wir die Orientierung und strandeten schließlich hier in dieser Stadt.«

Offensichtlich gab sich Benny damit zufrieden, denn er nickte wohlwissend und beugte sich dann geheimnistuerisch vor.

»Ihr habt kein Geld, oder?«, raunte er ihnen zu. »Ich habe bemerkt, dass ihr den Wirt nicht bezahlen konntet.«

»Ja das ist richtig…«

»Ich kenne einen Ort, da gibt es genug Gold. Mehr als ihr jemals ausgeben könnt!«

»Und was soll das für ein Ort sein?«

Mathew wusste nicht, worauf der Seshure hinaus wollte.

»Die Stadt des Todes!«

Mathew ließ sich zurück sinken und fing an zu lachen.

»Ja natürlich, die Stadt des Todes!«

»Still«, zischte Benny. Wallace war so überrascht, dass er tatsächlich zu lachen aufhörte. »Die Stadt existiert wirklich. Ich war mit den Fremden aus der Vogelhimmelsbarke dort. Aber sie wollten mir nichts von den Reichtümern geben.«

Nun wurden Wallace und Dove hellhörig. Vogelhimmelsbarke musste eine eigenwillige Bezeichnung für das Adlerraumschiff der Dorgonen sein. Sie hatten wahrlich eine heiße Spur gefunden.

»Erzähl uns mehr, Benny«, bat Dove.

Der Seshure griff unter seinen Umhang und drückte Mathew ein Objekt in die Hand, indem er unter dem Tisch hindurch griff. Dabei sah er sich verräterisch um.

Mathew tat ihm den Gefallen und schaute es sich im Verborgenen an. Das Relikt war eine goldene Tafel, in der einige Piktogramme reliefartig in einem Rechteck mit abgerundeten Ecken angeordnet waren. Irgendwie kam ihm die Darstellungsweise bekannt vor. Sie ähnelten den Hieroglyphen auf dem Datenstick von Mashratan. Vorsichtig gab er die Platte an Irwan weiter, der sie ebenfalls eingehend studierte. Schließlich gab er sie an Benny zurück, der sie schnell wieder verschwinden ließ.

»Warum erzählst du uns davon?«

»Die Fremden haben viele Schätze zurückgelassen, als sie vor wenigen Nächten schnell verschwanden.«

»Und nun denkst du, wir gehen dorthin?«

»Ja, doch ich will zurückkehren, um die unermesslichen Schätze zu bergen. Ihr Fremden kommt doch auch aus dem Weltraum. Das sieht doch eine blinde Sonnenschabe.«

»Nun«, dachte Mathew nach. »wir kommen vielleicht wirklich mit dir mit. Allerdings nur, wenn du das Relikt einem Freund von uns zeigst…«

*

Wie vereinbart trafen sie Timo Zoltan und Lorif, der sich allerdings in ein Deflektorfeld gehüllt hatte, bei dem See im Zentrum der Oase. Mathew hatte Benny kurzerhand einfach mitgebracht und ließ ihn Timo das Artefakt zeigen.

Der Wissenschaftler musterte es kurz und nickte dann.

»Was?«, fragte Mathew. »Was ist es? Mir kamen diese Schriftzeichen irgendwie vertraut vor, aber mir fiel nicht ein, woher…«

»Natürlich kamen sie dir bekannt vor, denn dies sind Hieroglyphen aus der Epoche der pharaonischen Ägypter.« Er deutete auf ein besonders großes Symbol in der Mitte der Platte. »Und das hier ist eindeutig das Zeichen des Lebens…«