10.

Trade City, Olymp

Gucky ließ sich in den Sessel fallen und beobachtete den schwarzen Terraner, der am Fenster des Hotels stand und die Straßen der Stadt betrachtete. Gleiter huschten unter ihm vorbei und Menschen glitten auf Transportbändern dahin. Einige schwebten auf Gleitbrettern durch die Lüfte, besonders jüngere Menschen, die sich einen Spaß daraus machten, teilweise halsbrecherisch zwischen den Wagen herumzufliegen. Was so gefährlich aussah, war in Wahrheit nicht so schlimm. Die Verkehrszentrale erkannte Gefahren rechtzeitig und vermied Unfälle, der Computer rettete so manches Leben.

Der Ilt erfasste einen Gedanken des Terraners und nickte unwillkürlich. Viele Menschen verließen sich viel zu sehr auf die Sicherheit der Technik heutzutage, Beispiel dafür waren Menschen, die trotz redundanter Sicherungen aus Fenstern fielen, Unfälle, die eigentlich nie passieren durften und Unglücke, die Familien aus heiterem Himmel trafen, obwohl Sicherheitssysteme sie eigentlich verhindern sollten.

Und natürlich waren da auch noch Wesen, die andere Lebewesen bewusst in Gefahr brachten. Auch wenn sie Roboter als Suizidkommandos einsetzten, nahmen sie doch in Kauf, dass auch Andere sterben würden. Gucky richtete sich auf und ging zu Dean.

»Du hast schon recht«, meinte er. Als Dean ihn verdutzt anschaute, zeigte Gucky seinen Nagezahn. »Schau mich nicht so vorwurfsvoll an. Was kann ich dafür, wenn du so laut denkst.« Er teleportierte aus der Reichweite des Afroterraners und landete lachend im Sessel. Dann wurde er aber wieder ernst. »Ich weiß nicht, was auf Ertrus vorgefallen ist. Aber hier wird es nicht passieren. Wir werden schon herausfinden, was dahintersteckt.«

Dean sagte nichts. Er sah den Ilt an, schaute aber auch gleichzeitig durch ihn hindurch. Deans erstes und wirklich großes Abenteuer lag einige Monate zurück, als er zusammen mit dem Somer Sam wichtige Informationen über die Mordred erbeutet hatte und über mehrere Tage vor einem 1.000 Meter großen Schlachtraumschiff der Mordred in einer defekten Space-Jet geflüchtet waren.

Einige Zeit hatte er sich mit Kleinigkeiten, wie er das gerne nannte, herumärgern müssen, bevor man ihn endlich zu Einsätzen gegen das Kristallimperium eingeteilt hatte. Mittlerweile war er ein gefragter Mann beim TLD, seine Abenteuerlust war nicht nur sprichwörtlich, sondern sehr gefragt. Aufträge wie der heute hier waren nicht so ganz nach seinem Geschmack, aber vielleicht konnte man aus dieser eher langweiligen Erkundungsmission doch noch etwas machen.

»He, träumst du?«

Der Ilt hob Dean telekinetisch in die Luft und ließ ihn eine Runde unter der Decke des Raumes spazieren fliegen. Dann setzte er ihn neben sich auf einen weiteren Sessel. »Wir sollten uns mal die Außenstelle dieser P-Chip-Fabrik anschauen, die dieser Dorn hier auf Olymp betreibt. Landry hat offensichtlich nach diesem Namen gefragt und der Rechner hat einige Daten ausgespuckt, die darauf hinweisen, dass auch in Trade City eine dieser Fabriken steht.«

Der Terraner beschloss, dem Ilt seine Albernheiten zu vergeben und nickte. »Gut, gehen wir.«

*

Die Fabrik war nicht allzu weit vom Raumhafen entfernt, was nicht verwunderlich war. Die meisten Industriegebiete, vor allem Produktionen, die für den interstellaren Handel arbeiteten, waren in der Nähe des Raumhafens angesiedelt. Nur Firmen, die sich dort ein Grundstück nicht leisten konnten, wurden in andere Gebiete angesiedelt, wo die logistische Anbindung an den Raumhafen bei weitem nicht so gut war. Der Ilt teleportierte einfach direkt mit Dean zu einem der Frachtterminals und versteckte sich hinter einem der Container. Von dort aus machten sie sich ungezwungen auf den Weg zu einem der Verwalter dieser Fabrik, den der Rechner ihnen genannt hatte.

Der Geschäftsführer hatte offensichtlich nicht mehr mit Besuch gerechnet. Er lehnte in seinem Sessel und hatte die Beine hochgelegt, ein Glas mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit stand vor ihm. Gucky verzog angewidert das Gesicht, als er ohne anzuklopfen eintrat und den schon etwas älteren Mann mit seinem skandalösen Verhalten erschreckte.

»Was erlaubt ihr euch eigentlich?«

Der Mann sprach etwas undeutlich, aber das schien nicht einmal am Alkohol zu liegen. Gucky erkannte mit einem Blick in die Gedankenwelt des Mannes, dass er mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Offensichtlich litt er unter einer rätselhaften Krankheit, die nur wenige Menschen überhaupt befiel. Diese Krankheit bewirkte ein langsam immer stärker werdendes Absterben der Gehirnzellen, was sich nach und nach auf bestimmte Bereiche des menschlichen Körpers auswirkte. Meistens wurde zuerst das Gehirn selbst befallen, dann andere Organe. In diesem Fall schien auch das Sprachzentrum gelitten zu haben.

»Wir wollten nur mal was wissen«, meinte der Ilt mit einem breiten Grinsen und hielt den Olymper telekinetisch fest, als er von seinem Stuhl zu rutschen drohte.

Der Mann wedelte erschrocken mit den Händen dann schwang er die Beine vom Tisch und suchte nach einem festen Halt. Er nahm einen Schluck aus seinem Glas und trank es dann ganz leer. Im nächsten Augenblick redete er wieder normal. Scheinbar handelte es sich bei der Flüssigkeit um ein Medikament.

»Womit kann ich euch dienen«, meinte der Geschäftsführer nun mit klarer und sehr förmlicher Stimme. Offensichtlich hatte er den Ilt mittlerweile erkannt.

»Wir wollten mal wissen, wie das bei euch so mit der Sicherheit ist?«, meinte der Ilt leichthin.

Will Dean übernahm nun und begann, wesentlich gezielter zu fragen, was dem Ilt die Chance verschaffte, sich auf die Gedanken des Mannes zu konzentrieren.

Zu seiner Enttäuschung schien sich die Krankheit doch schon sehr stark auf das Gehirn dieses Mannes auszuwirken. Er hatte keine Ahnung und spielte das nicht nur. Gucky konnte einige Daten aus dem Gehirn des Mannes gewinnen, unter anderem, dass sie heute in der Nacht eine besondere Ladung von Plophos erwarten würden, worum es sich dabei handelte, konnte er aber nicht sagen. Oder besser denken.

Gucky gab schließlich mit einem Nicken zu verstehen, dass es nun genug sei und verabschiedete sich von dem alten Mann. Er verließ mit Will Dean das Gebäude und teleportierte wieder in ihr Hotelzimmer. Dort klärte er ihn über die Resultate seiner Scans auf.

*

»Nun, dann sollten wir langsam zu Bett gehen.«

Dean erhob sich und wollte zum Schlafzimmer hinübergehen.

»Wie meinen?«

Der Ilt stellte sich Begriffsstutzig.

»Nun, ich denke mal, dass wir heute Nacht noch einen Ausflug planen. Oder nicht?«

Grinsend nickte der Ilt. »Klar doch. Aber das bedeutet nicht, dass ich schlafen gehe. Ich brauche nicht so viel Schlaf, wie du weißt. Ich werde noch einige Dinge erledigen. Dann schauen wir weiter.«

Dean nickte und verließ nun endgültig den Raum. Kurze Zeit später konnte Gucky schon sein Schnarchen hören. Er lächelte und entmaterialisierte. Er wollte noch einige alte Bekannte besuchen.