Manuel Joaquin Cascal kauerte auf dem unbequemen Stahlbett mit der zerfransten Matratze in seiner Zelle und stierte vor sich hin. Vermutlich war es Inhaftierten in der Bastille besser ergangen. Denn in diesem Raum deutete aber auch gar nichts darauf hin, dass sie sich im 13. Jahrhundert NGZ befanden.
Cascal musterte seine Mitinsassen. Ein schweigsamer Ara, ein muskelbepackter Ertruser und ein unscheinbarer Terraner. Niemand sagte etwas, doch langsam machte diese Stille den Veteran aus dem Solaren Imperium nervös.
»Weshalb sitzen Sie hier, meine Herren?«
Die drei blickten sich entgeistert an. Schließlich stand der hagere, kleine Terraner auf.
»Denis Emot mein Name. Der werte Ara ist Trikolom Fernest. Der Ertruser nennt sich Conroy.«
Cascal stellte sich vor. Die drei sahen ihn ungläubig an. Joak erklärte seine Situation und erntete dafür mitleidige Blicke von dem Ara und dem Terraner, während der Ertruser wie ein wilder Tiger durch die Zelle stapfte.
»Nun, ich war Blogger im Galaktonet und hatte auf die hohe Kriminalität aufmerksam gemacht«, erzählte Emot. »Dann haben sie mich verhaftet und des Rassismus beschuldigt. Wie wir alle, sitzen wir in Untersuchungshaft.«
Cascal richtete seinen Blick auf den Ertruser.
»Und Sie, Conroy?«
»Ich, Sir, bin Offizier des Freikorps Sektor Morgenrot. Wir wollen die Alienbastarde von Sverigor werfen und die ganzen sozial schmarotzenden Gutmenschen ebenfalls. Das ist doch alles nur minderwertiger Dreck.«
Zumindest dieser Ertruser war ganz offenbar zurecht hier im Gefängnis, dachte sich Cascal.
»Das macht uns zu Weggefährten, Sir«, meinte der Ertruser und grinste.
Cascal schüttelte den Kopf.
»Ganz gewiss nicht. Typen wie Sie kann ich nicht leiden. Da ist kein Unterschied zu Menschenhassern. Sie alle glauben, sie wären etwas Besseres und könnten auf einer anderen Rasse herumtrampeln. Wir sind bestimmt keine Weggefährten!«
»Pass bloß auf!«, brüllte der Ertruser und spannte seine Muskeln an. Der Bizeps des Kolonialterraners war so groß, wie Cascals beide Oberschenkel zusammengenommen. Der Hüne mit dem roten Irokesenschnitt würde Cascal vermutlich mit ein, zwei Schlägen erledigen.
»Hört auf! Es ist doch völlig egal. Wir werden sowieso bald alle verurteilt und in die Behandlung kommen«, meinte der Ara.
»Was meinen Sie damit?«
Der Ara lachte bitter. Er erhob sich mit einem Ächzen und massierte sich mit der Hand kurz seinen Rücken.
»Der neueste Clou der Korrektheitsbehörde. Im Kampf gegen Terrorismus, Rassismus, Diskriminierung werden demokratiefeindliche, psychisch kranke Verbrecher einer Sonderbehandlung unterzogen. Ich war in der medizinischen Entwicklung beteiligt und nun…« Er seufzte und blickte an die Decke. »und nun frisst die Revolution ihre Kinder. Ich wollte aussteigen, aber das ging natürlich nicht. Deshalb bin ich hier.«
»Details!«, forderte Cascal.
Der Ara zuckte mit den Schultern.
»Ich wäre in einem Hochsicherheitstrakt, wenn ich Details wüsste. Ich war nur ein kleines Rädchen. Die Korrektheitsbehörde arbeitet an einem umfassenden Programm zur genetischen und psychischen Veränderung von Geisteskranken, um sie in die sverigische Gesellschaft zu reintegrieren. Wir sind hier nämlich der Auffassung, dass Rassismus, Sexismus und alles andere übel auf geistige und körperliche Krankheiten zurückzuführen sind. Wird der Verbrecher entsprechend behandelt und genetisch und psychisch umgebaut, wird er wieder gesund. So einfach ist das.«
Das musste ein schlechter Witz sein. Der Ara sprach von nichts anderem, als einer Gehirnwäsche. Einer Konditionierung im Sinne einer Ideologie. Das hatte nichts mit freiem Willen zu tun. Er musste so schnell wie möglich hier raus. Nur wie? Ein Ausbruch kam wohl nicht in Frage. Er musste auf Aurec, Sandal und Sanna Breen hoffen.
»Keine Bange, Terraner. Zuerst wirst du vor ein Untersuchungskomitee gestellt. Die Inspekteure führen ein Gespräch mit dir und erstellen ein Psychogramm. Dann wird entschieden, ob du der Behandlung unterzogen wirst oder eine Bewährung bekommst«, erklärte der Ara.
»Da geht es mir ja gleich viel besser«, knirschte Cascal.
»Ich habe gehört, dass die Korrektheitsbehörde an noch etwas viel schlimmeren arbeitet«, wandte Emot ein.
Die anderen blickten ihn neugierig an.
»Ich habe von mir gut bekannten Verschwörungstheoretikern gehört, dass die Korrektheitsbehörde an einer Nanokultur arbeitet, die die Gedanken der Träger kontrolliert, unkorrekte Gedanken an den Zentralrechner meldet, Schmerzimpulse aussenden kann und das ganze Individuum zu einer völlig kontrollierbaren Datei im großen Korrektheitsrechner macht.«
Das ging Cascal doch etwas zu weit. Auf der anderen Seite, traute er den Galaktikern jedes schändliche Verbrechen zu. Da waren sich alle gleich, egal ob Terraner, Arkonide, Blues, Topsider oder Akone. Die schöpferische Kraft für Verbrechen vereinte sie. Jedenfalls musste so eine Neuigkeit dringend an Adams und die LFT weitergegeben werden. Auch wenn Verschwörungstheoretiker die Quelle waren: Man sollte es zumindest überprüfen und nicht als lächerlich abtun.
Die Tür öffnete sich. Ein Korrektheitsroboter schwebte hinein.
»Individuum Joak Cascal zur Untersuchungskommission.«
Der Ertruser lachte schallend.
»Danach wirst du dir wünschen, dass wir das ganze Pack in Konverter schmeißen, Bübchen!«
Cascal machte einen gelassenen Eindruck, auch wenn es in ihm anders aussah.
»Am besten gleich dich und deine Kampfgenossen dazu.«
Cascal grinste den Ertruser an und folgte dann dem Roboter.
*
Joak Cascal saß auf einem Formenergiesessel und blickte in die Gesichter der drei Inspekteure. Zu seiner Überraschung waren es zwei Menschen und nur ein Blue. Aber das bestätigte seine Vermutung, dass ausgerechnet die Menschen die treibende Kraft in dem Menschenhass waren. Paradox.
Der Blue stellte sich als Trüttyülin vor. Er war der stellvertretende Inspekteur für Rassismusfragen in Verwahrungsanstalten. Die Vorsitzende des Komitees war eine Frau. Sie hatte ein unattraktives, kantiges Gesicht mit verbissenen Gesichtszügen. Das blonde Haar war kurz geschoren. Sie blickte Cascal aus ihren kleinen Augen grimmig an. Der dritte im Bunde wurde als Mediziner, Kosmopsychologe und Wissenschaftler vorgestellt. Frytzens schien neronischer Abstammung zu sein. Die Haut war hellblau und die Stirnwülste noch erkennbar.
»Individuum Manuel Joaquin Cascal, du wurdest aufgrund von erschwerten Rassismusvorfällen zu einer Geldstrafe verurteilt, die du nicht begleichen konntest. Die folgende psychologische und genetische Untersuchung dient dazu, dir auf den richtigen Weg zu helfen«, begann Trüttyülin die Untersuchung.
Frytzens tippte hastig Notizen in seinen Rechner und sah immer wieder musternd zu Cascal herüber.
»Du hast die diskriminierenden Wörter Frauen und Blue benutzt«, stellte die Terranerin namens Ranata Colfest fest und verzerrte das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse. »Schrecklich. Mir fehlen die Worte zu derlei sexistischen Rassismus.«
Zustimmendes Nicken vom Ferronen und Blue.
»Wir stellen dir nun ein paar Fragen. Bitte so schnell wie möglich beantworten«, meinte Frytzens und legte sogleich los.
»Du bist ein Mann?«
»Ja.«
Kopfschütteln beim Ferronen. Colfest nuschelte ein »widerlich«, der Jülziisch seufzte.
»Das Solare Imperium war eine demokratische Institution, die Fortschritt, Zivilisation und Gerechtigkeit in die Milchstraße gebracht hat.«
»Ja, das war sie«, antwortete Cascal voller Inbrunst.
»Mhm, ja, das dachte ich mir«, murmelte Frytzens.
Auf einem Hologramm erschienen nun ein zierlicher Mann, eine vollbusige Frau und ein Topsider.
»Mit welcher der drei Individuen würdest du Sex haben wollen?«
»Wie belieben?«
Frytzens wartete auf eine Antwort.
»Der Fra…« Cascal stockte. »Dem Individuum mit den dicken Brüsten.«
»Ich ertrage diesen Chauvinismus nicht. Ich kriege gleich einen Herzinfarkt«, beschwerte sich Ranata Colfest und starrte Cascal voller Verachtung an.
»Was soll dieser Idiotentest, bitte sehr?«, wollte Cascal wissen. »Ich bin in diplomatischer Mission unterwegs. Das hier ist eine Farce! Wir wollen Sverigor gegen Terroristen beschützen und nun das!«
Ranata Colfest donnerte mit der Faust auf den Tisch.
»Jetzt halte deine freche Klappe, du lindgrüner Rassist! Wir brauchen eure Hilfe nicht. Was wir noch weniger brauchen sind – möge man mir vergeben – sexgesteuerte Männerschweine, die unsere heile, tolerante, bunte und vielfältige, multikulturelle Demokratie mit ihrer braunen Soße vergiften.
Du bist Faschist, Sexist, homophob, extraterrestrialphop und ein gefährlicher Rassist. Du hättest niemals unsere schöne Welt betreten dürfen.«
Trüttyülin fragte nun den Wissenschaftler nach dessen Meinung.
»Das Individuum ist leider krank. Ich habe eine schwere geistige Erkrankung festgestellt.«
»In einem Zweiminutengespräch?«, fragte Cascal irritiert.
»Ruhe«, brüllte Ranata Colfest.
»Ich schlage daher die Sonderbehandlung inklusive dem Gendering vor, damit das Individuum von sexuellen und geschlechtlichen Vorurteilen befreit wird.«
»Was? Ihr habt nicht mehr alle Tassen im Schrank. Niemand verändert irgendwas an meinem Körper und Verstand.«
Cascal wollte aufstehen, doch der Formenergiesessel veränderte die Struktur und legte sich um Joaks Arme und Beine. Er war gefesselt. Eine Haube senkte sich von der Decke hinab und es wurde dunkel.