Der Angriff begann.
Die großen 500 Meter durchmessenden Kugelraumer verteilten sich nach einem bestimmten Muster um Sverigor. Zwischen ihnen schwebten die 250 und 100 Meter Kreuzer. Die Kampfraumjäger, Minor-Globes, Korvetten und Space-Jets machten sich für den ersten Bombenangriff bereit.
»Los«, sagte Despair knapp an Kenneth Kolley gewandt. Dieser gab den Befehl weiter. Zuerst eröffneten die 500 Meter Kugelraumer das Feuer und beschossen mit Transformgeschützen die Oberfläche. Sofort glommen die Schutzschirme über den großen Metropolen auf. Raumforts, Abwehrjäger und die gesamte sverigische Flotte von insgesamt 360 Raumern ging zum Angriff über.
Die waren der MORDRED zwar zahlenmäßig überlegen, jedoch nicht von der Kampfkraft. Despair beorderte die VERDUN in die vorderste Linie. Sie tauchte in den Orbit hinab und begann mit dem todbringenden Feuer. Sie setzte dabei nicht nur die Transformgeschütze ein – mit Transformbomben hätte sie auch von mehreren Millionen Kilometer Entfernung jedes nicht von einem Schutzschirm geschützte Ziel auf Sverigor angreifen können. Transformsalven legten einen Ring aus Sonnenfeuer in die Flugvektoren, während im Intervallmodus feuernde KNK-Geschütze die Schutzschirme der gegnerischen Schiffe zertrümmerten. Zusätzlich setzte der Riese sämtliche konventionellen Waffensysteme ein. Ein Inferno spielte sich im Orbit von Sverigor ab. Die Raumschiffe kamen wie Lämmer zur Schlachtbank. Sie waren völlig chancenlos gegen die Feuerkraft des 3.500 Meter großen Schlachtschiffes der MORDRED.
Innerhalb weniger Momente waren 27 Raumer vernichtet. Die anderen Einheiten der MORDRED sorgten ihrerseits für einen Kampf, der sich jedoch langsam außerhalb des Orbits verlagerte. Die RANTON von Nummer Vier blieb in der Nähe der VERDUN.
»Sir, die camelotischen Verräter funken uns erneut an«, meldete Kolley.
»Ignorieren«, sagte Despair leise.
Der Silberne Ritter betrachtete die ungleiche Schlacht. Im Sekundentakt wurden sverigische Raumschiffe vernichtet oder stark beschädigt. Einige Raumer versuchten durch die Blockade durchzubrechen, doch sie kamen nicht weit.
Einzig das Adlerraumschiff HESOPHIA verharrte ruhig abseits des Geschehens. Die Dorgonen beobachteten. Doch auch die TAKVORIAN und IVANHOE blieben auf ihrer Position, etwa 10 Millionen Kilometer von Sverigor entfernt. Was sollten sie auch tun? Jeglicher Angriff auf die VERDUN, RANTON und HESOPHIA war Wahnsinn und glich einem Selbstmordkommando.
Es hätte Hunderte besser ausgerüstete Schiffe bedurft, um die MORDRED heute aufzuhalten. Despair wechselte den Blick auf die Übertragung der Bomber. Sie zeigten aus der Vogelperspektive die Angriffswellen auf die sverigischen Metropolen. Die Schutzschirme hielten stand, während die Flotte immer kleiner wurde.
Raumschiffwracks stürzten hinab auf die Oberfläche und hinterließen eine Schneise der Verwüstung, dort, wo keine Schutzschirme aktiviert waren. Die kleineren Dörfer und Siedlungen waren verloren. Die Touristenzentren wurden getroffen. Unter Garantie war das der letzte Urlaub der Betroffenen auf Sverigor.
Die Kameras der Bomber erfassten immerhin die Tragik der Lebewesen in den kleineren Siedlungen. Auf klassische Art und Weise wurde im Sturzflug die tödliche Fracht entladen. Häuser und ganze Straßenzüge gingen in Flammen auf. Verzweifelt rannten die Wesen vor den Feuerwällen davon. Feuerstürme bildeten sich. Gigantische Windhosen aus Feuer brausten über die lodernden Siedlungen und Wälder Sverigors.
Doch das Schlimmste würde erst noch kommen.
Nach 21 Minuten war die sverigische Flotte aufgerieben. 360 Raumschiffe waren vernichtet oder zu Schrott geschossen.
»Konzentrieren Sie das Feuer auf die Schutzschirme der Großstädte«, befahl Despair.
»Sir, die beiden camelotischen Raumschiffe nähern sich uns.«
Wie konnten sie es wagen? Das war doch blanker Selbstmord. Despair hatte versucht, sie zu schonen, doch nun konnte er nichts mehr für sie tun.
*
Mit jedem abgeschossenen sverigischen Raumschiff stieg die innere Wut in Aurec. Doch nicht nur bei ihm, auch bei den anderen. Diese Tatenlosigkeit war ein grausamer Streich des Schicksals. Sie mussten zusehen und die vernichteten Raumschiffe zählen.
Ein direkter Kampf gegen die VERDUN und das 1.500 Meter durchmessende andere Raumschiff namens RANTON als auch gegen das inzwischen aufgetauchte Adlerraumschiff dieser geheimnisvollen Dorgonen und die zahlreichen Beiboote wäre ein Selbstmordkommando.
Dennoch erteilte Joak Cascal in Absprache mit Xavier Jeamour und Aurec den Befehl, sich den MORDRED-Raumschiffen zu nähern.
Sie mussten Zeit gewinnen und die MORDRED-Raumer hinhalten, bis Raumschiffe der LFT, des Kristallimperiums und der anderen galaktischen Völker eintrafen.
Es war vermutlich nur ein dummer Versuch, doch besser, als gar nichts zu tun.
Die IVANHOE meldete sich.
»Sir, unsere Abtastung hat ergeben, dass zwei LEKA-Disken die RANTON verlassen. Sie sind mit Arkonbomben bestückt«, erklärte der Posbi Lorif.
Cascal klärte Aurec über Arkonbomben auf. Sie waren in der Lage innerhalb von Stunden einen ganzen Planeten zu vernichten. Sofort versuchten die IVANHOE und TAKVORIAN mit Sperrfeuer ihrer Transformgeschütze die Annäherung der Space-Jet ähnlichen Beiboote an Sverigor zu verhindern.
»Wirkungsfeuer?«, fragte Tolk.
Cascal zögerte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. Er konnte Sverigor nicht mehr retten, außerdem trug die ehemalige Kolonie des Solaren Imperiums wohl auch eine gehörige Mitschuld an ihrem Schicksal.
»Nein, das wäre Selbstmord.«
Außerdem war es bereits zu spät. Die diskusförmigen Raumer waren schon nahe der Oberfläche und entluden ihre tödliche Fracht.
Der Atombrand begann.
»Rückzug«, sprach Cascal fast beiläufig und doch war es ein richtiger Befehl, denn die VERDUN fing an, auf die IVANHOE und TAKVORIAN mit ihren Transformgeschützen das Feuer zu eröffnen.
Sie entfernten sich von Sverigor. Dennoch war durch ihre ausgesetzten Sonden genau zu verfolgen, was passierte.
Durch die bei der Zündung der Arkonbombe freigesetzte harte Hyperstrahlung wurden die Atomkerne der angesprochenen Elemente hyperenergetisch anregt. Sie fusionierten unter Freisetzung derselben Strahlung. Nach dem Schneeballprinzip entstand so eine Kettenreaktion, die in nahezu Nullzeit von Atomkern zu Atomkern sprang.
Das Schicksal von Sverigor war besiegelt. Nichts konnte diesen Atombrand noch löschen. Kilometer hohe Feuerwände walzten über den Planeten und zerstörten diese so schöne Natur. Bäume brannten wie Streichhölzer ab, Seen verdunsteten und Siedlungen wurden von der Druckwelle zerrissen, ehe das erste Feuer sie erreichte.
Die Städte hielten noch stand, doch lange konnte der Schutzschirm nicht mehr standhalten, zumal der gesamte Planet in wenigen Stunden kollabieren würde.
Die Raumschiffe der MORDRED zogen sich zur RANTON und VERDUN zurück. Einige kehrten zurück und machten Jagd auf sverigische Raumer, die der Feuerhölle entkamen.
Aurec musste sich eingestehen, dass es unmöglich war, mit der MORDRED zu verhandeln. All das Bitten auf eine vernünftige Lösung war umsonst gewesen. Genauso wie die Sverigen hatte die MORDRED von hehren Zielen gesprochen – doch am Ende zählte für sie nur die völlige Vernichtung des Gegners. Genauso hatten es die Sverigen versucht. Nicht so brachial, wie die MORDRED, sondern auf eine feinere, langsamere und saubere Art und Weise. Die Ideologie war gleich: Auslöschung aller, die nicht in ihr Konzept passten.
Welch Ironie, dass erst durch diesen aggressiven Plan der Sverigen, die MORDRED, welche wohl das Musterbeispiel an finsteren Terranern für Sverigen war, die Entscheidung fällte, Sverigor auszulöschen. So grausam der Plan der Sverigen war, niemand hatte das Recht ein ganzes Volk deshalb zu vernichten.
Erneut sendete die TAKVORIAN die Bitte an die VERDUN, zumindest die Überlebenden zu verschonen. Viel Hoffnung hatte Aurec jedoch nicht. Der Schock über die Vernichtung eines ganzen Planeten, einer ganzen dazugehörigen Zivilisation saß tief im Saggittonen. Er blickte in traurige und wütende Gesichter. Der Terror der MORDRED hatte eine neue Dimension erreicht.
*
Das lodernde, zerstörerische Sonnenfeuer über Sverigor spiegelte sich im Visier des Silbernen Ritters.
Zwei Milliarden Lebewesen starben in der Gluthölle. Der durch die beiden Arkonbomben ausgelöste Kernbrand verwandelte den Planeten nach und nach in eine kleine Sonne. Die ersten Schutzschirme der Großstädte begannen zu flackern.
Wieder funkte die TAKVORIAN die VERDUN an und bat um Verschonung der Überlebenden. Hunderte Raumschiffe schwebten inzwischen im Orbit des Planeten.
»Scannen Sie die Flüchtlingsraumer nach den Nanokulturen. Lassen sie jene passieren, die keine an Bord haben. Die anderen werden vernichtet«, befahl Despair.
Es hatte genügend Blutvergießen gegeben. Doch würde die Nanokulturen bei der Flucht in die Galaxis importiert werden, wäre diese grausame Aktion völlig sinnlos gewesen.
So musste er dem Todeskampf des Planeten weiterhin beiwohnen. Die sverigischen Flüchtlingsschiffe formierten sich bei der IVANHOE und TAKVORIAN. Nummer Vier protestierte wütend, doch Despair stellte klar, dass die RANTON alleine in den Kampf ziehen müsste, sollte ihm Despairs Order nicht passen. So beschränkte sich die RANTON auf die weitere Bombardierung Sverigors, um die Schutzschirme der Metropolen zu schwächen.
»Die Dorgonen entsenden uns Glückwunsch zur erfolgreichen Operation«, meldete Kenneth Kolley.
Beiläufig registrierte Despair, dass die HESOPHIA im Hyperraum verschwand. Offenbar hatten die Dorgonen lange genug dem tödlichen Spektakel beigewohnt.
»Konzentrieren Sie das Feuer auf New Stockholm«, lautete der nächste Befehl. Millionen Gigatonnen TNT prasselten durch den Beschuss der Transformkanonen auf den Schutzschirm, der ohnehin den Atombrand abwehren musste. Unter den Hunderten Explosionen und dem Feuerwirbel war der Zusammenbruch nicht zu erkennen, doch die taktische Anzeige vermeldete den Erfolg. New Stockholm verging innerhalb weniger Momente. Auch die unterirdischen Anlagen der Korrektheitsbehörde hielten dem Feuer nicht stand.
Die Forschungseinrichtungen wurden zerstört. Der Zentralrechner der Korrektheitsbehörde ebenso. Die Gefahr war endgültig gebannt. Es dauerte eine weitere Stunde, ehe jeder Schutzschirm über einer Stadt erloschen war und die gesamte Oberfläche des Planeten von der Glut überzogen war.
17 der 534 Flüchtlingsraumschiffe wurden mit der Nanokultur zerstört. Der Rest rettete sich zur IVANHOE und TAKVORIAN. Despair musste sich nicht mehr die Auslöschung Sverigors antun. Schon jetzt existierte kein Leben mehr auf Sverigor. Wie viele hatten wohl überlebt? Vielleicht ein, zwei Millionen? Rhifa Hun hatte vielleicht recht. Es waren nicht die Besseren und Unschuldigen von Sverigor. Diese hatten vermutlich nicht die Chance gehabt, sich zu retten.
Despair erteilte den Befehl zum Abzug. In Feierstimmung war niemand auf der VERDUN. Zu groß war die Schuld, die sie sich aufgeladen hatten. Ja, sie hatten die Terraner vor einem gefährlichen Virus gerettet, doch um welchen Preis …