Der Absturz

Das künstliche Black Hole erlosch. Die Normalortung stellte die Umgebung des Schiffes dar, der Syntron erstatte Meldung.

»Holiday liegt vier Lichtjahre von uns entfernt. Ich berechne den neuen Kurs.«

»Verstanden«, reagierte Will.

Seine Augen waren bleischwer, er wurde langsam sehr müde. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigte ihm den Somer, der in einem der anderen Sessel saß und die Augen geschlossen hatte. Ein Verband zierte seinen Kopf. Das Wesen war in einen tiefen Schlummer gefallen.

Deans Augen suchten nach den Ortungen, die auf einem Monitor direkt vor ihn geschaltet waren. Nichts war dort zu sehen, allerdings war er sicher, dass sich das Ortungsbild der TOBRUK dort bald zeigen würde. Er konnte den Blick nicht von der Ortung nehmen, nur einen kurzen Blick warf er auf die Zeitansage, die die Zeit bis zum Wiedereintritt in den Halbraum anzeigte. Noch drei Minuten, verrieten die Zahlen.

Ein gewaltiges Orterecho ließ die Anzeigen ausschlagen. Ein großer Körper taucht in wenigen Lichtminuten Abstand aus dem Überraum zurück ins Normaluniversum. Diesmal sah es wirklich schlimm aus.

»Sam«, brüllte der Terraner.

Es tat ihm leid, den Somer wecken zu müssen. Das Wesen brauchte den Schlaf noch dringender als er selbst, aber wenn sie schon sterben sollten, dann sollten sie auch beide bewusst miterleben, was geschah. Das war er dem Kameraden schuldig.

Ein unwilliges Gurren verriet den Unmut des Wesens, als es sich aufrichtete.

»Sorry, dass ich Sie nicht mit der dritten Arie des ophalischen Kinderchors wecken kann, aber wir haben Probleme.«

»Die Oper Sonnenaufgang über Zaatur von Vogan Dool wäre ein passenderer Vergleich gewesen, Mister Dean! Ist die TOBRUK erneut aufgetaucht?«

Die Worte waren bedächtig gesprochen. Der Somer wirkte keineswegs aufgeregt, vielmehr müde und fast schon genervt von dem ständigen Katz und Maus Spiel mit dem Raumschiff der Mordred.

»Ja, Sir, die TOBRUK. Sie haben uns«, sprach der Terraner die Worte aus, die Sam sicher nicht hören wollte.

Eher erwartete er ein freudiges »Wir haben es geschafft«. Es tat dem Terraner weh, ihm diese Nachricht nicht bieten zu können.

»Zwei Minuten bis zum Übertritt.«

Der Syntron kannte kein Erbarmen.

»Wie lange noch, bis uns die TOBRUK erreicht hat?«

»Eine halbe Minute.«

Ein weiteres Katz und Maus Spiel, diesmal allerdings mit den schlechteren Karten für die beiden Agenten.

»Ausweichmanöver.«

Äußerlich blieb der Terraner sehr ruhig, was Sam zu schätzen wusste, wenn er es auch nicht nachvollziehen konnte.

Der Syntron übernahm die Steuerung und führte das Schiff in die Nähe eines Asteroidenfeldes, das mitten im Nichts lag. Mit einigen schnellen Manövern um kurvte er die kleinen Gesteinsbrocken, die TOBRUK verschwand im Schatten eines der Brocken und entzog sich einer direkten Ortung. Allerdings zeigte der Syntron nach wie vor ein Bild an, das die vermutete Position des Schiffes zeigte.

Bald schon erschien das Raumschiff wieder in ihrer Nähe. Der Syntron hatte Probleme, den Abstand konstant zu halten.

»Eine Minute«, verkündete die Stimme. »45 Sekunden bis zum Eintreffen der TOBRUK.«

Will verharrte in seinem Sessel, nur äußerlich Ruhe ausstrahlend. Die Space-Jet konnte nicht mehr weiter beschleunigen, ohne mit einem der Brocken zu kollidieren. Die TOBRUK flog einfach weiter, die kleinen Brocken verglühten in seinem Schirm.

»Die Geschwindigkeit ist viel zu niedrig.«

Besorgnis schwang in der Stimme des Somers.

»Wir werden es schaffen«, äußerte der Terraner wider besseres Wissen.

Erste Schüsse schlugen in der Nähe der Jet ein. Bis jetzt verglühten allerdings nur die Asteroiden im Feuer der TOBRUK. Wieder beschränkten sich die Angreifer auf den Einsatz von Impulsgeschützen und Desintegratoren. Für das kleine Schiff allerdings würden sie mehr als genug sein.

»Noch zwanzig Sekunden.«

Immer noch konnte nichts die Stimme des Syntrons ins Schwanken bringen, das wäre allerdings auch sehr verwunderlich gewesen.

Langsam zählte sie die Sekunden herunter.

Ein Treffer lies den Raumer leicht erzittern, die Belastung sprang sofort auf 98 Prozent. Noch ein Treffer und die Zukunft der beiden Agenten war besiedelt.

Ohne Vorwarnung löste der Terraner das Schiff aus der Steuerung des Syntrons. Er zwang die Jet in eine scharfe Kurve, umkreiste zwei der Asteroiden und übergab den Raumer dann wieder der Automatik. Zwei Sekunden später sprang der Antrieb an und riss die Jet in den Hyperraum. Beide Agenten hielten den Atem an, erwarteten jeden Augenblick ein Zurückfallen des Schiffes, aber nichts geschah. Die Geschwindigkeit der Jet war gefährlich niedrig gewesen. Es war gerade noch einmal gut gegangen.

»Wir erreichen den Orbit des Planeten Holiday«, verkündete der Syntron.

»Willkommen auf der schönsten Welt der Galaxis. Wir wünschen einen fröhlichen Aufenthalt.«

Will drehte sich grinsend in seinem Sessel um.

Sam schüttelte nur den Kopf, stieß dann auch ein meckerndes Lachen aus. Dieser Terraner verlor wohl nie seinen Humor.

»Einen Urlaub würde ich nicht verwehren, doch die Herren und Damen der Mordred werden ihn uns nicht gönnen«, erwiderte Sam. »Dieses Mal war es eine sehr knappe Flucht«, fügte er hinzu.

Will nickte. Fünf Sekunden später und das Schiff wäre – mitsamt den beiden Passagieren – nur eine verwehende Energiewolke im All gewesen. Hoffentlich ergab sich auf Holiday eine Möglichkeit, die Verfolger abzuschütteln.