Cau Thon bemerkte, dass Eddie Alaban ihm bereits seit Stunden durch die Stadt folgte. Der bibeltreue Terraner stellte sich recht ungeschickt an. Seine läppischen Versuche unentdeckt zu bleiben, amüsierten ihn. Langsam ging er zu einem verlassenen Bauernhof. Über ihm braute sich ein Unwetter zusammen. Dunkle Wolken zogen auf. Schließlich blieb er auf dem Hof stehen.
»Hast du mir etwas zu sagen, Eddie Alaban?«
Nun kam der alte Mann aus seiner Deckung hervor.
»Ich habe mit den Rittern der Tiefe gesprochen. Du bist ein Gesandter eines Sohnes des Chaos und willst den kleinen Cauthon auf den Pfad der Finsternis führen. Das lasse ich nicht zu«, sagte Alaban und schritt mutig auf Cau Thon zu.
»Tatsächlich? Haben dir diese Ritter auch gesagt, dass sie Cauthon töten wollen? Ein neuer Sohn des Chaos ist geboren. Er hat seinen Weg bereits beschritten. Und noch etwas, ich bin kein Anhänger eines Sohnes des Chaos. Ich bin einer!«
Der Wind steigerte sich in einen Sturm. Das Geäst der Bäume knirschte.
Eddie Alaban hielt Cau Thon das Kreuz entgegen und rief: »Weiche von mir, Anhänger der Bestie. Im Namen Jesu Christi, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Weiche!«
Cau Thon lachte. Er respektierte zwar den starken Glauben dieses Wichtes, doch mit frommen Sprüchen würde er ihn nicht aufhalten. Alaban wusste zu viel.
Es war Zeit aufzuräumen. Cau Thon versetzte dem Terraner einen Hieb in den Bauch. Alaban fiel auf seine Knie.
Cau Thon beugte sich herab und packte das schüttere, fettige Haar Alabans an dessen Hinterkopf.
»Ich habe deine Bibel gelesen. Steht dort nicht geschrieben, liebe deine Feinde? Wieso hegst du dann einen solchen Groll gegen mich?«
»Oh Herr, verzeihe mir. Ich bin schwach. Doch kehre zurück in die Hölle! Lass die Despairs in Frieden!«
»Heißt es nicht, wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt«, zitierte Thon und gab Alaban eine Ohrfeige, »dann halte auch die andere Seite hin?«
Nun versetzte er dem schwachen Terraner einen Hieb auf die linke Wange.
Alaban weinte und betete weiter.
Cau Thon zog Alaban langsam hoch. Der alte Mann ließ es mit sich geschehen. Er starrte ihn mit entsetzten Augen an. Es fing an zu regnen. Blitze zuckten durch den Himmel.
Cau Thon zog einen kleinen Dolch.
»Mir gefällt eine andere Passage noch viel besser. Dort heißt es Auge um Auge …«
Nun stach er den Dolch in das rechte Auge. Der Terraner schrie vor Schmerz auf. Thon drehte den Dolch hin und her und zog das Auge heraus. Alaban Geschrei ging in ein leises Wimmern über, doch er hielt ihn weiter aufrecht.
»Und Zahn um Zahn …«
Thon stieß den Dolch in den Mund seines Opfers und benutzte ihn als Hebel, um einen Zahn aus dem Kiefer zu stemmen. Blut strömte aus der leeren Augenhöhle und dem zerstörten Kiefer. Er ließ das armselige Geschöpf fallen, das weiter vor sich hin wimmerte.
Der Sohn das Chaos blickte sich um. Er entdeckte eine verrostete Metallstange, die an der Wand des Gebäudes lehnte. Cau Thon nahm sie und richtete Alaban wieder auf. Dann ging er einen Schritt zurück, ließ die Stange in seiner Hand sich mehrmals drehen und rammte sie Alaban senkrecht in die Schulter und trieb sie schräg durch den Körper. Die Stange durchbohrte ihn und trat an seinem linken Unterschenkel wieder aus. Doch Cau Thon drückte die Stange weiter, bis er sie in den Boden getrieben hatte.
Zufrieden betrachtete der Sohn des Chaos sein Werk. Die von der in den Boden gerammten Stange aufrecht gehaltene Leiche war ein gelungenes Kunstwerk.
Er war mit sich zufrieden. Nun war es Zeit, sich um die anderen zu kümmern.
Der Spaß hatte gerade erst begonnen.
*
Das Unwetter tobte weiter. Der Sturm peitschte den Regen in das Gesicht Cau Thons, doch er störte sich nicht daran. Die ungebändigte Natur empfand er als Ausdruck seines Glaubens an die Macht des Chaos, als Widerspiegelung der kommenden Weiterentwicklung des Universums. Versteckt kauerte er hinter einer Anhöhe im Gebüsch und lauerte auf sein nächstes Opfer. Er befand sich zwischen einem Schrebergarten und einer Bahnhofstation von Effysit-Süd. Den Hang hinab ging es zu den rostigen Gleisen.
Dann kam Ron Horace. Wie jeden Tag besuchte er die kleine Neleserin in dem heruntergekommenen Haus, die für Geld ihre Dienste anbot. Cau Thon amüsierte sich über die heimlichen Vorlieben des Cameloters. Schade, dass er so wenig Zeit hatte. Er hätte noch gerne mit dem Plophoser ein wenig gespielt, doch er musste an seinen Auftrag denken.
Offenbar waren Horace seine Bedürfnisse peinlich, da er dieses abgelegene Versteck wählte. Zu jeder vollen Stunde rauschte ein Güterzug vorbei. Und der Plophoser nahm wie jedes Mal die Abkürzung über die Schienen.
Lästige Angewohnheiten sollte man lieber rechtzeitig ablegen, bevor sie einen umbrachten.
Oh, und nun steckte der Gute plötzlich fest. Er fragte sich wohl, was passiert war? Er versuchte sein Bein aus dem unsichtbaren Fesselfeld zu ziehen, doch er wusste ja nicht einmal, wo sich die Falle befand. Sie war außer Reichweite.
Horace beugte sich herab und zu seiner offenkundigen Überraschend kam er nicht mehr hoch. Nun hatte er sich noch tiefer in das Fesselfeld verstrickt.
Er horchte auf. War das das Signal des Zuges? Cau Thon genoss den panischen Kampf. Horace war wie eine Fliege in einem Spinnennetz, je mehr er sich anstrengte, desto fester saß er in der Falle.
Horace schrie um Hilfe. Das Rattern der Räder war zu hören. Dann war der Zug in Sichtweite. Horace brüllte, lag seitlich und konnte sich kaum rühren. Mit dem linken Bein und dem linken Arm wedelte er in die Höhe.
Aus dem Haus stürmte das leichte Mädchen in ebenso luftiger Bekleidung. Entsetzt hielt sie die Hand vor den Mund. Sie blickte zum Zug, dann wieder zu Horace.
Spannend, fand Cau Thon! Was würde die Frau tun? Würde sie ihrem zahlenden Kunden helfen?
Der Zug rollte mit hohem Tempo immer näher. Die Frau blieb wie angewurzelt stehen. Horace erschlaffte, er hatte den Kampf aufgegeben.
Der Zug rauschte über den Cameloter hinweg und zerfetzte den Körper. Die Neleserin stand schreiend an ihrer Haustür.
Der zweite Feind war gefallen.
Logbuch Ivan Despair
12. November 1264 NGZ
Der Tod von Eddie Alaban und Ron Horace erschütterte uns zutiefst. Beide Freunde und Arbeitskollegen starben innerhalb eines Tages. Das war unfassbar.
Was war nur geschehen? Wieso mussten sie sterben? Während einiges auf einen Unfall als Todesursache von Ron deutete, wurde Eddie regelrecht abgeschlachtet. Ich hatte Selina und Darvynia nichts von diesen Grausamkeiten berichtet, doch musste ich sie hier niederschreiben. Schließlich hatte ich sie auch nach Camelot gemeldet.
Eddie fehlte ein Zahn. Er war ihm herausgerissen worden. Ein Auge war durchgestochen und befand sich nicht mehr in der Augenhöhle. Schließlich hatte eine Metallstange ihn von der Schulter bis zur Hüfte durchbohrt und regelrecht aufgespießt.
Wer war zu solch einer Barbarei fähig? Mein erster Verdacht fiel auf die vier sonderbaren Fremden.
Perry Rhodan forderte auf jeden Fall eine Untersuchung und hatte mir mitgeteilt, dass sich Atlan persönlich in wenigen Tagen auf den Weg nach Neles machen würde. Es war vielleicht besser so, denn die Situation wuchs über meinen Kopf. Ich hatte Angst und fürchtete um Selina und Cauthon. Hatten die Mörder von Eddie und Ron es vielleicht auch auf sie abgesehen?