14.
Die Stunde der Wahrheit

Ich schämte mich noch bis nach den Feiertagen für mein Verhalten auf der Party. Wie hatte ich mich nur so gehen lassen können? Wie konnte ich erwarten, respektiert zu werden, wenn ich mich so aufführte?

Maryssa war mir dabei egal gewesen. Ich empfand nur Abscheu für sie. Genauso wie für Ygor.

Aber ich musste Zantra wiedersehen. Es hatte einige Tage gedauert, bis ich den Mut gefasst hatte, sie anzurufen. Aber sie wimmelte mich ab. Sie hätte keine Zeit für ein Treffen, da sie zu sehr in den Vorbereitungen steckte. Ich probierte es einige Tage, bis ich endlich den Mut aufbrachte, sie ohne Vorankündigung zu besuchen.

Zantra starrte mich überrascht an, als sie die Tür öffnete.

»Was willst du?«, fragte sie distanziert.

»Wissen, wieso du mich so behandelst. Ich dachte, wir wären Freunde. Ich hoffte, du würdest«, ich atmete tief durch, »mehr für mich empfinden und meine Gefühle erwidern. Doch dann das!«

Zantra blickte mich verständnislos an. Und nun? Wie sollte es weitergehen? Würde sie ewig schweigen. Sollte ich mehr sagen?

Endlich brach sie die Stille, doch vermutlich wäre es besser gewesen, sie hätte die Klappe gehalten.

»Tut mir leid, Cauthon. Aber du bist nun einmal nicht mein Typ. Außerdem liegt meine Zukunft bei Ygor auf Sverigor. Du hast da einiges missverstanden.«

So war das also. Was gab es denn falsch zu verstehen, als Zantra mich regelmäßig angerufen und getroffen hatte und mir so viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte? War ich nur ein Zeitvertreib für sie gewesen?

Ygor stellte sich plötzlich neben sie.

»Probleme?«

»Cauthon wollte gerade gehen«, sagte Zantra.

»Nein, wollte ich nicht!«

Ygor trat vor.

»Du hast sie gehört. Du hast hier nichts verloren. Belästige uns nicht weiter.«

Ygor stieß mich zurück. Ich hatte genug davon, herumgeschubst zu werden. Ich packte seinen Arm und zog ihn zu mir. Dann donnerte ich seinen Kopf gegen die Hauswand. Blutend sackte diese Zentrumspestbeule zu Boden.

Ich hatte gewonnen! Da lag er nun in seinem Blut. Er würde mich niemals wieder herumschubsen.

»Hau endlich ab, du Psycho!«, schrie Zantra, die sich sofort um Ygor kümmerte.

Psycho?

Erst jetzt realisierte ich, was ich getan hatte. Was war nur in mich gefahren?

»Es … es tut mir leid, Zantra! Bitte …«

»Hau ab!«, kreischte sie mit Tränen in den Augen. Ich zuckte zusammen. Sie hasste mich. Ich Idiot hatte das genaue Gegenteil erreicht, von dem, was ich mir von meinem Besuch erhofft hatte.

Ich hatte Zantra endgültig verloren.

*

Wie ein geprügelter Hund schlurfte ich zurück zur Akademie. Dabei war ich derjenige, der Gewalt angewendet hatte. Es störte mich dabei weniger, diesem eitlen Ygor eine blutige Nase verpasst zu haben. Doch Zantra hasste mich nun.

Wirsal Cell erwartete mich dort bereits.

»Du hast sie verloren, nicht wahr?«

Ich nickte.

»Zantra will nichts mehr mit mir zu tun haben. Ich bin allein.«

»Nein, ich bin doch noch da. Du musst sehr weise wählen, wem du Vertrauen schenkst. Zantra Solynger hat deine Liebe und dein Vertrauen nicht verdient.«

Ich konnte dem nicht widersprechen. Doch ich liebte sie immer noch. Ich wäre bereit, ihr sofort zu vergeben. Wir gingen in das Büro von Wirsal Cell. Hier gefiel es mir immer gut. Es war antik eingerichtet mit Möbeln aus echtem Holz, echten Büchern aus Papier, Flaggen und Karten aus allen möglichen Epochen der terranischen Militärgeschichte.

Wir tranken einen Tee.

»Ich denke, du musst noch mehr schockierende Nachrichten erfahren«, sagte Cell ernst.

»Was?«

»Du bist jetzt alt genug, um die Wahrheit zu erfahren. Wir waren nicht ehrlich, was den Tod deiner Eltern anging. Perry Rhodan hält es immer noch für besser, dich zu belügen, doch ich kann das nicht mehr. Du bist ein stolzer Mensch und hast die Wahrheit verdient.«

Cell reichte mir einen Reader. Dort fand ich den Abschlussbericht der Untersuchung zum »Fall HAWKING«. Er war als streng geheim klassifiziert. Verwundert blickte ich Cell an.

»Ich habe natürlich Zugang dazu, doch für die Masse ist der Bericht nicht zugänglich.«

Ich las den Bericht. Es war kein Unfall. Die Vermutung lag nahe, dass entweder eine fremde Macht oder Agenten des Kristallimperiums die Roboter und die Syntronik der HAWKING manipuliert hatten. Es wurde auch die Überlegung erwähnt, Cau Thon könne dahinter stecken. Fakt war jedoch, dass das zögerliche Verhalten von Camelot gerügt wurde. Der rechtzeitige Einsatz eines weiteren Raumschiffes nach dem ersten Todesfall hätte womöglich weitere Todesopfer vermieden.

Das bedeutete im Umkehrschluss, hätte Perry Rhodan schneller reagiert und Hilfe nach Neles geschickt, würden meine Eltern noch am Leben sein. Es war klar, wieso der Saubermann des Universums mir niemals die Wahrheit erzählt hatte. Er und seine Clique hatten versagt. Wer auch immer hinter dem Mord an meiner Mutter und meinem Vater steckte, Perry Rhodan hatte tatenlos zugesehen. Er trug eine Mitschuld an ihrem Tod.

»Wieso jetzt?«, wollte ich wissen. »Warum zeigst du es mir gerade jetzt?«

Wirsal seufzte und legte seine Hand auf meinen Unterarm.

»Es wäre wohl nie der richtige Zeitpunkt gewesen. Ich wollte es dir schon lange sagen, doch habe ich es immer wieder vor mich hergeschoben.«

Ich verstand. Welche Rolle spielte Cau Thon nun in der ganzen Sache? Wieso wurde er verdächtigt? Das war doch nur eine Vermutung. Ich glaubte Cau Thon, dass er alles versucht hatte, um meine Eltern zu retten. Im Gegensatz zu Perry Rhodan.

Vielleicht hatte ja sogar ein Bekket Glyn recht, der von Rhodans Scheinheiligkeit und Selbstgefälligkeit sprach? Rhodan hielt sich für unfehlbar. Er hatte mir die Wahrheit über den Tod meiner Eltern verschwiegen. Er hatte Zantra erlaubt, sich von mir abzuwenden. Und dazu schien er auch kein Vertrauen in meine Fähigkeiten zu haben.

Der würde sich noch wundern. Ich würde diesem verstaubten Fossil noch beweisen, zu welch Taten ich in der Lage war.

Plötzlich stürmte der Adjutant von Wirsal Cell in den Raum. Der Ferrone war sichtlich aufgeregt.

»Was platzt du hier einfach so rein?«

»Ein Anschlag! Das Camelotbüro in Terrania City. Bombe!«

Cell stand auf und sah mich ernst an.

Das Camelotbüro in Terrania wurde angegriffen.

Bei allen Entitäten. Gazh Ala!