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D O R G O N

Fan-Projekt des Perry Rhodan Online Clubs

 

MORDRED-ZYKLUS

Band 9

 

Nils Hirseland

Titelbild von Stefan Lechner

 

 

Die Rache des Mascanten

Die Reise der LONDON II steht unter keinem guten Stern

 

Was bisher geschah

Wir schreiben das Jahr 1290 NGZ. Viereinhalb Jahre sind seit dem Untergang des Luxusraumschiffes LONDON vergang-en. In einer Zeit, in der die Milchstraße von Tolkandern und Dscherro heimgesucht wurde und drohende Gefahren noch kommen werden, hat die Shorne Industries Gesellschaft eine zweite LONDON gebaut.

Das neue, moderne Luxusraumschiff soll die Galaktiker von den Katastrophen ablenken und den Mythos um die zerstörte LONDON finanziell ausschlachten.

Doch obwohl es Michael Shorne gelingt, Überlebende der einstigen Katastrophe für den Jungfernflug der LONDON zu gewin-nen, hat sich das Projekt Feinde geschaffen. Allen voran der Arkonide Prothon da Mindros. Es ist DIE RACHE DES MASCANTEN

Hauptpersonen

Atlan – Der unsterbliche Arkonide muss die LONDON II vor einem Artgenossen retten.

Rosan Orbanashol – Die attraktive Arkonidin ist wider Willen auf der LONDON II.

Wyll Nordment – Der Camelot-Agent verweigert aus Liebe Befehle.

Mascant Prothon da Mindros – Der arkonidische Admiral wird vom Hass geleitet.

Michael Shorne – Der Milliardär lässt den
Mythos der LONDON neu aufleben.

Attakus Orbanashol, Karl-Adolf und Ottilie Braunhauer, Gol Shanning, Franc Kowsky,
Traros Polat
und Hajun Jenmuhs Passagiere der LONDON II.

 

 

 

 

Prolog

Am 10. Dezember 1285 NGZ ereignete sich eine der größten zivilen Katastrophen seit Anbeginn der LFT. Das gewaltige Hanseraumschiff LONDON wurde bei seinem Jungfernflug von fanatischen Sektierern entführt und begann damit eine lange Odyssee, die am 10. Dezember ein schreckliches Ende fand. Es wurde in die 20 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxis Saggittor verschlagen. Perry Rhodan selbst war inkognito auf der LONDON gewesen, um einen wichtigen Politiker für Camelot zu gewinnen. Er konnte sich mit den Saggittonen einigen, doch Rodrom, die Inkarnation eines geheimnisvollen Wesens mit dem Namen MORDOR, begann eine gnadenlose Jagd auf den Unsterblichen. Rhodan konnte Rodrom letztlich entkommen und befreite mithilfe des charismatischen Saggittonen Aurec die Galaxis von den finsteren Truppen MORDORs. Doch die Inkarnation ergab sich nicht in ihr Schicksal. Durch einen grausamen Racheakt Rodroms wurde die LONDON manövrierunfähig geschossen und stürzte auf einem Wasserplaneten. Das Raumschiff sank! Durch fehlerhaftes Planen innerhalb der Kosmischen Hanse und Rodroms diabolischen Plan wurde das Unglück zu einem Desaster! Von den 16.022 Lebewesen an Bord der LONDON überlebten nur 5.999 Seelen. Das 1,6 Kilometer lange Raumschiff riss 10.023 Männer, Frauen und Kinder aus allen bekannten Völkern der Lokalen Gruppe mit in den Tod.

Für die Kosmische Hanse symbolisierte der Untergang der LONDON auch den Niedergang dieses traditionsreichen Unternehmens. Die LONDON war bei einer Tochtergesellschaft der Hanse versichert, doch diese weigerte sich den Ausfall zu begleichen, da in Rodrom der Verursacher gefunden wurde. Einzig die Shorne Industries Gesellschaft hatte mit Spekulationen gegen einen Erfolg des LONDON-Projektes und Umsatzausfallversicherungen kein Minusgeschäft gemacht. Der Hansesprecher Arno Gaton war erledigt und geriet in starke Kritik. Die Märkte verloren das Vertrauen in die Hanse und durch den Ausfall der erwarteten Gewinne und Tausende Schadenersatzklagen von Hinterbliebenen war die Hanse gelähmt. Letztlich kam die Liga Freier Terraner als größter Eigner zumindest für die Opfer auf, doch Aktieninhaber verkauften die Papiere, die beinahe nichts mehr wert waren. Die Shorne Industries Gesellschaft sicherte sich damals die Vermarktungsrechte an der LONDON. Die Tragödie blieb unvergessen. Das Unglückssystem, welches knapp drei Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt war, wurde London's Grave getauft und wurde seitdem von niemandem mehr angeflogen.

Doch der Respekt vor den Toten wich der Gier! Im Jahre 1289 NGZ wurde das Unglück der LONDON von »Shorne Movie« verfilmt. Der Streifen avancierte zum großen Erfolg und wurde mit vielen Preisen bedacht. Die Geschichte um das Hanseschiff und der Liebe zwischen dem Terraner Wyll Nordment und der Halbarkonidin Rosan Orbanashol begeisterte Milliarden von Wesen aus der gesamten Galaxis. Erste Gerüchte einer wohl möglichen Bergung der LONDON wurden laut. Da überraschte der terranische Multimilliardär Michael Shorne die Galaxis, als er verkündete, die LONDON nachzubauen und eine Reise nach London´s Grave anzubieten. Die neue LONDON sollte mit etwa 17.000 Passagieren und 2.000 Besatzungsmitgliedern drei Millionen Lichtjahre weit reisen, um eine Unterwasserbesichtigung des Wracks zu ermöglichen.

Trotz heftiger Widersprüche von Menschenrechtlern und Überlebenden der Katastrophe setzte Shorne sein Ziel durch und entfachte einen regelrechten LONDON-Hype, der die Bevölkerung der Milchstraße von dem Tolkander-Konflikt und speziell die Terraner von der Dscherro-Krise ablenkte. Am 6. Juni 1290 NGZ sollte die LONDON II ihre Reise antreten.

Aus den Chroniken
Jaaron Jargon

 

1. Träume

Langsam hob sich das Heck des gewaltigen Raumschiffes in die Höhe. Die Menschen an Bord der LONDON versuchten verzweifelt ihr Leben zu retten, doch nichts konnte sie mehr vor dem sicheren Tod bewahren. Das einst so stolze Hanseraumschiff ging mit 10.023 Lebewesen unter. Es gab nur 5.999 Überlebende. Die LONDON sank auf den Meeresboden, in eine Tiefe von mehr als zwölf Kilometern. Etwa tausend Männer, Frauen und Kinder schwammen zwei Stunden im Wasser und schrien um Hilfe, doch nur zweihundert wurden gerettet.

Das Grauen schwand niemals aus den Gedanken der Überlebenden.

Er war nicht bei der Katastrophe dabei gewesen, doch er stellte sich den Untergang immer wieder bildlich vor. Er sah vor seinem geistigen Auge, wie die Drei um Hilfe schrien und vergeblich versuchten den Wassermassen zu entkommen. Jede Nacht durchlebte er denselben Traum aufs Neue. Jede Nacht sah er sie im Wasser ertrinken. Wie sie um Hilfe riefen, doch niemand sie hörte.

Terza, seine Frau.

Carba, sein Sohn.

Esrana, seine Tochter.

Nun sollte ihr Grab entweiht werden. Skrupellose Terraner wollten ein Geschäft aus der Tragödie vor fünf Jahren machen. Doch sie hatten nicht das Recht dazu, die letzte Ruhestätte seiner Lieben zu schänden. Es war so charakteristisch für das Volk der Terraner. Ihnen war nichts heilig. Sie waren wahrlich nur Barbaren, die weit unter seinem Volk standen. Die Untermenschen, wie er sie oft bezeichnete, waren zu weit gegangen. Nun war es an der Zeit, ein Exempel zu statuieren. Sie mussten bestraft werden. Er war Ankläger, Richter und Vollstrecker zugleich und sein Urteil stand bereits fest: Schuldig!

 

2. Der Mascant

Ferryd Mir – Kristallimperium, 30. Mai 1290 NGZ

Der graue Kugelraumer näherte sich dem Orbit des Planeten. Das Ferrydan-System lag am Rand des Kugelsternhaufens M13 Ark’Thussani, dem Machtzentrum des Kristallimperiums. Das System hatte eine Ausdehnung von 890 Milliarden Kilometern und besaß nur vier Planeten, die um eine blaue Sonne kreisten. Ferryd Mir war die zweite und auch einzig bewohnte Welt. Dennoch war sie alles andere als gastfreundlich. Es regnete ständig auf dem Sumpfplaneten. Die Nacht nahm mit 22 Stunden zwei Drittel des gesamten Tages ein.

Ferryd Mir diente dem arkonidischen Kristallimperium als geheime Militärbasis. Da das System weit abgelegen von den arkonidischen Welten lag, war der Planet bestens dafür geeignet. Auf Ferryd Mir waren 200 Soldaten stationiert, die nur dem Schutz der Station dienten. Die Basis besaß ein geheimes Labor, in dem chemische und biologische Waffen hergestellt wurden. Diese Projekte mussten unter größtem Aufwand geheim gehalten werden, da der Einsatz von chemischen und biologischen Waffen in einem möglichen Kriegsfall vom Galaktikum untersagt war. Alle wichtigen Völker der Milchstraße, auch die Arkoniden, hatten einen entsprechenden Vertrag unterschrieben. Doch Imperator Gaumarol da Bostich I. fühlte sich nicht an dieses Abkommen gebunden – zumindest inoffiziell nicht. Für ihn galten Verträge nur zur Beruhigung der Feinde. Einige bestialische Waffen wurden in den Laboratorien entwickelt.

Kelon Prozek war der wissenschaftliche Leiter der Station. Der Ara ging förmlich in seiner Arbeit auf. Er lebte allein, da seine Frau ihn verlassen hatte, weil sie die Arbeit ihres Mannes nicht mehr ertragen konnte. Seitdem waren die Forschungen für ihn das Wichtigste in seinem Leben. Der heutige Tag war ein sehr wichtiger für den Ara, da ein hoher arkonidischer Mascant zu Besuch kam. Die Visite des Admirals wurde erst gestern angekündigt, daher herrschte große Aufregung in der wissenschaftlichen Station.

Der Mascant bestand jedoch darauf, dass keine Parade zu seinen Ehren abgehalten werden sollte. Er wollte die Station im normalen Zustand begutachten.

Der ganze Besuch unterlag strengster Geheimhaltung. Nur knapp dreißig Personen wussten davon. Diese gehörten entweder zu dem wissenschaftlichen Stab des Aras oder zu dem Geleitkommando.

Zwanzig Soldaten eskortieren bei dem üblichen Regenwetter den Wissenschaftler zur Landebahn. Durch die Wolken drang ein helles Leuchten, welches von Sekunde zu Sekunde intensiver wurde. Dann erkannte Prozek das Schlachtschiff der COBAN-Klasse des Mascanten Prothon da Mindros. Die HOZARIUS XIV begab sich langsam in den Landeanflug. Mit dröhnenden Geräuschen sank sie gemächlich zum Landefeld herab, bis sie aufsetzte. Die Antigravprojektoren wurden abgeschaltet. Der Regen prasselte auf die Außenhaut des Schiffes. Dem Ara lief ein kalter Schauer über den Rücken. Er wusste nicht genau wieso, aber es musste wohl am Wetter liegen. Ein Schott fuhr beiseite und eine zylinderförmige Röhre glitt aus dem Kugelraumer auf den Boden. Eine Luke öffnete sich und eine Plattform wurde ausgefahren. Zehn arkonidische Soldaten marschierten aus der Zylinderröhre und stellten sich salutierend auf. Der nächste Mann, der die Plattform langsam entlang schritt, war der Mascant persönlich. Er trug über seiner hochdekorierten Uniform keinen Raumanzug, sondern ein Regencape in grauer Farbe. Seine knielangen Stiefel glänzten in tiefem Schwarz. Das Gesicht des Admirals war ausdruckslos. Es war kantig, streng und markant, seine dunkelroten Augen zeigten kaum Regung, doch etwas Unheimliches funkelte in ihnen. Die Haare waren verhältnismäßig kurz, denn sie gingen nur bis knapp über die Schulter. Auf seinem Kopf trug der Arkonide eine grauschwarze Offiziersmütze, an dem die Insignien eines Admirals zu erkennen waren.

Der Wissenschaftler Kelon Prozek wusste genau, wem er gegenüberstand. Der Mascant Prothon da Mindros gehörte zu den höchstdekorierten Offizieren des Kristallimperiums.

Die Soldaten der Ferryd Mir-Station begrüßten den Admiral mit militärischen Ehren. Wind und Regen schienen Mindros wenig auszumachen. Im Gegenteil, er sah in den Himmel und ließ die Tropfen auf sein Gesicht fallen. Dann schritt er die Plattform herunter und überquerte das Feld, bis er vor dem Ara stand.

»Welche Ehre, Mascant, welche Ehre!«, brachte dieser unterwürfig hervor.

»Spare dir deine Phrasen. Sie sind nutzlos. Ich bin hier, um mir von deiner neuen ›Wunderwaffe‹ einen Eindruck zu verschaffen«, gab der Admiral barsch zurück.

Der Ara zuckte innerlich etwas zusammen, doch er ließ es sich nicht anmerken. Er begann wieder zu lächeln.

»Aber natürlich, Mascant. Erlaube mir beim Essen mit dir über meine neueste Errungenschaft zu sprechen«, setze er wieder freundlich an.

»Zum Essen habe ich jetzt keine Zeit. Ich will sofort über die Waffe informiert werden und verlange eine überzeugende Demonstration ihrer Fähigkeiten!«, entgegnete Mindros in seinem militaristischen Befehlston.

Wieder versteinerte sich Prozeks Miene. Sämtliche Versuche freundlich zu sein, prallten bei dem Admiral ab. Er legte den Versuch, Pluspunkte bei Mindros zu sammeln, ad acta. Stattdessen führte er ihn zu dem Labor. Mindros Soldaten folgten ihrem Kommandanten auf Schritt und Tritt. Sie erreichten nach wenigen Minuten ein trichterförmiges Gebäude und stiegen in einen Antigrav ein. »Endlich trocken. Ein fürchterliches Wetter, nicht wahr?«, versuchte sich der Ara wieder an einer Konversation, doch Mindros gab nur einen zustimmenden Laut von sich. Die dreißig Männer erreichten die Laboranlage. Sie bestand aus einer komplexen Verzweigung von Laboratorien sowie Lager- und Testräumen. Einige Chemiker arbeiteten an verschiedenen Experimenten, der Großteil schlief jedoch, da es auf dieser Seite von Ferryd Mir bereits spät nachts war. Prozek dachte darüber nach, warum es Mindros so eilig hatte. Er verzichtete auf ein Essen, auf eine Parade und kam dazu noch zu einer ungewöhnlichen Zeit. Der Ara schrieb es Mindros eigentümlicher Art zu.

Der Admiral war genauso berühmt wie berüchtigt. Die höchsten Auszeichnungen dekorierten die Brust des Mascanten. Mindros war dafür bekannt, dass er jeden Widerstand von rebellischen Kolonisten kompromisslos niederschlug. Er war hoch angesehen, sowohl in der Kristallflotte, beim Imperator als auch beim Volk. Seine aktive Karriere hatte Mindros jedoch abrupt vor fünf Jahren beendet. Anlass war der Tod seiner Familie gewesen. Seitdem war der ohnehin schon kühle Militarist eher mit einem Roboter als mit einem Arkoniden zu vergleichen. Mindros zeigte kaum Gefühlsregungen. Er wurde zum Stabsadmiral befördert und zum Leiter der Flottenakademie der Kristallflotte ernannt.

»Hier sind wir«, erklärte Prozek, als sie einen Raum mit vielen technischen und wissenschaftlichen Apparaturen erreichten.

Mascant Mindros stellte sich gerade hin und verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und musterte Prozeks Assistenten.

»Ich warte«, sagte er auffordernd und sah dem Ara tief in die Augen. Prozek reagierte sofort. Er gab einem seiner Assistenten ein Handzeichen, der drückte auf einen Schalter und ein Schott fuhr hoch. Dahinter verbarg sich eine kleine Startrampe. Ein nicht sehr großes Raumschiff stand startbereit auf dem Landefeld. Zwei Arkoniden wurden in das Raumschiff gebracht, kurz danach wurde es verriegelt.

»Zwei Verbrecher. Sie sind wohl Anhänger der IPRASA. Der Sicherheitsdienst hat sie mir für Versuchszwecke zur Verfügung gestellt«, erwähnte Prozek beiläufig als seien sie wertlose Testobjekte. Er betätigte einige Schaltungen an der Apparatur. Ein Roboter begab sich in das Raumschiff mit den beiden Arkoniden. Er schob einen Antigravtisch mit Gestein vor sich her.

»Völlig harmlose Steine, die als Aschenbecher, Kunstgegenstände oder Artefakte verwendet werden können«, erklärte der Wissenschaftler. Dann startete das Raumschiff. Der Roboter blieb in dem Schiff. Eine Kamera war an ihm befestigt, sodass Mindros alles genau verfolgen konnte. »Der Raumer verfügt über einen Metagravantrieb. Er wird jetzt in den Hyperraum eintauchen und so eine Umrundung des Systems durchführen«

Das Raumschiff verschwand optisch, doch die Übertragung blieb, wenn auch leicht verzerrt, stehen.

Das Gestein fing an zu qualmen und Gas strömte heraus.

Die beiden Arkoniden schrien auf und versuchten verzweifelt den Raum zu verlassen, doch das Gas erreichte sie. Beide fingen an aus Nase und Mund zu bluten und blähten sich förmlich auf, bis die Haut aufplatzte. Auch der Roboter fing an zu rauchen und implodierte. Elendig verendeten die beiden Menschen. Das Raumschiff wurde per Fernzündung zerstört.

Mindros sah dem Spektakel wortlos zu. Er nickte unmerklich. Prozek interpretierte dies als Zeichen der Zufriedenheit.

»Es scheint sehr effektiv zu sein!«, sprach der Mascant nun.

»Natürlich ist es das. Es tötet alles und jeden. Als normales Gestein ist es völlig harmlos. Jedoch übt das Metagravtriebwerk einen bislang noch nicht bekannten hyperdimensionalen Effekt auf das Gestein aus und es oxydiert zu einem Gas, welches absolut tödlich ist. Es zerstört organische Materie und kann auch Metall zersetzen. Nur Schutzschirme könnten das Gas aufhalten. Jedoch löst es sich nach etwa fünfzehn Minuten von selbst auf.«

»Beeindruckend«, stellte Mindros fest. Er gab versteckt einem seiner Leute ein Zeichen. Der Arkonide verließ daraufhin den Raum.

»Wie viel Material hast du in der Station?«, wollte Prothon da Mindros wissen. Prozek machte eine nachdenkliche Geste. »Würde es für eine Masse von etwa 19.000 Lebewesen auf einem Raum von 1.600 Metern Länge, 554 Metern Breite und 787 Metern Höhe ausreichen?«, fragte Mindros sofort nach, als er bemerkte, dass Prozek seine vorher gestellte Antwort nicht zufriedenstellend beantworten würde. »Natürlich. Wir haben genügend Gesteinsproben hier«, erklärte der Ara euphorisch, ohne zu wissen, dass er damit sein Todesurteil unterzeichnete.

»Sehr gut!«

Im Hintergrund hörte Prozek einige Schüsse und die Aufschreie von Soldaten.

»Wir werden angegriffen!«, schrie der Wissenschaftler in Panik. »Mascant, wir müssen uns in Sicherheit bringen!«

»Nicht nötig«, wiegelte der jedoch ab. »Wir werden auch nicht angegriffen. Du wirst angegriffen.«

Prozek war sichtlich verwirrt. »Wo ist da der Unterschied?«, wollte er wissen. Mindros zog einen Strahler und schoss auf den in Angst aufschreienden Ara. Der Strahl tötete den Forscher unverzüglich.

»Das ist der Unterschied.«

Aus der HOZARIUS XIV stürmten über 100 Soldaten einer Eliteeinheit, die da Mindros persönlich befehligte. Sie besetzten professionell und sehr schnell alle wichtigen Punkte des Raumhafens und den gesamten Laborkomplex. Mindros befahl das Gestein sofort in die HOZARIUS XIV zu verladen. Das Beladen dauerte zehn Minuten. Der Großteil der stationierten Soldaten auf Ferryd Mir bekam nichts von dem Raub mit. Die anderen wurden erschossen.

Prothon da Mindros taten die gefallenen Soldaten Leid, doch er hatte keine andere Möglichkeit. Der Mascant loggte sich in das Terminal und in die privaten Notizen des Aras ein und löschte sämtliche Passagen, in denen von seinem geheimen Besuch etwas erwähnt wurde, dann verließ er den Ort des Geschehens und ließ etwa dreißig Tote zurück.

»Ihr seid für Arkons Macht und Glorie gestorben, Kameraden!«, verabschiedete sich Mindros. Nach zwanzig Minuten hob sein Raumschiff ab und verschwand in den Weiten des Weltalls.

 

3. Das große Ereignis

Terrania City, Terra, 02. Juni 1290 NGZ

Die ganze High Society der Liga Freier Terraner war an dem heutigen Abend in der monumentalen Villa Michael Shornes anwesend. Politiker, Schauspieler, »It«-People, reiche Industrielle und Geschäftsmänner nahmen an der großen Festlichkeit des Multimilliardärs teil. Michael Shorne, Inhaber der SHORNE INDUSTRY GESELLSCHAFT, kurz SIG genannt, war der Eigentümer der LONDON II. Es war seine Idee gewesen, das so schicksalsträchtige Hanseschiff nachzubauen und eine Reise zum Wrack der ersten LONDON anbieten. Shorne erhoffte sich dadurch einen Billionendeal. Scheinbar ging seine Rechnung auch auf. Neben den Umsätzen, die er durch die Passagiere einnahm, hatte Shorne auch Exklusivrechte mit Fernsehgesellschaften abgeschlossen, die unbedingt die Aufnahmen des Wracks als Erste senden wollten.

Die LONDON geriet wieder in das öffentliche Interesse, nachdem im Jahre 1289 NGZ eine Verfilmung seiner Produktionsfirma über das Schicksal des Hanseraumers in die Trivid-Programme der großen galaxisweiten Networks und die lokalen Trivid-Paläste gekommen war. Die Story besaß viele Kriterien, die keine andere Produktion hatte. So war es seit langer Zeit das erste Machwerk gewesen, in dem Perry Rhodan die Hauptrolle spielte. Dies war zwingend notwendig gewesen, da der Zellaktivatorträger in der Tat vor fünf Jahren beim Jungfernflug der LONDON an Bord gewesen war, um den Somer Sruel Allok Mok für Camelot zu gewinnen. Zum anderen faszinierte die Zuschauer die Liebesgeschichte zwischen Rosan Orbanashol, der unglücklichen Halbterranerin, die von der arkonidischen Familie der Orbanashols unterdrückt wurde, und Wyll Nordment, dem ehemaligen Ersten Offizier der LONDON, der aus Liebe zu Rosan alles tat. In Michael Shornes Augen waren dies jedoch nur gute Zutaten. Das wichtigste Ereignis war der Untergang der LONDON selbst. Ohne diese Katastrophe, bei der 10.023 Lebewesen gestorben waren, wäre der Film wohl kein so großer Erfolg gewesen. Shorne nutzte nun den Erfolg des Films und den Hype um die LONDON aus, indem er den Leuten das gab, wonach sie am meisten verlangten: An Bord der LONDON zu sein. Publicity gab es genug. So hatte zum Beispiel Attakus Orbanashol die Filmgesellschaft wegen Rufmord verklagt. Der bekannteste Zwischenfall ereignete sich kurz nach der Premiere des Films. Arno Gaton, der damalige Erste Hansesprecher und Eigentümer der LONDON, der zweifellos für das Fiasko mitverantwortlich war, hatte Selbstmord begangen. Niemand trauerte dem alten Schlitzohr hinterher. Shorne hatte Gaton noch nie leiden können. Die Kosmische Hanse befand sich seit dem LONDON-Desaster auf dem absteigenden Ast. Die Dscherro-Krise hatte ein Übriges getan. In Shornes Augen fehlte eigentlich nur noch der Abgang des Hauptquartier Hanse mit einem fulminanten Knall.

Für Michael Shorne waren diese Tatsachen höchst erfreulich, denn sie machten für sein Projekt Werbung. Der Zeitpunkt war zwar denkbar ungünstig, aufgrund der politischen Querelen, doch die LONDON war zurzeit eines der Topthemen in der Galaxis.

Michael Shorne war erst 35 Jahre alt und gehörte bereits zu den erfolgreichsten und einflussreichsten Unternehmern der gesamten LFT.

Shorne hatte schon immer als Überflieger gegolten. Er selbst fand, dass er auf einer Hyperraumwelle des Erfolgs surfte. Ihm war es dabei völlig egal gewesen, ob er lukrative Deals mit den Galactic Guardians oder Oberst Kerkum von Mashratan abgeschlossen hatte. Einzig und allein der Gewinn zählte.

Nach dem Tod seines Vaters Willem hatte er die SIG vollständig übernommen. Dummerweise hatte er einiges an Geld verloren, nachdem sich die LFT offiziell von Mashratan distanziert hatte.

Doch Shorne hatte damals seinen eigenen Hals aus der Schlinge ziehen können. Da war ihm der Kopf von Oberst Kerkum lieber gewesen. Doch vielleicht würden sich die Handelsbeziehungen irgendwann wieder normalisieren, wenn Gras über den Anschlag von 1282 NGZ gewachsen war. Es gab auch Überlegungen beim TLD, einen geheimen Putsch zu initiieren. Shorne überlegte, ob er als Finanzier auftreten sollte. Natürlich nur, wenn er sich dann die Exklusivhandelsrechte mit Mashratan sichern konnte.

Shorne expandierte in alle möglichen Wirtschaftsbranchen und wurde so zu einem der einflussreichsten Unternehmer der ganzen Galaxis. Von Lebensmittelketten über Gleiterfabriken und biochemische Forschungseinrichtungen bis hin zu Reisegesellschaften besaß Shorne alles. Die Geschäfte liefen hervorragend. Wo es Probleme gab, setzte Shorne seine Macht ein. Jedes Mittel war ihm recht, um zu gewinnen. Jedoch konnte man ihm nie etwas nachweisen. Mit seiner Ehe war es jedoch nicht so gut gelaufen. Anne hatte sich inzwischen von ihm scheiden lassen und war mit seinem Sohn Danny nach Olymp gezogen.

Dies störte Michael Shorne jedoch wenig. Die Beziehung mit Anne war damals ein Fehler gewesen. Er war erst 20 Jahre alt und Anne war dummerweise ein Fehltritt gewesen, die ein Kind von ihm erwartet hatte. Und Shornes Vater hatte einen Skandal vermeiden wollen. Nun war sein Daddy tot und die Ehe geschieden. Shorne konnte damit gut leben.

Er konzentrierte sich lieber auf seine Geschäfte, und das Vermögen wurde immer größer. Heute war ein besonderer Tag für ihn, denn es war die Einweihung der LONDON II. Das 1.600 Meter lange Schiff wurde an diesem Tag fertiggestellt und von den Testern als flugtauglich klassifiziert. Aus diesem Anlass gab der reiche Terraner ein Fest.

Shorne stand inmitten der Menge und unterhielt sich mit den Gästen. Er trug einen dunkelroten Maßanzug aus feinsten Stoffen. Seine Haare waren gegelt und glatt nach hinten gekämmt. Er genoss es, im Mittelpunkt zu stehen. Michael hatte es geschafft, zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Galaxis zu werden. Sein Name war durch das gewagte Projekt ein Begriff für fast jeden.

Shornes Augenmerk richtete sich auf Cistolo Khan, der gerade in Begleitung einer attraktiven Brünetten die Festräume betrat. Shorne entschuldigte sich bei seinen Gästen und begrüßte Khan.

»Ich bin erfreut zu sehen, dass selbst die Regierung Interesse an meinem Projekt bekundet«, begann Shorne beschwingt arrogant. In fast jedem Satz versuchte er sich in den Vordergrund zu spielen. »Jedoch bin ich etwas enttäuscht, Paola Daschmagan nicht persönlich begrüßen zu können«, fügte er vorwurfsvoll hinzu.

Khan räusperte sich. Ein Kellner brachte ihm ein Glas Champagner. Der LFT-Kommissar bedankte sich bei dem Bediensteten und nahm erst einmal einen kräftigen Schluck.

»Nun, die Erste Terranerin ist jetzt stark im Wahlkampf involviert. Daher musste sie leider andere Termine wahrnehmen. Sie richtet dir ihr größtes Bedauern aus und wünscht zugleich viel Glück für die bevorstehende Reise.«

»Du wirst es brauchen«, fügte Khan sarkastisch hinzu. Michael Shorne fing an, laut zu lachen. Er klopfte dem LFT-Kommissar auf die Schulter. »Ich sehe, du besitzt immer noch Humor, Cistolo. Das gefällt mir. Besonders in solchen Krisensituationen wie jetzt. Ich meine, nach deinem eklatanten Versagen mit den Dscherro und der bevorstehenden Wahlniederlage, ist es schon beeindruckend, dass du immer noch Humor besitzt.«

Khan spürte den Hohn in Shornes Worten, doch er entschloss sich, nicht darauf einzugehen. »Schließlich wollen wir nicht, dass du genauso endest, wie der arme Arno Gaton«, entgegnete der LFT-Kommissar nach einer kurzen Pause.

Shorne grinste wieder überlegen. »Keine Sorge. Das wird mir bestimmt nicht passieren. Entschuldige mich, ich muss mich um die anderen Gäste kümmern.«

Nun wandte er sich an die Begleitung.

»Ohlala, wen haben wir denn hier?«

Die kühle Brünette mit großen, smaragdgrünen Augen und durchtrainiertem Körper reichte Shorne die Hand. »Sanna Breen«, sagte sie.

»Miss Breen ist meine Assistentin«, erklärte Khan.

Shorne schmunzelte.

»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Shorne.

»Nicht jeder hat so schmutzige Phantasien, wie du, Michael Shorne«, entgegnte Sanna Breen selbstbewußt.

Für einen Moment war Shorne wütend, dann nahm er es als sportliche Herausforderung. Irgendwann wollte er die Brünette ins Bett kriegen. Wenn sie es ihm schwer machte, wurde sie nur attraktiver.

»Vielleicht können wir bei einem Dinner einmal unsere Phantasien austauschen?«

»Eher würde ich mit einem Dscherro speisen.«

Shorne lachte.

»Das kann ich einrichten, kleine Lady. Nun gut, ich wünsche noch viel Spaß auf meiner Party.«

*

Michael Shorne wandte sich nun wieder den anderen zu, während Cistolo Khan und Sanna Breen sich an das kalte Buffet machten.

»Ein widererlicher Typ«, meinte Sanna, die sich einen Salat zusammenstellte.

»So sind Erfolgsmenschen manchmal. Shorne ist für die terranische Wirtschaft sehr wichtig«, meinte Khan.

Breen wechselte auf ein ernsteres Thema.

»Wir sollten endlich eine ausgiebige Untersuchung der UFOs im Mashritun-System durchführen. Die Inspekteuren auf Mashratan wirken auf mich wenig kompetent.«

Cistolo Khan winkte ab, während er seinen Teller füllte.

»Kerkum wird das Embargo irgendwie umgehen. Das ist uns doch klar. Wir erlauben es ihm und dafür läßt er uns in Ruhe. Die Öffentlichkeit denkt, wir machen gute Arbeit. Viel schlimmer wäre ein Konflikt, Kriegseinsatz oder Terroranschläge.«

Sanna Breen schwieg. Cistolo Khan musterte seine schöne Assistentin und lächelte.

»Du bist so idealistisch. Aber Realpolitik hat wenig mit Idealismus zu tun. Wir sollten keine schlafenden Tiger wecken.«

Breen kostete von ihrem Salat, der ihr jedoch nicht so recht schmecken wollte. »Und was ist, wenn der Tiger niemals geschlafen hat? Sollten wir den Camelotern nicht unsere Informationen über den geheimnisvollen Silbernen Ritter Cauthon Despair mitteilen?«

Khan seufzte.

»Was wissen wir denn schon? Wir haben nur vage Informationen über eine Separatistenbewegung mit dem Namen Mordred, die angeblich in der Entführung der LONDON verwickelt war. Unsere V-Männer berichten über einen Mann namens Cauthon Despair, der in einem silbernen Raumanzug im Namen dieser Separatisten auftritt, die offenbar etwas gegen Camelot hat…«

»Despair war einst ein Cameloter. Vielleicht braut sich etwas zusammen. Immerhin hatte Landry damals berichtet, dass die Mordred über ein Kampfraumer verfügte.«

Nachdem Khan erst einmal ausgiebig von seinem Buffet gekostet hatte, antwortete er: »Seit fast fünf Jahren ist nichts mehr geschehen. Außerdem, vielleicht können wir Despair beobachten. Wenn er die Koordinaten von Camelot kennt, führt uns vielleicht direkt zur Welt von den Rhodanisten. Wenn es so mit der LFT weitergeht, fürchte ich eine Machtübernahme durch Rhodan, sollte er zurückkehren. Da kann uns der Standort von Camelot nicht schaden.«

»Ich erachte die Cameloter nicht als unsere Feinde«, warf Breen ein.

Khan winkte ab.

»Ansichtssache. Gut, sammle weiter Informationen über die Mordred, besonders diesen Despair. Aber kein Wort an irgendwelche Vertrauten von Camelot. Und nun ist das Thema beendet. Guten Appetit!«

Breen atmete tief durch und nickte. Sie wollte ihren Chef offenbar nicht verärgern und aß brav ihren Salat.

*

Einer von Shornes besonderen Gästen war Gol Shannig. Shannig war Chefredakteur einer namenhaften, terranischen Zeitung. Er und Shorne waren früher Freunde und Partner gewesen, die ihre Hände auch in vielen illegalen Geschäften hatten. Shannigs Zeitung lief allerdings nicht mehr so wie erwünscht. Die Leserschaft zweifelte an der Seriosität. Das war wenig verwunderlich, denn Shannig galt als Daschmagan-Freund und entsprechend positiv gestaltete sich die Berichterstattung und deckte sich stets mit ihren Ansichten. Den Kommentatoren und Kolumnenschreibern wurde ein parteilicher Journalismus vorgeworfen. Offenbar hatten es die Bürger Terras satt, sich etwas vormachen zu lassen. Shorne hatte rein gar nichts gegen eine manipulative und propagandistische Presse. Allerdings hatte er Gol nie vergessen, dass dessen Käseblatt vor acht Jahren so abfällig über die Geschäfte zwischen Shorne Industries und Mashratan berichtet hatte. Nun sank die Auflage stetig. Shannig musste viele Kredite aufnehmen und einige Leute erpressen, um sich wieder Luft zu verschaffen. Shannig war Shorne eigentlich völlig egal. Beide verstanden sich seit Jahren nicht mehr richtig. Nur eine Tatsache machte den Inhaber der Sol-News sehr attraktiv: seine Beziehung mit Rosan Orbanashol-Nordment.

*

»Gol, ich bin überrascht dich hier zu sehen«, heuchelte Shorne. In Wirklichkeit wusste er genau, warum Shannig seine Einladung angenommen hatte. Gol Shannig war ein stattlicher Terraner mit einer Größe von knapp 1,90 Metern und einer relativ sportlichen Figur. Sein Haar war bereits leicht ergraut und in sein Gesicht gruben sich einige Falten ein, dennoch konnte man von ihm den Eindruck eines Gentlemans gewinnen.

»Nun, du hast ja auf deiner Einladung unmissverständlich ausgedrückt, dass es katastrophale Folgen hätte, wenn ich nicht erscheinen würde. Also, hier bin ich«, erklärte der Terraner. Shorne lachte wieder. Sein Lachen war jedoch weniger freundlich, vielmehr hämisch. Er bat Shannig in einen separaten Raum, um alles zu besprechen. Shorne nannte dieses Zimmer den ›japanischen Rückzugsort‹. Er hatte alles nach altjapanischer Tradition eingerichtet. Natürlich alles Kostbarkeiten. »Setz dich doch«, bot der Milliardär an, während er mit einem Knetball in der rechten Hand spielte.

»Danke, ich möchte es lieber kurz machen. Jede Minute in deiner Villa ist mir zuwider!«

»Also keine Zeit für Höflichkeiten. Nun, ich denke, du wirst deine Meinung schnell ändern. Ach ja, wie geht es eigentlich Rosan?«

»Ihre Antwort bleibt Nein, Michael! Sie wird nicht an der Reise teilnehmen«, antwortete Shannig barsch auf die Frage.

»Ich denke, wenn du ihr gut zuredest, wird sie schnell ihre Meinung ändern, alter Freund«, erwiderte Shorne. Shannig musste lachen. »Ich bin der Letzte, der sie zu dieser Reise überreden würde«, erklärte er spöttisch. Shorne knetete das elastische Spielzeug in seiner Hand kräftig durch, dann ging er an einen Monitor und zeigte Shannig einige Bilanzen. Die Miene des Zeitungsverlegers verdüsterte sich noch mehr, als er erkannte, wovon die Statistiken handelten. Sie zeigten die Bilanzen einer terranischen Privatbank, bei der Shannig ein Kredit in Milliardenhöhe aufgenommen hatte. Er konnte auch Daten über sein Darlehen erkennen.

»Was soll das?«, fragte er erbost.

»Seit dem gestrigen Tag bin ich der Eigentümer dieser Bank und somit auch dein Gläubiger.«

Shornes ehemaliger Geschäftspartner schwieg.

»Machen wir es kurz: Wenn du und Rosan nicht an der Reise teilnehmen, dann kannst du dein Schmierblatt abschreiben, denn ich kündige den Kredit. Von mir aus kannst du prozessieren, aber ich habe noch einige alte Geschichten, die das Gericht sicher sehr interessieren würden.«

»Du elender Hund!«, schrie Shannig auf und wollte Shorne am Kragen packen, doch da trat ein Leibwächter des Unternehmers vor und umklammerte Gol Shannig unsanft. Der Epsaler hielt den wütenden Terraner fest, während Shorne wieder seinen Anzug zurechtrückte. »Dein Fluchen nutzt dir nichts. Es liegt nun an dir, Gol.«

Shorne gab seinem Bodyguard ein Zeichen, der sofort seinen Griff löste. Shannig atmete schwer und sah Michael Shorne grimmig an. »Selbst wenn ich wollte, ich weiß nicht, ob ich Rosan eine plausible Geschichte erzählen kann, die sie mir auch abkauft und ihr einen Grund gibt, an der Reise teilzunehmen«, versuchte er sich herauszureden.

Wieder lachte sein Gegenüber laut.

»Wie wäre es mit der Wahrheit?«

»Warum ist dir das so wichtig?«, antwortete Shannig mit einer Gegenfrage.

»Ganz einfach! Der 10. Dezember 1285 NGZ war mein Glückstag. Die Katastrophe war das Beste, was mir passieren konnte, nach den Verlusten durch die Mashratan-Affäre. Ich werde ein Billionengeschäft damit machen. Die Leute sind fasziniert von der LONDON und wollen an ihrem Schicksal teilhaben. Das werde ich ihnen bieten. Nichts und niemand wird mir im Wege stehen. Auch du nicht, Gol!«

*

Die Nacht war sternenklar. Die junge Frau saß auf einem Terrassenstuhl, eingehüllt in einer Decke, und beobachtete den Himmel über San Francisco. Fähren und Gleiter erfüllten den Horizont mit Leben. Ihre Katze machte sich bemerkbar und miaute. Sie signalisierte damit, dass sie mehr Zuwendung von ihrem Frauchen erwartete.

Rosan Orbanashol-Nordment kam der Aufforderung des putzigen Tieres gerne nach und massierte mit ihrer Hand den Nacken des Katers.

»So besser, Loo?«, flüsterte sie leise.

Sie erhielt eine Antwort in Form eines lauten Schnurrens. Rosans rubinfarbene Augen leuchteten, als sie über das possierliche Wesen schmunzelte.

Neben ihr lief Trivideo, welches einen Bericht über die neue LONDON ausstrahlte. Sofort verlosch der freudige Ausdruck in ihren Augen. Sie schloss sie für eine Weile und erinnerte sich an damals. Der Flug mit der LONDON hatte ihr Leben grundlegend verändert. Als sie an Bord gekommen war, war sie die ausgegrenzte Stieftochter der arkonidischen Familie der Orbanashols gewesen. Sie musste nach der Etikette leben und hatte sich gefangen gefühlt. Dann hatte sie Wyll Nordment getroffen und sich in ihn verliebt. Eine Liebe, die nicht gern gesehen wurde, da sie ihrem Cousin Attakus Orbanashol versprochen gewesen war.

Doch sie hatte sich mit Wyll gegen ihre Familie durchgesetzt. Zusammen hatten sie die gefährlichen Abenteuer in der Galaxis Saggittor, in einem Paralleluniversum und den grauenvollen Untergang des Hanseraumers überlebt, was sie auch Wyll verdankte. Ihre leibliche Mutter und ihr Stiefvater waren bei der Katastrophe ums Leben gekommen. Attakus hatte überlebt, doch sie hatte ihn niemals wieder gesehen.

Jedoch konnte sie nie die fünf schrecklichen Stunden während des Untergangs der LONDON vergessen. Es war gegen 23:20 Uhr gewesen, als die LONDON von der WORDON angegriffen wurde. Um 4:28 Uhr war die LONDON mit dem Heck endgültig in den Tiefen des Ozeans verschwunden.

Die Art, wie das Raumschiff zerstört wurde, war einzigartig und unheimlich zugleich gewesen. Rodrom, der Abgesandte des geheimnisvollen, finsteren Wesens mit dem Namen MORDOR, hatte die LONDON im Orbit eines Wasserplaneten angegriffen – regelrecht abgeschossen.

Die LONDON musste auf dem Wasser notlanden und war gesunken. Durch Sabotage Rodroms und Unverantwortlichkeit waren zu wenig Rettungskapseln an Bord gewesen. Sie hatten nur für knapp 6.000 Lebewesen gereicht. Über 10.000 waren in jener Nacht gestorben. Es hatte nicht viel gefehlt und Rosan wäre auch gestorben. Sie schrieb ihr Überleben Wyll Nordment zu, der sie rettete, wie eine Frau nur gerettet werden konnte. Nach der Katastrophe waren beide mit Einverständnis Perry Rhodans nach Camelot gezogen. Dort hatten sie kurz darauf geheiratet. Wyll wurde Kommandant eines Raumschiffes der Organisation der Unsterblichen. Doch Rosan hatte nur Zuhause gesessen und fühlte sich unterfordert. Zudem hatte sie große Sehnsucht nach Terra gehabt, wo sie schon immer leben wollte.

Ihr Vater war Terraner gewesen, wurde jedoch von ihrer Mutter und ihrem Stiefvater ermordet, was natürlich als Unfall vertuscht wurde. Sie war eine halbe Terranerin, was man ihr auch ansehen konnte. Rosan hatte zwar die für Arkoniden typischen roten Augen, jedoch rotbraunes, gelocktes Haar. Anatomisch bildete sie ein Unikum, denn ihre Brust bestand aus einer Mischung aus Rippen und der arkonidisch typischen Knochenplatte.

Mit Rhodans Erlaubnis, sowie einer Löschung der Koordinaten und der wahren Identität Camelots in ihrem Gedächtnis, hatte sie Camelot verlassen und war nach Terra gezogen, wo sie Gol Shannig kennenlernte.

Natürlich hing sie noch sehr an Wyll, doch die beiden hatten sich heftig gestritten und den Ehevertrag auslaufen lassen. Seit einem Jahr hatte sie nichts mehr von ihm gehört, dabei dachte sie noch oft an ihn. Rosan erzählte Shannig natürlich nichts davon. Die ehemalige Orbanashol hatte Angst, er würde dies missverstehen.

In gewisser Weise liebte sie Wyll noch immer, doch sie wollte nicht wieder von einem Mann abhängig sein, sie wollte etwas Eigenes aufbauen. Gol Shannig hatte ihr versprochen, dabei zu helfen. Er war immer sehr nett und galant zu ihr gewesen. Sie verliebte sich dann schließlich in ihn. Dennoch empfand sie nicht das Gleiche für ihn wie für Wyll. Irgendwie verband die beiden etwas, was auf Ewig andauern würde, doch nun war Gol ihr Partner und sie hatte die Absicht, ihm treu zu bleiben. Sie mochte ihn aufrichtig und er verdiente in ihren Augen eine Chance.

Rosan hörte hinter sich das Öffnen der Eingangstür. Die Katze miaute und sprang von Orbanashols Schoß.

Ein Mann näherte sich ihr. Es war Shannig. Rosan bemerkte, dass er einen bedrückten Eindruck machte. Sie verdrängte ihre Gedanken um Wyll Nordment und fragte, was los sei. Gol ging zur Bar und goss sich ein Glas Vurguzz ein. Dann setzte er sich in einen Sessel. Rosan stand auf und ging auch in das Wohnzimmer. Sie setzte sich auf Gols Schoß und umarmte ihn. Er sah sie bekümmert an.

»Schatz, ich muss dir etwas beichten.«

*

»Das kann nicht dein Ernst sein!«, schrie Rosan ihn wütend an. Sie sprang auf und lief gereizt durch den Raum. Shannig versuchte nun die Mitleidstour. »Es tut mir Leid. Ich wünschte, ich könnte es wieder gutmachen. Bei Gott, ich wünschte das wirklich. Doch es liegt nicht in meiner Macht«, begann er in gespielter Melancholie.

Rosan reagierte nicht auf seine Worte. Er fuhr fort: »Ich habe Shorne gesagt, dass du unter keinen Umständen auf die LONDON II gehen wirst. Ich werde deshalb die Konsequenzen tragen und die Zeitung verkaufen. Es ist besser für dich, wenn du wieder nach Camelot zurückkehrst. Ich habe versagt und werde mein Schicksal erwarten.«

Rosan schüttelte den Kopf. »Das ist nicht fair«, sagte sie bitter. Gol sah sie traurig an. Ein paar Tränen flossen aus seinen Augen.

»Du weißt genau, dass ich noch heute Alpträume vom Untergang habe. Du bist dir darüber im Klaren, was für eine Belastung es für mich ist, wieder auf die LONDON zurückzukehren, auch wenn es nicht dasselbe Raumschiff ist?

Shorne will nach London’s Grave. Ich soll als Werbegag mitfliegen und alles wieder von vorne durchmachen. Ich weiß nicht, ob ich das kann«, erklärte sie immer noch wütend.

Gol Shannig stand auf und rieb sich die Augen. Er wusste genau, dass Rosan ihn nicht hängen lassen würde, wenn er es geschickt anstellte. Er konnte und wollte seine Zeitung nicht verlieren, besonders nicht an jemanden wie Michael Shorne.

»Niemand verlangt es von dir«, log er gekonnt.

Rosan schüttelte wieder den Kopf. »Ich kann dich aber auch nicht hängen lassen, Gol. Ich will nicht, dass du alles verlierst.«

»Deshalb ...«, sie stockte kurz, »Deshalb werde ich an der Reise teilnehmen.«

Gol Shannig fing wieder an, zu lachen. Er bedankte sich bei Rosan und küsste sie auf die Stirn. »Wir zwei werden uns auf der Reise amüsieren und diesem Shorne zeigen, wer hier das Sagen hat!«

Er umarmte sie noch kurz und verabschiedete sich wieder von seiner Geliebten, da er noch in sein Büro musste. Dies war der offizielle Grund. In Wirklichkeit musste er Michael Shorne Bescheid geben, dass sein Plan von Erfolg gekrönt war.

Rosan blieb mit der Katze wieder alleine zurück. So hatte sie sich ihr Leben nicht vorgestellt. Es nahm Züge an, die sie an ihr Dasein auf Arkon erinnerte.

 

4. Atlan

Camelot, ehemalige Freihändlerwelt Phönix, 03. Juni 1290 NGZ

Die GILGAMESCH befand sich im Orbit Camelots und wurde von den fähigsten Technikern gewartet. Atlan nutzte die Pause, um wieder auf den Planeten zurückzukehren. Schon eine ganze Weile war die RICO, eines der GILGAMESCH-Module, seine Heimat gewesen. Zwar war seine Kabine äußerst komfortabel, doch er freute sich wieder auf seinen Bungalow, auf die frische Luft, seinen Garten und alles andere.

Der Arkonide fuhr mit einem Gleiter schnellstmöglich zu seiner Wohnung und versuchte sich einige ruhige Stunden zu gönnen. Seit dem Angriff der Tolkander war der Unsterbliche nie richtig zur Ruhe gekommen. Die Gefahr durch Goedda hatte lange angehalten. Danach hatte die Dscherro-Katastrophe seine volle Energie erfordert und zuletzt die Geschichte mit Mirkandol.

Doch jetzt war es erst einmal an der Zeit, abzuschalten. Atlan hatte ausgiebig geduscht und trug nur einen Morgenmantel. Er holte sich einige Süßigkeiten und etwas zu trinken, setzte sich auf seine Couch und sah fern.

So einen »normalen« Abend gab es selten bei den Zellaktivatorträgern. Irgendwie hatten sie immer etwas zu tun und kamen nie richtig zur Ruhe.

So auch an diesem Abend. Etliche Male summte der Interkom auf. Ronald Tekener und Dao-Lin-H'ay luden den Arkoniden für morgen zum Essen ein, Myles Kantor wollte sich nur einmal melden, Attaka Meganon lieferte einen Bericht über seine Projekte und Tests ab und auch der Stellvertreter Atlans in der IPRASA gab dem Cameloter einen präzisen Bericht über die Entwicklungen der Organisation ab.

Atlan wehrte jedoch ab und vertröstete alle auf den morgigen Tag. Heute wollte er nur allein sein und nicht das Universum retten. Heute Abend wollte er einfach nur irgendwelche trivialen Fernsehsendungen auf Trivideo sehen und abschalten.

*

Der darauffolgende Tag begann für Atlan erst gegen 11.00 Uhr morgens. So ausgiebig hatte er lange nicht mehr geschlafen. Nach einem üppigen Frühstück fuhr er mit dem Gleiter in sein Büro und informierte sich über die Neuigkeiten und Entwicklungen, die während seiner Abwesenheit auf Camelot eingetreten waren.

Natürlich war er über die wichtigsten Ereignisse bereits auf der RICO auf dem Laufenden gehalten worden. Was heute auf seinem Schreibtisch lag, war mehr bürokratischer Natur. Atlan war der Stellvertreter Rhodans auf Camelot und musste daher auch dessen Arbeit erledigen. Jedoch war er nun wahrlich kein Bürohengst, der sich in Akten vergrub und dies noch als eine befriedigende Aufgabe ansah. Nach etwa einer Stunde zitierte er seinen Assistenten herbei, der ihm die bürokratische Arbeit abnehmen sollte. Er konzentrierte sich auf das Wesentliche. In einer Meldung der IPRASA stand, dass der geheime Militärstützpunkt Ferryd Mir auf dem gleichnamigen Planeten angegriffen worden war. Etwa dreißig Arkoniden fanden dabei den Tod. Viel konnte die IPRASA noch nicht herausfinden. Alles lag unter strengster Geheimhaltung. Jedoch schloss der Sicherheitsdienst des Imperiums nicht aus, dass der Angriff aus den eigenen Reihen kam, da Ferryd Mir zu den geheimsten Stützpunkten des Kristallimperiums gehörte. Auch der IPRASA lagen nicht viele Informationen über diese Welt vor. Angeblich wurden dort biologische und chemische Waffen hergestellt.

Atlan nahm über einen abgeschirmten Hyperfunkkanal Kontakt mit einem der Leiter der IPRASA auf Arkon auf und teilte ihm mit, er solle mehr Informationen über den Angriff sammeln.

Die IPRASA steckte nicht hinter dem Überfall auf Ferryd Mir, doch wer außer Atlans Widerstandsorganisation hatte Interesse daran, eine geheime arkonidische Station anzugreifen? Die LFT oder das Forum Raglund? Atlan wäre enttäuscht, wenn die LFT so brutal vorgegangen wäre und dreißig Arkoniden umgebracht hätte. Einigen Völkern im Forum Raglund wäre eine solche Tat eher zutrauen. Insbesondere die Akonen waren schon in früheren Zeiten sehr auf Agenteneinsätze spezialisiert. Das Energiekommando und die Blaue Legion gehörten zu den bekanntesten Beispielen. Als letzte Möglichkeit würden auch die Galactic Guardians infrage kommen.

Es gibt noch eine gefährliche Organisation, die du verdrängen willst, mahnte der Extrasinn.

Atlan dachte an die sogenannte Mordred – eine Organisation, die eindeutig gegen Camelot gerichtet war. Diese Terrorgruppe fiel seit kurzer Zeit besonders stark auf, weil sie einige Camelotbüros auf abgelegenen Welten überfallen und weitgehend vernichtet hatte.

Sein Extrasinn hatte recht, dass die Mordred eine weitere Alternative wäre. Viel wussten sie jedoch noch nicht über diese Geheimorganisation. Sie arbeitete sehr professionell, schnell und präzise! Nur ein geisterhaftes Schiff mit dem Namen VERDUN und ein »Silberner Ritter« als Einsatzleiter waren immer wieder im Zusammenhang mit den Anschlägen aufgetaucht.

Gucky hatte während der Entführung der LONDON von einem Kind der Materiequelle in Erfahrung gebracht, dass die Mordred Vater Dannos mit Waffen und Know-how versorgt hatte. Auch hier war von einem Silbernen Ritter die Rede gewesen. Stewart Landry, der zusammen mit Gucky die Operationen leitete, hatte von einem Oberst berichtet. Doch das Mordred-Raumschiff hatte es vorgezogen, sich selbst zu vernichten. Seitdem hatten sie, bis auf diese kleineren Anschläge nichts von dieser ominösen Terrortruppe gehört. Das war immerhin viereinhalb Jahre her.

Atlan wusste nicht, was er davon halten sollte. Ein Geisterraumschiff und ein Kommandant mit silberner Ritterrüstung. Das klang mehr wie eine Schaudergeschichte. Doch er hatte schon viele seltsame Ereignisse erlebt. Oftmals war das Abwegigste das einzig richtige.

Der Arkonide wollte sich dieser Gruppe annehmen, nachdem Shabazza besiegt war.

Du Narr, bis dahin haben sie entweder alle Camelotbüros ausradiert oder sind an Altersschwäche dahingeschieden.

Meinst du, dass die Mordred hinter diesem Anschlag steckt?, wollte er von seinem Extrasinn wissen.

Möglich. Dennoch haben wir keine genauen Informationen. Es kann sich viel oder auch wenig dahinter verbergen. Noch vermag ich keine Prognose abzugeben.

Wie hilfreich, bemerkte Atlan.

Er wurde aus seiner gedanklichen Konversation durch das Signal des Türsensors gerissen. Jemand war im Begriff das Büro zu betreten. Atlan nahm etwas Haltung in seinem Sessel an und erwartete den Besucher.

Es war Wyll Nordment. Der junge Terraner machte immer noch denselben Eindruck, wie vor viereinhalb Jahren, als ihn Atlan kennengelernt hatte. Dank Atlans Rettungsteam konnten immerhin knapp 6.000 Lebewesen vor dem sicheren Tod bewahrt werden. Wäre er nicht rechtzeitig mit der FREYJA aufgetaucht, hätte auch Wyll Nordment am 10. Dezember 1285 NGZ beim Untergang der LONDON den Tod gefunden.
Seine Rettung war buchstäblich in letzter Sekunde erfolgt. Rhodan hatte ihm und Rosan Orbanashol erlaubt, nach Camelot zu ziehen. Dort hatten die beiden geheiratet, doch die Ehe war inzwischen wieder geschieden. Rosan Orbanashol-Nordment lebte auf Terra und versuchte unabhängig zu sein, während Nordment das Kommando über den 200-Meter-Kreuzer CALLAMON führte.

Er machte nach außen hin einen souveränen Eindruck, doch der Arkonide merkte genau, dass Nordment den Schmerz über Rosans Fortgang noch nicht verkraftet hatte. Dies war ein Gebiet, auf dem auch er sich bestens auskannte.

Atlan musste unwillkürlich an Mirona Thetin, seine große Liebe, denken. Im gleichen Moment fielen ihm auch Ermigoa und Iruna von Bass-Thet ein. Alle diese Frauen hatte er geliebt und vermisste einige immer noch sehr stark.

Oder Theta von Ariga oder Nefer-Meryt oder die Barbarenfrau, mit der du mal vor 5.000 Jahren etwas hattest. Hör auf in Sentimentalitäten zu schwelgen. Wenn du jetzt an alle deine Verflossenen denkst, ist der Tag vorbei und dein Gast eingeschlafen, bemerkte Atlans Extrasinn sarkastisch.

Atlan hätte am liebsten etwas erwidert, doch stattdessen verzog er nur das Gesicht zu einer genervten Grimasse.

»Ist etwas nicht in Ordnung, Atlan?«, wollte Wyll Nordment aufgrund des Gesichtsausdrucks wissen.

»Was? Oh! Nein, alles in Ordnung. Mir geht’s gut«, sagte Atlan.

Der Terraner kam offenbar nicht auf die Idee, dass der Unsterbliche wieder ein Gespräch mit seinem Extrasinn führte.

Atlan lächelte und bot seinem Gegenüber einen Platz und etwas zu trinken an. Beide Gesten nahm Nordment an. Der Servo brachte den beiden ein Glas Vurguzz-Likör.

»Was kann ich für dich tun, Wyll?«

Nordment kauerte etwas verlegen in seinem Sessel herum. Ihm schien das Thema peinlich zu sein. Dennoch kam er gleich zur Sache.

»Rosan fliegt auf der LONDON II mit. Ich werde auch mitfliegen, um sie wiederzusehen.«

Diese Aussage überraschte Atlan. Zumal er nicht einmal wusste, dass Rosan nun doch mitflog. Seinen Informationen zufolge zeigte sie keinerlei Interesse an der Reise. Im Gegenteil, sie verurteilte Michael Shornes Vorhaben die Ruhe der LONDON I zu stören und für lukrative Geschäfte zu missbrauchen.

Vielleicht solltest du mal die Nachrichten sehen, oh großer allwissender Lordadmiral, stichelte wieder der Extrasinn.

Du bist auch nicht zufrieden, wenn du nicht meckern kannst?, dachte Atlan immer noch genervt.

Was Besseres habe ich im Moment auch nicht zu tun, entgegnete der Extrasinn ohne sich irgendeiner Schuld bewusst zu sein.

Hättest du immer auf mich gehört, was deine Herzdamen anging, hättest du dir so manchen Ärger erspart, fügte er bissig hinzu.

Atlan ignorierte seine innere zweite Stimme und wandte sich Wyll Nordment zu. Er schüttelte den Kopf.

»Ich wusste nicht, dass Rosan zugesagt hatte«, stellte er fest. Im Grunde genommen war dies mehr eine Frage als eine Feststellung des über dreizehntausendjährigen Arkoniden. Wyll Nordment gab auch prompt die Antwort.

»In den Nachrichten wurde heute darüber berichtet. Shorne Industry und auch Terra Eagle One machen viel Wirbel um ihre Teilnahme.«

Atlan nippte am Glas.

Terra Eagle One. Vor Atlans geistigem Auge bildete sich das Gesicht des feisten Moderatoren Bekket Glyn. Der Typ hatte über Jahre hinweg gegen Extraterrestrier und die Organisation Camelot auf groteske Weise gewettert. Während der Dscherrokrise hatte Bekket Glyn jedoch Pluspunkte beim Volk gesammelt, als er an vorderster Front über die Kämpfe mit den Gehörnten in Terrania City berichtet hatte. Es war eine eher makabere Vorstellung gewesen, als Glyn mit Stahlhelm und Pseudouniform die terranischen Panzer und Artillerie anfeuerte.

Willst du uns noch lange mit diesem Bekket Glyn quälen, fragte der Extrasinn.

Atlan konzentrierte sich wieder auf Nordment.

»Ich verstehe. Nun willst du also einfach mitfliegen?«

»Ja, natürlich. Ich muss Rosan wiedersehen. Die letzten zwölf Monate waren schrecklich für mich.«

Noch so einer, der einer Frau hinterher trauert. Ihr seid euch beide ähnlich, hörte Atlan in Gedanken.

»Sei endlich still!«, fluchte Atlan laut. Wyll Nordment sah ihn völlig entgeistert an. Der Arkonide bemerkte seinen Fehler prompt.

»Das galt nicht dir«, erwiderte er rasch. »Dennoch, ich kann dir nicht erlauben, jetzt Urlaub zu nehmen. Die Situation in der Milchstraße ist noch lange nicht bereinigt. Ich brauche alle fähigen Leute hier. Vielleicht müssen wir auch bald in den Einsatz gegen Shabazza gehen«, erklärte der ehemalige Lordadmiral der USO. Camelot erinnerte ihn entfernt an die USO. Auch Camelot arbeitete meist im Geheimen und sah sich als eine Art Feuerwehr der Galaxis an. Wenngleich die meisten Völker diese Ansicht nicht teilten.

Wyll war sichtlich ungehalten über Atlans Meinung.

»Ich muss gehen. Ob mit oder ohne deine Zustimmung werde ich Rosan wiedersehen!«

»Ich habe nichts dagegen, dass du Rosan wiedersehen willst. Der Zeitpunkt ist jedoch denkbar ungünstig«, erwiderte Atlan ruhig.

»Ich habe keine andere Wahl. Ich werde noch heute eine Passage buchen«, beharrte der junge Terraner. Atlan atmete tief durch. Er überlegte kurz, dann hatte er die richtigen Worte gefunden.

»Es tut mir sehr leid. In diesem Fall muss ich dir als dein Vorgesetzter den Befehl erteilen, hier zu bleiben. Sorge dafür, dass die CALLAMON einsatzbereit gemacht wird.«

»Was?«, brüllte Nordment, der wütend aufstand und mit den Fäusten auf Atlans Schreibtisch schlug.

»Wofür soll das Schiff einsatzbereit sein? Die Tolkander und Dscherro sind besiegt. Es gibt im Moment keine offensichtliche Gefahr!«, fügte er ebenso laut hinzu.

»Potentielle Gefahren, bedingt durch Shabazza, können jederzeit auftreten. Daher sollten wir vorbereitet sein«, versuchte sich der Arkonide zu rechtfertigen.

Wyll blickte ihn erbost an. Plötzlich nickte er resignierend und verließ das Büro ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Das hast du ja hervorragend und sehr taktvoll gelöst. Bravo!, spottete der Extrasinn.

Ich hatte keine andere Wahl. Wyll fängt sich schon wieder, verteidigte sich Atlan.

Da hast du mit Sicherheit recht. Er wird genauso reagieren, wie du es an seiner Stelle machen würdest, meinte sein zweites Ich.

Atlan gefiel der Unterton in der Aussage nicht sonderlich.

 

5. Die Arkoniden

Arkon I, Im Haus des Jenmuhs

Hajun Jenmuhs war im wahrsten Sinne des Wortes mit dem silbernen Löffel im Mund geboren. Als Sohn überreicher, arkonidischer Unternehmer hatten er und sein Zwillingsbruder Uwahn in ihrer Kindheit alles bekommen, wonach sie verlangt hatten. Dies hatte ihn für sein Leben geprägt. Er duldete keinen Widerspruch und war es gewohnt, dass ihm niemand etwas verweigerte. Zweifellos »Tugenden«, die er seinem Reichtum verdankte. Sein Äußeres hingegen war weniger anziehend als sein Vermögen. Jenmuhs war von kleiner Statur und einfach nur als fett zu bezeichnen. Auch seine inneren Attribute waren keineswegs edel. Er war durch und durch ein Sadist. Der Arkonide erfreute sich daran, seine Diener und Sklaven zu demütigen und herum zu scheuchen. Es bereitete ihm die größte Genugtuung. Versagte einer seiner Naats oder Neroner, wurden sie auf unmenschliche Weise bestraft. Die Neroner, ein primitives Volk aus den Randgebieten des Kristallimperiums, wurden ausgepeitscht oder bekamen elektronische Stockschläge. Enttäuschte ein Naat seinen Meister, so brannte man ihm das Wort »Versager« auf die Stirn. Die arme Kreatur wurde anschließend an Sklavenhändler verkauft. Die arkonidische Regierung hatte keine Einwände dagegen, es sollte nur nicht publik werden. Jenmuhs besaß eine große Waffenfabrik und gehörte zu den wichtigsten Lieferanten für die Kristallarmee. Allein aus diesem Grund genoss er Immunität. Auch sein Zwillingsbruder Uwahn Jenmuhs gehörte dem elitären Kreis der arkonidischen Aristokraten an. Uwahn jedoch zog es mehr in die Politik. Dafür hatte Hajun wenig übrig. Er wollte für seinen Reichtum nicht arbeiten, sondern ihn genießen.

Hajun Jenmuhs saß in einem seiner großen Wintergärten, der mehr an einen hydroponischen Garten erinnerte. Es wurde eine leise, dekadent anmutende Musik gespielt und einige der grazilen, grünhäutigen weiblichen Neroner pedikürten die Finger- und Fußnägel ihres Herrn.

Ihm gegenüber saß ein hochgewachsener Arkonide in edelster Kleidung, Attakus Orbanashol.

Attakus war auch damals auf der LONDON gewesen und hatte die Katastrophe überlebt, im Gegensatz zu seinem Onkel Spector und seiner Tante Thorina. Da Spector kinderlos gewesen war und Rosan sich ihren Anteil an dem Familienunternehmen hatte auszahlen lassen, war Attakus der Geschäftsführer geworden.

Nach der Katastrophe hatte Orbanashol seine Stiefcousine und den verhassten Nordment nie wieder gesehen. Erst jetzt, da in der Presse bekannt wurde, dass Rosan an der Kreuzfahrt der LONDON II teilnahm, hörte er das erste Lebenszeichen von ihr.

Attakus residierte in einem ebenso weichen wie bequemen Sessel und trank ein Glas arkonidischen Nettoruna-Wein. Jenmuhs nuckelte an einer Zigarre.

»Ihn bedrückt seine Cousine?«, stellte er umständlich fest.

Jenmuhs war von solch einer Arroganz geprägt, dass er meist in der dritten Form von anderen sprach und sich selbst als Mehrzahl ansah, wie es einst Könige in der terranischen Sprache getan hatten. Dies war eine der wenigen interessanten Angewohnheiten der sonst von ihm so verachteten Terraner, fand Jenmuhs.

Attakus nickte. »Dass sie es wagt, das Antlitz meiner Familie wieder so in den Dreck zu ziehen, hätte selbst ich nicht von ihr erwartet. Einzige Genugtuung ist, dass sie mit diesem Nordment nicht mehr liiert ist«, brummte Orbanashol.

Hajun machte eine abwertende Geste. »Lasse uns lieber etwas Garrabo spielen«, schlug er stattdessen vor. Garrabo war ein schachähnliches Strategiespiel, welches auf Arkon immer noch eine große Beliebtheit genoss. Das Spiel war so alt, wie Arkon selbst. »Kero, hole er uns und ihm das Garrabospiel«, befahl er einem seiner Diener. Er gehörte zu den Neronern. Sein Name war Aruny. Kero war seine Bezeichnung. Sie bedeutete so viel wie Abfall. Jenmuhs titulierte all seine Diener so. »Ja, Euer Zhdopan, ich eile«, entgegnete Aruny unterwürfig und rannte los, um das Spiel zu holen. »Lass gut sein, Hajun. Mir ist heute nicht danach«, wehrte Attakus ab. »Hm, wenn er meint. Kero, bringe das Spiel wieder an seinen Platz. Beeile er sich!«, kommandierte der Gastgeber unwirsch.

Hinter ihm hörte Jenmuhs ein Stampfen und Grunzen. Es war ein Okrill. Das Tier wurde von dem Arkoniden in dem Wintergarten gehalten. Platz genug hatte er in der riesigen Anlage. Eigentlich galten nur die Oxtorner als Beherrscher der riesigen Tiere, doch dieser Okrill wurde künstlich beeinflusst. Der Okrill war ein Geschenk von Jenmuhs Geschäftspartner Michael Shorne gewesen. Es war wohl ein künstlich gezüchteter Okrill, der konditioniert worden war. Das Wesen wurde mithilfe eines Sensors genau abgerichtet. Es erkannte die Stimme seines Herrn, konnte auch bestimmte Befehle verstehen und führte sie aus. Der Okrill war in Jenmuhs Händen jedoch kein Haustier, sondern eine gefährliche Waffe. Attakus nahm auch eine Zigarre und zog kräftig daran. Er machte einen nachdenklichen Eindruck. Das fiel auch dem anderen Arkoniden auf. »Er macht sich viel zu viel Gedanken um das kleine Miststück«, meinte er.

»Aber daran scheinen auch wir nichts ändern zu können. Daher ist unser Vorschlag, er möge sich auf das Raumschiff begeben und sie wiedersehen«, fügte der Fettwanst orakelnd hinzu.

Orbanashol sah Jenmuhs verwundert an. Er hatte mit allem gerechnet, doch nicht damit. Jenmuhs war ein erklärter Feind der Terraner. Er verabscheute sie und bezeichnete sie oft als Protozoen. Nun schlug ausgerechnet er vor, Attakus solle auf die LONDON II gehen, um Rosan wiederzusehen.

»Welchem Zweck soll das dienen? Ich will sie nicht mehr als mein Eheweib.«

Jenmuhs lachte krächzend auf.

»Aber er fühlt sich gedemütigt von der Schlampe. Daher muss er seine Ehre wiedererlangen. Dies kann er aber nur, wenn er sie auch demütigt und sich revanchiert.«

Attakus stimmte langsam zu. Es lag ein wahres Wort in Jenmuhs Ausführungen. Er überlegte kurz, dann fing er an zu lächeln.

»Ich glaube, du hast recht, alter Freund. Ich werde mir noch heute eine Passage auf der LONDON II buchen lassen.«

Der fette Arkonide hob die Hand.

»Nein, er und wir werden mitfliegen. Unsereins wird sich so eine amüsante Kreuzfahrt nicht entgehen lassen. Es ist wieder Zeit für uns, unsere Überlegenheit die kleinen und infantilen Kreaturen der Galaxis spüren zu lassen«, blubberte er lachend.

Dann fing er an zu husten. Attakus fand dies anekelnd, je länger es dauerte. Jenmuhs stieß die beiden Neronerinnen von sich weg und schrie nach einem Glas Wasser. Aruny stürmte heran, stolperte aber über das Fußkissen und überschüttete seinen Meister mit dem Wasser.

»Ist er denn des Wahnsinns? Ist er denn ein dummes Vieh?«, brüllte der unansehnliche Arkonide laut. Aruny versuchte sich, zu entschuldigen.

»Herr, vergebt mir. Euer Zhdopan, bitte«, flehte er auf Knien.

Doch Hajun Jenmuhs machte keinerlei Anstalten sich zu beruhigen. Er hustete und prustete immer noch. Ein Naat reichte ihm ein anderes Glas Wasser. Er schlürfte hastig die Flüssigkeit aus und schniefte eine Weile, bis er sich endlich beruhigt hatte.

Attakus sah dem Schauspiel ruhig zu. Jenmuhs blickte seinen Diener wütend an.

»Dafür wird er bestraft«, fauchte er Aruny an, der immer noch auf Knien war.

»Bitte Zhdopan, zeigt Milde«, bat er leise.

»Mildtätigkeit?«, schrie Jenmuhs schrill, sodass es Attakus in den Ohren schmerzte.

»Der Kero verlangt Gnade! Das ist ja drollig. Wachen!«

Sofort stürmten vier Gardisten in edelsten Gewändern herbei. Sie gehörten zu Jenmuhs persönlicher Leibwache. Sie bestand aus etwa dreihundert Söldnern, die jedoch alle eine Ausbildung bei der Kristallarmee hinter sich hatten.

Eine der Wachen trat an seinen Herrn heran.

»Euer Zhdopan, meinen Dienst!«

Diese Aussage bedeutete, dass er die Befehle seines Meisters erwartete. Dieser atmete inzwischen wieder ruhig.

»Wir werden Gnade walten lassen«, begann er hochtrabend.

Aruny fiel zu Boden und küsste die Füße seines Herrn. Dies galt als eine Danksagung. Schon oft musste er dies tun.

»Danke, Euer Zhdopan.«

»Wir lassen sein Weib in Frieden. Sie kann gut kochen. Er jedoch wird bestraft. Schlagt ihm seine Zehen und Finger ab. Danach, da mit ihm nichts mehr anzufangen sein wird, schickt ihn zurück zu seiner Affenwelt Neron.«

Aruny schrie laut auf. Die Wachen packten ihn und schleiften den Neroner davon, der immer noch um Gnade winselte. Er riss sich noch einmal los und krabbelte wieder zurück. Jenmuhs verdrehte die Augen und pfiff nach seinem Okrill. Das abgerichtete Ungetüm folgte augenblicklich dem Wort »Jorron«, was bedeutete, es sollte seine Beute angreifen. Der Okrill stürzte sich auf den schreienden Neroner und riss ihn mit einer Klaue seiner riesigen Tatzen des vorderen Beinpaares die Bauchdecke auf. Dann begann das Tier genüsslich, die Innereien des Neroner aufzufressen.

Attakus wurde schlecht bei diesem grausigen Schauspiel. Natürlich bedeutete ihm dieser Neroner nichts, dennoch hätte eine Entlassung als Bestrafung auch ausgereicht. Doch Jenmuhs war extrem sadistisch veranlagt. Attakus lief ein Schauer über den Rücken, er schloss die Augen, doch das Grunzen und die Fressgeräusche ließen ihn zusammenzucken. Jenmuhs entschuldigte sich für diesen Vorfall und erhob ein neues Glas Nettoruna.

»Wir haben Hunger bekommen. Serviert uns eine Suppe. Möchte er auch etwas?«

Attakus schüttelte den Kopf.

»Ihm bringt nichts. Dann für uns zwei Suppen, aber räumt vorher die Schweinerei weg.«

Jenmuhs erhob sein Glas.

»Auf die Reise der LONDON II. Das wird uns und ihm einen Spaß garantieren.«

 

6. Der Tag vor der Abreise

Terra, 05. Juni 1290 NGZ

Michael Shorne war bereits etwas aufgeregt am Tag vor dem Start der LONDON II. Er ging in seinem Büro hin und her, quetschte seinen Knetball und studierte die neuesten Zahlen an der Börse. Seine rechte Hand, Thomas Zchmitt, trat in das Büro ein. Er hatte eine ebenso unsympathische Ausstrahlung wie sein Chef. Zchmitt war in einem grauen Maßanzug gekleidet. Seine Haare waren kurzgeschoren und sein Gesicht kantig. Seine Gesichtszüge ließen ihn wie einen ernsten Menschen aussehen. Er gab Shorne die Hand und erkundigte sich nach dessen Wohlbefinden. Shorne sprach davon, dass er etwas angespannt sei, doch sich auf seinen großen Tag freute.

Michael schlug vor, etwas essen zu gehen. Da beide nicht viel Zeit hatten, denn Zchmitt musste noch einige Dinge mit Shorne vor dessen Abreise besprechen, gingen beide zu einem Imbissstand vor dem SHORNE INDUSTRY-Gebäude. Ein korpulenter Epsaler stand hinter dem Tresen und bediente die beiden. Shorne bestellte sich einen Hotdog mit Zwiebeln, als dieser dann serviert wurde, erklärte er aber plötzlich, einen ohne Zwiebeln bestellt zu haben. »He, Mann! Was soll das? Ich hatte einen Hotdog ohne Zwiebeln bestellt!«, beschwerte sich der Multimilliardär.

Der Epsaler wurde unfreundlich. »Nein, du hast einen mit Zwiebeln bestellt. Wenn du nicht mal weißt, was du bestellst, kann ich auch nichts dafür.«

Shorne warf den Hotdog weg und ging mit Zchmitt wieder in Richtung Büro. Dieser holte ein Interkomgerät heraus und besprach etwas mit einer Firma. Shorne sah ihn an und Zchmitt bekundete mit einem Nicken, dass das Geschäft zur vollen Zufriedenheit verlief.

Als sie wieder im Büro waren, begann Zchmitt mit seinen Neuigkeiten.

»Ich habe die Passagierliste überprüft. Wir haben insgesamt 17.512 Passagiere an Bord. Damit sind fast alle Kabinen ausgebucht. Wir können also von einem Erfolg sprechen. Mehr Passagiere, als die alte LONDON hatte«, sagte er sehr bedächtig. Seine Stimme klang ruhig und kalt. Er schien sich jedes Wort genau überlegt zu haben. »Sehr gut, Thomas. Wie sieht es mit den Medien aus?«, wollte Shorne wissen.

»Drei Dutzend Sendeanstalten wollen den Start der LONDON II morgen live übertragen. Zudem haben sich etwa 200 Journalisten eingebucht«, berichtete der Terraner.

Shorne lachte vor Freude.

»Wir haben es wirklich geschafft!«, jubelte er laut.

Zchmitt zog die Mundwinkel kurz nach oben, was so viel wie ein Lächeln bedeutete. »Es gibt noch weitere erfreuliche Neuigkeiten. Wyll Nordment hat sich eingebucht«, führte er weiter aus.

Shorne war so überrascht, dass ihm die Worte fehlten.

»Wer sagt´s denn? Erst zieren sich die großen Helden der LONDON I, nun kommen sie freiwillig zu mir«, stellte Shorne euphorisch fest.

»Wir haben noch viel zu tun. Ich muss so langsam packen. Du auch, Thomas«, meinte Shorne und deutete damit an, da das Gespräch beendet war, doch Zchmitt blieb regungslos stehen. »Was gibt es noch?«

»Die Sol-News. Was soll aus dem Käseblatt werden? Sollen die Informationen über Gol Shannig publik gemacht und der Kredit gekündigt werden?«

Shorne setzte sich hin und spielte wieder mit dem elastischen Ball. »Shannig hat sein Wort gehalten. Das bedeutet aber nicht, dass wir es auch tun müssen. Der Kredit soll in zwei Tagen gekündigt werden. Shannig wird eine amüsante Rückkehr erleben.«

Zchmitt verließ zufrieden den Raum, während Shorne aus dem Fenster sah.

Einige Sicherheitsbeamte ließen den Imbissstand räumen. Anschließend kamen Bauroboter und rissen das Gebäude ab.

Shorne lachte. Niemand widersprach ihm ungestraft.

 

7. Die neue LONDON

Terra, Solsystem, 07. Dezember 1290 NGZ

Die LONDON II schwebte über dem Handelsraumhafen Point Surfat in Terrania City und warf einen großen Schatten. Sie war eine Attraktion und unterschied sich in Größe und Design von den eher schlichten Kugelraumern. Etliche Türme und Gangways waren mit dem 1.600 Meter langen Schiff verbunden. Im Gegensatz zum Jungfernflug der LONDON I hatte Michael Shorne bei den Behörden der LFT durchgesetzt, dass »sein Schiff« direkt auf dem Handelshafen »landen« durfte. Zuerst hatte sich vor allem die lokale Administration Terras gesträubt, aber ein wenig Druck auf die entsprechenden Kreise der LFT-Führung hatte die Bedenkenträger schnell eines Besseren belehrt.

Das neue Schiff glich der ersten LONDON bis auf wenige Details. Der obere Teil, in dem die Passagiere und Crewmitglieder untergebracht waren, sah aus wie ein terranischer Luxusliner. Drei große Türme ragten in die Höhe. Vorne befand sich eine große Glaskuppel. In der Mitte war die Sternenhalle. Der hintere Bereich wurde von den Triebwerken dominiert.

Unter dem scheibenförmigen Schiffsteil waren die Triebwerke und Hangars des Schiffes, darunter eine große Flosse, auf der der Name des Schiffes in goldenen Buchstaben geschrieben stand. Shorne hatte gewisse Auflagen zu erfüllen gehabt, da man aus dem Desaster der LONDON I gelernt hatte. Neben gesondert abgesicherten und redundant verlegten Feldleitern und dezentralisierten Gravitravspeichern, mussten mechanische Sicherheitsschotts installiert werden, die bei Ausfall der Formenergie in der Lage waren, einzelne Schiffssektionen hermetisch abzuriegeln. Auch die Bordsyntronik wurde durch mehrere dezentralisierte Firewallschichten geschützt und mit einer Kontra-Syntronik gekoppelt, die zusammen einen Virenbefall wirksam unterbinden sollten. Ferner wurden die offensiven und defensiven Waffensysteme wesentlich verstärkt. Trotz der altertümlich wirkenden Innenreinrichtung, die wiederum dem 19. und 20. Jahrhundert der alten Zeitrechnung Terras nachempfunden war, gewährleisteten nun Wände aus massiver Metallplastik und ein durchgehendes Skelett aus Ynkonit eine wesentlich höhere passive Statik, als bei der ursprünglichen Konstruktion. Dieses Prinzip wurde insbesondere bei den »Türmen« angewandt, die sich beim Untergang der LONDON als gravierende Schwachstelle der alten Konstruktion erwiesen hatten.

Darüber hinaus hatte Michael Shorne sehr viel Wert darauf gelegt, in der von ihm initiierten Werbekampagne darauf hinzuweisen, dass die LONDON sich im Falle eines Angriffs selbst ausreichend schützen konnte. Drei schwere Doppel-Transformgeschützlafetten mit einem Kaliber bis zu 3.000 GT sowie vier MHV-Geschützstände verliehen dem Kreuzfahrtschiff die offensive Kampfkraft eines Schweren Kreuzers, während in defensiver Hinsicht die siebenfache Schutzschirmstaffel aus Paratron- und HÜ-Schirmen jedem Schachtschiff zur Ehre gereichen würde.

Der Kommandant der LONDON II war der einundachtzigjährige Terraner Roy Cheidar. Er hatte ein markantes, dünnes, gütiges Gesicht und kurze graue Haare. In seiner Uniform wirkte er adrett und wie ein vornehmer englischer Gentleman.

Roy Cheidar war in einer kleinen kalifornischen Küstenstadt aufgewachsen. Nach einem guten Schulabschluss hatte er eine Laufbahn bei der LFT-Flotte eingeschlagen. Dort hatte es Cheidar sehr weit gebracht und war Kommandant eines NOVA-Raumers geworden. Während der Tolkander Krise gehörte er zu den fähigsten Offizieren. Doch nach der Dscherrokrise hatte es ein Zerwürfnis zwischen ihm und Cistolo Khan gegeben. Cheidar war mit der Flottenpolitik Khans nicht einverstanden. Er schlug weitreichende Reformen vor, um die militärische Schlagkraft der LFT zu verbessern, doch Khan hatte abgelehnt. Daraufhin hatte Cheidar seinen Dienst quittiert. Er hatte sich für ein paar Monate auf eine ruhige Insel in der Südsee zurückgezogen, doch seine Frau war bei einem Brand gestorben und sein Besitz war verloren gegangen, da es Schwierigkeiten mit der Versicherung gegeben hatte. Kurz darauf hatte ihm die SIG einen lukrativen Vertrag als Kommandant der LONDON II offeriert. Aus finanzieller Not hatte Cheidar angenommen. Seine Kommandocrew hatte er allerdings nicht selbst auswählen können, da Michael Shorne, besser gesagt seine rechte Hand Thomas Zchmitt, die Auswahl der Besatzung getroffen hatte.

So musste Cheidar mit Leuten zusammenarbeiten, die er nie zuvor gesehen und die als Team noch nicht eingespielt waren. Der Erste Offizier war eine Frau namens Eireen Monhar. Die noch junge Plophoserin war pflichtbewusst und prinzipientreu. Das kam Cheidar nicht sonderlich entgegen. Bereits in der LFT konnte er Leute, die nur nach den Vorschriften lebten, nie recht verstehen. Oft ignorierte er die Vorschriften, um sein Ziel zu erreichen. Er glaubte nicht daran, dass ein paar Paragraphen und Gesetze alles für einen Menschen entscheiden konnten.

Der Zweite Offizier Huck Nagako war ein junger Terraner, der auf einem Inselarchipel geboren war, das früher die Region Japan gebildet hatte. Weitere wichtige Besatzungsmitglieder waren der leicht trottelig wirkende Sicherheitschef Louis Clochard, der deutsche Chefingenieur Udo Arenz und der Ara Badi Doranee als Leiter der medizinischen Betreuung der Passagiere, der gleichzeitig als Bord Arzt fungierte.

Cheidar bekam nicht viel Zeit, um seine Crew kennenzulernen. Sein Urteil war jedoch relativ zufriedenstellend. Er würde zwar mit solchen Leuten in keinen gefährlichen Einsatz fliegen, dennoch glaubte er, sie wären in der Lage auf einem Kreuzfahrtraumschiff zu arbeiten.

Der Terraner stand in der Kommandozentrale und machte die letzten Checks vor dem Start. Auf den vielen Monitoren und Hologrammen sah er, wie die Tausende von Passagieren in die Foyers stürmten. Am Raumhafen herrschte ein großer Tumult. Ebenso viele Terraner und Extraterrestrier standen an den Gangways um ihre Verwandten oder Freunde zu verabschieden. Etliche Kameraroboter schwebten durch die Luft, um das Ereignis in die Galaxis zu übertragen.

*

Bei den Gangways zur Sternenhalle stand Suzahn Roemee, die Kreuzfahrtmanagerin der LONDON II und begrüßte die Gäste. Die pummelige Frau mittleren Alters wirkte freundlich und ehrlich. Sie begrüßte jeden Gast mit einem herzlichen Lächeln. Ihr zur Seite stand der Zahlmeister Fred Gopher. Der etwas energielos wirkende Terraner hatte einen ausgeprägten Humor und kümmerte sich besonders um die weiblichen Passagiere.

Ein älteres Ehepaar trat dann an ihn heran.

»Guten Tag. Wir sind die Braunhauers«, begann der Mann. Er war klein mit schlohweißem Haar und trug einen Kugelbauch mit sich herum. Dann mischte sich die Frau ein: »Wir suchen die ... die ... die, na ... du weißt schon ... die ...«, stotterte sie. Gopher versuchte ihr zu folgen, wusste jedoch nicht genau, was sie meinte.

»Was ist denn, Ottilie?«, keifte ihr Mann sie an.

»Warum bist du denn immer so nervös, Vatichen?«, fragte Ottilie gedehnt.

Dann trat sie an Gopher heran.

»Weißt du, mein Mann ist ja immer so nervös. Das hängt alles mit den Nerven zusammen. Wir vermieten ja einige Ferienwohnungen in … in ... na, wo ist denn das noch? Ach ja, in Atlan Village. Das ist ja immer so ein Stress! Mein Mann muss ja da so viel tun und zudem ist er auch so krank. Also, er war letztens im Krankenhaus und hatte eine Operation an seinem erweiterten Leistenteil«, berichtete sie ausgiebig. Gopher lächelte nur verständnisvoll, war es aber nicht. »Nicht jetzt, Ottilie!«, herrschte ihr Mann, Karl-Adolf Braunhauer, sie an. Anscheinend war ihm dieses Thema sichtlich peinlich.

»Ach so. Guter Mann, wir suchen unsere ... Dings, na wie heißt der Raum, wo man herein soll?«

»Eure Kabine?«, fragte Gopher.

»Ja, genau!«, bellte Braunhauer in einem barschen Tonfall.

Gopher nahm seine Checkliste und gab den Namen der beiden ein. Prompt wurde auch ein Ergebnis geliefert.

»Ihr habt die Kabine 33 auf Deck G. Ein Droide kann euch dorthin führen.« Gopher winkte einen Serviceroboter herbei, der sich sofort um das Gepäck der beiden Rentner kümmerte.

»Ich wünsche eine gute Reise«, verabschiedete sich Gopher.

»Auf Wiedersehen. Tschüs, tschüsselchen«, rief Ottilie dem Zahlmeister hinterher.

»Hoffentlich nicht«, flüsterte Gopher zu sich selbst, nachdem die Braunhauers in einen Antigrav gestiegen waren.

Ein hochgewachsener Terraner in einem feinen Anzug ging zu dem etwas echauffierten Zahlmeister.

»Mein Name ist Sven Fochtmann. Ich bin Geschäftsmann und habe eine Kabine Erster Klasse für mich gebucht. Ferner noch zehn Kabinen der Touristenklasse für meine Angestellten«, erklärte der Unternehmer.

Gopher teilte ihm mit, dass er die Kabine A-100 hätte, und wies einen Servo an, das Gepäck in diese Kabine zu bringen. Die Bediensteten von Fochtmann wurden in Deck Z-2 untergebracht. Der Passagierbereich der LONDON II bestand aus 52 Decks, die alphabetisch und numerisch benannt wurden. Die Decks A-C waren die Decks Erster Klasse. Auch dort gab es zwei Sorten. Die Suiten auf Deck A waren noch größer und luxuriöser als die anderen 500 Kabinen der B- und C-Decks. Dementsprechend teurer waren sie auch. Shorne rechnete sich aus, das gerade einmal einhundert Galaktiker an Bord kommen würden, die sich solch eine Kabine leisten konnten.

Die Kabine einer A-Suite war etwa 200 Quadratmeter groß, hatte fünf Zimmer, eine Sauna und einen Swimmingpool.

Die Kabinen Erster Klasse auf dem B- und C-Deck besaßen keinen Swimmingpool oder waren zweistöckig und waren auch »nur« 150 Quadratmeter groß.

Von Deck D bis Deck Q waren die Kabinen Zweiter Klasse angelegt, die immerhin noch 80 Quadratmeter groß waren und auch sämtlichen Komfort boten, den man sich für diesen Preis wünschen konnte. Die Dritte Klasse war von Deck R bis Deck W, die Touristenklasse war demnach von Deck X bis Deck Z. Unter diesen Decks befanden sich die Mannschaftsquartiere, Lagerräume und Stallungen für die Haustiere der Passagiere sowie die hydroponischen Gärten und die Nutztierhaltung.

Die verschiedenen Restaurants und Speiseräume waren den Passagierklassen zugeordnet, so versuchte man, die Passagiere nach ihrem sozialen Stand, zu trennen. Im Gegensatz zur alten LONDON diente der erste Turm ausschließlich für die Freizeitgestaltung der Ersten Klasse. Die dort vorhandenen luxuriösen Restaurants, Kinos, Freizeitanlagen, Parkanlagen, Holosuiten, Fitnessstudios, Bäder und Pools waren eigens für die finanzielle »Elite« bestimmt. Sogar ein Gravo-Golfplatz, der die Bedingungen unterschiedlicher Schwerefelder erzeugen konnte, war vorhanden. Insgesamt war dieser Bereich für 1.200 Passagiere ausgelegt und bot den herausgehobenen Mitgliedern des Geldadels und ihren Schmarotzern jeder Couleur allen erdenklichen Luxus. Dennoch war der Mittelpunkt des Raumschiffes weiterhin die Sternenhalle, die jedoch für Passagiere aller Klassen offenstand. Die meisten Freizeiteinrichtungen, Clubs, Erholungsbereiche und Restaurants befanden sich dort. Ebenfalls gab es diverse Ausstellungen von Unternehmern, Künstlern und Wissenschaftlern dort zu bewundern.

 

8. Die Mission des Mascanten

Die HOZARIUS XIV tauchte aus dem Hyperraum direkt am Rande des Solsystems auf. Sie begab sich auf Unterlichtgeschwindigkeit und nahm schnell an Fahrt ab.

Der Schlachtkreuzer wurde von einer Ortungsplattform angefunkt. Innerhalb von nur Sekunden bekam die terranische Wachstation eine Antwort.

Orbton Erom Mesun erklärte den terranischen Sicherheitsbeamten, dass Mascant Prothon da Mindros mit einem Beiboot zur LONDON II fliegen wolle, um an der Reise nach Londons Grave teilzunehmen. Der HOZARIUS XIV wurde daraufhin ein Liegeplatz am inneren Rand des Asteroidengürtels zugewiesen.

Mindros wurde über die Startbereitschaft des Shuttles informiert. Der Arkonide saß in seiner martialisch anmutenden Kabine. Sie war voller Waffen, die aus allen nur bekannten Kulturen der Galaxis stammten. Von einfachen Dagorschwertern bis hin zu modernsten Hochleistungswaffen war alles in der Sammlung vertreten. Mindros reparierte gerade einen gatasischen Thermostrahler, der mindestens 1000 Jahre alt war.

Mesun trat an die Kabine heran und erstattete Meldung.

»Mascant, die Terraner haben uns eine Parkposition am Rand des sogenannten Asteroidengürtels zugewiesen. Sobald wir diese erreicht haben, wird Ihre Raumfähre bereitgestellt.«

Mindros legte die antiquierte Waffe vorsichtig in einen Ständer, dann wandte er sich dem Offizier zu.

»Sehr gut, Orbton Mesun. Sind die anderen der Einsatzgruppe bereits auf Feindterritorium?«

»Wir haben bereits Meldung von unserem Kommando erhalten. Sie warten nur noch auf Ihre Ankunft«, erklärte der junge Arkonide.

»Gut, dann werde ich sie nicht warten lassen. Ich bin in zehn Minuten im Hangar Zwei.«

Für Mindros war das Gespräch somit beendet. Mesun salutierte, indem er seine Hand auf die Brust schlug und die Hacken zusammenstieß, dann verließ er den Raum.

Der Mascant blieb noch eine kurze Weile, in seinen Erinnerungen versunken, sitzen. Er aktivierte ein 3D-Hologramm. Dieses zeigte eine wunderschöne Arkonidin mit zwei Kindern. Es war seine Familie.

Die Aufnahme stammte vom fünften Geburtstag seines Sohnes Carba aus dem Jahre 1281 NGZ. Seinen zehnten Geburtstag hatte der Junge nicht mehr erlebt. Er hatte große Pläne mit ihm gehabt und ihn bereits an der Paragetha auf Arkon I angemeldet, um den Grundstein für eine spätere Karriere in der Kristallflotte zu legen. Er sollte innerhalb des Kristallimperiums und der gesamten Galaxis Ruhm, Macht und Anerkennung für das Haus da Mindros erreichen. Auch die Zukunft seiner Tochter Esrana war bereits geplant gewesen, zuerst hatte er eine standesgemäße Heirat mit der Familie der da Orcast initiiert, später plante er, seiner Tochter den Weg in die imperiale Politik zu ebnen.

Er vermisste sie alle so sehr, seine beiden Kinder und seine Frau Terza!

Alles war leer und trostlos geworden und sein Leid war so unendlich groß, dass es ihn in Angst und Schrecken versetzte.

*

Als einzige Möglichkeit, um zu verhindern, dass er an seinem Leid zugrunde gehen würde, blieb ihm nur der Hass. Dieser richtete sich gegen die Terraner. Sie waren in seinen Augen schuld am Tod seiner Familie. Sein besonderer Abscheu galt dabei Perry Rhodan. Wieder hatte sich der Barbar wohl in Dinge eingemischt, die ihn nichts angingen und sich so vermutlich den Zorn irgendwelcher kosmischen Mächte zugezogen. Diese hatten sein selbstherrliches Treiben dann wohl zum Anlass genommen, ein in seiner Grausamkeit beispielloses Exempel zu statuieren. Und, was ihn besonders verbitterte, das Opfer war dann nicht er, oder seine verdammten Komplizen gewesen, sondern ausgerechnet seine Familie, die mit seiner Auseinandersetzung mit irgendeiner Entität überhaupt nichts zu tun hatte. Aber so waren sie, die verfluchten Terraner, sie stellten irgendwelche, angeblich moralischen Maßstäbe auf, wenn dann irgendetwas schiefging, dann waren sie es natürlich nicht gewesen – Nein, schuld waren immer die anderen.

Aber damit war Schluss, endgültig und ein für alle Mal Schluss, dafür würde er sorgen.

Er hatte nach diesen Ereignissen mehrmals gegenüber dem Zhdopanthi vorgeschlagen, das Problem der Terraner endgültig mit militärischen Mitteln aus der Galaxis zu schaffen, doch der Begum wollte noch abwarten.

Die großspurige Ankündigung des terranischen Industriellen Michael Shorne, dass mit einer Vergnügungsreise die Ruhestätte seiner Familie auf dem namenlosen Wasserplaneten, der von den Terranern in ihrer unendlichen Arroganz als London’s Grave bezeichnet wurde, entweiht werden sollte, trieb ihn nahezu in den Wahnsinn. Er sah nun keine andere Möglichkeit mehr, als selbst zu handeln.

Niemals durfte die letzte Ruhestätte seiner Lieben durch den billigen Sensationstourismus der galaktischen Schickeria gestört werden.

Ihm war schmerzhaft bewusst, dass sein Plan gegen seine Ehre als Mascant der Kristallflotte verstieß und ein Verbrechen gegen die galaktische Zivilisation darstellte, da viele eigentlich Unbeteiligte ums Leben kommen würden, aber, und das sagte er sich immer wieder, um sein Gewissen zum Schweigen zu bringen, Unbeteiligte gab es bei dieser Schandtat letztendlich nicht, denn niemand war gezwungen gewesen, aus lauter Sensationsgier und Nervenkitzel an dieser Vergnügungsreise teilzunehmen. Sei es nun, wie es sei, ihm blieb nichts anderes übrig, als ein Exempel zu statuieren, wenn er das Andenken an seine ihm entrissene Familie schützen wollte.

Der Mascant erhob sich nun aus dem Sessel und begann unruhig in der Kabine auf und ab zu gehen. Schließlich goss er sich aus einer bereitstehenden Karaffe ein Glas Managara ein und genoss das sich entfaltende Aroma und die wärmende Wirkung des leicht bräunlich schimmernden Getränkes. Normalerweise lehnte er jeden Genuss von Alkohol an Bord eines Raumschiffes ab, aber er betrachtete sich schon nicht mehr als Offizier des Gos'Tussan. Sein Plan würde selbst ihn, der das uneingeschränkte Vertrauen seines Begam besaß, völlig außerhalb der arkonidischen Gesellschaft stellen, der Tai Moas konnte nicht anders, als ihn mit Schimpf und Schande aus der Kristallflotte auszustoßen und ihm die arkonidische Staatsbürgerschaft abzuerkennen.

Entschlossen leerte er das Glas mit einem Schluck und salutierte zum letzten Mal:

»Für Arkons Macht und Glorie, und«, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, »für die Ehre meiner Frau und meiner Kinder!«

Nach diesen Worten riss er entschlossen seine Insignien als Mascant von den Schultern und danach seine Auszeichnungen.

Nochmals ließ er seinen Plan im Geiste Revue passieren. Das Schicksal der LONDON samt ihrer sensationslüsternen Passagiere war besiegelt, nichts, absolut nichts, konnte noch schief gehen. Dafür würde sein neuer Verbündeter aus Eigeninteresse sorgen.

Unschlüssig stand er vor der Tür, als er an seinen »Verbündeten« dachte. Wie weit war er gesunken, dass er sich die Dienste von Mördern und Verrückten bediente? Aber, wie hieß doch dieses Sprichwort, das die verdammten Terraner bei jeder sich bietenden Gelegenheit gebrauchten? Einen Moment überlegte er, dann fiel es ihm wieder ein.

Der … Der Zweck heiligt die Mittel.

Unwillkürlich straffte er die Schultern.

Was konnte heiliger sein, als die Grabesruhe seiner Familie?

In der Mordred hatte er einen willigen und dankbaren Verbündeten gefunden. Der Tu-Ra-Cel waren die Aktivitäten dieser verrückten Mörderbande nicht verborgen geblieben, im Gegensatz zu den unfähigen terranischen Geheimdiensten. Doch diese richteten sich vornehmlich gegen die LFT und Camelot, wieso hätten die Celistas dann eingreifen sollen? Als er begann, seinen Plan umzusetzen, ließ er seine Verbindungen zu Cel'Mascant Sargor da Progero spielen und hatte über verschiedene Kanäle, über die ihn der Oberbefehlshaber der Celistas informiert hatte, Kontakt mit der Mordred aufgenommen.

So war es schließlich zu einem Treffen mit der Führungsspitze der Verbrecher gekommen. Alles in ihm sträubte sich nach wie vor, mit dieser Organisation zusammenzuarbeiten, aber wie gesagt, der Zweck heiligt die Mittel!

Ein martialisch aussehender Mensch, der sich als der Silberne Ritter Cauthon Despair vorstellte und mit seiner Fantasieuniform aus Ritterrüstung und Raumanzug den Eindruck eines Verrückten machte, hatte ihm die volle Unterstützung seiner Organisation angeboten. Noch schlimmer als der Silberne Ritter war sein zweiter Verhandlungspartner gewesen, der selbst ernannte Oberst el Kerkum, oder so ähnlich. Dieser war nach den Dossiers der Tu-Ra-Cel nichts weiter als ein größenwahnsinniger Sadist und Massenmörder. Wäre er Bürger des Kristallimperiums gewesen, so wäre er längst still und heimlich, und zwar ohne jede öffentliche Aufmerksamkeit, vor einem Erschießungskommando gelandet. Es war ihm unbegreiflich, wie eine Nation wie die LFT, die angeblich so viel Wert auf Demokratie und sogenannte Wesensrechte legte, mit diesem Psychopathen in irgendeiner Form zusammenarbeiten konnte. Dabei musste er sich schmerzlich in Erinnerung rufen, dass ausgerechnet sein Kristallimperium aus wirtschaftlichen Gründen den Planeten Mashratan schützte. Zwar akzeptierte das Gos'Tussan die Sanktionen, legte aber stets ein Veto im Galaktikum ein, wenn es darum ging, Kerkum abzusetzen.

Im Kampf um die Vorherrschaft in der Milchstraße bedienten sich beide Parteien zwielichtiger Organisationen und Administrationen, um ihren Machteinfluss zu vergrößern. Er handelte letztendlich nicht anders, auch wenn es ihm zutiefst zuwider war.

Diese selbst ernannten Erben Lemurias waren nicht sein Problem, sondern stellten nur nützliche Werkzeuge seiner Rache dar.

Ferryd Mir war seine Operation gewesen – unbemerkt Waffen und Ausrüstung auf die LONDON zu transportieren – das würde die Aufgabe der Mordred sein.

Nun stand er kurz vor der Verwirklichung seiner Rache. Er hatte ein persönliches Statement an den Begam geschrieben, welches zehn Tage nach dem Start der LONDON an ihn übermittelt werden sollte. In dieser Erklärung hatte er seine Beweggründe erläutert und auch ein Dossier sowie eine persönliche Einschätzung über die Mordred beigefügt. Er wusste, dass der Zhdopanthi seine Beweggründe verstehen und billigen würde. In der Öffentlichkeit würde sich dieser von seiner Tat distanzieren und als das Verbrechen eines vor Kummer und Schmerz verrückt gewordenen Admirals darstellen, für das das Kristallimperium keinerlei Verantwortung trug. Als letzte Hoffnung verband er mit seinem Opfergang die Erwartung, dass Gaumarol, jetzt nach seinem Abschied aus der Flotte konnte er seinen alten Freund beim Vornamen nennen, der Empfehlung folgen und das Problem der Terraner aus der Galaxis schaffen würde.

Deshalb hatte er ebenfalls eine persönliche Depesche an die Regierungschefin der LFT gerichtet, die dieser zeitgleich zugestellt werden würde, und in der er die Verantwortung für das Ende der LONDON übernahm. Über die Gründe für sein Handeln hatte er geschwiegen, das ging diese großspurigen Barbaren nichts an und auch die Mordred wurde mit keinem Wort erwähnt, alles, was die Terraner schwächte, würde letztendlich nur dem Kristallimperium nutzen.

Seine Botschaften würden hoffentlich bewirken, einen Krieg zwischen dem Gos'Tussan und den Terranern heraufzubeschwören, der das Problem mit diesen Barbaren endgültig beseitigen und sein letzter Dienst für Arkon sein würde.

*

Er sah auf seinen Chronometer. Es wurde Zeit zum Aufbruch. Selbstbewusst schritt er in den großen Hangar des Schlachtschiffes und überwachte das Beladen des kleinen Shuttles. Die Steinbrocken wurden in einem Stasisfeld gehalten, um den Effekt des Metagravtriebwerkes zu unterdrücken, und als alte Relikte der syranischer Kultur getarnt, eingeladen.

Mindros gab seinem Ersten Offizier, Therbo Jaron, die letzten Instruktion. Die HOZARIUS sollte nicht nach Arkon zurückkehren. Jaron wiederholte die Anweisungen und verabschiedete sich von seinem Admiral. Dann machte sich Mindros auf den Weg zu einer Mission, die das Schicksal tausender Lebewesen besiegelte und vielleicht der Auslöser für einen Krieg sein würde.

 

9. Prominenz auf der LONDON II

Inzwischen erreichte Michael Shorne zusammen mit Thomas Zchmitt in einem Gleiter den Handelsraumhafen Point Surfat. Die Journalisten scharten sich um das Gefährt, und versuchten Shorne noch einige Worte zu entlocken.

Die Sicherheitsleute verstanden es jedoch gekonnt, den Eigentümer der LONDON II abzuschirmen.

Kurz nach den beiden erreichte auch der Gleiter von Gol Shannig und Rosan Orbanashol-Nordment den Raumhafen. Das war für die Reporter der große Moment. Zuerst stieg Gol Shannig langsam aus dem Gleiter aus und sah sich um. Dann reichte er Rosan seine Hand und die bekannteste Überlebende der Katastrophe – neben Perry Rhodan – stieg aus dem Gleiter. Rosan hatte ihre Haare nach oben gesteckt und trug eine weiße Kombination.

Die Journalisten versuchten die Sicherheitsleute wegzudrängen, doch diese bestanden meist aus Ertrusern und waren Herr der Lage.

»Was fühlst du jetzt, wo du die LONDON wiedersiehst?«, hörte Rosan aus der Menge. Sie versuchte, die Fragen zu ignorieren.

»Wie kannst du es mit deinem Gewissen vereinbaren, bei dieser Reise mitzumachen und das Grab der LONDON zu entweihen?«, fragte ein anderer unithischer Reporter.

Rosan wäre am liebsten wieder zurück in den Gleiter gestiegen, doch sie konnte Gol nicht hängen lassen. Von ihr hing seine Zukunft ab. Shorne und Zchmitt begrüßten die beiden vor den Journalisten überschwänglich.

»Immer lächeln, Gol. Das kommt bei der Presse besser an«, meinte Shorne ironisch. Shannig war jedoch nicht nach Lachen zumute. Am liebsten hätte er Michael Shorne eigenhändig erwürgt, doch er hatte im Moment keine andere Wahl, als bei Shornes Spiel mitzumachen.

Die vier gingen durch das Hauptfoyer direkt zur Kommandobrücke, wo bereits etliche Journalisten standen, um dem Startbefehl beizuwohnen.

»Ein großer Tag bricht heute an«, sprach Shorne hochtrabend.

*

Suzahn Roemee, Fred Gopher und die anderen Besatzungsmitglieder hatten viel zu tun. Die Passagiere strömten in Massen durch die Foyers und viele fanden sich alleine nicht in dem riesigen Schiff zurecht.

Eine kleine Gruppe ging auf Gopher zu. Allen voran vier Naats, sechs Neroner mit schweren Koffern, zwei arkonidische Haushofmeister und zwei Arkoniden, die Gopher als Hajun Jenmuhs und Attakus Orbanashol identifizierte. »Sage er uns, in welcher Kabine wir die Reise über verweilen werden«, begann Jenmuhs in seiner üblichen Sprachweise.

»Wie belieben? Wer soll euch das sagen?«, fragte Gopher irritiert.

»Er soll es uns sagen«, entgegnete Jenmuhs verständnislos.

Gopher sah hilfesuchend zu Attakus Orbanashol, der auch schnell verstand, wo das Problem lag.

»Guter Mann, wir möchten zu unseren Kabinen gebracht werden. Mit ›er‹ meint Hajun Jenmuhs dich«, erklärte der Orbanashol.

Einige Reporter hatten unterdessen Attakus erkannt und rannten zu ihm.

»Attakus Orbanashol, meine Name ist Katie Joanne. Es ist schon eine große Überraschung, dass du hier auftauchst, nachdem du die Filmgesellschaft wegen Rufmord verklagt und die bevorstehende Reise verurteilt hast. Was hat dich nun doch dazu bewogen an dem Flug teilzunehmen?«, wollte die Star-Reporterin, die schon während der Dscherrokrise ihren Beruf mehr als nötig ausgeübt hatte, wissen.

Attakus nahm Haltung an und machte eine künstlerische Pause, bevor er zu sprechen begann. »Ich hege die Befürchtung, dass die Ehre meiner Familie in den Schmutz gezogen wird. Die Anwesenheit meiner Cousine an Bord dieses Raumers untermauert meinen Verdacht. Sie hat sich verkauft und ist bereit über Leichen zu gehen. Ich hingegen möchte dies zu verhindern wissen. Das Grab der LONDON I, welches gleichbedeutend die letzte Ruhestätte meiner engsten Verwandten Spector und Thorina ist, darf unter keinen Umständen entweiht werden.« Eine Weile herrschte Stille bei den Reportern, dann fragte wieder Joanne: »Soll das bedeuten, du wirst versuchen, Shorne an seiner Unterwasserexpedition zu hindern?«

Für Attakus nahm das Gespräch eine unangenehme Wendung. Damit hatte er nicht gerechnet, doch er konnte keinen Rückzieher mehr machen.

»Ich werde unter keinen Umständen zulassen, dass das Grab meiner Verwandten geschändet wird«, plapperte er theatralisch.

Die Journalisten bedankten sich für die Worte und wollten auf die Kommandozentrale, da meldete sich der junge Orbanashol wieder zu Wort.

»Eines gibt es noch. Ich wurde als unmenschliches Monster von den Terranern dargestellt. Doch ich frage nun, wer ist es denn, der für Geld die letzte Ruhe von über 10.000 Wesen entweihen will? Rosan weiß genau, dass die Gebeine ihres Stiefvaters und ihrer eigenen Mutter immer noch in dem Wrack der LONDON liegen und dennoch besitzt sie keine Skrupel, mitzufliegen.«

Diese Worte schienen auf die Journalisten zu wirken, jedoch kam das Signal zum Start und sie begaben sich, so schnell sie konnten, auf das A‑Deck.

»Weise gesprochen«, lobte Jenmuhs.

Attakus lächelte überlegen und ging zusammen mit seinem Freund zum A-Deck, um in ihre Kabine zu gehen. Durch einen interessanten Zufall hatten sie die Suiten A-4 und A-5. Rosan und Gol Shannig besaßen die Suite A-2.

 

10. Der Start der LONDON II

Auf der Kommandobrücke begannen die Startvorbereitungen. Cheidar war guter Stimmung und freute sich irgendwie auf den Flug, obwohl er unter anderen Umständen das Angebot nicht angenommen hätte und Michael Shorne nicht sonderlich leiden konnte.

Seine Erste Offizierin Eireen Monhar stellte sich salutierend vor den Kommandanten.

»Sir, alle Systemchecks einwandfrei. Das Schiff kann planmäßig starten«, meldete sie knapp.

Roy Cheidar lächelte. Sie war zweifellos stolz, dennoch übertrieb sie ihr Pflichtbewusstsein.

»Kaffee?«, fragte er stattdessen. Monhar sah sich irritiert um und blickte Cheidar mit demselben Ausdruck an.

»Bitte, Sir?«

Ihr war diese Frage sichtlich unangenehm. Es brachte Monhar in Verlegenheit und diesen Ansatz von Schwäche mochte sie gar nicht.

»Schwarzes Zeug, viel Koffein. Du solltest zugreifen, schmeckt wirklich ausgezeichnet«, erwiderte Cheidar und nahm einen kleinen Schluck.

Eireen lächelte schwach und nahm auch eine Tasse. Nachdem die Plophoserin mit den halblangen roten Haaren und stechend blauen Augen etwas von dem schwarzen Getränk getrunken hatte, bestätigte sie Cheidars Ansicht und konzentrierte sich wieder auf die Arbeit.

Cheidar stellte sich an die Steuerungskonsole und tappte ungeduldig mit den Händen auf den Apparaturen herum.

»Wird Zeit, dass es losgeht. Aber, wie ich unten sehe, lassen sich die Passagiere Zeit.“

*

Suzahn Roemee und Fred Gopher machten einen gestressten Eindruck. Der Andrang der Gäste, die Fragen hatten, schien endlos zu sein.

Ein junger Terraner in einer lockeren Kombination und einer großen Tasche machte vor Gopher halt, um sich umzusehen. Der Zahlmeister bemühte sich sofort um den Gast.

»Wie kann ich dir weiterhelfen?«, fragte er höflich.

»Oh, danke, Kumpel! Aber ich kenne mich hier aus«, meinte der Terraner und nahm sein Gepäck. Er ging zum Antigrav und ließ sich zum A‑Deck transportieren.

Der Massenandrang ließ jetzt langsam nach. Gopher fiel auf, dass besonders viele Arkoniden jetzt die LONDON II betraten. Er schrieb dies einem Zufall zu.

Ein weiterer Arkonide näherte sich Gopher. Er stieß einen Blue zur Seite, der heftig zeterte, doch verstummte, als er in die Augen des grimmigen Hünen sah, der nur unwesentlich kleiner als der Jülziisch war.

Gopher musste ebenfalls schlucken. »Wo befinden sich die Lagerräume?«, wollte der Arkonide wissen.

»Die befinden sich unter Deck Z-2, aber die Roboter bringen dein Frachtgepäck dorthin. Du musst dich nicht selber bemühen.«

»Ich werde die Roboter begleiten. In meinem Gepäck befinden sich wertvolle Artefakte. Sie sind in einen Schutzschirm eingebettet. Die Relikte dürfen nicht mit Luft in Berührung kommen, sonst könnte dies katastrophale Folgen haben. Ich werde dich dafür verantwortlich machen, wenn etwas passiert«, erklärte er kalt.

Gopher reagierte schnell. »Keine Sorge, Sir. Ich kümmere mich persönlich darum. Wenn du willst, können wir gleich in den Lagerraum gehen, wie ist dein Name?«

»Prothon da Mindros.«

*

Ein altertümlicher Ton durchdrang den Schiffskörper und wurde über Akustikfelder auch in die Außenbereiche übertragen. Shorne hatte eine Dampfsirene installiert, um an die Illusion eines alten Luxusliners anzuknüpfen. Durch das Signal, das um 11:30 Uhr Terrazeit ertönte, wurden alle Passagiere darüber informiert, dass die LONDON startbereit gemacht wurde. Genau 30 Minuten später, um Punkt 12:00 Uhr, würde das Schiff abheben und zu der Reise nach London’s Grave aufbrechen. Die archaischen Gangways aus Formenergie wurden eingezogen und die letzten Passagiere eilten hastig zum Schiff, bevor auch die Schotten geschlossen wurden.

Am Raumhafen Point Surft standen Tausende von Lebewesen, deren Freunde und Familien an Bord waren. Es gehörten aber auch etliche Schaulustige oder Reporter zu den Massen auf dem Raumhafen. Die verschiedensten Rassen sahen zu, wie die LONDON II begann abzuheben. Die Antigravtriebwerke hoben das imposante Schiff langsam in die Stratosphäre, wo man bedenkenlos die Normaltriebwerke einsetzen konnte.

Roy Cheidar, den die ganzen Journalisten auf der Kommandobrücke nervten, lenkte die LONDON II sanft in den Orbit Terras.

Auf der Brücke standen zudem Michael Shorne, Thomas Zchmitt, Rosan Nordment, Gol Shannig und ein Dutzend Reporter.

»Ich hoffe, das kommt in den Kameraaufnahmen gut herüber«, sagte der Captain sarkastisch und sah zu Michael Shorne, der vor den Reportern natürlich auch lachte.

Einige Space Jets und Minor-Globes flogen um die LONDON umher, sie wirkten mikroskopisch klein gegenüber dem 1.600 Meter langen Schiff. Auch ein Schlachtschiff der NOVA-Klasse startete gerade zu einer Mission in den Tiefen der Galaxis. Selbst der Stolz der LFT-Flotte war im Vergleich zu dem Luxusraumschiff, nur halb so groß.

Huck Nagako meldete sich zu Wort, als sie den Orbit verlassen hatten.

»Captain, wir haben freie Bahn und können die Metagravtriebwerke aktivieren.«

Cheidar schaute durch das Fenster in den weiten endlosen Himmel voller Sterne. Er dachte an den Kommandanten der alten LONDON, James Holling. Ob er sich ähnlich gefühlt hatte, als die LONDON vor knapp fünf Jahren aufgebrochen war? Es war vielleicht sein schönster Tag gewesen, doch er hatte nicht ahnen können, dass der Start der LONDON sein Schicksal besiegeln würde. Cheidar wurde schwer ums Herz. Er hoffte, dass kein Fluch auf dem Schiff liegen würde. Das Ziel, darüber machte er sich keine Illusionen, würde nicht sehr erstrebenswert sein. Diese Kreuzfahrt würde eine durch die Medien aufbereitete Leichenfledderei zum Ziel haben.

*

Rosan Nordment stand ruhig in der Kommandozentrale und war in einer anderen Zeit. Sie befand sich im Oktober 1285 NGZ, beim Start der LONDON. Doch ihre Gedanken schweiften schnell zu einem anderen Tag ab. Nämlich die Nacht vom 09. auf den 10. Dezember 1285 NGZ, dem Tag, an dem die LONDON von Rodroms Flaggschiff WORDON abgeschossen wurde und auf dem Wasserplaneten untergegangen war, der später unter dem Namen Londons’s Grave bekannt werden sollte.

Sie konnte die schrecklichen Bilder aus dieser Nacht nicht mehr vergessen. All die vielen Toten.

Aus Rosans Gesicht flossen Tränen. Sie versuchte sie zurückzuhalten, doch es gelang ihr nicht. Gol bemerkte die Trauer seiner Lebensgefährtin nicht. Rosan zog sich aus der Zentrale zurück und eilte zur ihrer Kabine. Erst jetzt fiel Gol das Fehlen Rosans auf.

»Liebling, wo bist du? Wir gehen jetzt auf Überlichtgeschwindigkeit«, rief er.

Michael Shorne und auch die Journalisten sahen ihn verblüfft an. Shannig zuckte mit den Schultern.

»Frauen eben.«

Shorne lachte laut.

»Die verpassen immer den wichtigsten Moment. Mister Cheidar, ich gebe dir hiermit den Befehl uns nach London´s Grave zu fliegen.«

»Aye«, erwiderte dieser nur knapp und ließ die Grigoroff-Projektoren anwerfen. Die LONDON II nahm an Fahrt auf, bis sie schließlich in den Hyperraum eintauchte und das Solsystem verließ.

*

Die Passagiere suchten nun die Kabinen auf und wollten ihre Sachen verstauen. Der Haluter Traros Polat hatte eine anstrengende Zeit hinter sich gebracht, jahrelange harte Arbeit und Forschungsreisen ohne Pause. Er suchte in Andromeda nach Spuren der Hathor und Shuwashen, die schon lange vor den Tefrodern oder Maahks die Sterneninsel besiedelten. Ziel des halutischen Anthropologen war es gewesen, auf alten Planeten Andromedas Spuren zu finden, mit der er die Abstammung der Shuwashen von den Hathor beweisen wollte. Doch seine Mission war ein völliger Fehlschlag gewesen, er konnte keinerlei Hinweise auf eine Abstammung der Shuwashen finden. Im Gegenteil, seine Forschungsergebnisse ließ nur die Interpretation zu, dass beide humanoiden Völker, die wahrscheinlich mit den Lemuriden, Cappins, Varganen oder Wyngern genetisch kompatibel waren, von außerhalb nach Andromeda eingewandert waren. Auch hatte er Beweise gefunden, dass zeitweise eine Vermischung der Hathor mit den Shuwashen stattgefunden hatte, bevor die Hathor als Volk untergegangen und die überlebenden Shuwashen durch die von ihnen installierten Dimensionstunnel mit unbekanntem Ziel verschwunden waren. Traros Polat war, soweit dies einem Haluter überhaupt möglich war, frustriert. Er hatte gehofft in Andromeda Antworten zu finden, die seine These, dass alle humanoiden Völker der Milchstraße und Andromedas von den Hathor abstammten, beweisen würden. Doch das Ergebnis seiner Forschungen ließ nur einen Schluss zu, die humanoiden Rassen, die über viele Galaxien verteilt waren, mussten noch viel älter als die Hathor sein. Eine gemeinsame Ursprungsrasse ließ sich, wenn überhaupt, nur noch viel, viel tiefer in der Vergangenheit lokalisieren. Und damit schwanden für ihn alle Chancen, dieses Rätzel jemals zu lösen.

Er hatte deshalb ein Ticket auf der LONDON gekauft und beschlossen in den folgenden sechs Wochen an Bord auszuspannen und sich zu erholen. Beim Einchecken hatte er die Sonderkabine G-40 erhalten.

»Guten Tag«, hörte er hinter sich jemanden sagen.

»Ich bin Ottilie Braunhauer und das ist mein Mann Karl-Adolf. Das ist unsere erste Kreuzfahrtreise seit langer Zeit. Wir sind ja noch nicht so oft auf so einem ... na, wie heißt das? Dingsbums ... Sternenflieger oder so mitgeflogen«, begann die Frau langatmig.

»Sie meinen ein Raumschiff?«

»Ja, genau! Ein Raumschiff. Ich kam gerade nicht auf das Wort, weißt du. Wir brauchen ja auch einmal unseren Urlaub. Mein Mann vermietet Wohnungen in Atlan Village. Das ist sehr anstrengend.«

»Ich verstehe«, meinte der Haluter mit gedämpfter Stimme. »Jedoch begreife ich nicht, was das mit mir zu tun hat. Ich bin müde und erschöpft«, fügte er leicht vorwurfsvoll hinzu.

»Na ja, da bist du ja nicht der Einzige. Meine Quickwerte sind ja wieder so hoch! Ebenfalls habe ich solche Schmerzen im Bein. Das ist dick und angeschwollen. Willst du mal sehen?«

Bevor Traros Polat ablehnen konnte, hatte Ottilie Braunhauer bereits ihre Hose etwas hochgezogen und entblößte ihr mit Krampfadern übersätes, angeschwollenes Bein.

Eingehend erklärte sie ihm ihr Leiden.

Nach etwa zwanzig Minuten rief Karl-Adolf Braunhauer seine Frau. Sie verabschiedete sich von dem Haluter. Zu seinem Entsetzen stellte er fest, dass sie in der Suite G-33 wohnten, unweit von seiner Kabine.

*

Rosan hatte sich wieder etwas beruhigt. Sie hatte sich frisch geschminkt und saß auf dem Bett. Gol Shannig kam wütend in die Kabine geeilt.

»Wie konntest du dich nur so daneben benehmen, Rosan? Du hast mich blamiert!«

Rosan blickte traurig zu ihm hoch. »Ist das alles, was dich interessiert? Denkst du nicht an mich? Wie ich mich fühle, wieder an Bord der LONDON zu sein? Dieses Schiff ist eine präzise Kopie der ersten LONDON. Die Bettwäsche hat sogar das gleiche Muster! Die nächsten Wochen werden ein Alptraum für mich werden. Ich werde immer wieder an den Horror von damals erinnert.«

Gol verschränkte seine Arme in der Hüfte.

»Ich verstehe dich, aber da musst du durch. Oder willst du meinen Ruin? Dann können wir beide stempeln gehen!«

Rosan stand auf und rannte aus der Kabine auf den Korridor. Dort prallte sie mit einem älteren, mollig gebauten, Mann zusammen.

»Hoppla, junge Dame. Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass so hübsche Frauen sich in dieser Art an mich heran werfen«, scherzte er.

Rosan lächelte.

»Es tut mir Leid. Ich war völlig in Gedanken. Ich bin Rosan Orbanashol-Nordment.«

Der kräftig gebaute Terraner mit dem weißen Haar reichte ihr die Hand.

»Mein Name ist Franc Kowsky. Ich bin Autor. Hast du schon einmal von der Serie Commander Perkins gehört?«

Rosan schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, leider nicht. Aber ich lebte viele Jahre auf Arkon.«

Kowsky lachte.

»Bei den Spießern gibt es ja nicht einmal Knigge.«

»Wen?«

»Unwichtig. Commander Perkins handelt von den Anfängen der Raumfahrt. Es spielt in einer fiktiven Vergangenheit, ohne Perry Rhodan«, erklärte Franc Kowsky.

»Das klingt interessant. Vielleicht kann ich mir einmal ein Buch von dir ausleihen?«

»Kein Problem. Ich habe übrigens die Kabine A‑10. Wir sind also Nachbarn. Nun muss ich aber wieder los. Dies ist quasi ein Arbeitsurlaub. Ich muss die Drehbücher für eine neue Guckyserie schreiben. Da die Cameloter wieder beliebter werden, sind einige Filmemacher der Meinung, mit Gucky könnte man wieder Erfolge erzielen.«

Rosans Stimmung war wieder sichtlich besser.

»Gucky ist jemand ganz besonderes. Er hat mir zweimal das Leben gerettet. Ich wünsche dir viel Spaß beim Schreiben. Wir sehen uns sicher noch.«

Die beiden verabschiedeten sich und Rosan lief durch den breiten Korridor des A-Decks. Topsidische Diener brachten das Gepäck von Trg'arg Gyl in die Kabine A-3. Der Topsider stolzierte arrogant durch den Flur und wollte jedem zeigen, welchen Status er hatte.

»Guten Tag«, sagte Rosan freundlich.

»Grüße!«, entgegnete er ihr, bevor er einige Diener anfuhr, die ein Gepäckstück nicht ordnungsgemäß abstellten.

»Rosan, welch eine Überraschung«, hörte die Orbanashol eine vertraute Stimme hinter sich sagen. Als sie sich umdrehte, erlebte sie eine große Überraschung.

»Attakus!«

»Ich sehe, du bist genauso überrascht, wie ich es bin«, meinte Attakus voller Spott.

»Besser gesagt, wie ich es war, als ich hörte, du schickst dich an, das Grab unserer Familie zu entweihen.«

Rosan fühlte sich angegriffen und irritiert. Sie hätte eher Wyll an Bord der LONDON II erwartet als ihren Cousin Attakus.

Attakus hatte mit seinen Vorwürfen sogar recht. Unter normalen Umständen wäre Rosan niemals an Bord gegangen, doch sie hatte keine andere Wahl. Dies Attakus zu erklären, war jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen.

»Lass mich in Ruhe«, herrschte sie ihn stattdessen an und wollte in ihre Kabine zurückkehren.

»Die kleine Schlampe ist sich nicht einmal ihrer Schuld bewusst. Wie wir es prophezeiten«, erklang eine zweite Stimme. Rosan erkannte den Sandkastenfreund von Attakus sofort. Hajun Jenmuhs war in ihren Augen nur noch fetter und hässlicher geworden.

Sie schüttelte den Kopf und rannte in ihre Kabine zurück. Orbanashol und Jenmuhs standen amüsiert auf dem Korridor und beglückwünschten sich zur ihrer »Heldentat«.

 

11. Alte Fehden

Die LONDON flog seit etwa acht Stunden ruhig und ohne Komplikationen durch den Hyperraum. Sie hatte inzwischen die Randgebiete der Milchstraße erreicht und stand kurz davor, die heimatliche Galaxis zu verlassen.

Die Kreuzfahrtmanagerin Suzahn Roemee informierte die Passagiere über die Bordkommunikationsanlage, dass das Abendessen kurz bevorstand.

Als wären die Lebewesen Opfer einer Hungerepidemie geworden, drängelten sie sich in die Restaurants und stürzten sich auf die Buffets.

Auf dem A-Deck ging dies alles etwas gesitteter zu, da die Geschäftsleute und Eliten mehr Wert auf ihre Haltung und die geheiligte Etikette legten, als die »gemeinen« Passagiere.

Am Kapitänstisch hatten sich etwa ein Dutzend Personen versammelt. An den beiden Kopfenden saßen Michael Shorne und Roy Cheidar. An Shornes linken Seite waren Rosan Nordment, Gol Shannig, Thomas Zchmitt, Franc Kowsky und Trg’arg Gyl platziert. Zu Shornes rechten Seiten befanden sich Attakus Orbanashol, Hajun Jenmuhs, Sven Fochtmann und die Arkonidin Thalia da Zoltral. Die junge Arkonidin stammte aus dem niederen Adel und gehörte einem Seitenarm der Zoltrals an. Thalia gehörte im Rang eines Orbton der Kristallflotte an und befehligte einen Raumjäger. Sie hatte sich den Ruf erworben, Befehle notfalls weit auszulegen, um ihr Einsatzziel zu erreichen. Daher war sie aber auch recht unbeliebt bei den Offizieren. Durch ihre Waghalsigkeit hatte sie schon oft gegen die Vorschriften verstoßen. Ein weiteres Hobby war die Geschichte Terras. Ihr Traum war es gewesen, Archäologin zu werden.

Attakus und Hajun waren nicht sonderlich begeistert über die Anwesenheit einer da Zoltral. Schließlich galt die Familie seit der Verbindung zwischen Rhodan und Thora als Barbarenfreundlich. Michael Shorne hatte jedoch Gefallen an der schönen Arkonidin gefunden und sie daher einladen.

Der letzte Platz wurde freigehalten. Niemand wusste für wen, außer Shorne und Zchmitt. Ein junger Terraner näherte sich erst schnell, dann langsamer und bedachter dem Tisch. Attakus fiel ein Bissen aus dem Mund, als er den Mann erblickte.

Er begrüßte jedoch zuerst Rosan Orbanashol mit einem liebevollen »Hallo«.

»Wyll!«, brachte Rosan laut hervor.

»Nordment«, knurrten Shannig und Attakus fast gleichzeitig.

Michael Shorne lachte innerlich. Er wusste, dass Nordment an Bord der LONDON war und arrangierte dieses Treffen, ohne dass einer der Protagonisten Bescheid wusste. Shorne hieß den Cameloter herzlich willkommen und bot ihm Platz an. Wyll setzte sich und sah verlegen zu Rosan herüber.

Langsam fassten sich die beiden Arkoniden wieder. Hajun Jenmuhs flüsterte Attakus eine abfällige Bemerkung ins Ohr. Gol Shannig musterte Nordment mit einem giftigen Blick.

Nachdem die Speisen serviert waren, baute sich allmählich eine rege Konversation zwischen den Gästen des Kapitänsdinners auf. Thomas Zchmitt und Sven Fochtmann unterhielten sich angeregt über arkonidische Renngleiter. Fochtmann war der Besitzer einer großen Renngleiterfabrik, die sehr erfolgreich die Marke Da Noh produzierte.

Aber nicht nur Renngleiter, sondern auch Raumjachten werden dort hergestellt. Der Topsider Trg’arg Gyl versuchte sich an einem Gespräch mit den beiden Arkoniden, doch die waren weniger von ihm angetan.

Das brachte den Topsider innerlich in Rage. Er strebte seit Jahren an, in engeren Kontakt mit der arkonidischen Aristokratie zu kommen, doch bisher immer wieder vergeblich. Sein Temperament war vielleicht auch dafür verantwortlich. Er war sehr aufbrausend und wurde ausfallend, sobald er nicht das bekam, was er wollte.

Wyll saß ziemlich ungünstig, um mit Rosan zu reden. Stattdessen beobachtete er sie nur, was ihr natürlich auffiel.

Sie erwiderte seine Blicke meist nur kurz, dann sah sie entweder zu Gol Shannig oder auf ihren Teller.

Franc Kowsky schien über diese Begebenheit sehr amüsiert zu sein. Er holte einen Notizrechner aus seiner Tasche und tippte Daten ein. Vielleicht erschien ihm die Reise der LONDON würdig genug, um eine Story daraus zu verfassen.

»Hat er Ausgang bekommen aus dem Heime Camelot?«, fragte Jenmuhs schließlich provozierend.

Wyll sah ihn verachtend an, holte kurz Luft und dachte über eine Antwort nach.

»Nun, auf Camelot kriegt wenigstens nicht jeder Ausgang, so wie in der Anstalt Arkon.«

»Du impertinenter Bauer!«, entgegnete Attakus erregt.

Auch Hajun Jenmuhs ließ nicht lange auf einen Kommentar warten.

»Warte er nur ab! Die Reise ist lang, sehr lang. Vielleicht wird ihm das Schicksal ein zweites Mal nicht so gnädig sein, wie über London´s Grave«, fauchte der Fettsack.

Roy Cheidar konnte sich das Gezeter nicht mehr mit anhören. Er entschuldigte sich bei seinen Gästen mit der Ausrede, er würde dringend auf der Brücke gebraucht.

Eilenden Schrittes verließ er den Speisesaal. Er tat wohl daran, denn die Stimmung wurde immer gereizter.

»Michael, wusstest du von der Anwesenheit dieses Verbrechers?«, stichelte Gol Shannig ungehalten. Der Zeitungsinhaber war sichtlich konsterniert über das Auftauchen von Rosans Ex-Mann. Shorne lachte laut und nickte.

»Natürlich wusste ich davon, seitdem er sich auf die Passagierliste eingetragen hatte.«

»Hätte ich mir denken können, dass Abschaum zusammenhält«, erwiderte Shannig.

Während Michael Shorne den sarkastischen Ausspruch seines geschäftlichen Rivalen mit der üblichen Routine überhörte, regte sich Wyll Nordment mehr über die Aussage seines persönlichen Rivalen auf.

»Ich habe mich wohl verhört!«, knurrte er zähneknirschend.

Rosan warf ihm einen scharfen Blick zu. Wyll verstand schnell. Er konnte Rosan nicht beeindrucken, indem er ihren Geliebten angriff. Nordment beschloss, ruhig zu bleiben. Er ignorierte fortan Gol Shannig und die beiden Arkoniden, was dem jungen Terraner jedoch sehr schwer fiel.

Geschickt lenkte er jedoch von sich selbst ab, indem er einige Fragen zu der neuen LONDON stellte, die Thomas Zchmitt ausführlich und dokumentarisch beantwortete.

An einem anderen Tisch hatte sich der Haluter Traros Polat hingesetzt. Er saß in einem Spezialsessel aus Formenergie. Cheidar hatte durchgesetzt, dass auch ausgewählte Passagiere aus der zweiten Klasse ab und zu die Ehre haben sollten, im Hauptspeisesaal der Ersten Klasse zu speisen. Zu seinem größten Entsetzen gesellten sich zwei Terraner an seinen Tisch. Es waren die Eheleute Braunhauer.

»Ach, guten Tag Herr Tolot«, begrüßte ihn Ottilie Braunhauer in einem schwerfälligen Tonfall. »Polat, nicht Tolot«, erklärte er noch ruhig.

»Na, von mir aus auch so. Weißt du, wir können uns ja nicht jeden Namen merken. Bei so vielen Gästen ist das sehr schwer.«

Sehr taktvoll, dachte der Haluter.

Sie sah zu ihrem Mann hoch.

»Setz dich doch, Vatichen.«

Der alte Mann schien nicht ganz schlüssig zu sein, wo er sich nun hinsetzen sollte. Es begann eine Diskussion über die Frage, ob er sich zur der rechten oder linken Seite seiner Frau setzen sollte. Traros Polat sah dem genervt, doch bewundernswert gelassen zu. Nach etwas mehr als drei Minuten hatte sich Karl-Adolf Braunhauer dazu entschlossen, rechts neben seiner Frau Platz zu nehmen.

Eine Kellnerin, die vom Volk der Springer stammte, fragte die Anwesenden nach ihren Wünschen.

»Vatichen, was nehme ich denn?«

»Weiß ich nicht, Ottilie. Nimm doch, was du willst.«

»Ich nehme den Lachs«.

»Gut«.

»Ach nein, der Arzt hat doch gesagt, ich soll keinen Fisch essen. Dann nehme ich die Forelle.«

Ein kurzes Schweigen trat ein. Polat überlegte, wie lange Ottilie Braunhauer brauchen würde, bis sie bemerkte, dass Forelle auch ein Fisch war.

»Ach, das ist ja auch Fisch! Dann nehme ich das Eisbein oder den gatasischen Auflauf? Oder das Dings ... Schnitzel à la Plophos«.

Man hörte ein lautes Grummeln von Polats Seite. »Nehmen Sie alles! Was Sie nicht wollen, esse ich!«

Oder stopfe es dir in den Rachen, fügte er gedanklich hinzu.

*

Rosan versuchte etwas Abstand von den Feierlichkeiten zu gewinnen und ging an Deck. Sie schritt an das Geländer und stützte sich mit den Armen darauf ab. Rosan sah hoch zu Sternen, die hell funkelten. Die LONDON hatte einen Zwischenstopp gemacht, wahrscheinlich für Wartungsarbeiten, die man im Hyperraum nicht erledigen konnte.

»Darf ich mich zu dir gesellen?«, hörte sie eine männliche Stimme hinter sich sagen.

Sie drehte sich um und sah Wyll Nordment vor ihr stehen. Es war das erste Mal, seitdem sie an Bord waren, dass sie ganz alleine waren. Wyll blickte seiner ehemaligen Frau tief in die Augen. Er war von ihren Augen immer noch fasziniert. Sie strahlten ein rotes Feuer aus, welches Nordment bereits im Oktober 1285 NGZ so beeindruckt hatte, als er Rosan das erste Mal begegnete.

»Nein«, sagte sie.

Wyll war irritiert.

»Was?«

»Nein, ich habe nichts dagegen, dass du dich zu mir gesellen willst«, antwortete die Orbanashol etwas verwundert.

Wyll war tief in Gedanken versunken und hatte daher den Faden verloren. Nun verstand er aber wieder. Er nickte und stellte sich neben Rosan an das Geländer.

»Wie geht es dir, Rosan?«, fragte Wyll freundlich.

»Gut, danke«, meinte sie knapp.

Wyll Nordment hatte es schwer, einen Dialog aufzubauen, da Rosan anscheinend kein Gespräch suchte. Beide schwiegen sich eine Weile an.

»Wie geht es dir?«, fragte Rosan nach einer Weile.

»Es könnte besser gehen. Der Dienst auf Camelot macht mir natürlich immer noch Spaß, doch es fehlt etwas Wichtiges in meinem Leben.«

Der Terraner hoffte, dass Rosans Intuition sie darauf kommen ließ, was er oder besser gesagt wen er damit meinte. »Du hast demnach keine neue Partnerin?«, wollte sie wissen.

Diese Frage überraschte Wyll.

»Nein, nein. Ich habe keine Frau gefunden, die dich ersetzen kann.«

Rosan schaute ihn perplex an. Sie wusste nicht genau, was sie von Wylls Worten halten sollte. Ihn an Bord der LONDON wiederzusehen war für sie dann doch eine große Überraschung gewesen. Ausgerechnet auf dem Nachbau des vor etwa viereinhalb Jahren untergegangenen Hanseraumers, mussten sie sich wiederbegegnen. Sehr viele Erinnerungen wurden in ihr wach. Wyll hatte ihr gezeigt, richtig zu leben. Er hatte ihr beigebracht, Freude am Leben zu empfinden. Für einen Moment war sie versucht, ihm ihre immer noch anhaltende Liebe zu gestehen, doch dann dachte sie an Gol Shannig. Es wäre unfair ihm gegenüber gewesen.

Sie sah wieder weg und blickte zu den Sternen empor. »Die Sterne sind wunderschön«, stellte sie fest.

»Nicht annähernd so schön wie du, Rosan«.

Rosan musste lächeln. Sie fuhr sich mit der Hand durch ihre rotbraun gelockten Haare. Rasch wurde sie jedoch wieder ernst.

»Warum bist du mitgeflogen?«, wollte sie wissen.

»Ich wollte dich wiedersehen«, antwortete Wyll ihr wahrheitsgemäß.

»Warum? Du hast dich ein Jahr nicht bei mir gemeldet. Warum jetzt?«

Wyll wurde etwas wütend.

»Du hast dich nicht bei mir gemeldet. Ich wusste nicht einmal genau, wo du auf Terra lebst«, versuchte er sich zu rechtfertigen.

Rosan lachte laut auf. »Hast du schon einmal was von Adressdatenbanken gehört? Auf Camelot habt ihr sicher Zugang dazu!«

»Ja, haben wir. Doch selbst wenn ich gewusst hätte, wo du wohnst. Was hätte das genutzt? Du hast mir klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass du nichts mehr von mir wissen willst!«

Rosan verschränkte ihre Arme in die Hüften. »Dasselbe kann man auch von dir behaupten. Was gebe ich mich überhaupt mit dir törichten Typen ab? Ich lebe mit Gol Shannig zusammen. Daran kannst du auch nichts ändern. Famal Gosner, Wyll!«

Rosan verließ wütend das Deck. Michael Shorne hatte den Vorfall amüsiert beobachtet, wie auch etliche andere Passagiere. Das war genau das, worauf Shorne gehofft hatte.

Wyll stand alleine an dem Geländer und sah Rosan hinterher. So hatte er sich das Gespräch nicht vorgestellt. Eigentlich wollte er ihr sagen, dass er sie immer noch liebte und nicht ohne sie leben konnte, doch wieder einmal war ihm die Sache entglitten.

 

12. Der Liebe wegen

10. Juni 1290 NGZ, 0.34 Uhr Galaktischer Standartzeit, Camelot

Auf der ehemaligen Freihändlerwelt Phönix begann langsam das Nachtleben. Die Jugendlichen amüsierten sich in den Holopalästen oder Spielzentren. Doch auch im Regierungsgebäude herrschte noch reger Verkehr. Atlan befand sich auf der RICO, die einen Testflug durch das System machte. Es waren einige neue Komponenten von Attaca Meganon eingebaut worden, die es nun zu erproben galt. Er befand sich in einem Holodeck, das den Eindruck vermittelte, durch die transparente Hülle der RICO direkt ins All zu schauen. Durch die Illusion wurde ein freier Blick in jede Richtung gewährt. Die Syntronik projizierte den umgebenden Weltraum auf die Flächen des Holo-Oktaeders, konnte im Bedarfsfall jeden einzelnen Bereich, sofern entsprechende Daten vorlagen, vergrößern.

Der Arkonide trug eine Freizeitkombination aus einer schwarzen Hose, einem schwarzen Hemd und einer weißen Jacke.

Er hatte die Hände in den Taschen und blickte in das Weltall. Die RICO flog gerade an dem Mond Ceres vorbei. Wieder einmal in Gedanken versunken?, fragte Atlans Extrasinn.

Das gefällt dir doch am besten, meinte Atlan.

Woran denkst du gerade, an eine deiner tragischen Lieben oder ausnahmsweise mal an etwas Konstruktives?

Dein Taktgefühl ist rührend. Aber ich denke an den Vorfall auf Ferryd Mir. Er geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich warte stündlich auf neue Meldungen von meinen IPRASA–Agenten, erklärte er seinem zweiten Ich.

Atlan wollte nicht länger warten. Er ging zu einem Interkom, das in der Wand eingebaut war, und ließ sich eine verschlüsselte Funkverbindung zu einem IPRASA-Schiff herstellen, das in den Tiefen des intergalaktischen Raumes außerhalb von Tantur–Lok stand und als Relaisstation für den Nachrichtenaustausch zwischen der IPRASA und Camelot diente. Dazwischen waren mehrere Richtfunkbojen stationiert, die dazu dienten, die benutze Richtfunkstrecke zu verschleiern.

Auf dem Bildschirm erschien ein junger Offizier. Er war völlig aus dem Häuschen, als er den Unsterblichen erkannte. Hektisch informierte er den Kommandanten des Raumers, der etwas gelassener mit Atlan umging.

»Was gibt es, Atlan?«, wollte der bärtige Springer wissen.

»Hat sich etwas Neues ergeben in Bezug auf Ferryd Mir?« Der Mehandor lachte laut.

»Du musst wohl Hellseher sein oder Gucky in deiner Nähe haben. In der Tat haben wir etwas Interessantes herausbekommen«, erklärte der Schiffskommandant.

Logisches Denken reicht auch, man benötigt dafür keine Mutanten oder altterranischen Hokuspokus, sprach der Extrasinn ärgerlich. Auf Atlan wirkte es so, als wäre dieser eingeschnappt.

»Bitte berichte mir über die Neuigkeiten«, forderte Atlan höflich aber drängend, doch der Springer ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Langsam begann er mit dem Bericht.

»Die Geheimhaltungsstufe ist ziemlich hoch. Jedoch konnten wir ermitteln, dass der Verdacht hauptsächlich den eigenen Leuten gilt. Anscheinend vermutet man, dass Gruppen aus der Flotte oder der Ministerstab dahintersteckt.«

Atlan dachte kurz nach.

»Wie kommt denn unser Freund Sargor da Progeron auf diese Idee?«, hakte Atlan nach. Der Springer trank einen Kaffee und prustete vor sich hin.

»Lass das nicht den guten Progeron hören. Der Sicherheitschef des Kristallimperiums tut nun wirklich alles, um als Feind Camelots angesehen zu werden. Anscheinend fand ein geheimer Besuch auf Ferryd Mir statt. Der Großteil der Soldaten wurde zu einer Übung am anderen Ende des Planeten geschickt. Nur die Kommandocrew und ein paar Mitglieder des Flottengeheimdienstes blieben bei dem Labor«, erklärte er ausführlich.

»Anscheinend wurden von der Zentralsyntronik auf Ferryd Mir sämtliche Daten über dieses geheime Treffen gelöscht. Dennoch hat man kleine Hinweise gefunden. Der Forschungsleiter hatte eine Hyperkomnachricht an seine Geliebte auf Zalit gesendet, wo er von einem geheimen Treffen mit einem hochrangigen Offizier sprach.«

Atlan hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt.

Anscheinend hat ein hoher Offizier seine eigenen Pläne. Du solltest fragen, was gestohlen wurde und ob Namen genannt werden, riet ihm der Extrasinn.

Darauf wäre ich ohne deine Hilfe nicht gekommen, entgegnete der Arkonide ironisch.

»Wurden Namen genannt?«, wollte Atlan wissen. Er musste sich ein Grinsen verkneifen, weil er an den Extrasinn dachte.

»Nun, nicht offiziell. Dennoch ist der hohe Mascant Prothon da Mindros seit einiger Zeit verschwunden. Sein Schiff HOZARIUS XIV sowie zwei weitere schwere Kreuzer sind angeblich zu einer Geheimoperation aufgebrochen. Doch anscheinend weiß niemand etwas Genaues über diese Operation.«

Prothon da Mindros gilt als einer der loyalsten und fähigsten Admiräle der Kristallflotte. Bostich hat ihn für seine Verdienste zum Mascanten ernannt, erklärte der Extrasinn.

Atlan nickte unmerklich, dann verabschiedete er sich von dem Springer, der keine weiteren Informationen geben konnte. Atlan war sich immer noch im Unklaren, was gestohlen wurde.

Sollte überhaupt etwas gestohlen werden?, hakte der Extrasinn nach.

Es muss! Warum sollte man sonst dreißig, für Mindros unbedeutende, Soldaten töten?

Steht denn schon fest, dass es Mindros war?

Atlans Logiksektor hatte recht. Der Arkonide beschloss, in die Operationszentrale auf Camelot zu wechseln, um dort weitere Informationen über Prothon da Mindros zusammenzustellen.

*

Auf dem Kurs der RICO lag die große Orbital–Raumwerft, wo an zwei speziellen Schiffen gebaut wurde. Sie sollten nach ihrer Fertigstellung den Namen IVANHOE und TAKVORIAN tragen. Eine Besatzung war für die beiden 1.000 Meter durchmessenden Kugelgiganten noch nicht ausgewählt worden.

Jedoch hatte zumindest der bisherige Kommandant der FREYJA, Xavier Jeamour, die besten Karten für das Kommando über die IVANHOE. Der Belgier arbeitete eng mit Attaca Meganon zusammen, was Konstruktionsdetails und spezielle Wünsche für die IVANHOE anging. Jeamour war ein fähiger Raumveteran und der Arkonide war froh darüber, dass er sich Camelot angeschlossen hatte.

Atlan besichtigte kurz den Bau. Die Schiffe waren fast fertig. Er rechnete damit, dass man sie im nächsten Jahr bereits einsetzen konnte. Es wären neben der GILGAMESCH die größten Raumschiffe, die der Unsterblichenorganisation zur Verfügung stehen würden.

Wenig später war die RICO gelandet. Der Arkonide warf einen flüchtigen Blick auf seinen Chronometer. Hastig stieg er in einen bereitstehenden Gleiter und nahm Kurs auf die Operationszentrale.

Die Operatoren hatten auf Anweisung des Unsterblichen bereits ein ausführliches Dossier über den hochdekorierten Offizier zusammengestellt. Vor Atlan lag eine Datenfolie, während die Syntronik mit der modulierten Stimme einer jungen Frau den Inhalt akustisch wiedergab.

Prothon da Mindros wurde 1212 NGZ auf Arkon II als Sohn einer reichen und einflussreichen Familie geboren. Er besuchte die besten Schulen und absolvierte ab dem Jahre 1228 eine Ausbildung an der Flottenoffiziersschule Bark-N'or auf Imprasa. Im Alter von 19 Jahren hatte er seine Ausbildung vollendet und erhielt die ehrenvolle Auszeichnung »Suril Famag« – Der Beste seines Jahrgangs.

Danach tat er drei Jahre seinen Dienst in der militärischen Verwaltung. 1234 NGZ wurde ihm dies jedoch zu langweilig und er bewarb sich erfolgreich für den Posten des Navigators auf dem Schlachtschiff MINTEROL. Dort errang er viel Respekt und Ansehen. Nach der Schlacht im Daakurr-System 1245 NGZ, wo gegen rebellische Kolonisten gekämpft wurde, wurde er zum Ersten Offizier ernannt. Der Kommandant wurde in der Schlacht nach einem Treffer schwer verwundet. Die weiteren Stabsoffiziere waren nicht fähig die Schlacht erfolgreich weiterzuführen. Mindros ergriff damals die Initiative und konnte durch einige waghalsige Manöver den Gegner hinhalten, bis Verstärkung kam und man die Revolte niederschlagen konnte. Aufgrund dieser Leistung bekam er noch im selben Jahr den Dhakat-Orden.

Lange blieb er nicht Offizier. Nach einem sechsmonatigen Lehrgang bekam er das Kommando über die LOLANDES. Die LOLANDES wurde speziell in Krisengebieten des Kristallimperiums und an den Grenzen des Reiches eingesetzt. In den folgenden Jahren löste Mindros Konfliktsituationen, wie Aufstände von Kolonisten, Zurückweisung illegaler Einwanderer und dergleichen souverän.

Er zeichnete sich besonders durch seine ruhige, kühle Art aus. Er verlor nie die Nerven. Seine Autorität war unangefochten. Er duldete keinen Widerspruch bezüglich seiner Entscheidungen. Ebenso wurde er durch seine Rücksichtslosigkeit während des Kampfes bekannt. Für ihn zählte nur der Sieg. Jedes Mittel war ihm dafür recht, dennoch ging er auch ehrenvoll und fair vor. Ab dem Jahre 1250 NGZ wurde er in den Geheimdienst versetzt. Fortan sollte er Aufklärungs- und Spionagemissionen in der LFT und im Forum Raglund durchführen. Auch diese Aufgaben führte er zur größten Zufriedenheit aus. So erhielt er im Jahre 1251 NGZ den »Zoltral Orden - Erste Stufe« für die Rettung arkonidischer Spione von einem LFT-Stützpunkt im Zaratyr-System. 1253 NGZ erhielt er den »Zoltral Orden - Zweite Stufe« für eine primäre Aufklärungsmission über Plophos. 1255 NGZ erhielt er den Orden in der dritten Stufe nach der Vernichtung von fünf Raumschiffen der LFT, die neue Agenten im Arkon-System absetzen wollten. Im Jahre 1258 NGZ lernte er die 38jährige Terza kennen. Sofort verliebte er sich in sie und heiratete sie im Oktober 1260 NGZ. Er wurde nun verstärkt als Stabsoffizier und im Flottengeheimdienst eingesetzt. Sein besonderes Interesse galt natürlich der Bekämpfung der IPRASA.

Ende 1267 NGZ gab es in dem Randsystem Don K´abur eine große Auseinandersetzung zwischen der IPRASA und der Kristallflotte. Mindros hatte eine perfekte Falle für rund 1.000 Einheiten der IPRASA gestellt. Er täuschte vor, die dortigen Kolonialarkoniden würden gemeinsam mit der IPRASA die Stützpunkte der Kristallflotte angreifen und sich vom Kristallimperium lossagen. Die IPRASA fiel auf diesen Plan herein und erlitt ihre größte Niederlage, was zur Folge hatte, dass Atlan sich nicht mehr in solche großen Unternehmen einließ. Mindros wurde dafür im Jahre 1268 NGZ einer der höchsten Orden Arkons verliehen: Arkons Stern. Parallel zur Verleihung wurde er zum Admiral und Kommandanten der VI. Kristallflotte ernannt. Mindros gehörte nun zu den mächtigsten Admiralen des Kristallimperiums. Im Jahre 1275 NGZ erhielt er als Anerkennung für seine »großartige« und »heldenhafte« Arbeit zum Wohl Arkons den Banner des Kaisers, welcher nur sehr selten vergeben wurde. 1276 NGZ gebar seine Frau einen Sohn, der den Namen Carba bekam. Dieser war Prothons ganzer Stolz. Nur zwei Jahre später bekamen sie ein weiteres Kind, eine Tochter, die sie Esrana nannten.

Prothon hatte bereits das Leben seiner beiden Kinder verplant. Esrana sollte in die Politik gehen, während Carba auch einmal Admiral werden sollte. Zum 25. Hochzeitstag im Oktober des Jahres 1285 NGZ wünschte sich Terza eine Kreuzfahrt auf dem neuen Luxusraumer LONDON. Prothon willigte ein und wollte mit ihr und den beiden Kindern reisen, doch in letzter Minute musste er absagen, da es Probleme mit der IPRASA gab. So reisten Terza, Carba und Esrana da Mindros alleine und starben am 09. Dezember 1285 NGZ beim Untergang der LONDON. Prothon da Mindros traf dies hart. Er starb quasi mit ihnen. Fortan war er nicht mehr er selbst. Seine Gefühle und seine Energie waren erloschen. Er zog sich von der aktiven Laufbahn zurück und ging in den Stabsbereich. Atlan grübelte eine Weile über die eben gewonnen Daten. Er vergrub sein Gesicht zwischen den Händen und seufzte laut.

Es muss an dem Tod der Familie liegen, meinte der Logiksektor.

Ausgerechnet die LONDON. Aber warum erst jetzt? Warum erst nach viereinhalb Jahren? Was genau hat Mindros mit dem Überfall bezweckt?

Fragen über Fragen, die Antworten werden sicher nicht lange auf sich warten lassen.

»Ich will aber nicht warten, bis es zu spät ist!«, schimpfte Atlan laut.

In dem Moment erreichte Atlan eine verspätete Hyperkomnachricht. Sie stammte von Wyll Nordment und war vor vier Tagen geschrieben worden.

Neugierig öffnete Atlan die Nachricht. Was er las, erfreute ihn nicht sonderlich. Wyll verabschiedete sich von Camelot und meinte, er bräuchte eine Weile Abstand, um etwas Wichtiges zu erledigen.

Was genau das war, konnte sich der Unsterbliche bereits denken. Er ging auf die Homepage der SHORNE INDUSTRY GESELLSCHAFT, wo auch eine Passagierliste der LONDON II abzurufen war. Er durchsuchte die Liste und fand auch Wyll Nordment.

Überrascht?, fragte der Extrasinn Atlans.

Nein, das hatte ich erwartet, erwiderte er ruhig.

Er durchstöberte die Passagierliste weiter und wunderte sich, wie viele Honoratioren, Politiker, Schauspieler und Industrielle an Bord der LONDON II waren. Einige sehr wichtige Personen aus der LFT, dem Kristallimperium und dem Forum Raglund.

Ein Glück, dass Perry irgendwo in den Weiten des Weltalls agiert und der Somer Sam auf einer diplomatischen Mission in Saggittor unterwegs ist. Dann mussten die wenigstens nicht noch einmal ein Sequel über sich ergehen lassen.

Sehr witzig, Extrasinn.

Dann fiel Atlan ein weiterer Name auf. Atlans Gesichtszüge erstarrten als er immer wieder die Buchstaben las. Prothon da Mindros!

Jetzt bin ich überrascht, stellte er sarkastisch fest.

Nun wissen wir warum.

Bitte?

Wir wissen nun warum Mindros diesen Überfall geplant hat. Denke nach, Beuteterraner! Seine Familie starb auf der LONDON I. Die LONDON II ist eine Kopie des Schiffes und will die alte LONDON quasi schänden, indem sie untersucht werden soll. Das Grab seiner Familie. Zudem ist es ein terranisches Schiff. Es stellt sich nur die Frage, wie er es machen will.

Atlan verstand nun auch. Mindros wollte Vergeltung üben. Anscheinend hatte er irgendetwas mit der LONDON II vor. Was immer auf Ferryd Mir entwickelt worden war, hatte damit zu tun. Es diente vermutlich dazu, um die LONDON zu vernichten.

Atlan reagierte sofort.

Niemand wusste von da Mindros Vorhaben. Der Arkonide hatte keine stichhaltigen Beweise, nur eine Vermutung, doch diesem Instinkt musste er vertrauen.

Sofort alarmierte Atlan die RICO. Gerine sollte das GILGAMESCH-Modul startklar machen. Der Arkonide musste eine Rettungsaktion von großem Ausmaß planen.

 

13. Für Arkons Macht und Glorie

Auch wenn Tag und Nacht im Weltraum nicht existierten, so gab es eine Standardzeit und die innere Uhr der Lebewesen, die eine Art Schlafenszeit hervorrief. Diese war nun gegen 1:00 Uhr terranischer Standardzeit angebrochen.

Die meisten der 17.500 Passagiere ruhten friedlich in ihren Kabinen. Doch eine große Anzahl trieb sich auch in den Bars oder Festsälen herum.

Huck Nagako und Udo Arenz, der Chefmaschinist, machten einen Rundgang und kontrollierten verschiedene Instrumente und Apparaturen. Udo Arenz war in Deutschland geboren und ein sehr fähiger Ingenieur. Jedoch war er ebenso exzentrisch und oft schwer einzuschätzen. Meist freundlich, doch neigte er auch zu Wutausbrüchen, was besonders seine Mitarbeiter im Maschinenraum zu spüren bekamen.

Beide begegneten noch dem Sicherheitsoffizier Iron Styrm. Der schwergewichtige Epsaler machte ebenfalls einen Kontrollgang durch einige Abschnitte des gigantischen Schiffes. Er entschloss sich auf das Z-2-Deck zu gehen, um von dort aus die Lagerräume in den unteren Ebenen zu kontrollieren, ohne zu ahnen, was ihn dort erwartete.

*

»Rosan, Wyll! Ihr beide dürft erst loslassen, wenn die LONDON im Wasser ist«, sagte er schnell. »Dann versucht so schnell wie möglich wieder nach oben zu kommen, bevor der Sog euch herunterzieht. Kurz bevor das Wasser das Geländer erreicht, Luft holen!«

Dann ging ein Ruck durch die LONDON. Ein Aufschreien. Das Ende kam jetzt. Die LONDON fing weiter an zu sinken. Langsam aber unaufhaltsam kam das Wasser Meter um Meter näher.

»Oh Gott, oh Gott. Ich will noch nicht sterben!«, kreischte Rosan.

Wyll nahm ihre Hand. »Du hast gehört, was Perry sagte. Luft holen, wenn ich es sage.«

Beide zitterten vor Angst. Rhodan sah dem Wasser entgegen. Es war noch 200 Meter entfernt, 100 Meter, 50 Meter, 25 Meter. Die Menschen wurden hinuntergerissen und verschwanden in dem dunklen Nass.

Dann erreichte das Wasser das Geländer.

»Luft holen!«, befahl Rhodan.

Die drei hielten fast gleichzeitig die Luft an. Das Geländer wurde auch überspült. Die Triebwerke waren das Letzte, was noch den Himmel erblickte, dann verschwanden auch diese zusammen mit dem Hypertrop-Zapfer und der Flagge der Kosmischen Hanse im Wasser.

Die LONDON war untergegangen und riss mehr als zehntausend Wesen mit in den Tod.

Rosan versuchte krampfhaft an die Wasseroberfläche zu gelangen. Sie verlor Wylls Hand und versuchte den Kontakt zu ihm wieder herzustellen, schaffte es aber nicht ...

Dann schreckte sie entsetzt hoch. Durchgeschwitzt und zitternd sah sie sich um und stellte fest, dass alles ruhig war. Sie befand sich in ihrem Bett. Gol Shannig schlief fest und hatte nichts von Rosans Alptraum bemerkt. Sie atmete tief durch und legte sich wieder auf die Seite. Die Belastung für sie war zu stark geworden.

Sie konnte mit den Erinnerungen an den Horror vor viereinhalb Jahren nicht fertig werden. Wie damals war sie wieder allein. Rosan weinte sich in den Schlaf.

*

»Arbtans, Orbtons – Kameraden in einer schweren Zeit. Wir sind uns alle bewusst, dass wir bei dieser Mission auf uns allein gestellt sind und ohne Einverständnis des großen Imperators operieren.

Doch wir tun das Richtige. Die verkommenen Völker der Milchstraße haben eine Lektion verdient, die sie nie vergessen werden.

Wir, meine Kameraden, wir sind nun bereit, ihnen diese zu erteilen!«

Die Ansprache Prothon da Mindros stieß bei den 75 Männern und Frauen des Einsatzkommandos auf große Begeisterung. Die Eliteeinheit, die von ihm über Jahre hinweg geschult worden war, begann mit den vorgesehenen Aktionen.

Als Erstes manipulierten sie die Überwachungskameras in den einzelnen Sektionen, die von ihren Aktionen betroffen sein würden. Anschließend holten sie die Seruns und die sonstige Ausrüstung aus dem Lagerbereich, wo die Handlanger des Silbernen Ritters sie deponiert hatten.

Mindros registrierte zufrieden, dass die Mordred Wort gehalten hatte. Die »Relikte« wurden, immer noch im Stasis-Zustand, in verschiedene Bereiche des Schiffes gebracht und mit einer Schaltung versehen, durch die die Stasisfelder deaktiviert werden konnten. Das Gestein trat nur dann in den tödlichen gasförmigen Zustand, wenn ein Schiff beim Übergang in den Überlichtflug das umgebende Hyperfeld schloss und dabei der Metagrav-Vortex, eine künstliche Singularität, entstand. Dabei trat eine hochfrequente Hyperstrahlung auf, die normalerweise völlig unschädlich war, jedoch das Gestein in den gasförmigen Zustand versetzte. Sobald das Hyperfeld des Metagravantriebes geöffnet wurde und das Raumschiff wieder in den Einsteinraum eintrat, verfestigte sich das Gestein und war völlig ungefährlich. Die einzige Möglichkeit, um diesen Effekt zu unterbinden, die die Wissenschaftler auf Ferryd Mir gefunden hatten, lag darin, das Gestein innerhalb eines Stasisfeldes zu lagern.

Er konnte nun mit einem Knopfdruck alle Stasisfelder abschalten und das Gestein zu einem giftigen und todbringenden Gas werden lassen, sobald die LONDON wieder in den Überlichtflug überging. »Orbton Hermon, Orbton Zeronat. Wie weit sind wir?«

Die beiden Offiziere salutierten. »Mascant, wir haben die Hälfte der Objekte sicher verstaut und angeschlossen!«, berichtete Hermon. Zeronat nickte bestätigend.

»Sehr gut, meine Herren! Ich will die Operation bis 0200 erledigt wissen. Also, an die Arbeit!«

»Jawohl, Mascant!«

Mit fanatischem Eifer erfüllten die Soldaten ihre Aufgaben. Der Großteil diente nicht einmal dazu, das Gestein zu verstauen und mit dem Funksender zu kombinieren, sondern um Wache zu halten. Etwa ein Dutzend der 75 Arkoniden waren Techniker, der Rest ausgebildete Sondereinheiten, die im Notfall erst schossen und dann die Fragen stellten.

Mindros verschränkte die Arme hinter dem Rücken und kontrollierte die Operation. Er sah sich in der LONDON um, vermied jedoch, an seine Familie zu denken. Er musste seine Gefühle jetzt voll unter Kontrolle haben, wie jeder gute Soldat! Er hatte die Verantwortung für seine Leute und die Operation.

Mindros war fest entschlossen, diese bis zum Schluss durchzuziehen. Er wusste, dass es wahrscheinlich kein Danach mehr für ihn und seine Männer gab, doch für ihn war das ein akzeptabler Preis. Zum einen verhinderte er die Grabschändung seiner Familie und zum anderen konnte er, wenn er es geschickt anstellte, einen galaktischen Krieg auslösen. In diesem Falle wären sein eigener Tod und die Opferung seiner Eliteeinheit ein akzeptabler Preis.

Über das Schicksal der knapp 20.000 Wesen an Bord der LONDON machte er sich wenig Gedanken. Er bedauerte, dass auch Arkoniden sterben mussten, doch für alle anderen Wesen empfand er kein Mitleid. Niemand hatte sie gezwungen, aus lauter Sensationsgier an der Entweihung der Ruhestätte seiner Familie teilzunehmen, deshalb waren sie auch für die Folgen ihrer Schändlichkeit selbst verantwortlich.

Das einzige Problem waren für ihn die Kinder gewesen, nächtelang hatte er mit sich selbst gerungen, doch auch er hatte seine Kinder durch die Arroganz und Überheblichkeit der Terraner verloren, warum sollte er wegen der Kinder derjenigen, die die letzte Ruhestätte seiner Familie entweihen wollten, auf die Bestrafung der Grabschänder verzichten?

»Mascant, hier Hermon. Wir sind fertig«, hörte er den Orbton melden. Der zweite Offizier berichtete das Gleiche zwei Minuten später.

»Die erste Phase der Operation ist somit beendet! Sammeln, die Seruns ablegen und verstecken. Danach haben die Männer bis morgen früh um 0700 frei!«, befahl Mindros. Die Ausgangserlaubnis wurde bei den Leuten mit erfreuten Gefühlen aufgenommen. Doch einer der Soldaten schlug Alarm. Jemand näherte sich dem Lagerraum!

*

Iron Styrm schlürfte nichtsahnend durch den Korridor und kontrollierte wirklich jeden Lagerraum. Bei dem Lagerraum ZA-45 war die Tür jedoch blockiert. Er konnte sie aber mithilfe einer Chipkarte wieder öffnen. Das Licht war gelöscht, so aktivierte er die Beleuchtung. Er ging einige Meter in den Raum hinein. ZA-45 war ein zentral gelegener Lagerraum, der auch zu anderen Lagerhallen Zugang bot und das Zentrum für die Klimaanlage war. Diverse Belüftungsschächte führten von diesem Raum durch das ganze Schiff. Der Epsaler sah sich um und zündete eine Zigarette an. Er nahm einen langen Zug, dann hörte er hinter sich ein Geräusch.

Er drehte sich um und sah unwirsch durch den Raum. Daraufhin wandte er sich wieder der Tür zu, als plötzlich ein muskelbepackter Arkonide hinter dem Umweltangepassten auftauchte und ihn in den Würgegriff nahm. Der Epsaler war so überrascht, dass er die ersten Sekunden nicht reagierte, da sah er bereits das Aufblitzen einer Klinge, die auf seinen Hals zu schnellte. Der Plan des Mascanten »Ratsch, nun wärst du tot«, sagte der Arkonide und lockerte den Griff.

Styrm hustete und schnaubte erregt, während er sich an die Kehle fasste. Dann stieß er den Arkoniden gegen eine Wand.

»Mach den Scheiß nicht noch einmal mit mir, hast du verstanden?«, brüllte er wütend.

»Seid still! Es könnten Passagiere hier vorbeikommen«, ermahnte Orbton Hermon die beiden.

Der Soldat blieb sofort ruhig stehen, während Styrm erst einmal seinen Kehlkopf massierte und weiter hustete. Mit einem lauten Geräusch zog er seinen Speichel hoch und spuckte ihn aus.

»Ihr Jungs müsst vorsichtiger sein«, meinte er zu den Arkoniden.

»Wir wissen, wie wir vorzugehen haben«, erklärte Prothon da Mindros kühl. Der hochgewachsene Arkonide trug eine braune Lederkombination und strahlte eine diabolische Kälte aus. Sein Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen, seine Augen schienen in einem diabolischen Feuer zu leuchten. Er strahlte Kaltblütigkeit, Entschlossenheit aber auch Trauer aus und musterte den fast vierzig Zentimeter kleineren Epsaler wütend.

»Es ist nicht deine Aufgabe, mir oder meinen Soldaten Ratschläge zu erteilen. Deine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass niemand unser Equipment entdeckte, was dir auch gelungen ist. Deine weitere Aufgabe besteht darin, uns den genügenden Freiraum für unsere Operation zu ermöglichen. Nicht mehr und nicht weniger«.

Styrm spürte die Endgültigkeit in Mindros Worten. Dieser Mann duldete keinen Widerspruch. Der Epsaler hielt es deshalb für besser, keine Bemerkungen mehr über die Strategie der Arkoniden zu machen.

»Mir ist das doch alles egal. Hauptsache, ich bekomme meine Belohnung.«

Mindros musterte den Mann verächtlich. Er hatte nichts für das korrupte Pack übrig, das gerade bei den Terranern weit verbreitet war. Im Gegensatz zu diesen verkommenen Subjekten handelte er stets aus innerster Überzeugung. Geldgier oder persönliche Vorteile waren ihm immer zutiefst verhasst gewesen. Dennoch war er gezwungen gewesen, mit einigen dieser Kreaturen zusammenzuarbeiten, um sein großes Ziel zu erreichen.

»Die Mordred wird dich wie besprochen entlohnen, Epsaler. Sei dir dessen gewiss.«

Styrm sah sich neugierig in dem Raum um. Anscheinend wollte er herausfinden, was genau die Arkoniden gemacht hatten. Orbton Zeronat stellte sich demonstrativ vor die Lüftungsschächte, in denen das todbringende Gestein versteckt war.

»He, ich wollte nur wissen, was ihr da eigentlich treibt.«

»Sollen wir nicht doch den Zivilisten beseitigen, Mascant?«, fragte der Offizier, anstelle dem Epsaler eine Antwort zu geben. Styrm zuckte zusammen und zog zitternd seinen Thermostrahler.

»Nein, wir brauchen ihn noch«, erwiderte Mindros und legte seinen Arm auf die Hand des umweltangepassten Kolonisten. Dieser steckte die Waffe wieder ein und atmete erleichtert auf.

Der Admiral holte einige Geldscheine aus seiner Kombination. Er drückte sie Styrm in die Hand. Dieser schluckte mehrmals, als hätte er niemals zuvor so eine Menge in der Hand gehabt.

»100.000 Galax dürften als Vorschuss sicher reichen«, stellte Mindros fest. Der Epsaler bestätigte grinsend.

Er verabschiedete sich hastig und führte seinen Kontrollgang fort, natürlich ohne die Arkoniden zu melden. Iron Styrm war bereit für Geld seine eigene Mutter zu verkaufen. Er war ein Mann, der das Leben in vollen Zügen genießen wollte, dafür benötigte er jedoch den allseits beliebten Galax. Mindros hatte ihm zweieinhalb Millionen Galax für seine Mithilfe geboten. Ein Preis, für den er alles getan hätte. Welchen Plan die Arkoniden genau verfolgten wusste er nicht, doch es interessierte ihn letztlich auch nicht, da Mindros ihm die Belohnung zusichert hatte. Styrm rechnete mit einer Entführung und einer Lösegeldforderung. Er würde mit heiler Haut davonkommen, solange keiner erfuhr, dass er ein Mithelfer war.

Der Epsaler ahnte jedoch nicht, wie verhängnisvoll seine Entscheidung für ihn und die knapp 20.000 Lebewesen an Bord der LONDON werden würde.

*

»Mascant, wir haben die Waffen, Seruns und das Gestein sorgfältig und für minderwertige Kreaturen nicht auffindbar verstaut«, meldete der Offizier Zeronat. Er wartete auf Mindros Reaktion. Der Admiral hatte die Arme hinter den Rücken verschränkt und musterte zufrieden seine Leute. Sie waren zu allem bereit. Blinder Gehorsam stand in ihren Gesichtern geschrieben.

»Abrücken«, kam der knappe Befehl Mindros. Die Soldaten verließen unbemerkt und leise das Deck. Orbton Hermon ging während des Abmarsches zu seinem Kommandanten.

»Mascant, wann genau werden wir zuschlagen?«, erkundigte er sich.

»Bald beginnt der Freiheitstag. Wenn die Feierlichkeiten ihren Höhepunkt erreichen, werden wir zuschlagen.«

Hermon bewunderte die Genialität seines Kommandanten. »Die Passagiere werden mit dem Feiern beschäftigt sein und wir können in Ruhe das Schiff übernehmen«, rekapitulierte er.

»Dennoch werden wir Fesselfelder und Stogsäurewerfer für die Oxtorner und Haluter einsetzen. Ich möchte nicht Gefahr laufen, diesen Bestien eine Chance zu geben, unsere Operation zu vereiteln«, erläuterte Mindros mit einem leichten Lächeln.

 

14. Helden für Arkon

20. Juni 1290 NGZ, Der Tag der Freiheit

Die Reise verlief auch am zehnten Tag ohne Komplikationen. Die LONDON II hatte inzwischen zwei Millionen Lichtjahre zurückgelegt. Eireen Monhar hatte sich mittlerweile gut in die Brückencrew eingefügt und einen schnelleren Kurs berechnet. Die ehrgeizige Plophoserin legte ihre Berechnungen Roy Cheidar vor, der voller Anerkennung den Kurs korrigieren ließ.

Dies hatte zur Folge, dass man nicht durch einen bestimmten Sektor navigieren musste, in dem Energieemissionen und Hyperstürme nur einen niedrigen Überlichtfaktor gestatteten, der bis jetzt aber als schnellster Weg nach London´s Grave galt, was vielleicht auch daran lag, dass bisher nur die FREYJA und die LONDON selbst das System angesteuert hatten.

Cheidar glaubte, die LONDON würde nun einige Tage früher das System erreichen können.

Michael Shorne war sehr über diese Nachricht erfreut. Er belohnte Monhar mit einer Extrazulage. Der Rest der Besatzung war damit beschäftigt, die LONDON für den »Tag der Freiheit« herzurichten. An jenem 20. Juni vor 143 Jahren hatte Perry Rhodan den legendären Funkspruch gesendet: Die Milchstraße ist frei. Monos ist tot. Es gibt keine Herren der Straßen mehr. Die Milchstraße ist frei. Seit dem Jahre 1165 NGZ war der Tag offiziell vom Galaktikum als Feiertag für die Milchstraße erklärt worden. Wenn die Befreiung aus einer fast siebenhundert Jahre andauernden Tyrannei kein Grund für einen Feiertag war, was dann?

Überall wurden Rosenzweige heran gesteckt, Girlanden aus Lametta aufgehängt und Birkenbäume aufgestellt. Irgendwie war man seit 1190 NGZ darauf gekommen, Bäume als Zierde zu verwenden. Die Idee stammte nicht von Terranern, sondern von Blues. Anscheinend hatten die aber gewaltig beim terranischen Weihnachtsfest abgekupfert. Man hatte den Brauch jedoch übernommen.

Viele der galaktischen Volksvertreter konnten mit Weihnachten natürlich wenig anfangen, da ihnen der religiöse Bezug fehlte. Einige galaktische Völker sahen in dem »Tag der Freiheit« ihr Weihnachtsfest. Ein Tag der Liebe, der Freiheit und des Andenkens an die Demokratie und die Rechte jeden Lebewesens. Es war von vornherein geplant gewesen, diesen galaktischen Feiertag groß zu zelebrieren.

Es kursierten Gerüchte, Michael Shorne würde bei der jährlichen Freiheitsstory den Vario 500 Roboter in Rhodans Gestalt mimen. Roy Cheidar bemerkte, Shorne wäre besser für den Pedrass Foch geeignet.

Am Morgen des 17. Juni wollte Roy Cheidar die letzten Vorbereitungen für das kommende Fest selbst begutachten.

Huck Nagako und Udo Arenz machten sich daran, den größten der Bäume unterzubringen. An den Ästen hingen kleine Planeten, insgesamt 383 Stück, die Anzahl der Gründungsnationen des Galaktikums. Es war für die beiden eine Heidenarbeit gewesen, die Kugeln zu befestigen. Und jeder hoffte, der Baum würde nicht durch eine unbedachte Bewegung umfallen. Arenz fluchte wieder einmal, da einige der Crewmitglieder ihm nicht schnell genug arbeiteten.

»Kann ich irgendwie anpacken?«, erkundigte sich Cheidar leicht amüsiert, als er sah, wie vier Leute vergeblich versuchten den Baum aufzustellen. Er fragte sich, warum sie keine Roboter zu Hilfe holten.

»Geht schon, danke Captain«, antwortete Arenz.

»Wir wissen bloß nicht wohin mit dem Baum«, fügte er zähneknirschend hinzu. Dann schien es ihm genug zu werden. Er beorderte eine Antigraveinheit zu sich und richtete den Baum so auf. Cheidar sah sich um. Dann schien ihm ein Gedanke zu kommen.

»Ich habe eine Idee, Udo. Wir stellen den Baum in der Sternenhalle auf, da kann ihn jeder anschauen.«

»Wie bitte?«

Arenz machte einen verwirrten Eindruck.

»Hast du keinen Sinn für das Schöne? Die Sternenhalle ist das Zentrum der LONDON und der ideale Platz, um den Freiheitsbaum richtig zur Geltung zu verhelfen.«

Der Chefingenieur verdrehte die Augen und machte sich an die Arbeit, den Baum vorsichtig per Antigrav im Zentrum der Sternenhalle zu positionieren.

*

Michael Shorne dachte an alles. Er hatte auch genügend Geld zur Verfügung, um eine prachtvolle Show zu bieten. Die Temperatur auf den »Außendecks« wurde bis auf 0  C gesenkt und es begann, Kunstschnee zu schneien. Shorne war der Meinung, dass eine winterliche Atmosphäre romantischer auf die Gäste wirkte, als tropische Zustände. Roy Cheidar hatte sogar etwas Respekt vor Shorne bekommen. Weißes Freiheitsfest irgendwo im Leerraum zwischen London´s Grave und der Milchstraße. Das hatte etwas Bewundernswertes. Der Bordsyntron begann, leise fröhliche Musik zu spielen. Es gab diverse Hymnen auf den Freiheitstag von namenhaften Komponisten und Interpreten. Alles war perfekt inszeniert und steuerte auf einen frohen Freiheitstag zu. Nichts stand dem frohen Fest mehr im Weg, oder doch?

 

15. Auf der Suche nach der LONDON

18. Juni 1290 NGZ, Irgendwo im All

»Immer noch keine Spur von der LONDON«, meldete Gerine frustriert ihrem Kommandanten.

»Wo kann die LONDON nur abgeblieben sein?«, murmelte der Arkonide, während er sein Kinn auf der rechten Faust abstützte.

Ich dachte, es wäre bald Freiheitstag und nicht Ostern, bemerkte sein Extrasinn geistreich.

Atlan entschied sich, nichts auf diese Aussage zu erwidern. Stattdessen dachte er angestrengt über den Verbleib der LONDON II nach.

Der Unsterbliche hatte herausgefunden, dass Prothon da Mindros aller Wahrscheinlichkeit nach für den Überfall auf die arkonidische Militärbasis auf Ferryd Mir verantwortlich gewesen war.

Welchen Sinn das alles hatte, blieb Atlan noch verborgen. Anscheinend hatte sich etwas Wichtiges auf der Basis befunden. Diese Unbekannte in der Gleichung schien Mindros sich angeeignet zu haben.

Doch um was handelte es sich? Durch einen Zufall entdeckte Atlan, dass der Mascant zu den Passagieren des Luxusschiffes gehörte. Aus der Akte Mindros konnte Atlan entnehmen, dass seine gesamte Familie beim Untergang der ersten LONDON gestorben war. Nichts lag näher, als ein Racheakt von da Mindros zu befürchten. Der Admiral war seit mehreren Tagen verschwunden, angeblich war er mit drei Raumschiffen bei einer geheimen Operation, von der jedoch niemand etwas Genaues wusste. Atlan war der festen Überzeugung, dass die LONDON II in höchster Gefahr schwebte. Sein exzentrischer Extrasinn pflichtete ihm bei. Deshalb hatte Atlan beschlossen, mit der RICO die LONDON abzufangen. Doch sie war nicht mehr auf ihrem ursprünglichen Kurs.

Der große terranische Raumer war am 6. Juni 1290 NGZ von Terra aus gestartet und hätte am 17. Juni bereits in der Reichweite von Andro-Alpha sein müssen. Die RICO holte ihr Möglichstes an Geschwindigkeit heraus, um die LONDON dort zu erreichen. Atlans Berechnungen gingen auf. Die RICO hatte es tatsächlich geschafft, am 16. Juni vor Andro-Alpha Position zu beziehen. Doch die LONDON erschien nicht. Zwei Tage hatte die Besatzung der RICO vergebens auf die Ankunft der LONDON gewartet, um schließlich sämtliche Minor-Globes und Space Jets auszuschleusen, um nach dem vermissten Raumschiff zu suchen – ebenfalls vergeblich.

Es gab nur zwei Möglichkeiten: Die LONDON war vor dem 16. Juni bei Andro-Alpha gewesen und somit bereits weit voraus, oder Prothon da Mindros hatte seinen Plan, was immer dieser beinhaltete, bereits durchgeführt.

Atlan wollte jedoch nicht an die zweite Alternative denken. Er beschloss, weiter nach London´s Grave zu fliegen.

Gleichwohl wies er die Navigatoren an, jeden möglichen und vorteilhaften Kurs zu diesem System zu errechnen. Vielleicht hatte die LONDON II auch einen anderen Kurs eingeschlagen. Atlan hoffte es von ganzem Herzen.

 

16. Der Tag der Freiheit

19. Juni 1290 NGZ

Die Feiertagsstimmung konnte man auf dem Schiff immer deutlicher spüren. Selbst die Skeptiker waren von der Art und Weise, wie Michael Shorne das Freiheitsfest vorbereitete, erstaunt. Die Swimmingpools über dem A-Deck waren zugefroren und dienten als Schlittschuhbahn. Die verschiedensten Lebewesen tummelten sich vergnügt auf dem Eis. Die winterliche Atmosphäre war mal etwas Neues für die Terraner, obgleich manche Völker den 20. Juni stets im Winter auf ihrem Heimatplaneten feierten.

Michael Shorne nahm diesen ganzen Aufwand natürlich nicht aus reiner Nächstenliebe auf sich. Er wollte, dass die Lebewesen sich positiv an den Flug erinnerten und somit weitere Reisen der LONDON gesichert wurden.

Rosan Nordment amüsierte sich weniger. Sie fühlte sich immer mehr auf dem Schiff unwohl, da alles sie an die alte LONDON erinnerte. In den letzten Tagen war sie kaum aus der Kabine gekommen und mied den Kontakt zu anderen. Auch Gol Shannig hatte sich wenig bei ihr sehen lassen. Ansonsten versuchte er sich in ein angenehmes Licht zu rücken und machte viel Werbung für die Sol-News. Rosan lag gelangweilt und traurig auf ihrem Bett und spielte etwas mit ihrer Katze Loo, als sie ein lautes Stampfen hörte. Neugierig öffnete sie die Kabinentür, kaum war ein Spalt geöffnet, sauste Loo bereits durch die Öffnung. Der Kater hörte nicht auf die Ermahnung seiner Herrin. Instinktiv huschte er jedoch wieder zurück, als er das Ungetüm vor sich sah. Der Okrill schnaubte kräftig durch die Nase und blies den Kater an die Wand. Wild knurrend wollte er auf Loo zu rennen, doch sein Herr hielt ihn davon ab.

»Aus!«, rief Hajun Jenmuhs. Der fette Arkonide schien sich köstlich über das Ereigniss amüsiert zu haben.

»Ich hoffe, ihrem Vieh fehlt nichts«.

Rosan bebte vor Wut. Sie nahm den verängstigten Kater in die Arme. Jenmuhs sah sie erwartungsvoll an. »Sie sollte dennoch darauf achten, ihn nicht frei herumlaufen zu lassen, ihm könnte leicht etwas zustoßen«, fügte Jenmuhs feist grinsend hinzu.

»Sage er ihm, er lecke mich im ...!« Weiter kam Rosan nicht mit dem terranischen Zitat, denn Wyll Nordment tauchte hinter dem Okrill auf und grüßte Rosan. Mit Mühe quetschte er sich an dem Ungetüm vorbei. Ein Deckoffizier ermahnte den arkonidischen Aristokraten, er dürfe Haustiere in dieser Größe nicht in den Korridoren herumführen.

»Bekkar«, murmelte Jenmuhs verächtlich und brachte sein »Haustier« zurück in den Käfig.

Wyll und Rosan sahen dem kleinen Arkoniden eine Weile hinterher. Sanft streichelte sie ihrem Kater über den Kopf.

»Kann ich mit dir reden, Rosan?«

»Worüber?«

»Über uns. Wir sollten uns nicht so behandeln«, meinte Wyll ruhig. Innerlich fühlte Rosan, dass Wyll recht hatte, doch es war schwer für sie, das zuzugeben. Sie gingen an Deck, es war ziemlich kalt und es fröstelte sie. Wyll legte seine Jacke um ihre Schultern. Erstaunt sah sie ihn an. Soviel Zuvorkommen war sie von Gol Shannig nicht mehr gewöhnt gewesen. »Wie kommst du mit den Erinnerungen klar?«, fragte sie schließlich und blickte ihn an. Aus ihren Augen strahlten Trauer und Angst hervor. Wyll atmete tief durch.

»Ich komme relativ gut damit klar. Die LONDON hat uns damals zusammengeführt, wir haben das Unglück überlebt. Das sind unvergessliche Erinnerungen«, erklärte er.

»Ich habe Alpträume und denke immer wieder an die schrecklichen Stunden«, erzählte die Halbarkonidin bekümmert. »Ich komme nicht damit klar, ich fühle mich wie damals, als ich an Bord der LONDON kam. Genauso gefangen und verzweifelt.«

»Doch diesmal hast du dir selbst die Ketten angelegt«, meinte Wyll vorwurfsvoll. Sie wusste, er hatte auch diesmal recht.

»Mir scheint kein anderes Schicksal bestimmt zu sein«, sprach sie melancholisch. Wyll schüttelte den Kopf. Er legte seine beiden Hände auf ihre Schultern.

»Natürlich ist dir etwas anderes bestimmt. Du konntest dich schon einmal befreien, du schaffst es auch ein zweites Mal.«

»Allein kann ich es nicht.«

»Dann werde ich dir wieder helfen«, erklärte Wyll lächelnd. Für einen kurzen Moment schien es so, als sah Wyll wieder das Feuer in Rosans Augen, welches er so liebte. Er fühlte sich zu ihr hingezogen, seine Lippen näherten sich ihren.

»Bei nichts wirst du ihr helfen!«, hörten beide jemanden wütend rufen. Es war Gol Shannig. Forschen Schrittes eilte er zu den beiden und packte Wyll am Arm.

»Nimm deine dreckigen Finger von ihr weg!«, fauchte er den Terraner an. Wyll wurde ebenso aggressiv.

»Ach ja? Was wenn ich das nicht tue?« Diese Frage hätte er besser nicht stellen sollen, denn Gol Shannig gab ihm die Antwort mit seiner Faust direkt in Wylls Gesicht. Der terranische Cameloter fiel zu Boden. Rosan schrie kurz vor Entsetzen auf. Wyll sprang auf und packte Shannig. Beide prügelten sich auf dem A-Deck. Die Aufmerksamkeit der anderen Passagiere wurde sofort auf den Kampf gelenkt. Rosan versuchte vergeblich, die Streithähne auseinanderzubringen. Attakus Orbanashol und Hajun Jenmuhs beobachteten amüsiert den offenen Schlagabtausch. »Nordment besitzt einen harten Schlag, das kann ich aus Erfahrung sagen«, meinte Attakus, der bereits bei der ersten Reise mit der LONDON in das zweifelhafte Vergnügen gekommen war, während des Dinners einen rechten Haken von Wyll Nordment zu spüren.

Michael Shorne und Thomas Zchmitt beobachteten über die Bordüberwachung die Auseinandersetzung.

Shorne knetete wieder an seinem Ball herum und saß ruhig in seinem Sessel. Zchmitt lief unruhig vor dem Fenster hin und her.

»Sollen wir nicht einschreiten?«, fragte er seinen Chef. Dieser schüttelte langsam sein Haupt. Er drückte ein paar Knöpfe und informierte die Journalisten über den Vorfall. Innerhalb von nur wenigen Sekunden hatte der Ferrone Flocky Tar Faw den Schauplatz erreicht. Noch immer rangen die beiden Rivalen miteinander. Tar Faw, einer der bekanntesten Journalisten der Galaxis, holte sein Trividkamerasystem aus einem Koffer und aktivierte es. Kleine Flugkameras filmten den Ringkampf. Wyll und Shannig lagen inzwischen auf dem Boden, der junge Terraner schlug Shannig dreimal hart ins Gesicht, bevor er endlich losließ. Der »Gewinner« stand somit fest, doch der eigentliche Sieger saß in der Kabine A‑1. Shorne hatte bis jetzt eingehalten, was er versprach – eine aufregende und abwechslungsreiche Reise. Die Fehde zwischen Shannig und Nordment schien eine willkommende Unterhaltung für die Passagiere zu sein. Jetzt rannte Thomas Zchmitt aus der Kabine und alarmierte den Sicherheitschef Louis Clochard, der die beiden sofort in Gewahrsam nahm.

»Ihr werdet wohl den Freiheitstag zusammen in der Zelle feiern können«, meinte der kleinwüchsige Franzose.

Rosan war sichtlich peinlich berührt. Die Leute starrten sie an und machten ihre Witze oder zeigten offenkundig ihre Verachtung für sie.
Bevor sie anfing zu weinen, rannte sie in ihre Kabine. Thomas Zchmitt entschuldigte sich bei den Passagieren für den Zwischenfall. Er bat Flocky Tar Faw in Michael Shornes Kabine.

Der Ferrone folgte der Einladung natürlich, in der Hoffnung ein Interview mit dem Eigentümer der LONDON II zu bekommen.

»Setz dich, Flocky«, sagte Shorne einigermaßen höflich.

»Dürfte ich einige Fragen an dich stellen?«, fing der Ferrone sofort mit seiner Arbeit an.

»Bitte ...«

»Ich würde gerne eine Stellungnahme zu dem Zwischenfall vor einigen Minuten hören.«

Shorne grinste überlegen.

»Ich verurteile natürlich diesen barbarischen Akt. Gol Shannig und Wyll Nordment haben gezeigt, wie wenig Niveau sie besitzen. Beide werden voraussichtlich bis morgen früh in Haft sein und eine Geldstrafe zahlen müssen. Dieser Vorfall wird sich hoffentlich nicht wiederholen. Ich möchte mich im Namen der SHORNE INDUSTRY dafür entschuldigen.«

Flocky zeichnete mithilfe eines Memowürfels die Worte Shornes auf. Bevor er zur nächsten Frage ansetzen konnte, sprach Shorne weiter.

»Deine Aufgabe wäre es, einen großen Bericht über den Zwischenfall zu liefern, der in das Bordfernsehen kommt. Am besten noch heute Abend. Wäre das im Bereich des Möglichen?« Flocky ließ nicht lange auf eine Antwort warten.

»Natürlich ist das möglich, Mister Shorne. Ich mache mich sofort an die Arbeit. Ich danke dir!«

Der eifrige Journalist verließ die Kabine und ging sofort daran aus dem Trividmaterial eine Reportage zusammenzustellen. Shorne hatte wieder einen Punktsieg gegen seinen Konkurrenten Gol Shannig errungen. Jeder Unternehmer und Geschäftsmann an Bord der LONDON sollte von dem Zwischenfall erfahren und das Ansehen Shannigs dadurch noch weiter sinken.

»Ich glaube, du schaufelst gerade das Grab von Gol Shannig«, meinte Thomas Zchmitt sehr amüsiert.

Shorne schüttelte den Kopf. »Nein, mein Freund. Ich zimmere bereits den Sarg«.

ENDE

 

 

Die LONDON II befindet sich auf dem Weg in Richtung London’s Grave, doch schon in einem Tag will der arkonidische Mascant Prothon da Mindros seinen diabolischen Plan in die Tat umsetzen. Das Leben von 20.000 Wesen steht auf dem Spiel. Mehr dazu schreibt Nils Hirseland in Band 10:

DUELL DER ARKONIDEN

 

 

 

 

Kommentar

So, hier haben wir den 1. Band des LONDON-Sequels „Die Rache des Mascanten“, das in der Originalfassung 1998 im Rahmen einer fünfteiligen interaktiven Story des PROC erschienen ist. Einige damalige Leser sind daher in die Story eingearbeitet. Insgesamt wird auch dieser Komplex aus drei Bänden bestehen, die in den folgenden Wochen inhaltlich überarbeitet, wesentlich erweitert und neu lektoriert erscheinen werden.

Auch in diesen Bänden werden wichtige Charaktere, die den „Altlesern“ bereits aus dem Dorgon-Universum bekannt sind, in die Geschichte eingeführt. Aber, und das ist mir wichtig an dieser Stelle anzumerken, es werden auch völlig neue Personen auftauchen, die, lassen wir uns überraschen, auch später noch eine Rolle spielen können.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen der arkonidische Mascant Prothon da Mindros und der ehemalige Lordadmiral der USO und letzte Imperator des Großen Imperiums Mascaren Gonozal da Arkon, besser bekannt unter dem Namen Atlan.

Wer bereits die „alte“ Geschichte gelesen hat, dem wird auffallen, dass wir wesentlich mehr Wert auf die schlüssige Ausgestaltung des gesellschaftlichen Umfeldes gelegt haben, im Zentrum der jetzigen Roman-Trilogie steht nicht mehr die „herzzerreißende“ Liebesgeschichte zwischen dem „Aschenputtel“ Rosan Orbanashol und dem „furchtlosen Recken“ Wyll Nordment, die ist im Grunde nur Beiwerk (ich weiß, Nils sieht das vermutlich anders), sondern (zumindest nach meinem Dafürhalten) der Wandel des höchstdekorierten arkonidischen Admirals Prothon da Mindros vom ehrenhaften Soldaten im Dienste seines „Vaterlandes“, zu einem gnadenlosen, gefühlskalten Mörder, der buchstäblich, zum Schutz der letzten Ruhestätte seiner Familie, über Leichen gehen wird.

Jürgen Freier

 

GLOSSAR

LONDON II

Die LONDON II wurde in sehr kurzer Zeit von der SHORNE INDUSTRY GESELLSCHAFT (SIG) in den Jahren 1289 und 1290 NGZ gebaut. Sie gleicht bis auf wenige Details und stark verbesserten Sicherheitsmaßnahmen der LONDON I.

Hauptsächlich betrafen die Änderungen die Stabilität der Rumpfkonstruktion, die durch ein Skelett aus Ynkonit und massive Verstrebungen aus Metallplastik wesentlich verbessert wurde.

Das Konzept der Energieversorgung wurde, nach den Erfahrungen mit der ursprünglichen Konstruktion, stark dezentralisiert und mehrfach redundant ausgeführt. Auch die Bordsyntronik wurde durch mehrere dezentralisierte Firewall Schichten geschützt und mit einer Kontra-Syntronik gekoppelt.

Daneben wurde sowohl die offensive, als auch die defensive Bewaffnung wesentlich verstärkt.

Technische Daten

Länge: 1.604 Meter

Breite: 612 Meter

Höhe: 903 Meter

Antrieb: Metagrav-Triebwerk

Beschleunigung: 971 Kilometer in der Quadratsekunde

Überlichtfaktor: 79 Millionen

Besatzung: 1.200

Passagiere: 15.022

Offensiv- und Defensivbewaffnung: 3 schwere Doppel-Transformgeschützlafetten, 4 MHV-Geschützstände, siebenfache Schutzschirmstaffel aus Paratron- und HÜ-Schirmen

 

Crew der LONDON

Insgesamt: 2.350

Roi Cheidar – Kommandant

Eireen Monhar – 1. Offizierin

Huck Nagako – 2. Offizierin

Louis Clochard – Sicherheitschef

Udo Arenz – Maschinenchef

Badi Doranee – Bordarzt

Suzahn Roemee – Kreuzfahrtmanagerin

Fred Gopher – Zahlmeister

Iron Styrm – Sicherheitsoffizier

Tino Neumann – Funkleitoffizier

Michael Shorne – Inhaber

Thomas Zchmitt – Vorstandsmanager

 

Passagierliste

Insgesamt 17.512 zahlende Passagiere

Prothon da Mindros

Rosan Orbanashol-Nordment

Attakus Orbanashol

Hajun Jenmuhs

Karl-Adolf Braunhauer – Ein herrischer alter Mann

Ottilie Braunhauer – Ehefrau von KA Braunhauer

Remus Scorbit – Ein junger Terraner

Uthe Scorbit – Ehefrau von Remus

Sven Fochtmann – Reicher Geschäftsmann

Traros Polat – Haluter

Franc Kowsky – Ein Autor

Trg'arg Gyl – Topsider

Thalia da Zoltral – Eine junge arkonidische Adelige

Flocky Tar Faw – Starreporter

Hanny ter Padua

 

Prothon da Mindros

Persönliche Daten

Geboren: 19. April 1212 NGZ

Alter: 81 Jahre

Größe: 1,92 m

Gewicht: 82,5 kg

Augenfarbe: Rot

Haarfarbe: weiß

Geburtsort: Arkon II

Nationalität: Arkonidisch

Rang: Mascant und Oberbefehlshaber der 6. Kristallflotte

Eltern: Philsus da Mindros und Minro da Mindros

Familienstand: Witwer

Ehefrau: Theranie (Terza) da Mindros (+ 12. Dez. 1285 NGZ)

Kinder:   Carba da Mindros (+ 12. Dez. 1285 NGZ)

               Suri da Mindros (+ 12. Dez. 1285 NGZ)

Auszeichnungen

–  Suril Famag (Bester des Jahrgangs) 1231 NGZ

–  Dhakat (Orden für besondere Leistungen) 1245 NGZ

–  Rote Stern (Auszeichnung für das Erreichen einer Kommandantur) 1246 NGZ

–  Zoltral Orden Erste Stufe (Auszeichnung für einen Einsatz) 1251 NGZ

–  Zoltral Orden Zweite Stufe (Auszeichnung für besonderes Verhalten im Einsatz) 1253 NGZ

–  Zoltral Orden Dritte Stufe (Auszeichnung für die Kommandantur mehrerer Einheiten) 1255 NGZ

–  Stern Arkons (Orden für die Ernennung zum Admiral und Flottenoberbefehlshaber) 1268 NGZ

–  Banner des Kaisers (seltene Auszeichnung für die besten Admiräle der Flotte) 1275 NGZ

Lebenslauf

Prothon da Mindros wurde 1212 NGZ auf Arkon II als Sohn des reichen und einflussreichen Khasurns der Mindros geboren. Er besuchte die besten Schulen und absolvierte ab dem Jahre 1227 NGZ eine Ausbildung an der Flottenoffiziersakademie Bark N’or auf Iprasa. Dort traf er auch mit Gaumarol da Bostich zusammen, der zur gleichen Zeit an der Galaktonautischen Akademie studierte. Im Alter von 19 Jahren hatte er seine Ausbildung beendet und erhielt die ehrenvolle Auszeichnung »Suril Famag« – Der Beste seines Jahrgangs.

Die ersten drei Jahre wurde er in verschiedenen untergeordneten Stabsfunktionen im Flottenkommando beschäftigt, bevor er 1234 NGZ sein erstes Kommando als Navigationsoffizier auf dem Schlachtschiff MINTEROL antreten konnte. Dort erkämpfte er sich rasch Achtung und Respekt unter seinen Kameraden.

Nach der Schlacht im Daakurr-System 1245 NGZ, wo gegen rebellische Kolonisten gekämpft wurde, wurde er zum Ersten Offizier der MINTEROL ernannt, da er nach dem Ausfall des Kommandanten und der wichtigsten Offiziere den Befehl übernommen und den Gegner solange hinhalten konnte, bis Verstärkungen in das Gefecht eingreifen konnten.

Aufgrund dieser Leistung wurde ihm noch im selben Jahr der Dhakat-Orden verliehen.

Danach wurde er zu einem sechsmonatigen Führungslehrgang abkommandiert und bekam anschließend, nach einem hervorragenden Abschluss, das Kommando über die LOLANDES, einem Tender-Schlachtkreuzer der TERMON-Klasse.

Die LOLANDES wurde speziell in Krisengebieten des Kristallimperiums und an den Grenzen des Reiches eingesetzt. In den folgenden Jahren löste da Mindros Konfliktsituationen, wie Aufstände von Kolonisten, Zurückweisung illegaler Einwanderer und dergleichen souverän.

Er zeichnete sich besonders durch seine ruhige, kühle Art aus und verlor nie die Nerven. Seine Autorität als Kommandant war unangefochten. Ebenso war er für seine Rücksichtslosigkeit während des Kampfes berüchtigt, da für ihn nur der Sieg zählte. Jedes Mittel war ihm dafür recht, doch mit besiegten Gegnern ging er, sofern diese rechtzeitig kapitulierten, fair und rücksichtsvoll um. Ab dem Jahre 1250 NGZ wurde er für Einsätze des Geheimdienstes abgestellt. Hier war er für Aufklärungs- und Spionageeinsätze in der LFT und im Forum Raglund zuständig. Auch diese Aufgaben führte er zur größten Zufriedenheit aus. Sein größter Erfolg war die Zerschlagung einer Spionagemission der LFT, wobei er gnadenlos fünf Spezialschiffe des Ligadienstes vernichtete, die ein Agentennetz im Arkon-System aufbauen sollten. Für diese Leistung erhielt der 1255 NGZ den „Zoltral Orden der dritten Stufe“.

Nach diesem Erfolg wurde er wieder in das Flottenkommando als Verbindungsoffizier zur Tu-Ra-Cel versetzt im Range eines Thek'pama.

1258 NGZ lernte er dann die 38jährige Terza auf Arkon kennen. Sofort verliebte er sich in sie und heiratete sie im Oktober 1260 NGZ. In den nächsten Jahren galt sein besonders Interesse der Bekämpfung der IPRASA, die er als schändlichen Verrat an Arkon und dem Imperator empfand.

Ende 1267 NGZ initiierte er in dem Randsystem Don K´abur eine perfekt vorbereitete Falle, auf die die IPRASA hereinfiel. Über 1.000 Einheiten der Rebellenorganisation konnten gestellt und gnadenlos vernichtet werden. Daraufhin verlegte sich die Führung der IPRASA auf Einzelaktionen und rein geheimdienstliche Aktionen.

Mindros wurde dafür im Jahre 1268 NGZ einer der wertvollsten Orden Arkons verliehen: Arkons Stern. Parallel zur Verleihung wurde er zum Admiral und Kommandanten der VI. Kristallflotte ernannt. Mindros war nun innerhalb der Kristallflotte der mächtigste Admiral. Im Jahre 1275 NGZ erhielt er als Anerkennung für seine »großartige« und »heldenhafte« Karriere den Banner des Kaisers, welchen nur wenige bekamen. 1276 NGZ gebar seine Frau einen Sohn, der auf den Namen Carba getauft wurde. Er war Prothons ganzer Stolz. Nur zwei Jahre später bekamen sie ein zweites Kind. Diesmal eine Tochter: Esrana.

Prothon hatte bereits das Leben seiner beiden Kinder verplant. Esrana sollte in die Politik gehen, während Carba eine Laufbahn in der Flotte einschlagen sollte. Zum 25. Hochzeitstag im Oktober des Jahres 1285 NGZ wünschte sich Terza eine Kreuzfahrt auf dem neuen Luxusraumer LONDON. Prothon willigte ein und wollte mit ihr und den beiden Kindern reisen, doch in letzter Minute musste er absagen, da erneut Probleme mit der IPRASA auftraten. So reisten Terza, Carba und Esrana da Mindros alleine und starben am 09. Dezember 1285 NGZ beim Untergang der LONDON.

Für Prothon da Mindros bedeutete dies das Ende aller seiner Hoffnungen. Fortan war er nicht mehr er selbst, sein ganzes Denken und seine Energie kannten nur noch ein Ziel: Rache für den Verlust seiner Familie.

 

Beschreibung: C:\Users\Juergen\Documents\PROCeBook77x48.pngDas DORGON-Projekt – Mordred-Zyklus – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.

Special-Edition Band 9, veröffentlicht am 19.4.2012 • Autor: Nils Hirseland • Titelillustration: Stefan Lechner • Lektorat: André Boyens, Jürgen Freier und Jürgen Seel • Layout: Jürgen Seel • Internet: www.proc-community.de • E-Mail: info@proc-community.de • Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf • Copyright © 1999-2012 • Alle Rechte vorbehalten