7.
Durch die wilde Wüste

»Aufwachen, Mister Nordment. Unsere Überlebenschancen sinken drastisch, wenn du dich zu lange den glühenden Tagessonnen aussetzt. Wir müssen einen Unterschlupf finden.«

»Was …?«

Wo war er? Wyll Nordment hatte große Kopfschmerzen. Er korrigierte sich – alles tat weh. Die metallische Stimme, die doch recht sanft war, kannte er nur zu gut. Lorif.

»Rosan …?«

»Es tut mir leid, aber sie ist nicht hier. Auch Argon tan Lasal ist verschwunden«, berichtete der Posbi und half Wyll hoch.

Nordment blickte sich um. Wüste! Überall Sand, Dünen und der klare, wolkenlose Himmel wurde von den beiden roten und gelben Sonnen des Mashritun-Systems beherrscht.

Schon jetzt fühlte er die trockene Kehle, die Hitze, die stumpfe, stickige, heiße Luft. Was war nur passiert? Diese komischen Leute mit den römisch anmutenden Kampfanzügen hatten sie wohl betäubt, und offenbar auch in der Wüste ausgesetzt.

Wo aber war nur Rosan? Sie befand sich vermutlich in der gleichen misslichen Lage. Wyll machte sich Sorgen um sie.

»Kannst du Wallace, Dove oder die IVANHOE kontaktieren?«

»Negativ. Sie haben meine Kommunikationsmodule beschädigt. Allerdings funktionieren meine Sensoren noch. Wir befinden uns etwa 180 Kilometer von der Station entfernt. Die nächste Siedlung liegt 23 Kilometer südöstlich.«

23 Kilometer waren machbar. Und doch war es sehr weit bei dieser Hitze und dem Sand. Lorif war auch nicht unbedingt dafür konstruiert, um durch den Sand zu latschen.

Offensichtlich wollten sich Kerkum – Wyll setzte voraus, dass dieser Typ dahinter steckte – und seine römisch anmutenden Freunde ein Vergnügen aus dem qualvollen Tod von Wyll und den anderen machen. Nordment hatte dank Lorif immerhin eine Orientierung. Doch was war mit Rosan?

*

»Yella Yak, Yak! Ksuhi, Ksuhi. Yella!«

»Was?«

Rosan öffnete die Augen. Der Kreis schloss sich. Eines der Letzten Dinge, die sie vor ihrer Bewusstlosigkeit gesehen hatte, war die Mündung eines Strahlers gewesen. Nun blickte sie wieder in das bedrohliche runde, schwarze Loch. Die Sonne brannte auf ihrem Körper. Zu Rosans Entsetzten stellte sie fest, dass ihre schöne rote Kombination ziemlich zerfetzt war.

Der Mashrate in dem lumpigen graubraunen Gewand deutete ihr an, aufzustehen.

»Hoch Schlampe. Hoch!«

Immerhin sprach er nun Interkosmo. Seine blumige Wortwahl machte ihn jedoch nicht sympathischer. Rosan blickte sich um. Sie befand sich offenbar mitten in der Wüste. Einige Meter von ihr erkannte sie einige andere Mashraten, die neben einem klapprigen Transportgleiter standen. Daran waren einige Kuhuns und Refrys angebunden.

»Wie die aussieht. Gott sei ihr gnädig«, rief einer der Männer und zeigte immer wieder mit dem Finger auf Rosan.

Sie stand auf und litt unter den Folgen der Paralyse. Wo war nur Wyll?

»Was … was ist passiert?«, fragte Rosan den bärtigen Mashraten.

»Was du willst? Was passiert, häh? Du hier rumliegen in Sünde im Sand. Das ist passiert, ungläubige Hure!«

»Sie hat Teufelsaugen. Und des Teufels Haar. Sie ist eine Hexe!«, rief ein anderer. »Steinigt sie!«

Rosan vermutete, dass sie absichtlich in dieser Gegend ausgesetzt wurde. Das war doch ein schöner Abgang. Abgeschlachtet von abergläubigen, fanatischen Wüstenleuten. Vermutlich hatte man deshalb ihre Kombination derangiert. Leider hatte Rosan nichts, um den tiefen Ausschnitt und den freien Bauch zu verdecken. Dass sie mit Diplomatie nicht weiterkommen würde, vermutete sie schon, doch sie versuchte es dennoch.

»Ich bin Arkonidin und wurde überfallen. Bringt mich zurück nach Vhrataalis und ihr werdet fürstlich belohnt werden.«

Die Männer schwiegen. Sie blickten sich untereinander fragend an. Einige starrten auf den Boden und schüttelten den Kopf. Einer grinste Rosan an und entblößte sein lückenhaftes Gebiss.

»Sie ist ein Tier. Nichts weiter. Nehmen wir sie durch«, forderte der Mann mit dem Gewehr.

»Oh Gott, heiliger und großbarmherziger Gott, nein!«, brüllte ein anderer. »Wir dürfen uns nicht mit einer Dämonin paaren. Das ist Sünde!«

Es entbrannte eine Diskussion unter den Männern. Rosan überlegte, ob sie zum Gleiter rennen sollte. Doch bis dahin hätte der eine sie schon längst erschossen.

»Wir bringen sie zu Priester Mahmud Benjamin del Concetti. Er muss entscheiden, was wir mit ihr machen«, forderte ein Mann in einem ockerfarbenen Gewand.

Die anderen stimmten zu. Rosan wurde unsanft auf den Laderaum des Gleiters gebracht. Unter diesen Umständen hätte sie einen Wüstenmarsch allein vorgezogen.

Sie fragte sich, ob es Wyll und den anderen gut ging?