Die Mashraten entdeckten mich nicht. Nach acht Jahren kehrte ich auf diesen öden, heißen Wüstenplaneten zurück. Ich hatte die Mashraten nicht vergessen. Weder den exentrischen Despoten Kerkum, noch die in Energiefeldern gehüllten Frauen oder die perversen Tuffa-Jab-Jab Anhänger.
Auf einer gesicherten Verbindung erhielt ich eine Nachricht von Perry Rhodan.
Öffentlicher Prozess im Palastanwesen in wenigen Minuten. Verhandlungen vorerst gescheitert. Kerkum will Exempel statuieren. Vielleicht blufft er nur.
Ich brachte den Raumjäger in eine ruhige Position und kreiste über dem Palastkomplex. War ihre Verteidigung wirklich so schlecht, oder unsere Tarntechnologie so gut?
Ich aktivierte das Trivid, um den hiesigen Staatssender zu empfangen. Ich sah einen Hinweis, dass die Übertragung des Prozesses die Gemüter eines aufrechten Mashratan erhitzen könne, da extraterrestrische Dämonen gezeigt würden.
Wo waren sie nur? Ich überflog den Palast. Dann entdeckte ich sie auf einem gut gesicherten Hof mit einer großen Tribüne. In der Mitte war ein Podium aufgebaut. In einem grün leuchtenden Fesselfeld mussten sich die Cameloter und Gazh Ala befinden.
Ich rette dich, schoss es mir durch den Kopf.
Nur wie? Vielleicht … nein, das war zu waghalsig. War all der Mut, den ich mir einredete, nur eine Art der Selbstbetrug?
Ich beobachtete die Sendung. Drei Männer in einer roten, weißen und grünen Kutte wurden eingeblendet. Ich sah sie mit bloßem Auge von oben.
»Die drei Sonnenheiligen des Vhrato auf dem Weg zur Anklageverkündung. Oberst Kerkum und seine Familie wohnen der Gerichtsverhandlung aus ihrer Loge der Freiheit bei«, berichtete der Moderator.
»Wir klagen diese Wesen der Feindschaft gegen Mashratan, dem Pakt mit dem Teufel und dessen Dämonen und der Ketzerei an«, sagte der alte Priester in der weißen Robe.
Das Fesselfeld öffnete sich. Fünf Personen waren zu sehen. Ich war erleichtert, denn unter ihnen befand sich auch Gazh Ala. Daneben waren es ein Cheborpaner, ein Blue und zwei Terraner.
»Das Weib mit dem Namen Gazh Ala Nagoti el Finya ist der Schuld überführt, ihr Volk verraten zu haben. Sie paktierte mit dem Satan und kopulierte mit diesem dort, dem leibhaftigen Dämon.«
Der Vhratopriester zeigte auf den Cheborpaner. Was für ein Schwachsinn. Doch das beeindruckte das verdummte Volk natürlich.
»Sie ist eine unreine Hexe in Diensten der Schwarzen Mirona, eine Verräterin an Mashratan. Sie wird in allen Anklagepunkten für schuldig befunden und soll den Feuertod sterben«, verkündete der Priester im grünen Gewand.
Nun erhob sich der Rot bekleidete und hob die Hände.
»Der Dämon wird ebenfalls bei lebendigem Leib verbrannt. Mit den Terranern gehen wir gnädig um. Sie finden einen schnellen und schmerzlosen Tod durch Enthauptung. Das Blues-Monstrum wird – um die Einheit und Stärke der Bevölkerung gegenüber solchen Missgeburten zu bekräftigen – bis zum Halse eingegraben und dann gesteinigt, bis der Tod eintritt. Die Leiche wird desintegriert, damit die Gebeine nicht unsere heilige Welt besudeln.«
Die anwesenden Zuschauer, eine bunte Mischung aus Männern, Kindern und verschleierten Frauen jubelten ihren Priestern zu. Sie schrien, man soll das Urteil schnell vollstrecken. Andere blickten erwartungsvoll zu Oberst Kerkum.
Kerkum erhob sich von seinem Thron. Er legte sich ein wallendes, braunes Kostüm zurecht und erhob die Hand. Die Jubelrufe endeten abrupt.
»Wer bin ich, dass ich das Urteil der Vertreter Gottes auf Erden anzuzweifeln habe? Mashratan ist eine friedliche Welt, doch wir wurden verraten. Ja, einst, da lebte dieses Weib«, er zeigte auf Gazh Ala, »in meinem Palast, aß mein Essen, trank von meinem Wasser und aalte sich in meinem Garten. Der Dank war, dass sie mich und Mashratan im Stich ließ, um unreine, kranke und okkulte Sexrituale mit Aliens zu praktizieren und Lügen über Mashratan in der Galaxis zu verbreiten. Das sind ihre Helfershelfer und sie alle dienen Perry Rhodan. Rhodan ist die größte Enttäuschung für Mashratan. Er hat uns alle belogen und betrogen. Sie handelten auf seinen Befehl. Dafür ziehen wir sie nun zur Verantwortung. Ich bestätige das Urteil der Vhrato-Sonnenheiligen!«
Die Masse johlte vor Begeisterung. Ich musste jetzt handeln. Was sollte ich tun? Einfach drauf schießen? Ich war solch ein Narr. Ich konnte sie nicht retten. Nicht einmal Gazh Ala, denn mein Raumjäger war ein Einsitzer.
Es gab nur eine Möglichkeit. Ich senkte den Hunter-Jet, bis er nur wenige Meter über der Oberfläche war. Ich befand mich direkt über dem Podium. Dann deaktivierte ich das Tarnfeld.
*
Meine Waffen richtete ich auf Oberst Kerkum und seine Familie. So konnte ich zumindest sicher gehen, dass sie mich nicht angriffen. Die Zuschauer rannten in alle Richtungen davon. Auf dem Monitor sah ich, dass auch die Vhratopriester und ihre Handlanger das Weite suchten.
Nur Kerkum schien unbeeindruckt. Er hob die Hand, nahm Haltung an. Dann ging er langsam die Treppe der Tribüne hinunter. Er kam auf mich zu. Mit dieser mutigen Tat hatte ich nicht gerechnet.
Ich senkte den Raumjäger. Schließlich landete ich. Vielleicht war ein Dialog mit Kerkum noch nicht ausgeschlossen.
Kerkum blieb stehen. Ich öffnete das Cockpit. Nun kam der Oberst näher, bis er am Rumpf stand.
»Wer bist du tapferer Terraner, der den Mut hat, sein Leben für diesen Dreck aufs Spiel zu setzen?«, wollte er wissen.
»Cauthon Despair. Und ich bin hier, um die Cameloter zu retten. Verschont sie und ich verschone Euch!«
Kerkum lachte und streichelte den Rumpf meines Raumjägers.
»Schönes Raumschiffchen.«
Dann schwieg er.
»Was ist nun? Ich warte auf eine Antwort!«, drängte ich.
»Wie war die Frage?«
»Ich bitte um das Leben von Gazh Ala und den anderen Camelotern.«
Kerkum winkte ab. Er schüttelte den Kopf.
»Das geht nicht. Das Gesetz ist unumstößlich.«
»224 feindliche Raumschiffe sind unweit vom Orbit von Mashratan, Oberst! Als Geiseln sind sie wertvoller«, versuchte ich ihn zu überzeugen.
Kerkum spuckte auf den Boden.
»Nein! Wir kämpfen und gewinnen!«
Was sollte ich nur tun?
»Ihr sterbt! Die Bewaffnung des Hunter-Jets reicht aus, um den ganzen Komplex in die Luft zu jagen«, drohte ich verzweifelt. Er musste einfach nachgeben. Er musste!
Doch Kerkum blieb gelassen.
»Dann stirbst du auch, mein Sohn! Genauso wie die Verurteilten. Was wäre damit erreicht?«
Kerkum klopfte auf die Außenhülle des Schiffes. Dann nickte er mehrmals eifrig vor sich hin. Ich konnte die Geste nicht deuten.
»Gut! Also gut! Ich schiebe das Urteil auf. Wir verhandeln neu. Ich respektiere deinen Mut. Du bist ein echter Terraner, mein Junge!«
Kerkum befahl den Wachen, die Fesseln der Cameloter zu lösen. Langsam kamen sie auf uns zu. Gazh Ala vorne weg. Sie schaute hoch zum Cockpit.
»Cauthon? Bist du es?«
Ich nickte.
»Du bist wirklich mein strahlender Ritter. Danke!«
Das tat gut, doch noch war nicht viel gewonnen. Was passierte als Nächstes? Fragend blickte ich zum Oberst, der an seinen Fingernägeln pulte.
Endlich blickte er wieder zu mir hoch. Er breite die Arme in einer ratlosen Geste aus.
»Was jetzt, Cauthon Despair? Genießen wir das schöne Wetter?«
»Ich beordere eine Space-Jet hierher. Wenn sie die Cameloter aufgenommen hat und unbeschadet zu ihrem Mutterschiff zurückgekehrt ist, ziehe ich ab.«
»Dann könnten wir dich abschießen.«
»So sterbe ich eben.«
Kerkum klatschte und lachte wie ein kleines Kind.
»Dieser Mut ist beeindruckend. Abgemacht. Ich warte hier natürlich, mein junger Freund!«
Ich versuchte eine Verbindung zur FREYJA herzustellen, doch niemand antwortete. Da wurde ich von einer gewaltigen Explosion aus dem Cockpit geschleudert.
*
Was war passiert? Überall Feuer. Ich sah, wie Oberst Kerkum davon lief. Ein Gleiter zischte an mir vorbei und hielt beim Oberst. Er stieg ein und brauste davon. Meine Hand war vom Sturz gebrochen.
Gazh Ala!
Ich sah mich um. Weitere Explosionen. Die Energiestrahlen kamen aus dem Himmel. Fernbeschuss von Raumschiffen. Was zum Teufel? Sie griffen Mashratan an!
Wieso taten sie das? Perry wusste doch, dass ich hier war. Dieses verdammte Schwein hatte mich im Stich gelassen.
Ich rappelte mich auf. Gazh Ala kauerte unter dem Podium. Zwei der Cameloter waren tot.
»Kommt, hier ist es nicht sicher. Zum Turm«, rief ich.
Der Blues und der Cheborpaner rannten los. Gazh Ala wartete einen Moment auf mich. Das rettete uns das Leben, denn die nächste Energieentladung zerfetzte die beiden vor uns.
Überall war Feuer. Das Podium brannte. Der nächste Einschlag. Ich wurde zu Boden geschleudert. Unter starken Schmerzen stand ich auf. Splitter des zerborstenen Podiums hatten sich in meinen Körper gebohrt. Es raubte mir beinahe die Sinne.
»Renn zum Turm«, hauchte ich.
Gazh Ala eilte zu dem Turm, doch da wurde er getroffen. Das Metall schmolz. Alles Brennbare kam herunter.
»Nein!«, brüllte ich. Doch zu mehr war ich nicht mehr imstande. Das Gebäude sackte in sich zusammen. Gazh Ala schrie auf und wurde von den Massen begraben. Ich kroch zu der Stelle, wo sie verschüttet wurde. Meine Kräfte ließen nach.
Endlich entdeckte ich sie.
»Gazh Ala?«
Doch sie antwortete nicht mehr. Ihre braunen Rehaugen starrten mich leblos an.
Die nächste Detonation sprengte den Rest des Turms auseinander. Eine Feuerwelle erwischte mich. Dieser Schmerz. Ich schrie auf, fühlte, wie meine Gliedmaßen zerfetzt wurden. Ich fiel zu Boden und blickte in den Himmel. Dunkle Rauchschwaden zogen vorbei. Ich sah, wie Trümmerreste auf mich hinabstürzten.
Das war also das Ende!