17.
Rückkehr nach Mashratan

Ihr schwarzes, wallendes Haar, die braunen Rehaugen und das charmante, herzliche Lächeln mit den nicht ganz symmetrisch gewachsenen Zähnen von Gazh Ala erschien wieder und wieder vor meinem geistigen Auge. Sie musste noch leben, durfte nicht tot sein!

Ungeduldig wanderte ich im Bereitschaftsraum umher. Wann erreichten wir endlich das Mashritun-System?

»Kommandant an Cauthon Despair. Einsatzbesprechung in zehn Minuten«, hallte eine feine Stimme aus dem Lautsprecher. Sie gehörte Xavier Jeamour, dem Kommandanten des 500 Meter Schlachtkreuzers FREYJA.

Ich eilte in den Besprechungsraum. Jeamour blickte mich an. Der kleinwüchsige Belgier mit der Halbglatze strahlte Autorität aus. Das gefiel mir. Ich nickte Wirsal Cell und Perry Rhodan zu. Ich war nach den vergangenen Ereignissen nicht gut auf Rhodan zu sprechen. Immerhin hatte er mir gestattet, an einer Rettungsmission der Cameloter teilzunehmen. Doch was war das für eine Operation? Gucky und Icho Tolot trieben sich irgendwo in Fornax herum. Niemand wusste, wann sie zurückkehrten. Vielleicht schon Morgen, doch wir hatten keine Zeit.

Oberst Kerkum hatte angekündigt, dass die Sonnenheiligen des Vhrato über Gazh Ala und die anderen richten wollten.

Welche Überlebenschance hatte die ehemalige Sklavin? Kerkum würde grausame Rache an ihr üben.

»Wir erreichen in wenigen Minuten das Mashritun-System. Dort warten bereits 200 Raumer der LFT. Es ist uns unbekannt, wie sie sich uns gegenüber verhalten werden«, erklärte Jeamour, während er mit einem Löffel den Süßstoff in seinem Tee umrührte.

»Was machen wir? Abwarten und Tee trinken?«, fragte ich in Anspielung auf die Prozedur des Terraners.

»Bleib ruhig, Cauthon! Jeamour wird mit der LFT sprechen. Wir halten uns zurück.«

Ich atmete tief durch. Das war alles? Fragend sah ich zu Wirsal Cell. Ihm schien das alles unangenehm zu sein. Er räusperte sich.

»Plan B sieht vor, dass wir ein Kommando nach Mashratan schicken«, erläuterte mein Ausbilder. »Ich nehme an, du möchtest dich daran beteiligen?«

»Nichts kann mich davon abhalten«, sagte ich ernst.

In den letzten Wochen hatte ich schon zu viel verloren. Zantra und die Illusion, dass Rhodan mein Freund wäre. Nicht jetzt noch auch Gazh Ala!

Unsere Flotte bestand aus zwei Verbänden mit je zwölf Raumschiffen. Wahrlich keine große Übermacht, doch die Technologie von Camelot war die Beste in der Galaxis. Jeamour stellte die Verbindung mit dem kommandierenden Schiff des zweiten Pulks her, der CELTIC. Der Erste Offizier James Fraces, ein bärtiger Draufgänger, erschien als Hologramm. Jeamour wies ihn an, dass alle 24 Raumschiffe zeitgleich aus dem Hyperraum fallen und gebührenden Abstand zu den mashratischen Abwehrstationen und der LFT-Flotte halten sollten.

Wir gingen in die runde Kommandozentrale, wo verschiedene Besatzungsmitglieder an Kontroll- und Steuerkonsolen arbeiteten. Beinahe wäre ich gegen einen an mir vorbeieilenden Swoon getreten.

»Eintritt in den Normalraum«, meldete ein Epsaler.

Sofort wurde eine holografische Karte des Sektors in die Mitte des Raumes projiziert. Sie zeigte unsere Position, die der Mashraten und der Terraner.

»Funke die LFT-Flotte an«, befahl Jeamour. Er ging zu seinem Kommandosessel, zupfte seine Uniform zurecht und setzte sich hin. Rhodan hielt sich im Hintergrund. Er wollte offenbar nicht gesehen werden.

»Die NORTH CAROLINA meldet sich. Der Befehlshaber möchte mit uns sprechen«, meldete die ferronische Kommunikationsfrau.

»Durchstellen«, sagte Jeamour knapp.

Auf dem großen Bildschirm erschien das verlebte, strenge Gesicht des Kommandanten.

»Henry Portland, Oberbefehlshaber der 17. LFT-Flotille und Kommandant der NORTH CAROLINA. Mit wem habe ich die Ehre?«

»Flak, alter Trichterturm! Schön, dein faltiges Gesicht mal wiederzusehen«, erwiderte Jeamour lächelnd. Sein Gegenüber zuckte eine Augenbraue hoch.

»Du hast ja inzwischen noch weniger Haare. Da bist du also abgeblieben, du Beutefranzose. Camelot, mh?«

Jeamour bestätigte.

»Der große Mann ist auch da?«

Jeamour schenkte dem LFT-Kommandanten ein feines Lächeln und zuckte schelmisch mit den Schultern.

»Nun, ich darf euch darauf aufmerksam machen, dass ihr euch nicht in eine Militäraktion der LFT einzumischen habt. Allerdings kann ich euch auch nicht verbieten, euch hier aufzuhalten. Das ist kein Gebiet der LFT«, sagte Portland.

»Es ist dir vielleicht bekannt, dass die Mashratan Geiseln von Camelot festhalten. Uns geht es um das Leben dieser Wesen. Und natürlich auch darum, dass hier kein galaktischer Krieg entfacht wird.«

Was schwafelten die beiden nur solange? Gazh Ala war in Gefahr. Perry sollte endlich mit Oberst Kerkum reden. Die Zeit lief uns davon.

Ich trat ungeduldig vor.

»Habt ihr Kontakt mit dem Oberst hergestellt? Oder sitzt die LFT hier nur herum und quatscht?«, fragte ich gereizt.

Portland starrte mich mit verkniffener Miene an. Er wechselte einen genervten Blick mit Jeamour.

»In der LFT-Flotte ist es nicht üblich, dass sich ein unterer Dienstgrad einmischt, wenn sich die Kommandanten unterhalten«, rügte mich Portland. Auf dieses Geplänkel pfiff ich.

»Es gibt in der LFT keine echten Dienstgrade mehr. Eine Schande, wie ich finde.«

Jeamour stand auf und sah mich ernst an.

»Das ist mein Raumschiff, junger Mann! Noch gebe ich hier die Befehle.«

Diesen Blödsinn konnte ich mir nicht mehr länger mit anhören. Wenn niemand handeln wollte, tat ich es eben. Ich rannte aus der Kommandozentrale. Wirsal Cell und Perry Rhodan folgten mir.

»Wo willst du hin«, rief Cell außer Atem. Ich lief zum Antigrav und sprang hinein.

Rhodan blieb mir dicht an den Fersen. Beim Hangar schwang ich mich aus dem Antigrav. Mein Ziel war die Hunter-Jet.

»Warte, Cauthon! Ein Alleingang wird dir nichts bringen. So rettest du Gazh Ala bestimmt nicht.«

Ich aktivierte über den Pikosyn die Syntronik meines Hunter-Jets. Der Befehl lautete, den Raumjäger startklar zu machen.

Ich blieb stehen und drehte mich um. Entschlossener denn je sah ich Rhodan in die Augen.

»Es ist besser, als nichts zu tun. Ich weiß nicht, ob ich dir noch vertrauen kann. Ich kenne die Wahrheit über den vermeintlichen Unfall meiner Eltern. Es war Mord. Du hast es mir verschwiegen.«

Rhodan schwieg. Er hielt meinen Blick dennoch stand.

»Wenn du mir helfen willst, verhandle mit Oberst Kerkum. Verschaffe mir Zeit, damit ich die Cameloter befreien kann.«

»Ich könnte einfach den Befehl erteilen, den Schutzschirm nicht zu deaktivieren«, sagte Rhodan.

»Dann musst du zusehen, wie noch ein Despair stirbt«, antworte ich und rannte zum Raumjäger. Ehe Rhodan zu einer Antwort kam, saß ich bereits in dem Hunter-Jet und schloss das Cockpit.

Ich steuerte auf die Hangarschleuse zu. Der Schutzschirm bot mir nun eine Strukturlücke. Ich gab vollen Schub und aktivierte das Tarnfeld. Ich hoffte, dass die Technologie der Mashraten der von Camelot weit hinterher hinkte. Sonst würde es ein kurzer Flug werden.