11.
Der erste Raumflug

Zantra und ich kamen in der darauffolgenden Woche gut miteinander aus und redeten viel. Wir verbrachten gemeinsam die Zeit beim Simulationstraining mit Raumjägern, Space Jets oder den kugelförmigen Modulraumern. Nur bei den Hypnoschulungen waren wir natürlich getrennt. Und wenn der Unterricht zu Ende war.

Mehr und mehr schlug mein Herz für sie. Ich musste endlich den Mut finden, ihr meine Gefühle zu beichten. Ich hatte das Gefühl, sie wartete nur darauf.

Weihnachten nahte und ich fragte mich, ob ich etwas als Geschenk kaufen sollte? Würde sie sich darüber freuen oder mich auslachen? Davor hatte ich Angst. Ich wollte nie wieder ausgelacht werden, wie es früher jeden Tag der Fall gewesen war.

Am 23. Dezember veranstaltete die Akademie ein großes Weihnachtsfest. Perry Rhodan war eingeladen. Endlich konnte ich Perry wiedersehen. Dieser Tag wäre die perfekte Gelegenheit, Zantra ein Weihnachtsgeschenk zu überreichen.

Wenn ich den Mut dazu finden würde …

Dazu war das, was uns heute bevorstand, das reinste Vergnügen. Der erste selbstständige Flug mit einem Raumjäger.

Unsere Gruppe trat durch den Transmitter und rematerialisierte auf der Akademieraumbasis II. Wirsal Cell führte uns in einen Hangar. Dort standen dreißig SH234/4 Hunter-Jets und zwanzig Nimrod-Raumjäger.

Die Hunter-Jets wurden zur terranischen Systemverteidigung eingesetzt und waren reine Kampfschiffe. Der Aufbau mit einem schmalen, in die Höhe gestreckten Rumpf, der keine aerodynamischen Eigenschaften aufwies, erinnerte an einen Piranha. Die Bewaffnung war mit drei Geschützen und einer Transformkanone mit der Abstrahlkapazität bis 500 Gigatonnen für einen Raumjäger gewaltig.

Neben dem Haupteinsatzszenario in der Systemverteidigung wurden diese Jäger auch für die Nahaufklärung eingesetzt. Die Reichweite reichte aus, um in der gesamten Milchstraße zu operieren.

Wir waren bestens instruiert. Ohne viel Worte zu verlieren, erteilte Wirsal Cell uns den Befehl, in einen Hunter-Jet zu steigen. Ich suchte mir den direkt vor mir aus. Der Einsitzer war etwa 12 Meter lang, drei Meter breit und sechs Meter hoch.

Ich kletterte die Leiter zum Cockpit hoch und stieg ein. Zwei Swoon vom Hangarpersonal erwarteten mich dort und checkten meinen Raumanzug. Bedächtig ließ ich mich in den bequemen Sitz hinabgleiten. Die Kuppel des Cockpits schloss sich. Die Swoon prüften den Verschluss und einer klopfte zweimal auf das Glas. Das war das Zeichen, das alles in Ordnung war. Der zweite Swoon winkte mir zu. Ich winkte zurück. Kam mir dabei irgendwie komisch vor.

Vor mir befand sich das Steuerungsmodul auf einer halbrunden Konsole. Der klassische Steuerungsknüppel inkl. Feuerknopf, diverse Displays zum Stand des Raumjägers, der Geschwindigkeit, Einsatzbereitschaft der verschiedenen Waffensysteme.

Ich drückte auf den grünen Sensor zum Start der Syntronik. Ein etwa fünfzehn Zentimeter kleines Männchen erschien links neben der Konsole.

»Guten Morgen, Sternenpilot. Ich bin die Syntronik. Du darfst mich C-8718 RA-II nennen.«

»Aha«, machte ich nur.

»Falls es dir noch nicht bekannt ist, verfügt der SH234/4 über einen Metagravantrieb mit einer maximalen Beschleunigung von 1350 Metern in der Quadratsekunde. Der höchste zu erreichende Überlichtfaktor ist 48 Millionen. Zudem besitzt der SH234/4 einen Gravopuls-Antrieb sowie einen Antigrav.«

»Das ist mir alles bekannt, Syntronik.«

»Ich habe auch einen Namen«, erwiderte das künstliche Geschöpf pikiert. »C-8718 RA-II«

Das konnte ja heiter werden. Ich aktivierte den Antrieb und die Startsysteme. Der Antigrav brachte den Jäger zum Schweben. Langsam drehte ich den Raumer in Richtung Hangartor.

Ich erhielt die Starterlaubnis. Der Raumjäger glitt Richtung Hangarschleuse. Im Schutzschirm bildete sich eine Strukturlücke. Ich beschleunigte mein Raumgefährt zaghaft. Als ich mir sicher war, dass der Gleiter auf exaktem Kurs zur Strukturlücke war, erhöhte die die Geschwindigkeit.

»Langsamer, Despair!«, gellte es aus dem Interkom. Doch es war zu spät. Ich rauschte mit dem Jäger durch die Lücke. Vor mir war der freie Weltraum. Sterne und andere kleinere Raumschiffe, die sich im Orbit befanden. Unendliche Größe. Ich zog eine Kurve um die Raumstation und sah Phönix. Es war wie vor acht Jahren. Ein beeindruckender Anblick des Planeten.

Die Steuerung des Raumjägers fiel mir leicht. Die Simulationen hatte ich perfekt gemeistert. Ich flog zu den Raumwerften. Dort wurden die Module der GILGAMESCH montiert. Einige zehntausend Kilometer entfernt, schwebte eine zweite Werft. Hier entstanden zwei 1.000 Meter durchmessende Kugelraumer, die den Namen IVANHOE und TAKVORIAN bekommen sollten.

»Wenn du mit deinen Extratouren fertig bist, schließe dich dem Pulk endlich an«, schnarrte es aus dem Interkom. Wirsal Cell klang ein wenig ungehalten. Ich schloss mich den anderen an. Unter den Anweisungen aus der Kommandozentrale vollführten wir diverse Manöver.

Über die interne Kommunikation wurde ich stets auf dem Laufenden gehalten. Cell und die erfahrenen Piloten in der Kommandostation brüllten einige Male im scharfen Tonfall Befehle. Benyameen wurde die manuelle Steuerung entzogen, als er zu nahe neben anderen Raumjägern flog.

Einige Kadetten mussten wieder zur Raumstation zurückkehren. Mir und einigen wenigen anderen war es noch vergönnt, in einem Asteroidenfeld markierte Ziele zu bekämpfen.

Das war wie in den alten Videospielen aus meiner Kindheit. Je länger ich mit der Hunter-Jet flog, desto mehr gefiel es mir und umso sicherer wurde ich in meinen Aktionen.

Dem Hunter-Raumjäger standen neben der 500 Gigatonnen Transformkanone noch Raketenwerfer mit Störraketen, ein MHV-Geschütz, ein Desintegrator und ein Paralysator zur Verfügung. Der zweifach gestaffelte HÜ- und Paratronschirm schützte die Maschine vor kleineren und größeren Asteroiden.

Die willkürlich durcheinander fliegenden Asteroiden stellten für mich eine Herausforderung dar. Ich genoss jede Sekunde, zwischen ihnen hindurch zu manövrieren. Ein Lichtblitz flammte links auf. Zantra hatte einen Asteroiden gestreift. Der Schutzschirm verhinderte einen Schaden, doch Zantra hatte leider ihr Ziel verfehlt.

Ich schloss am besten mit der Übung ab und war stolz auf mich. Endlich hatte ich etwas gefunden, wo ich meine Überlegenheit demonstrieren konnte.

Die Schmährufe gegen mich waren längst verstummt.