5.
Terrania City, Terra, 05. August 1291 NGZ
Perry Rhodan warf einen Blick auf die Uhr. Es war gerade mal 22.00 Uhr Ortszeit in Terrania City. Sie befanden sich in seinem Bungalow in der Nähe des Goshun-Sees und genossen einen Moment der Ruhe.
Er ging zum Fenster und warf einen Blick nach draußen. Die Tür zum Garten war offen.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Bully stand neben ihm, ein Freund aus alter Zeit. Für einen Moment sah er den Dicken in der Uniform der Space Force vor sich und er schmunzelte vor sich hin. Der rothaarige Unsterbliche drückte ihm ein Glas in die Hand, das schwach alkoholhaltigen Punsch enthielt. An einem Tag wie diesem hatte auch ein Resident einmal Entspannung verdient. Nicht, dass er dazu Alkohol gebraucht hätte. Der Aktivator neutralisierte das Gift ohnehin, so dass es ihm nicht schaden konnte.
Das Lachen von Gucky war zu hören. Im nächsten Augenblick materialisierte der Mausbiber neben den beiden Unsterblichen und hielt ihm eine neue Gucky-Actionfigur unter die Nase. Die Figur konnte, wenn man den richtigen Knopf drückte, durch den Raum hoppeln und »Ich bin der Retter des Universums« sagen. Gucky machte das Spielzeug nach. Die anderen Anwesenden quittierten das Geschehen mit leisem Gelächter.
Cascal, Tolk, Tifflor und Adams komplettierten die Runde.
Rhodan ließ seine Blicke schweifen. Cascal und Tolk standen dicht beieinander. Der Barbar war den Alkohol offensichtlich nicht mehr gewohnt, hatte ihm aber in ausreichendem Maße zugesprochen. Er taumelte leicht und grinste breit, als Cascal einen Witz machte, brach er in lautes Gelächter aus. Er konnte sich nicht auf den Beinen halten und plumpste in einen Sessel, der sich aus Formenergie aus dem Nichts materialisierte und seinen Sturz verhinderte. Augenblicklich schlief er ein. Einen Augenblick der Ruhe und des Vergessens. Rhodan war sich darüber im Klaren, dass dieser Moment jede Sekunde zu Ende sein konnte. Dann würden all diese Menschen wieder ausgezeichnete Arbeit leisten müssen. Das wusste er, daher konnte er über Eskapaden dieser Art auch einmal hinweg sehen.
Tifflor stand etwas abseits. In den letzten Jahrzehnten war er nicht mehr sehr in Erscheinung getreten. Er hatte von den Unsterblichen am unauffälligsten gearbeitet, nichtsdestotrotz aber sehr gute Arbeit geleistet. Nur waren seine Aktionen in der Galaxis nicht bekannt geworden.
Eine Person allerdings fehlte, die Perry sehr gerne dabei gehabt hätte und die sicher auch die anderen gerne gesehen hätten. Sein Sohn Michael Rhodan lag in der Klinik auf Mimas, wo man noch immer die Folgen der Beeinflussung zu beseitigen versuchte, die er Shabazza zu verdanken hatte.
Vielleicht sollte er sich für seinen Sohn mehr Zeit nehmen. Rhodan war sich darüber im Klaren, dass er dazu im Augenblick wenig Gelegenheit hatte, aber andererseits lebten sie sich im Augenblick auf eine Weise auseinander, die er noch nie erlebt hatte. Nein, das stimmte nicht, korrigierte er sich in Gedanken. Schon einmal hatte er es erlebt, damals, als er den Abschiedsbrief seines Sohnes vorgefunden hatte.
Ein Summen ließ ihn herumfahren. Für einen Augenblick konnte er es kaum glauben, hatte er sich doch jede Störung am heutigen Abend verbeten. Aber wenn sie ihn anriefen, dann mussten sie dafür einen guten Grund haben. Der Unsterbliche seufzte leise und begegnete den bedeutungsvollen Blicken seiner Freunde. Bully nickte ihm zu. Dann befahl er dem Syntron, das Funkgespräch anzunehmen.
Der Anruf kam von Mond, wo sich derzeit Noviel Residor befand, der neue Chef des TLD. Es war wohl ein wirkliches Zeichen von Entspannung, wenn der Geheimdienstchef der LFT Perry Rhodan über ein offenbar neues Ereignis informierte. Vielleicht schwamm Residor auch einfach mit dem Strom, denn Rhodan plante für das Amt des Terranischen Residenten zu kandidieren. Im Dezember standen Neuwahlen an. Maurenzi Curtiz hatte die besten Chancen, das Erbe der verstorbenen Paola Daschmagan anzutreten. Es war bereits ein offenes Geheimnis, dass Perry Rhodan dann als Resident die Tagesgeschäfte übernehmen würde. Rhodan hatte sich diesen Schritt lange überlegt. Es war wieder an der Zeit, die politische Mitverantwortung für die Terraner zu übernehmen.
Der gefühlskalte Geheimdienstchef nickte dem Unsterblichen nur kurz zu, dann begann er ohne Umschweife über die Geschehnisse auf Ertrus zu berichten.
»Eine P-Chip-Fabrik auf Ertrus ist in die Luft gesprengt worden. Zwei Menschen sind dabei ums Leben gekommen, die Fabrik wurde vollkommen zerstört, dazu noch ein ganzes Stadtviertel, in dem die Gesellschaft gerade an Erweiterungen gebaut hatte. Das Gelände ist radioaktiv verseucht. Cistolo Khan vermutet die Mordred dahinter. Deshalb informiere ich dich.«
»Danke für die Information. Was hast du unternommen?«
»Ich habe einen unserer Agenten nach Ertrus geschickt. Er soll herausfinden, was passiert ist. Wir wissen noch nicht viel, aber wir wissen, dass es keine Bombe, sondern eine Vielzahl von kleineren Sprengladungen war. Wir wollen erst einmal vorfühlen. Hinweise auf die Mordred haben wir im Augenblick allerdings nicht. Daher wollen wir noch kein größeres Aufgebot losschicken. An einen Unfall glauben wir allerdings auch nicht.«
Rhodan nickte. »Ich überlasse alles weitere dir. Wir machen dann hier weiter, wenn du nichts dagegen hast. Oder brauchst du unsere Hilfe?«
»Nein. Ich werde alleine damit fertig.«
Rhodan wandte sich an die Freunde, die ihn betroffen ansahen. Nach Feiern war an diesem Abend keinem mehr zu Mute. Sie setzten sich um den Tisch in Rhodans Wohnzimmer, tranken noch einige Gläser und unterhielten sich. Der Abend war durch den Anschlag verdorben worden. Von wem, war noch nicht ganz klar. Doch Rhodan vermutete auch, dass es sich um die Mordred handelte. Seit Januar diesen Jahres war es still um Cauthon Despair und die Terrorgruppe geworden. Was bezweckten sie mit der Vernichtung einer Positronikfabrik? Gut, es gab Spekulanten an der Börse, die darauf wetteten, dass der KorraVir-Virus ausbrechen würde, mit dem sich die SOL in DaGlausch infiziert hatte. Doch die Stammkulturen befanden sich auf Camelot unter Verschluss. Es würde keinen Ausbruch geben, der alle Syntroniken unbrauchbar machte und damit eine Renaissance der Positroniken einleiten würde. Dennoch war Perry Rhodan ein wenig unwohl. Was wäre, wenn es jemand gelang, den Virus zu stehlen und weiterzuentwickeln? Es musste auf Camelot einen Agenten der Mordred geben. Aurec hatte Rolf Friebel in Verdacht seit den Ereignissen auf Mirkandol vor einigen Monaten. Doch Rhodan glaubte nicht daran. Friebel war wohl nicht der Mann für solche Taten. Es musste jemand mit militärischer oder geheimdienstlicher Erfahrung sein, jemand, der sich auch in der Wissenschaft auskannte.
Rhodan wünschte, Aurec wäre hier, doch der Kanzler der Saggittonen war im Februar nach Saggittor zurückgekehrt. Allerdings versprach er seine Rückkehr in diesem Monat. Immerhin hatte er 250 Raumschiffe der Saggittonen nahe Phönix belassen. Rhodan befürchtete nun, dass er die Hilfe der Saggittonen bald brauchen würde, sollte die Mordred hinter den Anschlägen stecken.