5.
Aus den Chroniken – Besuch auf Terra

Die Delegation aus Camelot bestand aus drei Leuten. Homer G. Adams, Wirsal Cell und der Saggittone Aurec. Sie erreichten meine Villa an den Hängen vor Siena gegen elf Uhr. Ich war froh, dass Nataly sich für diese Woche bei mir einquartierte, um mir zu helfen.

Meine Nichte war zu einer jungen, bezaubernden Frau von 20 Jahren herangewachsen. Sie trug ihr blondes Haar rücken lang und jeder Mann, der in ihre blauen Augen blickte, war sogleich entzückt. Wäre da nicht ihr aufbrausendes Temperament gewesen. Laut brüllte sie ihren armen Hund Pally zusammen, weil er sich selbstständig gemacht hatte. Nataly war der Auffassung, Hunde müssen einem strikten Training unterzogen werden. Nun ja, das arme Hündchen war offenbar im Begriff, nach preußischer Militärdoktrin erzogen zu werden.

Während ich die Gäste begrüßte, bereitete Nataly Kaffee, Tee, Kaltgetränke und belegte Brötchen vor. Homer kannte ich. Jeder, der sich mit der Geschichte der Milchstraße beschäftigte, dem war Homer G. Adams ein Begriff. Seinen Begleiter Wirsal Cell kannte ich noch nicht. Ein älterer, rundlicher Mann. Das schüttere, graue Haar war wirr und zerzaust. Dann war da noch der charismatische Saggittone Aurec. Er war etwas kleiner, als ich ihn mir vorgestellt hatte, doch sein charmantes, weltmännisches Lächeln und sein Auftritt zeigten mir, dass der junge Kanzler Saggittors das Herz am richtigen Fleck hatte.

»Es ist dein erster Besuch auf Terra?«, fragte ich Aurec.

Der Saggittone bestätigte.

»Ich habe viel von der Heimatwelt der Terraner gehört. Diese Gegend ist sehr schön. Sie erinnert mich an Saggitton.«

Wir saßen hier ungestört. Natürlich waren Wachmannschaften Camelots und des Terranischen Liga Dienstes um das Anwesen verteilt. Doch niemand wollte einen großen Staatsakt aus dem Treffen machen. Homer G. Adams berichtete, dass Wirsal Cell früher einer der Ausbilder von Cauthon Despair an der Raumakademie von Port Arthur gewesen war.

»Nun, Homer erhofft sich, dass ich die Psyche von Despair analysieren kann. Doch mein Kontakt mit ihm ist fast acht Jahre her. Cauthon war ein ehrgeiziger junger Mann, der mit den Zurückweisungen der anderen Schüler nie klargekommen war«, berichtete Wirsal Cell, während er mit zitternden Händen einen Tee trank.

Cell schien unter der ganzen Situation zu leiden. Vermutlich gab er sich die Schuld an dem Desaster. Ich hätte es auch getan, wenn einer meiner Schüler zu solch Verbrechen fähig wäre. Zumindest hätte ich mich gefragt, ob ich seinen Werdegang hätte vermeiden können. Homer G. Adams erklärte, dass sie alle Camelotbüros gesichert hätten. Niederlassungen auf weniger wichtige Welten hätten sie bereits gänzlich evakuiert. Dennoch lasteten die Verluste auf Imart, Zalit, Olymp, Gatas und Plophos schwer auf ihm.

»Die MORDRED spielt mit uns. Despair kennt die Koordinaten von Phoenix. Warum greift er uns nicht gleich an?«, fragte sich Adams.

»Entweder ist die MORDRED zu schwach dafür oder er spielt wirklich mit euch und will den Triumph auskosten«, vermutete Aurec. »Außerdem wissen wir nicht genau, ob Despair tatsächlich der Anführer der MORDRED ist«, fügte der Saggittone hinzu.

Der Angriff dieser Terrororganisation hatte Camelot – ja die ganze Galaxis – kalt erwischt. Perry Rhodan, Reginald Bull, Atlan, Gucky und Icho Tolot waren im Universum verstreut. Der Terranische Liga Dienst war seit der Transferierung des TLD Towers durch das Heliotische Bollwerk stark geschwächt. Sowohl die LFT als auch die anderen Machtgruppen der Galaxis litten noch immer unter den Attacken der Tolkander. Es war deshalb gut möglich, dass der Herbst 1290 NGZ schnell zu einem Winter werden würde.

Camelot ermittelte immerhin in alle Richtungen. Der Somer Sam war auf Stiftermann III, genauer gesagt zur BASIS unterwegs, um Hinweise beim organisierten Verbrechen über die MORDRED zu suchen. Die IVANHOE nahm zusammen mit Wyll Nordment und seiner bezaubernden Frau Rosan den ungastlichen Planten Mashratan unter die Lupe.

Die Sicherung der Camelotniederlassung auf diversen Welten wurde von Joak Cascal und Sandal Tolk auf der TAKVORIAN geleitet. Ich war ein wenig enttäuscht, dass ich noch nicht die Gelegenheit dazu hatte, die beiden Veteranen aus dem 36. Jahrhundert Anno Domini zu sprechen. Durch ihre Abenteuer in der Raumzeitfalter der Casaro waren sie neben den Zellaktivatorträgern die ältesten Menschen der Galaxis.

Jaaron wusste, dass eine Expedition der LFT und Camelots in der Raumzeitfalte nach weiteren Hinweisen suchen sollte. Immerhin war es gut möglich, dass diese Casaro noch weitere Stützpunkte in der Lokalen Gruppe hatten. Es schien dieser Tage nur so vor Gefahren zu wimmeln.

Nach einer Stunde traf der TLD-Agent Stewart Landry ein. Nachdem er etwas mit Nataly flirtete, die ganz hin und weg von dem smarten Agenten war, gesellte sich Landry zu uns. Ich kannte ihn schon einige Jahre und Landry war einer der wenigen Geheimdienstler der LFT, die gerne und offen mit Camelot zusammenarbeiteten.

»Cistolo Khan und seine Assistentin werden am Abend in Siena eintreffen«, kündigte er an.

Landry hatte Vertrauen zu den Camelotern. Immerhin hatte er vor fünf Jahren bei der Suche nach der entführten LONDON teilgenommen und sich wochenlang mit dem Mausbiber Gucky in einem Container versteckt, welches sich auf dem Raumschiff der Entführer befunden hatte. So überraschte es mich nicht, dass Landry zugab, der TLD hätte auch einen Agenten namens Will Dean zur BASIS geschickt, der dort als verdeckter Ermittler arbeiten sollte.

»Mit etwas Glück arbeiten Sam und Dean sogar zusammen. Der Junge ist ganz umgänglich, wenn man ihn auf dem richtigen Fuß erwischt«, meinte Landry.

»Wir müssen in dieser Angelegenheit zusammenarbeiten. Das muss auch Khan begreifen«, mahnte Adams.

Landry lächelte gequält.

»Ich weiß das.«

Ein bedrückendes Schweigen kehrte ein. Jedem Anwesenden war klar, dass wir uns – trotz des milden Herbsttages – nicht auf einem Grillabend befanden, sondern über die Verteidigungsmaßnahmen gegen die MORDRED diskutieren wollten.

Und in der Tat lag vieles in den Händen der LFT. Würde sie mit Camelot kooperieren, so wie sie es in der Tolkander- und Dscherrokrise notgedrungen getan hatte, gab es eine Chance, die MORDRED schnell zu stoppen. Sollte die LFT jedoch darauf aus sein, Camelot fallen zu sehen, wer weiß, wie dann alles enden würde …