7.
Galaktische Politik

Aus den Chroniken

Es tat sich nicht sehr viel im Jahre 1279 NGZ. Paola Daschmagan legte zwar einen moderateren Kurs ein, der Tonfall wurde vorsichtiger, doch die Verhältnisse innerhalb der Galaxis verbesserten sich keineswegs.

Und doch gab es in dieser Zeit Hoffnung und ein Kapitel der Menschlichkeit.

Eine von den Linguiden initiierte Friedensflotte war durch die Milchstraße gezogen, um auf die Zustände in der Galaxis und den bereits absehbaren Zusammenbruch des Galaktikums aufmerksam zu machen. Als die Flotte arkonidisches Hoheitsgebiet erreicht hatte, hatte eine Flottenkommandantin des Kristallimperiums den Befehl erhalten, das Feuer auf die einhundert unbewaffneten Schiffe verschiedener Völker zu eröffnen. Sie hatte den Befehl verweigert und wurde wegen Feigheit vor dem Feind zum Tode verurteilt. Doch sie wurde rechtzeitig von Unbekannten gerettet.

Ich war stolz, dass meine linguidischen Brüder den Versuch unternahmen, die Galaxis wachzurütteln. Und ich war froh, dass es offenbar noch Arkoniden gab, die ihre Prinzipien und ihren Anstand über die Befehle des Kristallimperiums setzten. Und ich war positiv überrascht, dass es offenbar auch im arkonidischen Hoheitsgebiet eine Widerstandsbewegung gab. Der Name IPRASA fiel des Öfteren. Ob sie wohl etwas mit Camelot zu tun hatten?

Anfang 1280 NGZ stattete »Der Oberst«, wie er sich nannte, Terra einen Staatsbesuch ab. Ibrahim el Kerkum, der Herrscher von Mashratan war eine schillernde und ebenso zwielichtige Person. Paola Daschmagan empfing diesen Tyrannen mit allen Ehren und zeigte sich gut gelaunt auf der Pressekonferenz.

Offenbar hatte die Erste Terranerin nicht aus den Fehlern ihres Vorgängers gelernt. Sie lobte die vielfältige Kultur der Tigernation Mashratan. Mir kräuselten sich die Nackenhaare bei solchen Aussagen.

Doch Kerkum war für die LFT ein wertvoller Verbündeter. Seine Truppen sicherten autarke Welten und ermöglichten der Kosmischen Hanse und Shorne Industries dadurch lukrative Geschäfte. Durch das Netzwerk von Kerkum, welches über Arkon bis nach Fornax zu den Galactic Guardians reichte, buhlten sowohl die LFT als auch das Kristallimperium sowie kleinere Sternenreiche um die Gunst des so offensichtlichen Despoten.

Kerkum trug während der anschließenden Stadtrundfahrt eine lindgrüne Uniform aus Zeiten des Solaren Imperiums. Vor dem CREST-Mausoleum machte er einen Kniefall und sang anschließend ziemlich unmelodisch das terranische Raumfahrerlied »Ad Astra, Terraner!«

Es hieß offiziell, man bemühte sich um einen Beitritt von Kerkum zur LFT und wolle die Handelsbeziehungen ausbauen. Offenbar sträubte sich der Oberst jedoch gegen einen Beitritt. Wieso sollte er auch? Als unabhängige Nation war Mashratan besser dran, da alle galaktischen Machtblöcke bestrebt waren, möglichst gute Beziehungen mit dem mashratischen Regime zu unterhalten. Kerkum konnte also die verschiedenen Machtblöcke gegeneinander ausspielen, den er hatte etwas, was alle wollten: Hyperkristalle in rauen Mengen. Und der »Oberst« beherrschte das Spiel mit den Bällen perfekt, zumindest bis jetzt.

Zudem müsste er vermutlich die Menschenrechte auf Mashratan grundlegend achten, da die LFT gewisse Bedingungen an ihre Welten stellte. Hierbei ging es vor allem darum, das Grundgesetz der Liga anzuerkennen.

Doch das hätte umwälzende Veränderungen auf Mashratan hervorgerufen. Kerkum stellte freundlich aber unmissverständlich klar, dass das Volk von Mashratan keine Einmischung von außen duldete.

Das Thema wurde dann schnell abgehakt. Natürlich gab es keine unangenehmen Fragen. Im Gegenteil, Mashratan wurde aufgrund seines großen Wirtschaftswachstums – von dem jedoch das Volk nichts hatte – als wirtschaftlich aufstrebende Welt betitelt. Als Vorbild für die Wirtschaft. Dass dieses Wachstum zu einem großen Teil aus Ausbeutung der eigenen Bevölkerung und zwielichtigen Aktionen auf anderen Planeten stammte, wurde dabei wohlwollend übersehen.

Fühlte sich denn kein Journalist mehr der Wahrheit verpflichtet? Natürlich gab es aufgrund der Fülle an unabhängigen Publikationsmöglichkeiten viele kritische Berichte, doch die renommierten Medien gaukelten dem Zuschauer eine heuchlerische Harmonie vor.

Den Gipfel der Unverfrorenheit bildete jedoch wieder mein wenig geschätzter Kollege Bekket Glyn. Dass dieser Mann Woche für Woche seine wahnsinnigen Hasstiraden über Terra Eagle One senden durfte, war ein Tiefpunkt terranischen Journalismus.

Bekket Glyn tanzte und jubelte in seiner Sendung und sah in Oberst Kerkum ein Musterbeispiel eines terranischen Patrioten. Glyn im Original: »Von Oberst Kerkum könnt ihr faulen, rhodanistischen Sozialromantiker euch mal eine Scheibe abschneiden.«

Glyn lobte natürlich die Tatsache, dass Nichtmenschen auf Mashratan unwillkommen waren. Glyn war der Überzeugung, wenn es mehr Kerkums in der LFT gäbe, würde die Liga zu einer Nation von fleißigen, wohlhabenden und starken Terranern zusammenwachsen.

Dem widersprach ich natürlich. Natürlich traute ich den Terranern Fleiß, Wohlstand und Stärke zu. Doch Kerkum war gewiss kein Vorbild. Dieser ganze Nationalismus in der Milchstraße brachte uns an den Rand des Chaos. Es war dabei gleich, von wem er ausging, denn Blues, Topsider oder Arkoniden waren ebenso keine unbeschriebenen Blätter. Eines verband sie miteinander: Das Gefühl der Überlegenheit der eigenen Rasse.

Die Galaktiker mussten wieder zusammenwachsen, doch es sah nicht danach aus.

Im September dieses Jahres ernannte Paola Daschmagan den Terraner Cistolo Khan zum LFT-Kommissar und somit zum ausführenden Organ. Über die politische Haltung des hochgewachsenen Mannes war wenig bekannt. Er galt jedoch als absoluter Profi.

Nach langer Zeit meldete sich im April 1281 NGZ die gute Gazh Ala wieder bei mir. Sie sagte, es wäre an der Zeit, dass die Organisation Camelot und ich gemeinsame Wege beschritten. Sie bat mich, ihr meine Aufzeichnungen zu geben, damit sie diese Perry Rhodan übermittelte. Es freute den Zellaktivatorträger etwas über das Stimmungsbild auf Terrania zu lesen. Dabei betonte sie, dass Rhodan großen Wert auf vernünftige Ansichten legte, die sich kritisch mit der Situation auseinandersetzten. Sie bot mir auch an, nach Camelot umzusiedeln, doch ich wollte lieber auf Terra bleiben. Leider hatte dies zur Folge, dass ein Treffen mit Rhodan aus Sicherheitsgründen weiterhin nicht möglich war.

Doch ich war mir sicher, dass ich eines Tages mit Rhodan persönlich in Kontakt treten würde.

Jaaron Jargon