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D O R G O N

Fan-Projekt des Perry Rhodan Online Clubs

 

MORDRED-ZYKLUS

Band 5

 

Nils Hirseland

Titelbild von Gaby Hylla

 

 

Die Entführung der LONDON

Das Luxusraumschiff in M64

 

Was bisher geschah

Im Oktober des Jahres 1285 NGZ bricht das Luxusraumschiff LONDON zu einer Kreuzfahrt quer durch die Lokale Gruppe auf. Das neue Flaggschiff der Kosmischen Hanse soll dem traditionsreichen terranischen Unternehmen zu neuem Glanz verhelfen.

Mit an Bord ist auch Perry Rhodan, der den bedeutenden Somer Sruel Allok Mok auf der LONDON für Camelot gewinnt. Zu den illustren Gästen zählt nicht nur die Familie der arkonidischen Orbanashols, sondern auch die Sekte »Die Kinder der Materiequelle« unter der Führung von Vater Dannos.

Sie sind auf einer selbst ernannten kosmischen Mission und wollen den Weg zum Kosmokraten beschreiten. Ein Teil dieses Plans ist

DIE ENTFÜHRUNG DER LONDON …

Hauptpersonen

Perry Rhodan – Der Zellaktivatorträger befindet sich plötzlich in einem Abenteuer.

Rosan Orbanashol – Die junge Halbarkonidin will ein neues Leben beginnen.

Wyll Nordment – Der hitzköpfige Terraner hat sich in Rosan verliebt.

Sam – Der Somer unterstützt Perry Rhodan.

James Holling – Kapitän der LONDON.

Vater Dannos – Der Sektenguru will zur Materiequelle aufsteigen.

Attakus, Spector und Thorina Orbanashol – Rosans schreckliche Familie.

Aurec – Der Saggittone erforscht einen fremden Sternensektor.

Rodrom – Die Inkarnation der mächtigen Entität MODROR.

 

 

 

 

1. Die Entführung der LONDON

15. Oktober 1285 NGZ

Kommandant James Holling saß in seiner Kabine und rührte mit dem Löffel in seiner Tasse Tee. Verträumt betrachtete er, wie die kleinen Wellen des Strudels sich kreisförmig verliefen.

Holling grübelte noch immer über die Entlassung seines Ersten Offiziers Wyll Nordment nach. Diese ging ihm sehr nahe, schließlich war er Nordments Mentor gewesen. Der Plophoser wusste genau, dass Wylls Karriere bei der Kosmischen Hanse vorbei war. Warum musste sich dieser Narr auch mit den Orbanashols anlegen? Er wusste zu genau, dass Gaton in dieser Hinsicht keinen Spaß verstand. Zuviel stand für den Ersten Hansesprecher auf dem Spiel, hoffte er doch, den Jungfernflug der LONDON dazu nutzen zu können, die Obanasholsippe zu einer Kapitalbeteiligung an der Hanse zu bewegen. Nicht, dass er seinen ehemaligen Ersten Offizier nicht verstehen konnte, Rosan stellte wirklich für jeden jungen Mann eine teuflische Versuchung dar. Doch Wyll hätte es wissen müssen, dass die Beziehung eines einfachen Bürgers der LFT zu dem einzigen Kind des gegenwärtigen Khasum-Oberhauptes der Orbanashols, auch wenn dieses »nur« eine Halb-Arkonidin war, für den gegenwärtigen arkonidischen Adel einer Provokation ohne Beispiel gleichkam.

Holling trauerte den verlorenen Idealen seiner Jugend nach. Damals hatte er für die Freiheit der Milchstraße gekämpft und sein Leben mehr als einmal für WIDDER riskiert. Nachdem es endlich gelungen war die Dunklen Jahrhunderte der Monos-Herrschaft zu beenden, hatte er gehofft, dass endlich Friede und Wohlstand in der Milchstraße Einzug halten würden.

Doch die Geschichte war anders verlaufen. Die Galaxis wurde von einer Krise nach der anderen erschüttert. Zuerst die Linguiden, dann drohte die Hyperraum-Parese alle 5-D Technik zum Erliegen bringen, wenig später kam die Expedition zur Großen Leere und gleich danach musste die Gefahr aus dem Arresum, der »negativen« Seite unseres Branen-Universums, beseitigt werden. Doch damit noch nicht genug. Gegen Ende seiner ersten Hundert Lebensjahre musste er auch noch die Inprint-Gefahr überstehen, nur um anschließend erleben zu müssen, wie das Galaktikum in drei einander bekämpfende Machtblöcke zerfiel.

Auf Terra und den Welten der LFT feierte der Nationalismus seine Auferstehung und ahmte eine Entwicklung nach, die auf den Welten des ehemaligen Großen Imperiums im vollen Gange war.

Perry Rhodan und seine Gefährten hatten Terra und die LFT kampflos den Demagogen vom Schlage eines Buddcio Grigor überlassen.

Für Holling kam das einer Fahnenflucht gleich.

In dieser Situation hatte er einen letzten Versuch unternommen, die verhängnisvolle Entwicklung aufzuhalten. Über die alten Beziehungen aus der WIDDER-Zeit hatte er um ein Gespräch mit Homer G. Adams gebeten und sich dann mit dem ehemaligen Hansesprecher getroffen. Geradezu beschwörend hatte er Homer gebeten, die Führung der Hanse zu übernehmen, um ein Gegengewicht gegen die nationalistische Politik der LFT-Administration aufzubauen. Doch der Unsterbliche hatte abgewunken und ihn über das geplante Projekt Camelot informiert. Adams hatte ihm das Angebot gemacht, am Aufbau der neuen Organisation der Unsterblichen mitzuarbeiten. Doch er hatte abgelehnt, da er die ganze Politik der Aktivatorträger nicht mehr verstand. Anstatt sich aktiv gegen den Chauvinismus und Nationalismus zu wenden, wollten diese sich schmollend auf ihre eigene Spielwiese zurückziehen. Das war der Zeitpunkt, wo er endgültig mit den Unsterblichen gebrochen hatte.

In den folgenden Jahren hatte er für die Hanse wichtige Kommandofunktionen und schließlich die Verantwortung für die Ausbildung des Nachwuchses an der Hanseakademie übernommen. In dieser Funktion sah er die Chance, bei der Ausbildung der jungen Offiziere und Mannschaften die alten Ideale, die einst die Kosmische Hanse geprägt hatten, weiterzugeben. Gerade in Wyll Nordment, und das schmerzte ihn besonders, hatte er den Sohn gesehen, den er nie gehabt hatte. In dem jungen Terraner hatte er geglaubt, sein jugendliches Ich wiederzuerkennen, idealistisch, willensstark und in Besitz eines ausgeprägten Gerechtigkeitsempfindens. Doch gerade diese Eigenschaften waren Wyll zum Verhängnis geworden. Warum musste sich dieser auch mit den Orbanashols anlegen?

Weil du selbst ihn dazu erzogen hast, alter Narr, gab er sich selbst die Antwort.

Einen Moment drohte aus der verglimmten Glut wieder das Feuer der Jugend in ihm aufzulodern. Noch vor fünfzig Jahren hätte er Gaton und seine ganze Clique von Speichelleckern von Bord seines Schiffes gejagt, doch nun war er einfach nur noch müde. Er hatte die Blüte seiner Jahre dem Kampf für die Freiheit und Gerechtigkeit geopfert, für was? Er stand vor dem Ende seines Lebensweges und ihm blieben, da machte er sich keine Illusionen, bestenfalls nur noch wenige Jahre. Was würde es bringen, wenn er seinen gesicherten Lebensabend für Ideale, die heute niemand mehr interessierten, aufs Spiel setzen würde? Nichts, da war er sich völlig sicher. Wyll würde die Folgen seines unbeherrschten Verhaltens allein ausbaden müssen. Zum ersten Male in seinem Leben würde er an sich selbst denken. Doch …

Wieder rührte er in der Teetasse und nahm einen kräftigen Schluck. Erneut fingen seine Gedanken an zu kreisen. Halb im Unterbewusstsein registrierte er das melodische Summen des Kabinenservos.

»Herein«, brummte er abwesend, ohne einen Blick auf das Foliendisplay zu werfen, dass durch das Signal aktiviert worden war.

Das leise Zischen, der in die Wand gleitenden Tür, veranlasste Holling, einen Blick auf das Türschott zu werfen. Ein Topsider und ein Insektenwesen vom Volk der Volater betraten die Kabine. Bruder Cech-Nor und Bruder U-ululu-U waren die Leibwächter von Vater Dannos, dem religiösen Oberhaupt der Sekte »Kinder der Materiequelle«.

Sie grüßten Holling nicht, sondern durchsuchten die Kapitänskajüte. Holling war überrascht.

»Darf ich fragen, was das soll, meine Herren?“

Bruder Cech-Nor ging auf Holling zu. Die feine Zunge des Echsenwesens schnellte aus dem breiten Mund mit den gefletschten Zähnen hinaus und wieder zurück.

»Sicherheitsvorkehrungen. Vater Dannos ist eine Zielscheibe. Schon oft wurden Attentate auf ihn verübt«, antwortete der Topsider emotionslos.

Er gab dem Volater ein Zeichen. Der Insektoide ging zur Tür und gab ein klackendes Geräusch von sich. Nun schritt Vater Dannos über die Türschwelle. Er wurde von dem dritten Bruder, dem Ertruser Toss, eskortiert. Der umweltangepasste Terraner hatte seine Mühe, sich durch den Eingang zu zwängen.

Der kahlköpfige Terraner trug wie immer sein khakifarbenes, langes Gewand. Die Augen wurden durch die dunkle Sonnenbrille verhüllt.

An seinem Hals baumelte das goldene Amulett. Holling betrachtete dieses etwas genauer. Es zeigte eine Spiralgalaxis. Holling lehnte sich gelassen in seinen Sessel zurück. Er nahm an, dass Dannos diese Showeinlage benötigte.

»Sei gegrüßt, Bruder. Ein schicksalsträchtiger Tag ist angebrochen«, verkündete der Guru. Ein feines Lächeln umspannte seine schmalen Lippen, als er diese Worte sprach.

*

Das monotone, rötlich wallende Bild des Hyperraums wirkte auf Dauer ermüdend. Der neue Erste Offizier Evan Rudocc rieb sich die trüben Augen. Heute war nicht sein Tag. Zusammen mit dem Ortungsleiter Garl Spechdt und dem Kommunikationsverantwortlichen Mugabe Sparks tat er seinen Dienst in der Kommandozentrale der LONDON.

»Ruhiger Vormittag«, bemerkte Sparks.

Rudocc blickte den dunkelhäutigen Terraner an, der ihn um zwei Köpfe überragte. Der Erste Offizier litt unter seiner Kleinwüchsigkeit. Mit nur 1,67 Metern war der im Bundesstaat Irland geborene Terraner wahrlich kein Hüne.

»Die Syntronik läuft aber immer noch nicht korrekt«, bemerkte Rudocc und tippte mit dem Finger auf ein Interface zur Zentralrechnereinheit der LONDON.

Garl Spechdt zuckte mit den Achseln. Der Ortungschef deutete in den verschwommenen Hyperraum.

»Wir finden uns auch so zurecht. Andromeda war bei der letzten Orientierungspause mit bloßem Auge zu erkennen«, stellte er zufrieden fest.

Rudocc war nicht danach, zufrieden zu sein. Er wollte heute missmutig sein. Betrübt starrte er auf dieses uralte, antike Ruder aus Holz, welches Seefahrer früher tatsächlich zur Steuerung eines Schiffes verwendet hatten.

»Ich hätte nicht gedacht, auf diese Weise Erster Offizier zu werden.«

Der hagere Spechdt stimmte seinem Offizierskollegen zu.

»Der arme Wyll tut mir auch Leid. Unglücklich verliebt und dann noch die Karriere ruiniert. Hoffentlich macht er keine Dummheiten.«

»Hauptsache, ihr macht keine Dummheiten«, hörten die Drei jemanden sagen, der soeben die Brücke betrat.

Ein Terraner mit kantigem Gesicht und missmutigen Gesichtsausdruck hatte einen Thermostrahler gezogen! Ihm folgten vier weitere, ebenfalls bewaffnete Terraner. Auch diese richteten die Waffen auf die drei Offiziere.

»Was soll das?«, fragte Rudocc scharf.

»Wonach sieht es denn aus?«, sagte der eine Mann, der als Craig Anbol bekannt war.

*

»Bitte nimm doch Platz«, bat Holling höflich.

Dannos setzte sich auf den gepolsterten Ledersessel. Es knirschte, als er sich niederließ. Wie bei fast allen Einrichtungsgegenständen wurde auf Formenergie verzichtet. Der Hansesprecher Arno Gaton wollte den Passagieren eben jenes Gefühl aus einer anderen, vergangenen Epoche bieten. Deshalb hatte er Wert darauf gelegt, dass die Einrichtung aus echten und nicht aus virtuellen Materialien bestand.

»Du hast mich um eine Unterredung gebeten, mein Bruder?«, begann Dannos.

Holling nickte.

»Die Geschichte ist mir durchaus peinlich, jedoch muss ich als Kommandant der LONDON der Angelegenheit nachgehen«, sprach Holling ausweichend.

»Das verstehe ich. Worum geht es?«, wollte der Vater der Kinder der Materiequelle wissen.

»Eine Dame – uninteressant, wer sie ist – kam vor kurzer Zeit zu mir und behauptete, du würdest etwas im Schilde führen. Sie sprach von Tod und Gewalt an Bord der LONDON. Sie war aus deinen Reihen, Vater Dannos!«

Dannos Miene blieb ausgewogen.

»Was erwartest du nun von mir als Antwort?«

»Die Wahrheit!«, forderte Holling kühl.

Dannos faltete die Hände und forschte in den Augen des Kommandanten der LONDON. Dann nahm er einen Memospeicher und aktivierte ihn. Er legte das blaue, stiftförmige Aufzeichnungsgerät auf den Tisch. Mit der rechten Hand grub er in seiner Tasche nach etwas. Holling beäugte ihn misstrauisch. Für einen Moment glaubte er, Dannos würde eine Waffe ziehen. Zu seinem Erleichtern holte er nur ein Etui mit Zigaretten aus seiner Jackentasche und zündete sich den Glimmstängel an.

Nach einem langen, genüsslichen Zug, sprach er: »Nun gut!«

*

Chefingenieur Alex Moindrew saß seit Stunden in seinem Kommandostand, der über eine Art Gangway aus Formenergie mit der den Maschinenraum umlaufenden Galerie verbunden war. Über ein Akustikinterface konnte er das zu einer Kanzel ausgeformte Ende des Steges über den gesamten Maschinenraum steuern. Doch im Moment interessierte er sich nur für die zentrale Syntronik, die von einem heimtückischen Virus befallen war. Immer wieder versuchte er das Schadprogramm im Symmunikator zu isolieren, bisher jedoch ohne Erfolg.

Erschöpft und entnervt über die vielen Fehlschläge blickte Moindrew hinab zu den bläulichen Maschinenblöcken, die sich über mehrere Etagen des Komplexes erstreckten. Dazwischen schimmerten besonders abgeschirmte Aggregate im kräftigen Rubinrot, das für den Gebrauch von Ynkonit charakteristisch war. Auch hier wirkte sich die Marotte des Ersten Hansesprechers aus. Er hatte darauf bestanden, dass auch im Bauch der LONDON alles aus solidem »Stahl« gefertigt wurde, sein Befehlsstand war das einzige Zugeständnis, da feste Materie einfach nicht beliebig verformbar war.

Technisch gesehen lag hier das Nervenzentrum der LONDON. Die Frequenzmodulatoren und Hyperenergietransformatoren des Metagravantriebes, die unterschiedlichen Subsysteme der Syntroniksteuerung und die Ringspeicherblöcke des Gravitravs liefen hier zusammen. Dazwischen schwebten die MODULA-Utility-Roboter auf ihren Antigravfeldern geschäftig zwischen den einzelnen Aggregatblöcken hin und her. Moindrew musste unwillkürlich grinsen, als er an den Krach mit Gaton dachte, als dieser seine Beschaffungsanforderung erhalten hatte. Der Hansesprecher hatte regelrecht vor Wut geschäumt, doch er hatte sich in diesem Punkte durchgesetzt, der Auftrag über die 30 Roboter war an die TAXIT gegangen. So gesehen hatte auch die verhasste Organisation Camelot ihren Beitrag zum Bau und Betrieb der LONDON geleistet. Sein Blick kontrollierte schließlich die mit einem weißen Overall gekleideten »Maschinisten«, die gelangweilt auf die Displays irgendwelcher Steuerkonsolen starrten und eigentlich völlig überflüssig waren. Gaton hatte jedoch auf menschlichem Personal im »Maschinenraum« bestanden, da auf den alten Schiffen ja auch Menschen im Maschinenraum gearbeitet hatten.

Moindrew wandte sich wieder seiner Steuerkonsole zu, deren verschiedene Holodisplays in Form eines Halbzylinders um ihn herum angeordnet waren. Über dieses System konnte er sich einen Überblick über die verschiedenen technischen Abteilungen verschaffen und die Funktion aller Schiffssysteme kontrollieren, da sein Befehlsstand über eine autarke Syntronik verfügte und anscheinend noch nicht durch den Virus befallen war. Wieder suchte er nach einem Weg, den Symmunikator der Zentralsyntronik zu umgehen und über die Syntronik der Maschinenzentrale einen Kontakt herzustellen.

Er wurde aber mitten in seinem Versuch gestört, denn fünf bewaffnete Männer stürmten in den Maschinenraum und besetzten ihn.

Moindrew sah, wie die bewaffneten Terraner die Konsolen sicherten und die Techniker zusammentrieben. Wieder musste er grinsen, dem würde er sofort ein Ende bereiten. Kurz entschlossen gab er eine Kombination in die Syntronik ein, durch die die MODULA-Roboter angewiesen wurden, alle unbefugten Personen festzusetzen und sich dabei selbst zu schützen. Gespannt wartete er auf den Vollzug seiner Anordnung. Doch nichts geschah. Die Roboter verrichteten ungerührt ihre Arbeit.

Ein Terraner löste sich von der Gruppe und kam auf ihn zu. Jetzt erkannte ihn Moindrew, er gehörte zu den Kindern der Materiequelle! Als er sich umdrehte, blickte er in die Mündung eines Thermogewehrs.

*

»Die Wahrheit, mein Bruder. Die wirst du bekommen. Bitte aktiviere das Interkom.«

Holling autorisierte sich durch seinen Fingerprint und aktivierte dadurch den Zugang zum bordinternen Kommunikationssystem. Das Hansezeichen erschien auf dem Display. Er schaute Dannos fragend an. Irgendwie kam ihm das alles sehr komisch vor. Dieser Guru war sehr geheimnisvoll und wirkte mehr und mehr bedrohlich.

»Und wen soll ich anrufen?«, wollte der Kapitän verdutzt wissen.

»Den Maschinenraum und die Kommandobrücke«, antwortete Dannos.

Holling wehrte ab.

»Welchen Nutzen soll das haben?“

»Das wirst du gleich herausfinden.«

Seine Finger glitten über die beiden ersten Einträge auf der grünschwarzen Anzeige. Die Verbindung wurde hergestellt. Der Bildschirm teilte sich in zwei Hälften. Auf der rechten erschien das Gesicht von Moindrew, auf der linken Seite das von Evan Rudocc.

Beide sahen nicht sonderlich glücklich aus. In diesem Moment schwante Holling Übles. Doch er verdrängte dieses ungute Gefühl sofort wieder. Was sollte schon passiert sein?

»Gibt es irgendetwas zu berichten?«, erkundigte sich Holling sporadisch.

Beide schwiegen kurz, dann antwortete der neue Erste Offizier: »Ja, Sir. Fünf Personen befinden sich widerrechtlich auf der Brücke. Das gleiche Bild im Maschinenraum und in der Sicherheitszentrale. Sie sind bewaffnet.«

Holling stand auf und schlug mit den Fäusten auf den Tisch, der aus starkem, plophosischem Hellahorn gezimmert war.

»Was soll das, Dannos? Bist du völlig verrückt geworden?«

Dannos reagierte gelassen auf den Wutausbruch des Kommandanten und zog provozierend an seiner Zigarette. Er blies den blauen Dunst in Richtung Kapitän. Holling atmete den nach Zimt riechenden Rauch unfreiwillig ein. Er fühlte sich benebelt und erkannte, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Zigarette handelte, sondern um eine psychedelische Marke. Vielleicht war das die Erklärung für diesen ganzen Unsinn. Der Sektierer war high. Holling schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden.

»Es ist besser, wenn du dich beruhigst, Kapitän. Die LONDON ist jetzt in meinen Händen. Ich habe alle wichtigen, strategischen Punkte besetzen lassen«, erklärte der Guru eiskalt.

Holling ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. Er sah die fünf Sektierer verwundert an. Dannos meinte es tatsächlich ernst.

»Woher habt ihr die Waffen?«, wollte er wissen.

»Einer von deiner Crew arbeitet für uns. Er verrichtet seinen Dienst in der Sicherheitszentrale. Von dort bekamen wir unsere Waffen. Somit kontrollieren wir jetzt sämtliche an Bord befindlichen Waffen und ihr seid wehrlos. Wir haben dieses kosmische Unternehmen von langer Hand geplant. Aber ich will, dass du mir jetzt genau zuhörst. Ich wiederhole das nicht noch einmal.«

Der Vater der Materiequellenkinder drückte die Zigarette mit dem Absatz auf dem Boden aus. Er lehnte sich zurück und faltete wieder die Hände.

»Erstens werden alle Besatzungsmitglieder, und ich meine alle, über die Entführung informiert. Außerdem noch Arno Gaton. Die Passagiere, einschließlich Perry Rhodan, werden im Unklaren gehalten. Wir haben eine Bombe an Bord des Schiffes versteckt, falls meine Befehle nicht ausgeführt werden, könnte es zum Äußersten kommen. Überdies bekommen alle unsere Anhänger eine Uniform, um so das Raumschiff besser kontrollieren zu können. Deine Leute werden uns nicht bei unserer Arbeit behindern und werden weiter ihre normalen Tätigkeiten ausüben.

Die Passagiere dürfen nichts von der Entführung mitbekommen. Eine Massenpanik wäre gleichzusetzen mit Massensterben! Falls einer von unseren Leuten auch nur verschwindet, werde ich zehn Passagiere hinrichten lassen. Hast du mich soweit verstanden?«

Holling sah Dannos entsetzt in die Augen. Für einen kurzen Moment wollte er dagegen aufbegehren. Wie kam dieser irre Priester dazu, ihm irgendwelche Befehle an Bord seines Raumers zu erteilen? Das musste doch ein übler Scherz sein.

Doch Holling war realistisch genug, um die Lage nicht fehl zu interpretieren. Dannos hatte in der Tat die LONDON in seine Gewalt gebracht. Er würde sicher nicht von seinem Plan, was immer das auch für einer war, abweichen, nur weil der Kommandant der LONDON ein Machtwort sprach. Für den Moment musste er widerwillig Dannos gehorchen.

»Ja, ich habe verstanden!“

Er kauerte in seinem Sessel, umfasste den Knauf der Lehne und biss sich auf die Unterlippe, bis sie anfing zu bluten.

Dannos hingegen wirkte völlig souverän. Er wippte entspannt im Ledersessel hin und zurück.

»Der Kurs wird geändert. Wir steuern ein anderes Ziel an«, befahl der Guru.

»Was für ein Ziel?«, wollte der Kommandant wissen.

»Das werdet ihr bei Gelegenheit erfahren.“

Jetzt platzte Holling doch die Hutschnur. Er stand auf und schlug erneut mit der Faust auf den Tisch. Er schrie Dannos an und forderte ihn auf, sofort mit diesen Albereien aufzuhören. Holling verlangte, sofort die Waffen niederzulegen, bevor Dannos ernsthafte Schwierigkeiten bekommen würde.

Dannos stand nun auch auf und nahm seine Brille ab. Seine dunklen Augen fixierten Holling. Der Kapitän hielt dem Blickduell nicht lange stand. Nun sprach Dannos schärfer: »Merke dir eines: Handelst du mir zuwider, werden Passagiere sterben. Du lebst nur aufgrund meiner Gunst. Kooperiere besser mit mir, denn auch du bist ersetzbar. Und wenn es nicht dich trifft, dann andere. Ich verfüge jetzt an Bord über die Allmacht. Ich bin auf dem komischen Pfade gewandelt und habe den kosmischen Energieausgleich in mir. Die Hohen Mächte und Gott sind mit mir!«

Holling bekreuzigte sich.

»Das ist Blasphemie!«

»Wie dem auch sei. Eines kannst du gewiss sein: An Bord dieses Schiffes bin ich jetzt Gott!«

Dannos bedachte Holling mit einem seltsamen Lächeln, setzte die Brille wieder auf und verließ mit seinen Brüdern die Kabine.

Holling brauchte einige Minuten, um den Schock zu verarbeiten.

Er ging in die Kommandozentrale und bestellte seine Offiziere in den Besprechungsraum. Sie berieten nun über die Situation und begannen alle 1.200 Crewmitglieder zu informieren.

Holling übernahm es selbst, Gaton darüber aufzuklären. Der Hansesprecher bekam beinahe einen Kollaps. Er verfluchte alle und stellte sich aus Opfer dar.

*

Am Nachmittag kam Dannos wieder in den Besprechungsraum. Diesmal waren Evan Rudocc, Garl Spechdt, Mugabe Sparks, Bogo Prollig, der Bordarzt Hostav Tablot, Alex Moindrew, Arno Gaton und Holling versammelt.

Der Raum war voll. Allein der Epsaler Prollig besetzte die mit braunem Leder bezogene Couch, die wirkte, als würde sie jeden Moment unter dem Gewicht des Sicherheitschefs im Boden versinken. Arno Gaton kauerte nervös auf einem Stuhl, der Bordarzt Hostav Tablot stierte in sein Glas. Spechdt, Rudocc und Mugabe standen schweigend im Quartier.

Dannos wurde wieder von seinen Brüdern begleitet.

Er sah in die Runde und strahlte in großer Heiterkeit. »Ihr macht alle einen verhaltenen Eindruck, meine Brüder? Woran liegt das?«

Gaton stand auf.

»Was sind deine Forderungen? Wie viel?«, begann er.

Dannos hob beschwörend die Hände.

»Triviale Güter beschäftigen mich nicht, obgleich einige meiner Kinder die materiellen Dinge bevorzugen und daher in nächster Zeit eine Lösegeldforderung das Hauptquartier Hanse erreichen wird. Unsere Ziele sind weitaus umfassender. Wir sind auf einem kosmischen Pfad. Die Kinder der Materiequelle sind eine kosmische Einheit, die im Begriff ist, eine Entität zu werden. Eine kosmische Entität auf dem Weg zu einer Materiequelle!«

Seine Augen glühten fanatisch.

»Spinner«, brummte Gaton.

Dannos sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

»Ich glaube, du verkennst deine Lage!«, schrie er.

Er fing an zu husten und taumelte. Seine Brüder stützten ihn und gaben ihm etwas zu trinken. Dannos beruhigte sich wieder.

»Eines Tages werden wir der Kosmokrat Dannos sein und dann werden wir in unserem Paradies leben! Aber dies könnt ihr sowieso nicht verstehen«, fuhr er fort.

Diesmal schwiegen die anderen.

»Ich sehe, ihr habt gelernt«, stellte der Guru zufrieden fest.

»Wohin wurde nun der Kurs gesetzt?«, wollte Holling wissen.

Moindrew meldete sich auch zu Wort. »Was ist mit der defekten Syntronik? Die dürfte euch doch ziemlich behindern.«

Dannos winkte ab.

»Nein, das tut sie nicht. Herban Livilan!«

Der kleine, fauenartige Hasproner Herban Livilan Arkyl betrat nun die Kabine. Er musterte die Kommandocrew der LONDON so, als wären sie dumme Schuljungen. Dannos stellte ihn den Offizieren als Syntronikgenie vor.

»Ganz richtig«, begann Herban Livilan zufrieden. »Es liegt in der Natur unseres Volkes, dass wir mehr von Syntroniken verstehen, als ihr Wenighaarigen. Ich war es, der den Virus einspeiste. Eine Leichtigkeit bei euren nachlässigen Sicherheitsvorkehrungen, bei denen wir noch ein wenig nachgeholfen haben. Das Kindchen frisst mir aus der Hand.«

»Die offenen Ports in der Firewall …«, murmelte Moindrew. Dann suchte sein Blick Gaton.

»Arno, ich habe dich …«

»Halt den Mund, Alex! Das war bestimmt ganz unwichtig«, unterbrach ihn der Hansesprecher.

Herban Livilan fing an meckernd zu lachen.

»Ja, ja, ganz bestimmt, ganz unwichtig! Es ist doch immer wieder tröstlich, dass man sich auf eines verlassen kann, nicht wahr Arno?«

Gaton blickte den Hasproner begriffsstutzig an, bevor er stotternd fragte: »Auf was kann man sich denn verlassen?«

Wieder ertönte das meckernde Lachen, das jetzt geradezu bösartig klang.

»Du willst das tatsächlich wissen? Nun gut, weil du mich so artig fragst, sag ich es dir. Aber du musst mich noch mal richtig darum bitten, also?«

»Ja, ja – bitte …«

»Na, dann will ich mal nicht so sein …«

Wieder machte Livilan eine Pause, bevor er, jedes Wort betonend, fortfuhr:

»Auf deine grenzenlose, einzigartige und allumfassende Inkompetenz und Dummheit natürlich, Arno!«

Gaton wurde kreidebleich und ließ sich kraftlos auf einen freien Stuhl fallen, während der Sektenguru und sein Gefolge in schallendes Gelächter ausbrachen.

Schließlich meldete sich Holling zu Wort: »Aber, du bist doch der Mann von dieser Hiretta, die mich gestern warnte!«

»Wie naiv du doch bist, Plophoser! Alles nur ein kleines Spielchen mit dir, Kommandant«, antwortete der Syntronikexperte amüsiert. Er schüttelte den Kopf und rollte genervt mit den Augen. Offenbar hatte er von Holling mehr Intelligenz erwartet.

Die Verantwortlichen an Bord schwiegen eine Weile. Dannos ergriff wieder das Wort.

»Das Schicksal der LONDON liegt in meinem kosmischen Händen. Ich bin von nun an das Leben und zugleich der Tod an Bord dieses Schiffes, ich bin euer Gott! Ob gütig oder streng, obliegt euch.«

Mit diesen Worten verabschiedete sich Dannos mit seinen Anhängern.

*

Die Schiffsführung diskutierte noch einige Minuten heftig, doch sie kamen zu keinem Ergebnis. Sie wussten, dass Dannos recht hatte. Holling schätzte den Sektenguru als extrem fanatisch und gefährlich ein. Er riet den anderen von einem Widerstand ab.

Der Sicherheitschef Prollig schlug vor, die Passagiere zu alarmieren und so die Leute vom Schiff zu jagen, dabei bedachte er jedoch nicht, dass viele Unschuldige sterben konnten.

Außerdem, so warf Doktor Hostav Tablot ein, wusste man doch gar nicht, wer alles zu den Kindern der Materiequelle gehörte.

Die Versammlung löste sich ergebnislos auf.

Holling zog sich auf die Brücke zurück, die von Dannos Leuten bewacht wurde. Er war ein Gefangener auf seinem eigenen Raumschiff und, zumindest hoffte er das, vielleicht konnte ihnen ein bestimmter Terraner an Bord helfen.

 

2. Gefahr in Verzug

Es wurde Abend. Die künstliche Tagesbeleuchtung erlosch auf den »Außendecks«, damit die Passagiere auch das optische Gefühl bekam, dass sich dieser 15. Oktober 1285 NGZ dem Ende neigte.

Die LONDON flog mit Unterlichtgeschwindigkeit. Durch die Glaskuppel und die zahlreichen Fenster wurden unzählige Galaxien sichtbar. Am hellsten strahlte Andromeda. Doch keiner der Passagiere schien zu bemerken, dass sich die LONDON von Andromeda entfernte und Kurs Richtung Triangulum nahm.

Die meisten Gäste hielten sich zur Abendessenszeit in den Speisesälen und Restaurants auf. Am Kapitänstisch herrschte eine ungewöhnliche Stille. Neben Holling und Gaton saßen die vier Orbanashols, der Bankier Jakko Mathyl, Perry Rhodan, Sam und zwei weitere Passagiere namens Shel Norkat und Ulryk Wakkner.

Die Orbanashols zeigten deutlich ihr Missfallen über die zwei, in ihren Augen gewöhnlichen Terraner.

Rosan brachte keinen Bissen herunter. Sie stocherte lustlos in ihrem Zukkorsalat herum.

»Was ist denn, Schätzchen? Warum isst du nichts?«, fragte Attakus.

»Ich habe keinen Hunger«, antwortete sie knapp. Sie sah Holling an. »Was ist aus Wyll Nordment geworden?«

Der Kommandant räusperte sich. »Er wurde entlassen und befindet sich auf einem unteren Deck. Dort wurde ihm eine Kabine zugeteilt«, erklärte er mit hörbarem Bedauern.

Attakus trank zufrieden sein Glas Namahoora. Er gab einen Laut des Wohlgefallens von sich.

»Arkonidische Getränke sind noch immer die besten«, fand er und versuchte vom Thema abzulenken.

Rosan ließ jedoch nicht locker.

»War das wirklich nötig? Er ist doch ein hervorragender Offizier und es wäre eine Verschwendung, ihn einfach zu entlassen. Attakus ist ihm nicht mehr böse. Wir haben den Vorfall bereits vergessen.«

Spector kamen bei diesem Satz beinahe die Sherkklöße wieder hoch. Er hustete, räusperte sich gedehnt und wischte sich den Mund mit der roten Serviette akribisch ab.

»Meine Stieftochter irrt sich gewaltig! Wir sind zufrieden mit der Bestrafung, obgleich sie noch härter hätte ausfallen müssen.«

Rosan resignierte. Ihr tat Wyll sehr Leid. Schließlich hatte er nur ihretwegen den Streit angefangen. Offensichtlich hatte er sich in sie verliebt. Rosan wusste nicht, ob sie die gleichen Gefühle für ihn hegte, doch da war auf jeden Fall eine tiefe Zuneigung. Vielleicht auch schon Liebe. Im Moment war sie nur verwirrt. Soviel war in den letzten Tagen passiert, seitdem sie an Bord der LONDON war. Die Verlobung mit Attakus, Spectors Drohungen und dann Wyll, der sich so rührend um sie bemühte. Am liebsten wäre sie einfach mit ihm durchgebrannt.

Sie dachte eine Weile darüber nach und ahnte, dass sie doch tiefe Gefühle für ihn hegte, wenn sie schon mit ihm fliehen wollte. Oder war es nur, dass er ihr die Gelegenheit bot, aus ihrem goldenen Gefängnis auszubrechen? Doch im Augenblick hatte sie keine Möglichkeit dazu. Sie würde die Lage von Wyll nur verschlimmern, wenn sie sich auf der LONDON weiter mit ihm traf. Spector würde sie nie in Frieden lassen.

Sie sah sich um und betrachtete die Gäste, die mit ihr am Tisch saßen, auf dem echte, weiße Teller aus terranischem oder arkonidischem Porzellan standen. Die elegant verzierten Gläser stammten von einer berühmten akonischen Glaserei, das erkannte Rosan sofort und erinnerte sich an die endlos monotonen Diskussionen zwischen Mutter und ihren Freundinnen. Natürlich waren die Arkonidinen der Meinung gewesen, dass arkonidische Gläser, Kelche und Becher weitaus besser verarbeitet waren.

Rosan fand die Gläser schön. Feine, in unterschiedlichen Farben irisierende Staubkörnchen funkelten in dem Glas.

Der Patriarch der Mehandor Koliput und der topsidische Botschafter kamen zum Tisch und begrüßten die Anwesenden. Terek-Orn war ein kultivierter, vornehmer Topsider. Er war diplomatisch, wirkte aber auch arrogant und unterkühlt. Aber das lag wohl in der Natur der Topsider. Er nickte Perry Rhodan nur beiläufig zu, als wäre dieser nichts Besonderes.

Es hatte sich inzwischen auf dem Schiff herumgesprochen, dass der Unsterbliche an Bord war. Auf dem Weg zum Saal musste Rhodan sogar einige Autogramme geben. Viele sprachen immer noch voller Respekt von seinen Leistungen für die Erde. Diese Anerkennung war jedoch in den letzten Jahrzehnten geschickt durch die Propaganda der LFT-Führung getrübt worden.

Der Somer Sam unterhielt sich inzwischen angeregt mit dem Topsider und dem Mehandor, während Rhodan aus dem großen Panoramafenster schaute. Seine Augenlider verengten sich. Er wirkte auf Rosan nachdenklich, dann machte er einen ziemlich überraschten Eindruck.

»Holling, warum entfernen wir uns von Andromeda?«, wollte er schließlich wissen.

Der Plophoser sah Hilfe suchend zu Gaton herüber, der Holling ein Zeichen gab, es selbst zu erklären.

»Nun ja«, begann er zögerlich. »Wir liegen so gut in der Zeit, dass wir zuerst eine Rundreise um Andromeda machen und dann erst nach Tefrod fliegen werden. Damit bieten wir den Passagieren einen Tag mehr Vergnügen an Bord der LONDON.«

Rhodan schwieg. Rosan kam das absurd vor. Die gesamte Galaxis zu umfliegen würde wohl weitaus länger als einen Tag dauern, so vermutete sie, obwohl sie sich nicht gut mit Metagravantrieben und Überlichtfaktoren auskannte. Sie bemerkte die Verunsicherung in den Minen des Kommandanten und auch des Hansesprechers. Verbargen sie etwas?

»Gaton, ich würde gerne nach dem Dinner mit dir sprechen. Es ist wichtig«, bat Rhodan.

Gaton schien zuerst nicht zu verstehen. Dann wurde auch ihm klar, dass Rhodan etwas aufgefallen war. Er erklärte sich einverstanden.

Die Kapelle spielte das Klavierkonzert Nummer 21 von einem bekannten terranischen Komponisten.

Ulryk Wakkner kauerte auf seinem Platz. Der langweilige Terraner hatte bisher noch kein Wort gesprochen. Er war auch Mitarbeiter der Galaxiskasse und Jakko Mathyl gehörte zu seinen Vorgesetzten.

»Ah, Beethoven. Guter Komponist«, meinte Mathyl wenig geistreich. Selbst Rosan wusste es besser, dabei hatte sie seit dem Tod ihres Vaters keine terranische Musik mehr gehört, da diese auf Arkon natürlich verpönt war.

Sam machte einen resignierten Eindruck.

»Das Stück ist von Wolfgang Amadeus Mozart. Es handelt sich um das Klavierkonzert Nummer 21 in C-Dur, Köchelverzeichnis 467, die zweite Andante. Es ist bedauerlich, dass die Terraner sich nicht mal mehr in ihrer eigenen Kultur auskennen. Doch dies ist bezeichnend für die Situation in der gesamten Milchstraße. Bildung und Kultur weichen dem schnöden Mammon und dem stumpfsinnigen Streben nach immer mehr Galax. Darin sind sich die Völker der Milchstraße wenigstens einig.«

Der bärtige Jakko Mathyl lachte. »Aber natürlich. Das ist doch auch richtig so. Der mächtige Galax sichert die Demokratie und Freiheit. Wer was hat, ist etwas. Ich bin nun einmal höher einzustufen als zum Beispiel mein Angestellter Ulryk Wakkner. Für ihn ist dieser Tag der Höhepunkt seiner Karriere, denn er wird sich nie wieder in so exklusiver Gesellschaft befinden.«

Mathyl schlug dem bedauernswerten Wakkner auf die Schulter. Dieser lachte gezwungen, während er vergeblich versuchte, seine Nudeln im Mund zu behalten.

Sam bedachte Mathyl mit einem verständnislosen Blick und schüttelte sein blaues Gefieder.

»Sie denken nur materiell, Mathyl. Solange das Wachstum stimmt, die Kurse steigen und der Profit gesichert ist, ist ihr Leben erfüllt. Die Bedürfnisse anderer Lebewesen interessieren Sie nicht, nicht wahr?«

Mathyl machte eine abwehrende Geste.

»So kann man das nicht sagen. Unsere Angestellten werden gut bezahlt. Ihnen fehlt es an nichts. Dafür müssen sie halt arbeiten und notfalls unbezahlte Überstunden leisten, aber dies verlangt jeder erfolgreiche Arbeitgeber. Wie das Wort Arbeitgeber schon sagt, gibt der Arbeitgeber etwas, der Arbeitnehmer hingegen nimmt immer nur. Deshalb müssen die Arbeitnehmer nun mal flexibel und anpassungsfähig sein ... und eben für das Wohl der Allgemeinheit auf ein paar Galax verzichten,«

Sam sah ihn nicht sonderlich freundlich an.

»In der freien Wirtschaft hat doch jeder die Chance, was aus seinem Leben zu machen. Wenn er es dann nicht schafft, nach oben zu kommen, ist er eben selbst schuld. So funktioniert die galaktische Wirtschaft, und das ist auch gut so!«, führte Mathyl unwirsch weiter aus.

Ulryk Wakkner wusste wohl immer noch nichts zu sagen, während sich Shel Norkat mit James Holling unterhielt und ihn über das Raumschiff und das Leben als Raumfahrer ausfragte. Rosan seufzte und bestellte sich noch ein Glas jagryllianischen Wein.

»Möge die fette Kreatur der Völlerei mit euch sein«, grüßte der jülziische Abgesandte Türkalyl Öbbysun und setzte sich an den letzten freien Platz neben Ulryk Wakkner. Er orderte Gnurgha-Früchte und einen Züyglüyrii-Likör. Die Kellnerin servierte das gegarte Gemüse auch prompt. Sie stellte die grün-violett gestreiften, karottenförmigen Wurzeln mit Beinchen auf einen kleinen Tischgrill. Durch chemische Energie fingen die Gnurgha-Früchte an zu hüpfen und zu laufen. Mit schrillem Gekicher versuchte der Jülziisch sein Essen mit der Gabel einzufangen.

»Ach, das ist ja witzig. Laufende Karotten«, meinte Ulryk Wakkner und lachte glucksend. Er sah sich um, doch bis auf einen mitleidigen Blick von Rosan schien ihn niemand zu bemerken. Wakkner räusperte sich und widmete sich seinem Nachtisch, während Öbbysun triumphierend eine Gnurgha-Frucht an der achtzackigen, schwarzen Gabel baumeln ließ und sich genüsslich in den Mund schob.

Ein kleiner Unitherjunge lief staksig zum Tisch.

»Bist du der berühmte Perry Rhodan?«, fragte er mit seiner nasalen Stimme.

Der Unsterbliche lachte und bestätigte die Anfrage. Der kleine Junge hielt einen Stift und ein Bilderbuch hoch. Rhodan nahm beides. Es war ein Bilderbuch über Rhodans Abenteuer in Andromeda. Er nahm den Stift und schrieb eine Widmung für den Unither hinein.

Dieser bedankte sich artig und lief umständlich um den Tisch herum, dabei stolperte er und fiel auf den bordeauxroten, kunstvoll mit arkonidischen Mustern verzierten Teppich.

Rosan stand auf und half ihm wieder hoch. Der Kleine drückte ihr ein Zettel in die Hand und lief los. Sie versteckte das Stück Papier erst einmal.

Thorina machte eine abfällige Bemerkung über die Unither und das Forum Raglund. Die anderen überhörten scheinbar diese Beleidigung.

Rosan wandte sich zur Seite und öffnete den Zettel. Darauf war eine Einladung von Wyll Nordment. Sie sollte nach dem Dinner am Foyer-Eingang auf ihn warten. Sie beschloss, der Einladung zu folgen.

Nach dem Essen erfand sie eine Ausrede, um alleine zu dem Eingang des Foyers zu gehen. Dort stand auch Wyll und lehnte am Geländer. Hinter ihm wirbelte die Projektion der Milchstraße. Er lächelte sie an. Sie ging langsam die Stufen hinauf, bis sie vor ihm stand.

»Es tut mir so sehr Leid um dich«, bemerkte sie.

Er senkte den Kopf, um ihn anschließend wieder zu heben. Er machte einen zuversichtlichen Eindruck.

»Mir wird schon etwas einfallen Hast du dich amüsiert?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Es war langweilig wie immer. Aber so wird meine Zukunft aussehen. Endlose Bälle und Paraden beim Inthronium.“

Sie machte wieder einen deprimierten Eindruck. Wyll nahm ihre Hand.

»Das kann man aber ändern. Komm mit, ich zeige dir, wie die normalen Galaktiker ihre Partys feiern.«

 

3. Liebe und Tod

»Peepsies Nestchen« prangte als blinkendes Leuchthologramm über dem Eingang des Etablissements, sechs Decks unter dem Hauptspeisesaal. Wyll zerrte Rosan mit hinein. Stickige, rauchige Luft ließ sie kurz die Nase rümpfen. Es war warm, das Licht gedämpft und eine laute Musik wummerte aus den Boxen.

Die Atmosphäre in dem Klub war ganz anders als in dem Speisesaal. Die Wesen hier waren locker, nicht so steif und wirkten gelöst. Rosan blieb am Eingang stehen und musterte die Besucher. Allerlei Wesen verschiedenster galaktischer Rassen tummelten sich an der weitläufigen Bar, saßen an den Tischen, standen in Gruppen im Dunst des Raumes oder tanzten vergnügt herum.

Rosan bemerkte den widerlichen Tett Chowfor am Tresen. Er rutschte auf dem Barhocker herum, wobei Rosan viel mehr von seinem ausbeulenden Hüftbereich sah, als es ihr lieb war. Chowfor warf ihr einen finsteren Blick zu. Die Orbanashol kümmerte es wenig. Er hatte seine Lektion hoffentlich gelernt.

Sie schlenderte mit Wyll zum Tresen. Im Hintergrund hämmerte in elektronischen Beats ein Song über Perry Rhodan, welches von einer Trompetenfanfare als Refrain begleitet wurde.

Die Bedienung war ein Peepsie. Das kegelköpfige, moosgrünfarbene Wesen mit den Schlappohren servierte ihr einen arkonidischen Weißbeerenlikör. Rosan leerte das Glas schnell und orderte einen zweiten Drink.

Wyll schaute sie erstaunt an.

»Was denn?«, rief sie laut, um die Musik zu übertönen. »Meinst du, wir Arkoniden vertragen nichts?«

Wyll schüttelte nur amüsiert den Kopf. Neben ihr schunkelte ein zweiter Peepsie. Sie fragte sich, wer ihnen nur diesen Namen gegeben hatte? Der Spitzköpfige unterhielt sich fiepend mit seinem Artgenossen hinter dem Tresen. Jetzt wusste sie es. Die Selbstbezeichnung der Peepsies war für die meisten Galaktiker nicht auszusprechen. Die Musik wechselte zu einer Art Ballade, die von Hickslauten untermalt wurde. Das war nicht Rosans Geschmack, doch der Peepsie neben ihr wedelte bei jedem »Hicks« mit den langen Armen auf und ab. Dabei verschüttete er das Bier auf Rosans Oberteil.

»Ohh, nein. Mein schönes Üühee«, fiepte der Galaktiker enttäuscht.

»Was kümmert uns dein Bier? Du hast die Dame bekleckert«, wandte Wyll ein.

Rosan lachte und winkte ab.

»Ach egal! Es war ja keine Absicht.«

Rosan lehnte sich zurück und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Am Nachbartisch maßen zwei Ertruser unter lautem Ächzen und Stöhnen ihre Kraft beim Armdrücken. Als der eine den Arm des anderen herunterdrückte, zerbrach er dabei den ganzen Tisch. Der andere fiel zu Boden, stand jedoch wieder lachend auf.

Beide klopften sich auf die Schultern und prosteten sich mit ihren Humpen zu. Rosan war über so viel Heiterkeit erstaunt. So etwas hätte man sich im arkonidischen Adel nicht erlauben dürfen. Natürlich gab es auch arkonidische Kneipen, Klubs und Diskotheken, doch das Kristallimperium hatte in den vergangenen Jahrzehnten seit der Reichsgründung vermehrt auf eine disziplinierte Erziehung aller Bevölkerungsschichten geachtet.

Vertrete Arkon in Würde und Glanz, hieß einer der Leitsätze, der Rosan während ihrer Schulzeit immer wieder eingetrichtert worden war.

Die Musik wechselte zu einem stimmungsvollen Lied der terranischen Band Interkosmo.

Wyll nahm Rosan bei der Hand. Sie liefen auf die Tanzfläche. Rosan lernte schnell, wie die »modernen« Tänze gingen. Sie lachte und freute sich.

Der kleine Unitherjunge, der ihr die Nachricht von Wyll zukommen ließ, tanzte etwas unbeholfen mit einem kleinen Jülziisch-Mädchen. Es war ein niedlicher Anblick. Rosan war unbeschwert und heiter.

*

Hermon von Zhart lief ein kalter Schauer über den Rücken. Das terranische Geplärre, welches diese Barbaren Musik nannten, versursachte bei einem zivilisierten Arkoniden Kopfschmerzen, Schüttelkrämpfe und Übelkeit.

Er rümpfte die Nase. Hier stank es widerlich. Überall schwankten betrunkene Männer und Frauen aller möglichen Völker hin und her. Das schummrige Licht ersparte da Zhart zumindest so einige Abartigkeiten der Braas’coi, vermutete der ehemalige Kristallagent.

Zhart dachte an die Kristallhalle von Forim. Es war für ihn eine Art Selbstschutz, dass er die wohltuenden Töne von »Caycon und Raimanja«, der legendären Komposition von Imperator Gonozal VII., in seinen Gedanken erklingen ließ.

Es war nicht schwer, Rosan Orbanashol zu finden. Sie feierte ausgelassen mit dem Braas’coi Wyll Nordment und – sie wirkte angetrunken. Sie lachte und umarmte Wyll. Welch eine Schande für die edlen Zhdopanthis. Angewidert zog sich Hermon da Zhart zurück, um Attakus Bericht zu erstatten.

*

Nach dem Ende des Tanzes liefen Wyll und Rosan auf das Deck. Die LONDON befand sich noch im Normalflug. Die beiden blickten zu den Sternen.

»Wunderschön. Warum können wir heute nicht allein auf irgendeinem schönen, friedlichen Planeten sein? Nur wir zwei«, schwärmte die Halbarkonidin und schaute tief in Wylls Augen.

Die LONDON erreichte ein System mit einer Sauerstoffwelt. Das Raumschiff glitt langsam in den Orbit um den blaugrünen Planeten. Nachdem das Schiff in die Atmosphäre eingetaucht war, öffnete es kleine Feldschleusen. Frische, saubere Luft aus der niedrigen Atmosphäre des Planeten drang hinein.

Rosan und Wyll gingen zu einer der Schleusen. Die LONDON nahm die Geschwindigkeit herunter, sodass keine Gefahr für die Passagiere bestand. Die Wolken auf dem Planeten waren bräunlich und stiegen wie Türme empor. Wyll und Rosan stellten sich an eines der geöffneten Schotts. Der Wind strich ihnen sanft entgegen. Wyll stand hinter ihr und umarmte sie. Beide sahen sich an. Ihre Lippen suchten sich. Erst zögernd berührten sie sich, dann intensiver und voller Leidenschaft.

»Für heute sind wir auf einem anderen Stern. Nur wir zwei allein«, sagte er.

»Auf einem Stern wäre es aber zu heiß«, korrigierte Rosan.

»Typisch, Arkonidin. Muss immer das letzte Wort haben …«

Wieder küssten sie sich lange.

»Ich möchte bei dir bleiben, Wyll. Für immer. Ich meine es ernst. Ich verlasse meine Familie!«

Er nahm sie in seine Arme und küsste sie auf die Stirn. »Ich kann dir zwar nicht viel bieten, denn ich bin seit gestern arbeitslos, aber ...«

Sie legte ihren Finger auf seinen Mund. Dann nahm sie ihn herunter und küsste Wyll trunken vor Liebe.

Beide hielten sich eng umschlungen und sahen den aufsteigenden Wolken dieser fremden Welt nach.

Danach sagte sie. »Ich werde jetzt in die Kabine meiner Familie gehen und ihnen mitteilen, dass ich bei dir bleibe!«

Wyll schüttelte den Kopf. »Das werden sie nicht akzeptieren. Sie würden dich wieder demütigen. Ich werde mitkommen.«

»Nein, das muss ich allein machen. Danach fragen wir Perry Rhodan und Sam um Hilfe. Die werden Verständnis für unsere Situation haben.«

Wyll starrte sie verwundert an. »Du kannst doch nicht einem Perry Rhodan damit kommen, der würde dich auslachen.«

»Bei euch wird wohl eine noch schlimmere Propaganda als bei uns verbreitet? Rhodan ist ein herzensguter Mensch. Und er ist für alle da. Er wird uns zuhören und helfen!«

Rosan erzählte Wyll von ihrem Abenteuer vor zehn Jahren auf Mashratan. Wären Perry Rhodan und Gucky nicht gewesen, wer weiß, was aus ihr geworden wäre. Rhodan hatte Rosan nie vergessen, denn sonst hätte er ihr zu Beginn der Reise nicht den Hinweis auf seine Person gegeben.

Wyll überzeugte das offenbar. Er hielt sie immer noch in seinen Armen.

»Also gut. Bitte beeile dich. Wenn ich in zehn Minuten nichts von dir höre, komme ich nach.«

Die Schleusen schlossen sich und die LONDON nahm wieder Fahrt auf. Sie verließ den Planeten und trat kurz danach in den Hyperraum ein.

Zur Verabschiedung küssten sie sich innig. Dann löste sich Rosan sanft aus Wylls Umarmung und lief los.

*

Rosan Orbanashol ging an dem Außendeck entlang in Richtung Antigrav zum A-Deck. Sie genoss den Weg trotz ihrer Beklemmung vor der Konfrontation mit ihrer Familie. Der Anblick auf dem »Außendeck« war einfach freundlicher, als in den endlosen, monotonen Korridoren. Die sogenannte »Frei-Promenade« wirkte auf dieser Ebene eher so, als befände sie sich tatsächlich draußen, auf der Reling eines Schiffes oder dem Gehweg in einer großen Metropole. Sie schaute nach rechts hinunter und hatte einen klaren Blick auf die darunter liegenden Etagen, die wie eine Stufenpyramide versetzt angeordnet waren. Es war nicht viel los im Moment. Sie war ziemlich allein. Jedoch stieß sie vor dem Antigrav zum A-Deck auf Tett Chowfor.

»He, Baby. So sieht man sich wieder«, blubberte er lüstern.

»Lass mich in Ruhe!«, fauchte sie ihn an.

Da packte er sie am Arm. Sie versuchte sich loszureißen. Jedoch ohne Erfolg. Sie schlug ihm ins Gesicht.

»Du Miststück!«, brüllte er.

Er schlug zurück. Blut floss aus ihrer Nase. Sie schrie laut auf.

»Du bist mir etwas schuldig, nachdem was du mit mir gemacht hast, Kleines!«

Er versuchte sie zu küssen. Rosan wehrte sich mit aller Macht. Geifer floss aus seinem Mundwinkel, dann biss sie ihm in die Hand. Er schrie und sie konnte sich befreien. Rosan lief los und rannte um ihr Leben.

Die junge Orbanashol rief um Hilfe und Wyll hörte sie. Nordment fing sie ab. Sie klammerte sich weinend an ihn.

»Was ist los, Liebling?“

Er versuchte sie zu beruhigen. Da tauchte der schon sichtlich betrunkene Chowfor auf.

»Ich werde es euch zeigen«, rief er. Er holte ein Desintegratormesser aus seiner Tasche heraus und richtete es auf die beiden.

»Lauf Rosan!«, rief Wyll und warf sich auf Chowfor. Doch sie blieb stehen und sah verzweifelt dem Kampf zu.

Chowfor stach mehrmals auf Nordment ein, konnte ihn jedoch nicht mit dem Messer treffen. Beide rangen neben dem Geländer des Decks. Chowfors massiger Körper drückte Wyll an die Brüstung. Er versuchte ihn über die Balustrade zu heben, doch Wyll trat ihm in den Magen und konnte sich so etwas Luft verschaffen. Chowfor schlug ihm allerdings wieder mit der Faust ins Gesicht. Er packte Wylls Hals und drückte zu.

Der Anhänger von Vater Dannos versuchte nun das Messer Wyll in die Brust zu rammen, doch der konnte die Situation umdrehen.

Er packte Chowfor und riss ihn herum, dabei bohrte sich das Messer in dessen Körper. Seine Augen wurden starr. Er röchelte, dann verlor er den Halt und stürzte über die Reling in die Tiefe. Sein Körper fiel die etwa acht Meter bis zum anderen Deck. Krachend schlug er auf.

Tett Chowfor war tot.

*

Rosan rannte zu Wyll und umarmte ihn.

»Ist dir nichts passiert?«, wollte er wissen.

»Mir ... mir geht es gut …«

Sie sah nach unten, wo der zerschmetterte Körper von Chowfor lag.

»Ist er tot?«

»Ja«, antwortete Wyll leise. »Er kann dir nichts mehr antun.«

Sie blickten sich um. Noch hatte offenbar niemand den Kampf bemerkt.

»Wir müssen sofort zu Holling und ihm Bescheid geben«, fuhr Wyll fort.

Er nahm Rosan bei der Hand. Beide stürzten in den Antigravlift, der sie zur zwei Etagen höher gelegenen Brücke brachte.

Rosan und Wyll atmeten gehetzt, als sie ankamen. Evan Rudocc verrichtete seine Wache. Neben ihm befand sich noch der stellvertretende Ortungsleiter Jon Maskott in der Zentrale. Zwei unbekannte Personen in Hanseuniformen standen ebenfalls auf der Brücke.

Rudocc sah sie besorgt an.

»Wyll, was ist los?«, wollte er wissen.

»Ich muss sofort mit Holling sprechen“

Nordment und Rosan starrten die zwei Unbekannten fragend an. Rosan bemerkte, dass Wyll die beiden nicht kannte. Wenn die zwei Terraner Wyll unbekannt waren, gehörten sie definitiv nicht zum Brückenpersonal.

»Wer sind die?«, fragte Nordment.

Rudocc machte einen verlegenen Eindruck.

»Das sind Hansespezialisten. Eine Anordnung von Gaton.«

»Ich bin Craig Anbol. Vielleicht können wir euch helfen?«

Rosan wich instinktiv zurück.

»Nein, danke«

»Rudocc, Rosan hat recht. Ich muss sofort mit dem Kommandanten sprechen ... unter vier ... sechs Augen.«

Rudocc verstand und informierte Holling, der immer noch im Speisesaal war. Der 175-jährige machte sich auf den Weg zur Brücke. Wyll und Rosan erwarteten ihn in seinem Quartier.

Wyll machte einen bedrückten Eindruck. Holling war sichtlich über die Tatsache irritiert, dass Rosan bei Wyll war.

Holling setzte sich und bot auch Wyll und Rosan einen Platz an, doch beide blieben stehen.

»Was gibt es, Wyll?«, fragte Holling schließlich.

»Es ist etwas Schreckliches passiert …«, begann er und schilderte dem Plophoser die ganze Geschichte.

Holling schwieg danach noch eine ganze Weile. Sein Gesicht wurde kreidebleich.

Wyll erklärte sein Bedauern, betonte aber, dass es Notwehr war. Holling bat den Schiffsarzt, sofort zu ihm zu kommen. Nach nur zwei Minuten stand Hostav Talbot im Raum des Kapitäns. Der Afroterraner mit den gelockten Haaren merkte sofort, dass etwas passiert war.

Holling informierte ihn über den Kampf.

»Ich schnappe mir einen Mann und schaffe die Leiche erst einmal weg. Wir beseitigen alle Spuren«, erklärte er.

Dann sah Talbot zu Wyll und Rosan herüber.

»Wyll, du weißt nicht, welche Konsequenzen das haben wird«, flüsterte er bedrückt.

Rosan mischte sich ein. »Wieso? Er hat mein Leben gerettet. Es war Notwehr. Kein Gericht kann ihn verurteilen.«

Holling nickte. »Das stimmt, aber darum geht es nicht. Wyll, die LONDON ist in der Hand dieses Vaters Dannos. Er hat den Virus eingespeist und mit seinen Leuten alle wichtigen Positionen besetzt. Nur die Besatzung weiß davon, um eine Massenpanik zu verhindern.«

Rosan griff instinktiv nach Wylls Hand.

Holling fuhr fort: »Die beiden in der Kommandostation sind welche von seinen Anhängern, wie auch dieser Tett Chowfor. Und Dannos warnte uns, dass zehn Leute sterben werden, wenn auch nur einer von seinen Anhängern vermisst wird.«

Wyll musste sich nun doch setzten. »Dann habe ich das Leben von zehn unschuldigen Passagieren auf dem Gewissen ...«

Trauer und Schuldgefühle überkamen Nordment. Doch was hätte er tun sollen? Doktor Talbot sprach ihm wieder Mut zu. Auch Rosan erklärte, dass sonst sie beide Tod gewesen wären. Sie setzte sich neben ihm und legte ihren Arm um seine Schulter.

»Du hattest keine andere Wahl. Dannos ist der Mörder, nicht du.«

Wylls Augen wurden wässrig.

»Wir müssen etwas dagegen tun«, forderte er verzweifelt.

Dann stand er auf, als habe er eine Idee.

»Es gibt jemanden, der das Leben der Passagiere retten kann – Perry Rhodan

 

4. In der Hand der Kinder der Materiequelle

Rhodan befand sich mit Sam in Arno Gatons komfortabler Kabine. Das Quartier des Hansesprechers hätte locker einer vierköpfigen Familie ein Heim geboten. Gemütlich wirkte es dennoch nicht auf die Besucher. Es war steril, mit modern geschwungenen Möbeln in Weiß und Ocker eingerichtet. Obwohl der Hansesprecher auf eine rustikale, antik wirkende Einrichtung der LONDON so viel Wert gelegt hatte, so war in seinem Quartier kaum etwas davon zu erkennen.

Gaton machte einen nervösen Eindruck. Er bot dem Somer und Rhodan einen Platz an. Der Servo brachte ihm etwas zu trinken. Gaton leerte das Glas schnell.

»Also?«, wollte Rhodan wissen.

»Wir mussten den Kurs ändern, weil es uns jemand befohlen hat«, erklärte Gaton.

Sam musterte ihn misstrauisch.

»Und wer soll das sein?«

Beide sahen den Hansesprecher erwartungsvoll an.

»Vater Dannos! Er hat das Schiff entführt!«, sagte er schließlich und setzte sich.

Sam machte einen überraschten Eindruck. Das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Er beobachtete Rhodans Reaktion. Ein kleines Anzeichen von Entsetzen und Bedauern für eine Sekunde. Dann wurde er seinem Ruf als Sofortumschalter gerecht.

»Wie viel Männer hat er?«, erkundigte sich Rhodan.

Gaton zuckte mit den Schultern. »Die genaue Zahl ist uns nicht bekannt. Im Moment sind es rund vierzig Leute, die ständig durch das Schiff patrouillieren und bewaffnet sind.«

Rhodan wollte noch mehr wissen und Gaton informierte ihn ausgiebig über alles. Darüber, dass eine Bombe an Bord war und von der Drohung mit der Ermordung der Passagiere bis hin zum perfekten kosmischen Plan von Dannos und dessen Absichten, ein Kosmokrat zu werden.

»Dieser Dannos ist ein Verrückter, jedoch ist er als sehr gefährlich einzuschätzen!«, meinte Sam.

Rhodan stimmte zu.

»Die Passagiere dürfen unter keinen Umständen informiert werden. Wir müssen um Hilfe rufen. Ich brauche die genaue Angabe unserer Position und Stützpunkte oder bewohnte Planeten, die wir um Hilfe bitten können.«

Gaton machte einen überforderten Eindruck.

»Ich weiß nicht, wie ich so etwas beschaffen kann. Da musst du den Kommandanten fragen. Ich bin Geschäftsmann, kein Führer einer Sondereinheit zur Bekämpfung von Terroristen!«

»Reißen Sie sich zusammen, Gaton! Sie sind der Chef der Kosmischen Hanse«, ermahnte ihn Sam. »Sie müssen jetzt einen klaren Kopf bewahren. Das Leben von über 16.000 Wesen hängt davon ab!«

In diesem Moment betraten Holling und das Liebespaar Wyll und Rosan die Kabine. Gaton war verwundert.

»Was will der hier?« Er stand zur Begrüßung von Rosan Orbanashol auf.

»Hat er dir etwas angetan?«, erkundigte sich der Hansesprecher besorgt.

Rosan verdreht die Augen. »Nein!«, schrie sie ihn an. »Er hat mir das Leben gerettet, bereits zum zweiten Mal. Du solltest ihn endlich in Ruhe lassen!«

Nordment beruhigte sie wieder.

Holling wandte sich an Rhodan. »Hat Arno Gaton dich bereits informiert?«

Rhodan bestätigte wortlos. Er sah die Bedrückung in den Gesichtern der Drei.

»Was ist passiert?«

Holling und Wyll schilderten den Zwischenfall mit Tett Chowfor. Gaton brachte kein Wort mehr heraus. Sein Gesicht lief rot an.

»Weder Nordment noch Rosan Orbanashol können wir die Schuld zusprechen. Dieser Chowfor war der Schuldige!«, brummte der Somer Sam bitter.

»Ich werde mit Dannos reden«, entschied Rhodan. »Er kann nicht einfach zehn Passagiere wahllos töten. Sam, begleitest du mich?«

»Selbstverständlich«, antwortete der Somer.

*

Doktor Talbot und der stellvertretende Sicherheitschef Uto Lichtern brachten die Leiche von Tett Chowfor zu einem Konverter im Mannschaftstrakt. Perry Rhodan und Sam wohnten der ungewöhnlichen Beisetzung bei.

»Lichtern und ich haben alle Spuren verwischt«, berichtete der Arzt.

Rhodan dankte ihm für die schnelle Reaktion. Dennoch würde sie wohl vergeblich sein, denn Dannos drohte, zehn Passagiere zu töten, wenn jemand auch nur vermisst wurde. Ob dieser Guru nun die Leiche von Chowfor fand oder nicht, würde das Leben der zehn Wesen auch nicht retten.

Rhodan nickte Sam zu und die beiden machten sich auf den Weg zur Suite des Sektierers.

Beide wurden vor der Kabine von Dannos gestoppt. Bruder Cech-Nor stellte sich demonstrativ vor sie. Sie erklärten ihm, dass sie dringend mit seinem Anführer sprechen mussten.

Es dauerte eine Weile, bis der Topsider wieder zurückkehrte.

»Der Vater gewährt dir eine kurze Audienz«, sprach er schließlich und führte die beiden in die Kabine.

Dannos trug sein übliches Gewand. Er stand am Fenster.

»Gaton und Holling haben also nicht geschwiegen!«, stellte er teilnahmslos fest.

Er bot Rhodan und Sam einen Platz an. Der Somer nahm als Erster an und setzte sich auf den mit in sich geschwungenen Mustern verzierten Sessel. Perry wäre lieber stehen geblieben, folgte jedoch dem Beispiel des Diplomaten. Dannos drehte sich um und zeigte dem Terraner und dem Somer ein überlegenes Lächeln. Dann lümmelte er sich in einen anderen Sessel und schlug die Beine übereinander. Alle drei starrten sich eine kurze Weile an, bevor Rhodan dem Schweigen ein Ende setzte.

»Es stimmt! Gaton und Holling haben uns von der stillen Entführung berichtet.«

»Ich hatte aber beide ausdrücklich gegenteiligen Befehle zukommen lassen. Für ihren Ungehorsam sollten sie bestraft werden«, meinte der Guru.

»Ich bitte dich. So wirst du nie ein Kosmokrat. Ich kenne mich mit denen aus. Schließlich habe ich immer noch den Ritterstatus«, fuhr Rhodan fort.

»Was weißt du schon? Nichts!«, brüllte Dannos Rhodan an. »Du kannst das nicht verstehen, weil du dumm bist! Wir, die Kinder der Materiequelle, sind eine kosmische Einheit. Wir werden zur Materiequelle reisen und damit unseren Weg zu einer höheren Existenzform einleiten. Nichts und niemand wird uns daran hindern können!«

Nun mischte sich der Somer ein. Er versuchte Dannos zuerst zu verstehen und begann mit ihm über die Philosophie der Kinder der Materiequelle zu diskutieren.

Dannos betonte, dass sie kosmische Bürger des Universums seien und er auf seinem kosmischen Weg die Erleuchtung durch die Kosmokraten erhalten habe.

Ja, Dannos behauptete, dass ein Kosmokrat persönlich zu ihm gesprochen und ihm den Weg gewiesen habe. Sam verstand nicht, warum dies auf Kosten Unschuldiger passieren musste. Wäre das seine Lehre vom Paradies und vom universellen, kosmischen Glauben?

Dannos wehrte ab. Es mussten nun einmal Opfer gebracht werden. Dies war schon immer in der Geschichte der Religion so. Er erinnerte an Sodom und Gomorrha, betonte, dass Gott auch nur Noah und wenige Auserwählte vor der Sintflut gerettet hatte und die ägyptischen Legionen im Roten Meer zu Tode kommen ließ, um den elitären Kreis seiner Kinder zu erretten. Und so bezeichnete er auch die Kinder der Materiequelle. Sie wären elitär, den gemeinen, geistesarmen Wesen überlegen und von Gott und den Kosmokraten erleuchtet.

Sie wären die neue Elite der Menschheit, auserkoren um einen noch nie da gewesenen Evolutionssprung durchzuführen, während der Rest der Menschheit weiter in ihrem kleingeistigen Dasein in den Niederungen dahinvegetieren würde.

Der Somer brachte Dannos Vergangenheit zur Sprache. Rhodan erfuhr so, dass Dannos früher viel Gutes getan hatte. Doch das war, bevor die Macht der Liebe zu Liebe zur Macht geworden war. Dannos war danach für seine Drogenexzesse und pseudoreligiösen Anschauungen bekannt geworden. Zusammen mit einem anderen Sektenguru namens Grimm T. Caphorn hatte er bezahlte Sexpartys zum »kosmischen Ausgleich der Psyche« organisiert und war in diverse dubiose Machenschaften und Geldschiebereien verwickelt gewesen. Zuletzt war er sogar wegen Steuerhinterziehung und Bestechung von Mitgliedern der LFT-Administration angeklagt worden, kam jedoch mit einer hohen Geldstrafe davon.

Dannos machte das jedoch nur stärker. Wieder verglich er sich mit Moses und seine Kinder mit dem Volke Israel. Auch damals hätten die Ägypter diese nicht verstanden, sondern versklavt und verfolgt. Doch ebenso wie Moses ginge er mit Gott. Und deshalb würde er gewinnen.

Rhodan merkte, dass diese theologische Auseinandersetzung zu nichts führte. Sam ließ sich das auch sichtlich anmerken. Er resignierte und beschloss das Thema nicht weiter auszureizen. Jeglicher Appell an Dannos moralische Vernunft war umsonst.

»Warum musstest du ausgerechnet die LONDON dafür nehmen? So viele Unschuldige sind an Bord!«, brachte es Rhodan schließlich auf den Punkt.

Von ihm aus, hätte Dannos mit seinen Kindern bis ans Ende des Universums reisen können. Doch warum musste er die LONDON in seine Gewalt bringen?

»Die Wege einer Entität sind unergründlich«, orakelte Dannos erhaben.

»Oder die Wege eines Irren!«, konterte der Somer.

Dannos wurde wütend.

»Du kleine Drossel! Wie kannst du es wagen, mir, einem designierten Gott, in den Weg zu treten!«

Man sah ihm den Wahnsinn an. Rhodan wusste, dass das Leben der Passagiere in größter Gefahr war.

»Die Kosmokraten haben aber auch Großzügigkeit walten lassen«, warf Rhodan ein.

Ich weiß bloß nicht wann, fügte er in Gedanken hinzu.

»Sie achteten immer das Leben. Das Wohl jedes Individuum war ihnen wichtig«, log er weiter.

»Worauf willst du hinaus, Bruder?«, wollte der Sektierer wissen.

Bevor Rhodan antworten konnte, stürmte Craig Anbol in den Raum.

»Vater, Chowfor ist tot!«, sagte er hastig.

Dannos machten einen verwirrten Eindruck.

»Wie?«, stammelte er.

»Wir haben zwei Crewmitglieder beobachtet, als sie die Leiche zu dem Konverter gebracht haben. Zwei weitere waren ebenfalls dabei«, antwortete Anbol.

Er blickte auf Rhodan und Sam. Rhodan verwünschte seine Nachlässigkeit. Er hätte es besser wissen müssen!

Dannos sah Rhodan und Sam an.

»Deshalb also! Darum seid ihr hierhergekommen! Um für das Leben der zehn Passagiere zu betteln.«

Rhodan stand auf und hob beschwörend die Hände.

»Höre mir zu, Dannos. Mit dem Tod der Leute erreichst du nichts, Chowfor hat auch gegen deine Befehle verstoßen. Er hat den Kampf provoziert. Erwartest du, dass sich ein Mensch einfach töten lässt, nur weil es ein betrunkener Irrer so will?«

»Dieser betrunkene Irre war eines meiner Kinder. Er gehörte zu meiner kosmischen Einheit!«, schrie Dannos. »Und dafür werdet ihr bezahlen. Ich habe meine Befehle ausdrücklich bekannt gegeben. Warum hört niemand auf mich? Glaubt ihr, ich rede nur, damit ihr mein Gebiss klappern hört? Die Order war unmissverständlich!«

Er bekam wieder einen Schwächeanfall. Seine Brüder stützten ihn.

Sam wechselte mit Rhodan einen vielsagenden Blick.

»Nehmen Sie mein Leben für das der anderen zehn. Ich war es, der mit Chowfor kämpfte, als er eine Dame unsittlich berührte. Als Ehrenmann greift man da einfach ein. Ich trage die volle Verantwortung dafür«, versuchte der Somer tapfer die Verantwortung zu übernehmen.

»Oh nein! Ich bin nicht dumm. Es gehört mehr Körpergröße und Kraft dazu, um Chowfor zu besiegen.“

Er sah Rhodan an.

»Und du brauchst dich gleich gar nicht freiwillig zu melden. Das Schicksal der zehn Passagiere ist besiegelt. Sie werden morgen hingerichtet. Das ist ein Gottesurteil, denn ich bin der Gott der LONDON! Morgen früh sterben zehn Galaktiker!«

*

Craig Anbol und ein weiterer Anhänger von Dannos kamen am Morgen des 16. Oktobers 1285 NGZ in eine Lounge. Sie waren wie Crewmitglieder gekleidet. In der Hotelhalle befanden sich einige Galaktiker, die ihr Frühstück einnahmen.

Anbol und sein Begleiter selektierten mit dem Vorwand zehn Leute aus, sie hätten einen Rundgang durch die Raumschiffeinrichtungen gewonnen. Es waren drei ältere Ehepaare darunter und ein junges akonisches Pärchen mit zwei Kindern. Sie wurden in die untere Sektion gebracht, direkt zu den Schleusen.

Dort warteten sie darauf, dass Anbol begann, ihnen den Zweck der Einrichtungen zu erläutern. Doch anstelle der versprochenen Erklärung eröffneten die beiden Anhänger von Vater Dannos das Feuer aus zwei mitgebrachten Thermostrahlern. Beim Anblick der beiden Strahler schrien die Passagiere kurz auf, um danach für immer zu verstummen.

Anbol und sein Glaubensbruder gingen die Leichen durch und machten Aufnahmen. Die akonische Mutter hatte sich schützend auf eines ihrer Kinder geworfen.

Es war noch am Leben!

Anbol befahl seinem Begleiter, das bereits verwundete Kind zu erschießen, doch dieser konnte es nicht tun. Er forderte Anbol auf, es selbst zu tun.

Das Kind wimmerte vor Schmerzen und Angst.

Anbol richtete die Waffe auf das kleine Mädchen. Tränen schossen ihr aus den Augen. Es war erst sieben Jahre alt! Voller Angst blickte es seinem Mörder ins Gesicht.

Doch auch dieser zögerte.

Tief blickte er ihr in die verweinten Augen und fand sein Spiegelbild darin, dann, für einen kurzen Moment, das glutrote Entladefeld des Strahlers. Der Blick des Mädchens brach. Der Gestank von verbranntem Fleisch stieg in seine Nase und verursachte ihm plötzlich Übelkeit. Doch die Klimaautomatik beseitigte den Geruch in kürzester Zeit. Anbol schloss für einen kurzen Moment die Augen, dann ging er zu seinem Begleiter und nahm die Kamera, um das tote Mädchen zu fotografieren. Anschließend verließen sie den Ort des Schreckens und warfen die Leichen aus der Schleuse.

Die Bilder und Videos wurden Rhodan, Sam, Gaton und Holling ausgehändigt. Alle vier brachten kein Wort heraus.

Schließlich sprach Sam: »Koste es, was es wolle, wir bestrafen diese Mörder!«

Rhodan hielt es für besser, wenn Rosan erst einmal wieder zurück zu ihrer Familie ging, sodass diese kein Verdacht schöpfte.

Wyll war nicht sonderlich von dieser Idee begeistert, doch auch ihm blieb keine andere Wahl, als Rhodans Rat zu befolgen.

*

Rosan hatte am nächsten Tag einen schrecklichen Kater, zudem steckte der Schock immer noch tief in ihrem Bewusstsein. Sie stand erst gegen elf Uhr auf und setzte sich an den Frühstückstisch in ihrer Kabine.

Attakus wartete dort bereits auf sie. Seine Gesichtsmiene verriet nichts Gutes.

»Morgen«, brachte Rosan leise hervor.

»Ich hatte gehofft, du würdest gestern Abend noch zu mir kommen«, begann Attakus vorwurfsvoll.

»Ich war recht müde«, entschuldigte sie sich und schenkte sich einen Kaffee ein. Ihre Gedanken kreisten um die Entführung der LONDON und das Schicksal der zehn Passagiere. War es Rhodan und Sam gelungen, Vater Dannos zu besänftigen?

»Von deiner gestrigen Eskapade mit diesem Nordment nehme ich an«, entgegnete ihr Verlobter.

Rosan schüttelte den Kopf.

»Hast du wieder deinen Vasallen hinter mir hergeschickt? Was soll's, ich habe mich mit Wyll amüsiert. Wir sind gute Freunde. Er ist ein ganzer Mann, mit Herz und Verstand. Nicht so arrogant und ekelhaft wie du!«

Sie überlegte, ob sie Attakus von der Entführung berichten sollte. Doch schon rastete ihr Cousin plötzlich aus. Rosan wusste gar nicht, wie ihr geschah. Er warf den Frühstückstisch um. Laut krachten die Teller und Gläser zu Boden.

»Wie kannst du es wagen, du elende Barbarin!«, schrie er sie an.

Sie rutschte vor Schreck vom Stuhl herunter.

»Du wirst ihn nie wieder sehen, verstanden?«, brüllte der Arkonide voller Zorn. »Du hast mich lange genug zum Narren gehalten. Von jetzt an wirst du nur noch die Rolle meiner Verlobten spielen! Falls du dich nicht an meine Wünsche halten wirst, werde ich dich und deinen Bekkar vernichten!«

Rosan zitterte am ganzen Körper.

»Gibt es noch Unklarheiten?«, fragte er kalt.

Er fasste sich wieder.

»Nein ... nein«, stammelte sie verzweifelt.

Attakus lächelte plötzlich sanft.

»Gut! Entschuldige mich bitte«, meinte er nur und verließ den Raum.

 

5. Rodrom

Das zwölfeinhalb Kilometer lange, pflockförmige Raumschiff mit der asteroidenähnlichen Oberfläche verließ das übergeordnete Kontinuum.

Krater und schroffe Klippen überzogen die Außenhülle des Raumschiffes. Aus den Schluchten ragten Geschütze mit ihren todbringenden Projektionsköpfen in die Höhe. Vereinzelt waren einzelne Lichtquellen an verschiedenen Positionen des gigantischen Schiffes sichtbar.

Das eigentümliche Raumschiff schob sich in Richtung einer imposanten Galaxie. Diese Sterneninsel besaß im Zentrum eine Ansammlung von gewaltigen Dunkelwolken. Im Gegensatz zu vielen Galaxien, die eine hohe Dichte im Zentrum aufwiesen, befand sich dort sehr viel Dunkle Materie. Daher war der Mittelpunkt dieser Galaxie nahezu schwarz.

An Bord der WORDON verrichteten die Zievohnen als Stammbesatzung ihren Dienst. Diese Wesen, welche in graue Kutten gehüllt waren, verrichteten wortlos ihre Arbeit.

Die Zievohnen waren aufgrund ihrer Konditionierung auf Lehr’Ar’Modror als Stammpersonal bestens geeignet. Die besseren Wissenschaftler waren jedoch die klobigen, dreibeinigen Rytar. Zusammen mit dem Echsenvolk der Larsaar und den Androidenkriegern der Skurit bildeten sie den Kern der Besatzung der WORDON.

Die Rytar verrichteten ihren Dienst überall im Schiff. Die einäugigen Wesen waren jedoch hauptsächlich in der Forschung, Waffenentwicklung und Medizin tätig.

Von den echsenähnlichen Larsaar gab es nur wenige an Bord der WORDON. Sie waren Elitesoldaten. Rodroms Hauptarmee bestand aus den Skurits, jenen Skelettsoldaten, deren martialischem Aussehen kaum zu überbieten war.

Einige der Skurits standen am Eingang zur Kommandobrücke Wache.

Rodrom selbst thronte auf seinem Befehlsstand, wenn er seine verhasste stoffliche Form angenommen hatte.

Er beobachtete die Arbeit seiner Untergebenen. Eine der Gestalten trat an ihn heran. Es war Zukthh, der Befehlshaber der Besatzung. Er verneigte sich vor der rot glühenden Inkarnation.

»Herr, wir erreichen Saggittor!«, wisperte er unterwürfig.

Rodrom sah auf die Kontrollschirme und erkannte die markante Galaxie.

»Aktiviere unsere Tarnfelder, sodass die einheimischen Völker uns nicht bemerken. Dann schicke einen Funkspruch an die Kjollen. Informiere sie über meine Ankunft!«

»Wie Ihr wünscht!«, entgegnete Zukthh. Er ließ sofort die Befehle Rodroms ausführen.

Rodrom stand auf und beschloss etwas im Schiff herumzugehen.

Er musterte die Wachen und Kuttenwesen, die monoton ihre Arbeit erledigten. Nach einer Weile kam er an den Mannschaftsquartieren vorbei. In einer besonderen Sektion waren seine Elitekämpfer untergebracht. Es handelte sich aber nicht nur um die Larsaar.

Diese Söldner waren Wesen aus den verschiedensten Teilen dieses Universums. Im Moment umfasste diese Truppe dreißig Geschöpfe, alle verschiedener Herkunft und Rasse. Im Laufe der Jahrtausende hatte der Sohn des Chaos Cau Thon immer wieder ein Exemplar eines besonders kampfstarken Volkes mitgenommen und für MODRORs Zwecke konditioniert.

Sie waren MODROR zu bedingungslosem Gehorsam verpflichtet. Jedoch genossen sie auch den Vorteil eines längeren Lebens.

Wenn Rodrom ihrer überdrüssig war, steckte er sie in eine der Raum-Zeit-Falten der Casaro. Dort wurden sie perfekt konserviert, da die Zeit gegenüber dem Normaluniversum stillstand.

Die Casaro stellten ein sonderbares Volk dar, fand Rodrom. Martialisch und kämpferisch auf der einen Seite, doch gleichzeitig strebsame und wissbegierige Forscher. Überall, wo Rodrom im Auftrage seines Meisters unterwegs gewesen war, hatten die Casaro Raum-Zeit-Falten geschaffen und Stützpunkte errichtet. Dort blieben sie unbemerkt und studierten die ansässigen Völker.

So auch in der sogenannten Lokalen Gruppe, die seit einigen kosmischen Wimpernschlägen zum Interessengebiet MODRORs zählte. Im Leerraum zwischen der Milchstraße und Andromeda hatten sich die Casaro seit knapp 3.500 Jahren häuslich eingerichtet, längst bevor die widerspenstigen Terraner auf die galaktische Bühne getreten waren. Sie verließen die Raum-Zeit-Falte nur, wenn sie auf der Suche nach neuen Studienobjekten waren. Dieses Reptilienvolk liebte es geradezu, die verschiedensten Völker über Generationen hinweg zu erforschen. Und wenn sie ihre Studien abgeschlossen hatten, verspeisten sie die überflüssigen Geschöpfe einfach. Rodrom gefiel diese Einstellung, obgleich er über den Dingen des Lebens an sich stand.

Rodroms Söldner wurden nur für besonders gefährliche Aufgaben eingesetzt. Bis jetzt hatten sie noch niemals ihren Meister enttäuscht. Rodrom war immer darauf bedacht gewesen, ein Gleichgewicht aus Intelligenz und roher Muskelkraft zu schaffen. So umfasste seine Truppe sowohl Taktiker als auch stupide, brutale Wesen.

Er hörte ein lautes Aufstampfen. Einer seiner Kämpfer kam von der Wartung seines Raumschiffes zurück. Der 3,50 Meter große Riese blieb stehen. In seinen drei glutroten Augen war der Schein von Ehrfurcht zu erkennen. Er verbeugte sich beim Anblick seines Herren. Er ging auf ein Knie und stützte sich mit dem unteren Armpaar am Boden ab.

»Du darfst dich wieder erheben«, erklärte Rodrom gönnerhaft.

Der Koloss befolgte die Anweisung. Der Wulst um seinen Nacken pulsierte leicht. Er bewegte sich zu den anderen.

Eines der Kuttenwesen kam auf den Roten zu.

»Herr, wir passieren das Energiefeld und erreichen das System der Kjollen.«

Er begab sich wieder in die Kommandozentrale.

»Beginnt mit dem Landeanflug!«

*

Das System der Kjollen befand sich direkt im Zentrum der Galaxis Saggittor. Die Dunkelwolken und ausgedehnten Gebiete der Dunklen Materie verbargen sie vor den Einwohnern der Galaxis. Ein normales Navigieren war hier schier unmöglich, da die gewaltigen Materieansammlungen selbst im Normalraum zu unkalkulierbaren Raumkrümmungen führten. Überdies sorgte eine Energiebarriere der Kjollen seit Jahrtausenden für zusätzlichen Schutz.

Das System bestand aus drei Planeten und einer großen, blauen Sonne. Jeder der drei Planeten wurde von den Kjollen bewohnt. Alle Welten waren zu gewaltigen Militärbasen und Produktionsanlagen ausgebaut.

Etwa einhundert Millionen dieser Wesen waren hier stationiert. Die Kjollen waren nur 1,20 Meter groß. Sie hatten große, melonenförmige Köpfe, zwei große Augen und ähnelten ansonsten einem Humanoiden.

*

Masor war der Befehlshaber dieses Vasallenvolkes. Er war der langweiligen Routinearbeit im System überdrüssig geworden. Der Besuch Rodroms war für ihn eine angenehme Abwechslung. Er erhielt gerade eine Nachricht, die von seinem Stab kam. Seine Kulleraugen schienen noch größer zu werden, als er sich die Mitteilung durchlas. Er redete heftig mit einem seiner Untergebenen.

In diesem Moment landete jedoch bereits die WORDON auf dem gigantischen Raumhafen des Hauptplaneten Kjoll I. Eine Raumfähre transportierte Rodrom zum Hauptgebäude der Kjollen. Mehrere Tausend der kleinen Wesen waren aufmarschiert, um ihn zu begrüßen.

»Seid gegrüßt, Herr«, begann Masor, als er vor Rodrom stand. »Es ist uns eine Ehre. Was führt Euch zu uns, großer Rodrom?«

Rodrom sah zu dem kleinen Wesen hinunter, dann begann er langsam an den Reihen der salutierenden Kjollen vorbeizugehen. Masor folgte ihm.

»Unser Meister hat mich beauftragt, Informationen über die Geschehnisse in Saggittor einzuholen. Er zeigt sich besorgt, da die Saggittonen in Zukunft unsere Feinde sein werden.«

Masor begriff nicht so schnell, wieso der Meister wusste, dass die einheimischen Saggittonen einst zu ihren Feinden werden würden. Doch deshalb war er ja nur ein Kommandant und der Herr eben der Herr und Meister.

»Wir werden unser Möglichstes tun, um Euch zu helfen«, versprach der Kjolle.

»Das erwarte ich auch. Wie sieht die Lage in der Galaxis aus?«, wollte die Inkarnation wissen.

»Oh, sehr gut, Herr! Die Saggittonen und Holpigons konnten bis jetzt noch nie unsere Energiebarriere überwinden. Sie haben keine Ahnung, dass wir hier sind.«

»Es wäre auch sehr bedauerlich, wenn ihr noch einmal entdeckt würdet«, entgegnete Rodrom kühl. »Allerdings haben sie offenbar das Sternenportal aufgespürt?«

»Das ist korrekt. Großer Rodrom, ich habe eine Bitte. Mir wurde soeben mitgeteilt, dass die Nider, eines unser Technikervölker im Nachbarsystem, schlechte Arbeit geleistet haben. Sie konstruierten fehlerhafte Waffen. Beim Test explodierten diese und es starben einige eurer Diener.«

Rodrom blieb stehen. »Dann bestrafe die Konstrukteure und mache den Nider unmissverständlich klar, dass solche Fehler ihr Ende bedeuten.«

»Es stellte sich heraus, dass die Waffen absichtlich manipuliert wurden. Die Nider wollen uns anscheinend nicht mehr dienen.«

»Ich verstehe. Schicke eine Flotte von 10.000 Schiffen, um die Welt der Nider einäschern. Bringe mir die Rädelsführer. Ich nehme mich ihrer persönlich an.«

»Jawohl, Herr!«

Rodrom schwebte durch eine Tür, die zu einem separaten Raum führte. Dieser Raum war einzig und allein für Rodrom bestimmt. Es war sein Ruhe- und Arbeitsraum. Auf der riesigen Hologrammdarstellung verfolgte er, wie eine große Flotte an Kjollenschiffen das System verließ, um die Reise zu dem nur sechs Lichtjahre entfernten Nachbarsystem anzutreten. Die Kjollenschiffe waren diskusförmig und nur einhundert Meter durchmessend. Jedoch quantitativ und qualitativ denen der Nider weit überlegen.

Er machte sich an die Arbeit. Die Hypermortronik sammelte die Daten über die letzten eintausend Jahre aus allen Teilen des Universums.

Rodrom informierte sich insbesondere über die Geschichte der Saggittonen. Das so widerspenstige Menschenvolk hatte vor vielen Jahrtausenden die Kjollen zurückgeschlagen.

Sie lebten friedlich mit den anderen Völkern in dieser Galaxis zusammen. Neben den Saggittonen waren die Holpigons das wichtigste Volk in Saggittor. Die Molluskenwesen stellten Wissenschaftler und Theologen auf der Sterneninsel dar und verbreiteten hauptsächlich die Lehre der hiesigen Superintelligenz SAGGITTORA. Weitere unbedeutende Völker waren die Varnider, Multivon und Trötter.

Militärisch gesehen waren nur die Saggittonen zu beachten. Rodrom verstand nicht, wie diese Galaxis zu einer Gefahr für MODROR werden konnte. Welche Pläne verfolgte DORGON, der Gegner seines Herrn, mit diesem Vorhaben?

Sein Augenmerk fiel auf die königliche Familie Saggittors. Es war so eine Art Pseudomonarchie. Zwar hatte der Kanzler Saggittors auch den Titel eines Königs inne, doch er war an die Beschlüsse der Volksvertretung gebunden.

Doroc gehörte nicht zu den großen Herrschern dieses Volkes. Er war nur, wie seine gesamte Familie, purer Durchschnitt – alles Schwächlinge, reines Mittelmaß! Nur einer seiner Söhne vielleicht nicht.

Rodrom vergrößerte die Holografie des sogenannten Prinzen von Saggittor – Aurec!

Dieser junge Saggittone hatte einige Abenteuer in seiner Jugend erlebt und galt als eine widersprüchliche Mischung aus Ehrenmann, Schwerenöter und Raufbold. Aurec schien überdies noch ein Träumer zu sein, der tollkühnen Ideen nachlief. Das war eine gefährliche Eigenschaft, wie Rodrom aus langer Erfahrung wusste. Lebewesen mit Ideen und Träumen würden versuchen, diese auch wahr werden zu lassen, sobald sie die Möglichkeit dazu bekamen. Sie besaßen oftmals viel mehr Enthusiasmus und Energie, als die Realisten und Verwalter.

Beunruhigend war die Tatsache, dass die Saggittonen das Sternenportal entdeckt hatten und bereits nutzten. Eine Forschungsexpedition war ausgerechnet in ein anderes Operationsgebiet Rodroms gestartet. Wer hatte den Saggittonen diese Information gegeben?

Wer wohl! Es konnte sich doch wohl nur um DORGON handeln! Offenbar rüstete sich die Entität für die nahende Auseinandersetzung.

*

Rodrom wechselte zwischen seinem geistigen und körperlichen Dasein hin und her. Er hasste nichts mehr, als über längere Zeit physisch zu sein. Die materielle Existenz war eine widerliche Last. Um jedoch in Kontakt mit seinen Untergebenen zu treten, wählte er seine rot leuchtende Erscheinung.

Um Rodrom herum glommen in kugelförmigen, digitalen Abbildungen die wichtigsten Einsatzgebiete auf.

Rodrom wollte ständig informiert bleiben.

Alles ruhig im Kreuz der Galaxien, hieß es von dem Oberbefehlshaber dort. Die Alysker – sofern sie überhaupt noch existieren – hatten sich in den hintersten Winkel der Galaxien verkrochen. Das war nun aus dem einst so großen Eorthor geworden. Rodrom hoffte sogar, dass er noch lebte, damit er ihn eines Tages selbst zur Strecke bringen konnte.

Wir haben interessante Studien über die Terraner in den Raumzeitfalten angefertigt. Sie dürften euch gefallen, berichtete ein Casaro.

Die Terraner! Rodrom hasste dieses Volk. Er verstand nicht, wieso MODROR so viel Wert auf diese Wesen legte. Rodrom hielt die Rekrutierungsbemühungen von Cau Thon in den letzten Jahrzehnten für überflüssig. Doch es war der Wille MODRORs. Dieser musste ohne Einwand akzeptiert werden.

Ob dieser Perry Rhodan wirklich so gefährlich war, bezweifelte Rodrom jedoch. Und warum nun unbedingt dieser neue Sohn des Chaos namens Cauthon Despair gezeugt werden musste, verstand Rodrom auch nicht. Vielleicht war es nur eine Spielerei des Meisters.

Das Schlangenwesen sendete ein paar Daten über die Studienobjekte. Die Crew der VIVIER BONTAINER schien sich an ihr Leben im Paradies gewöhnt zu haben. Der alte Spanier aus dem 18. Jahrhundert vertrieb sich mit Kartenhäusern die Zeit, während drei Terraner aus der unmittelbaren Zeit vor Rhodan einem Führer nachtrauerten.

Was sollten diese Aufzeichnungen eigentlich bringen? Sollten sich damit doch die Analytiker und Kosmopsychologen beschäftigen. Es interessierte ihn nicht.

Rodrom stellte eine Verbindung zum SCHWARZEN MOND her. Die wachhabende Besatzung war wie immer gereizt und äußerst unhöflich. Die Ylors bezeugten ihm keinen Respekt. Sie waren sich ihrer Rolle offenbar zu sicher. Doch noch dürstete es dem Roten nicht nach einem Exempel.

Die Alte, und nur das war wichtig, vergammelte weiterhin in ihrem PEW-Metallblock. Mehr wollte er nicht wissen.

Zuletzt erhielt er Informationen von Cau Thon, der sich im Sternenreich Dorgon aufhielt. Auch dort verlief alles nach Plan.

Rodrom war zufrieden.

Die Inkarnation verbrachte einige Tage damit, die Fülle an Informationen zu verarbeiten. Er benötigte nur Tage, wofür normal Sterbliche Jahre gebraucht hätten. Die Schlachtschiffe der Kjollen waren inzwischen wieder zurückgekehrt.

Sie hatten keine nennenswerten Verluste erlitten. Masor berichtete Rodrom von einem großen Sieg über die Nider. Er brachte den Anführer des rebellischen Volkes.

Die Nider waren eine fischähnliche Rasse. Der Nider hieß Umahn.

»Auf die Knie!«, forderten die Kjollen und schlugen den bereits verletzten Nider zu Boden.

Rodrom näherte sich ihm langsam.

»War es das wert?«, fragte er langsam. »Dein Volk geht unter, deine Frau und deine Brut sind bereits eines grausamen Todes gestorben.«

Umahn stand mühsam auf. Er sah Rodrom in dessen Visier.

»Ja, das war es. Wir waren für einen kurzen Moment frei. Ein freies, stolzes Volk, das nicht mehr einem solchen diabolischen Wesen wie Euch dient! Die Last, für Mörder zu arbeiten, wurde uns damit genommen«, sagte er mit letzter Kraft.

»Dann befreie ich dich jetzt von deiner letzten Last!«

Rodrom war in der Lage Wesen suggestiv zu beeinflussen und Telekinese anzuwenden. Er drückte das Gehirn des Nider mithilfe seiner Geisteskraft einfach zusammen.

Umahn fing an zu schreien. Er fasste sich an den Kopf. Rodrom beobachte seine Qual mit kalter Gleichgültigkeit. Dieses Wesen stand so tief unter ihm, dass er nicht einmal Genugtuung empfand. Sein Lebenssaft, der furchtbar stank, triefte ihm aus dem Maul. Gut so! Langsam verstärkte er den Druck seiner imaginären Hand. Ein furchtbares Gurgeln war nun zu hören. Wie schwach doch diese Körperlichen waren, so schwach und völlig überflüssig. Plötzlich war er dieses Spieles müde. Es war einfach nur langweilig. Die Hand verstärkte den Druck. Der Lebenssaft trat nun auch aus den Kiemen und der Nase aus. Das Gurgeln verstummte und der glitschige Körper brach zuckend zusammen. Dann verließ jegliche Regung den toten Körper.

Masor war über die Vorgehensweise erfreut. Er war geradezu sadistisch veranlagt und freute sich über das Leid, das er anderen zufügen konnte. Die Kjollen waren ein ideales Dienervolk – völlig gewissen- und skrupellos.

»Lasst mich jetzt allein. Ich muss mich wieder meiner Arbeit zuwenden«, befahl Rodrom und ging zurück in seinen Raum.

Die Kjollen brachten die Überreste des Nider weg.

 

6. Die Hanse-Affäre

22. Oktober 1285 NGZ

Coco Durandûr rutschte auf seinem massigen Hinterteil auf dem Sessel umher, um die bequemste Sitzposition zu finden. Sitzen war sehr wichtig für ihn. Vor allem musste seine Körperhaltung stets bequem sein. Zu viel Anstrengung empfand er als extrem lästig und gesundheitsschädlich.

Während er über den Terminkalender des Hansesprechers Donald Winnerborough brütete, stopfte er sich einen neuen Schokoriegel in den Mund. Nach einer Minute wollte er dieses alltägliche Ritual wiederholen, stellte allerdings enttäuscht fest, dass die Schachtel mit den Riegeln bereits leer war.

Er kratzte sich an seinen wenigen Haaren und tippte auf den Interkomsprechkontakt. Er bat seine Sekretärin, einen dringenden Einkauf für ihn zu erledigen. Er überhörte ihre mahnenden Worte, er solle nicht mehr so viel essen, sonst würde er noch einmal platzen, bedankte sich artig und deaktivierte die Verbindung.

Durandûr hoffte, dass seine Assistentin sich beeilen würde. Er hatte nämlich großen Hunger. Es waren noch zwei Stunden bis zur Mittagspause. Wie sollte er das überstehen?

Entsetzt stellte er fest, dass seine Kaffeetasse ebenfalls leer war! Wie konnte das sein? Dabei musste es sich doch um ein Versehen handeln? Zögerlich blickte er auf die Kaffeemaschine auf der anderen Seite des Raumes. Sorgsam überlegte er, was er nun tun sollte. Er musste seine Entscheidung sehr bedächtig fällen. Gerade jetzt hatte er die bequemste Sitzposition erreicht. All seine Bemühungen wären umsonst gewesen, wenn er nun aufstehen würde.

Auf der anderen Seite hatte er großen Durst und war immer noch müde. Vielleicht sollte er einfach ein Nickerchen machen? Doch was, wenn ihm seine Sekretärin seine Schokoriegel brachte. Was würde das für einen Eindruck machen? Er war immerhin Vorstandsassistent und somit einer der wichtigsten Männer in der Kosmischen Hanse. Es wäre nicht schicklich, einfach während der Arbeit zu schlafen.

Wider Willen erhob er sich und goss die Tasse mit Kaffee voll. Seufzend platzierte er sich wieder in seinem Sessel und las sich die Tagesordnung der nächsten Vorstandssitzung durch. Genervt schüttelte er den Kopf und strich eine Zeile rot an. Er schrieb den Vermerk »Die Kaffeepausen fehlen« auf das ausgedruckte Blatt Papier und legte es in den Bearbeitungskorb seiner Sekretärin.

Wenige Minuten später traf diese auch wieder ein und brachte Durandûrs Schokoriegel.

»Danke Miss Capllar.«

Die Frau im mittleren Alter schüttelte nur den Kopf und ging in ihr Büro zurück. Hastig stopfte Durandûr sich zwei Schokoriegel in den Rachen, als plötzlich das Interkom summte.

»Was denn, Miss Capllar?«

»Mister Durandûr! Da ist ein Herr in der Leitung und möchte dich sprechen«

»Wie heißt der Mann denn?«

»Sagte er nicht«

Durandûr verzog das Gesicht. So etwas mochte er gar nicht. Wahrscheinlich irgendein Wichtigtuer von der Presse. Oder ein Praktikant, der sich auf eine Stelle bewerben wollte.

»Dann wimmele ihn ab«, entschied der dicke Mann.

»Aber, Mister Durandûr ...«

»Was denn noch?«

»Der Mann meint, dass es um das Leben von 16.000 Wesen geht. Und zwar von denen an Bord der LONDON. Wenn du nicht das Gespräch annimmst, werden alle sterben!«

Durandûr wurde auf einmal Kreidebleich. Das musste doch ein übler Scherz sein. Doch was wenn nicht? Was war, wenn er das Gespräch ablehnte und sich so mitschuldig am Tod vieler Lebewesen machte? Durandûr lief der Schweiß von der Stirn. Er hatte sich noch nie in solch einer Lage befunden. Das war ihm völlig fremd.

»Also gut, stell ihn durch.«

Es wurde keine Bildverbindung aufgebaut. Die Stimme des Fremden, der sich Onkel Dimytran nannte, klang angenehm, aber auch eitel und arrogant. Er kam schnell auf den Punkt und erklärte dem Vorstandsassistenten, dass die LONDON in der Gewalt seiner Brüder wäre.

»Mister Durandûr, richte deinem Vorgesetzten aus, dass wir der Meinung sind, jede Geisel ist eine Million Galax wert. Demnach fordern wir eine Lösegeldsumme von 150 Milliarden Galax.

Der gesamte Betrag soll in Form von Goldbarren und Howalgoniumkristallblöcken auf einem 100 m-Kreuzer auf dem Handelsraumhafen in Terrania Nord übergeben werden. Dieser Kreuzer wird in wenigen Tagen Terra erreichen.

Sobald wir außerhalb der Milchstraße sind und uns unverfolgt fühlen, schicken wir eine Space-Jet zu euch zurück. Darin speichern wir die Koordinaten der Geiseln.«

Durandûr überlegte eine Weile. Irgendwie bekam er plötzlich Kopfschmerzen und hatte gar keinen Hunger mehr. Was sollte er denn nun machen? Er besaß doch überhaupt keine Entscheidungskompetenz.

Und genau dies erklärte er Onkel Dimytran. Dieser hatte wenig Verständnis dafür. Er forderte Durandûr auf, die Verantwortlichen zu kontaktieren. Coco Durandûr bat um etwas mehr Zeit. Doch gerade die gab ihm Onkel Dimytran nicht.

»In genau drei Tagen wird der Kreuzer auf Terra landen. Zum Beweis wird eine Dokumentation über die Entführung übergeben. Sobald du diese Beweise hast, bleiben noch vierundzwanzig Stunden, um das Lösegeld zu beschaffen. Also beeile dich, Pummelchen und gehe in kosmischer Harmonie ...«

Der geheimnisvolle Onkel Dimytran beendete die Verbindung. Durandûr seufzte laut und aß wieder einen Schokoriegel. Dann informierte er den stellvertretenden Hanseleiter Donald Winnerborough.

*

Winnerborough hörte sich ruhig alles an, was Coco Durandûr berichtete. Allerdings kam er schnell ins Grübeln.

»Was passiert denn, wenn wir das Lösegeld nicht zahlen?«, wollte der Brite von seinem Assistenten wissen.

Durandûr zuckte mit den Schultern und machte einen völlig ratlosen Eindruck.

»Ich glaube, ich habe vergessen, danach zu fragen.«

Winnerborough vergrub das Gesicht zwischen die Hände und lachte bitter. Im Moment blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu warten, bis dieser ominöse Kreuzer eintreffen würde.

 

7. Der perfekte Plan

24. Oktober 1285 NGZ

Die nächsten acht Tage verliefen ohne Zwischenfälle. Die LONDON war inzwischen an Triangulum vorbei geflogen. Es entstand bereits Unruhe unter den Passagieren. Sie bemerkten die Kursänderung, da sie bisher keine Planeten in Andromeda angesteuert hatten. Holling und Gaton hatten mehrere Ausreden auf Lager, die die Passagiere vorerst beruhigten.

Alles verlief nach Vater Dannos vermeintlich perfekten kosmischen Plan. Zumindest offiziell. Inoffiziell gab es Probleme. Herban Livilan Arkyl hatte sich verschätzt. Der Virus war wirksamer und viel effizienter, als erwartet und hatte ein gewisses Eigenleben entwickelt. Es gab immer noch Reste, die nicht aus der Syntronik entfernt werden konnten, doch er informierte niemanden davon.

Arkyl gehörte nicht direkt zu Dannos Kindern der Materiequelle. Für ihn zählten Geld und vor allem Prestige. Er wollte mit einer der beiden Space-Jets an Bord der LONDON, zusammen mit den anderen angeheuerten Söldnern, das Schiff verlassen, sobald Dannos sein Ziel erreicht hatte.

Chowfors Witwe machte Dannos auch das Leben schwer. Sie betrank sich jeden Tag und lief Gefahr, die Entführung publik werden zu lassen. Der Guru hatte große Mühe sie im Zaum zu halten.

Rosan hatte Wyll seit zwei Tagen nicht mehr gesehen. Sie blieb die beiden Tage nur noch in ihrer Kabine. Der Bordarzt schrieb sie krank und so schöpften die Orbanashols keinen Verdacht.

Rhodan arbeitete derweil mit Sam einen Plan aus, um einen Hyperfunknotruf abzusenden.

*

Hulga Imoll und Brunde Galfesch lagen gelangweilt in ihren Liegestühlen auf dem Promenadendeck und sonnten sich. Die beiden Frauen lasen ein Buch und lästerten über die Passagiere.

Unweit von ihnen hatten sich auch die Arkyls niedergelassen. Die Kinder der Materiequelle ließen sich durch die Entführung ihre Urlaubsstimmung in keiner Weise vermiesen.

»Stellara!«, rief Hulga Imoll.

Stellara Chowfor wankte zu den beiden und setzte sich auf den dritten Liegestuhl. Sie stellte vorsichtig ihr Glas Vurguzz auf die Lehne. Es sollte ja kein Tropfen verloren gehen.

»Ist das nicht eine herrliche Kreuzfahrt?«, warf Imoll ein.

In dem Moment fing Stellara Chowfor an zu weinen. Imoll hatte ganz den Tod ihres Mannes vergessen. Das lag vielleicht daran, dass ihn niemand sonderlich vermisste. Sie tätschelte Stellara auf die Schulter und sprach ihr gut zu. Brunde Galfesch meinte, Stellara solle den Widerling vergessen und sich einem anderen Mann an Land ziehen. Ganz so schlecht fand Stellara Chowfor den Gedanken gar nicht. Schließlich hatte Tett sie über Jahre hinweg betrogen und gedemütigt.

Sie stand wieder auf und schwankte umher.

»Richtig! Ich.. ich suche mir jetzt einen anderen! Jawohl«, lallte sie und versuchte ein paar Meter zu gehen. Dummerweise traf sie dann auf Rosan Orbanashol, die etwas auf Deck spazieren gehen wollte.

Hulga Imoll und Brunde Galfesch bemerkten entsetzt, dass die Halbarkonidin auf sie zukam.

»Ist die nicht am Tod von Tett ...«, flüsterte Brunde.

Hulga nickte hastig. Wyll Nordment und Rosan Orbanashol hatten den Kampf mit Tett Chowfor Vater Dannos gestanden, in der Hoffnung, er würde Gnade für die zehn Passagiere walten lassen. Natürlich hatte er das nicht getan. Er wollte aber auch weder Rosan noch Wyll bestrafen. Die zehn Opfer waren ihm vorerst genug gewesen.

Fassungslos starrte Stellara Chowfor in die rubinroten Augen der Halbterranerin.

»Mörderin!«, keifte sie lauthals.

Rosan schwieg. Nicht weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, sondern, weil sie kein Aufsehen erregen wollte. Sie befürchtete eine weitere Hinrichtung unschuldiger Passagiere, sollten diese von der Entführung erfahren. Rosan blieb nichts anderes übrig, als diese Charade mitzuspielen.

»Weil ich deinen Vurguzz verschüttet habe? Nun, sei mir dankbar dafür«, antwortete Rosan der verdutzten Stellara Chowfor. Herban Lilivan Arkyl hatte das Szenario mitbekommen.

Der Hasproner packte Stellara unsanft am Arm.

»Was soll das? Willst du den perfekten Plan gefährden?«, zischte er.

Stellara erkannte erst jetzt, dass sie wohl etwas übertrieben hatte. Etliche Passagiere blickten sie verwundert an. Herban Livilan schaltete schnell, nahm ihr Glas und hielt es in die Höhe. Er entschuldigte sich für ihre Trunkenheit. Die Leute kauften das ab und vergaßen den Vorfall schnell.

Hiretta nahm Stellara bei der Hand und führte sie in ihre Kabine. Rosan musterte den haspronischen Syntroniker und die beiden Frauen.

»Eine schöne Sekte. Ein toller, geradezu perfekter Plan«, spottete sie leise. »Wenn schon eine Betrunkene euch aus eurem Konzept werfen kann, dann betet zu eurem Guru, dass nicht noch mehr Komplikationen auftreten.«

Sie lächelte überlegen. Rosan fühlte sich stolz. Sie bewies Courage und zeigte keine Angst vor den Entführern.

Arkyl ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er erklärte, dass seine Syntronik bei der Berechnung des perfekten Planes keine Fehler gemacht hatte.

»Du solltest lieber aufpassen, Halbarkonidin! Wenn du so weiter machst, erlebst du das Ende des perfekten Planes nicht mehr«, drohte der Hasproner und ging weg.

Rosan ließ sich nicht einschüchtern. Sie bemerkte seine Nervosität. Letztendlich war er Wissenschaftler und kein Kämpfer. Anscheinend machte sich das langsam bemerkbar.

Rosan warf abschließend den beiden alten Damen einen giftigen Blick zu und verabschiedete sich dann von ihnen.

Sie überlegte, ob man diese Kinder der Materiequelle nicht doch irgendwie überwältigen konnte. Es musste einfach einen Weg geben.

Doch nur Perry Rhodan war wohl in der Lage Dannos die Stirn zu bieten.

*

Stellara Chowfor lag auf ihrem Bett und lallte vor sich hin. Hiretta hielt Wache und wollte sichergehen, dass Stellara nicht wieder aufstand, solange sie so betrunken war.

Es klopfte an der Tür. Kurz danach betraten Bruder Cech-Nor und seine Genossen den Raum. Ihnen folgte der Sektenführer höchstpersönlich. Er blickte Hiretta fragend an.

»Wie geht es Schwester Stellara?«

»Siehst du doch, Dannos. Sie ist betrunken. Und deine Leibwächter helfen ihr sicher nicht weiter.«

Dannos verstand und gab Cech-Nor und seinen Brüdern den Befehl vor der Tür zu warten. Dann schaute er Hiretta Livilan Arkyl auffordernd an. Sie verstand und verließ auch den Raum.

»Stellara! Wir lieben dich«, begann Dannos lächelnd und ging auf die Terranerin zu. Sie versuchte sich hinzusetzen, fiel aber in die Arme ihres Gurus. Dann begann sie zu weinen.

»Ich vermisse Tett! Sie haben ihn ermordet!«

Dannos streichelte über ihr blondes Haar. Mit seinem Zeigefinger wischte er ihre Tränen aus dem Gesicht.

»Wir werden Tett wieder treffen. Eines Tages wird er zum Kosmokraten Dannos hinzustoßen. Bis dahin lebe dein Leben in Liebe.«

Stellara lachte. Dannos nahm ein Etui aus seiner Hosentasche und holte zwei Zigaretten heraus. Er zündete sie an und gab eine Stellara. Das andere Stäbchen rauchte er selbst.

Das Rauschmittel verfehlte seine Wirkung nicht. Stellara wurde vergnügt und urplötzlich von allen Sorgen befreit.

»Erinnerst du dich noch daran, wie es vor Tett war?«, wollte Stellara von Dannos wissen.

»Oh ja, mein Kind. Freie, intensive Liebe ...«

Er streifte ihre Sachen vom Körper und küsste ihre Brüste. Stellara stöhnte in Ekstase auf. Dann küssten sie sich innig und gaben sich dem Rausch ihrer Leidenschaft hin.

 

8. Die Erpressung

Am frühen Morgen des 25. Oktobers 1285 NGZ trottete Coco Durandûr am Handelsraumhafen Nord entlang. Er wartete auf ein Zeichen dieses ominösen Onkel Dimytran.

Endlich winkte ihm ein Mann zu. Er war vielleicht fünfzig Jahre alt und sah recht gut aus. Zumindest hatte er mehr Haare und war wesentlich schlanker als der Hansemitarbeiter, was dieser sehr bedauerte.

Wider Willen ging er zu dem Mann, der ihn strahlend begrüßte. Durandûr erkannte sofort die unangenehme Stimme. Es war Onkel Dimytran.

»Durandûr, wie geht es dir? Wollen wir uns ins Café setzen und etwas trinken?«

»Nein, Mister Dimytran. Ich bin hier, um mir die Beweise anzusehen«, erklärte der Hanseangestellte kühl.

Onkel Dimytran lachte ihn aus. Er gab Durandûr in jedem Moment das Gefühl, als würde er ihn nicht ernst nehmen.

Schließlich führte er ihn zu einem Landefeld, auf der ein einhundert Meter durchmessender Kugelraumer stand.

»Das ist ein CERES-Kreuzer. Eigentlich sind das Prototypen in der Liga, doch wir konnten uns einen ... wie sagt man so schön, organisieren«, erklärte Onkel Dimytran.

Sein Akzent war plophosisch. Waren alle Entführer Plophoser? Durandûr war sichtlich mit der ganzen Sache überfordert. Er war Assistent im Vorstand und kein Geheimagent.

»Der CERES Kreuzer hat einen Überlichtfaktor von 180 Millionen. Damit konnte er die Strecke innerhalb der wenigen Tage zurücklegen. Nun, du willst die Beweise ...«

Onkel Dimytran deutete auf eine Kiste, die gerade von einem Roboter entladen wurde. Er forderte Durandûr auf, die Kiste zu öffnen.

»Hier? Direkt auf dem Landefeld? Wo ist die Diskretion?«, warf der dicke Terraner ein.

Dimytran lachte ihn nur aus. Schließlich öffnete Coco Durandûr den Kasten und forschte entsetzt den Inhalt durch. Es waren diverse Gegenstände der LONDON drin. Fotos, Videos, Teile der Einrichtung und einige Bilder, die Durandûr den Schweiß auf die Stirn trieben.

Zitternd blätterte er das makabere Fotoalbum durch. Es waren Bilder von zehn ermordeten Passagieren. Ganz unten lag ein weiterer Behälter mit einem roten Inhalt.

Er blickte Onkel Dimytran ratlos an.

»Nun, Fotos sagen nichts aus. In dem Behälter sind Blutproben der Getöteten, als letzten Beweis könnt ihr die DNA analysieren.«

Durandûr legte sie Sachen wieder in den Kasten und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn.

»Sie sind ein Monster!«

»Oh, danke«, grinste Onkel Dimytran erheitert. Dann wurde er schlagartig wieder ernst. Er zeigte auf die große Uhr auf dem Kontrollturm des Handelsraumhafens.

»Von jetzt an 24 Stunden, Durandûr! Enttäusche mich nicht. 150 Milliarden Galax werden Morgen um dieselbe Uhrzeit im Kreuzer sein. Dann wird er unbehelligt starten und zu meinem Kontaktmann fliegen. Ist das Lösegeld sicher dort angekommen, wird dieser mit der LONDON Kontakt aufnehmen. Wenige Tage später kehrt dieser CERES-Raumer mit den Koordinaten der LONDON zurück. Dann können die Geiseln abgeholt werden«

Durandûr nickte bedrückt.

»Aber ... aber ... was ist, wenn wir das Geld nicht zahlen?«

Onkel Dimytran sah Durandûr bedrohlich an.

»Dann wird die LONDON mit Mann und Maus vernichtet werden«

*

Donald Winnerborough war nicht sonderlich erbaut über die Beweisstücke. Er zeigte sie den Aktionären der Hanse, die jedoch nicht bereit waren, 150 Milliarden Galax an die Entführer zu zahlen.

Eigentlich war die Höhe der Summe für die Kosmische Hanse Peanuts, doch es ging um das Prinzip. Man verhandelte nicht mit Terroristen. Außerdem nahmen die meisten Hansesprecher diese ganze Entführung überhaupt nicht ernst. Man hätte das Material der LONDON auch vorher stehlen können. Fotos und Videos konnte man fälschen. Blutproben konnte man sich ebenfalls illegal beschaffen.

Winnerborough waren die Hände gebunden. Er erklärte Durandûr, dass man nicht auf die Forderungen der Geiselnehmer eingehen würde. Auch wenn das die Vernichtung der LONDON bedeuten würde.

»Aber, Sir ... wir können doch nicht tatenlos herumsitzen?«, meinte Durandûr melancholisch.

»Nein, du solltest dich schon mehr bewegen. Das würde deiner Figur gut tun«, antwortete Winnerborough gehässig.

Er forderte Durandûr auf, Papier und Stift zu nehmen. Im Schneckentempo befolgte der Assistent die Anweisungen.

»Rufe im Hauptquartier Hanse an. Ich möchte in einer halben Stunde ein persönliches Gespräch mit Paola Daschmagan führen. Sollte sie nicht wollen, erinnere sie an Betty und ihre Schwestern.«

Durandûr blickte den Hansesprecher verwirrt an.

»Und wie ist der Nachname der Dame?«

Winnerborough schüttelte genervt den Kopf.

»Ich glaube, dass deine Hirnzellen sich inzwischen um die Hüften verteilt haben. Sage Paola Daschmagan genau das, was ich diktiert habe.«

Durandûr wiederholte die Botschaft und machte sich sofort daran, ein Gespräch mit der Ersten Terranerin zu bekommen.

*

Stewart Landry genoss die Massage der hübschen Afrikanerin. Endlich hatte er mal Urlaub bekommen. Nachdem er den Schmugglerring bei Hayok auffliegen ließ, war das auch mehr als verdient gewesen.

»Ich kann noch ganz woanders massieren«, kicherte sie. Das war das Stichwort für den im Bundesstaat England geborenen Terraner. Er zog sie an sich heran und streichelte über ihr schwarzes Haar.

Er knapperte gerade an ihren Lippen, als das Interkom ein ankommendes Gespräch meldete. Stewart beschloss, dieses zu ignorieren, doch das nervende Summen wechselte die Frequenz. Er wusste, was die Signalfolge bedeutete. Schließlich hatte man ihm die einzelnen Signalcodes während der Ausbildung immer und immer wieder eingebläut: Alarmstufe Rot, das bedeutete, die Kacke war mal wieder am Dampfen. Seufzend ließ er von der Schönheit ab und nahm das Gespräch entgegen.

»Was ist denn schon wieder bei euch los?«, fauchte er ins Interkom.

Dann zuckte er zusammen, als er die Stimme von Gia de Moleon erkannte. Er bestätigte ihre Befehle. Dann beendete sie abrupt die Verbindung.

Die Kenianerin machte einen Schmollmund.

»Was denn los, Schatz?«, fragte sie verärgert.

»Die Firma braucht mich«, antwortete Stewart Landry knapp, zog sich wieder an und verabschiedete sich mit einem Kuss von der Masseuse.

So schnell er konnte, flog er zum Hauptquartier Hanse, wo bereits Paola Daschmagan, LFT-Kommissar Cistolo Khan, die Hansemitarbeiter Donald Winnerborough und Coco Durandûr und seine Chefin, die TLD-Leiterin Gia de Moleon auf ihn warteten.

»Guten Morgen die Damen und natürlich auch die Herren«, begrüßte Stewart sie lächelnd.

Den anderen war jedoch nicht zum Lachen zumute. Kurz und knapp schilderte Gia de Moleon die Entführung der LONDON und die Forderung dieses geheimnisvollen Erpressers, der sich Onkel Dimytran nannte.

Er hörte seiner Vorgesetzten interessiert zu. Zumindest tat er so. In Wirklichkeit hatte er die verschrobene Schachtel gefressen. Noch immer stand in seiner Akte der Verweis wegen der Geschichte mit Will Dean, der ihm als Anwärter zugeteilt gewesen war. Warum musste dieser Idiot auch seine Zugangskennung dazu nutzen, in den Geheimnissen des TLD zu wühlen? Besonders ärgerte ihn, dass er bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht herausgefunden hatte, auf welche Leiche Will eigentlich gestoßen war. Dass es eine Leiche sein musste, war ihm klar, sonst wäre die alte Gia nicht so ausgetickt. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sie ihn damals aus dem TLD geworfen hätte. Doch nun brauchten sie ihn anscheinend dringend. Die langweilige Jagd auf Kriminelle, zu der ihn de Moleon verdonnert hatte, war anscheinend vorbei.

»Und was ist meine Aufgabe? Diesen Onkel zu beschatten? Soll ich mich an Bord des Kreuzers einschleichen?«, wollte er schließlich wissen.

Daschmagan warf Khan einen Blick zu. Der hochgewachsene LFT-Kommissar wanderte durch den Raum und gestand, dass niemand genau wusste, was man tun sollte. Die Liga Freier Terraner hatte sich bereit erklärt, die 150 Milliarden Galax zu zahlen. Doch was, wenn dieser Onkel nur bluffte? Das Problem war, dass die LONDON zu weit weg war, um nachvollziehen zu können, was dort passiert war.

»Es sind jede Menge bekannte Persönlichkeiten an Bord. Wir müssen diese retten«, betonte Daschmagan.

Landry überlegte eine Weile, dann kam ihm eine Idee.

»Nun, wir könnten den CERES Kreuzer verfolgen. Doch die würden das vermutlich merken. Ich könnte mich an Bord des Schiffes in einer vor Individualabtastung gesicherten Kiste einschleusen. Die würden die Kiste aber sicher vorher durchsuchen ...«

»Was schlägst du vor?«, fragte de Moleon scharf.

Landry schmunzelte und musterte die graue Maus, die jedoch so mächtig war. Er wusste, dass das, was er jetzt sagen würde, seiner Chefin überhaupt nicht gefallen würde.

»Wir bräuchten einen Mutanten, der uns nachträglich in diese Kiste teleportiert. Wir bleiben dann an Bord und kapern es, sobald es in Reichweite der LONDON ist. Einige Schiffe könnten im intergalaktischen Raum um Andromeda warten, bis wir sie kontaktieren.«

Moleons Gesicht wurde fahl. Stewart fand, dass die alte Hexe jetzt noch unsympathischer als sonst aussah.

»Es gibt nur einen uns bekannten Teleporter ...«, stellte Khan nüchtern fest.

»Gucky!«, komplettierte de Moleon zähneknirschend. »Das kommt nicht infrage, Landry!«

Stewart verschränkte die Arme vor dem Bauch. Dann kratzte er mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand kurz an seiner Wange.

»Das ist aber der sicherste Weg.«

Daschmagan nickte widerwillig. Doch sie fragte, wie man Kontakt mit den Camelotern aufnehmen könnte.

»Das überlasse mal mir. Ich habe da so meine Kontakte.«

Gia de Moleon blickte ihn scharf an. Landry war sich keiner Schuld bewusst. Er bat die TLD-Chefin eine der Kisten mit den Goldbarren nur drei Viertel vollzupacken. Es musste Platz für ihn und den Mausbiber sein. Dann verabschiedete er sich und machte sich auf die Suche nach den Camelotern.

 

9. Aus den Chroniken

Die LONDON war entführt worden! Was für ein Schock. 16.000 Galaktiker schwebten offenbar in großer Gefahr. Ich musste mich nach dieser Nachricht erst einmal in den Gartenstuhl setzen.

Der TLD-Agent Stewart Landry schwieg. Er ließ mir die paar Minuten. Was Landry nicht wusste, war, dass sich Perry Rhodan an Bord der LONDON befand. Homer G. Adams hatte mich darüber informiert und versucht, mich so doch noch zu überreden, mit zufliegen.

Gott sei Dank hatte ich abgelehnt.

Stewart Landry wusste, dass ich Kontakte nach Camelot hatte. Unsere erste Begegnung war beinahe drei Jahre her gewesen. Damals hatte Oberst Kerkum das Camelot Büro in Atlan-Village in die Luft gejagt und einige Camelot Mitarbeiter nach Mashratan entführt.

Höflich aber bestimmt lehnte der TLD-Agent mein Angebot ab, etwas zu trinken. Die Zeit würde drängen. Damit hatten er natürlich recht. Ich bat ihn, auf der Terrasse zu warten. Obwohl es herbstlich kühl war, wollte ich nicht, dass er auf meinem Anwesen herumschnüffelte. Schließlich musste ich nun schnell eine Verbindung nach Camelot herstellen. Ich eilte zurück ins Haus, ging die Stufen hoch in die zweite Etage und begab mich in mein Arbeitszimmer.

Ich kam mir vor, wie in einem Agentenfilm, als ich den geheimen Auslöser in meinem Bücherregal betätigte. Das Regal schob sich zur Seite und aus der Wand fuhr die spezielle Hyperkomanlage aus Camelot. Es war ein kleines Geschenk vor zwei Jahren gewesen. Das ganze System funktionierte unabhängig von meinem Hausnetzwerk. Außerdem hatten camelotische Wissenschaftler allerlei technische Raffinessen eingebaut, damit die codierten Nachrichten auch nicht abgefangen oder gar entschlüsselt werden konnten.

Ich sendete eine Verbindungsanfrage mit höchster Priorität direkt an Homer G. Adams. Die Camelot Büros auf verschiedenen Welten dienten als Relaisstationen, um die Distanz zu überbrücken. Wo auch immer Camelot lag. Ich wusste es immer noch nicht.

Es dauerte einige Minuten, bis endlich Homer G. Adams Gesicht auf dem kleinen Bildschirm erschien.

Ich schilderte ihm die Situation.

»Das ist charakteristisch für Perry, geradezu symptomatisch! Wo immer er sich befindet, irgendein Schlamassel wartet auf ihn«, bemerkte Adams trocken. Die Entführung schien ihn nicht weiter aufzuregen. Das war wohl die Routine eines dreitausend Jahre alten Menschen.

»Informiere bitte den TLD-Agenten, dass Gucky auf dem Weg ist. Hoffentlich schaffen wir das innerhalb der verbleibenden 18 Stunden. Wir schicken unser schnellstes Raumschiff und wären verbunden, wenn der TLD oder das LFT-Militär uns nicht in Gewahrsam nimmt.«

Adams beendete mit einem feinen Lächeln die Verbindung. Ich ging gemächlich, schließlich war ich nicht mehr der Jüngste, wieder zurück nach draußen und erschrak über die Kälte. Ich war in diesem Moment ein schlechter Gastgeber.

»Nun?«, wollte Landry wissen.

»Sie sind auf dem Weg.«

»Und wie finde ich sie?«

Ich winkte ab und lachte.

»Mister Landry, das ist Gucky! Er findet dich

Der TLD-Agent gab sich damit zufrieden und bedankte sich für meine Mithilfe. Sie hätten mich zweifelsohne auch unter Druck setzen können, wie es andere Spione und Regierungsbeamte sicherlich getan hätten.

Vielleicht war auch langsam aber sicher ein Ende des Kalten Krieges zwischen Camelot und Terra absehbar. Ich wünschte es mir zumindest. Mit den besten Glückwünschen verabschiedete ich den Agenten.

Meine Gedanken galten nun den 16.022 Lebewesen an Bord der LONDON. Vielleicht war es ihr Glück, dass Perry Rhodan an Bord war. Aber eine Garantie gab es nicht.

Mochten sie alle gesund und unbeschadet ihren Weg zurück in die Milchstraße finden.

Jaaron Jargon

27. Oktober 1285 NGZ

 

10. Tricks

27. Oktober 1285 NGZ

Es waren noch 25 Minuten bis zum Verstreichen des Ultimatums. Onkel Dimytran beobachtete das Verladen des Goldes in den CERES-Kreuzer. Wie gefordert, übernahmen ausschließlich Roboter den Vorgang. Unweit des Landefeldes konnte er den Hansesprecher Winnerborough und seinen Assistenten Durandûr entdecken.

Alles verlief genau nach Vater Dannos kosmischen Plan. Das Schiff würde Terra voll bepackt mit Gold verlassen. Da die CERES-Kreuzer über einen sehr guten Halbraumspürer verfügten, würde er etwaige Verfolger im Umkreis von mehr als 1.000 Lichtjahren anmessen können.

Ihre Verbündeten hatten den CERES-Kreuzer mit einem speziellen Ortungsschutz verstärkt. Dimytran wusste, dass ohne die Unterstützung der Mordred ihr Plan niemals realisierbar gewesen wäre.

Dimytran wusste nicht viel über diese Terrororganisation, die aus dem Verborgenen heraus handelte.

Einige von ihnen hatten sich als Passagiere auf die LONDON eingebucht. Es waren ausgebildete Assassinen. Die Leute fürs Grobe. Dannos hatte von einem Silbernen Ritter gefaselt. Dimytran wusste nicht, ob das wirklich einer der Mordred oder doch nur ein Nebenprodukt eines Trips war.

Natürlich würden die TLD-Agenten, die die Hanse zweifelsohne zurate gezogen hat, vermuten, sie würden Andromeda ansteuern.

Jedoch lag ihr Bestimmungsort in einem entlegenen System in der Galaxis UGCA-092.

Dort würde er sich mit jenen Kindern der Materiequelle treffen, die nicht den weiten Weg nach Erranternohre bestreiten würden. Dazu zählten auch Herban und Hiretta Livilan Arkyl sowie Craig Anbol. Der kosmische Plan von Vater Dannos sah vor, dass er und die anderen den versprochenen Anteil nahmen und sich irgendwo ein schönes Leben machten. Einen Restanteil des Goldes sollten sie auf einem Asteroiden für fünf Jahre verstecken. Sollte Dannos bis dahin nicht zurückgekehrt sein, könnten sie es selbst verprassen.

Onkel Dimytran musste über die Gerissenheit des Sektierers schmunzeln. Anscheinend war er selbst nicht hundertprozentig davon überzeugt, zum Kosmokraten zu werden. Sollte allerdings sein Plan in Erranternohre scheitern, würde er zumindest nicht als armer Mann zurückkehren.

*

Stewart Landry schaute ungeduldig auf sein Chronometer. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Er fragte sich, ob Gucky wirklich noch auftauchen würde. Falls nicht, würde er ziemlich dumm dastehen und konnte seine Laufbahn beim TLD endgültig an den Nagel hängen. De Moleon würde wohl die Gelegenheit nutzen, ihn endgültig loszuwerden. Vielleicht würde er noch den TLD-Tower fegen dürfen. Mehr Vertrauen würde er sicher nicht mehr bekommen.

»Deine Sorge ist unbegründet«, rief jemand mit piepsiger Stimme.

Landry drehte sich um. Für einen kurzen Moment stockte ihm der Atem. Es war das erste Mal, dass er den Mausbiber zu Gesicht bekam. Neben dem kleinen Ilt ging ein hochgewachsener Arkonide. Das musste der ehemalige Lordadmiral der USO sein!

»Du hast in meinen Gedanken gelesen«, stellte Landry vorwurfsvoll fest.

Gucky kicherte.

»Zumindest habe ich nichts darüber verraten, mit wem du jetzt lieber die Zeit verbringen würdest.«

Vor Landrys geistigem Auge baute sich das Bild der hübschen und wohl bestückten Masseuse auf. Schnell zwang er sich, an etwas anderes zu denken.

»Ich danke euch, dass ihr gekommen seid. Dem TLD hat es sehr viel Überwindung gekostet, euch um Hilfe zu bitten.«

Atlan lächelte.

»Das kann ich mir vorstellen. Nun Landry, Jaaron Jargon hat sich für dich verbürgt. Es ist gut zu wissen, dass uns nicht alle Terraner misstrauen.«

Der Arkonide erklärte weiter, dass sie gerne helfen würden. Er verschwieg allerdings die Tatsache, dass sich Perry Rhodan an Bord der LONDON befand. Natürlich würden die Cameloter alles tun, um die 16.000 Leben zu retten. Dass auch Perry Rhodan am Jungfernflug der LONDON teilnahm, war jedoch ein wichtiger Grund mehr, sich bei der Rettung der LONDON zu engagieren.

Stewart Landry weihte die beiden in seinen Plan ein. Er hatte bereits einen Rucksack mit Nahrung gepackt. Die Reise mit dem Kreuzer würde bestimmt zwei Wochen dauern.

Atlan erklärte, dass er mit der FREYJA dem Kreuzer unbemerkt folgen würde. Vermutlich würde die Liga ebenso ein Raumschiff einsetzen. Schmunzelnd berichtete der Arkonide, dass sie über die Konstruktionspläne der CERES-Kreuzer verfügten und eine Möglichkeit gefunden hätten, wie man den Halbraumspürer umgehen könnte.

Dennoch wollte er kein Risiko eingehen. Sobald der Kreuzer am Bestimmungsort war, mussten Landry und Gucky die Besatzung überwältigen. Dann sollten sie die FREJYA informieren. Alles Weitere würde sich dann ergeben.

Landry und Gucky waren bereit. Das Gold war verladen und bereits kontrolliert. Gucky sprang nun in den Kreuzer und kehrte mit den Goldbarren des einen Behälters wieder zurück. Es war nun genügend Platz für den Mausbiber und den Terraner vorhanden.

Atlan wünschte ihnen viel Glück. Er beobachtete, wie dieser Onkel Dimytran auf das Landefeld lief und zu den beiden Hanseangestellten ging. Das Ultimatum war abgelaufen!

*

»So süß kann der Abschied sein«, scherzte Onkel Dimytran als er zu Durandûr und Winnerborough ging.

»Ich hoffe, es wurde alles zu deiner vollsten Zufriedenheit erledigt«, erkundigte sich Winnerborough.

Onkel Dimytran nickte.

»In einem Monat werdet ihr es erfahren. Entweder erhaltet ihr die Koordinaten der LONDON oder weitere Blutproben. Bis dahin, oder Famal Gosner, wie man auf arkonidisch sagt.«

Er verließ die beiden und betrat den Kugelraumer. Wenige Minuten danach, schloss sich das Schott und das Raumschiff hob ab. Durandûr und Winnerborough blickten dem Raumer noch lange hinterher.

»Ein arroganter Typ«, murmelte der Hansesprecher.

»Genau wie du, Sir«, entgegnete Durandûr.

»Wie bitte?«

»Ja, Sir. Hiermit möchte ich kündigen. Ich habe lange genug deine Demütigungen ertragen. Meine Hirnzellen, das musst du wissen, haben sich nicht um meine Hüften verteilt«, entgegnete Durandûr pikiert und ließ den Hansesprecher wie einen dummen Jungen stehen. Dieser blickte seinen ehemaligen Assistenten verwirrt hinterher und verstand die Welt nicht mehr.

 

11. Der letzte Teil des perfekten Plans

Die LONDON entfernte sich immer weiter von Triangulum und verließ wegen einer Standortbestimmung den Hyperraum. Die Pause wurde genutzt, um den Gravitav-Speicher neu aufzuladen.

Rhodan begab sich auf das Deck in Nähe des Funkraums, der sich zwar auf derselben Etage wie die Kommandozentrale befand, jedoch durch einen langen, schmalen Korridor von dieser getrennt war.

Rhodan sondierte, wie viele von Dannos Leuten sich im Raum aufhielten. Es waren nur zwei Bewacher in der Funkzentrale. Der Funkoffizier Sparks war nicht am Platz. Rhodan gab Sam ein Zeichen, der in die Funkzentrale ging, um so die Kinder der Materiequelle abzulenken.

»Guten Tag, die Herren!«

Die beiden drehten sich um. Sie zogen ihre Waffen.

»Was willst du?«, wollte der eine wissen.

Sam zog eine strenge Grimasse.

»Ich habe Ihnen nicht erlaubt mich zu duzen. Wie dem auch sei, ich brauche Ihre Hilfe. Ich habe einen Passagier entdeckt, der ein Hyperfunkgerät besitzt. Ich möchte nicht, dass er Dummheiten macht und somit unsere Rettung gefährdet.«

Die beiden steckten die Waffen wieder weg. Keiner von beiden wunderte sich darüber, dass der Somer beim Anblick der Strahler keine Überraschung zeigte. Sie wussten, dass er von Dannos über die Entführung informiert wurde.

»Ich hoffe, das ist kein Trick«, drohte der eine.

»Nein, meine Herren. Mir geht es um das Wohl der Geiseln. Ich will nicht, dass wieder zehn Leute sterben müssen.«

Das klang für die zwei Entführer sehr plausibel. Sie besprachen sich kurz und hofften, Vater Dannos beeindrucken zu können, wenn sie das Funkgerät beschlagnahmten. Also folgten sie dem kleinen Vogelwesen und verließen die Funkzentrale. Rhodan nutzte die Gelegenheit und stürmte in den Funkraum. Er aktivierte die Anlage. Er umging die Syntronik, die in Händen von Dannos war.

»Hier spricht Perry Rhodan – Code Rotfall – Die LONDON wurde von Terroristen entführt. Wir sind etwa 500.000 Lichtjahre von Andromeda entfernt und nahe Triangulum. Kurs unbekannt.«

Er gab noch die genauen Koordinaten durch, dann spürte er einen heftigen Schlag im Genick.

*

Als Perry Rhodan wieder aufwachte, erkannte er das pelzige Gesicht der Haspronerin Hiretta Livilan Arkyl. Sie wischte Rhodans Stirn mit einem feuchten Tuch. Er blickte sich weiter um. Er sah Herban Livilan Arkyl, der Mann, der die Syntronik des Schiffes mit einem Virus infiziert hatte, einige von Dannos »Brüdern« und den Anführer selbst.

Arkyl grinste hämisch und nuckelte an einer Art Zigarette. Der Guru hingegen saß ruhig auf dem Bett.

»Das war ziemlich unüberlegt«, sprach Vater Dannos bedrohlich.

Rhodan erhob sich und setzte sich auf das Bett.

»Willst du mich jetzt auch töten? So wie die zehn Unschuldigen?«

»Das Schicksal dieser Kreaturen war unabwendbar«, erklärte Dannos ohne Bedauern.

»Es waren Kinder darunter. Du bist nichts weiter als ein widerlicher Mörder. Doch damit wirst du nicht durchkommen. Dein Schicksal ist unabwendbar! Dafür werde ich sorgen!«

So ein Emotionsausbruch war für den sonst so besonnenen Rhodan ungewöhnlich.

Dannos fing an laut zu lachen.

»Du amüsierst mich, Rhodan!«

Dann wurde sein Gesicht wieder ernst.

»Du solltest nicht solche große Sprüche kloppen. Dein Leben liegt in meiner Hand. Ich kann dich töten, wann immer ich es will.«

»Dann hättest du es bereits getan«, erwiderte Rhodan sachlich.

Anbol trat an Dannos heran.

»Wir sind wieder in den Hyperraum gewechselt. Wir werden sicherlich noch eine Woche unterwegs sein«, informierte er Dannos.

»Unterwegs wohin?«, wollte Rhodan wissen.

Dannos stand auf und lief durch die Kabine.

»Ich werde dich nun in die Einzelheiten meines perfekten kosmischen Plans einweihen. Die LONDON wird eine Materiequelle ansteuern. Nämlich die einzig bekannte. Die Quelle, durch die Kemoauc, Laire und Atlan hindurchgingen.«

Rhodan verdrehte die Augen. »Ihr werdet Jahre brauchen, bis ihr die erreicht habt!“

»Das wissen wir«, antwortete Dannos.

»Die LONDON hat die Kapazität und Reichweite uns dorthin zu bringen. Doch wir werden alleine fliegen. Alle Passagiere werden auf einem Planeten in der Galaxie UGCA-092 ausgesetzt. Die angeheuerten Leute für die Entführung, wie Craig Anbol, werden mit den Space-Jets an Bord dieses Schiffes wieder zurückfliegen und sich mit meinem Bruder der Materiequelle auf dem Zwischenweg treffen. In etwa sechs Monaten werdet ihr dann alle gerettet sein.«

Rhodan wusste nicht, was er sagen sollte. Er war sogar über die Humanität von Dannos Plan überrascht.

»Gibt es auf dem Planeten eine Zivilisation?«, fragte er.

Anbol verneinte.

»Die Passagiere sind nicht für einen Überlebenskampf trainiert. Viele sind alt oder Kinder. Das würde Mord gleichkommen!«, wandte er ein.

Vater Dannos verschränkte die Arme.

»Nun, Perry Rhodan, das ist von nun an dein Problem. Anbol, stelle die Rettungskapseln bereit. Wir bringen die 16.000 Wesen auf die Oberfläche des Planeten.«

 

12. Aurec

Suche das Sternenportal in den Tiefen von Saggittor. Wenn du es gefunden hast, starte dein Raumschiff mit den dir genannten Koordinaten und fliege durch das Portal. Du wirst eine fremde Galaxiengruppe erreichen. Sie trägt den Namen Lokale Gruppe.

Erforsche diese Gegend des Universums.

Beobachte insbesondere die Terraner in der Milchstraße, doch gib dich ihnen nur im Notfall zu erkennen.

*

Aurec dachte immer wieder über die Worte der Superintelligenz SAGGITTORA nach. Der Saggittone starrte an die graumetallische Wand seines Quartiers, während er auf der mit dunkelrotem Samt bezogenen Konturliege lag und über die Bedeutung der Worte der Superintelligenz grübelte.

Er hatte die Anweisungen befolgt. Vor acht Semor hatten sie diese versteckte Station in einem unbesiedelten, entlegenen Seitenarm von Saggittor entdeckt. Die geheime Station unbekannter Herkunft hatte ein rundes Energieportal mitten im leeren Weltraum erschaffen, durch das die SAGRITON geflogen war. Weisungsgemäß hatte er persönlich jene Zielkoordinaten per Hyperfunk übermittelt, die ihnen die Superintelligenz mitgeteilt hatte. Innerhalb weniger Nutos waren sie am Ziel gewesen.

Was immer für eine Technologie dahinter stand, sie war viel mächtiger als alles, was die saggittorische Galaxie jemals zuvor gesehen hatte.

Sie waren durch ein weiteres Tor, wenigstens vermuteten sie dies, in einer völlig unbekannten Umgebung, wieder rematerialisiert und hatten sofort einen Testflug zurück nach Saggittor gestartet. Er war erfolgreich gewesen. Offenbar erkannte dieses Sternenportal die Zielkoordinaten. Woher wussten sie nicht. Die fähigsten Wissenschaftler an Bord der stolzen SAGRITON zerbrachen sich ihre Köpfe darüber.

Die Untersuchung der vier fremden Energiestationen, die anscheinend das Tor mit Energie versorgten, war erfolglos geblieben, da diese einfach in ein übergeordnetes Kontinuum wechselten, sobald man sich ihnen zu sehr näherte oder versuchte, sie durch Tasterstrahlen zu erkunden.

Sie waren Fremde in einer Galaxiengruppe, die zwischen 19 und 24 Millionen Lichtjahre von ihrer Heimat entfernt lag, so hatten die Astronomen herausgefunden. So weit war noch nie ein Saggittone in den intergalaktischen Raum vorgedrungen.

Aurec beherzigte den Rat der Superintelligenz SAGGITTORA, den Kontakt zu den Bewohnern dieser Galaxiengruppe zu meiden. Aurec war stolz, dass sein Vater Doroc ihn mit dieser historischen Mission beauftragt hatte. Er wollte den Kanzler und die Völker Saggittors keinesfalls enttäuschen.

Admiral Dolphus bereitete Aurec mehr Sorgen. Der reaktionäre und exzentrische Flottenoberbefehlshaber hatte es sich nicht nehmen lassen, an der Expedition teilzunehmen. Und immer wieder riet er Aurec, während des gewohnt deftigen Abendessens, nachdem sie schon einige Sorfa getrunken hatten, dass sie die Expedition dazu ausnutzen sollten, um die Stärken und Schwächen der gefundenen Völker zu analysieren.

Doch das Beunruhigende war, dass Dolphus in den letzten Diats auch davon gesprochen hatte, wenn er nur Aljadasaft trank. Er betrachtete das Sternenportal als ultimative Waffe, um fremde Galaxien zu erobern und sich an den gefundenen Ressourcen zu bereichern.

Aurec widersprach ihm entschieden. Es lag nicht in der saggittonischen Natur, andere Völker auszubeuten. Sie hatten doch alles, was sie brauchten. Wozu mehr Reichtum ansammeln? Damit einer mehr hatte als der andere? Aurec schüttelte sich bei diesen frevlerischen Gedanken. Ihm war schon seit Langem bekannt, dass sich gerade in der Raumflotte ein gefährlicher Zeitgeist entwickelt hatte.

Vielleicht war das Militär auch unterfordert. Es gab in Saggittor seit Langem keine Kriege mehr. Offenbar dürstete es die Flotte nach einem Kräftemessen in unbekannten Regionen des Kosmos.

Doch nicht mit ihm! Sie waren zu rein friedlichen Zwecken hier. Was sie hier jedoch suchten, war nicht klar. SAGGITTORA hatte darüber nichts gesagt. Es war ohnehin eine Überraschung gewesen, dass die Superintelligenz mit den Saggittonen in Kontakt getreten war. Ursprünglich hatte sie mit dem Holpigon Utzmuk gesprochen und war dann dem Kanzler und dessen Familie erschienen, um diese ominösen Sätze zu orakeln.

Aurec hatte bisher immer angenommen, dass SAGGITTORA nur ein Mythos war. Er hatte sich geirrt.

Die SAGRITON befand sich auf dem Weg zu einer spiralförmigen Galaxis, die laut den aufgefangenen Hyperfunksprüchen den Namen Andromeda oder Hathorjan trug. In den vergangenen acht Semor ihrer Anwesenheit in diesem Sektor hatten die passiven Orter ungezählte Hyperfunksprüche aufgezeichnet, die nach und nach durch die Translatoren übersetzt werden konnten. Nachdem sie erste Erkenntnisse über die Galaxie gewonnen hatten, wurden schließlich Erkundungssonden ausgeschickt, um gezielt Informationen zu sammeln.

Andromeda gehörte neben der Milchstraße und Hangay zu den wohl wichtigsten Galaxien dieses Sektors. Sie würden vermutlich ein, zwei Anor in der Lokalen Gruppe verweilen, bis sie ausreichend Informationen gesammelt hatten.

Was sie damit anfangen sollten, wusste Aurec nicht, obgleich es faszinierend und einmalig war, so viele neue Völker zu beobachten. Ihr Ziel war der Leerraum zwischen den beiden größten Sterneninseln. Dort würden sie vermutlich am meisten Informationen erhalten.

Aurec trank seinen heißen Bisca und studierte die holografische Sternenkarte der Lokalen Gruppe.

Die Vielfalt an unterschiedlichen Völkern war weitaus größer, als in Saggittor. Ein besonderes Augenmerk galt natürlich den Terranern, da SAGGITTORA sie ausdrücklich erwähnt hatte. Es war der besondere Auftrag der Schutzpatronin der Galaxie Saggittor, das Volk der Terraner zu beobachten. Das würde er auch tun.

 

13. Der Admiral

Dolphus war stolz auf sein Raumschiff. Die prächtige SAGRITON war mit Sicherheit das mächtigste Schlachtschiff in der Galaxie Saggittor und gewiss diesen Wesen aus dieser Lokalen Gruppe weit überlegen. Mit einem Durchmesser von acht Altos-Reto suchte sie ihres Gleichen.

Admiral Dolphus thronte in seinem Kommandantensessel und sah den Besatzungsmitgliedern bei der Arbeit zu. Er war stolz auf seine Besatzung.

Sie arbeiten fleißig, wie es sich für anständige Saggittonen gehört, dachte er.

Endlich hatten sie eine sinnvolle Aufgabe. Er war die ständigen nutzlosen Manöver satt.

»Krieg führen, statt Krieg spielen«, war seine Devise.

Von seinem Stand aus hatte er eine Übersicht über die gesamte, runde Kommandozentrale der SAGRITON. Alles lief hier zusammen. Vor ihm befanden sich die Anzeigen in Form von Hologrammen, Sternenkarten und einer großen Panoramaprojektion. An seiner rechten Seite waren die Arbeitsplätze für die Navigatoren, Bordingenieure und die verschiedenen Forschungsdisziplinen, – wobei er auf Letztere jederzeit hätte verzichten können. Vor allem, da ihn kurvenreiche Oberkörper immer wieder auf den Dorn in seinem Fleisch hinwiesen, Weiber waren an Bord. Die andere Hälfte der Zentrale wurde von den Befehlsständen für die Bordwaffen und den Funk- und Ortungszentralen beherrscht. Sein Blick suchte voller Stolz die diensthabenden Feuerleitoffiziere – alles seine Männer, von ihm ausgebildet und ihm treu ergeben. Doch auch hier hatte der neue Geist Einzug gehalten, dieses wohlgeborene Bürschchen, das sich hochtrabend Prinz von Saggittor nennen durfte, hatte ihn geradezu gezwungen, die ersten weiblichen Absolventen der Flottenakademie zu übernehmen. Es war einfach eine Schande. Nicht dass er etwas gegen Frauen gehabt hätte, im Gegenteil, in der richtigen Umgebung …, aber hier, an Bord eines Kriegsschiffes, waren sie mit ihrer Gefühlsduselei einfach fehl am Platz. Nun, er und seine Jungs würden diesen eingebildeten Zicken schon zeigen, dass in der Flotte kein Platz für ihre Biscakränzchen war.

Der Admiral bevorzugte das dominierende Grau auf dem Raumschiff. Es war einfach schlicht und brachte den militärischen Geist am besten zum Ausdruck. Er war eben ein Krieger. Die verzierten, glanzvoll geschwungenen Gebäude und Mobiliars in der Heimat interessierten ihn wenig. Er fühlte sich auf einem Kriegsschiff am wohlsten und aß lieber eine schlichte Aeticua und trank einfaches Queca mit seinen Männern, statt sich auf pompösen Gelagen mit allerlei exotischem Kram vollzustopfen.

Er genoss den Schein des Kunstlichtes und das Schwarze Nichts mit den unzähligen vielen Milliarden weißen Punkten, wenn er auf die zentrale Projektion des Panoramafensters blickte.

Das Universum war groß und gewaltig. Die Saggittonen mussten es nur erobern.

Ein dunkelhäutiger Funker mit Vollbart trat an den Admiral heran, der zugleich der Oberbefehlshaber der saggittonischen Flotte war. Er schlug sich mit der Faust auf die Brust.

»Mein Admiral! Wir haben ein Funkspruch empfangen.«

»Ist das so?«, fragte Dolphus misstrauisch. »Wie lautet der Inhalt dieser Nachricht?«

»Er ist in einer fremden Sprache gesendet worden«, berichtete der Saggittone. »Wir können ihn nicht ganz genau interpretieren. Es handelt sich wohl um einen Hilferuf eines Schiffes namens LONDON. Ein gewisser Perry Rhodan teilt die Koordinaten mit. Das Raumschiff entfernt sich von der Sterneninsel mit der lokalen Bezeichnung Triangulum. Wir sind nicht weit von der angegebenen Position entfernt.«

Dolphus lehnte sich nachdenklich zurück. Der Funkspruch wurde ihm vorgespielt. Der Translator hatte noch seine Mühe mit der Sprache Interkosmo. Sie wurde in diesen Regionen nahe der Galaxie Andromeda selten gesprochen.

Er sah den Funker an, der unwillkürlich noch strammer stand als er die Blicke des Admirals spürte.

»Wir werden diesem Funkspruch nachgehen. Alle Mann auf die Kampfstationen. Wir fliegen zu den Koordinaten«, befahl Dolphus.

»Ja, mein Admiral«, bestätigten die Offiziere.

Die SAGRITON beschleunigte auf Überlichtgeschwindigkeit. Das fremde Raumschiff befand sich etwa 8.000 Lichtjahre von der SAGRITON entfernt. Dolphus wies den Ersten Offizier Waskoch an, die Hyperraumortung zu aktivieren, bevor sie das fremde Raumschiff wieder verlieren würden.

Der Jagdinstinkt wurde in Dolphus geweckt.

»Sollen wir Aurec informieren?«, fragte Waskoch.

Dolphus winkte ab.

»Nein, der Kanzlersohn ist erschöpft. Das hat Zeit …«

Dolphus wollte verhindern, dass Aurec ihm dazwischen pfuschte. Vielleicht entwickelte sich aus der Begegnung mit dem Fremden Raumer ein kleines Raumgefecht. Endlich wieder ein Kampf! Das wollte sich Dolphus von diesem affektierten Feigling nicht nehmen lassen.

 

14. Begegnung im Leerraum

01. November 1285 NGZ

Die LONDON hatte die Galaxien Andromeda und Pinwheel hinter sich gelassen. Sie befand sich im Leerraum zwischen M33 und der recht unerforschten Galaxis UGCA-092.

Dieser Bereich der Lokalen Gruppe war nur spärlich erforscht. Er war für Dannos Plan bestens geeignet. Wer würde hier schon suchen und sie vor allem finden können? Ein trostloser und abgelegener Platz.

Einige kleinere Sternenhaufen trieben im Leerraum zwischen den Galaxien umher. Die nächste Galaxie war die unerforschte UGCA-092.

Die LONDON fiel aus dem Hyperraum.

Unter Anleitung von Bruder Toss wurden die Rettungskapseln startklar gemacht. Perry Rhodan wurde unter starker Bewachung auf das Deck gebracht.

»Hier?«, fragte er Dannos.

Der Guru knöpfte sein Gewand zu und lächelte mit einem sanften Blick.

»Ich bin sehr gnädig. Dreizehn Lichtjahre von hier entfernt befindet sich laut unserer Datenbank eine verlassene Station der Tefroder. Der Planet ist bewohnbar, wenngleich kein Paradies. Unsere Wege trennen sich damit früher.«

*

»Sie sind aus dem Hyperraum gefallen«, rief der Erste Offizier Waskoch.

Dolphus ballte die Hand zur Faust und schlug auf die Armlehne des Kommandostuhls.

Endlich hatte er sie. Nachdem sie dieses fremde Raumschiff fast zwei Semor verfolgt hatten, boten sie ihm endlich die Gelegenheit zum Angriff. Lange hatte er Aurec etwas vorgegaukelt und auf die Wissenschaftler eingeredet, sie sollten den Kanzlersohn überzeugen, noch einige Zeit in diesem Sektor zu verbringen.

Aurec war mit den Aufzeichnungen der bisherigen Daten viel zu beschäftigt. Er saugte sie förmlich auf, während Dolphus seine heimliche Verfolgungsjagd durchführte. Zwar wusste der Saggittone, dass sie ein fremdes Raumschiff beobachteten, doch er wollte bei einem Kontakt sofort informiert werden und hatte die Order erteilt, einen direkten Kontakt zu vermeiden.

Dolphus war im Begriff diesen Befehl zu ignorieren. Dolphus wollte auf Konfrontation mit dem unbekannten Raumschiff gehen.

Nun war es so weit. Das fremde Raumschiff war aus dem Hyperraum aufgetaucht und angreifbar.

»Kampfbereitschaft. Auf Abfangkurs gehen. Wir werden das fremde Raumschiff nicht noch einmal entkommen lassen!«

*

Vater Dannos begab sich auf die Brücke und erteilte der Syntronik den Befehl, die Passagiere an Deck zu rufen. Viele der Passagiere nahmen die Aufforderung zunächst nicht ernst. Dannos wies die Offiziere an, die Leute aus ihren Kabinen zu holen. Allmählich versammelten sich die ersten Passagiere im Erdgeschoss der Sternenhalle.

Die Kinder der Materiequelle begannen damit, die ersten Galaktiker in die Hangarsektion zu bringen.

Die Mehrzahl der Passagiere nahm nicht an der Übung teil. Die Kinder der Materiequelle waren damit beschäftigt, durch die Korridore und Etagen zu hetzen, um die Passagiere auf die »Übung« aufmerksam zu machen. Aufgeregt betrat Bruder Cech-Nor die Kommandoetage und ging zu seinem Guru.

»Vater, es klappt nicht so, wie wir es uns gedacht haben!«

Rhodan grinste. »Hat der Kosmokrat einen Fehler gemacht? Ich dachte, du bist der allwissende Papi!«

In Rhodan steckte immer noch der Frust über den Mord an den zehn Passagieren. Er hatte die Aufnahme des toten Mädchens mit den offenen Augen nicht vergessen.

Dannos lief rot an und begann unverständliches Zeug zu reden. Er taumelte und musste wieder beruhigt werden. Dann fasste er sich wieder.

»Mein Plan ist perfekt! Ich bin auf dem kosmischen Pfad gewandelt und habe Erleuchtung erfahren.«

Rhodan lachte gequält.

»Nach dem wievielten psychedelischen Pilz war denn das?«

»Dir wird das Lachen noch vergehen, Cameloter! Wir werden sie zusammentreiben. Erschießt alle, die nicht gehorchen wollen!«, befahl er.

*

Unterdessen wurde Craig Anbol von Herban Arkyl in die Kommandobrücke gerufen.

Der Hasproner erklärte Anbol, dass die Syntronik falsche oder fehlerhafte Angaben lieferte. So sei erst jetzt ein fremdes Raumschiff geortet worden. Das Schiff war jedoch bereits so nah, dass sie es schon mit bloßem Auge sahen.

Ein scheibenförmiger Koloss mit etwa fünf Kilometern Durchmesser näherte sich sehr schnell der LONDON. Zahlreiche Türme ragten aus dem fremden Raumschiff empor. Am Ende der Türme ruhten kugelförmige Aufsätze.

Ein Funkspruch ging auf der LONDON ein.

Mugabe Sparks meldete: »Die Sprache ist uns unbekannt. Es dürfte einige Minuten dauern, bis wir sie übersetzten können.«

Anbol wurde immer unruhiger.

»Was für Waffensysteme haben wir hier an Bord?«

Arkyl informierte ihn, dass man defensiv nur eine Paratron-Schirmstaffel zur Verfügung hatte, sowie offensiv über ein MHV-Geschütz verfügte.

Anbol aktivierte die Zielerfassung des Geschützes.

»Sollen wir nicht Vater Dannos erst über deine Absicht informieren?«, fragte Arkyl.

»Dazu haben wir keine Zeit.«

*

Das fremde Schiff erreichte die LONDON und flog oberhalb der Passagierdecks über das Luxusraumschiff hinweg. Die Passagiere gerieten in Panik.

Perry Rhodan beobachtete das Treiben in einer Lobby unweit der Kommandozentrale. Unruhe kam auf. Die Orbanashols fühlten sich bedroht und die Naats stampften durch die Menge, während Dannos laut Befehle brüllte, die jedoch keiner wahrzunehmen schien. Rhodan nutzte den Tumult und rannte in die Zentrale.

Kurz bevor er sie erreichte, feuerte die LONDON auf das fremde Raumschiff.

Das Energiebündel wurde durch den hellblauen Schutzschirm des unbekannten Schiffes neutralisiert. Ein Aufschrei ging durch die Passagiere der LONDON. Die Leute wollten sich in Sicherheit bringen.

Rhodan stürmte in die Zentrale, in der sich Arkyl und Anbol befanden. Anbol schoss mit seinem Thermostrahler auf Rhodan. Dieser suchte hinter einer Steuerkonsole Deckung.

»Diesmal lege ich ihn um!«, zischte der Söldner.

Er wurde jedoch durch das fremde Schiff abgelenkt, dieses erhöhte die Geschwindigkeit und flog über die LONDON hinweg. Nach wenigen Tausend Kilometern drehte es wieder und hielt auf die LONDON zu.

Rhodan sprang auf und umklammerte Anbol. Er schlug ihm die Waffe aus der Hand. Beide rangen um die Waffe. Rhodan konnte sich von Anbol lösen, doch dieser holte aus seinem Ärmel eine kleine Handfeuerwaffe hervor und richtete sie auf den Terraner. Arkyl verließ unbemerkt die Kommandostation.

Dannos stürmte hinein.

»Warum hast du auf sie geschossen?«, wollte er wissen.

Anbol drehte sich irritiert um. Rhodan griff nach dem Thermostrahler. Der Söldner drehte sich auf Rhodan zu und wollte auf den deckungslosen Cameloter schießen, doch dieser war schneller. Er feuerte zwei Energiebündel auf Anbol ab. Diese durchbohrten diesen. Durch die thermische Wucht wurde der Söldner an die Wand geschleudert. Er sah noch einmal zu Rhodan, bevor er tot zusammensackte.

»Das war für das kleine Mädchen und die anderen Neun!«, stieß Rhodan kühl hervor.

Er richtete die Waffe auf Dannos, der ihn entgeistert ansah.

»Vater, dein perfekter Plan ist fehlgeschlagen!«

Fassungslos sah sich Vater Dannos im Raum um und griff sich an den Kopf.

»Nein ... nein ..., das kann nicht möglich sein«, stammelte der Guru.

Das fremde Schiff ging in einer Entfernung von dreihundert Kilometern von der LONDON in einen engen Orbit. Rhodan versuchte mit den Unbekannten Kontakt aufzunehmen, um das Missverständnis aufzuklären. Doch bevor er die Hyperkomanlage aktivieren konnte, sah er wie eine violette Energiekaskade die LONDON umfasste. Erst jetzt erkannte er, dass Anbol nicht den Schutzschirm aktiviert hatte. Ihm wurde schwarz vor Augen und er sank auf den Boden.

*

»Mein Admiral, wir haben das fremde Schiff stillgelegt!«, berichtete der Feuerleitoffizier.

Dolphus stand auf. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken.

»Hervorragend. Wieder einmal haben wir bewiesen, dass die Saggittonen die besten Soldaten sind«, sprach er patriotisch. »Dieses Schiff hat uns hinterhältig beschossen. Das bedeutet, sie sind Feinde. Wir nehmen das Raumschiff mit nach Saggittor – als glorreiche Beute!«

»Sollen wir jetzt Aurec informieren?«, wollte der Erste Offizier Waskoch wissen.

Dolphus nickte mehrmals. »Ja, informieren wir ihn. Er wird staunen, was wir in die Republik mitbringen!«

Die Ablenkung von Aurec hatte für eine Weile funktioniert. Doch dieser stapfte schon wütend in die Kommandozentrale.

»Was geht hier vor? Wer hat meine Kabine von der Kommunikation isoliert? Was soll das?«

»Musste wohl ein technischer Defekt sein«, log Dolphus. »Wir hatten Feindkontakt. Das fremde Raumschiff ist neutralisiert.«

Insgeheim plante Dolphus einen Krieg mit den Fremden zu beginnen. Dadurch erhoffte er sich mehr Macht und eine Erweiterung des Herrschaftsgebietes Saggittors. Nach seinem Geschmack dauerten die friedlichen Zeiten schon viel zu lange an.

»Dolphus, was habt Ihr getan?«

Das Siezen war in der saggittonischen Sprache noch von großer Bedeutung. Nur enge Freunde oder Familienmitglieder sprach man mit »du« an.

»Nichts, nur uns verteidigt.«

Die SAGRITON aktivierte ein Traktorfeld und koppelte dadurch die LONDON an sich. Ein Enterkommando besetzte das Schiff. Danach nahm die SAGRITON Fahrt auf und ging mit der LONDON im Schlepptau in den Hyperraum.

Dolphus stellte sich salutierend auf.

»Wir haben eine Prise aufgebracht!«

Er schilderte Aurec den Vorfall. Obgleich er etwas übertrieb und die Fremden aggressiver darstellte.

»Daher bin ich der festen Ansicht, dass wir das Schiff mitnehmen und die Fremden verhören müssen, um uns vor einer eventuellen Gefahr zu schützen!«, schloss er seine Ausführungen.

Aurec setzte sich. Er überlegte eine Weile. Dann entschloss er: »Also gut, nehmen wir sie mit. Navigator, setzten Sie Kurs zum Sternenportal.«

 

15. Die Saggittonen

Die LONDON trieb ruhig durch den Weltraum. Ein blaues Leuchten umgab sie. Es handelte sich um ein Traktorfeld der SAGRITON, jenem Schiff, das die gesamte Besatzung und alle Passagiere des terranischen Luxusschiffes paralysiert hatte und in seine Heimatgalaxis Saggittor mitnehmen wollte.

Admiral Dolphus war stolz über seine Leistung, das fremde Schiff in seine Gewalt gebracht zu haben. Viele Wissenschaftler arbeiteten bereits auf der LONDON, um die Sprache der Fremden in die saggittonischen Translatoren zu speisen.

Dolphus war jedoch nicht der Leiter der Expedition. Dies war Aurec, der Sohn des Kanzlers der Republik. Der junge Saggittone befand sich noch in seiner Kabine und studierte die Fremden. Die Wissenschaftler hatten ihm ihre bisherigen Ergebnisse vorgelegt.

Für Dolphus war Aurec jedoch nichts weiter als ein kleiner, dummer Junge, der jedoch als gefährlich einzuschätzen war. Der Saggittone verachtete die momentane Politik der Republik Saggittor. Die gleichberechtigte Zusammenarbeit mit den Holpigons, Varnidern, Tröttern und den anderen Völkern gefiel ihm nicht.

Der Saggittone ist dazu berufen zu herrschen, dachte er überzeugt. Er arbeitet nicht mit niederen Wesen zusammen.

Dolphus Vorstellung war ein großes Reich Saggittor, das sich über viele Galaxien erstreckte. Der Saggittone sollte über allem stehen und jedes andere Wesen musste ihm dienen.

Aurec teilte diese Meinung nicht. Er war ein Verfechter des Friedens, wie auch sein Vater. Deshalb war die gesamte Kanzlerfamilie Dolphus im Weg. Er war nach Doroc, Aurecs Vater, und Aurec selbst der mächtigste Mann in der Republik. Schon oft hatte er an einen Putsch gedacht, doch bis jetzt schreckte er immer noch davor zurück. Doroc und Aurec waren im Volk hoch angesehen. Er hätte wahrscheinlich nicht genügend Anhänger für einen Putsch gefunden. Doch einmal, so hoffte er wenigstens, würde seine Stunde kommen.

Die LONDON war auch nach dem Flug durch das Sternenportal im Schlepptau der SAGRITON geblieben. Die Befürchtung, dass die unbekannte Technologie des Portals das Traktorfeld aufheben würde, war nicht eingetreten. Es war jedoch weiter unmöglich, die Energiestationen näher zu untersuchen. Näherte sich ein Raumschiff, verschwanden sie einfach.

Dolphus konnte die Galaxie Saggittor bereits erkennen.

Sie war groß, sehr groß, – viel größer als Andromeda. Jedoch besaß Saggittor kein hell strahlendes Zentrum, wie alle anderen bekannten Galaxien. Der Kern war düster und vor grauen Schlieren durchzogen. Umfangreiche Dunkelwolken aus kosmischem Staub und Massierungen von Dunkler Materie prägten die Zentrumsregion.

Sie erstreckten sich über einen Radius von 8.000 Lichtjahren. Der Anblick machte die Galaxie zu etwas ganz Besonderem. Was sich jedoch genau im Zentrum befand, wusste niemand. Alle Versuche, in diesen Bereich vorzustoßen, waren in der Vergangenheit gescheitert. Man war sich jedoch weitgehend in der Vermutung einig, dass aus diesen geheimnisvollen Regionen die fremden Invasoren kamen, die die Galaxis Jahrtausende lang unterdrückten.

Dolphus war das relativ egal. Er konzentrierte sich im Moment darauf, einen Konflikt mit den Fremden zu provozieren, damit es endlich wieder einen Krieg geben würde. Darin sah er seinen Lebenszweck. Wozu sonst war auch ein alternder Admiral in Friedenszeiten nütze? Zu nichts! Endlose Übungen konnten niemals das Gefühl ersetzen, das in den Strahlengewittern einer Raumschlacht entstand.

Außerdem war der Admiral davon überzeugt, mit einem Krieg die Macht Saggittors zu vergrößern – mit ihm als obersten Feldherren.

*

Rhodan kam nur langsam wieder zur Besinnung. Zu seinem Erstaunen wachte er in einem Bett auf und nicht in der Kommandozentrale, wo er bewusstlos geworden war.

Er stand auf und sah sich in der Kabine um. Es war nicht seine Eigene. Perry war noch etwas benommen, bedingt durch die Nachwirkungen der Paralyse. Der Terraner taumelte in das Badezimmer und hielt seinen Kopf unter das Waschbecken. Das kalte Wasser munterte ihn auf. Anschließend nahm er ein Handtuch und trocknete sich die Haare einigermaßen ab.

»Also gut, Syntronik. Was ist passiert?«, wollte er wissen.

Doch die Syntronik gab keine Antwort. Rhodan murmelte eine abfällige Bemerkung über den Rechner, dann ging er zur Tür und verließ die Kabine. Er schaute sich auf dem Gang um, doch niemand war zu sehen. Nicht einmal die Putzdroiden, die immer irgendwo damit beschäftigt waren, etwas sauber zu machen. Rhodan brauchte eine Weile, um herauszufinden, wo genau er sich befand.

Er begab auf das Promenadendeck. Auf dem Weg dorthin traf er keinen Galaktiker. Die LONDON glich einem Geisterschiff. Er beschloss in seine Kabine zu gehen. Dort lag bereits jemand im Bett. Es war Rosan Orbanashol. Perry war etwas überrascht, dass ausgerechnet die Schönheit in seinem Bett lag.

Dann kümmerte er sich um die Halbarkonidin. Rhodan weckte sie mehr oder minder sanft auf. Sie brauchte eine Weile, um sich zu orientieren. Als sie Rhodans Gesicht sah, schaute sie ihn entgeistert an.

»Wo bin ich?«, fragte sie benommen.

»Immer noch auf der LONDON«, sagte Rhodan. »So viel steht fest. Die Frage ist nur, wo sich die LONDON befindet ...«

Rosan sah ihn fragend an.

»Komm erst einmal mit in die Sternenhalle. Vielleicht finden wir dort mehr heraus«, meinte Rhodan.

Rosan erhob sich und folgte dem Cameloter.

»Wo ist Wyll?«, erkundigte sie sich besorgt, während sie Richtung Sternenhalle gingen.

»Er wird wahrscheinlich ebenfalls in irgendeiner Kabine sein und gerade langsam aufwachen, wie all die anderen«, antwortete ihr Rhodan.

Beide erreichten das Promenadendeck der Sternenhalle. Auch dort war weder ein Passagier noch ein Besatzungsmitglied weit und breit zu sehen. Die LONDON wurde von einem blauen Energiefeld eingehüllt. Rhodan erkannte schräg über der LONDON das gewaltige fremde Raumschiff, welches die Paralysestrahlen abgefeuert hatte. Das Schiff steuerte mit der LONDON auf eine Galaxie zu, die Perry Rhodan als M64 identifizieren konnte. Sie wurde aufgrund ihrer Dunkelwolken im Kern auch als das »Schwarze Auge« bezeichnet. Daher war er sich auch relativ sicher, dass er mit seiner Mutmaßung richtig lag. Bisher hatten die galaktischen Völker, wenigstens nach seiner Kenntnis, noch nie Kontakt mit den Bewohnern dieser Galaxie gehabt. Rhodan informierte die Halbarkonidin über seine Vermutung.

»Demnach sind wir etwa zwanzig Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt«, murmelte er nachdenklich.

»Aber dann müssen wir ziemlich lange in der Paralyse betäubt gewesen sein«, folgerte die Halbarkonidin.

Rhodan hörte Schritte. Beide versteckten sich hinter einer Tür. Rhodan beobachtete, wie zwei humanoid aussehende, uniformierte Wesen die Galerie entlang gingen, die zweifellos zur Besatzung des fremden Schiffes gehörten. Das Aussehen der fremden Soldaten erinnerte ihn an südeuropäische Terraner. Die offen getragenen Waffen mahnten jedoch zur Vorsicht.

»Ich glaube nicht, dass wir die fragen können, was passiert ist«, meinte Rosan zynisch.

In dem Moment hörte Rhodan ein Knirschen hinter sich. Ein weiterer Soldat befand sich im Raum und zielte mit einer Langwaffe auf ihn. In dieser Situation wurde er wieder seinem Ruf als Sofortumschalter gerecht, geistesgegenwärtig griff er nach dem oberen Lauf und riss dem verdutzten Soldaten die Waffe aus der Hand. Doch dieser fing sich schnell wieder und stürzte sich auf ihn. Die zwei anderen Soldaten wurden auf das Geschehen aufmerksam und eilten ihrem Kameraden zu Hilfe.

Rosan wusste nicht, was sie tun sollte. Als die beiden Soldaten auf sie zustürzten, hob sie die Arme. Die beiden Soldaten wandten sich Rhodan zu, den sie wohl als gefährlicheren Gegner einschätzten und schlugen ihn mit den Kolben ihrer Waffen zu Boden.

»Halt!«, rief jemand.

Ein hochgewachsener Mann kam auf sie zu. Er war schlank, hatte schwarze, schulterlange Haare und tief gebräunte Haut. Die Soldaten salutierten vor ihm. Der Mann reichte Rhodan die Hand und half ihm hoch.

»Mein Name ist Aurec«, sagte er in einwandfreiem Interkosmo. »Ich möchte mich für meine Männer entschuldigen. Sie reagierten etwas übereifrig«

»Das kann man wohl sagen«, meinte Rhodan unwirsch. Dann stellte er sich vor. »Mein Name ist Perry Rhodan. Ich entstamme dem Volk der Terraner. Was hat diese Entführung zu bedeuten?«

»Sie wurden nicht entführt, Perry Rhodan. Sie hatten uns beschossen, deshalb paralysierten wir Ihre Besatzung und nahmen Sie mit nach Saggittor«, erklärte Aurec freundlich.

»Noch einer, der in der dritten Form spricht«, unkte Rosan.

Aurec sah sie verwirrt an. Dann wandte er sich ihr zu.

»Und wer sind Sie?«, fragte er.

Rosan nahm eine arkonidische Haltung an.

»Ich bin Rosan Orbanashol, ich gehöre zu einer der einflussreichsten Familien des arkonidischen Kristallimperiums«, sprach sie mit gespielter Arroganz.

Aurec nahm ihre Hand und küsste sie.

»Seid willkommen«, entgegnete er.

Rosan war über diese auf Terra übliche Geste überrascht und zugleich geschmeichelt.

»He!«, hörte sie eine bekannte Stimme rufen. Es war Wyll. Er rannte auf die beiden zu. Die Wachen hoben umgehend ihre Gewehre. Rosan ging dazwischen.

»Nein, alles in Ordnung. Er ist ein Freund von mir«

Sie stellte Wyll dem Saggittonen vor. Wyll war von dem Handkuss weniger begeistert. Er gab Aurec formell die Hand. Danach nahm er demonstrativ Rosans Hand und hielt sie. Aurec verstand.

»Sie beide sind ein Paar. Oh, dann muss Ihr Freund wahrscheinlich eifersüchtig sein«, meinte er amüsiert.

Wyll verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

»Ich bin doch überrascht, wie gut Sie Interkosmo sprechen«, warf Rhodan ein.

»Nun, das war nicht weiter schwer, immerhin hatten wir zwei Wochen Ihrer Zeitrechnung zur Verfügung, um ihre Sprachen und Sitten zu studieren.«

Rhodans Augen weiteten sich.

»Zwei Wochen?« wiederholte er überrascht.

Aurec nickte zustimmend.

»Wir wollten euch künstlich ernähren und in Paralyse halten, bis wir Saggittor erreichen, was bald der Fall sein wird«

»Ich verstehe«, meinte Rhodan. »Was genau stellen Sie eigentlich dar?«

Aurec setzte sich auf einen der vielen Stühle. »Ich bin Aurec, Sohn von Kanzler Doroc, dem Regenten der Republik Saggittor. Das Schiff, das euch ins Schlepptau genommen hat, ist die SAGRITON. Wir waren auf Forschungsreise, als wir durch Zufall auf euren Hilferuf stießen, dem wir folgten. Danach hat euer Schiff uns beschossen und der Kommandant der SAGRITON sah sich gezwungen, euch zu paralysieren und mitzunehmen, da wir den Kontakt zu den Völkern der Lokalen Gruppe vermeiden wollten.«

Rhodan hörte ein leises Bedauern aus Aurecs Worten.

»Jedoch hege ich die Hoffnung, dass alles nur ein Missverständnis ist und wir die LONDON und deren Besatzung als Gäste, und nicht als Gefangene nach Saggittor bringen müssen«, fügte Aurec noch hinzu.

Rhodan schenkte dem Saggittonen vorerst Glauben.

»Nun, ich schlage vor, dass wir versuchen das herauszufinden«, entgegnete Perry.

In der Zwischenzeit waren die meisten der Passagiere aufgewacht und legten Protest ein, die Orbanashols und andere reiche Passagiere, natürlich mit größter Vehemenz.

Perry Rhodan schilderte Aurec die Reise der LONDON. Er erzählte, welchen Status er in der Galaxis hatte und warum er an Bord dieses Schiffes war. Schließlich kam er auf die Entführung durch Dannos zu sprechen.

Aurec folgte Rhodans Rat und ließ die Anhänger Dannos in Haft nehmen. Rhodan informierte Aurec ebenfalls über die Bombe, die Dannos an Bord versteckt hatte, doch der Saggittone erklärte, man hätte den Sprengsatz bereits entschärft.

Wenig später gesellte sich Sam zu den beiden, wie auch der Kommandant der SAGRITON, Admiral Dolphus. Rhodan und Sam spürten sofort die unsympathische Ausstrahlung des Militärs. Während Aurec um ein normales Gespräch bemüht war, versuchte Dolphus mehr ein Verhör des Terraners und Somers. Dolphus beharrte auf dem Punkt, dass die LONDON auf die SAGRITON schoss.

Rhodan erklärte abermals, dass das durch die Entführer geschehen sein müsse.

Der Terraner erzählte Aurec in kurzen Sätzen die Geschichte sowie momentane Lage der Milchstraße und welche Rolle die Organisation Camelot spielte. Er versicherte, dass von der Milchstraße keinerlei Gefahr ausgehen würde.

Sam versuchte die Kultur der Galaktiker den beiden Saggittonen näher zu bringen. Er führte die beiden durch das Schiff und zeigte ihnen die Gemälde und Statuen, spielte ihnen terranische Klassik vor und berichtete von den kulturellen Höhepunkten der Galaktiker.

Dolphus zeigte sich davon unbeeindruckt, während Aurec sehr interessiert den Ausführungen des Somers folgte. Durch Sams lebendige Erzählweise, spielten sich die Ereignisse vor Aurecs geistigem Auge ab. Der Saggittone war sichtlich beeindruckt. Seinem Volk waren sowohl Kosmokraten als auch Chaotarchen noch gänzlich unbekannt.

Das Herz des jungen Saggittonen schlug bei den vielen kosmischen Abenteuern, die Perry Rhodan erlebt hatte, höher. Wie gern hätte er selbst so etwas erlebt. Doch in Saggittor war es ruhig. Es gab vielleicht ab und zu einmal ein paar unbekannte Rassen, die zu Forschungszwecken nach Saggittor reisten, doch das Schwarze Auge stand in keinem Kontakt mit anderen Galaxien.

Erst als sich die Superintelligenz SAGGITTORA nach unzähligen Anors gemeldet hatte, gab es wieder etwas zu tun. Gerade deshalb hatte Aurec diese Forschungsexpedition auch voller Euphorie und Enthusiasmus angeführt. Er wollte andere, fremde Kulturen kennenlernen. Das war ihm auch gelungen. Allerdings anders, als es sich die Superintelligenz vorgestellt hatte. Ihre Befehle waren eindeutig gewesen: Nur im Notfall den Kontakt mit den Terranern suchen. Aber das war wohl jetzt ein Notfall. Er musste das Beste daraus machen. Es schien dem Saggittonen so, als hätte er mit Perry Rhodan wohl eines der außergewöhnlichsten Wesen im Universum getroffen.

Ein Terraner, der relativ unsterblich war und diverse kosmische Abenteuer erlebt hatte.

Er hatte sofort Vertrauen zu diesem Terraner gefasst. Rhodans Charisma war beeindruckend. Es stand für Aurec nun fest, dass von Perry Rhodan keine kriegerischen Absichten ausgingen. Er und seine Leute sollten als Gäste in Saggittor empfangen werden. Am Ende der Besichtigung gingen die vier wieder zurück in den Besprechungsraum.

Aurec überlegte eine Weile, bevor er zu Dolphus sprach.

»Ich habe eine Entscheidung gefällt. Die Galaktiker machen einen relativ friedlichen Eindruck. Auch wenn sie intern einige Probleme haben, so glaube ich, dass sie keinerlei Gefahr für die Saggittonische Republik darstellen. Perry Rhodan scheint ein Mann von kosmischer Bedeutung zu sein. Ich vertraue ihm. Wir werden die LONDON aus dem Traktorstrahl nehmen und gemeinsam, Seite an Seite, mit ihr unser Heimatsystem ansteuern.«

Er verbarg seine Inbrunst gegenüber den Fremden. Dolphus hätte dafür wenig Verständnis gehabt. Aurec schätzte zwar das militärische Geschick des Admirals, lehnte die ausgeprägte nationalistische Ader des Saggittonen jedoch strikt ab. Dolphus dachte mit dem Energiegeschütz und nicht mit dem Herzen. Das unterschied die beiden Saggittonen grundlegend voneinander. Wie erwartet, legte Dolphus seinen Einspruch ein. Der Admiral stand erzürnt auf.

»Das kann nicht Euer Ernst sein, Aurec! Das sind Feinde der Republik. Sie gehören verhaftet, verhört und ersch ...«

»Schweigt, Dolphus. Ich bin der Kommandant der Expedition und der Sohn Dorocs. Meine Entscheidung steht fest. Führt meine Befehle aus!«, befahl Aurec scharf.

Dolphus lief rot an. Die innerliche Erregung war ihm anzusehen. Aber er riss sich zusammen.

»Wie Ihr befehlt!«, quetschte er zwischen den Zähnen hervor und verließ den Raum.

Aurec reichte Rhodan in Freundschaft die Hand.

»Es tut mir Leid wegen der anfänglichen Schwierigkeiten, aber ich hatte keine andere Wahl.«

Rhodan nickte wohlwollend.

»Bei uns duzt man sich. Vielleicht …«

Aurec lächelte.

»In Ordnung.«

Rhodan ergriff die Hand des Saggittonen.

In diesem Moment erreichten Arno Gaton und James Holling den Besprechungsraum. Gaton hatte die letzten Sätze beim Hereinkommen aufgeschnappt.

»Keine andere Wahl! Diese Entscheidung hätte ruhig etwas früher und etwas näher an der Milchstraße gefällt werden können. Ich bin ruiniert! Arbeitslos! Ich gehöre damit zur Unterschicht«, regte sich Gaton künstlich auf.

Aurec trat an den Hansesprecher heran. »Es tut mir Leid, wenn Sie dadurch Schaden erlitten haben. Wir werden bemüht sein, die Einbuße wieder abzugelten.«

»Und wie willst du das machen?«, wollte Gaton wissen.

Er gab sich keine Mühe den Saggittonen in Förmlichkeit anzusprechen. Wahrscheinlich war Sam der Einzige, dem die »Sie-Form« entgegenkam.

»Wir besitzen eine Vielzahl von Bodenschätzen. Ich denke ein finanzieller Ausgleich würde Ihnen entgegenkommen«, antwortete Aurec.

»Handelskonzessionen wären annehmbar. Exklusivrechte in deiner Galaxis!«

Aurec stimmte zu, betonte jedoch, dass er dies mit den einflussreichsten Unternehmern der Galaxis vorher abklären müsste.

Gaton fing wieder an zu grinsen. »Vielleicht werde ich doch als Held zurückkehren«, sagte er zufrieden zu sich selbst.

 

16. M64 – Saggittor

Rosan verbrachte ihre Zeit inzwischen bei Wyll. Beide saßen immer noch an einer Bar im Panoramadeck. Sie musterten die Saggittonen, die durch das Schiff patrouillierten. Attakus Orbanashol und Hermon da Zhart näherten sich dem Liebespaar. Rosan konnte in ihren finsteren, verbissenen Gesichtern bereits ablesen, dass sie nichts Gutes im Schilde führten.

»Rosan, komm mit mir«, forderte Attakus.

»Nein!«, entgegnete sie kühl.

Attakus sah sich um. Ihm schien die ganze Sache peinlich zu sein. Einem Arkoniden wurde nicht so ohne weiteres eine Ablehnung an den Kopf geworfen. So etwas tat man einfach nicht.

»Mach jetzt bitte keine Szene. Du kommst unverzüglich mit!«, wiederholte er seinen Befehl.

»Die Zeiten sind vorbei, Attakus«, erklärte sie entschlossen.

»Soso ... Dann werde ich wohl zu anderen Mitteln greifen müssen«, brauste er erbost auf und verließ zusammen mit seinem Leibwächter das Deck.

Wyll lächelte und umarmte Rosan.

»Du hast es geschafft! Ich bin stolz auf dich!«

*

Rhodan lief unruhig in seiner Kabine umher. Sam hingegen saß gelassen in einem Sessel. Rhodan setzte sich schließlich auch hin. Das ewige Umherlaufen würde sowieso nichts bringen, außer ein paar Pfunde weniger.

»Was denkst du über diese Saggittonen?«, fragte der Cameloter.

»Nun, sie sind zumindest kultivierte Wesen. Dieser Aurec macht einen sehr galanten und seriösen Eindruck«, antwortete der Somer.

»Aurec macht in der Tat einen sympathischen Eindruck. Er scheint es ehrlich zu meinen. Dieser Dolphus hingegen ist gefährlich«

Sam ließ sich von einem Servo eine Tasse heiße Schokolade bringen. Er zog an dem Strohhalm, bevor er Rhodan zustimmte. Der Somer hatte auch sehr schnell erkannt, dass Dolphus nichts an einer Freundschaft mit den Galaktikern lag. Die nationalistische Neigung des Admirals war ihm nicht entgangen. Wahrscheinlich sah Dolphus in allen Nichtsaggittonen minderes Leben und Feinde der Republik. Ein typischer Faschist, jedoch extrem gefährlich, da er offenbar eine mächtige Position bekleidete.

Wieweit seine Gesinnung auf andre Saggittonen Einfluss hatte, vermochten weder Rhodan noch Sam einzuschätzen. Jedoch waren sich beide sicher, dass sie es schon sehr bald in Erfahrung bringen würden. Perry stand wieder auf und blickte aus dem Fenster, wobei dieses bei der LONDON wortwörtlich zu verstehen war, denn Gaton hatte darauf bestanden, dass echtes, altes Glas, natürlich gegen den Weltraum durch Formenergie geschützt, im Passagierbereich verwendet wurde. Vor ihm lag die Galaxis Saggittor, die von den Terranern die Bezeichnung M64 bekommen hatte – »Das schwarze Auge«. Sie machte einen faszinierenden, aber auch düsteren Eindruck.

Viel wusste Rhodan nicht über M64. Die Galaxis war knapp zwanzig Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Die Struktur war äußerst ungewöhnlich. Untersuchungen hatten gezeigt, dass die seltsame Form durch eine Kernregion entstand, die genau entgegengesetzt zur äußeren Scheibe rotierte. Was genau in dieser Galaxis vorging, blieb den Terranern und auch anderen Galaktikern bisher verborgen.

»Trotzdem sollten wir uns ein Hintertürchen offen halten. Die Besatzung soll, sobald sie wieder bei Bewusstsein ist, in Alarmbereitschaft versetzt werden«, erklärte Perry. »Falls die Saggittonen doch nicht so freundlich sind, wie sie vorgeben, müssen wir schnell verschwinden.«

Er fragte sich, wie sie innerhalb von nur zwei Wochen die große Distanz überbrücken konnten? Die Saggittonen mussten über eine überragende Überlicht-Technologie verfügen.

In dem Moment ertönte das akustische Signal des Kabinenservos, Sam zuckte nervös zusammen. Perry blieb ruhig. Nach einem kurzen Blick auf das Holodisplay bat er den Gast herein. Es war Aurec. Rhodan hatte den Besuch des Saggittonen bereits erwartet.

»Perry Rhodan, wir erreichen nun die äußeren Bereiche unserer Galaxis. Da die Welt Saggitton in den Randgebieten liegt, werden wir bald dort ankommen. Ich möchte, dass du einige deiner besten Leute auswählst, um mit diesen vor meinem Vater zu sprechen.«

»Wie viele Leute darf ich mitnehmen?«, wollte Rhodan wissen.

»Maximal sechs Galaktiker«, antwortete Aurec.

Rhodan überlegte kurz, dann beschloss er die Vertreter der wichtigsten Völker mitzunehmen. Seine Wahl fiel auf Sam, Arno Gaton, Spector Orbanashol, den Topsider Terek-Orn, den Mehandor Koliput und apasischen Botschafter des Forum Raglunds, Türkalyl Öbbysun.

Der Cameloter war sich durchaus bewusst, wie brisant diese Mischung war, doch alle vertraten ein einflussreiches Volk und hatten somit ein Recht darauf, beteiligt zu werden.

Er informierte seine »Delegation« über die Situation und bat um Einigkeit und ein freundliches Auftreten. Die fünf akzeptierten Rhodans Bitte.

Anschließend begaben sich alle auf die Kommandobrücke, um die Ankunft im Saggitton System zu beobachten.

*

Aurec ging tief in Gedanken versunken zur Transmitterstation der LONDON. Er wollte natürlich auf der SAGRITON seine Heimatwelt anfliegen. Noch immer grübelte er über die Fremden nach. Sofern Perry Rhodan kein genialer Schauspieler war, waren seine friedlichen Absichten eindeutig. Rhodan war jedoch nur einer unter vielen. Zudem war der Unsterbliche nicht einmal Repräsentant seiner eigenen Rasse.

Aurec verstand nicht, warum ein Auserwählter hoher kosmischer Mächte nicht der Führer seines Volkes sein durfte. Diese Terraner schienen eine seltsame Auffassung von Vertrauen zu haben. Wenn man nicht so einem Mann Vertrauen entgegen bringen konnte, wem dann? Die Saggittonen schätzten Zuverlässigkeit und Treue. War ein Regent gut, regierte er oftmals bis zu seinem Tode.

Ohne darauf zu achten, stieß er aus Versehen mit einer Terranerin zusammen.

»Das tut mir Leid«, entschuldigte sich Aurec und reichte der verdutzten Frau die Hand.

Aurec war sofort von ihrem Aussehen fasziniert. Sie hatte schulterlange blonde Haare, war mit einer wundervollen Figur beschenkt und hatte ein ebenso wunderschönes Gesicht.

Blondes, seidiges Haar. Funkelnde blaue Augen. Ein Anblick, den Aurec nicht oft sah und in der Galaxie Saggittor nur bei wenigen Kolonisten vertreten war. Gleiches galt für das rote Haar und die roten Augen. Ihr Aussehen war für ihn fremdartig und doch zugleich faszinierend und anziehend.

»Darf ich mich vorstellen? Ich bin Aurec. Und wer seid Ihr?«

»Mein Name ist Shel Norkat. Du bist nicht von der LONDON?«

»Nein, ich komme von dem anderen Raumschiff – der SAGRITON. Ich möchte mehr über die Kultur der Terraner herausfinden.«

Der Saggittone schmunzelte und überlegte, ob er das jetzt wirklich tun sollte.

»Erlaubt mir, Euch heute Abend zum Essen einzuladen.«

Shel zögerte etwas. Aurec verdammte sich für seine Dreistigkeit. So etwas war unter der Würde eines Herrschersohnes.

Er hatte die Fremden gerade erst kennengelernt und bat eine ihrer Frauen gleich um ein Rendezvous. Anscheinend war die Frau nicht so begeistert von seiner Idee. Sie musterte den Saggittonen von oben bis unten. Dann schenkte sie ihm ein kurzes Lächeln. Aurec glaubte, er hätte sie ihn Verlegenheit gebracht.

»Ich weiß nicht«, meinte sie leise.

Sie wirkte völlig überrascht. Was mochte sie jetzt denken? Ein Fremder sprach sie an und lud sie zu einem Essen ein. Aurec ließ nicht locker.

»Erfüllt mir bitte diesen Wunsch.«

Sie dachte kurz nach, dann stimmte sie lächelnd zu.

»Hervorragend. Ich lasse Sie heute Abend abholen! Entschuldigen Sie mich bitte, ich muss auf mein Raumschiff.«

Aurec begab sich durch den Transmitter.

Dieses Volk wird mir immer sympathischer, dachte er.

*

Als sein Körper wieder rematerialisierte, war das Erste, was er sah, das Gesicht von Dolphus. Prompt wurde Aurec wieder ernst. Sein Gegenüber hatte eine steife Haltung eingenommen und sein Gesicht drückte große Unzufriedenheit aus.

»Wir erreichen das System. Man hat eine Parade für uns ... und unsere Gäste angeordnet.«

Aurec lächelte.

»Sehr gut, Dolphus. Wir können stolz verkünden, dass wir neue Freunde gefunden haben, mit denen wir handeln können. Die Expedition war ein voller Erfolg!«

Dolphus blickte dem Saggittonen hinterher, als dieser den Transmitterraum verließ.

Aurec hatte ihn gedemütigt. Wie konnte er es wagen? Dolphus war Admiral und kein Kadett. Seine Autorität vor Fremden und vor der Besatzung der SAGRITON infrage zu stellen, war dreist. Eines Tages, so schwor sich Dolphus, würde er sich dafür rächen. In nicht allzu ferner Zukunft sah sich Dolphus als Führer der Saggittonen. Dann würde es keinen Doroc und keinen Aurec mehr geben.

Und dann würden die Saggittonen auch so einen Abschaum, wie die Galaktiker, nicht mehr als Freunde bezeichnen.

 

17. Saggitton

Um die gelbe Sonne Saggit zogen fünf Planeten ihre Bahn. Der innerste Planet Lolton war ein heißer Gasplanet, auf dem kein Leben möglich war.

Es folgten der Militärplanet der Republik, Milton, und Darmon, ein sauerstoffloser Brocken. Die Hauptwelt Saggitton war der vierte Planet. Danach folgte der größte Planet des Systems, Vohes.

Um diesen kreisten 33 Monde. Der Planet selbst war ein Gasriese, mit einer Wasserstoff-Helium Atmosphäre, der bereits genügend Masse besaß, um Deuteriumfusion zu ermöglichen. Dadurch entstand um diese »verhinderte« Sonne eine eigene habitable Zone die einige Monde zu blühenden Welten machte. Daher nutzten besonders die reichen Saggittonen diese Monde als Zweitdomizil.

Die SAGRITON flog, gefolgt von der LONDON, an den Raumforts und dem äußeren Riesenplaneten vorbei, bis sie den Orbit von Saggitton erreicht hatte. Die Welt war erdähnlich. Mit einem Durchmesser von 14.098 Kilometern war sie aber etwas größer als Terra. Sie besaß drei Kontinente und zwei polare Eismassen. Die Gravitation betrug 1,03 Gravos, war also ebenfalls erdähnlich.

Ein Raumjägergeschwader eskortierte die beiden Schiffe bis zum zentralen Raumhafen auf dem zweiten Kontinent.

Rhodan war beeindruckt. Auf zwei Kontinenten bestanden riesige urbane Wohneinheiten, während auf dem dritten Industrieanlagen und ausgedehnte Lagerkomplexe und natürlich der gigantische Raumhafen ansässig war.

Die Landschaft dieses Kontinentes war auch dafür prädestiniert, da die noch sichtbaren Flächen aus Wüsten oder arktischer Tundra bestanden.

Der Raumhafen selbst war ein gigantischer Komplex. Er erstreckte sich über Hunderte von Quadratkilometern. Gespickt mit Hangarhallen, Reparaturzentren, Andockstellen, Montagedocks und Kasernen. Aber auch gewaltige Abwehrbastionen waren sichtbar. Rhodan wagte gar nicht daran zu denken, wie viele Schlachtschiffe, geschweige denn Jäger und Kreuzer, die Raumflotte der Republik Saggittor umfasste.

Er hoffte, dass die Saggittonen wirklich friedlich gesonnen waren, denn die Milchstraße würde in einem Krieg gegen diese Macht schlecht aussehen.

Die SAGRITON landete auf dem Raumhafen, während die LONDON in ein Traktorfeld genommen wurde und langsam zu einem Turm mit mehreren Gangways geleitet wurde. Dort dockte das Hanseschiff an.

Rhodan wandte sich seinen sechs Begleitern zu.

»Also dann, meine Herren! Lasst uns die Milchstraße würdevoll vertreten!«

Rhodan hatte das ungute Gefühl, dass besonders Spector Orbanashol und Terek-Orn für Ärger sorgen könnten, hoffte jedoch, sie im Zaum halten zu können.

Nachdem sie die LONDON verlassen hatten, begaben sie sich in ein riesiges Foyer, dessen gewaltiges Portal bereits geöffnet war. Etwa 200 Soldaten hatten sich an der Seite der frei schwingenden Treppe aufgestellt.

»Mir ist das hier etwas zu militaristisch«, meinte Sam.

Rhodan und die anderen schritten den Abgang hinunter. Er war in einem schlichten Grau gehalten.

Eine gewaltige Parade fand unten auf dem Raumhafen statt. Tausende von Soldaten, Panzern und Jägern defilierten über den Paradeplatz. Überall standen Saggittonen und begrüßten die Rückkehrer. Aurec schüttelte einigen Bürgern die Hände. Dolphus hingegen fuhr mit einem Gleiter direkt zu einer Fähre, welche zum Regierungspalast flog.

Man geleitete die Galaktiker zu einem zweiten Gleiter. Nach einer Weile kam auch Aurec hinzu und das Fluggerät startete.

»Nun, dein Volk macht einen positiven Eindruck«, begann Rhodan. »Jedoch für meinen Geschmack ist etwas zu viel Militär sichtbar.«

»Ich verstehe deine Bedenken, Perry Rhodan. Es sei dir jedoch versichert, dass mein Vater ein friedlicher Kanzler ist und es unter ihm niemals einen Krieg gab und auch nie geben wird«, erklärte Aurec.

»Das kann gut möglich sein. Wenn jedoch diese Macht in falsche Hände gerät, würde das furchtbare Folgen für die gesamte Galaxis mit sich tragen!«, wandte Sam ein.

»Keine Furcht, Sam. Ich bin der Nachfolger meines Vaters. Die Macht bleibt also in guten Händen«, antwortete er freundlich.

*

Die Fähre landete vor dem Regierungspalast. Rhodan bemerkte, dass die Saggittonen spitze Bauten vermieden. Die Türme und Häuser – vornehmlich in einem roten oder gelben Farbton gehalten – waren abgerundet und wiesen kaum Ecken und Kanten auf.

Der Palast war vergleichsweise schlicht gebaut. Drei kreisrunde, vielleicht einhundert Meter durchmessende Gebäude waren in einem Dreieck angeordnet und über Brücken miteinander verbunden. Im Zentrum befand sich ein Hof mit Gartenanlagen, Brunnen und zahlreichen Statuen. Vorherrschender Farbton war ein dezentes Gelb. Die runden, kuppelförmigen Dächer glänzten dagegen in einem rotbräunlichen Ton.

Die Innenarchitektur ähnelte den Gebäuden. Ecken und Kanten wurden in den prunkvoll eingerichteten Zimmern vermieden. Auch die rot-grünen Roboter, die überall hin- und herschwebten, waren rund. Die dominierende Farbe in den Räumen war ein helles, angenehmes Braun. An den gewölbten Decken wurden dreidimensionale Bilder der saggittonischen Natur projiziert. Dafür waren die Wände kahl.

Einige Wachen geleiteten Aurec und seine Gäste in den Empfangssaal. Er war luxuriös ausgestattet. Einige Kunstgegenstände waren real, andere Projektionen. Den Saggittonen war auch Formenergie bekannt, denn Rhodan bemerkte, wie rot gepolsterte Stühle aus dem Nichts materialisierten.

In der Mitte des Saals thronte Doroc, ein kleiner dicker Mann, der schon alt und müde wirkte. Er hob beide Hände.

»Ich bin froh, dass du wieder da bist, mein Sohn«, sprach er mit gebrechlicher Stimme, strahlte dennoch Lebenserfahrung und Würde aus. Rhodan erinnerte dieser Mann an den weisen König aus einem alten Märchen.

Aurec ging zu seinem Vater und kniete nieder. »Ich habe viel zu berichten, Vater!«

Doroc sah ihn erwartungsvoll an.

Aurec fuhr fort: »Ich habe neue Freunde mitgebracht. Das sind die Vertreter der Galaktiker. Sie stammen aus der Galaxiengruppe, die wir erforschen sollten.«

Doroc beugte sich vor, um die sechs Galaktiker besser sehen zu können.

»Von so weit weg?«, fragte er erstaunt.

Aurec nickte. Für Rhodan war es offensichtlich, dass Doroc trotz seiner Ausstrahlung geistig nicht mehr so ganz auf der Höhe war. Aurec versuchte aber diese Tatsache zu ignorieren oder zu überspielen. Perry trat vor.

»Ich bin Perry Rhodan, der Sprecher der Galaktiker.«

Rhodan musste innerlich lachen. Paola Daschmagan oder Imperator Bostich wären wahrscheinlich vor Wut rot angelaufen, hätten sie seine Worte gehört. Rhodan stellte seine Begleiter vor.

Terek-Orn machte eine Ehrenbezeugung, Sam grüßte freundlich, Koliput gab ein Grummeln von sich und Spector Orbanashol brachte eine mürrische Kopfbewegen als Gruß zustande.

»Seid willkommen, Perry Rhodan und die anderen Botschafter«, erwiderte der Kanzler langsam. »Ihr seid meine Gäste. Meine Diener werden euch Quartiere zur Verfügung stellen. Es wird euch an nichts fehlen.«

Rhodan hörte ein leises Schlürfen von Doroc. Seine Haut war schon eingefallen und er hatte Mühe den Speichel in seinem Mund zu behalten. Ab und zu floss seitlich etwas heraus, was er versuchte wieder hochzuziehen. Er hörte ein spöttisches Lachen hinter sich. Es war natürlich Spector Orbanashol, der sich über den alten Kanzler leise lustig machte. Rhodan warf ihm einen scharfen Blick zu.

»Nun sagt mir aber, warum seid ihr hier?«, wollte der Kanzler wissen.

Rhodan und Aurec schilderten gemeinsam, wie die LONDON den Weg nach Saggittor gefunden hatte.

Doroc erhob sich mühsam.

»Schön, schön. Ich habe jetzt Hunger. Ich denke ihr auch. Lasst uns speisen gehen«, bestimmte er.

Rhodan war über diese Aussage etwas irritiert. Er hatte eigentlich gehofft, dass Doroc etwas mehr Interesse an ihrem unfreiwilligen Besuch zeigte.

*

Zusammen gingen sie in einen großen Speisesaal. Die restliche Familie von Doroc befand sich bereits im Raum. Aurec begrüßte seine Mutter und beiden Geschwister. Er stellte Rhodan und die anderen seine Familie vor. Aurecs Mutter hieß Dorna, sie war auch schon recht alt, hatte aber eine gütige Ausstrahlung und schien geistig reger, als ihr Gemahl zu sein. Aurecs Bruder Baahl machte einen eher desinteressierten Eindruck, während seine Schwester Vespiora von bestechender Schönheit war. Beide machten jedoch nicht den dynamischen Eindruck, wie ihr Bruder, der offenbar der Jüngste in der Familie war.

Dolphus war ebenfalls bereits am Tisch. Er starrte Rhodan mit seinen braunen Augen finster an.

Perry lächelte verlegen, bevor er sich an seinen Platz setzte. Anschließend ermahnte er sich. Schließlich war er über dreitausend Jahre alt und sollte wohl einem Blickduell mit einem Militaristen standhalten können. Er legte den Gedanken ab und konzentrierte sich auf die Speisen, die zu seinem Erstaunen sehr den gewohnten menschlichen Speisen glichen.

Das Hauptgericht war ein Carnaroosa, welches einer Art Fleischeintopf mit saggittonischen Gemüse und zartem, süßlich schmeckenden Fleisch einer Tiefwaldantilope bestand. Es war ziemlich scharf, wie Rhodan fand. Schnell wurde ihm eine Sorfa in einem großen Krug serviert. Die Sorfa schmeckte wie Bier und Aurec klärte ihn auf, dass es auch Bier war. Es war üblich, das scharfe Essen mit Bier herunterzuspülen.

Sam nutzte das Essen, um Doroc und seiner Familie die Kultur der Terraner und Galaktiker näher zu bringen. Spector Orbanashol und Terek-Orn hielten sich relativ zurück, während Koliput und Gaton bemüht waren Handelsbeziehungen zu den Saggittonen aufzubauen. Der Apaser Türkalyl Öbbysun war jedoch mehr mit dem Essen beschäftigt und wünschte sich etwas Exotisches. Beiläufig beobachtete der Blue mit dem hinteren Augenpaar die Konversation zwischen den Politikern und Unternehmern. Perry Rhodan berichtete Aurec nun eingehender von der Historie der Terraner, insbesondere von der Lebensgeschichte der Unsterblichen.

Orbanashol wandte sich Dolphus zu.

»Sie sind so ruhig, Admiral. Woran kann das liegen?«, fragte er herausfordernd.

Rhodan zuckte innerlich zusammen.

Der Admiral sah die Tischgäste kurz an, dann bemerkte er: »Nun, es liegt vielleicht an Ihrer ungewohnten Präsenz an diesem Tisch! Üblicherweise dinieren an der Tafel des Königs nur Wesen, die etwas darstellen.«

Terek-Orn gab einen unwirschen Laut von sich. »Soll das etwa bedeuten, wir stellen nichts dar? Ich bin der Botschafter Topsids. Wie kann dieser Mensch behaupten, ich stelle nichts dar?«

Rhodan ergriff den Arm des Topsiders, der inzwischen aufgestanden war. Wütend setzte er sich wieder.

Dolphus grinste nur. Dann rief er die Bedienung zum Tisch.

»Serviert mir Echseneier!«, befahl er höchst amüsiert.

Die Augen des Topsider weiteten sich, doch Rhodan hielt ihn am Platz, während Dolphus genüsslich die Eier ausschlürfte.

»Oh, die sehen lecker aus«, fand Türkalyl Öbbysun. »Kann ich auch welche davon haben?«

Rhodan vernahm ein Grollen von dem Topsider.

»Worum ging es jetzt?«, wollte Doroc wissen, der sich mit Sam unterhielt und nicht viel von der Diskussion mitbekam.

»Alles in Ordnung. Nur verschiedenen Ansichten«, erklärte Dolphus.

»Ah, dann ist es ja gut. Verschiedene Ansichten haben wir öfters. Das ist ja nichts Schlimmes«, krächzte der Kanzler und wollte lachen, doch es endete in einem Hustenanfall.

Rhodan bekundete anschließend, dass er sehr an der Geschichte der Saggittonen interessiert wäre. Aurec wies ihn darauf hin, dass Doroc mit Sicherheit noch die Geschichte der Galaxis erzählen würde.

Nach etwa einer Stunde stand Doroc auf.

»Wir haben viel über Euch erfahren, Perry Rhodan. Ich muss zugeben, die Galaktiker sind eine interessante Ansammlung von Völkern. Ich kann Euch versichern, dass wir Handel mit Euch treiben werden. Doch nun möchte auch ich Euch die Geschichte unserer Galaxis erzählen ...«

 

18. Die Gunst der Stunde

Rodrom hatte seine Arbeiten abgeschlossen.

Die Ergebnisse waren nicht sonderlich aufschlussreich. Die Saggittonen kannten weder Kosmokraten noch Chaotarchen. Wie sollten sie zu einer Gefahr für MODROR werden? Die Terraner dümpelten vor sich hin.

Besorgniserregend schienen die Aktivitäten der Superintelligenz THOREGON zu sein. Doch letztendlich konnte MODROR der Kampf zwischen THOREGON und den Kosmokraten nur Recht sein. Sein Herr konnte von Feinden, die sich gegenseitig zerfleischten, nur profitieren.

Perry Rhodan würde in den nächsten Jahren mit dem Geheimnis um THOREGON beschäftigt sein. Das würde Rodrom genügend Zeit zur Planung seiner Aktivitäten geben, außerdem arbeitete Cau Thon bereits zu diesem Zeitpunkt an der ersten Phase des großen Planes. MODROR wusste um die Gefährlichkeit der Terraner. Schon oft hatten sie übermächtige Gegner geschlagen. MODROR wollte diesen Fehler nicht begehen. Rodrom glaubte aber weiterhin, dass dieses Getue um die Terraner völlig übertrieben war. Doch wenn es sein Meister so wollte, dann würden er und seine Brüder genau nach seinen Anweisungen handeln.

Cau Thon hatte seit zwanzig Jahren fähige Agenten für MODROR in der Milchstraße und in der Galaxis Dorgon angeworben. Welch ein Hohn gegenüber DORGON, dass ausgerechnet eines seiner auserwählten Völker sich gegen ihn stellen würde. Doch vielleicht ahnte das DORGON und wollte in den Saggittonen Ersatz finden?

Das würde zumindest einen Sinn für seinen gegenwärtigen Auftrag erbeben. Nun, wir werden sehen …

Rodrom wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Masor seinen Raum betrat. Er machte einen aufgeregten Eindruck.

»Was gibt es?«, wollte Rodrom wissen.

Der kleine Kjolle blieb stehen und salutierte. »Herr, verzeiht die Störung, doch etwas ist passiert«, berichtete Masor.

»Das wäre?«

»Die Expedition dieses Aurec ist durch das Sternenportal zurückgekehrt. Sie haben ein weiteres Raumschiff mitgebracht«, erklärte er.

»Tatsächlich?«

»Es stammt aus der Lokalen Gruppe. Meine Späher haben berichtet, dass sich der Terraner Perry Rhodan an Bord befindet.«

Rodrom stand auf, als er den Namen Perry Rhodan hörte.

»Perry Rhodan ist hier in der Galaxis Saggittor?«, fragte er, als ob er es nicht glauben könnte.

Masor bestätigte die Anfrage seines Herren. »Rhodan ist in Saggittor! Wir wissen nicht, wieso er hier ist. Anfänglich sah es so aus, als wären diese Galaktiker Gefangene, doch Rhodan und einige andere Kreaturen der Milchstraße wurden zu einer friedlichen Audienz mit Kanzler Doroc eingeladen.«

Rodrom wanderte im Raum umher. Wie ein Puzzle setzte sich nun das Rätsel Teil für Teil zusammen. Erst MODRORs Warnung, dann die Informationen über DORGONs Bestrebungen die Saggittonen zu einem Hilfsvolk zu machen und nun Perry Rhodan selbst in Saggittor. Rodrom schien es so, als würde DORGON erneut Schicksal spielen wollen, indem er die Völker der Saggittonen und Terraner zu Verbündeten machen wollte.

Was jedoch, wenn er DORGONs Plan zum Scheitern verurteilen würde? Was wäre, wenn er Perry Rhodan in dieser Galaxis vernichten würde? Das würde die Pläne seines Herren um Jahre voranbringen. Der mit dem Blute eines Sargomophs müsste er seine Prophezeiung nicht mehr erfüllen. Rodrom würde ihm zuvor kommen und beweisen, dass es unnötig war, künstlich irgendwelche Verbündeten herzuzüchten.

»Ihr werdet ihn vernichten, Herr!« schmeichelte sich Masor bei ihm ein, als ob der Kjolle die Gedanken seines Meisters lesen konnte.

»Halte deine Flotte alarmbereit. Du darfst gehen!« befahl Rodrom arrogant.

Masor watschelte aus dem Raum. Rodrom hörte, wie er laute Befehle gab. Unterdessen stellte der Rote eine Verbindung mit der WORDON her. Zukthhs trostlose Figur erschien auf dem Hologramm.

»Was kann ich für Euch tun, Meister?«, fragte er unterwürfig.

»Wir werden nach Saggitton fliegen. Der Ortungsschutz soll aktiviert werden«, kommandierte er.

»Ja, Herr. Sonst noch ein Befehl?« erkundigte sich Zukthh.

»Benachrichtige meine Spezialeinheit.«

Rodrom überlegte, wen er auswählen sollte. Es bot sich geradezu an, dass es Wesen sein sollten, deren Völker von Perry Rhodan schon einmal besiegt worden waren. Das würde ein weiterer Anreiz für seine Söldner sein.

»Ich will, dass du Ark Thorn, Melsos Berool, Glyudor, Itzakk und Scardohn auf einen neuen Auftrag vorbereitest: die Ausmerzung Perry Rhodans!«

*

Rodrom verstofflichte in der Kommandozentrale der WORDON. Das Raumschiff war bereits startklar. Er gab den Befehl zum Abflug. Das gigantische Objekt beschleunigte und verließ das System der Kjollen in Richtung Saggitton.

Rodrom begab sich in seinen Kommandostand. Dort wartete bereits Zukthh auf ihn. Er verneigte sich, als der Rote an ihm vorbei schwebte.

»Herr, die Söldner sind bereit und warten auf Eure Befehle«, berichtete er.

»Bring sie her!«, befahl Rodrom knapp.

Das Kuttenwesen befolgte die Order seines Herren schnell. Er gab einem seiner Wächter einen Wink. Dieser öffnete die Tür und fünf Kreaturen, alle verschiedener Rasse, traten hindurch. Sie stellten sich in einer Reihe auf.

Einem von ihm fiel es sichtlich schwer durch die Tür zu gehen, da er eine Schulterbreite von 2,50 Meter aufwies. Seine Höhe betrug 3,50 Meter. Aus seinen drei glutroten Augen leuchtete die bedingungslose Bereitschaft zur Gewalt.

Die anderen waren humanoid. Einer von ihnen glich sogar den Terranern. Er hatte jedoch schwarze Haut und einen roten Haarkranz. Der nächste ähnelte eher einer terranischen Leiche. Seine Wangenknochen waren eingefallen und die Haut ledern. Die Augen saßen tief in den Augenhöhlen. Dann folgte eine Echse von zwei Metern Größe. Und ganz zum Schluss sein Trumpf, ein Wesen von nebelhafter Gestalt, das jede denkbare Gestalt annehmen konnte.

Rodrom ging die Reihe entlang. »Ihr gehört zu meinen besten Kämpfern, einst angeworben durch den Sohn des Chaos, Cau Thon. Ihr seid eine perfekte Mischung aus Intelligenz und roher Kraft. Doch ihr habt noch etwas gemeinsam. Perry Rhodan hat eure Völker gedemütigt oder sogar ausgerottet!«

Er musterte alle fünf Wesen. Sie zeigten keinerlei Regung.

Einige wussten vielleicht gar nichts davon. Rodrom wusste nicht genau, wie lange diese fünf Söldner in seinen Diensten standen. Wenn er keinen Bedarf mehr hatte, übergab er sie den Casaro. Diese frischten die Zellen auf und konservierten die Söldner dann in den Traumwelten der Raumzeitfalten. Die Casaro freuten sich über die Gelegenheit, seine Champions während der Traumzeit zu studieren.

Die Söldner hatten sich mit ihrem Dasein abgefunden. Hatte Rodrom erst einmal den Willen der stolzen Geschöpfe gebrochen, fraßen sie ihm aus der Hand.

Und falls sie das nicht taten, dafür gab es immer noch eine Sicherheitsschaltung.

Rodrom wandte sich dem Ersten der fünf zu. Sein Name war Melsos Berool. Er stammte aus dem Volk der Laren. Seine dunkle Haut schimmerte im Licht des Raumes.

»Die Terraner haben das Konzil der Sieben ausgelöscht. Die alleinige Schuld daran trägt Perry Rhodan!«

Rodrom weckte die Rachegefühle des Laren. Er war einst ein hoher Admiral gewesen, der über brillante taktische Fähigkeiten verfügte. Das Konzil der Sieben war für ihn der Inhalt seines Lebens gewesen. Kurz bevor er entführt wurde, begannen die Planungen des Konzils, die Milchstraße zu besetzen.

Der Rote ging zum nächsten. Es war der Hauri Scardohn. Rodrom schilderte ihm, wie der Fürst des Feuers durch Rhodan bezwungen worden war und die Pläne des Hexamerons zerstört wurden, als die Galaxis Hangay in das Normaluniversum gewechselt war. Der Hauri zog eine Grimasse, was ihn noch unheimlicher aussehen ließ.

Scardohn war freiwillig zu Rodrom gekommen. Rodrom hatte sich um einen Kämpfer bemüht und den Herren Heptamer um den besten Krieger für seine Sammlung von Champions gebeten. Scardohn war damals der beste gewesen und war ehrenhaft in die Dienste Rodroms getreten.

Der Dritte im Bunde war der Gys-Voolbeerah Glyudor. Auch die Molekularverformer waren einst in diverse Auseinandersetzungen mit den Terranern verwickelt gewesen. Doch Glyudor hatte sich der Rote schon einige Jahrtausende zuvor geholt. Der MV war durch seine Fähigkeit einer von Rodroms herausragenden Kämpfern. Die Gys-Voolbeerah traten niemals in ihrer wahren Gestalt auf, da sie Abscheu vor dieser hatten. Im Moment imitierte der MV die Gestalt eines Zievohnen nach.

Der Vierte war der Ewige Krieger Itzakk. Die hoch gebaute Echse strotzte vor Tatendrang.

»Ich weiß, dass die Terraner daran schuld waren, dass der Kriegerkult unterging und dafür werde ich sie töten!«, schrie er.

Rodrom nickte zufrieden. Dann wandte er sich dem letzten des Quintetts zu. Es war der Gigant. Auch das Volk dieses Riesen spielte in der Geschichte der Terraner eine große Rolle. Der Koloss hieß Ark Thorn und war ein Zweitkonditionierter. Cau Thon hatte ihn in letzter Sekunde gerettet, als er den Kampf im Solsystem im Jahr 2437 beobachtete. Der Zweitkonditionierte und sein Dolan wurden vor ihrem Ende gerettet. Rodrom hatte den Symbionten manipuliert, sodass er ihm gehorchte.

Thorn war der vollkommenste seiner Kämpfer. Rohe Kraft und bemerkenswerte Intelligenz zeichneten den Zweitkonditionierten aus.

Das waren nun seine fünf Champions.

»Ich habe euch ausgewählt, da ihr nicht nur herausragende Kämpfer, sondern auch alle in gewisser Weise mit Perry Rhodan verbunden seid«, sprach der Rote. »Er hat euren Völkern großes Leid zugefügt und ihr sinnt auf Rache. Die werdet ihr bekommen. Perry Rhodan ist in dieser Galaxis. Er befindet sich keine tausend Lichtjahre von hier entfernt.«

»Wir fliegen hin und töten ihn!«, brüllte Itzakk.

»Ich glaube nicht, dass dies der Plan unseres Meisters ist«, erklärte der Lare Berool nüchtern.

Rodrom nickte. »Ganz recht. Das ist nicht mein Plan. Rhodan einfach nur zu töten, wäre primitiv und einfallslos. Wir werden ihn mit Stil erledigen. Oder besser gesagt – erlegen!«.

 

ENDE

 

 

Das Luxusraumschiff LONDON wurde gleich zweimal entführt. Zuerst rissen die fanatischen »Kinder der Materiequelle« das Kommando an sich, ehe das bis dato unbekannte Volk der Saggittonen die LONDON durch ein fremdartiges Sternenportal in ihre Heimat M 64 verschleppte.

Nils Hirseland schildert in Dorgon Band 6 die weiteren Erlebnisse im »Schwarzen Auge«. Der Titel des Romans lautet:

DIE SAGGITTONEN

 

 

 

Kommentar

Nun, da sind wir wieder. Der vorliegende Band stellt die Fortsetzung (wer hätte das wohl gedacht?) der Geschichte über das Schicksal der LONDON dar. Nachdem »Vater« Dannos und seine »Kinder der Materiequelle« den Luxus-Raumer gekapert haben, schlägt der Zufall, oder der Wille des Expokraten (jawohl, so was haben wir auch!), erbarmungslos zu. Die LONDON wird aus der Lokalen Gruppe entführt und in bisher unbekannte Gefilde des Universums verschlagen. Damit, und das kann ich jetzt schon allen Sekten-Geschädigten der Erstauflage versprechen, ist die Episode um unseren völlig übergeschnappten (das wäre allerdings meine persönliche Meinung) Sektenguru beendet. Und jetzt beginnt eine ganz andere Geschichte, die im ursprünglichen Prequel von Nils den Titel »Rhodans Odyssee« trug. Dieser Titel gibt nun genau das wieder, was uns in den Folgebänden erwarten wird. Mehr sei allerdings hier nicht verraten …

 

Jürgen Freier

 

 

GLOSSAR

Dannos

Krayg Sascat Dannos ist der Anführer der Sekte "Kinder der Materiequelle". Der am Neujahrstag 1150 NGZ geborene Mann hat früh seinen Weg in die Spiritualität gefunden. Er ist ab 1185 NGZ quer durch die Galaxis gezogen und hat Missionen errichtet, die armen Galaktikern helfen sollten.

Ab 1220 NGZ jedoch veränderte Dannos seine Einstellung. Er gab sich in den "Wilden Jahrzehnten" endlosen Drogenexzessen, Sexpartys und zwielichtigen Geschäften hin.

1245 NGZ lernte er den Esoteriker Grimm T. Caphorn kennen. Beide verstanden sich auf Anhieb und gründeten ein erfolgreiches Unternehmen, welches sich auf Astro-Trivideosender, Emotio-Holografiespiele mit starkem sexuellen Hintergrund, Wetten, Glücksspiel und Spendenbetrug fundierte. Dannos und Caphorn entwickelten die Idee des "Kosmischen Energieausgleiches", der eine Art göttlichen Segen darstellt, und haben ihn gegen entsprechende "Spenden" an vermögende Interessenten weitergegeben.

1267 NGZ ist die Bewegung "Kinder der Materiequelle" entstanden, da Dannos in seinen psychodelischen Visionen gesehen hat, dass er eines Tages mit einer Gruppe auserwählter Galaktiker zu einer Materiequelle reisen wird, um dort zu einem Kosmokraten zu reifen. Dannos widmet sich in den folgenden Jahren mehr und mehr den Kindern, investiert sein Geld und baut eine Sekte auf.

1284 NGZ wird Dannos durch den Silbernen Ritter Cauthon Despair im Auftrag der Mordred kontaktiert. Despair weiß um die Pläne Dannos, die LONDON zu entführen. Er unterstützt die Kinder der Materiequelle mit Waffen und Söldnern. Despair liefert an den Hasproner Herban Livilan Arkyl einen Syntronikvirus. Die Manipulation wird während der letzten Bauphase der LONDON durchgeführt, während Dannos seine Männer und Frauen auf die »kosmische Reise« vorbereitet.

Im Oktober 1285 NGZ macht der Sektenguru ernst. Er tötet die abtrünnige Martha Wobbisch an Bord der LONDON. Nur kurze Zeit später überwältigen die Kinder der Materiequelle die Besatzung der LONDON. Doch Dannos Plan schlägt fehl, als die Saggittonen die Kontrolle an Bord der LONDON übernehmen und das Raumschiff nach M64-Saggittor bringen.

Kinder der Materiequelle

Die »Kinder der Materiequelle« sind eine religiöse Vereinigung von Galaktikern unter der Führung des Sektengurus »Vaters« Dannos, die 1267 NGZ gegründet wurde. Das Ziel der esoterischen Sekte ist es durch geistige Verschmelzung der einzelnen Individuen zu einem Kosmokraten aufzusteigen. Dabei fühlen sie sich eins mit dem Kosmos und lehnen das körperliche Leben ab. Sie wollen Teil des Universums werden und als Kosmokrat in anderen Dimensionen reisen, um die Wunder des Multiversums zu erleben.

Die Gruppierung hat etwa 150 Anhänger und setzt sich aus sehr unterschiedlichen Mitgliedern zusammen. Doch alle glauben an ihren Propheten Vater Dannos und folgen ihm bereitwillig auf die LONDON, genau wissend, dass diese entführt werden soll. Doch der »Perfekte Plan« der Sekte schlägt fehl, als die LONDON von der SAGRITON gekapert und nach Saggittor gebracht wird.

Stewart Landry

Stewart Landry war ein Nachkomme des legendären Ron Landry, der als Agent der Abt. III unter dem legendären Nike Quinto diente. Er wurde in England geboren und hatte eine wohlbehütete Kindheit.

Mit 16 hatte Landry ein Erlebnis, das seinen weiteren Lebensweg prägen sollte. An der Birmingham Secondary School of Science verschwanden mehrere Mitschülerinnen, darunter seine Jugendfreundin Anne. Stewart sucht mit tatkräftiger Unterstützung seiner Familie verzweifelt nach ihr und bekommt schließlich den Hinweis, dass diese von einem skrupellosen Menschenhändlerring entführt und durch Drogen zur Prostitution gezwungen wurde. Er gibt seine Informationen an die City-Police von Birmingham weiter, der es daraufhin gelang, den Menschenhändlerring zu zerschlagen und einige der Mädchen zu befreien. Für Anne kam jedoch jede Hilfe zu spät, die Polizei findet nur noch ihre Leiche.

Ein halbes Jahr nach diesen Ereignissen versank seine Kindheit endgültig in einer Orgie der Gewalt. Einige Mitglieder des Menschenhändlerrings hatten sich der Festnahme entziehen können und nahmen furchtbare Rache an seiner Familie. Stewart war zufällig nicht zu Hause und überlebte so das Massaker, während seine Eltern und seine kleine Schwester ermordet wurden.

Nachdem die Geschichte durch die galaktische Boulevardpresse gegangen war, wird der TLD auf ihn aufmerksam. Gia de Moleon macht ihm höchstpersönlich den Vorschlag, eine Ausbildung zum Agenten beim Liga Dienst zu beginnen, um dann später die Mörder seiner Familie zur Strecke zu bringen. Gleichzeitig übernimmt sie die Vormundschaft, bis zu seiner Volljährigkeit. Aus dieser Zeit stammt sein gespanntes Verhältnis zur TLD-Chefin, denn diese nimmt ihren »Erziehungsauftrag« für den Jugendlichen sehr ernst.

Mit 19 Jahren schließt er in Rekordzeit die Ausbildung ab und wird als Agent Junior Grade in den TLD übernommen. In den folgenden Monaten gelingt es ihm, die Spur der Mörder seiner Familie aufzunehmen und diese schließlich aufzuspüren. Dabei kommt es zu einem Schusswechsel, bei dem Landry drei der Mörder erschießt. Wieder ist es de Moleon, die Stewart deckt und eine Untersuchung des Falls unterbindet. Die weiteren Ermittlungen verlaufen jedoch, trotz der Unterstützung der TLD-Chefin, im Sande, da einflussreiche Kreise in der LFT-Administration die weitere Verfolgung der Spuren, die u. a. nach Mashratan führen, unterbinden.

In den folgenden Jahren macht er eine steile Karriere und wird im Alter von 21 Jahren zum Agenten Senior Grade befördert. Er wurde in dieser Zeit mit diversen heiklen Aufträgen betraut und konnte mehr als nur einmal Planeten und Zivilisationen vor dem Terror von Wahnsinnigen oder skrupellosen Verbrechern schützen.

Nach dem Anschlag in Atlan Village im Dezember 1282 NGZ nimmt er Kontakt mit dem linguidisch-terranischen Philosophen und Schriftsteller Jaaron Jargon in Siena auf und bittet ihn um Hilfe. Jargon stellt Kontakt zur Organisation Camelot her und räumt den Verdacht aus, dass Camelot hinter dem
Anschlag steckt. Landry seinerseits kann die Zweifel ausräumen, dass der TLD hinter dem Anschlag auf das Camelot Büro stecken würde.

Das Verhältnis zu de Moleon bekommt allerdings einen tiefen Riss, als ihm der in Ausbildung befindliche Will Dean zur Betreuung zugeteilt wird. Dean stößt unter Verwendung seines Zugangscodes auf geheime, für den Dienstgebrauch gesperrte Daten, die er in seiner Abschlussarbeit verwendet. Die TLD-Leiterin ist außer sich und degradiert Landry zum einfachen Agenten. In den folgenden Jahren stagniert seine Karriere beim TLD, er ist zwar als Agent äußerst erfolgreich, aber de Moleon weigert sich beharrlich, ihn für eine Beförderung auch nur in Erwägung zu ziehen.

Persönlich pflegt Landry ein äußerst vielfältiges Liebesleben. Sein Ruf als notorischer Herzensbrecher ist im TLD geradezu legendär. Es scheint, dass er unfähig ist, eine längere Beziehung einzugehen. Der Grund liegt vermutlich darin, dass er den Tod seiner Jugendfreundin Anne noch immer nicht verarbeitet hat.

Steckbrief

Ø  Geboren: 02.07.1254 NGZ

Ø  Geburtsort: Birmingham, Terra

Ø  Größe: 1,89 Meter

Ø  Gewicht: 85 kg

Ø  Augenfarbe: blau

Ø  Haarfarbe: braun

Ø  Bemerkungen: sportlicher Körperbau, schnelle Reflexe, schwarzer Humor in Gefahrensituationen, dem weiblichen Geschlecht sehr zugetan, gute Manieren.

M64 – Saggittor

M64 ist die berühmte »Black Eye« (auch Devils Eye) Galaxie. Die dunkle Struktur ist eine bekannte Staubformation, die die Sterne dahinter verdeckt.

Wichtigste Völker: Saggittonen, Holpigons, Varnider, Trötter, Multivons, Kjollen, Nider

Astronomische Daten

Rektaszension: 12h 56m 42sec

Deklination: +21° 41’

Entfernung: 24 Mio. Lichtjahre

Visuelle Helligkeit: 8.5 mag

Scheinbare Ausdehnung: 10’ × 5.4’

In der Galaxie rotieren zwei Gasscheiben in unterschiedlicher Richtung, wodurch das Gas in den sich durchdringenden Randregionen den Drehimpuls verliert und in den Kern der Galaxis stürzt. Die Ursache dieses Effekts ist darin zu sehen, dass in der Vergangenheit eine elliptische Zwerggalaxie eingefangen wurde, durch die konträre Rotation der inneren Staubscheibe verursacht wurde.

Innerhalb des DORGON-Projekts wird die Zentralregion durch ausgedehnte Massekonzentrationen von kosmischem Staub und Dunkler Materie geprägt und dient den Hilfsvölkern MODRORs als Aufmarschgebiet. Für die übrigen Völker Saggittors ist dieser Bereich unzugänglich, da die gewaltigen Massekonzentrationen im Kern hyperphysikalische Effekte hervorrufen, die einen gefahrlosen Übergang in übergeordnete Kontinua unmöglich machen.

 

Beschreibung: C:\Users\Juergen\Documents\PROCeBook77x48.pngDas DORGON-Projekt – Mordred-Zyklus – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.

Special-Edition Band 5, veröffentlicht am 29.12.2011 • Autor: Nils Hirseland • Titelillustration: Gaby Hylla • Lektorat: Jürgen Freier, Jens Hirseland und Thomas Gruber • Layout: Jürgen Seel • Internet: www.proc-community.de • E-Mail: info@proc-community.de • Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf • Copyright © 1999-2011 • Alle Rechte vorbehalten