6.
Die Korrektheitsbehörde

Aurec marschierte unruhig auf und ab. Das Knarren des laminierten Fußbodenbelags störte ihn nicht. Sanna Breen saß einige Meter entfernt zusammen mit Johny Unarov, dem so genannten leitendes Kommissariat für außerplanetarische Angelegenheiten und stellvertretenden Leiter für den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung durch nichtsverigische Lebensformen. Sie warteten nun schon seit Stunden auf eine Audienz mit der Regierung. Wirsal Cell hatte inzwischen die 5.000 Galax besorgt und den entsprechenden Behörden gegeben. Doch es hieß, Joak Cascal würde noch einigen Untersuchungen unterzogen werden.

Was sollte Aurec tun? Er hatte eine Beschwerde im Namen Saggittors eingereicht. Die LFT hatte davon abgesehen. Der Botschafter der Liga Freier Terraner wollte keine diplomatischen Verwicklungen für einen Cameloter riskieren. Aurec verstand diese Gleichgültigkeit nicht. Offenbar interessierte sich niemand bis auf Camelot für die MORDRED. Niemand wollte etwas mit den Problemen der anderen zu tun haben und am besten die Situation aussitzen.

Wirsal Cell war erneut aufgebrochen, um in der Vollzugsanstalt mehr über den Verbleib mit Joak Cascal herauszufinden. Sandal Tolk hatte bereits vorgeschlagen, dass in einer Kommandoaktion Cascal befreien würden. Aurec behielt sich diese Option als letzten Ausweg vor, sollten die Sverigen weiterhin so störrisch sein. Natürlich durfte dabei kein Lebewesen sterben.

Aurec setzte sich zu Sanna Breen und Johny Unarov.

»Hach, ihr macht mich ganz datterig, mit euren Geschlechtern. Sanna ist so demonstrativ weiblich und du so herb männlich. Das sind wir hier nicht gewohnt.«

»Ein Wunder, dass du überhaupt über Geschlechter sprichst«, meinte Aurec.

»Nun, als eine Sache dürfen wir darüber reden. Allerdings eben nicht sverigische Existenzen so bezeichnen. Das ist zutiefst beleidigend. So ist unsere Gesellschaft und das muss toleriert werden.«

»Dann toleriert ihr, dass es Völker gibt, in denen Männer und Frauen stolz auf ihr Geschlecht sind.«

Unarov seufzte und betrachtete seine lackierten Fingernägel. Sein Interkom summte plötzlich ein heiteres, schrilles Kinderlied. Offenbar sein Klingelton. Nach dem Akustikgespräch informierte Unarov, dass die Korrektoren für eine Audienz bereit sind.

Unarov führte Aurec, Sandal Tolk und Sanna Breen durch einen Transmitter, der sie in das Hauptregierungsgebäude strahlte. Dort wurden sie von topsidischen Sicherheitsleuten in Empfang genommen und durch eine schmucklose Halle geführt.

Vieles wirkte sehr steril in den offiziellen Gebäuden, fand Aurec. Es war ganz anders als die prachtvoll geschmückten Häuser Saggittors. Hier fehlte eindeutig etwas Leben, etwas Kunst und Kultur.

Es wirkte alles schrecklich einheitlich blass. Aber vermutlich war das beabsichtigt in einer Gesellschaft, in der Gleichschaltung offenbar sehr wichtig war. Das einzig verwirrende für den Saggittonen, war diese Heuchelei, denn Sverigor gab sich bewusst als weltoffen, vielfältig und tolerant. Es war so, als würde die Gesellschaft versuchen, dem Chaos eine Struktur zu verpassen.

»Dir merkt man sichtlich an, dass es dir auf Sverigor nicht gefällt«, meinte Unarov zu Aurec.

»Verzeih mir, aber eure Welt ist sehr befremdlich. Ich stelle mir eine tolerante, Vielvölkergesellschaft anders vor. Die Zwänge scheinen zu überwiegen. Wo ist der Unterschied zu einer Diktatur?«

»Wir morden nicht. Wir zerstören nicht. Wir gestalten. Wir konstruieren und erschaffen eine vorbildliche Gesellschaft. Es ist immer schwer für die ersten Generationen, sich an eine moderne, zukunftsorientierte Wertegesellschaft zu gewöhnen«, antwortete Unarov voller Überzeugung.

Aurec schwieg. Sverigor war nicht nach seinem Geschmack. Seiner Auffassung nach konnte eine Gesellschaft durchaus vielfältig und tolerant sein, ohne, dass sie den anderen ihre Doktrin aufzwang. Das Leben in einer Zivilisationen sollte doch Schlupflöcher und Nischen ermöglichen, damit sich unterschiedliche Wesen wohlfühlen konnten. Natürlich musste es so was wie eine Leitlinie geben, moralische Grundsätze, an die sich alle hielten und sich auch damit identifizierten. Wenn die Bewohner Sverigors sich wohl fühlten, so wie sie lebten, dann war Aurec der Letzte, der das in Frage stellte. Nur schien ihm aus den Berichten und dem bisher gesehenen, Sverigor eine Welt zu sein, die zweierlei Maß anlegte.

Doch Aurec war nicht hier, um den Sverigen ihren Lebensstil vorzuschreiben. Er war hier, um die Sverigen vor die MORDRED zu warnen.

Endlich erreichten sie einen geräumigen Konferenzsaal. In der Mitte schwebte ein Kristalltisch. Um ihn herum saßen die sverigischen Staatslenker auf Formenergiesesseln.

Das waren die Korrektoren. Sie waren die Repräsentanten Sverigors. Aurec musterte die vier Menschen, zwei Jülziisch, den Topsider, den Unither und den Cheborparner.

Nachdem die üblichen politischen Floskeln ausgetauscht wurden, übernahm Aurec sogleich die Initiative.

»Ich bin kein Galaktiker und doch sorge ich mich um die Sicherheit in eurer Galaxis. Vor einigen Jahren half mir Perry Rhodan selbstlos, Saggittor vor einer schweren Krise zu bewahren. Die Ehre erbietet es, dass ich auch seiner Galaxis helfe.«

Die Korrektoren bedachten den Kanzler Saggittors mit verständnislosen Blicken. Der Cheborparner kümmerte sich offenbar gar nicht darum, denn er beschäftigte sich nur mit seinem Picopad und schien ein Spiel darauf zu spielen.

Aurec fuhr unbeirrt fort: »Die MORDRED hat diverse Niederlassungen Camelots angegriffen und will die Milchstraße mit Terror überziehen. Camelot und die LFT haben das erkannt. Wir vermuten, dass die MORDRED auch auf Sverigor aktiv ist, und bitten daher um Unterstützung, um diesen Planeten vor Terror zu bewahren.«

»Die MORDRED ist demnach eine faschistische Menschenorganisation. Wie sollte es auch anders sein«, stellte einer der Topsider bitter fest.

»Überall wo Menschen sind, fließt Blut«, ergänzte einer der Jülziisch.

»Dieses Vorrecht haben Menschen nicht allein gepachtet«, wandte Sanna Breen ein.

Breens Einspruch stieß auf wenig Gegenliebe. Sie erntete spöttische Bemerkungen und wurde angewiesen, zu schweigen, da sie nichts weiter, als eine niedrige Beamtin der LFT sei. Aurec sei als Repräsentant einer Nation einzig das Wort erlaubt. Der Saggittone verstand diese Feindschaft nicht. Sie waren doch alle Galaktiker. Woher rührte dieser Hass gegen die Menschen?

»Wir Menschen auf Sverigor sind nicht stolz auf unsere Rasse. Faschismus, Imperialismus, Krieg, Mord, Gier, religiöser Fundamentalismus, Terror, Rassismus und Diskriminierung sind die Eigenschaften, die am besten die menschlichen Völker in der Galaxis beschreiben«, erklärte ausrechnet einer der Menschen. Nach Aurecs Empfinden war es eine Frau. Sie war ausgemergelt, hatte rotes Haar und leere blaue Augen.

»Ich empfehle den Korrektoren, Aurecs Worten die richtige Bedeutung beizumessen. Die Saggittonen, Terraner und Cameloter haben mich überzeugt«, warf Johny Unarov ein und lächelte zu Sanna Breen. Offenbar war es der LFT-Assistentin gelungen, Unarov zu überzeugen. Er hatte seine Vorbehalte abgelegt und verstand nun offenbar den Ernst der Situation.

»Wir danken höflichst für deine Empfehlung, liebes Johny Unarov«, sagte ein alter Mensch mit langem weißem Haar. Am auffälligsten an ihm oder ihr waren jedoch die knallrot bemalten Lippen.

»Wie auch immer ihr zu den Menschen in dieser Galaxis steht, ich denke, vordringlich ist die Bekämpfung der MORDRED. Wollt ihr denn, dass Blut auf euren Straßen vergossen wird?«

Aurec blickte fragend in die Runde. Der Cheborparner war immer noch mit seinem Computerspiel beschäftigt.

»Wir werden dein Anliegen prüfen und mit der Korrektheitsbehörde besprechen. Unsere Polizei wird sich um die Angelegenheit kümmern. Wir bitten euch nun, Sverigor zu verlassen. Wir veranlassen die Entlassung eures Verbrecherfreundes in Bälde. Wir danken für die Informationen und wünschen euch alles Gute für die Zukunft«, sagte die Rothaarige und widmete sich nun ihrem Reader.

Aurec blickte entgeistert zu Sanna Breen und dann zu Johny Unarov. Dieser wirkte sichtlich peinlich berührt.

»Das ist alles?«, wollte Aurec wissen.

»Korrekt. Geht nun«, forderte die Rothaarige erneut und zeigte den Ansatz eines Grinsens.

»Keine Zusammenarbeit? Keine koordinierte Suche nach der MORDRED auf Sverigor?«

»Nein, Kanzleres von Saggittor.«

»Kanzler!«, stellte Aurec fest.

»Da fällt mir noch etwas ein«, warf der Cheborparner ein, der sein Picopad kurz beiseitelegte. »Wir fordern euch auch auf, die Cameloter mitzunehmen. Wir streichen die Aufenthaltsgenehmigung. Wenn die Cameloter weg sind, wird die MORDRED keinen Grund haben, uns anzugreifen.«

»Das ist sehr kurzsichtig gedacht«, meinte Aurec knapp. Er wusste, dass es sinnlos war, mit diesen Leuten zu diskutieren.

»Wir auf Sverigor denken nie kurzfristig. Der Geist unserer Gesellschaft wird bald die ganze Galaxis umfassen. Eines Tages wird es keinen Rassismus und keine Diskriminierung mehr geben«, orakelte einer der Jülziisch.

Nun schwebten zwei Roboter der Korrektheitsbehörde in den Raum. Einer von ihnen fuhr einen Greifarm aus und deutete zum Ausgang. Damit war die Audienz bei den Korrektoren wohl beendet.

Johny Unarov begleitete Aurec, Sandal Tolk und Sanna Breen hinaus.

»Diese Wesen sind stur und verbohrt. Sie predigen Toleranz und sind intolerant gegenüber allen anderen Ansichten«, stellte der Barbar von Exota-Alpha mit Bedauern fest.

»Was meinte das Korrektoren mit der letzten Aussage?«, fragte Sanna Breen.

Unarov zauderte. Er sah sich um. Die Korrektheitsroboter waren fort, so waren sie relativ ungestört.

»Nun, wir arbeiten an einem Projekt zum Wohl der Galaxis. Schon bald wird die Krankheit Rassismus geheilt werden. Ihr müsst verstehen, besonders wir Menschen sind sehr krank. Doch wenn wir erfolgreich sind, wird es das alles nicht mehr geben. Wir können dann alle friedlich zusammenleben.«

Mehr wollte Johny Unarov nicht sagen. Doch Aurec beschlich ein ungutes Gefühl.