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D O R G O N

Fan-Projekt des Perry Rhodan Online Clubs

 

MORDRED-ZYKLUS

Band 7

 

Nils Hirseland

Titelbild von Gaby Hylla

 

 

Kampf um Saggittor

Aurec kämpft um die Freiheit der Galaxis Saggittor

 

Was bisher geschah

Im Oktober des Jahres 1285 NGZ bricht das Luxusraumschiff LONDON zu einer Kreuzfahrt quer durch die Lokale Gruppe auf. Das neue Flaggschiff der Kosmischen Hanse soll das traditionsreiche terranische Unternehmen zu neuem Glanz verhelfen.

Mit an Bord ist auch Perry Rhodan, der den bedeutenden Somer Sruel Allok Mok auf der LONDON für Camelot gewinnt. Zu den illustren Gästen zählt nicht nur die Familie der arkondischen Orbanashols, sondern auch die Sekte »Die Kinder der Materiequelle« unter der Führung von Vater Dannos.

Sie sind auf einer selbst ernannten kosmischen Mission und entführen die LONDON. Doch ihr »perfekter kosmischer Plan« scheitert, als ein fremdes Raumschiff auftaucht und die LONDON in die Galaxis M64 bringt. Nachdem das Luxusraumschiff durch die kosmische Inkarnation Rodrom in die Vergangenheit versetzt wurde, versucht Perry Rhodan wieder in das heimische Universum zurückzukehren. Es kommt schließlich zum KAMPF UM SAGGITTOR …

Hauptpersonen

Perry Rhodan – Der Zellaktivatorträger hat einen neuen Feind.

Rosan Orbanashol – Die Halbarkonidin schlittert von einer Katastrophe in die nächste.

Wyll Nordment – Er kämpft um die Liebe von Rosan.

Sam – Der Somer wird zu einem wichtigen Helfer Perry Rhodans.

Aurec – Der junge Saggittone kämpft um die Zukunft seines Volkes.

Rodrom – Die Inkarnation der mächtigen Entität MODROR übt grausame Rache.

Sato Ambush – Der Pararealist in den Wirren von Pararealitäten und Paralleluniversen.

Stewart Landry und Gucky – Sie suchen die LONDON.

 

 

 

 

1. Auf der Suche nach der LONDON

08. November 1285 NGZ

Stewart Landry und Gucky hockten gelangweilt in der Kiste und stopften sich mit Süßigkeiten voll.

»Deine Verpflegung ist wirklich unikal«, unkte Landry als er die Tüte Gummibärchen aufgegessen hatte.

Gucky gab ein Bäuerchen von sich und grinste verlegen. Sie waren bereits seit elf Tagen unterwegs. Eine furchtbar lange wie öde Zeit, obwohl es ihnen in ihrem Versteck, den fünf mal fünf Meter großen Container an wenig fehlte.

Gucky hatte das viele Gold, welches in diesem Container gelagert war, heraus teleportiert und das Equipment der beiden Agenten hineingeladen. Allerlei technische Raffinessen, Schlafzeug, Unterhaltungselektronik, Nahrung und sogar eine kleine Sanitäreinrichtung, die die Ausscheidungen sofort desintegrierte und ihren kleinen Energiegenerator somit noch mit Strom fütterte. Nur an einen Luftionisierer hatten sie nicht gedacht, was die täglichen Toilettengänge in dem kleinen Raum dann weniger angenehm machte.

Doch besonders Stewart Landry war kein Mann, der gerne untätig herum saß. Gucky hatte versucht, den forschen TLD-Agenten von der heilenden Kraft des Nichtstuns zu überzeugen.

Das »Gucky-Sen« war die perfektionierte Methode, um Körper und Geist in Einklang mit der Ruhe des Universums zu bringen. Die wichtigsten Regeln von Guckys Meditationsformel waren: Essen, Trinken, Schlafen und so wenig wie möglich bewegen. Es galt dabei, den Geist frei von jeglichen Pflichten zu machen, die Trägheit zu genießen und Kraft aus der geistigen und physischen Faulheit zu gewinnen.

Während der Mausbiber keine Probleme mit der Umsetzung hatte, wäre Landry in den vergangenen elf Tagen schon des Öfteren am liebsten die Kommandozentrale dieses Onkel Dimytrans gestürmt.

Gucky überwachte telepathisch die Gedanken des »Kindes der Materiequelle«. Landry hingegen war mentalstabilisiert, weshalb Gucky gar nicht in Versuchung gekommen war, in den Gedanken seines Mitstreiters zu schnüffeln.

Der CERES-Kreuzer befand sich im Leerraum zwischen der Milchstraße und Andromeda. Die fünfköpfige Crew wusste bis auf Dimytran wenig über die Entführung. Es waren unwissende Auftragssöldner, denen eine hohe Summe für den Flug versprochen wurde. Nur Dimytran wusste mehr über die Operation. Das Ziel war die abgelegene Galaxie UGCA-092, die nicht einmal einen Eigennamen besaß, so trostlos und abgelegen war sie. Wenn Gucky sich recht erinnerte, lag sie abseits von Pinwheel in der Lokalen Gruppe.

Dimytran dachte, dass er dort die LONDON mit Vater Dannos vorfinden würde. Zuvor würde er allerdings ein Rendezvous mit einem Raumschiff der Mordred haben, um weitere Instruktionen zu erhalten. Der Name Mordred geisterte immer wieder durch die unbedarften Gedanken der Crew.

Bei der Mordred handelte es sich offensichtlich um den Drahtzieher der gesamten Operation. Nach allem, was sie bisher über diese nebulöse Organisation herausfinden konnten, agierte sie aus dem Hintergrund, indem sie skrupellose Söldner für Aktionen anwarb, die gegen die LFT und vor allem gegen Camelot gerichtet waren. Auf die Bezeichnung Mordred war Gucky vor der Entführung der LONDON noch niemals gestoßen, auch in den Datenbanken seines Pikosyns herrschte gähnende Leere. Möglicherweise handelte es sich dabei um eine neue Bewegung, vielleicht eine Terrororganisation, obwohl Gucky bei dieser Bezeichnung vorsichtig war. In der heutigen Zeit wurde dieser Begriff geradezu inflationär verwendet.

Der Mausbiber rekapitulierte, dass die Kinder der Materiequelle auf jeden Fall durch die Mordred unterstützt wurden. Es war davon auszugehen, dass die Entführung der LONDON erfolgreich durchgeführt wurde, denn abgesehen von den Foto- und Videobeweisen, war jeglicher Kontakt zu ihr abgebrochen. Sie war im Vorfeld von Andromeda verschwunden und befand sich vermutlich irgendwo im Umfeld der Galaxie UGCA-092.

Wie eine Spur aus Brotkrumen setzte Landry eine verschlüsselte, kaum messbare Signatur ab, die speziell auf die Sensoren der FREYJA und dem ihr folgenden LFT-Kreuzer NORTH CAROLINA abgestimmt war. So wussten die Kommandanten Xavier Jeamour und dieser verkniffene Henry Portland, welchen Kurs der CERES-Kreuzer einschlug.

Nach diesen anstrengenden Gedankengängen, beschloss Gucky wieder ein wenig zu schlafen. Vielmehr konnte er ohnehin nicht tun.

*

13. November 1285 NGZ

»Das ist so langweilig«, brummte Landry genervt.

»Es ist wie ein Urlaub. Nur ohne Sonne und ohne Strand«, erwiderte Gucky gedehnt.

»Und ohne Frauen«, stellte Landry nüchtern fest. Er erhob sich und dehnte sich.

Der Kurs des CERES-Kreuzers führte seitlich an Pinwheel vorbei und visierte UGCA-092 an. Der Navigator dachte daran, dass sie ihr Ziel in vier Tagen endlich erreicht haben würden. Ansonsten waren die Gedankengänge der Crew weiterhin sehr primitiv. Der Orter dachte daran, wie viele Prostituierte er sich von seinem Anteil leisten konnte, während die Gedanken des Navigators ständig um Fress- und Saufgelage kreisten.

Dimytran dagegen malte sich seine Zukunft auf einer tefrodischen Kolonie in Triangulum aus. Er hatte sich bereits eine idyllische Dschungelwelt ausgesucht, um dort ein Leben in Saus und Braus wie im alten Rom zu führen. Die tefrodische Administration der kleinen Enklave, die ständig am Rande der Vernichtung durch die Kartanin stand, hatte für die in Aussicht gestellte finanzielle und waffentechnische Unterstützung durch Dimytran diesem den gewünschten Planeten als persönlichen Besitz überlassen. Dort gedachte er sich einen Herrschaftssitz zu bauen, der ihm allen erdenklichen Luxus bieten würde. Danach beabsichtigte der selbst ernannte »Onkel« die feudalen gesellschaftlichen Verhältnisse innerhalb der kleinen tefrodischen Niederlassung für seine persönlichen Begierden zu nutzen und sich auf den Sklavenmärkten mit vielen Mädchen zu versorgen, – so lauteten zumindest Dimytrans Wunschträume.

Der Ilt schüttelte sich innerlich vor Abscheu, als er Zeuge der perversen Fantasien des Plophosers wurde. Nur gut, dass er die Wahnvorstellungen dieses Musterexemplares der menschlichen Rasse zunichtemachen würde.

 

2. Rendezvous mit der Mordred

Am 16. November 1285 NGZ erreichte der CERES-Kreuzer endlich den Randbezirk der kleinen Galaxis UGCA-092. Dimytran dachte daran, dass der Treffpunkt in einem System mit einer alten, verlassenen Station der Tefroder lag und sie noch rund 7.500 Lichtjahre davon entfernt waren. Das war nur noch ein Katzensprung.

Landry setzte erneut ein Signal an die FREYJA und NORTH CAROLINA ab. Doch der CERES-Kreuzer fiel plötzlich aus dem Hyperraum.

»Was ist los?«, wollte Landry wissen.

»Keine Ahnung. Dimytran weiß es selbst nicht. Er ist aufgeregt.«

Gucky erlebte die Ereignisse in der Kommandozentrale des Kreuzers durch die Gedanken von Dimytran. Es war wie in einem Film aus der Sicht des Protagonisten. Die Syntronik des Raumschiffes hatte eigenmächtig den Flug beendet und informierte die Besatzung über eine gespeicherte Nachricht. Gucky war gespannt, was das zu bedeuten hatte. Dimytran war jedenfalls ziemlich überrascht.

Vor ihm erschien das Hologramm eines hochgewachsenen Mannes in einer Art Raumanzug oder Rüstung.

Der Silberne Ritter, dachte Dimytran sofort.

»Das Raumschiff wurde automatisch an den gegenwärtigen Koordinaten durch die Syntronik gestoppt. In Kürze wird eines unserer Raumschiffe längsseits gehen. Folgen Sie den Anweisungen des Kommandanten. Sollten Sie sich uns widersetzen, ist unsere Vereinbarung hinfällig. Sollten Sie versuchen, sich abzusetzen, wird die Syntronik den Selbstzerstörungsbefehl initiieren.«

In der Tat hatte Dimytran schon überlegt, mit dem Gold einfach abzuhauen. Vermutlich war das Vertrauen der Mordred in seinen Alliierten nicht sehr groß. Gucky schloss daraus, dass dieser Silberne Ritter jemand von der Mordred sein musste.

Dimytran und seine Crewmitglieder fürchteten den Silbernen Ritter, dessen wahren Namen sie nicht wusten. Er war bekannt für seine unbarmherzige Art und bestrafte Versager mit dem Tod. Leider wusste keiner von ihnen mehr über die Mordred. Sie waren allesamt auf verschiedenen Welten von Mittelsmännern aus dem kriminellen Untergrund angeworben worden. Mafiosi, Galactic Guardians und dergleichen unterhielten offenbar Kontakte zur Mordred. Gucky beunruhigte es, dass offenbar völlig unbemerkt, ein kriminelles Netzwerk entstanden war, das die gesamte Milchstraße durchzog. Allerdings war die Mordred nach außen anscheinend bisher noch nicht in Erscheinung getreten.

Wenige Minuten später tauchte ein unbekanntes Raumschiff auf. Es war kugelförmig und hatte einen Durchmesser von 500 Metern. Vermutlich stammte es aus der Milchstraße.

Gucky berichtete Landry pausenlos über die neuen Ereignisse.

»Vermutlich ein Raumschiff dieser Mordred«, meinte der TLD-Agent.

Der Raumschiffkommandant erschien als Hologramm auf der Brücke des CERES-Kreuzers. Ein kleiner, rundlicher Mann mit Vollbart und seltsamer Kopfbedeckung. Ein ovaler Helm, an dem jede Menge Fransen und herabhängende Tücher befestigt waren.

»Ich bin Oberst Kaljul Hussein del Gonzales, Kommandant der FROSER METSCHO. Ihr Raumschiff steht ab sofort unter Kontrolle der Mordred. Wir bitten Sie höflich aber bestimmt, unseren Anweisungen ohne Widerrede zu folgen«, erklärte der Mann gegenüber Dimytran, der sichtlich immer mehr Angst verspürte.

»Natürlich, aber wieso diese Mittel? Wir haben die 150 Milliarden Galax in Gold und wollen zur LONDON.«

»Reine Sicherheitsvorkehrungen. Sie werden von zwei Raumschiffen verfolgt. Hierbei scheint es sich um Raumer der LFT und der Organisation Camelot zu handeln. War Ihnen das bewusst?«

Dimytran erschrak. Tausend Fragen schwirrten durch seinen Kopf. Gucky war ebenso überrascht.

Er forschte in den Gedanken dieses del Gonzales herum, der jedoch zu Guckys Verwunderung mentalstabilisiert war. Also musste dessen Crew herhalten. Gucky hatte nicht viel Zeit. Er musste schnell herausfinden, woher sie wussten, dass die FREYJA und NORTH CAROLINA sie verfolgten.

Gucky filterte die unwichtigen Überlegungen. Der eine dachte daran, dass seine Topfpflanze dringend Wasser brauchte, der andere hatte Angst vor der nächsten Personalbesprechung mit dem Stationskommandanten der Feuerleitzentrale, der andere … da hatte Gucky es! Suchte nach dem verschlüsselten Signal. Die Crew der FROSER MATSCHI, oder wie dieses Raumschiff hieß, wusste somit, dass jemand ein Signal aus dem CERES-Kreuzer abgeschickt hatte.

»Wir haben Probleme«, meinte Gucky. »Sie wissen, dass blinde Passagiere an Bord sind.«

Das Gespräch zwischen Dimytran und Oberst del Gonzales bestätigte seinen Verdacht. Der Mordred-Oberst wies Dimytran an, den Transmitter zu aktivieren, damit ein Suchtrupp an Bord kommen konnte, um den Kreuzer zu durchsuchen.

Landry nahm den Sender.

»Was hast du vor?«

»Wir haben keine andere Wahl. Bring deine Sachen weg. Ich sende ein erneutes Signal. Ich hoffe, sie können es nicht dechiffrieren. Darin übermittle ich unsere Daten und die Koordinaten, wo sich die LONDON befinden soll.«

»Aber die können uns lokalisieren«, warf Gucky ein.

Landry schmunzelte.

»Das ist richtig. Sie können mich damit finden.«

Nun dämmerte es dem Mausbiber. Dieser Landry musste jetzt wohl unbedingt den Helden spielen. Doch seine Argumentation war einleuchtend. Wenn Gucky unentdeckt blieb, hatte er größere Chancen Landry zu befreien, als umgekehrt. Gucky packte hastig seine Sachen zusammen und teleportierte diese in ein anderes Versteck. Der Container musste so aussehen, als würde er nur von einer Person bewohnt.

Landry sendete das Signal an die FREYJA und NORTH CAROLINA. Gucky wünschte dem TLD-Agenten viel Glück und teleportierte aus dem Container. Er las in den Gedanken von Dimytran, dass das Mordred-Raumschiff das Signal aufgefangen hatte. Der Orter konnte glücklicherweise den Code jedoch nicht entschlüsseln. Der Suchtrupp war bereits an Bord und hielt zielstrebig auf den Lagerraum zu. Wenig später öffneten sie den Container. Landry ergab sich widerstandslos und wurde in die Kommandozentrale des Kreuzers gebracht.

*

»Sie werden mir vermutlich keinen Drink anbieten?«, fragte Stewart Landry den bärtigen Oberst der Mordred.

Grob wurde Landry auf einen Stuhl gedrückt. Der TLD-Agent befand sich im Nebenraum der Kommandozentrale. Ihm gegenüber saß Kaljul Hussein del Gonzales.

»Ich werte das als nein«, meinte Landry und seufzte. Erwartungsvoll blickte der Terraner den Mordred-Oberst an.

»Ich vermute mit dem Teint und der Namenskonstellation stammen Sie von Mashratan. Ist die Mordred eine Eliteeinheit von Kerkum?«

Kaljul Hussein del Gonzales verzog das Gesicht.

»Sie verkennen Ihre Lage. Ich führe das Verhör, nicht Sie. Name?«

»Wessen?«

Del Gonzales gab dem Mann hinter Landry ein Zeichen. Dann wuchtete der die Faust auf Landrys Brust. Hustend sackte der TLD-Agent kurz zusammen.

»Name?«, wiederholte der Mordred-Offizier emotionslos.

Landry seufzte.

»Peer van Reben. Ich bin Mitarbeiter in der Kosmischen Hanse.«

Der Mashrate blickte Landry erwartungsvoll und ebenso misstrauisch an. Offenbar wartete er auf eine weitere Erklärung.

»Nun, ich habe von der Entführung erfahren. Da dachte ich mir, ich hole mir ein Stück vom Kuchen und mache mir in Andromeda ein schönes Leben, denn dort sind die Frau …«

»Ruhe!«, herrschte Kaljul Hussein del Gonzales. »Diesen Schwachsinn können Sie sich sparen, Mister Stewart Landry, Agent des Terranischen Liga Dienstes. Sie sind uns bekannt. Die FROSER METSCHO folgte dem CERES-Kreuzer seit Tagen. Dabei ist uns Ihr Signal an die beiden feindlichen Raumschiffe nicht entgangen.«

Landry lächelte verschmitzt und machte eine unschuldige Geste.

»Sie haben mich ertappt.«

»Ihre gute Laune wird Ihnen noch vergehen. Wie viele sind noch an Bord von ihrer Zunft?«

»Ich arbeite immer alleine«, antwortete Landry ernst. Der Oberst der Mordred schien ihm zu glauben. Kaljul Hussein del Gonzales stand auf und wandte sich von Landry ab. Er faltete die Hände hinter den Rücken und blickte aus dem Fenster in den Weltraum.

»Wir haben nun ein Problem. Wenn wir an den vereinbarten Treffpunkt zur LONDON fliegen, werden die beiden Raumschiff uns folgen und die LONDON finden.«

Landry stutzte.

»Das müsste Ihnen doch egal sein. Sie haben das Lösegeld. Oder hängt Ihre Sympathie so sehr an dieser Sekte?«

Zum ersten Mal lachte der Mordred Oberst. Er drehte sich um und schüttelte den Kopf.

»Nein, ganz gewiss nicht.«

Nun begriff Landry. Ihm war wirklich nicht mehr zum Lachen zumute.

»Dann haben Sie nicht vor, die Passagiere und Crewmitglieder mit der LONDON freizulassen. Sie wollen die LONDON vernichten!«

*

Landry brauchte eine Weile, um die Zusammenhänge zu verstehen. Die Mordred nutzte offenbar die Kinder der Materiequelle dazu, um zu verschleiern, dass eigentlich sie hinter der Entführung des Hanseschiffes stand. Das 500 Meter durchmessende Schlachtraumschiff der Mordred hatte nun wohl den Auftrag, die LONDON zu vernichten.

»Wieso dieser ganze Aufwand? Sie hätten doch die LONDON irgendwo während des Kreuzfluges zerstören können?«

Kaljul Hussein del Gonzales winkte ab.

»Das war nicht der Plan. Die Mordred sollte im Hintergrund bleiben. Niemand hätte von uns Notiz nehmen sollen. Nun, so wird es auch wieder sein, sobald Sie tot und Ihre beiden Raumschiffe vernichtet sind.«

Del Gonzales kraulte seinen Bart und atmete tief durch.

»Nun denn, werft Mister Landry aus der Schleuse. Ich habe keine Verwendung mehr für Sie. Sterben Sie wohl, Mister Landry!«

Der kräftige Bewacher packte Landry und zog ihn hoch.

»Gleichfalls.«

»Ich werde noch mein langes Leben genießen«, erwiderte del Gonzales amüsiert.

»Och, nicht, wenn Ihr Silberner Ritter von Ihrer Inkompetenz erfährt.«

»Halt«, brüllte der Mordred Oberst.

Landrys Bewacher stoppte und schubste Stewart wieder in Richtung Tisch. Kaljul Hussein del Gonzales zog einen Thermostrahler und richtete ihn auf den TLD-Agenten.

»Keine Mätzchen. Was meinen Sie damit?«

»Im letzten Signal habe ich Koordinaten der LONDON durchgegeben. Ich habe Dimytran abgehört. Vermutlich sind die beiden Raumschiffe schon dort.«

Fassungslos starrte der Mordred Offizier den TLD-Agenten an. Vermutlich überlegte er, ob Landry bluffte. Doch dieses Mal sagte er sogar die Wahrheit. Er hatte in der letzten Nachricht die Koordinaten des möglichen Aufenthaltsortes der LONDON durchgegeben. Was ging nun in diesem Möchtegernoberst vor? Dass er sich vor den Konsequenzen fürchtete, war ihm anzusehen. Er hatte seine Überheblichkeit verloren. Die Angst vor dem geheimnisvollen Silbernen Ritter war groß. Die 150 Milliarden Galax an Lösegeld schienen für den Kommandanten der FROSER METSCHO nebensächlich zu sein.

Schließlich senkte Kaljul Hussein del Gonzales die Waffe und aktivierte sein Interkom.

»Kommandant an FROSER METSCHO. Alles bereit machen für Hyperraumflug Richtung LONDON. Ich komme an Bord.« Dem grobschlächtigen Muskelpaket mit der grünen Haut gab er den Befehl, an Bord des CERES-Kreuzers zu bleiben.

»Um Sie kümmere ich mich später, Landry!«

Mit den Worten verschwand der Oberst aus dem Raum. Landry blieb in dem Quartier und sah, wie einige Minuten später der Sternenhimmel dem flimmernden Hyperraum wich. Sie kamen der LONDON immer näher.

 

3. Wo ist die LONDON?

17. November 1285 NGZ

Stewart Landry war froh, dass er durch die Kabine gehen konnte. Nach den langen Tagen im Container kam ihm das Quartier neben der Kommandozentrale des CERES-Kreuzers nicht wie ein Gefängnis vor, auch wenn vor der Tür der umweltangepasste Terraner stand.

Viel hatte Landry über die Mordred nicht in Erfahrung gebracht. Sie war auf jeden Fall der Drahtzieher der Entführung und plante die Vernichtung der LONDON. Offiziell sollte wohl den Kindern der Materiequelle die Schuld in die Schuhe geschoben werden. Im Gegensatz zu einer Terrororganisation mit einer »Message«, wollte die Mordred verborgen bleiben. Gerade diese Einstellung machte sie gefährlich. Offenbar war der ganze Verein militärisch strukturiert, da Kaljul Hussein del Gonzales sich als Oberst bezeichnete. Die ganze Organisation schien äußerst effizient zu sein, was noch dadurch unterstrichen wurde, dass sie sogar über einen Schlachtkreuzer verfügten.

Die Motive der Mordred lagen dagegen völlig im Dunkeln. Das Gespräch mit diesem Oberst Kaljul Hussein del Gonzales hatte Landry keinerlei tiefgreifende Erkenntnisse gebracht.

Der CERES-Kreuzer fiel wieder aus dem Hyperraum. Landry erkannte einen Planeten in unmittelbarer Nähe. War dort die LONDON?

Mit bloßem Auge war sie jedenfalls nicht zu erkennen. Vielleicht befand sie sich auch in der abgewendeten Seite des Gestirns.

Die Tür glitt zur Seite. Oberst Kaljul Hussein del Gonzales stand an der Türschwelle mit gezücktem Strahler. Sein Ausdruck war ernst. Landry konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

»Wo ist die LONDON«, knurrte der Mordred-Kommandant.

Landry zuckte unschuldig mit den Schultern.

»Woher soll ich das wissen?«

Er sagte sogar die Wahrheit. Es war unwahrscheinlich, dass die FREYJA und die NORTH CAROLINA so schnell die LONDON in Sicherheit gebracht haben konnten, zumal er ihnen die Instruktion gegeben hatte, lieber das Mordred-Raumschiff zu stellen. Und wo waren die beiden Raumer eigentlich?

»Wenn Sie nichts wissen, sind Sie unnütz«, sagte der Oberst und zielte auf Landry. In diesem Moment riss Gonzales Arm nach oben. Ein Schuss löste sich. Dann wurde er nach hinten geschleudert und warf seine zwei Männer dabei um. Der grobe Hüne rannte in den Raum, doch weit kam er nicht. Er flog an die Decke. Immer wieder und wieder hämmerte sein Kopf gegen die Stahldecke, dann fiel er bewusstlos zu Boden.

Energiestrahlen zuckten durch die Kommandozentrale. Plötzlich stand Gucky neben Landry, fasste ihn am Arm und schon waren sie auf einer anderen Etage.

»Ein wenig zu viel«, stöhnte Gucky. Dieser Stress ist nicht gut für mein weiches, seidiges Fell.«

Landry fühlte mit drei Fingern, ob Gucky in Bezug auf seinen Pelz richtig lag. Doch, der Mausbiber hatte dringend eine Fellpflege nötig.

»Was machen wir jetzt?«, wollte Landry wissen.

»Nun, die LONDON ist nicht in diesem Sonnensystem. Ich empfange hier keinerlei Gedanken von intelligentem Leben. Dimytran ist ziemlich schockiert und dieser Mordred-Fatzke macht ihn gerade zur Schnecke und schickt einen Suchtrupp los.«

»Der wird uns bei deinen begnadeten telepathischen Fähigkeiten wohl kaum zur Gefahr werden.«

Gucky grinste breit. Sie setzten sich in Bewegung, um nach einem besseren Versteck zu suchen. Gucky blieb plötzlich stehen.

»Schon die Puste ausgegangen?«

Der Ilt winkte ab.

»Die NORTH CAROLINA und FREYJA sind gerade im System angekommen. Der Mordred-Oberst ist wütend und … erschießt gerade die Crew des CERES-Kreuzers.«

Gucky drückte Landry einen Strahler in die Hand. Dann packte er ihn und sie teleportierten in die Zentrale. Doch es war zu spät. Die Crewmitglieder inklusive Dimytran waren tot. Die Mordred-Soldaten waren durch den Transmitter auf die FROSER METSCHO gegangen.

Landry versuchte den CERES-Kreuzer unter Kontrolle zu bringen.

»Da blinkt was rot«, sagte Gucky und deutete auf das Display.

»Ach, das ist nur der Hinweis, dass die FROSER METSCHO ihre Waffen auf uns in Kürze abfeuert.«

Landry sendete einen Funkspruch an die NORTH CAROLINA und FREYJA. Gucky reagierte ohne dass es einer Kommunikation bedurfte. Er teleportierte Landry und sich auf die FREYJA. Als nächstes blickte der TLD-Agent in das Gesicht des Arkoniden Atlan.

»Könnt ihr mir sagen, wo ihr die LONDON versteckt habt?«

Gucky und Landry blickten sich fragend an. Dann meldete der Kommandant Xavier Jeamour die Vernichtung des CERES-Kreuzers.

Gucky und Landry erklärten dem verdutzten Atlan die Situation. Landry berichtete von der Mordred, die offenbar hinter der Entführung steckte. Jeamour stellte die Verbindung zur NORTH CAROLINA her.

»Wir bringen dieses Raumschiff auf, bevor die fliehen können«, entschied Atlan.

Jeamour und der Henry Portland koordinierten einen Angriff auf die FROSER METSCHO. Wenige Momente später eröffneten beide Raumschiffe das Feuer auf den Mordred-Raumer. Sie konzentrierten sich zuerst auf den Schutzschirm. Sobald dieser Strukturlücken aufwies, sollte der Antrieb beschossen werden, um einen Eintritt in den Hyperraum zu verhindern.

Atlan nahm während des Feuers Kontakt zur FROSER METSCHO auf. Es dauerte einige Sekunden, dann endlich wurde der visuelle Kontakt hergestellt. Oberst del Gonzales wirkte gefasst, diszipliniert.

»Ich bin Atlan. Kapituliere sofort.«

Es war keine Zeit für Diplomatie. Jeder wusste, dass sie auf gegnerischer Seite standen. Atlan benötigte keinen Dialog, da er den Aussagen von Stewart Landry und Gucky ganz offensichtlich Glauben schenkte. Landry fragte sich nur, wo sich die LONDON befand? Möglicherweise war die Entführung missglückt. Doch wieso hatte die LONDON dann keinen Kontakt in Andromeda aufgenommen? Die Alternative hieß, dass die LONDON vielleicht vernichtet wurde.

»Dreckiger Verräter an der Menschheit«, antwortete Oberst del Gonzales.

Atlan erwiderte nichts.

Oberst del Gonzales nahm einen Strahler, hielt ihn sich an die Schläfe und drückte ab. Dann erlosch das Bild.

»Das feindliche Raumschiff implodiert«, meldete Xavier Jeamour erstaunt.

Die Crew des Mordred-Raumschiffes hatte den Freitod vorgezogen. Die FROSER MATSCHO verging in einem Feuerball, dessen Reste als nachglühende Plasmawolke langsam im freien Raum verwehten. Landry überraschte dieser besessene Fanatismus. Das waren keine gewöhnlichen Kriminellen, sondern eine ideologisch geprägte Organisation. Del Gonzales hatte Atlan als Menschheitsverräter bezeichnet. Offensichtlich waren die unbekannten Drahtzieher, die wohl hinter der Mordred standen, mit der auf Ausgleich gerichteten Politik der Unsterblichen, nicht einverstanden.

Atlan seufzte und rief Jeamour, Gucky und Landry in den Besprechungsraum neben der Kommandozentrale. Via Interkom wurde auch der LFT-Kommandant Henry Portland zugeschaltet.

»Die LONDON sollte nach Plan der Entführer in diesem System warten. Doch sie ist nicht da. Das bedeutet, dass etwas während der Entführung durch die Kinder der Materiequelle zwischen Andromeda und diesen Koordinaten schief gelaufen ist«, rekapitulierte der Arkonide.

»Somit bleibt uns nur eine ausgedehnte Suche. Wir sollten einen Kreuzer zurück zur Milchstraße schicken, um Verstärkung anzufordern«, meinte der Terraner Portland.

Atlan stimmte dem zu. Mit zwei Raumschiffen konnten sie ewig nach der LONDON suchen.

Atlan und Gucky waren betrübt. Sie dachten sicherlich an Perry Rhodan. Niemand wollte sich die Möglichkeit eingestehen, dass die LONDON vernichtet wurde. Landry ebenso wenig. Vielleicht musste sie irgendwo notlanden oder der Hyperfunk war ausgefallen. Was auch immer der Grund war, die Suche nach der Stecknadel in der Lokalen Gruppe hatte begonnen.

 

4. Kampf gegen die Söldner

Todbringende Energiestrahlen zuckten an dem Auto vorbei und trafen eine Straßenlaterne, die sich in eine Glutwolke verwandelte.

Rhodan versuchte so schnell wie möglich zu fahren. Er raste mit fast 130 Stundenkilometern über die Neustädter Hauptstraße, Scardohn, Itzakk und Glyudor kamen mit ihrem Gefährt jedoch immer näher.

Dann bremste er ab und zog den Wagen in eine Seitenstraße, die ins Hafengebiet führte. Vor einer verfallenen Werft hielt das Vehikel an.

»Aurec und ich lenken sie ab«, sagte er knapp und stieg zusammen mit Saggittonen aus dem Wagen.

Shel fuhr mit dem Wagen weiter. Rhodan deaktivierte seinen Strangenessabsorber.

Sofort wurden die drei Verfolger auf die beiden aufmerksam. Sie bogen ebenfalls in die Seitenstraße und stiegen aus dem Wagen, während der Terraner und der Saggittone über eine Feuerleiter auf das Dach eines Fabrikhochhauses nahe dem Hafenbecken stiegen.

Scardohn blieb kurz stehen und hielt den Sensor in alle Richtungen. Das Gerät blinkte auf, als er es in Richtung Fabrikhaus hielt.

»Da sind sie!«, rief er den anderen zu. Sie kletterten ebenfalls die Leiter hoch und schossen auf die beiden.

Aurec und Rhodan teilten sich auf, um so die Söldner zu verwirren. Der Cameloter versteckte sich hinter einem Lüftungsschacht. Da erhielt er per Interkom eine Nachricht von der LONDON. Spechdt teile mit, dass sie wieder im System waren. Rhodan befahl ihm zuerst die anderen abzuholen, dann sollte die LONDON ihn selbst und Aurec retten.

Kaum hatte Rhodan zu Ende gesprochen, stürzte sich Gluydor auf ihn. Der Molekularverformer schlug Rhodan mehrmals ins Gesicht. Perry wehrte sich mit einem Schlag in den Magen.

Beide rangen bis sie vom Rand des Daches abrutschten und die Leiter herunterfielen. Nach etwa fünf Metern konnten sie sich an den Sprossen festhalten. Rhodan versuchte wieder heraufzuklettern, doch der Gys-Voolbeerah hielt ihn am Bein fest. Er zückte ein Energiemesser und stach damit Rhodan ins Bein. Der Cameloter schrie leise auf, dann schoss er mit dem Thermostrahler auf Glyudor, doch dieser wich behände aus. Alles, was Rhodan traf, war die Leiter. Der untere Teil wurde abgetrennt und fiel in den Abgrund. Glyudor klammerte sich an Rhodans Bein fest, um nicht mit in die Tiefe zu fallen. Er stieß das Energiemesser wieder in Rhodans Schenkel, doch der Terraner verpasste ihm einen Schlag, der Molekularverformer verlor den Halt, rutschte ab und stürzte gellend schreiend in die Tiefe.

Mühsam kletterte Perry wieder auf das Dach, biss die Zähne zusammen und zog das Messer aus der Wunde.

Aurec kämpfte mit Scardohn. Der Saggittone hatte dem Hauri einen Schlag mit der rechten Faust versetzt, der ihn von den Füßen holte. Dann rannte Aurec auf den Terraner zu und half ihm auf.

Der Pterus Itzakk und Scardohn näherten sich Rhodan und Aurec.

Itzakk verpasste Rhodan mehrere Schläge in den Magen. Der Cameloter stand gegen den Upanishad-Krieger auf verlorenem Posten. Auch Aurec hatte inzwischen große Probleme mit Scardohn. Beide standen nahe am Rand des Daches und belauerten sich.

»Ich werde dich so aufschlitzen, wie ich es mit deiner Mutter gemacht habe«, zischte das ausgemergelte und dennoch kräftige Wesen.

Der Saggittone rannte über eine Brücke, die die Verbindung zum Nachbargebäude darstellte. Scardohn ging langsam hinterher, dann warf er sich auf Aurec. Beide rangen miteinander. Aurec versuchte zu schießen traf allerdings nur den Brückenhalter, der nachzugeben begann. Die beiden richteten sich wieder auf und bekämpften sich am Geländer der Brücke.

Itzakk hatte Rhodan inzwischen blutig geschlagen. Der Cameloter war nahezu wehrlos, doch der Pteru tötete ihn noch nicht. Stattdessen beobachtete er die Auseinandersetzung zwischen Aurec und Scardohn.

Aurec robbte zum anderen Ende der Brücke, Scardohn sprang auf, doch da brachen die Pfeiler durch. Aurec schaffte es noch zum Dach des anderen Hauses, doch die Brücke fiel in den Abgrund und riss den Hauri mit in den Tod. »Nein!«, grollte Itzakk und schoss mit dem Strahler auf den Saggittonen. Danach nahm er einen von zwei Thermaldetonatoren und warf ihn auf das Dach. Aurec konnte gerade noch in Deckung gehen.

Rhodan kam wieder zu sich und aktivierte den zweiten Detonator an Itzakks Gürtel, dann versetzte er dem Pteru einen Tritt und warf sich auf die Leiter.

Itzakk rappelte sich wieder auf und bemerkte den aktivierten Thermaldetonator, doch es war zu spät. Eine Sekunde später explodierte der Ewige Krieger.

Er herrschte eine Weile Stille. Rhodan kletterte nun bereits zum dritten Mal die Leiter hoch. Keuchend legte er sich auf den Boden und schnaufte erst einmal durch.

Aurec winkte ihm vom anderen Gebäude aus zu.

Die deutsche Polizei war inzwischen angekommen und wollte auf das Dach, doch ein lautes Dröhnen am Himmel ließ sie zurückschrecken. Die Erde begann zu erzittern. Etwas Gewaltiges schob sich langsam in Richtung Neustadt.

Rhodan atmete erleichtert auf, denn es musste sich um die LONDON handeln. Die Polizisten blieben erstaunt stehen und sahen in den Himmel. Der Unsterbliche richtete den Blick nach oben und seine Miene versteinerte sich. Über Neustadt befand sich nicht die LONDON, sondern das gewaltige Pflockschiff. Das asteroidenähnliche Raumschiff reichte von der Ortschaft Scharbeutz bis nach Neustadt hinein.

Es war Rodroms Raumschiff! Doch es kam nicht allein. Um das gewaltige Schiff waren unzählige Einheiten von 100 Meter großen Diskusraumern gruppiert, die sich über die ganze Bucht verteilten und anfingen auf alles zu schießen.

Rhodan nahm die Treppe und rannte bis zum Eingang des Gebäudes. Aurec wartete dort bereits auf ihn.

Die Nacht wurde zum Tage, denn entlang der gesamten Küste sah man ungezählte Explosionen, die sich immer mehr zu einem zusammenhängenden Feuersturm vereinigten. Die Apokalypse für diese Menschheit des 20. Jahrhunderts war angebrochen. Zusammen mit Aurec versuchte er irgendwo Schutz zu finden.

 

5. Der Weltuntergang

Rodrom betrachtete durch das große Panoramafenster auf der Kommandozentrale der WORDON, das sich immer weiter ausbreitende Feuerinferno über der Lübecker Bucht. Die Kjollenraumer verursachten ein schrilles Heulen, das für die panisch flüchtenden Menschen zu den Trompeten des Untergangs wurde. Systematisch vernichteten seine Untergebenen Häuserblock um Häuserblock und hinterließen ein glühendes Meer aus Schutt und Asche.

Die wenigen Menschen, die dem Inferno entkamen, schrien verzweifelt und suchten in Tunneln, Schächten und sogar in den Abwasserkanälen Schutz vor den erbarmungslosen Angreifern. Doch noch hielten sich die Kjollen zurück. Sie warteten anscheinend auf einen endgültigen Befehl ihres Herren.

Dieser stand direkt vor dem großen Panoramabildschirm, der sich in diverse kleinere Bildschirme aufgeteilt hatte und ergötzte sich an dem Massaker. Am linken oberen Bildrand erschien das Bild von Masor. Der kleine Kjolle sabberte regelrecht vor Blutdurst.

»Meister, wie sind Eure weiteren Instruktionen? Was sollen wir mit diesem Schandfleck machen?«, fragte er mit überschlagender Stimme.

Rodrom konzentrierte sich erst einmal auf eines der Schlachtbilder. Es zeigte, wie eine Mutter mit zwei Kindern auf dem Arm durch die Straße rannte. Neben ihr schlugen Energiebündel ein. Dann traf ein weiterer Schuss ein Hochhaus, das über den drei Menschen zusammenbrach.

Er empfand im höchsten Maße Zufriedenheit bei diesem Anblick. Nun wandte er sich Masor zu.

»Ausradieren

*

Rhodan und Aurec hatten inzwischen die anderen gefunden. Sie versteckten sich hinter einer großen Scheune. Neustadt stand in Flammen. Die Menschen rannten schreiend durch die Straßen, in der Hoffnung irgendwo Schutz zu finden.

Rhodan und seine Begleiter kämpften sich zum Strand durch. Die Hafenanlagen standen in Flammen. Rhodan sah den Sandstrand entlang des Küstenstreifens als sichersten Weg zum vereinbarten Landeplatz an.

Die Kjollen belegten inzwischen auch kleinere Küstenortschaften mit ihrem vernichtenden Feuer. Sie begnügten sich dabei anscheinend damit, lediglich Thermostrahler einzusetzen, was die überall aufflammenden Feuerbrünste erklärte. Rhodan wollte sich nicht ausmalen, welche Folgen der Einsatz hochenergetischer Waffen haben würde. Es schien fast so, dass der Sadismus Rodroms ihnen noch eine gewisse Chance geben würde.

Die WORDON selbst thronte über der Lübecker Bucht. Ein unheimlicher und zugleich gespenstischer Anblick. Bedrohlich lag sie über dem Wasser. Das riesige Schiff setzte im Gegensatz zu den Diskusraumern hochenergetische Waffensysteme ein, die verheerende Wirkungen hatten. Doch noch immer schien es, als ob ihre Nemesis nur mit ihnen spielen würde.

Wieder löste sich ein grelles Energiebündel aus einem der grotesken Geschütztürme, die ohne erkennbares Muster über die Oberfläche von Rodroms Raumschiff verteilt waren und schlug in dem Ort Scharbeutz, vielleicht zehn Kilometer Luftlinie von ihnen entfernt, ein. Die Nacht wurde zum Tag. Ein Pilz aus Feuer und Rauch stieg in den Nachthimmel empor.

Es entstand eine Welle aus Feuer, die über Wasser und Land in Richtung Neustadt raste. Einige von Rhodans Begleitern schlossen bereits mit dem Leben ab.

Rosan klammerte sich an Wyll und zitterte am ganzen Körper.

Shel schrie hysterisch auf, die Tränen strömten ihr über die Wangen. Sie verfluchte, dass sie jemals auf diese Reise gegangen war. Sie schlug mit den Fäusten auf Aurecs Brust und gab ihm die Schuld. Der Saggittone reagierte ruhig und besonnen. Er nahm sie in seine Arme und drückte sie kräftig.

Sam hingegen blieb ruhig stehen und betrachtete das grauenvolle Spektakel, in dem Rodrom und sein Hilfsvolk die Regie führten.

»Dantes Inferno«, flüsterte er leise.

Ullryk Wakkner dagegen kauerte auf dem Sandboden. Angstschweiß lief ihm von der Stirn und formte sich zu kugelförmigen Tropfen.

Perry Rhodan sah starr dem drohenden Inferno entgegen. Wegrennen hatte keinen Sinn mehr.

Der Feuerwall jagte über das Wasser hinweg, das zum Teil einfach verdampfte. Vielleicht waren es noch vier oder fünf Kilometer.

Plötzlich tauchte ein zweites gigantisches Ungetüm über der Bucht auf, das von rötlich glühenden Luftmassen umgeben war. Aus der Form und den Abmessungen schloss Rhodan, dass es sich um die LONDON handeln musste, die mit aktiviertem Paratronschirm in die Atmosphäre der Erde eingetaucht war. Das feurige Phantom ging tiefer und schleuste eine Space-Jet aus. Diese ging bis auf wenige Meter an die Oberfläche heran.

Rhodan schüttelte die anderen, um sie aus ihrer Lethargie zu reißen. Die Jet steuerte auf die Küste zu und landete wenige Meter entfernt. Sie stürmten auf den kleinen Raumer zu und wurden durch einen Traktorstrahl in eine Schleuse befördert. Kaum waren sie an Bord, startete das Beiboot mit halsbrecherischen Werten. Wenig später wurde die Jet in die LONDON eingeschleust.

Inzwischen hatten jedoch bereits die ersten Kjollenraumer Kurs auf das terranische Schiff genommen. Sieben Schiffe waren in Angriffsposition gegangen. Sie teilten sich in zwei Gruppen zu drei und vier Schiffen auf und attackierten das Raumschiff. Doch der Paratronschirm hielt noch den Energiesalven stand, was sich jedoch sehr schnell ändern würde, wenn das riesige Pflockschiff in den Kampf eingreifen sollte. Sie mussten schnellst möglichst verschwinden, sonst hatten sie keine Chance.

Wyll Nordment rannte zur Kommandozentrale und übernahm sofort die Position des Piloten. Er steuerte die LONDON manuell aus der Atmosphäre heraus und verließ mit Höchstbeschleunigung den Erdorbit. Nun konzentrierte sich auch Sato Ambush wieder voll auf die aktuelle Situation.

»Hier in der Nähe muss eine Art Portal sein, genauer ausgedrückt eine Raumzeitfalte, durch die die Schiffe der Kjollen kamen. Wir müssen dort hindurch! Aller Wahrscheinlichkeit nach, landen wir wieder irgendwo in Saggittor.«

»Aller Wahrscheinlichkeit nach?«, hakte Nordment nach.

Ihm war nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken woanders herauszukommen.

Dann sah er Rosan an. Letztendlich war ihm aber am Wichtigsten mit ihr zusammen zu sein. Egal an welchem Ort des Universums er sich befand, Hauptsache sie war bei ihm.

»Ist schon gut. Wir haben wohl keine andere Alternative«, stimmte er schließlich zu.

Auch Rhodan gab mit einer Geste sein Einverständnis.

»Jeder Ort ist besser als dieser hier.«

Er wies Spechdt an, den Sektor nach ungewöhnlichen Raumanomalien zu scannen. Die Syntronik funktionierte natürlich noch immer nicht einwandfrei. Man konnte nur einen bestimmten Radius erfassen, doch die Auswertung der Messdaten ergab ungewöhnliche Werte. Er ließ die Daten auf einem 3D-Hologramm anzeigen.

»Dorthin muss die LONDON«, forderte Ambush beschwörend.

Perry Rhodan brauchte nicht lange, um zu reagieren. Er kannte Sato Ambush lange genug und vertraute seiner Intuition. Er gab den Befehl mit Höchstgeschwindigkeit Kurs auf die angemessene Anomalie zu nehmen.

Ambush erklärte, dass man nur durch diese Verbindung fliegen musste, um wieder zurück nach Saggittor zu gelangen. Rhodan hoffte, dass sich der Pararealist nicht irrte.

Doch die LONDON wurde bereits von einigen Kjollenraumern und dem Dolan beschossen. Die Feuerkraft der Verfolger konnte den Schutzschirm nicht überlasten, doch die WORDON kam bedrohlich näher.

»Sie wird vor Erreichen der Raumzeitfalte in Feuerreichweite kommen«, erklärte Nordment beunruhigt.

Rhodan überlegte, was sie machen konnten.

Sato wandte sich ihm zu. »Du erzähltest von einer Bombe, die dieser Vater Dannos hier versteckt hatte?«

»Ja, und?«, wollte Rhodan wissen.

»Haben die Saggittonen diese Bombe bei der Entschärfung von Bord der LONDON entfernt?«, forschte der kleine Asiate weiter.

Rhodan wusste dies nicht genau. Er musste eine Weile überlegen.

»Nein, sie ist hier im Sicherheitstrakt gelagert«, erklärte er schließlich.

»Gut, führe mich zu ihr«, bat Ambush.

Er und Rhodan eilten in den Sicherheitstrakt. Dort ruhte die Bombe, die recht beachtlich war. Sie hatte eine gewaltige Sprengkraft und hätte die LONDON in der Mitte zerrissen, wäre sie detoniert.

Sato Ambush schätzte den Sprengkopf auf etwa zwei Meter. Er schluckte kurz, dann sah er Perry Rhodan an.

»Ich werde die Bombe mitnehmen.«

»Wohin?«

»Nach Embuscades Welt. Von dort aus kann ich mich an jeden beliebigen Ort in diesem Paralleluniversum begeben. Das Ziel wird der Dolan sein. Ihr müsst allerdings seinen Schutzschirm schwächen, damit ich hindurch kann. Die Bombe werde ich dort ablegen.«

»Ich verstehe nicht ganz. Der Dolan ist nicht so gefährlich«, meinte Rhodan, »die WORDON stellt das größte Problem dar.«

»An diese komme ich aufgrund des höherdimensionalen Schutzschirms nicht heran. Aber der Dolan dürfte dort landen können.«

Nun verstand Rhodan. Ihm war bei dieser Aktion zwar nicht sonderlich wohl zumute, doch es war eine reelle Chance.

»Pass auf dich auf, mein Freund«, sagte er und umarmte den Japaner.

»Wir werden uns wiedertreffen, Perry Rhodan!«, versprach Ambush und entmaterialisierte mitsamt der Bombe.

Rhodan seufzte, dann rannte er wieder zur Kommandozentrale.

 

6. Ein selbstmörderischer Plan

Rodrom stand ungeduldig auf der Kommandobrücke und befahl, die WORDON noch weiter zu beschleunigen. Doch auch das Beschleunigungsvermögen des riesigen Schiffes war begrenzt.

»Wie lange noch, bis wir in Feuerreichweite sind?«, fragte er in einem düsteren Ton.

»Wir werden sie 20 Millionen Kilometer vor dem Erreichen der Raumzeitfalte in Feuerreichweite haben«, erklärte der Waffenoffizier.

Der Rote nickte und beobachtete, wie die LONDON vergeblich von den Kjollenraumern beschossen wurde. Der Dolan, auf dem sich Ark Thorn und Melsos Berool befanden, schnitt den Kurs der LONDON und versuchte sie so, vom Kurs abzubringen. Das Feuer der LONDON konzentrierte sich auf den Dolan. Dessen Schutzschirmstaffel wurde instabil und fing an zu flimmern, dann brach sie für kurze Zeit zusammen. Aus dem überlasteten Schirm kam es zu einem Energieüberschlag, der die Hülle des organischen Raumschiffes beschädigte.

Thorn beschleunigte darauf den Dolan, um aus der Reichweite der LONDON zu kommen.

*

Sato Ambush hatte diese Zeit gereicht, um, wie geplant, an Bord des Schiffes zu gelangen. Er war in der Exekutorenzentrale gelandet, wo er zwei der versklavten Gehirne erlöste. Er konzentrierte sein Ki und schuf eine Pararealität, in der der Dolan schwer beschädigt war.

»Exekutor Eins an Ark Thorn. Wir haben schwere Schäden und sollten besser zum Mutterschiff zurückkehren«, meldete dieser.

Thorn schrie wütend auf, daraufhin wendete er den Dolan und informierte die WORDON über seine Rückkehr.

Melsos Berool dagegen gefiel die Sache nicht.

»Irgendetwas stimmt nicht. Zwei der Exekutoren sind ausgefallen, obwohl wir dort keinen Treffer bekamen, ich schaue unten nach«, informierte der Lare den Zeitpolizisten und bewaffnete sich mit einem Strahler.

In der Zentrale befand sich der Japaner und war dabei, die Bombe zu aktivieren. So hörte er den Laren nicht, der sofort auf den Pararealisten schoss und ihm an der rechten Schulter traf. Schreiend brach Ambush zusammen.

»Du kleiner Wicht, wer immer du auch bist, hast ausgedient«, sprach Berool bedrohlich. »Erst schicke ich dich ins Jenseits, dann Perry Rhodan!«

Ambush konnte sich kaum bewegen. Er hatte zwar die Möglichkeit wieder nach Embuscades Welt zu springen, doch musste die Bombe auf der WORDON detonieren. Die durch sein Ki geschaffene Pararealität musste erhalten bleiben, sonst wäre sein Plan gescheitert. Er versuchte die Pararealität auch auf den Laren zu erweitern. Für einen Moment gelang es ihm. Melsos Beerol befand sich plötzlich im Vakuum. Es kam für den Laren zu einer explosiven Dekompression, da er an Bord des Dolans natürlich keinen Raumanzug trug. Durch die Verletzung konnte er die Pararealität um den Laren nicht aufrechterhalten. Doch die wenigen Sekunden, in denen sein Gegner dem Weltraum ausgesetzt war, hatten ausgereicht, um ihn auszuschalten. Die äußeren Hautzellen waren durch das verdampfende Wasser geplatzt und sein Kreislauf war komplett zusammengebrochen. Qualvoll stöhnend wälzte er sich am Boden und dämmerte in tiefe Bewusstlosigkeit hinüber.

*

»Ziel in zwei Minuten erreichbar!« meldete der Feuerleitoffizier der WORDON.

»Maximale Energie auf die Geschütze! Diesmal schieße ich dich zur nächsten Materiequelle, Perry Rhodan!«

Auf einem Monitor verfolgte Rodrom, wie der Dolan den Landeanflug begann. Er hatte nur Verachtung für die geschlagenen Kämpfer übrig.

*

»Hier Ark Thorn. Code Blau zur Identifizierung. Schwere Schäden an Bord, bitte um Einschleusung«, identifizierte sich der Zeitpolizist bei der Kommandozentrale der WORDON.

Danach rief er Berool über die interne Kommunikation, bekam jedoch keine Antwort.

»Er hatte recht, etwas stimmt nicht!«, murmelte er zu sich selbst und aktivierte den Autopiloten. Anschließend verließ er die Zentrale um den Laren zu suchen.

Dieser lag hilflos vor Ambush. Der Pararealist ergriff den Strahler des Laren und war für einen Moment versucht, das Problem endgültig aus der Welt zu schaffen, aber er widerstand der Versuchung. Mühsam rappelte er sich auf und taumelte auf die Bombe zu, um seinen Plan endgültig in die Tat umzusetzen.

In diesem Moment erschien der ehemalige Zeitpolizist und rannte laut brüllend auf ihn zu. Ihm blieb nur noch eine Möglichkeit, er hob den Strahler und zielte auf die Bombe.

»Nein!«, hörte er noch, bevor alles für einen kurzen Moment unerträglich hell und dann schwarz wurde.

*

»Feuerbereit!«, meldete der Feuerleitoffizier.

»Feuer!«, befahl Rodrom laut.

Doch dann erfolgte eine heftige Erschütterung. Für einen kurzen Moment fielen sämtliche Geräte aus und das Licht flackerte. Die WORDON verlor an Fahrt und wurde immer langsamer.

»Was war das?«, wollte der Rote wissen.

»Eine Explosion im Hangar, die bis zu den Reaktoren vorgedrungen ist«, erklärte ein Techniker.

Rodrom begriff, dass Rhodan etwas damit zu tun hatte. Die LONDON erreichte die Raumzeitfalte und verschwand darin.

Niemand wagte es Rodrom anzusprechen. Jeder hatte Angst bei einem Wutausbruch Rodroms sein Leben zu verlieren. Wortlos verließ die Inkarnation MODRORs die Zentrale.

Zukthh befahl, die WORDON unverzüglich zu reparieren und dann ebenfalls durch die Raumzeitfalte zu fliegen.

*

Sie hatten es geschafft! Die LONDON war den Verfolgern entkommen. Sie durchflog dank Sato Ambushs tollkühner Aktion die Raumzeitfalte, ohne vorher von der WORDON vernichtet worden zu sein.

Ein Kjollenraumer, der an der Raumzeitfalte Wache hielt, griff die LONDON an, doch das Geschütz des Hanseraumers konnte das Diskusschiff manövrierunfähig schießen.

Rhodan nahm die Besatzung gefangen, die aus drei Kjollen bestand. Zwei davon erlagen allerdings ihren schweren Verletzungen. Der Dritte jedoch war unverletzt und damit ein wertvoller Pfand.

Doch noch war keine Zeit zum Jubel. Die Kjollenraumer und die WORDON konnten ihnen sehr schnell durch die Raumzeitfalte folgen. Daher ordnete Rhodan an, sofort auf Überlichtgeschwindigkeit zu gehen und nach Saggitton zu fliegen.

Er und Aurec hatten nun den Plan gefasst, Dolphus vom Thron zu stürzen. Sie hatten keine konkrete Zielsetzung, doch Aurec hoffte, dass er das Volk auf seine Seite bekommen konnte, wenn er die Möglichkeit hatte, zu ihm zu sprechen.

Die LONDON wechselte in den Hyperraum und verließ das System der Raumzeitfalte.

Rhodan musste an Sato Ambush denken. Sein treuer Freund aus alten Tagen, hatte sein Leben riskiert und vermutlich verloren. Perry fühlte eine Leere in sich. Zum zweiten Mal musste er Abschied von Sato Ambush nehmen.

 

7. In den Wirren der Pararealitäten

Sato Ambush war erleichtert, dass sein Plan anscheinend gelungen war. Auch wenn er selbst offenbar einen hohen Preis dafür bezahlt hatte. Doch da er sich darüber noch Gedanken machen konnte, musste er weiter existieren. Bei der Explosion an Bord der WORDON hatte er sich in eine Pararealität gerettet. Es war ihm demnach rechtzeitig gelungen, aus der Realität der explodierenden Bombe zu entkommen.

Er ließ seinem Blick umherstreifen und stellte fest, dass er sich, anders konnte er seine Eindrücke nicht beschreiben, buchstäblich im Nichts befand. Besaß er überhaupt noch einen materiellen Körper, oder war seine ÜBSEF-Konstante, die man umgangssprachlich mit der Seele gleichsetzte, irgendwo zwischen den übergeordneten Dimensionen, in die das Multiversum eingebettet war, gestrandet? Vorsichtig griff er mit der rechten Hand an den linken Arm und drückte zu.

Schmerz!

Er fühlte den verkrampften Griff seiner Hand um den linken Unterarm. Vorsichtig löste er den Griff seiner Hand, der Schmerz verschwand.

Konnte ein immaterielles Bewusstsein, eine sechsdimensionale Energiekonstante, körperliche Schmerzen empfinden? Soweit er dies beurteilen konnte, wohl nicht. Aber er hatte deutlich den schmerzhaften Griff seiner Hand um den Unterarm gefühlt. Wieder wiederholte er das Spiel, das Ergebnis blieb dasselbe. Das konnte nur heißen, dass er weiterhin ein materielles Wesen war und über einen Körper verfügte. Aber wieso konnte er im Nichts existieren? Vorsichtig vollzog er eine Atemtechnik aus dem Aikido, um durch Bauchatmung sein Ki zu stärken. Tief atmete er ein und fühlte, wie der Waiqi, der äußere Atem, seine Lungen füllte. Er hatte also nicht nur einen Körper, sondern konnte sogar im Nichts atmen. Er vollzog die Meditationstechnik zu Ende und schaute sich erneut um. Das ihn umgebende Nichts hatte sich verändert und war um ihn herum gegenständlich geworden. Er stand auf einer Art felsigem Untergrund, der kurz hinter ihm begann und sich weit vor ihm im Nichts verlor. Je länger er das Nichts vor ihm zu durchdringen versuchte, umso mehr Einzelheiten wurden sichtbar. Weit vor ihm, gerade noch erkennbar, begann ein riesiges Bergmassiv Konturen bilden, das ihn geradezu magisch anzog. Ohne nachzudenken begann er, auf das Bergmassiv zuzugehen.

Spätestens in diesem Moment wurde ihm klar, dass er sich in einer völlig surrealistischen Umgebung befand. Immer neue Einzelheiten wurden am Rande seines Blickfeldes sichtbar und verschwanden wieder hinter ihm im Nichts. Mit jedem Schritt schien er Hunderte von Metern zurückzulegen. Das vor ihm liegende Szenario wurde immer detailreicher, je näher er dem Bergmassiv kam. Die gesamte Landschaft erinnerte ihn an historische Bilder seiner Heimat, die jedoch in der Gegenwart längst verschwunden waren. Unzählige Kriege und Eroberungen hatten auch in Japan sämtliche Relikte aus der Vergangenheit vernichtet. Was erhalten wurde, waren historische Bilder und Gemälde, die die Schönheit der uralten Kultur Japans überlieferten. Doch mit jedem weiteren Schritt fokussierte sich seine Wahrnehmung auf den gewaltigen Berg, den er endlich zu erkennen glaubte. Es musste sich um den heiligen Berg Japans, den Fujisan handeln. In der Gegenwart existierte der Heilige Berg längst nicht mehr, der Vulkan war während des Dolan-Angriffes der Zweitkonditionierten durch ein abstürzendes Ultra-Schlachtschiff der Galaxisklasse regelrecht in die Luft gesprengt worden. Dabei war ein großer Teil der Hauptinsel Honshu im Ozean versunken.

Mit seinem nächsten Schritt hatte er bereits den Fuß des Berges erreicht. Sein Blick fiel auf eine malerische Kulisse, die ihm wie ein Idyll aus längst vergangenen Zeiten vorkam. Zögernd trat er näher. Vor ihm lud das geöffnete Portal eines Steingartens im Zen-Stil zum Eintreten ein. Langsam durchschritt der das Portal und folgte dem verschlungenen Weg, der aus sorgfältig mit dem Rechen geglätteten kleinen Steinchen bestand. In sich versunken bemerkte er, dass der Fluss seines Ki gestärkt wurde. Sein Neiqi, der innere Atem, der den Menschen mit den Kräften des Universums in Einklang bringt, stärkte seine inneren Kräfte in einem Maße, wie er es noch nie erlebt hatte. Schließlich endete der Weg vor einem Gebäude, das er als Teehaus identifizierte. Ehrfurchtsvoll trat er näher und betastete das Material, Bambus, echter gewachsener Bambus und nicht die billigen Attrappen aus irgendwelchen Plastikwerkstoffen, wie man sie heute in den touristischen Freizeitzentren verwendete. Nochmals strich er sanft über das Material und genoss das Gefühl des natürlichen Holzes, bevor er gebückt durch den etwa einen Meter hohen Eingang schritt.

Sein Blick wurde von einem Kohlebecken gefangen, das auf einem niedrigen Tisch aus Bambus stand. Über dem Kohlebecken hing ein Wasserkessel, während auf dem Tisch zwei Trinkschalen und verschiedene Tee-Utensilien standen. Plötzlich hörte er die Worte »Wähle deinen Weg!« in seinem Geist.

Unschlüssig sah er sich um. Was sollte das?

Plötzlich sah er an der gegenüberliegenden Wand drei Gegenstände, die zuvor noch nicht da gewesen waren. Interessiert trat er näher. Es handelte sich um Waffen, einen selbst für heutige Verhältnisse futuristisch aussehenden Strahler, ein meisterhaft gearbeitetes Katana und einen schlichten Holzstab.

Fast automatisch wollte er nach dem Strahler greifen, was sollte er auch in der heutigen Zeit mit einem Schwert oder gar einem Holzstab anfangen? Doch dann zögerte er. Der Strahler wirkte auf ihn wie eine Massenvernichtungswaffe, während das Schwert die Waffe eines Kriegers war. Er aber war weder ein Massenmörder, noch ein Krieger. So blieb ihm eigentlich nur der Holzstab. Irgendwie kam er sich verarscht vor. Ein schlichter Holzstab, was sollte er wohl damit anfangen? Trotzdem nahm er den Stab in die Hand. Als er das abgegriffene Holz berührte, überkam ihn ein eigentümliches Gefühl, als ob er endlich einen Teil von sich gefunden hätte, den er schon immer vermisste.

Da ertönte ein lautes Beifallklatschen und eine Stimme begrüßte ihn: »Willkommen zu Hause, Sato-San!«

Überrascht drehte er sich um. Ihm gegenüber saß plötzlich eine Frau, die in der Art der Geishas gekleidet war. Einladend wies sie auf das freie Sitzkissen und fuhr fort:

»Bitte nimm Platz und genieße den Tee.«

Nach einem kurzen Moment des Zögerns ließ er sich im Lotussitz nieder. Unschlüssig hielt er den Stab vor sich, der irgendwie störte.

»Darf ich Dir den Stab abnehmen?«

Widerwillig übergab er ihr den Stab, was sie mit spöttisch hochgezogenen Augenbrauen quittierte. Seitlich des Bambustisches befand sich ein Metallständer, der zuvor noch nicht da gewesen war. Er schien genau für den Stab geschaffen zu sein. Dabei betrachtete er das Gesicht der Unbekannten genauer, es war das Gesicht einer jungen Frau, doch irgendetwas passte nicht zusammen. Die Augen, die Augen passten einfach nicht zur übrigen Erscheinung, sie wirkten alt, uralt!

»Wo bin ich hier eigentlich gelandet und we …«

Mit einer Handbewegung brachte sie ihn zum Verstummen.

»Nicht jetzt, wir wollen zuerst die Teezeremonie durchführen!«

Ein aromatischer Duft durchzog das Teehaus und mit einer kurzen Verbeugung reichte ihm seine Gastgeberin die Teeschale, bevor sie sich selbst einschenkte. Sato dankte ihr ebenfalls mit einer Verbeugung.

Langsam nahm er einen Schluck des heißen Getränkes. Der Tee war vorzüglich und schien seine Sinne zu beleben. Schließlich hatten beide die Schalen geleert und auf den Tisch zurückgestellt.

»Ich freue mich, dass Du auch die letzte Prüfung bestanden und mich nicht enttäuscht hast«, begann sie das Gespräch.

Sato schaute sie völlig entgeistert an.

»Prüfungen …, was für Prüfungen? Und kennen wir uns?«

Lachend antwortete sie ihm: »Sato, mein japanischer Freund, denke einmal nach, oder ist Dein Gedächtnis so schlecht? Und was die Prüfungen angeht, glaubst Du tatsächlich, dass alles, was Dir zugestoßen ist, nur Zufall oder das Ergebnis des unumstößlichen Schicksals gewesen ist?«

Der Pararealist war wie vor den Kopf geschlagen. Irgendwie hatte er von Anfang an das Gefühl der Vertrautheit gehabt. Doch auf der anderen Seite kannte er nicht viele Entitäten, genauer gesagt, sehr wenige. Um ES konnte es sich nicht handeln und auch irgendwelche Kosmokraten oder Chaotarchen schloss er aus. Wer oder was blieb dann eigentlich noch übrig? Aber da war doch noch …, ja, um die könnte …

»Du … du bist Kahaba, die H …«, stieß er hervor. Den letzten Teil seiner Erleuchtung konnte er gerade noch verschlucken, er erinnerte sich noch recht genau daran, dass SI KITU sehr allergisch zu reagieren pflegte, wenn man sie bei ihrem Schimpfnamen nannte.

»Da hast Du gerade noch die Kurve gekriegt!«, bestätigte sie seine Vermutung und verzog die Mundwinkel zu einem ironischen Grinsen. »Aber, weil wir hier quasi unter uns sind und Du, wenn man es vereinfacht sehen will, in meinem Auftrag handeln wirst, erlaube ich Dir, mich mit dem Namen anzusprechen, den ich einst vor Äonen getragen habe. Nur diesen Zusatz Hure solltest du besser weglassen, du würdest es wohl auch nicht mögen, wenn man Dich Sato, den Stricher nennen würde, oder

Wieder meinte er, dass ihm jemand einen Knüppel über den Kopf schlagen würde. Nicht nur, dass nach all den Jahrhunderten plötzlich die Mutter der Entropie wieder aus der Versenkung auftauchte und ihn auf die Schippe nahm, nein, sie deutete auch an, dass seine Odyssee durch Pararealitäten und Paralleluniversen kein Produkt der widrigen Umstände oder sein unabänderliches Schicksal gewesen sein sollte, sondern alles das Ergebnis einer bösartigen Manipulation der Hohen Mächte.

Er begann ein Mantra zu murmeln, um seine Selbstbeherrschung wiederzufinden. Bevor er jedoch seiner Empörung in irgendeiner Weise Ausdruck geben konnte, hatte sich sein Gegenüber erhoben und ihm den Stab gereicht. Reflexartig griff er danach. Ein eigentümliches Gefühl erfasste seinen Körper. Es war, als ob eine Art belebender Energie jede Zelle seiner Physis durchdringen würde. Das Material des Stabes fühlte sich plötzlich völlig anders an. Das zerfurchte, von abgegriffenen Astknoten durchsetzte Holz, war plötzlich glatt und strahlte eine angenehme Wärme aus. Ungläubig blickte er auf den Stab. Die Oberfläche schimmerte in einem matten Goldton, der auch als eine Art Aura den gesamten Stab umgab. Ehrfurcht erfasste ihn, als er erfasste, welche Gabe er in seinen Händen hielt: Der Stab bestand aus der geheimnisvollen metallenen Legierung des Ultimativen Stoffes, der unter dem Namen Carit bekannt war!

Die Stimme Kahabas riss ihn aus seinen Überlegungen.

»Du hast weise gewählt, Sato-San! Oft trügt der äußere Schein, nur wer bereit ist, hinter die Fassaden der Dinge zu blicken, kann deren wahre Natur erkennen.«

Die Erscheinungsform der Entität machte eine Pause, während sie gedankenverloren ihre nach japanischer Art aufgesteckten Haare löste. Ihre Gestalt wurde unscharf und manifestierte sich wieder in der altbekannten Erscheinung einer schlampigen Zigeunerin, die jedoch seltsam abwesend wirkte.

»Lebe wohl, Sato-San, Du musst nun gehen. Unsere Zeit ist abgelaufen, die Schachfigur eines der Protagonisten des gegenwärtigen Spieles wartet auf dich, und er darf auf keinen Fall Verdacht schöpfen, dass ich in das Spiel eingreife.«

Der Pararealist spürte, wie brennender Zorn in ihm erwachte. Es war wie immer, für all die mysteriösen Entitäten, egal ob Superintelligenzen, Kosmokraten oder Chaotarchen, waren sie nur Spielfiguren auf dem großen, unbegreiflichen Schlachtfeld, eben nur Bauern im kosmischen Spiel, die hin und hergeschoben und geopfert wurden, ganz nach dem Gutdünken der Spieler.

»Schachfigur? Bin ich auch nur eine Schachfigur für dich, deine Schachfigur?«

Die bereits verblassende Gestalt SI KITUs gewann noch einmal Substanz, während sie sich umwandte.

»Nein Sato, das bist du bestimmt nicht. Das Schachbrett ist nicht dein Spielfeld und ich gehöre nicht zu den Spielern. Unser Spiel, Sato-San, ist das Würfelspiel und wir müssen dafür sorgen, dass niemand mit gezinkten Würfeln spielt. Doch sie versuchen es immer wieder und deshalb, Sato, deshalb müssen wir ihnen, im Fall der Fälle, auch auf die Finger schlagen. Denn die Würfel müssen fallen, ohne dass sie irgendjemand manipuliert.«

Die Gestalt der Mutter der Entropie begann sich endgültig aufzulösen und mit ihr die gesamte Umgebung.

Er bemerkte, wie er wieder den Anker verlor. Pararealitäten wurden sichtbar und verschwanden wieder und von irgendwoher hörte er eine Stimme aus dem Nichts:

 

Nimm Deine Würfel in die Hand

Das Schicksal ist ein Würfelspiel

Und deine Seele ist das Pfand!

Komm rüber Würfel, komm rüber!

In diesem Spiel gibt’s kein zurück

Noch mal die Sechs und Du bist frei

Doch Deine Zeit verrinnt im Sand!

Komm rüber, Spieler komm rüber!

*

Ambush nahm erst jetzt wahr, dass um ihn herum ein grauer Nebel wallte, indem keinerlei Strukturen erkennbar waren. Doch wo war er? Wann war er?

»Du fragst dich jetzt bestimmt, wo du bist?«

Ambush wusste nicht, woher die Stimme kam. Die Tonlage war männlich, wirkte aber ein wenig hektisch.

»Und du fragst dich natürlich auch, wer ich bin«, sprach der Fremde weiter und fügte seufzend hinzu: »Diese Frage stelle ich mir zuweilen auch.«

Der Nebel lichtete sich. Sato stand auf einer Brücke aus Stein. Unter ihm ein Wirbel aus Sternen, irisierenden Lichtern und tanzenden Linien. Vor ihm, am Ende der Brücke, schwebte eine violette Sphäre. Aus einer Öffnung schimmerte ein weißes Licht.

»Herein in die gute Stube. Oder wie es in dem Dialekt deines Herkunft Ortes heißt: Irasshai-mase

Bitte tritt ein, schoss es Sato durch den Kopf. Er folgte der höflichen Bitte. Was hatte er schon zu verlieren?

Er ging in das Licht, welches aus dem Inneren der Sphäre kam und gedämpft wurde, als er das violett leuchtende Objekt betreten hatte. Es war warm in dem Gebilde. Wohlig warm. Vor ihm entstand aus dem Nichts ein hölzerner Tisch. Dahinter rematerialisierte sich eine Gestalt, die in einem breiten, grünen Sessel saß.

Das Wesen sah durchaus humanoid aus. Die Augen waren größer, als die eines Menschen. Die Haare waren wirr, doch die spitz herausragenden Ohren an den Seiten waren deutlich zu erkennen. Die Hautfarbe war bleich, fast schon weiß. Der hagere Fremde schmunzelte und hob die Hand leicht an. Er deutete auf eine Stelle hinter Ambush.

»Nimm bitte Platz.«

Sato drehte sich um. Nun stand auch für ihn ein Sessel bereit. Er setzte sich und blickte sich um. Der Rest des Raumes war irgendwie unbestimmt und konturlos.

»Wer bist du?«, fragte er nun.

Sein Gegenüber machte eine ratlose Geste.

»Und wer bist du? Kannst du das mit Sicherheit sagen? Sato Ambush, Embuscade oder doch nur die recycelten Moleküle von Iratio Hondro, Inge Meisel und dem Tenno Jimmu aus dem dritten Paralleluniversum von rechts?«

Der Unbekannte seufzte theatralisch.

»Es ist alles so relativ im Multiversum, nicht wahr?«

Sato atmete tief durch.

»Du bist, so denke ich zumindest, ein Abgesandter einer kosmischen Entität und machst dir einen Spaß daraus, mich an der Nase herumzuführen.«

Der andere lachte lauthals und applaudierte.

»Erraten! Kennst du DORGON? Nein? MODROR? Auch nicht? Da kannst du auch froh sein! SAGGITTORA? Hm? Kommt noch alles, lieber Sato, alles mit der Zeit. In welcher Richtung auch immer. Also gut!«

Er sprang auf. Der Raum nahm nun klare Formen an. Ein Wohnraum war zu erkennen. Etwas weiter hinten Kontrollen. Vermutlich handelte es sich bei dieser Sphäre um eine Art Raumschiff.

»Du darfst mich Alysker nennen. Und nein, das ist nicht mein wahrer Name, den mir meine Eltern bei der Geburt gaben, sondern eine Bezeichnung.«

Ambush überlegte eine Weile. Er dachte über die Bedeutung des Wortes Alysker nach. Hatte er es schon einmal irgendwo gehört oder darüber gelesen? Doch es klingelte nichts. Der Name war ihm unbekannt.

»Tee?«, fragte Alysker nun.

Sato war in der Tat durstig. Da brachte ihn wieder zu seinen Anfangsüberlegungen. Wo war er eigentlich? Sein Körper schien ja noch zu existieren oder bildete er sich das nur ein? War seine Seele im Hyperraum verweht worden und weigerte sich nur, diese Tatsache zu akzeptieren oder war er gar ein Gefangener von Rodrom, der ein diabolisches Spiel mit ihm trieb?

Alysker blickte ihn mit einem verständnisvollen Lächeln an.

»Also gut, kleiner Japaner im Kimono. Du lebst, du existierst und hast dich vor dem Tod auf der WORDON gerettet. Allerdings bist du erneut in einer anderen Pararealität. Du hüpfst völlig unkontrolliert zwischen den Paralleluniversen und Parallelrealitäten hin und her. Kein Wunder, dass du dich da verirrt hast. Wie willst du jemals dein ursprüngliches Universum finden?«

Alysker hatte eine berechtigte Frage gestellt. Er kannte die Antwort nicht. Vielleicht half ihm ja der Fremde?

Neugierig sah Ambush Alysker an.

Dieser grinste über beide Backen.

»Den finsteren Rodrom hast du ja bereits kennen gelernt. Sagen wir es einmal so, ich arbeite für die Gegenseite. Aber natürlich habe ich eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben und die Entitäten haben die besten Anwälte im Universum. Die klagen dich direkt in die namenlose Zone. Deshalb kann ich dir nicht zu viel verraten.«

Ein Kubus senkte sich von der Decke. Zu jeder Seite war ein Monitor, der wirre Linien zeigte.

»Nur so viel. Wir werden etwas Zeit miteinander verbringen und es wird einige Zeit dauern, bis du in dein Universum zurückkehrst. Aber es wird geschehen. Die Superintelligenz SAGGITTORA, die eine Allianz mit meinem Chef eingegangen ist, wird sich später noch mit dir beschäftigen. Doch ich möchte dir etwas zeigen.«

Die Wirren Linien formten sich zu einem einheitlichen, roten Strom im schwarzen Nichts. Es war so, als würde Ambush auf diesen Stromlinien reiten. Sie brachten ihn in ein dunkles Loch. Darin befand sich ein Sonnensystem. Er sah fremdartige Raumschiffe und diverse, recht kleine Welten, die um eine Sonne kreisten. Raumstationen flogen um jeden Planeten.

»Das ist eine Raumzeitfalte des Volkes der Casaro«, erklärte Alysker.

Auf dem Bildschirm erschienen reptilienartige Wesen. Sie ähnelten einer Schlange am ehesten, wiesen jedoch Arme und eine Art von Beinen auf.

»Wieso zeigst du mir das?«, wollte Sato wissen.

»Nun, mein neuer Freund, das sind Verbündete von Rodrom. Sie sind seine Forscher, aber auf eine ziemlich grausame Art und Weise. Sie entführen Vertreter von verschiedenen Spezies und observieren sie, sezieren sie im schlimmsten Fall oder gaukeln ihnen ein tolles Leben vor.«

Die Monitore zeigten einige dieser Gefangenen. Es waren Terraner. Zumindest vermutete Sato das. Vielleicht zeigte Alysker ihm absichtlich diese Aufnahmen.

Ein alter, zerknitterter Edelmann kauerte in einem morschen, muffigen Schloss und baute ein Kartenhaus. Er murmelte etwas in einer Sprache, die Sato als spanisch identifizierte. Zumindest dem Dialekt nach, doch er war sich nicht sicher, da die alten Sprachen der Erde nicht mehr gesprochen wurden.

»Ein armer alter Mann. Allein in der Nachbildung seines Schlosses gefangen. Seine Frau von ihm in den Tod getrieben, dann entführt und von den Casaro als Untersuchungsobjekt missbraucht. Für ihn sind nur wenige Wochen vergangen, doch er lebt hier schon seit 1796 eurer alten Zeitrechnung.«

Alysker erklärte, dass sich die Planeten in Stasisfeldern befanden. So hatten die Casaro Zeit, das Verhalten der Objekte ausgiebig zu untersuchen. Auf einem anderen Bild war eine terranische Kolonie zu erkennen. Ein hochgewachsener Mann mit krausem, dunklem Haar in der Uniform des Solaren Imperiums, zusammen mit einer schönen Blondine. Daneben ein muskelbepackter Hüne mit weißblondem Haar. Er musste arkonidischer Abstammung sein oder zumindest Kolonist sein.

»Ja und die wurden während der Besatzungszeit der Laren gefangen genommen. Der smarte Typ und der Barbar hatten sogar mit deinem Perry Rhodan zu tun gehabt«, erzählte Alysker.

Dann erloschen die Bilder.

»Es gibt tausende solcher Forschungsobjekte.«

»Können wir sie befreien?«

»Nun, nicht direkt. Noch nicht. Es hat mich Jahrhunderte gekostet, meine Überwachungssonden unbemerkt in die Raumzeitfalte zu bringen. Sonst hätten wir die schönen Filmchen nicht gesehen«, sagte Alysker und schlürfte seinen Tee. Auch Sato nahm einen Schluck und stellte fest, dass das Aroma sehr wohltuend war.

Er hatte so viele Fragen, doch Alysker würde sich vermutlich auf diese ominöse Verschwiegenheitserklärung berufen.

»Warum …«

»Ich dir das zeige, Sato Ambush? Nun, diese Raumzeitfalte liegt in deinem Universum in der Lokalen Gruppe. Rodrom beobachtet euch und er und sein Meister führen nichts Gutes im Schilde. Mein Boss will jedoch deren Pläne vereiteln. Aber die Entitäten ticken anders. Wie in einem Schachspiel brauchen sie unendlich lange für einen Zug. Wir sind ihre Schachfiguren.«

»Ich auch?«

Alysker nickte bedächtig und stierte in seine Teetasse. Doch Sato wusste, dass er mehr als nur eine Schachfigur war, viel mehr! Die Begegnung mit SI KITU hatte ihm einen ersten Einblick in die kosmischen Zusammenhänge gewährt. Er hatte ihr Gleichnis mit dem Würfelspiel verstanden, das auf der Ebene des Quantenschaums herrschende Zufallsprinzip musste vor Manipulationen geschützt werden. Einen Moment überlegte er, ob er Alysker informieren sollte, doch seine Erfahrungen mit den Hohen Mächten hatten ihm gezeigt, dass man den »Schachfiguren« nicht trauen konnte, unabhängig davon, ob sie im Dienst der Kosmokraten, Chaotarchen oder wem auch immer standen.

»Du wirst mich für eine Weile begleiten. Wir beobachten und mischen uns nicht ein. Noch nicht. Doch auch dann werden wir vorerst nicht direkt in Kontakt mit den Normalsterblichen treten, sondern dezente Hinweise geben. Verstanden?«

Sato Ambush hatte verstanden. Er beschloss, vorläufig Vertrauen zu diesem geheimnisvollen Wesen namens Alysker zu haben, was blieb ihm auch anderes übrig? Dieser forderte den Nexialisten auf, es sich schon einmal gemütlich in der TURELL zu machen, wie dieses Raumschiff hieß, welches offenbar seine Form ständig verändern konnte.

Sato war etwas enttäuscht, dass er nicht direkt in sein Heimatuniversum zurückkehren und Perry Rhodan unterstützen konnte, aber diese Raumzeitfalten der Casaro schienen sehr wichtig zu sein. SI KITU hatte ihn wohl auch nicht umsonst auf die Existenzebene dieses Wesens, das sich als Alysker bezeichnete, versetzt. Und eines Tages, da war er sich sicher, würde er wieder in sein Universum zurückkehren und seine Freunde wiedersehen.

Und bis dahin würde er wohl einige Abenteuer mit dem exzentrischen Wesen erleben.

 

8. Rückkehr nach Saggittor

Kaum war die LONDON am Rande des Saggittonsystems aufgetaucht, wurde sie von Hunderten Raumjägern umringt. Es herrschte helle Aufregung unter den wachen Besatzungsmitgliedern der LONDON, obgleich die meisten aufgrund des Strangenessschocks immer noch bewusstlos waren und von Robotern betreut werden mussten.

Den pfeilförmigen Raumjägern folgten die scheibenförmigen Schlachtschiffe der Saggittonen.

»Ein nettes Empfangskomitee«, meinte Rhodan sarkastisch.

Aurec blieb ruhig und nahm Funkkontakt mit den Jägern auf. Er sagte nicht viel, nur: »Hier spricht Aurec. Ich bin am Leben. Nicht feuern!«

Die Piloten der Jäger hielten sich daran. Nordment konnte einen regen Funkverkehr verfolgen. Jeder versuchte, einen Vorgesetzten nach neuen Instruktionen zu fragen.

Die Abtastung des Systems, soweit möglich, ergab ein erschreckendes Bild. Etwa 200.000 saggittonische Schlachtschiffe, Kreuzer und Jäger waren aufmarschiert.

Aurec nahm mit dem Flottenkommandanten Rauoch, einem bärtigen, dunkelhäutigen Saggittonen mit kurzem Haar, Kontakt auf. Rauoch war der einzige Verantwortliche, der die Funksprüche beantwortete.

»Die Kanzlerfamilie wurde ermordet. Es heißt, du steckst mit den Fremden dahinter. Doch ich will das nicht glauben«, erklärte der Befehlshaber eines kleineren Flottenverbandes, welcher der LONDON am nächsten war.

»Mich der Ermordung meiner geliebten Familie zu bezichtigen, ist ebenso ehrlos, wie grotesk. Es war das Werk von Admiral Dolphus und jener Macht hinter der Barriere. Sie wollten eine Allianz zwischen uns und den Galaktikern verhindern.«

Der saggittonische Kommandant dachte nach. Dann wandte er sich von Aurec ab, da ihm eine Meldung von einem Offizier übergeben wurde. Aurec seufzte und sah mit ernstem Blick zu Perry Rhodan. Dann endlich widmete sich Rauoch wieder dem saggittonischen Kanzlersohn.

»Verzeih, Herr! Wir erhalten den Befehl des Zentralkommandos die LONDON zu vernichten. Doch wir sind uns alle einig, dass wir das nicht tun werden. Dolphus hat die chaotische Situation ausgenutzt, doch die Mehrheit der Saggittonen will keinen Krieg gegen die Galaktiker.«

Rauoch verneigte sich.

»Du bist jetzt der Kanzler Saggittors, Aurec! Ich unterstelle die Flotte deinem Kommando. Wir werden die LONDON mit unserem Leben beschützen.«

Aurec wirkte überrascht, denn er musste sich erst einmal selbst mit diesen Gedanken anfreunden, nun Regierungsoberhaupt der Saggittonen zu sein.

»Ich erwarte keine Gesten der Demut von Dir, lieber Freund«, sprach Aurec schließlich gefasst. »Wir müssen um jeden Preis einen Bürgerkrieg vermeiden. Bitte sende über den Flottenkanal meine Botschaft an die Angehörigen unserer Raumflotte. Dolphus ist der Mörder meines Vaters. Im Zentrum unserer Galaxis lauert der wahre Feind. Sucht nach einem fremden Raumschiff nahe Ilton, nach einer Raumanomalie, die unser Verschwinden dokumentiert. Das war das Werk der Fremden im Zentrum, die von Dolphus unterstützt wurden.«

Rauoch übermittelte die Nachricht an alle Einheiten. Aurec mahnte außerdem zur Vorsicht und empfahl, keine Angriffshandlungen zu unternehmen. Er wollte Dolphus den Wind aus den Segeln nehmen. Die Einheiten bildeten einen Abwehrriegel um die LONDON.

Rund 31.000 Einheiten der Flotte hatten sich sofort zu Aurec bekannt, während der größere Teil sich abwartend verhielt.

*

Aurec informierte Perry Rhodan, dass man inzwischen den 19. November 1285 der galaktischen Zeitrechnung schrieb. Gemeinsam mit seinem terranischen Freund und dem Somer Sam verfolgten sie eine durch Hyperkom übertragene Trividbotschaft von Dolphus an die Saggittonen.

Dolphus befand sich an Bord der SAGRITON und schien schnellstmöglich eine Invasion in die Lokale Gruppe zu planen. Das kantige Gesicht des selbst ernannten Kanzlers und Oberbefehlshabers drückte Härte und Entschlossenheit aus.

»Volk von Saggittor!

Eine glorreiche Stunde ist angebrochen. Nach der schändlichen Ermordung der ganzen Kanzlerfamilie werden wir die Galaktiker bestrafen, indem wir sie vernichten! Sie werden sich noch wünschen, uns niemals getroffen zu haben! Lang lebe Saggittor! Sieg! Sieg! Sieg!«

Wütend schlug Aurec mit den Fäusten auf eine Konsole, dann sah er die anderen mit fest entschlossenem Blick an.

»Ich werde diesen Verräter für seine Taten büßen lassen!«

Er aktivierte seinerseits das Interkom der LONDON und schickte eine eigene Botschaft über alle Kanäle:

»Hier spricht Aurec, der Sohn Dorocs und nach seinem Tode sein rechtmäßiger Nachfolger. Dolphus ist ein Verräter, der mit den Mächten des Chaos paktiert. Hierbei handelt es sich um die Fremden, die immer noch das Zentrum unserer Galaxis beherrschen. Diese Fremden und ihr Handlanger Dolphus, haben meine Familie grausam ermordet. Die Galaktiker dagegen sind unsere Freunde. Ich appelliere an die Mitglieder der glorreichen saggittonischen Flotte und an alle Bürgerinnen und Bürger der saggittonischen Republik. Sagt euch los von diesem Mörder und Tyrannen!«

Nach dem Ende der Botschaft kam weitere Unruhe in den versammelten Flotteneinheiten auf. Die Mannschaften waren einerseits an Dolphus gebunden, da er nach wie vor der Oberbefehlshaber war, doch andererseits stand Aurec als Kanzler über dem Großadmiral. Der Saggittone ließ seine Botschaft immer wieder wiederholen, um seine Rückkehr zu dokumentieren. Dutzende von Reportern flogen mit Raumschiffen zur LONDON, doch die Einheiten Saggittors riegelten alles ab.

 

9. Kampf dem Diktator

Dolphus stand regelrecht unter Schock. Er schrie wild durch die Gegend und beschimpfte alle als »schwachsinnige Fanzies«. Sein engster Stab und die von ihm persönlich ausgesuchten Eliteeinheiten hielten zu ihm, doch unter den normalen Soldaten und besonders loyalen Aurec-Sympathisanten machte sich Unfrieden breit.

Dolphus saß in seinem Kommandantensessel und stierte auf den Boden, dann stand er auf. Sein Gesicht zuckte vor Anspannung.

»Hier spricht der Kanzler der Republik«, begann der Saggittone. »An alle Einheiten: Die LONDON ist mit allen Mitteln anzugreifen und unverzüglich zu zerstören!«

Es herrschte eine Totenstille im Raum. Niemand traute sich etwas zu sagen, alle sahen nur den selbst ernannten Kanzler an.

Genauso ging es auch den anderen Einheiten. Eine Welle von Raumjägern hielt auf die LONDON zu, drehte aber kurz darauf wieder ab. Dolphus beobachtete dies auf dem Gefechtsfeldholo. Sein Körper fing an zu zittern.

»Was soll das? Ihr feigen Ratten! Das ist Meuterei!«, brüllte er mehrmals hintereinander, bis seine Stimme anfing heiser zu werden. »Navigator, die SAGRITON soll angreifen. Steuern Sie auf die LONDON zu!«

In dem Moment wurde eine weitere Nachricht bekannt gegeben. Der Rat von Saggittor hatte beschlossen, die Angelegenheit auf Saggitton zu untersuchen. Dolphus wurden jegliche militärischen Handlungen vorerst untersagt. Wie es das saggittonische Recht vorsah, mussten Aurec und Dolphus vor den Rat von Saggittor treten.

Zu allem Überfluss wurde nun auch noch ein Interview mit Aurec übertragen.

Ein Reporter des saggittorischen Infokanals hatte es geschafft, zur LONDON vorzudringen. Er hatte die Verwirrung der Militäreinheiten ausgenutzt, um durch die Absperrung zu fliegen. Zusammen mit seinem Team berichtete er live von der LONDON. Aurec erklärte ihm die Situation. Das Interview wurde von allen Sendern übernommen und übertragen. Die Ankunft von Aurec und dessen Geschichte verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Zehntausende Einheiten versagten Dolphus den Gehorsam. Nun auch noch der Rat von Saggittor. Dolphus verwünschte sich. Er hätte alle genauso wie Doroc töten sollen.

Die Wahrheit kam ans Tageslicht. Dolphus hatte noch nicht genügend Zeit gehabt, um eine organisierte Machtübernahme durchzuführen. Er hatte noch genügend Gegner, die er allerdings während oder nach dem Angriff auf die Milchstraße beseitigen wollte. Im Moment war er noch ziemlich angreifbar, was sich jetzt bitter zeigte. Anhänger Aurecs in der Flotte schlossen sich wieder dem Sohn Dorocs an und flogen ihre Raumer schützend vor die LONDON.

»Wir haben eine Hyperkomnachricht vom Ministerium erhalten. Der Rat von Saggittor widerruft die Ernennung von Dolphus zum Kanzler. Sie erwarten die Ankunft vor dem Rat«, sagte der Erste Offizier Waskoch.

Dolphus blieb vorerst nichts anderes übrig. Er beorderte die SAGRITON zurück nach Saggitton.

Dort musste er sich Aurec stellen.

 

10. Vor dem Rat von Saggittor

»Es ist nicht üblich, dass Fremde an einer Ratsversammlung teilnehmen, Perry. Doch da du noch offiziell als der Mörder meiner Familie giltst, wird eine Ausnahme gemacht«, erklärte Aurec, während er seine lädierte Uniform zurecht rückte.

»Eine zweifelhafte Ehre. Doch wir werden unsere Unschuld beweisen«, gab sich Rhodan kämpferisch.

Der Saggittone seufzte.

»Nur wie? Wir haben keine Beweise. Dolphus hat die Aufnahme des Gys-Volberaah.«

»Es wird schon klappen«, munterte Rhodan seinen saggittonischen Freund auf, der sich in den letzten Tagen tapfer geschlagen hatte. Aurec hatte nicht nur den Verlust seiner gesamten Familie zu verkraften, er hatte sich in einem fremden Universum, in einer längst vergangenen Zeit, gegen Rodroms Söldner durchgesetzt und kämpfte nun nicht nur um sein eigenes Leben, sondern um die Zukunft seines Volkes, ja seiner ganzen Galaxis.

Andere wären unter dieser Belastung zusammen gebrochen. Auch wenn Aurec verständlicherweise ernst war, so spürte Rhodan deutlich, dass der Saggittone von besonderer Natur war. Rhodan und Aurec verließen die Kabine und wurden bereits von Sam erwartet.

»Sind die Herren bereit?«, fragte der Somer mit dem blauen Gefieder.

»So bereit, wie man für so etwas sein kann«, erwiderte Aurec.

Sam würde die beiden begleiten. Rhodan brauchte die diplomatischen Künste des Somers. Außerdem war er ebenfalls ein Zeuge bei der Anhörung. Die drei begaben sich in den Hangar, wo sie von einer saggittonischen Delegation erwartet wurden. An ihrer Spitze der vertrauenswürdige Kommandant Rauoch, der als erster mit Aurec Kontakt aufgenommen hatte und damit seinem Gewissen gefolgt war.

Rauoch übergab Aurec einen Datenträger.

»Es sind wichtige Informationen, die ich in den Datenbanken der Raumüberwachung von Ilton gefunden habe. Es handelt sich um ein Backup, welches versehentlich nicht gelöscht wurde.«

Aurec nahm den Speicher an sich. Rhodan hoffte, dass die Informationen ihnen weiterhelfen würden. Nun wurden die drei an die blaugrün-uniformierten Gardisten des Rates überstellt. Freundlich, aber bestimmt eskortierten sie Aurec, Sam und Rhodan zu einer saggittonischen Raumfähre, die wenige Minuten später die LONDON verlies.

Vor ihnen lag Saggitton. Der erdähnliche Planet war von einer dichten Wolkendecke umgegeben. Zumindest auf der ihnen zugewandten Seite. Die Raumfähre ging in den Orbit und trat wenig später in die Atmosphäre ein. Es verwunderte nicht, dass es regnete, als sie auf die Hauptstadt Nooran steuerten. Die Fähre flog über das Regierungsgelände hinweg. Rhodan warf einen Blick auf den Palast des Kanzlers. Dort hatte er noch vor einigen Tagen friedlich mit Doroc gespeist. Sie legten nun einen Weg über Wiesen und weitläufige Gärten hinweg, bis sie einen Komplex mit gelben Gebäuden, runden Torbögen und geschwungenen Türmen erreichten. Dort landete das Raumschiff. Die Gardisten eskortierten Rhodan, Aurec und Sam aus dem Schiff. Vor ihnen lag, etwa einhundert Meter entfernt, der Sitz des Rates von Saggittor.

Rhodan zählte anhand der Fenster sieben Etagen. Wie die meisten saggittonischen Gebäude war es gelb verputzt. Das runde Dach war grün. Sie wurden durch einen hohen Torbogen geführt.

Die kreisrunde Halle war in braunem Ton gehalten. Emsig gingen hier Saggittonen, Holpigons, Varnider und Troetter ihrer Arbeit nach.

»Folgt mir«, bat der Anführer der Garde.

Ihr Weg führte sie geradewegs in den Sitzungssaal, der sich stilistisch nicht von der Eingangshalle unterschied.

Die Ratsmitglieder saßen in beigefarbenen, breiten Sesseln im Halbkreis und beäugten die Ankömmlinge. Perry Rhodan betrachtete die Volksvertreter. Wenn er es richtig verstanden hatte, waren sie die obersten Repräsentanten ihrer Völker und hatten auch eine kontrollierende Funktion gegenüber dem Kanzler.

»Willkommen, Aurec«, sprach ein Holpigon, der an eine lebendige Schnecke erinnerte.

»Jurutzz«, erwiderte Aurec und verbeugte sich.

»Seien auch der Galaktiker und Estarte in unseren Hallen willkommen«, wisperte eine Varnider, die wie eine lebende Tulpe aussah. Der grazile, grüne Körper schlängelte sich um den Sessel. Die Wurzeln lagen in einem Wasserbassin. »Zumindest bis eure Schuld bewiesen ist«, fügte das Pflanzenwesen hinzu. Die Blütenblätter spreizten sich. Rhodan erblickte nun wohl das, was das Gesicht dieses Wesens war. Ein großes Auge und ein breiter Mund verbargen sich in der Blüte selbst.

»Du bist beschuldigt, Kanzler Doroc und seine Familie ermordet zu haben. Ferner legt man dir und deinen Galaktikern eine geistige Manipulation von Aurec zur Last«, klagte ein Troetter an, der an einen menschengroßen Mops erinnerte. Das Hundewesen blickte streng aus den drei braunen Augen auf Rhodan.

Der Multivon, eine bronzefarbene Roboterkreatur, sowie der Saggittone, schwiegen. Das waren die fünf Vertreter des Rates. Die führenden Vertreter der Völker von Saggittor.

Die Tür öffnete sich. Dolphus trat hinein. Er zeigte auf Rhodan und Aurec.

»Mörder!«, rief er in sichtlich gespielter Empörung. »Mörder und Verräter! Sie wollen nun die Herrschaft an sich reißen.«

»Das gilt es eindeutig zu beweisen«, stellte der Multivon nüchtern fest. Die Stimme war metallisch. Sein Mund bewegte sich nicht, denn er hatte keinen. Der Multivon war zwar nach dem Abbild eines Saggittonen gebaut, erinnerte jedoch eher an eine zweckdienliche, denn menschenähnliche Konstruktion. Eine Art Lautsprecherbox stellte das Sprechorgan dar. Die Augen waren sichtbare Kameralinsen, an den Seiten des ovalen, spitzen Kopfes ragten feine Antennen heraus. Die Gliedmaßen des Robot Wesens waren schlank.

»Was benötigt ihr noch für Beweise? Die Aufzeichnungen der Sicherheitskameras belegen doch, dass Perry Rhodan, zusammen mit vier anderen Kreaturen, Doroc und seine Familie brutal ermordet hat«, warf Dolphus ein und blickte Rhodan vorwurfsvoll an.

Sam wedelte kurz mit den Flügeln und erreichte so die Aufmerksamkeit des Rates. Der Somer bat darum, die Aufzeichnungen abzuspielen. Der Rat kam der Bitte nach. Aurec sah mit steinerner Miene die Ermordung seiner Familie. Rhodan alias der Molekularverformer, der Zweitkonditionierte, der Lare, der Pteru und der Hauri schlachteten erbarmungslos die ganze Familie des Kanzlers nieder.

»Eindeutiger geht es ja wohl nicht«, stellte Dolphus fest.

»Tatsächlich?«, fragte Sam.

Er sah den Rat an und wanderte an ihren Sitzen vorbei.

»Woher stammen diese Krieger? Ist es nicht so, dass während der Kaperung der LONDON durch die SAGRITON die Besatzungsmitglieder und Passagiere von dem Zentralrechner der SAGRITON erfasst und in eine Datenbank eingetragen wurden?«

Die Ratsmitglieder sahen sich fragend an. Dolphus schwieg und stierte auf den Boden. Er ballte die Hände zu Fäusten.

Jurutzz erhob das Wort.

»In der Tat. Ich rufe soeben diese Daten von der SAGRITON ab.«

»Worauf willst du hinaus, Somer?«, fragte die Varnider.

»Diese Wesen stammen von Völkern, die nicht auf der LONDON waren. Zweitkonditionierte gelten seit zweitausend Jahren als ausgerottet. Mit den Laren und Gys-Volberaah haben die Galaktiker keinen Kontakt. Hauris gelten als wenig gesellig«, erläuterte Sam. »Es stellt sich hiermit die Frage: Wo kommen diese Geschöpfe dann her?«

Rhodan musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Sam hätte Anwalt werden können.

»Der Einwand ist logisch«, stimmte der Multivon zu. »Rhodan hatte keine Möglichkeit, Verstärkung aus der Lokalen Gruppe zu holen. Entweder unterhalten die Galaktiker bereits eine Streitmacht in Saggittor oder sie waren nicht Rhodans Gefolgsleute.«

»Das sind doch billige Theatertricks von Rhodan. Er ist auf der Aufnahme zu sehen. Das beweist doch alles«, schrie Dolphus aufgebracht.

»Ich stimme dem Admiral zu«, meldete sich nun der dicke Saggittone aus dem Rat zu Wort. Aurec flüsterte, dass der Saggittone Perus hieß und schon immer ein Befürworter von Dolphus gewesen war.

»Ich sehe das nicht so«, meinte die Varnider. »Fahre fort, Somer.«

»Danke sehr. Ferner belegen Daten auf diesem Speicher, dass sich zwei fremde Raumschiffe nahe Ilton befanden. Außerdem zeigen die Abtastungsergebnisse deutlich, dass sich Perry Rhodan und Aurec zum Zeitpunkt des Mordes abseits des Geschehens aufhielten. Als drittes bitte ich zu beachten, dass einige Elitesoldaten spurlos verschwunden sind, nachdem Dolphus sie angefordert hatte. Wir haben die Befehle und Vermisstenmeldungen dank dem eifrigen Einsatz der Saggittonen Waskoch, Serakan und Rauoch ans Tageslicht bringen können. Ferner weisen wir auf den Gefangenen Kjollen und das beschädigte Raumschiff hin, welches wir gerne den Saggittonen übergeben.«

Damit beendete Sam seine Beweisaufzählung. Rhodan musterte die Gesichter und Gesten der Anwesenden. Dolphus kauerte auf seinem Sessel, die Beine über Kreuz geschlagen und drückte die Finger in die Lehne. Die Ratsmitglieder diskutierten und sahen sich die Daten vom Speichermedium an.

Jurutzz gab ein Glucksen von sich.

»Der Rat ist der Meinung, dass weder Perry Rhodan noch Aurec eindeutig nachgewiesen werden kann, dass sie am Mord der Kanzlerfamilie beteiligt waren. Einleuchtender klingt vielmehr, dass sie Opfer der Machenschaften dieses Rodroms waren.«

Perus räusperte sich.

»Doch ebenso findet der Rat keinen Beweis für eine Beteiligung von Admiral Dolphus. Ich persönlich finde, dass Dolphus richtig gehandelt hat. Er ist Soldat und die handeln nun einmal …«

Dolphus klatschte zweimal in die Hände und lachte triumphierend. Rhodan wusste, dass damit die Gefahr durch Dolphus nicht gebannt war. Doch er war erst einmal auf das endgültige Ergebnis des Rates gespannt.

»Der Widerspruch kann nur gelöst werden, wenn wir einen Beweis für die Existenz der fremden Macht im Zentrum von Saggittor erhalten. Bis dahin wird Admiral Dolphus wieder Oberbefehlshaber der Streitkräfte sein. Aurec wird neuer Kanzler von Saggittor, allerdings behält sich der Rat vor, Aurec zu unterstützen und zu überwachen, bis diese Angelegenheit endgültig geklärt ist«, sprach Jurutzz.

Aurec trat hervor und deutete eine Verbeugung an. Dann ging er zu Dolphus und blieb vor ihm stehen.

»Ich werde die Mörder meiner Familie rächen«, sagte Aurec ernst.

Dolphus erhob sich und zappelte auf der Stelle.

»Und ich werde die Verräter Saggittors zerquetschen.«

Aurec verzog das Gesicht.

»Dann solltest du bei dir anfangen!«

Der neue Kanzler gab Rhodan und Sam ein kurzes Zeichen. Dann verließen die drei den Ratssaal. Der Rat von Saggittor verkündete wenig später seine Entscheidung in der Öffentlichkeit. Zwar waren Perry Rhodan, Aurec und die Passagiere auf der LONDON frei gesprochen, doch die Lage blieb angespannt.

Dolphus war weiterhin mächtig und Rodrom lauerte weiterhin im Zentrum von Saggittor. Rhodan wusste, dass er M64 nicht verlassen konnte, bevor er diese beiden Probleme nicht mit Aurec lösen konnte.

 

11. Der neue Kanzler Saggittors

20. November 1285 NGZ

Aurec stand am Strand des beschaulichen Fischerdorfes Bossin. Trotz der Minusgrade und des kalten Windes, der ihm vom Meer her ins Gesicht blies, genoss er die Ruhe und Abgeschiedenheit. Als Kind war sein Vater oft mit ihm zum Fischen in dieses Idyll abseits der hektischen Metropolen Saggittons gegangen.

Bossin hatte nur rund 800 Einwohner, welche sich damit begnügten, ein schlichtes Leben als Fischer oder Landarbeiter zu führten. Aurec mochte solche abgeschiedenen Orte, von denen es noch recht viele auf seinem Heimatplaneten gab. Die Saggittonen waren umweltbewusst und liebten es, mit der Familie ihre freie Zeit in der Natur zu verbringen. Für Aurec war es ein Zeichen der Demut, denn trotz aller Technologie war die Natur selbst die größte Errungenschaft, wenn man es so bezeichnen wollte.

Aurec beobachtete ein altes Ehepaar, welches schlurfend und dick eingemummelt am Strand entlang wanderte. Das waren seine Saggittonen. Er durfte sie nicht Dolphus überlassen. Sie durften nicht weiter unter der Gefahr durch Rodrom leben. Aurec musste das verhindern. Er war froh, dass Perry Rhodan an seiner Seite stehen würde, denn dieser Terraner verfügte über eine große Erfahrung, besonders im Umgang mit gefährlichen, unbekannten Mächten.

Aurec hatte einen flüchtigen Eindruck von den Mächten des Chaos bekommen. Rodrom und seine Söldner waren Bestien. Und in Dolphus hatten sie einen willigen Gehilfen, denn Dolphus wollte nur Krieg führen, glaubte, Saggittor müsste Galaxien erobern, um seine Größe und Dominanz zu beweisen. Während Dolphus tief und fest glaubte, ein aufrechter Saggittone zu sein, so stellte er doch eigentlich all das dar, was ein aufrechter Saggittone verschmähte. Krieg um des Krieges Willen, unbegründeter Hass auf fremde Intelligenzen und eiskalte Skrupellosigkeit.

Dolphus war ein Machtmensch. Er war fest davon überzeugt, dass sein Wille, dem Wohl Saggittors entsprechen würde. Ein Krieg gegen die Lokale Gruppe wäre ein Überfall gewesen, der Millionen Intelligenzen das Leben gekostet hätte.

Aurec war erschüttert, dass es tatsächlich Befürworter einer solchen Politik gegeben hatte. Offensichtlich lauerte unter der Fassade des Friedens doch ein gewisser Blutdurst in den Saggittonen. Vielleicht waren sie auch durch die Ermordung seines Vaters, seiner Mutter und Geschwister verunsichert und schockiert gewesen. Das hatte es seit Äonen nicht mehr gegeben. Krieg und Terrorismus war auf Saggittor unbekannt, Gewaltverbrechen auf entfernte Kolonien beschränkt. Über Äonen hatten die Saggittonen Krieg nur gespielt, doch nie praktiziert. Die Allianz der Völker Saggittors war fest und untrennbar.

So hatte es zumindest den Anschein gehabt. Doch Aurec fragte sich, ob man solche Errungenschaften der intelligenten, friedliebenden Völker als gegeben hinnehmen konnte? Vielleicht waren die letzten Generationen einfach zu sicher des Friedens gewesen. Man musste dafür kämpfen und stets wachsam sein, denn der Weg ins Chaos stand offensichtlich immer ein Stück weit offen.

Aurec schüttelte sich. Nun machte sich die Kälte doch bemerkbar. Er kehrte dem Strand den Rücken, stieg in seinen Gleiter und flog zurück nach Nooran, eskortiert von vier Gleitern der Regierungsgarde.

*

21. November 1285 NGZ

Aurec nahm Abschied von seinem Vater Doroc, der ein gütiger, liebenswerter Vater und Herrscher Saggittors gewesen war. Doroc hatte Aurec keine Lektionen über Krieg und Verteidigung gelehrt, sondern seinem Sohn vorgelebt, wie man weise, milde und mit einem Schuss Humor und Leichtigkeit sein Volk regierte.

Aurec nahm Abschied von seiner Mutter. Sie hatte ihm als Kind Liebe, Güte und Aufmerksamkeit geschenkt. Sie war immer für ihn da gewesen und hatte immer zu ihm gehalten, auch wenn er als Kind den einen oder anderen Unsinn getrieben hatte.

Aurec nahm Abschied von seinem Bruder Baahl, mit dem er sich nicht immer gut verstanden hatte, da er dessen lethargischen Lebensstil nicht teilte. Doch Baahl hatte ein gutes Herz gehabt. Er hätte keinem Fanzies etwas zu leide tun können, weshalb er auch nie aktiv bei Vaters Jagd teilgenommen hatte, denn selbst die Paralysestrahlen hatte Baahl als Tierquälerei empfunden.

Aurec nahm Abschied von seiner Schwester Vesporia. Seiner kleinen Prinzessin, die an Schönheit und Anmut kaum zu überbieten war.

Er konnte die Tränen, die über sein Gesicht liefen, nicht verbergen. Die vier Särge wurden in das Mausoleum der Ahnen, welches sich einen Kilometer tief unter dem Palastkomplex befand, gebracht. Dort würden sie mit anderen Kanzlerfamilien gemeinsam ruhen.

Aurec spürte die Hand seines Freundes Serakan auf seiner Schulter. Er kannte Serakan seit seiner Zeit in der Militärakademie. Auch wenn sie aus völlig unterschiedlichen Verhältnissen stammten, so hatte sie seit dieser Zeit eine feste Freundschaft verbunden.

Aurec musterte seinen Freund, den smarten Offizier, der mit seinem Lächeln, dem Dreitagebart und den langen, welligen Haaren viele Frauenherzen zum Schmelzen gebracht hatte. Doch diesmal war Serakan offenbar nicht zum Lachen zumute. Er blickte Aurec traurig an, teilte dessen Schmerz offenbar.

Aurec brachte nur ein zögerliches Nicken zustande. Dann folgte er den Bestattern in das Mausoleum, um endgültig Abschied von seiner Familie zu nehmen.

Egal welchen Trost er erhielt, er fühlte sich in diesem Moment allein und verlassen.

*

Aurec war froh, als am Abend alles vorbei war. Die endlose Trauerfeier hatte ihn mitgenommen. Hunderte von Saggittonen hatten ihm kondoliert und immer wieder hatte er mit der Würde eines Kanzlers darauf reagiert. Mit steinerner Miene hatte er ihnen ein betrübtes Lächeln geschenkt. Es hatte Aurec viel Kraft gekostet.

Diese Saggittonen hatten es gut gemeint, doch es war unendlich schwer, nicht seiner Trauer freien Lauf zu lassen.

Aurec wünschte, dass Shel Norkat hier wäre. Zwar waren Shel, Perry Rhodan, Sam, Rosan Orbanashol und einige weitere Vertreter der LONDON bei dem Begräbnis anwesend, doch Shel hatte Aurec weitestgehend ignoriert und war dann wieder verschwunden. Vielleicht hatte sie einfach nicht gewusst, wie sie hätte reagieren sollen.

Aurec setzte sich hin und atmete tief durch. Es gab so viel zu tun. Sie mussten irgendwie die Zentrumsbarriere deaktivieren, um Rodroms Station zu vernichten.

Aurec musste sich vor Dolphus in Acht nehmen. Der lauerte nur darauf, ihn und den Rat von Saggittor auszuschalten. Aurec stand auf, goss sich wohl duftenden Bisca in die leere Tasse und kostete von dem derbköstlichen Getränk mit erfrischender Wirkung.

Sie hatten einen gefangenen Kjollen. Doch bisher hatte dieses Wesen kein Wort gesprochen. Das Raumschiff wurde von den besten Wissenschaftlern untersucht.

Vielleicht fanden die Forscher einen Weg durch die Barriere im Zentrum ihrer Galaxis. Aurec konnte ohnehin nicht schlafen, also begab er sich auf die LONDON. Er wollte Shel Norkat sehen.

*

Das Leben war auf die LONDON zurückgekehrt. Die Passagiere und Besatzungsmitglieder hatten sich von dem Strangenessschock erholt und wirkten vergnügt und zufrieden auf den saggittonischen Kanzler. Einige der Passagiere erkannten Aurec und blickten ihn ehrfürchtig an. Aurec war das eher unangenehm.

Einige Saggittonen, Trötter und Varnider befanden sich auf der LONDON. Sie bestaunten die Ausstellungen in der Sternenhalle. Andere schlossen Handelskonzessionen mit den galaktischen Geschäftsleuten. Hier wuchs, trotz der Startschwierigkeiten, hoffentlich eine enge Freundschaft zwischen zwei Sterneninseln zusammen.

Zu Aurecs Verwunderung lief ihm ausgerechnet Perus über den Weg. Das Ratsmitglied von Saggittor lächelte Aurec an, als seien sie die besten Freunde. Dabei hatte der beleibte ältere Saggittone mit der Halbglatze vor wenige Diat noch Aurec offen misstraut und mit Dolphus sympathisiert.

»So schnell ändern sich die Ansichten«, stellte Aurec fest.

Perus lachte.

»Ich bin Politiker. Vielleicht war alles nur ein Missverständnis und dieser Rodrom steckt dahinter. Jedenfalls zeige ich meinen guten Willen und lerne die Galaktiker kennen«, erklärte Perus selbstzufrieden.

»Na dann viel Spaß«, entgegnete Aurec und ließ den Politiker stehen. Ihm war nicht nach dessen Gesellschaft zumute.

Aurec begab sich einige Etagen tiefer und bog von der Sternenhalle in einen der Korridore ab, wo sich die Kabinen der Passagiere befanden. Er wanderte den schmalen, gut beleuchteten Gang mit den weißen Wänden entlang, bis er an Shel Norkats Kabine stand. Er atmete tief durch und aktivierte den Türsummer.

Doch nichts geschah. Aurec wartete eine Weile, dann ging er zurück in die Sternenhalle und spazierte dort entlang. In einem Restaurant fand er schließlich Shel mit einer anderen Frau und einem terranischen Mann. Sie wirkte vergnügt, lachte viel und schien offenbar keinen Gedanken an Aurec zu verschwenden.

Der Saggittone blieb am Eingang des Restaurants stehen, lehnte sich gegen einen Träger und musterte Shel mit vor dem Bauch verschränkten Armen. Sie war wunderschön. Diese terranischen blonden Haare und die blauen Augen hatten es ihm angetan. Shel hatte sich gut während des Abenteuers in der Vergangenheit eines Paralleluniversums geschlagen. Allerdings hatten Aurec ihre Beschuldigen am Ende verletzt. Er verstand Shels plötzliche Distanz nicht.

Die andere Frau war wohl auf Aurec aufmerksam geworden. Sie tippte Shel an, die nun auch zu Aurec blickte und verwundert wirkte. Ausgerechnet die andere Frau stand auf und ging zu ihm.

»Guten Tag, ich bin Terna Ambyl, die Kreuzfahrtmanagerin der LONDON. Es freut mich, dich an Bord begrüßen zu dürfen, Kanzler von Saggittor.«

Sie reichten sich die Hände und Aurec gab ihr einen Handkuss.

»Es ist mir eine Freude«, erwiderte der Saggittone.

Terna Ambyl bat ihn zu Tisch. Shel begrüßte ihn nun auch freundlich und erkundigte sich nach dem Verlauf der Trauerzeremonie. Der Terraner war ein Versicherungsmakler namens Cayron Luz. Er wollte mit Aurec über eine Versicherungsagentur auf Saggitton sprechen, doch der Kanzler verwies den bereits angetrunkenen Mann auf die Wirtschaftsrepräsentanten. Shel war auch schon beschwipst. Sie schien gerne und viel zu trinken. Offenbar war ihr erstes Rendezvous mit ihm, zumindest von ihrer Seite aus, kein alkoholisierter Fehltritt gewesen.

Aurec wollte mit Shel gerne alleine sprechen, doch er merkte, dass dafür nicht die richtige Zeit war. Er fühlte sich unwohl und nicht willkommen. Obwohl er in den letzten Diats Gefühle für die Terranerin aufgebaut hatte, war sie ihm dennoch fremd geblieben. Ihr Verhalten ihm gegenüber untermauerte diese Tatsache noch.

Aurec stand auf und verabschiedete sich. Als er auf halbem Weg aus dem Restaurant war, drückte ihm Shel eine Karte in die Hand.

»Das ist der Reserveschlüssel zu meiner Kabine. Schau mal vorbei, dann können wir reden oder so.«

Sie drückte ihm ein Kuss auf die Lippen und ging wieder zum Tisch. Aurec starrte ihr verdutzt hinterher. Er bemerkte die Blicke der Gäste, räusperte sich und eilte davon.

*

In der Gegenwart seiner neuen Freunde, Perry Rhodan und Sam, fühlte sich Aurec wohler. Er wusste nicht, was er mit Shel anfangen sollte. Am liebsten hätte er ihr, die Codekarte für ihre Kabine wieder zurückgegeben, doch er war einfach zu verdutzt gewesen.

Aurec saß im Besprechungsraum neben der Kommandobrücke, der eigentlich für die Offiziere der LONDON bestimmt war. Doch Rhodan, Sam, James Holling und der Saggittone hatten es sich dort bequem gemacht, um über die nächsten Schritte zu diskutieren.

Rhodan berichtete, dass der Kjolle weiterhin schwieg. Allerdings hatte Rhodan vor wenigen Minuten Nachricht von Alexander Moindrew erhalten, der zusammen mit den saggittonischen Wissenschaftlern das Wrack des Kjollen untersucht hatte.

»Sie konnten einige Programme sichern und glauben, dass der Diskusraumer über eine Apparatur verfügt, die eine Strukturlücke in die Barriere öffnet«, berichtete Rhodan.

»Fein, dann lasst uns ausprobieren, ob das funktioniert. Warten ist mir zuwider«, entschied Aurec.

James Holling räusperte sich. Aurec blickte den Kapitän des Luxusraumschiffes fragend an.

»Die LONDON ist kein Kriegsschiff.«

Aurec lächelte knapp.

»Keine Sorge, die LONDON wird hier bleiben. Wir werden das Raumschiff der Kjollen auf die SAGRITON bringen und von dort aus operieren.«

Rhodan hatte nichts einzuwenden. Er bat nur darum, mit dabei zu sein. Er stellte klar, dass es eine militärische Auseinandersetzung werden würde.

»Es stellt sich dabei stets die Frage, ob ein Angriff vermeidbar wäre«, gab Sam zu bedenken. Zuerst lagen Aurec bissige Worte auf den Lippen, doch er schwieg und dachte über die Worte des Somers nach.

War ein Angriff auf diese Barriere vielleicht unangebracht? Ein Präventivkrieg war nicht nach Aurecs Geschmack. Die Saggittonen traten hierbei als Aggressoren auf.

Doch auf der anderen Seite war in den Geschichtsschreibungen dokumentiert, dass ein rotes Wesen aus der Barriere kam. Rodrom hatte in dem Restaurant in New York zugegeben, dass er Dolphus und die Saggittonen benutzte hatte, um Aurecs Familie zu ermorden.

Nur ein Narr stritt einen direkten Zusammenhang zwischen Rodrom und der Barriere ab. Auf was sollten sie noch warten? Dass eine Invasionsflotte über die bewohnten Planeten der Galaxis herfallen würde?

Außerdem konnte er mit niemanden verhandeln. Es gab keine Repräsentanten aus der Barriere, sah man von Rodrom einmal ab und der hatte ihnen nun klar und deutlich aufgezeigt, dass er an keinem Frieden interessiert war.

Nein, bei allen friedlichen Überlegungen, Aurec wusste, dass eine große Schlacht bevor stand. Er wusste ebenso, dass saggittonische Männer und Frauen sterben würden. Und er opferte diese Lebewesen nicht leichtfertig. Doch welche Alternative gab es? Sich der Willkür von Rodrom auszuliefern und zu hoffen, es würde nichts mehr passieren? Den Kontakt zur Lokalen Gruppe abbrechen, um auf die Gnade von Rodrom zu hoffen? Das wären keine Alternativen.

Die Barriere musste durchbrochen und der Feind aus Saggittor vertrieben werden. Aurec wollte nicht, dass die Bewohner der Galaxis in ständiger Angst leben müssen, ob nicht doch irgendwann eine feindliche Raumflotte aus dem Zentrum der Galaxis über sie herfallen würde.

Die Dinge hatten sich geändert, nachdem sich Rodrom offen gezeigt hatte. Das rote Wesen war nun keine Legende aus uralten Erzählungen mehr, sondern ein selbst erklärter Gegner Saggittors und dessen Verbündete.

Die Tarnung von Rodrom und seiner Station im Zentrum der Galaxis war aufgeflogen. Wie lange würde Rodrom wohl warten, bis er selbst die Initiative ergreifen würde, um Saggittor zu unterjochen? Hierbei ging es doch nicht um einen Konflikt zweier unterschiedlicher Spezies, wo es zumeist um Ressourcen, Lebensraum oder gegensätzliches Misstrauen ging. Rodrom hatte Aurecs Familie ermordet. Er hatte in Dolphus einen willfährigen Despoten eingesetzt, um gegen die Lokale Gruppe Krieg zu führen.

Die Galaxis Saggittor war für Rodrom nur eine Schachfigur. Mehr nicht. Jederzeit wäre Rodrom bereit, Milliarden Lebewesen für seine Zwecke zu opfern. Mit Rodrom konnten sie nicht verhandeln oder auf Vernunft und eine friedliche Co-Existenz hoffen.

Aurec schenkte Sam ein gequältes Lächeln.

»Nein, mein Freund. Dieser Krieg ist unvermeidlich. Wir haben ihn nicht begonnen, doch wir bringen ihn zu einem Ende. Rodrom hat uns allen bewiesen, dass er eure Vernichtung will und die Saggittonen sollen ihm als Werkzeug dienen. Das werden wir nicht. Wir werden die Eindringlinge aus der Galaxis werfen!«

Aurec war fest entschlossen. Er strafte seinen Körper und spürte dabei einen unangenehmen Schmerz im Nacken. Er war noch nicht dazu gekommen, einen Arzt zu konsultieren. Auch wenn es ziemlich weh tat und unangenehm war, so hatte er jetzt wichtigeres zu tun. Die nächsten Diats würden von entscheidender Bedeutung für Saggittor sein.

*

Aurec war bis in die späten Abendstunden mit der Planung der Operation beschäftigt. Der Aufbruch in die Zentrumsregion der Galaxis sollte Morgen beginnen. Doch ihr größtes Problem war Dolphus selbst. Der Rat hatte einer Enthebung von Dolphus nicht zugestimmt, somit war der Admiral als Oberbefehlshaber der Flotte über alle Pläne informiert.

Sofern Dolphus noch in Kontakt mit Rodrom stand, würde er dem Roten ihre Angriffspläne übermitteln. Deshalb hatte Aurec zusammen mit Rauoch und loyalen Offizieren geheime Alternativpläne entwickelt, in die Dolphus nicht eingeweiht worden war.

Aurec hatte zusammen mit Rauoch, Serakan und dem Ersten Offizier der SAGRITON Waskoch die Pläne auf der LONDON ausgearbeitet. Hier waren sie unbeobachtet von möglichen Spionen von Dolphus. Serakan hatte vorgeschlagen, die Order des Rates zu ignorieren und Dolphus zu inhaftieren, doch Aurec wollte das nicht. Im Gegensatz zu Dolphus achtete er die Gesetze der Republik. Er durfte sich nicht auf die gleiche Stufe stellen. Auch wenn ihm das schwer fiel. Dolphus trug die Mitschuld am Tod von Aurecs geliebter Familie. Ihn einfach mit einem Strahler nieder zu schießen und mit dem Degen, der seit Äonen zu den Insignien eines Herrschers gehörte, zu erstechen, wäre einfacher, gerechter und vielleicht auch befriedigender gewesen. Wäre Aurec nicht Kanzler, hätte er es getan. Doch nun hatte er Verantwortung für Billionen Lebewesen in der Galaxis. Und an seinen Taten würden sie ihn und sich selbst messen.

Dolphus einfach zu beseitigen, war keine Option. Sie war Aurecs und der Saggittonen nicht würdig.

Dolphus war an die Befehle von Aurec und dem Rat Saggittors gebunden. Dennoch war er durchaus in der Lage, einen möglichen Angriff zu sabotieren. Er konnte die Befehle verschleppen, absichtliche Falschmeldungen streuen oder gar versuchen, Aurec im Eifer des Kampfes zu töten, um selbst wieder die Kontrolle zu übernehmen. Aurec musste sich auf alles gefasst machen.

Der Saggittone lehnte sich tief in den Sessel. Der Nacken schmerzte noch immer. In seiner Jackentasche fand er die Codekarte zu Shels Kabine. Vielleicht war sie noch wach? Wenn sie ihm schon unmissverständlich den Schlüssel zu ihrem Quartier gegeben hatte, erwartete sie wohl auch, dass er der Einladung folgte.

Ihre Gesellschaft könnte ihm möglicherweise etwas Kraft geben und die brauchte er dringend für die kommenden Diats und Semors. Aurec erhob sich, verzog das Gesicht, als der Schmerz sich wieder meldete und verließ die Kabine.

Der Saggittone blickte auf die Außendecks der LONDON hinab. Über ihm spannte sich die Glaskuppel. Darüber funkelten die Sterne Saggittors. Stufenförmig gingen die Etagen der äußeren Decks hinab bis zur mittleren Scheibe des Raumschiffes. Dort befanden sich die Hangars. Die LONDON war ein schönes Schiff, ein Kunstwerk terranischer Architektur. Aurec wandte sich ab und bog in den Korridor ein, der zur Sternenhalle im Inneren des Luxusraumers führte.

Auf seinem Weg zur Kabine der Terranerin, beobachtete er die vielen fremden Wesen. Die Milchstraße verfügte über eine weitaus reichere Artenvielfalt als Saggittor. Die großen, grazilen Wesen mit den scheibenförmigen Köpfen nannten sich Jülziisch und wurden von den Terranern Blues genannt. Eines dieser Wesen schritt an Aurec vorbei. Auf der anderen Seite stand ein reptilienhaftes Wesen, welches zu der Spezies der Topsider gehörte, daneben ein großes Wesen mit einem Rüssel. Aurec glaubte, es war ein Unither.

Aurec schritt an einer Kunstausstellung vorbei. Zweidimensionale und dreidimensionale Bilder hingen an der Wand, Skulpturen aus allerlei Epochen und unterschiedlichen Rassen prägten den offenen Raum. Er hätte mehrere Anors damit verbringen können, die Kultur der Galaktiker zu studieren.

Doch dafür war jetzt nicht die Zeit. Aurec fiel ein dreidimensionales Bild an der Wand auf. Seltsam, es sah so aus, als würden die beiden Zeichnungen in dem Bild ihm zuwinken. Aurec sah sich um. Er war allein in dem Raum. Nur ein blauhäutiger Mann mit schütterem rotem Haar saß schläfrig auf einem Stuhl und polierte eine bronzefarbene Kanne.

Klopfte da jemand? Aurec betrachtete erneut das digitale Bild, möglicherweise war es auch ein kleiner Film in einer Endlosschleife. Der Saggittone ging bedächtig näher. Nun sah er es genauer. Das kleine Männchen in dem Bild klopfte tatsächlich gegen den Monitor. Wie war das möglich? Aurec blickte verstohlen zu dem Blauhäutigen, doch der war weiterhin mit seiner Kanne beschäftigt.

Dann schritt Aurec direkt vor das Bild. Es waren zwei Figuren darin. Der »Klopfer« winkte nun erneut und lächelte. Sein Haar war wirr, die Ohren spitz und die Augen groß. Der Mann dahinter. Es war … Aurec schloss die Augen, glaubte an eine Sinnestäuschung. Doch als er sie wieder öffnete, war der immer noch da.

Sato Ambush!

Wie kam der in eine dreidimensionale Fotografie? Wie konnte ein Bild mit ihm interagieren?

Der spitzohrige Mann mit dem strubbeligen Haar malte etwas auf die Fläche. Es waren Zahlen. Aurec nahm einen kleinen Pikosyn, den er von Perry erhalten hatte, und gab geistesgegenwärtig diese Zahlen ein.

Der Fremde im Bild nickte. Sato verneigte sich.

Die Zahlen verschwanden. Nun zeigte der Fremde auf einen Monitor im Bild. Aurec erkannte das Sternenportal darin. Dann tippte sich der Unbekannte mit dem Finger an die Schläfe. Was wollte er nun?

Aurec kam das vor wie in einem Traum. Er wandte sich an den Besitzer. Wenn Aurec sich nicht irrte, war es ein Ferrone. Doch er war sich da nicht sicher.

»Entschuldige bitte. Ähm, was ist das für ein Bild?«

Der Besitzer legte im Zeitlupentempo die Kanne beiseite und erhob sich ächzend. Er schlurfte zu Aurec. Der Saggittone starrte den Mann fragend an.

»Das ist … ah, ja. Leidenschaft im Topf. Ein neualternatives Werk aus dem 2. Jahrhundert NGZ. Es schildert die sexuelle Leidenschaft zweier Topfpflanzen aus Sicht einer apasischen Stubenfliege.«

Wie beliebte der Ferrone? Aurec wollte so etwas wie »Schwachsinn« erwidern, dann drehte er sich um und sah zwei Töpfe mit zwei Blumen, die ihre Blüten zueinander gewandt hatten. Das dreidimensionale Bild bewegte sich vor- und zurück, so als würde man darauf zufliegen.

Aurec schüttelte den Kopf. Wo waren der Fremde und Ambush.

»Die Ausdruckskraft ist beeindruckend, nicht wahr? Leider schätzt die Nachwelt dieses Meisterwerk nur bedingt«, erklärte der Ferrone.

»Aha«, machte Aurec.

Bevor er sich völlig lächerlich machte, verabschiedete er sich lieber von dem Mann und eilte zurück auf die Etage in der Sternenhalle.

Aurec nahm den Pikosyn und vergewisserte sich, dass die Zahlen gespeichert waren. Er analysierte die Daten.

Es waren Koordinaten. Sie führten in das Zentrum der Galaxis. Das Bild hatte ihm Koordinaten gegeben. Er hatte ihm das Sternenportal gezeigt. Aurec überlegte, während er den Weg zu Shel Norkats Kabine zurücklegte. Der terranische Versicherungsverkäufer kam dem Saggittonen entgegen. Der Mann, dessen Name Aurec wieder entfallen war, wirkte erschöpft, aber zufrieden. Er wechselte mit Aurec kurz einen Blick, wurde ernst und eilte davon.

Schon erreichte Aurec die Kabine. Er betätigte den Türsummer, doch Shel öffnete nicht die Tür. Aurec überlegte, ob er wirklich den Schlüssel benutzen sollte. Vielleicht schlief sie ja schon und er störte nur. Auf der anderen Seite wollte er mit ihr reden. Es gab wichtigere Dinge im Moment als wenig Schlaf.

Aurec schob die Karte in den Schlitz. Das Schloss entriegelte sich und die Tür glitt zur Seite.

»Willkommen, Shel Norkat«, hauchte eine freundliche, synthetische Stimme als Begrüßung.

Aurec vernahm ein Kichern aus dem Nebenraum. Offenbar war Shel nicht allein.

»Hallo? Shel?«, rief er laut.

Ihm war das alles unangenehm. Die Tür zum Nebenraum stand offen. Er warf einen Blick herein. Das Licht war gedämpft.

Auf dem Bett saßen Shel und die Kreuzfahrtmanagerin Terna Ambyl. Nackt. Sie tranken aus einer Flasche. Aurec brauchte eine Weile, bis er verstand. Shel erkannte ihn und schreckte auf. Sie kroch über das Bett, stand auf und hatte Mühe zu stehen. Sie war betrunken. Aurec registrierte einige leere stiftförmige Hüllen auf den Boden. Vermutlich Drogen.

»Oh Aurec, ich wusste nicht, dass du kommst. Wir … wir … naja.«

Sie lächelte unschuldig.

Jetzt fiel es Aurec wie Schuppen von den Augen. Er hatte die Lösung! Shel versuchte sich in Erklärungen, doch Aurec hörte nur halbherzig zu. Der Fall war klar. Sie hatte eine kleine Orgie mit dem Versicherungsverkäufer und der Kreuzfahrtmanagerin gefeiert. Die Stimulierung durch die Drogen und den Alkohol hatte sie wohl vergessen lassen, dass sie Aurec eingeladen hatte. Vielleicht hatte sie das auch erwartet und gehofft, er hätte mitgemacht.

Das war alles unbedeutend. Aurec wusste schlagartig, dass diese Terranerin nichts für ihn war. Ihre Schönheit und der Reiz einer anmutigen fremden und doch so ähnlichen Spezies hatten ihn leichtfertig Gefühle für sie entwickeln lassen.

Doch bei genauerer Betrachtung waren sie auch auf charakterlicher Ebene um Millionen von Lichtjahren voneinander entfernt. Doch viel wichtiger in diesem Moment war nicht diese Tatsache, sondern, dass der Saggittone begriff, was es mit den Koordinaten auf sich hatte.

»Shel, es tut mir leid. Das ist nicht die Art von Gefährtin, die ich mir wünsche. Viel Spaß noch.«

Aurec machte den Ansatz einer Verbeugung, warf die Schlüsselkarte auf den Boden und verließ die Kabine. Shel rief seinen Namen hinterher, doch das kümmerte ihn nicht mehr.

Er musste zu Perry Rhodan!

*

»Wir haben einen Weg durch in die Barriere. Wir fliegen durch das Sternenportal und wählen diese Koordinaten an. Auf der Gegenseite befindet sich vermutlich ein weiteres Portal.«

Perry Rhodan blickte den Saggittonen verblüfft an.

»Und das hast du alles von einem Bild erfahren, auf dem Sato und ein Fremder zu sehen waren, das allerdings in Wirklichkeit zwei schmachtende Topfpflanzen waren?«

Aurec verzog die Mundwinkel.

»Glaubst du mir nicht?«

»Klar doch. Ich habe schon ungewöhnlichere Botschaften erhalten … glaube ich.«

Perry schien ihn nicht auf den Arm zu nehmen. Für Aurec war nun klar, dass er einen weiteren Geheimplan ausarbeiten musste. Und Dolphus sollte davon keinesfalls erfahren.

 

12. Machtkampf um Saggittor

Aurec und Perry Rhodan erreichten in den frühen Morgenstunden des 22. Novembers 1285 NGZ die Kommandozentrale der SAGRITON. Die Crewmitglieder in ihren graubraunen Uniformen salutierten. Aurec selbst trug eine grauschwarze Montur.

Auch Admiral Dolphus befand sich auf der Brücke. Argwöhnisch beäugte er Aurec und Rhodan.

»Seit wann dürfen Außerirdische während einer so wichtigen Mission, von der die Zukunft Saggittors abhängt, in der Operationszentrale herumspionieren?«, fragte Dolphus wütend.

Aurec bedachte seinen Artgenossen mit einem verachtenden Blick.

»Perry Rhodan ist ein Alliierter Saggittors. Sein Wissen und seine Erfahrung sind von unschätzbarem Wert auf dieser Mission. Admiral, führe nun meine Order aus. Die I. Saggittorische Flotte soll Kurs auf die Barriere nehmen.«

»Was ist mit der II. Flotte? Sie verfügt immerhin über unsere besten Offensivraumschiffe?«, hakte Dolphus nach.

»Sie untersteht dem Kommando von Rauoch und wird als Reserve gehalten.«

Dolphus schwieg und gab die Befehle von Aurec weiter. Der Kanzler Saggittors wartete nur darauf, dass Dolphus sein wahres Gesicht zeigte. Er rechnete in jeder Minute mit einem Attentat. Doch die Horar verstrichen und der Flug an die Barriere verlief ohne Zwischenfälle.

Nach fünf Diats und sieben Horar hatten sie das Zentrum erreicht. Aurec war müde, denn er hatte wenig geschlafen, weil er immer wieder einen Angriff von Dolphus erwartet hatte. Doch nichts war geschehen.

Kaum hatten die 200.000 Schlachtschiffe der I. Saggittonischen Flotte – 100.000 Schiffe waren zusammen mit den Flotten der Varnider, Trötter, Holpigons und Multivons zum Schutz der Welten zurück geblieben – meldete Waskoch, dass sie bereits erwartet wurden.

»Es sind diskusförmige Raumschiffe. Ich zähle 270.000 Einheiten. Sie wussten, dass wir kommen«, erklärte der Erste Offizier.

»Wie überraschend«, sagte Aurec und blickte Dolphus an. »Jemand hat sie vorher informiert. Ein Freund Rodroms, nicht wahr, Dolphus?«

Dieser zuckte nur mit den Achseln.

»Ich weiß nicht, wovon du redest. Wir müssen handeln und die Kjollen angreifen.«

Aurec atmete tief durch. 270.000 feindliche Raumschiffe. Sie waren den Saggittonen zahlenmäßig überlegen. Aurec erteilte den Angriffsbefehl, jedoch sollten die Saggittonen in Verbänden angreifen, um an einzelnen Abschnitten eine zahlenmäßige Überlegenheit zu haben. Er gab den Befehl aus, im Notfall eher den Rückzug anzutreten, als vernichtet zu werden. Dolphus quittierte die Order mit dem Kommentar »Feigling«. Aurec kümmerte es wenig. Dann begann die Schlacht um das Zentrum von Saggittor.

*

Rodrom verfolgte gelangweilt die Schlacht vor der Barriere. Er lobte sich selbst dafür, Dolphus nicht umgebracht zu haben, obwohl ihm danach gewesen war. Das Verhör des saggittonischen Versagers hatte sich gelohnt, denn so hatte er immerhin von dem Angriff erfahren und hatte die Kjollen vorbereiten können.

Rodrom erfüllte schon eine gewisse Neugier, ob sich die Kjollen als würdige Kämpfer erweisen würden. Es war eine Sache über Generationen hinter dem Schutzschirm sicher einzelne Aktionen gegen Völker durchzuführen, die das Geheimnis der Barriere enttarnt hatten, oder einen offenen Krieg zu führen.

Bis auf Strafaktionen gegen die unterjochten Hilfsvölker im Zentrum, wie die Nider, hatten die Kjollen seit Jahrtausenden keinen offenen Konflikt gegen die Hauptvölker Saggittors mehr geführt. Dennoch überwog noch die Enttäuschung über seinen gescheiterten Plan. Es war so kreativ gewesen, ein wahrer Meisterplan, seines Genies würdig, Rhodan bei den Saggittonen in Misskredit zu bringen, die LONDON in die Vergangenheit eines Paralleluniversums zu transportieren, in dem es keinen Perry Rhodan gab.

Doch dieser japanische Wicht hatte alles zunichte gemacht. Wieso war der plötzlich aufgetaucht? Irgendjemand musste diesen Ambush unterstützt, sich in Rodroms Meisterspiel eingemischt haben.

Vermutlich ein Spion von DORGON. Wer sonst würde die Pläne von MODROR und seiner Gefährten sabotieren?

Doch nun war Rodrom wieder einen Schritt voraus. Aurec und Perry Rhodan tappten willig in die nächste Falle. Es lag nun an den Kjollen und Dolphus, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Sollte es ihnen gelingen, die Flotte Saggittors zu zerstören und ihm die abgehakten Köpfe von Rhodan und Aurec als Geschenke zu überreichen, wäre diese Mission doch akzeptabel gewesen.

Die Raumschlacht begann. Nun war Dolphus am Zug.

*

Die Schlacht tobte einige hundert Millionen Kilometer von der Barriere entfernt. Die kleineren Kjollenschiffe konnten ihre zahlenmäßige Überlegenheit nicht ausnutzen, da die vereinte Feuerkraft der saggittonischen Schlachtschiffe, die zusammen in kleinen Pulks operierten, verheerend war. Sie erzeugten ein Übergewicht und rieben die gegnerischen Flottenteile dadurch auf.

Bisher verlief alles nach Plan.

»Wir haben Störungen im Funkverkehr und in der Ortung«, meldete plötzlich Waskoch.

»Werden wir angegriffen?«, hakte Aurec nach.

»Nein, Kanzler! Es sieht aus … als kämen die Störungen von innerhalb der SAGRITON.«

Nun sprang Dolphus auf, zog seinen Strahler und richtete ihn auf Aurec. Zeitgleich stürmte ein Dutzend Soldaten von Dolphus Leibgarde in die Zentrale.

»Meine Eliteeinheiten besetzen gerade die SAGRITON. Du hast verloren, Aurec.«

»Tatsächlich? Wie willst du das dem Rat erklären?«

»Was denn erklären? Die SAGRITON wird im Kampf vernichtet. Du und deine Getreuen verlieren dabei ihr Leben. Ich konnte mich in einer Rettungskapsel in Sicherheit bringen. Vielleicht nicht ehrenvoll, doch ich mache es wieder wett durch einen Sieg über die Kjollen. Zumindest offiziell.«

»In Wirklichkeit wird es ein Scheinsieg sein. Die Kjollen ziehen sich hinter die Barriere zurück und die Saggittonen werden ein Hilfsvolk von Rodrom«, stellte Rhodan fest.

»Halt dein Maul, unwürdiger Außerirdischer!«

Rhodan schwieg.

»Und nun Kurs in das Schlachtfeld, Waskoch! Ich werde jene, die treu zu Saggittor und ihrem echten Kanzler – also mir – stehen, mit hohen Posten belohnen. Was heute geschieht, ist zum Wohl Saggittors und der galaktischen Gemeinschaft.«

Doch Waskoch verschränkte die Arme vor dem Bauch und lehnte sich gegen die Konsole. Dolphus wurde wütend. Er brüllte den Navigator an, Kurs in den nächsten Sektor zu nehmen, in dem gekämpft wurde. Doch auch dieser verweigerte seinen Befehl. Er zielte auf den Navigator, doch plötzlich baute sich ein Energiefeld um ihn auf. Das gleiche geschah bei seinen zwölf Soldaten.

Aurec machte eine abfällige Geste.

»Ich habe so einen Versuch schon viel früher erwartet. Glaubtest du auch nur eine Noat lang, ich hätte dir vertraut?«

Waskoch übernahm wieder das Kommando.

»Die Kommunikation funktioniert wieder. Serakan meldet, die Lage auf dem Raumschiff ist unter Kontrolle. Die Männer von Dolphus sind überwältigt.«

»Aber …«, Dolphus war sichtlich erschüttert.

Aurec befahl Waskoch, das Energiefeld um Dolphus zu deaktivieren. Waskoch zögerte, dann erlosch es endlich.

»Mörder!«, stieß Aurec langsam hervor.

»Ich bin unschuldig! Es war Rodrom! Ich … … ich bin unschuldig!«, schrie Dolphus verzweifelt und zielte mit dem Strahler auf Aurec.

Doch er konnte ihn nicht einmal mehr gerade halten. Der gefallene Admiral zitterte am ganzen Körper.

»Gib auf, Dolphus. Es hat keinen Sinn mehr. Dein Plan ist fehlgeschlagen.«

»Aber ... aber ... er war doch so gut durchdacht.«

»Nein, war er nicht. Er beruhte nur auf einen grausamen Mord an meiner Familie.«

Der Schweiß lief Dolphus von der Stirn. Seine Wangen zuckten, ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.

Aurec hob jetzt seinen Strahler und zielte auf den alten Saggittonen. Doch Dolphus schoss als erster. Jedoch verfehlte er sein Ziel. Aurec ging langsam auf ihn zu. Er wusste, dass Dolphus nicht mehr in der Lage war, ihn zu treffen.

Der Admiral hatte offenbar zu große Angst. Er wich langsam zurück und beschwor Aurec fern zu bleiben. Die anderen Offiziere standen am Ende des Raums und hatten zur Sicherheit ihre Waffen gezückt.

»Gib mir jetzt die Waffe!«

Doch Aurec hoffte innerlich, dass Dolphus es nicht tat und ihm so einen Grund lieferte, ihn zu töten. Dolphus sah ihn entgeistert an und schüttelte den Kopf.

»Nein, es ist aus!«

Dann legte sich Dolphus die Waffe an die Schläfe und drückte ab. Es war vorbei. Dolphus war tot.

Aurec zielte mit seiner Waffe auf den Leichnam und drückte ab. Der Strahler desintegrierte den Körper. So wurde mit Verrätern verfahren. Ein Begräbnis, eine physische Erinnerung an ihre Existenz, wurde ihnen verwehrt. So wie der Körper von Dolphus desintegriert wurde, so sollte auch die Erinnerung an ihn verwehen.

Nur seine schrecklichen Taten würden der Nachwelt in Erinnerung bleiben. Als Mahnmal und abschreckendes Beispiel für kommende Generationen.

*

»Er hat seine gerechte Strafe bekommen«, sprach Perry Rhodan zu Aurec.

Der Saggittone wandte sich dem Panoramafenster zu und blickte zu den Sternen. Hier und da blitzte es auf. Ein Zeichen für den Kampf zwischen den Saggittonen und Kjollen.

»Sein Tod bringt mir meine Familie nicht zurück. Doch möglicherweise bringt es ihren Seelen bei SAGGITTORA Genugtuung.«

Rhodan lächelte und legte seine Hand auf die Schulter des Saggittonen.

»Vielleicht ist es ja so.«

Dann wurde er wieder übergangslos ernst. »Jedoch ist noch nichts gewonnen. Wir müssen sofort handeln und die Kjollen aus deiner Galaxis werfen.«

Aurec beobachtete, wie der Leichnam von Dolphus aus der Kommandozentrale gebracht wurde. Rhodan hatte recht. Es war Zeit, diese Schlacht mit einem großen Schlag zu beenden. Doch es würde noch einige Diats benötigen. Die saggittonische Flotte musste den Gegner so lange hinhalten.

»Waskoch, mit Höchstgeschwindigkeit zum Sternenportal«

*

Die SAGRITON erreichte nach nur vier Diats das Sternenportal von Saggittor. Dort wartete bereits die II. Saggittonische Flotte auf das Flaggschiff. Rauoch befehligte die 100.000 Schlachtschiffe.

Die vier Energiestationen des Portals rotierten im Kreis in einem Abstand von 25.000 Kilometern.

»Nun wird sich herausstellen, ob ich die Männchen im Bild richtig verstanden habe«, flüsterte Aurec zu Perry Rhodan. Der Kanzler der Saggittonen erhob sich von dem thronförmigen Sessel im Zentrum der Kommandobrücke, ging zu dem breiten Fenster, stellte sich davor und betrachtete die saggittonischen Raumschiffe.

»Waskoch, sende die Koordinaten an das Sternenportal«, bat er den Ersten Offizier.

Auf einer bestimmten Frequenz wurden die Koordinaten übermittelt. Die vier Energiestationen begannen ihre Arbeit. Ein roter Strahl zog sich langsam von Station zu Station, bis das Portal gänzlich einen roten Kreis gezogen hatte.

»Über Hunderttausende von Anor waren wir nur von Gnaden dieser Wesen Herr in unserer eigenen Galaxis«, sprach Aurec über Interkom zu den Männern und Frauen der an Bord der Raumschiffe. »Rodrom hat mit dem Mord an meiner Familie und dem Putschversuch durch Dolphus bewiesen, dass wir diesem Status Quo nicht trauen dürfen. Wir müssen beenden, was unsere Ahnen begonnen haben. Heute kämpfen wir wahrlich um die Freiheit Saggittors!«

Die Offiziere und Techniker in der Kommandozentrale der SAGRITON stampften zustimmend mit den Füßen auf. Aurec atmete tief durch, dann erteilte er den Befehl durch das Sternenportal zu fliegen.

 

13. Befreiung von Saggittor

Der Flug durch das Sternenportal dauerte nur wenige Momente, dann befand sich die SAGRITON im Zentrum der Galaxis. Aurec erkannte zuerst einige Dutzend Diskusraumer der Kjollen. Sein zweiter Blick ging auf die eigenen Ortungsanzeigen. Immer mehr Raumschiffe der Saggittonen drangen durch das Portal ein.

Waskoch analysierte die Umgebung.

»Wir befinden uns 17 Lichtjahre von der Barriere entfernt. Vor uns liegen 176 feindliche Schiffe und drei Raumstationen.«

»Fordern Sie die Kapitulation. Sollten sie dem nicht nachkommen, außer Gefecht setzen.«

Aurec wollte nicht unnötig unzählige Leben vernichten. Auch wenn die Kjollen ihre Feinde waren, er durfte sich nicht auf die gleiche Stufe mit ihnen stellen. Er musste besser sein. Und das konnte er nur mit den entsprechenden Taten unter Beweis stellen.

Die Kjollen reagierten nicht auf das Ultimatum. 15.000 saggittonische Einheiten griffen die Raumstationen an und zerstörten die Offensivbewaffnung. Die Diskusraumer zogen sich nach einem kurzen Feuergefecht zurück. Das Sternenportal war in ihrer Hand.

»Rauoch, begeben Sie sich zur Barriere. Prüfen Sie, ob es Stationen dort gibt, die die Barriere erzeugen. Falls Sie welche finden …«

»… vernichte ich sie. Verstanden, Kanzler!«, meldete sich Rauoch. Mit 25.000 Schiffen verschwand er im Hyperraum. Wenn die Barriere vernichtet werden würde, könnten sie eine Verbindung zur Flotte herstellen.

Die Kjollen waren offenbar völlig überrascht. Nach der Flucht der Reste ihrer Flotte hatte Aurec Verstärkung für sie erwartet, doch nichts geschah. Waskoch war mit seiner Analyse fertig. Im Zentrum selbst waren viele Turbulenzen, wüteten Hyperstürme und Schwarze Löcher. Abseits davon befanden sich insgesamt 83 Sonnensysteme, von denen offenbar die Hälfte besiedelt war.

Bisher tappten die Saggittonen im Dunkeln. Wie groß war die Truppenstärker der Kjollen? Gab es noch weitere Völker? Waskoch berichtete, dass die größte Ansammlung von Raumschiffen und Energiesignaturen aus einem System nur 7 Lichtjahre von ihnen entfernt kam. Das war offenbar das Heimatsystem.

»Sollen wir dort angreifen?«, fragte der Erste Offizier der SAGRITON.

Aurec blickte Rhodan fragend an.

»Diese Entscheidung kann ich dir nicht abnehmen«, sagte Rhodan. »Das Überraschungsmoment ist auf eurer Seite. Jedoch …«

Aurec wusste genau, was Rhodan meinte. Eine verheerende Schlacht schien unausweichlich. Doch das wollte Aurec vermeiden.

»Wir bleiben vorerst hier. Primäres Ziel ist die Sicherung des Sternenportals und die Zerstörung der Barriere. Schickt dennoch Aufklärer. Wenn sich militärische Ziele anbieten, greifen wir an.«

*

Aurec verfolgte angespannt die vereinzelten Kämpfe nahe dem Sternenportal und war erleichtert, als Rauoch endlich eine Erfolgsmeldung übermittelte. Sein Flottenverband hatte Energie- und Kontrollstationen bei der Barriere gefunden und sie vernichtet. An diesen Stellen war die Barriere zusammen gebrochen. Die saggittonische Flotte konnte nun ungehindert in das Zentrum fliegen.

Inzwischen waren auch die Auswertungen der Aufklärer fertig. Sie machten drei große Militärbasen in dem sieben Lichtjahre entfernten System aus. Von dort starteten die Diskusraumer. Die Verteidigung war relativ schwach. Offenbar hatten über Generationen hinweg die Kjollen niemals damit gerechnet, dass die Barriere deaktiviert werden könnte.

Aurec befahl den Angriff auf die Militärbasen, nachdem sich die Saggittonischen Flotten vereinigt hatten. Die Kjollenflotte hatte sich nach dem Zusammenbruch der Barriere zurückgezogen.

*

Die Kjollen wurden völlig überrascht. Es herrschte Panik und helle Aufregung im Kommandostand auf der Militärbasis »Anfang«. Masor hatte sich auf einen langwierigen Kampf vor der Barriere gegen die Saggittonen eingestellt. Sein Plan war es gewesen, die Streitkräfte der Feinde langsam aufzureiben und einige Zeit später Angriffe auf die Heimatwelten zu beginnen. Doch plötzlich waren die Saggittonen durch das Sternenportal gekommen und hatten die Barriere Stationen zerstört. Die Kjollen waren auf so etwas nicht vorbereitet. Sie waren die Offensive gewöhnt, nicht die Defensive. Die Verteidigung der Militärbasen und Heimatwelten war auf mögliche interne Revolten der Hilfsvölker innerhalb der Barriere ausgerichtet, aber nicht auf eine Verteidigungsschlacht gegen die saggittonische Flotte.

Die saggittonischen Raumjäger flogen im Sturzflug über die Stationen hinweg, ließen ihre zerstörerischen Fracht hinabfallen, die kurz danach in einem grellen Licht detonierten und alles im Umkreis von 1.000 Metern in Schutt und Asche verwandelten.

Langsam konnten die Kjollen die ersten Abwehrbatterien aktivieren. Sie schossen etliche Jäger ab, doch konnte die Zahl der Angreifer kaum geschwächt werden.

Masor gab den Befehl selbst Abfangjäger und den Rest der Flotte zu starten. Hastig suchte er Rodroms in seinem Quartier auf und erstatte Bericht.

»Du elender Narr hast auf der ganzen Linie versagt!«

Masor kniete nieder und winselte um Gnade. Rodrom nahm dieses Flehen nicht einmal zur Kenntnis.

»Ist die WORDON wieder intakt?«

»Ja, Meister! Bis auf ein paar Schäden im Hangar ist ...«

»Gut, mehr wollte ich nicht wissen«, unterbrach die Entität den kleinen Kjollen.

Anschließend löste sich Rodrom auf.

Zurück blieb Masor. Er blickte aus dem Fenster. Drei Jäger der Saggittonen rasten an einem Hochhaus vorbei, welches pilzförmig aufgebaut war. Sie schossen auf die Trägersäule, die nachgab. Mit einem lauten Knall brach das Gebäude zusammen und fiel krachend auf den Boden, bevor es in einem Flammenmeer verging.

Er ließ sich von einem Offizier Bericht erstatten. Es sah schlimm aus.

Es war vorbei für ihn und sein Volk. Rodrom verließ mit der WORDON das System und Masor wusste, dass er die Kjollen nicht ungestraft zurücklassen würde.

*

Perry Rhodan stand vor dem Bildschirm, die Arme im Rücken verschränkt, und betrachtete die Schlacht.

Zwei Diskusraumer verfolgten einen saggittonischen Jäger und konnten ihn auch abschießen. Doch ihre Freude dauerte nur kurz, da ein Pulk von anderen Jägern über sie hinweg flog und sie in einem Hagel von Energieblitzen einhüllte, bis sie explodierten.

Rhodan sah, wie sich die WORDON aus dem System entfernte. Etwa zwanzig Raumer der Saggittonen griffen das Pflockschiff an, doch sie wurden nacheinander zerstört. Rhodan wusste, dass man die WORDON vielleicht nicht stoppen konnte. Er hatte insgeheim gehofft, dass sie immer noch manövrierunfähig war, was sich leider als Trugschluss erwies.

Rodrom erschien plötzlich auf der Kommandozentrale der SAGRITON.

»So, Perry Rhodan. Du hast also wieder einmal einen kleinen Sieg errungen. Doch freue dich nicht zu früh, kleiner unbedeutender Terraner.

Dein Schicksal, wie auch das der Männer und Frauen auf der LONDON, ist besiegelt. Doch solltest du wieder dem Tod entkommen, so sei gewiss, es gibt noch andere, die wie ich dein Ende wollen und sich in diesem Moment darauf vorbereiten.«

Das waren die letzten Worte der Inkarnation, dann verschwand das Hologramm oder um was es sich dabei handelte. Die WORDON setzte einige schlanke, wild zerklüftete Flugkörper aus, die Kurs auf die Sonne des Systems nahmen und in der Korona verschwanden. Die Sonne blähte sich kurz auf, wurde dann dunkler, bevor sie anfing zu explodieren. Die WORDON hatte inzwischen das System verlassen.

»Aurec, die Sonne wird zu einer Supernova!«, berichtete der Ortungsleiter.

»Sofort alle Schiffe aus dem System zurückziehen!«, befahl der Saggittone.

Die Schiffe folgten sofort dem Befehl.

Für die Kjollen jedoch, war alles vorbei. Sie ergaben sich in ihr Schicksal. Ihre Raumschiffe explodierten zum gleichen Zeitpunkt. Es schien so, als wäre ein kollektiver Selbstzerstörungsmechanismus ausgelöst worden.

*

Masor stand immer noch im Raum Rodroms und beobachtete die ständig anwachsende Sonne, die bald auch seinen Planeten erreichen würde. Er und sein Volk hatten versagt. Sie wurden nun bestraft. Alle Raumschiffe explodierten nun. Es war gleich, wo sie sich befanden. Rodrom hatte den Exodus-Befehl für die Kjollen ausgesprochen.

Rodrom wollte nicht, dass die technischen Anlagen in die Hände der Saggittonen fielen. Das war der eine Grund, warum er die Sonne mit den Novabomben beschoss.

Der andere war, dass die Kjollen ausgerottet und so für ihr Versagen bestraft werden sollten. Es gab zwar noch Kjollen und technische Anlagen in den anderen 22 Sonnensystemen, aber kein Raumschiff würde mehr existieren. Der Exodus-Impuls würde alle technischen Einrichtungen sprengen.

Sein Volk hatte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, der nun abgelaufen war. Die ausgedehnte Sonne erreichte nun auch seinen Planeten und verbrannte alles. Masor schloss mit dem Leben ab.

*

Aurec verspürte keine Genugtuung als er die Aufnahmen der Vernichtung des Kjollensystems auf dem dreidimensionalen Bild in der Zentrale der SAGRITON verfolgte. Rhodan verfolgte mit steinerner Miene den Untergang dieses Sonnensystems.

»Rodroms Rache«, brachte der Terraner knapp hervor.

Für Aurec war es schwer zu begreifen, wie rücksichtslos Rodrom war. Er löschte einfach sein Hilfsvolk aus. Von überall meldeten die saggittonischen Raumschiffkommandanten explodierende Diskusraumer der Kjollen. Eine Selbstvernichtungswelle zerstörte jegliches Weltraumgefährt.

Die Gefahr der Kjollen in Saggittor war gebannt. Doch freute sich Aurec angesichts der millionenfachen Toten nicht darüber. Er war ein wenig erleichtert, mehr aber auch nicht.

1.320 Einheiten der Saggittonen hatten die Kämpfe seit Beginn der Operationen nicht überstanden. Nach ersten groben Schätzungen hatte 300.000 Saggittonen ihr Leben verloren.

Aurec gedachte ihrer. 300.000 Familien waren betroffen. Milliarden Familien lebten nun in Sicherheit und waren der Willkür eines möglichen Angriffs von Rodrom nicht mehr ausgesetzt. Dafür waren diese 300.000 Saggittonen gestorben. Und dennoch war es Aurec schwer ums Herz. Er wusste nur allzu gut, wie sich so ein Verlust anfühlte.

Aurec erteilte den Befehl, sich um die überlebenden Kjollen zu kümmern. Alle besiedelten Sonnensysteme sollten aufgesucht werden. Militärisch waren die Kjollen erledigt, doch sie befanden sich noch in Saggittor. Außerdem schienen Hilfsvölker ihnen zu dienen. Urplötzlich hatte Saggittor ein paar Spezies mehr.

Es galt nun mit ihnen Frieden zu schließen und eine friedliche Koexistenz aufzubauen. Keineswegs sollte Rache diese neue Ära prägen. Allerdings würde es beide Seiten viel Kraft und Mühe kosten, das zu bewerkstelligen.

Aurec erteilte Waskoch die Order, die SAGRITON zurück nach Saggittor zu fliegen.

Aurec zog sich in sein Quartier zurück. Einige Zeit später suchte Perry Rhodan ihn auf.

Aurec starrte aus dem Fenster in den wabernden Hyperraum.

»Was geht in dir vor?«, wollte Rhodan wissen.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Aurec. »Einerseits noch tiefe Trauer wegen meiner Familie, doch dann fühle ich mich sehr stolz den Sieg für die Saggittonen errungen zu haben und nun in eine neue friedliche Zeit zu steuern.«

 

14. Abschied

29. November 1285 NGZ

Der Tag der Abreise war gekommen. Aurec hatte eine große Abschiedsgala zu Ehren der Galaktiker durchgeführt. Rhodan war sehr erfreut über diese Geste.

Der Saggittone hielt zum Abschluss eine kurze Rede: »Galaktiker, vor allem Perry Rhodan! Ich und unsere Galaxis schulden Euch großen Dank. Durch den heldenhaften Einsatz der Besatzung der LONDON und die Selbstlosigkeit eines Mannes, nämlich Perry Rhodan, hat die Galaxis die Befreiung von den Dienern der geheimnisvollen Entität MODROR, die wir Jahrtausende lang nur als Fremde kannten, und des verbrecherischen Dolphus, erwirken können.«

Er machte eine kurze Pause. Rhodan war über diese Äußerung verwundert. Aurecs Blick schweifte durch die Menge. Dann fuhr Aurec fort: »Ihr verdient es als Freunde bezeichnet zu werden. Deshalb verspreche ich, im Namen des saggittonischen Volkes, wir werden die Freundschaft zu Perry Rhodan und den Galaktikern pflegen. Wir sind immer für euch da, Galaktiker!«

Tosender Applaus für den neuen Kanzler nach der Rede, dann begann die LONDON mit den Startvorbereitungen.

Rhodan dankte Aurec für seine netten Worte. Sie reichten sich die Hände und umarmten sich.

»Leb wohl, mein terranischer Freund!«, sprach Aurec zum Abschied.

»Sagen wir besser: Bis bald, mein saggittonischer Freund!«, verabschiedete sich Rhodan.

Der Terraner war der Letzte, der die LONDON betrat, bevor das gigantische Schiff von dem Gateway abdockte und den Orbit ansteuerte.

*

»Wohin nun, Perry?« wollte Nordment wissen.

»Ich glaube, zum dritten Punkt von rechts außen«, erklärte er.

Wyll sah ihn verwirrt an. Rhodan lachte.

»Ab nach Hause!«

ENDE

 

 

Saggittor wurde von der geheimen Basis Rodroms befreit. Die Entität übte jedoch grausame Rache an seinem eigenen Hilfsvolk. Die LONDON kehrt in die Lokale Gruppe zurück.

Im nächsten Band schildert Nils Hirseland den Abschluss der LONDON-Reihe. Band 8 trägt den Titel:

DAS ENDE DER LONDON

 

 

 

 

Kommentar

Mit diesem Band nähert sich die Odyssee der LONDON ihrem Ende. Durch die Hilfe Sato Ambushs war es Perry Rhodan gelungen, das Kreuzfahrtschiff aus der von Rodrom gestellte Falle zu führen.

Im Laufe des Romans wurde deutlich, dass Perry Rhodan und seine Terraner wohl in eine gigantische Auseinandersetzung auf der Ebene der Hohen Mächte hineingezogen werden, an der, außer den bisher bekannten üblichen Verdächtigen, noch ganz andere Entitäten beteiligt sind.

Bezeichnend ist, dass diese Konflikte mit SI KITU eine vergessene Entität auf den Plan gerufen haben, die anscheinend Sato Ambush zu ihrem »Schützling« gewählt hat. Wobei, und diese kleine Bemerkung sei mir erlaubt, scheint sich diese, für ihre Verhältnisse wohlgemerkt, gegenüber dem japanischen Pararealisten geradezu freundlich und zuvorkommend zu verhalten.

Sei es, wie es sei, eines ist gewiss, Perry Rhodan und die Terraner sehen einer Gefahr entgegen, deren wahres Ausmaß sie noch gar nicht abschätzen können.

Jürgen Freier

 

GLOSSAR

Dolphus

Dolphus stammt vom Volk der Saggittonen. Er war im Jahre 1285 NGZ Oberbefehlshaber der saggittonischen Raumflotte und ein mächtiger Saggittone in der Galaxis. Der Militarist leitete im Oktober 1285 zusammen mit dem Kanzlersohn Aurec eine Expedition in der Lokalen Gruppe. Als Dolphus Funksignale der LONDON auffing, täuschte er Aurec und provozierte einen Angriff, da er – seiner Ansicht nach – endlich einen Kampf haben wollte. Aurec verhinderte jedoch schlimmeres.

Dolphus Unzufriedenheit wuchs, als eine Allianz mit Perry Rhodan und den Galaktikern geschlossen wurde. So wurde er zum willigen Helfer, als Rodrom ihm ein Bündnis und die Herrschaft über Saggittor in Aussicht stellte.

Dolphus war an der Ermordung der Kanzlerfamilie beteiligt und riss die Herrschaft für eine kurze Zeit an sich. Er schob den Galaktikern die Ermordung der Kanzlerfamilie in die Schuhe und plante eine Invasion in die Lokale Gruppe.

Nach der Rückkehr der LONDON aus dem Paralleluniversum und somit auch der Rückkehr von Aurec und Perry Rhodan, wurden Dolphus Pläne vereitelt. Der Rat von Saggittor enthob Dolphus, ließ ihm jedoch den Befehl über die Flotte.

Im November versuchte Dolphus, Aurec an Bord der SAGRITON umzubringen. Sein Versuch scheiterte und Dolphus wählte den Freitod.

Steckbrief

Geboren: ca. 1200 NGZ

Gestorben: November 1285 NGZ

Geburtsort: Saggittor

Größe: 1,67 Meter

Gewicht: 65 Kilogramm

Haarfarbe: schwarz, kurzgeschoren, brauner Bart

Augenfarbe: braun

Erster Auftritt: Dorgon Nr. 5

Letzter Auftritt: Dorgon Nr. 7

Kjollen

Die Kjollen, der / die Kjolle sind ein Volk im Zentrum der Galaxis Saggittor (M64). Sie wohnen nahe den Dunkelwolken, die als Basis für Rodrom über Jahrtausende hinweg dienten. Die Kjollen waren ein Hilfsvolk von Rodrom und hatten die Aufgabe, die bewohnten Sonnensysteme zu kontrollieren und sicher zu stellen, dass niemand die Energiebarriere um das Galaxis Zentrum durchbrach.

Aussehen

Ein Kjolle wird, unabhängig vom Geschlecht, bis zu 1,40 Meter groß, besitzt einen dünnen, schlaksigen Körper mit zwei Armen und Beinen. Der Kopf ist melonenförmig und überproportional groß. Das Gesicht des Kjollen wird von zwei großen, unter hohen Stirnwülsten liegenden Augen und einer kartoffelförmigen Nase beherrscht. Der Mund ist schmal und klein.

Geschichte

Die Kjollen sind ein Volk aus der Galaxis Saggittor, die vor Jahrzehntausenden von Rodrom rekrutiert wurden. Als Hilfsvolk herrschen sie über die bewohnten Sonnensysteme im Barriere Bereich und kontrollieren auch andere Hilfsvölker, wie die fischartigen Nider. Mögliche aufstrebende Völker schlugen die Kjollen erbarmungslos nieder, solange, bis sich die saggittorischen Völker gegen ihre Unterdrücker wandten. Fortan beschränkten sich die Kjollen auf Verteidigung und gerieten in Vergessenheit, da sie sich nicht mehr aktiv in die Angelegenheiten in der Galaxis einmischten.

Im November 1285 NGZ starteten die saggittorischen Völker eine Invasion, als sie durch ein Sternenportal innerhalb der Barriere gelangten. Rodrom bestrafte die Kjollen mit einem Selbstvernichtungszünder, der sämtliche Raumschiffe (meistens 100 Meter durchmessende Diskusraumer) zerstörte. Das Hauptsystem der Kjollen wurde durch eine von Rodrom initiierte Supernova vernichtet. Die Kjollen wurden damit zu einem Großteil ausgelöscht und technologisch in die prä-stellare Ära zurückgeworfen.

Der saggittonische Kanzler Aurec strebt zukünftig eine friedliche Co-Existenz mit den Kjollen an.

Zentrumsbarriere von M64

Kugelförmiges Energiefeld mit einem Durchmesser von 358 Lichtjahren. Die Barriere umschließt das Zentrums-Black Hole von Saggittor und schirmt ihr Inneres vollständig ab. Erschaffer ist die Entität MODROR, der dort eine Armee seines Hilfsvolkes Kjollen stationiert hat.

Die Barriere wird mit einer Vielzahl von Projektoren auf Großplattformen aufrechterhalten, die ihren Energiebedarf direkt aus nahen Sonnen zapfen. Es ist möglich mittels eines Codes, aber auch durch Strukturlücken Zugang zu erhalten, jedoch ist dies sehr selten.

Nahe dem Heimatsystem der Kjollen befindet sich ein Sternenportal. Das wurde hauptsächlich für Transporte genutzt, bis die Saggittonen durch SAGGITTORA im Jahre 1285 NGZ Kenntnis davon erhalten haben.

Die Barriere ist mit konventionellen Mitteln wie Metagrav-, Linear- oder einem Transitionstriebwerk nicht zu durchdringen. Auch im Sublichtbereich bildet die Barriere ein undurchdringliches Hindernis. Vermutungen der Saggittonen lauten dahin gehend, dass die Barriere ein höher gelagertes Energiefeld mit 6-dimensionalen Komponenten darstellt, ähnlich dem Schmiegeschirm des Schwarms, jedoch von anderer Struktur.

Es gelingt den Saggittonen mit Hilfe der Terraner schließlich diese Barriere im Jahre 1285 NGZ zu überwinden, indem sie das Sternenportal nutzen und die Energiestationen zerstören. Die Zentrumsbarriere erlischt, nachdem alle Stationen vernichtet wurden.

Sternenportal

Das Sternenportal ist eine Art Dimensionstunnel oder gigantischer Transmitter, der Raumschiffe über eine Distanz von Millionen von Lichtjahren ohne Zeitverzögerung abstrahlt. Es ist nicht bekannt, wer der Erbauer der Sternenportale ist, noch ist ihre Technologie erforscht.

Es existieren bisher drei bekannte Sternenportale. Eines rund 5 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt am Rand der Lokalen Gruppe. Ein zweites in einem Seitenarm der Galaxis Saggittor, M64. Ein drittes befindet sich nahe dem Zentrum von M64.

Das Sternenportal besteht aus vier kreisförmig angeordneten Raumstationen. Wenn diesen über eine bestimmte Frequenz Koordinaten übermittelt werden, aktivieren sich die Stationen und beginnen eine Verbindung zu einem anderen Portal aufzubauen.

Versuche, die Raumstationen zu untersuchen, scheiterten bisher, da sie sich dann in den Hyperraum flüchteten. Offenbar bedarf es auch einer Gegenstation. Willkürliche Koordinaten werden nicht angenommen.

Die Saggittonen erfuhren über die Existenz solch eines Portals durch eine geheimnisvolle Botschaft ihrer ebenso geheimnisvollen und wortkargen Superintelligenz SAGGITTORA. Die Terraner erfuhren erst Ende des Jahres 1285 NGZ durch die Saggittonen von der Existenz eines Portals in der Lokalen Gruppe.

 

Beschreibung: C:\Users\Juergen\Documents\PROCeBook77x48.pngDas DORGON-Projekt – Mordred-Zyklus – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.

Special-Edition Band 7, veröffentlicht am 5.3.2012 • Autor: Nils Hirseland • Titelillustration: Gaby Hylla • Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen Seel • Layout: Jürgen Seel • Internet: www.proc-community.de • E-Mail: info@proc-community.de • Postanschrift: PROC e. V.;  z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf • Copyright © 1999-2012 • Alle Rechte vorbehalten