Die SOL

Die SOL hatte inzwischen wieder abgehoben und lag im Orbit Phönix’. Adams stand in der Zentrale und schaute auf den Planeten Camelot, der groß auf dem Zentralbildschirm des Schiffes dargestellt wurde.

»Hallo SENECA«, flüsterte er. »Erkennst du mich noch, oder hast du mich in all den Jahren vergessen?«

Natürlich konnte der Computer so etwas nicht so einfach vergessen, das war auch dem Unsterblichen klar. Aber er wollte eine bestimmte Reaktion provozieren und die Recheneinheit tat ihm auch den Gefallen.

»Das wüsste ich aber«, äußerte SENECA pikiert.

Wenn die Maschine ein Gesicht gehabt hätte, dann hätte sie sicher die rechte Augenbraue nach oben gezogen und äußerst missbilligend geschaut.

Adams grinste zufrieden und gab sich dann für einige Augenblicke seinen sentimentalen Gefühlen hin. Der Unsterbliche erinnerte sich, wie er nur wenige Momente zuvor das Schiff nach so langer Zeit wieder betreten hatte. Seine Freunde, allen voran Reginald Bull, hatten ihn schon erwartet, und die Wiedersehensfreude war groß gewesen.

Aber auch Gucky und Icho Tolot waren an Bord. Schnell hatten auch Julian Tifflor, Joak Cascal, Sandal Tolk und Aurec die SOL erreicht. Besonders Cascal, Tolk und Aurec zeigten sich vom Legendenschiff beeindruckt.

Rhodan wäre beinahe umgefallen, als er den Veteran des Solaren Imperiums vor sich sah. Erst das tiefe Freudenknurren von Sandal Tolk warf ihm aus seinem Zustand. Bull machte den ersten Schritt und umarmte Cascal.

»Wer hätte das gedacht? Wie bist du denn hierhergekommen? Keiner konnte eine bessere Mischung Vurguzz-Wodka als Cascal machen!«, grinste Bull breit.

»Alter Säufer, reicht dir dein Bierbauch nicht schon?«, hänselte Gucky seinen alten Freund.

Cascal und Tolk erzählten in Stichworten von ihrer Geschichte. Während Rhodan den beiden lauschte, bemerkte er auch den Saggittonen. Mit einem herzlichen Lächeln trat er seinem Freund aus M 64 entgegen und drückte ihn.

»Ich bin froh, dich wiederzusehen, mein Freund Aurec«, sprach er gerührt.

Trotz all der Sorgen, um MATERIA, die Mordred, Shabazza, Torr Samaho und auch dem Gesundheitszustand seines Sohnes fühlte sich Rhodan für ein paar Momente zufrieden, erleichtert und optimistisch. Es waren seine Freunde, die ihm Mut gaben.

Mit solchen Gefährten kann mir nichts passieren, dachte er still.

Jetzt stand der Mann mit dem schütteren Haar nur einfach stumm in der Zentrale und lauschte der munteren Konversation seiner Freunde. Währenddessen erzählte SENECA Adams jede Einzelheit der Abenteuer in DaGlausch. Es schien, als haben die neuen Besitzer zeitweilig einen anderen Rechner installiert, jedenfalls konnte sich SENECA nicht an alles erinnern. Vielleicht wollte er auch einfach nicht.

Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn herumfahren. Aurec sah sich begeistert auf der SOL um. Er ging quer durch die gewaltige Kommandozentrale des Mittelteils und machte eine beeindruckte Geste.

»Was für ein Raumschiff«, schwärmte er. »Mit dem werden wir die Mordred sicher bald besiegt haben.«

Adams senkte für einen Moment den Blick. »Hast du ihm noch nicht gesagt…«

Der Blick, den er Rhodan zuwarf, konnte man nur als vorwurfsvoll bezeichnen. »Nein, ich habe ihn bisher nur begrüßt. Wir haben uns lange nicht gesehen.«

Dann wandte er sich dem Freund zu. »Kommt bitte in den Besprechungsraum. Wir müssen uns schnell einiges einfallen lassen…«

Zuerst schilderten Rhodan und Bully die Ereignisse in DaGlausch und erklärten die Zusammenhänge zwischen Thoregon, MATERIA und dem Feind der Koalition und Menschheit Shabazza.

Gucky, Tifflor und Tolot berichteten von – im Gegensatz zu den anderen Abenteuern – relativ harmlosen Mission in Puydor und der Vernichtung Jii’Nevevers. Adams, Aurec, Cascal und Tolk waren die Erzählungen bereits bekannt, denn die beiden relativ Unsterblichen waren schon im November mit Michael Rhodan nach Camelot zurückgekehrt. Nachdem es den camelotischen Medizinern nicht gelungen war, den Sohn Rhodans erfolgreich zu behandeln, waren sie nach Mimas aufgebrochen. Nachdem sie von der Rückkehr der SOL erfahren hatten, waren sie mit einer Space-Jet nach Phoenix geflogen. Ob sich Michael Rhodan wieder komplett erholen würde, stand in den Sternen.

Zuletzt hielt Adams ein trauriges Dossier über die Attacken der Mordred.

Rhodan und Bull hörten lange zu. Reginalds Kopf lief rot an, als er die Bilder von der Zerstörung Sverigors sah. Rhodan war über die Zerstörung Sverigors entsetzt. Doch ebenso war er traurig und schockiert über den Hass der Sverigen und dem Plan der Korrektheitsbehörde, die gesamte Menschheit auszulöschen. Was war nur geschehen? Woher stammte plötzlich all diese Verachtung für Andersdenkende? Hatte Perry seine Terraner und die gesamte Milchstraße zu sehr vernachlässigt? War das Exil auf Camelot vielleicht doch verkehrt gewesen? Durfte er sich der Regierungsverantwortung seiner Menschheit wirklich dauerhaft entziehen, denn sie schien nicht so emanzipiert zu sein, wie er es sich erhofft hatte. Quälende Fragen, deren Antworten warten mussten. Jetzt galt es erst einmal die Gefahren irgendwie zu beseitigen.

»Wir sollten MATERIA erst einmal links liegen lassen und diesen Bastarden in den Hintern treten!«, meinte Bully zu den anderen.

»MATERIA ist die größere Gefahr, Bully. Die SOL kann sich nicht darum kümmern…«, erklang Rhodans Stimme wehmütig.

Es entbrannte eine Diskussion. Schließlich zuckten alle zusammen, als eine laute Stimme um Ruhe bat. Es war der Haluter Icho Tolot, der bis jetzt still der Konferenz gefolgt war.

»Beide Gefahren sind nicht zu unterschätzen, Freunde!«, sprach er eindringlich.

Seine drei rot leuchtenden Augen blickten über die Runde.

»Wir müssen unsere Aktionen koordinieren und uns nicht nur stur auf eine Sache konzentrieren. Wir müssen geballt gegen die Mordred und MATERIA vorgehen können. Aber im Moment müssen wir auf den nächsten Schritt der Mordred warten. Bis dahin sollten wir aber auch keine Zeit vergeuden und uns um MATERIA kümmern.«

Es lag viel Wahrheit in Tolots Worten.

»MATERIA hat Priorität. Sie kann mehr Unheil anrichten.«, sagte Rhodan.

Icho Tolot lenkte auf ein anderes Thema.

»Mein Volk scheint etwas zu planen. Was es genau ist, kann ich nicht sagen, aber ich bin mir sicher, dass die Haluter uns helfen werden«, erklärte der Gigant ruhig.

»Ich erwarte einige schlagkräftige Raumschiff meines Volkes in wenigen Tagen. 200 Raumschiffe sind vor einem Monat bereits eingetroffen und sichern Camelot«, erklärte Aurec.

»Wir haben durch die Chearth-Expedition bereits viele fähige Agenten abgeben müssen«, murmelte Adams, der um die Sicherheit Camelots besorgt war.

»Wir brauchen noch mehr für die SOL, Homer. Das besprechen wir nachher«, sagte Rhodan leise.

Adams verstand, erwiderte darauf allerdings nichts.

Aurec erklärte, dass die LFT sich jedoch quer stellte, was den Schutz ihrer Welten anging, auf denen sich Camelotbüros befanden. Sie wollten nicht, dass Raumschiffe eines fremden Sternenreiches dort patrouillierten. So beschränkte sich derzeit der Schutz der Saggittonen auf Camelot. Jedoch reichte dies mit Sicherheit aus, um Phönix vor einem Angriff der Mordred zu schützen. Sie wussten, dass die Mordred zwar über kampfkräftige Superschlachtschiffe verfügte, die jedoch zahlenmäßig einer Raumflotte der Saggittonen unterlegen waren.

Julian Tifflor meldete sich zu Wort.

»Perry hat mir die Ehre zuteil kommen lassen, Sprecher Camelots im Galaktikum zu werden. Ich werde mich mit Bostich in Verbindung setzen und um eine Rede Perrys in wenigen Tagen bitten. Die Probleme gehen die ganze Galaxis etwas an.«

Rhodan nickte knapp.

»Also gut, wir behandeln MATERIA vordringlich! Daran gibt es keinen Zweifel. Ich werde alle Kraft auf MATERIA konzentrieren… solange die Mordred nicht eine Großoffensive startet oder Systeme bedroht. Ich werde nicht zusehen, wie die Milchstraße von außen durch MATERIA oder von innen durch die Mordred vernichtet wird!«

Die Worte Rhodans klangen entschlossen. Es gab nichts hinzuzufügen. Die Ereignisse überschlugen sich in den letzten Tagen, daher musste man schnell handeln. Alle Beteiligten einigten sich auf diesen Kompromiss.

Cascal und Tolk wurden eingeteilt, um Sam zu suchen, währenddessen es Aurecs Aufgabe war, für die Sicherheit Camelots zu sorgen. Rhodan störte es nicht, dass die Verantwortung in den Händen einer Macht aus einer anderen Galaxie lag. Er vertraute Aurec und den Saggittonen.