3.
Die Vorbereitungen

Logbucheintrag Selina Despair

18. April 1264 NGZ

Unsere kleine Geheimbasis auf Neles war errichtet. Zwar war die nebelige und karge Landschaft alles andere als ein Paradies, doch wir wollten vorerst auch unentdeckt bleiben und uns in den letzten Tagen eingehend auf den Erstkontakt mit den Nelesern vorbereiten.

Dytch hatte recht behalten. Das Tarnfeld machte uns für die Neleser unsichtbar. Die Space-Jet war nicht geortet worden und brachte ungehindert die Bauteile für den Transmitter zum ausgewählten Platz. Nach der Installation des Transmitters verlief der Verkehr zwischen Schiff und Station nur noch darüber.

Vielleicht hatten wir auch Glück, dass niemand zufällig über unsere Station stolperte, doch wir hatten auch lange Zeit nach einem geeigneten Plätzchen gesucht und es gefunden.

Zwei Mitglieder unserer Expedition blieben auf unserem Raumschiff HAWKING, während die anderen sechs in der Station verweilten.

Dytch und Vülitaar Öckgüühn durften nicht mit auf den Planeten. Zum einen waren sie für den Betrieb der HAWKING vorgesehen, zum anderen befürchteten wir, dass die Neleser geschockt auf das Aussehen von Unithern oder Blues reagierten.

Natürlich tat es mir ein wenig leid, dass meine zwei sympathischen Kollegen nicht an den besonderen Momenten unserer Expedition teilhaben konnten, doch die Neleser kannten die galaktische Vielfalt nicht. Irgendwann würde sich das ändern.

Die Neleser waren in einige Staaten und Nationen unterteilt, strebten jedoch mehr und mehr eine Weltregierung an, die sich teilweise bereits kontinental durchsetzte.

Ivan schätzte, die Neleser wären in zwei Jahren in der Lage, ihr System zu verlassen. Ob sie dann bereits auf Völker der Milchstraße treffen würden, stand im wahrsten Sinne des Wortes in den Sternen. Das Sonnensystem lag abgelegen von bewohnten Welten und stark frequentierten Handelsrouten.

Dennoch wollten die Cameloter die ersten Außerirdischen sein, die die Neleser zu Gesicht bekamen.

Luratz Jomahr war der Präsident der Weltorganisation. Dieses Gefüge war eine Art lockerer Staatenverbund, der die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Mitgliedsstaaten vertrat.

Wir hatten lange überlegt. Es schien uns am sinnvollsten, mit Jomahr als erstem in Kontakt zu treten. Er hatte Zugang zu allen wichtigen Nelesern auf diesem Planeten.

Von den Nelesern vermochten wir einiges zu lernen. Nach einem Jahrhundert der Kriege waren die Völker in sich gekehrt und hatten sich von Territorialansprüchen und Ausbeutung ihrer eigenen Bevölkerung losgesagt. Die sogenannte Weltorganisation war gegründet worden und forcierte die Weltraumtechnologie. Die Technik aus den Kriegen wurde nun genutzt, um Raumschiffe und Raketen zu entwerfen. So wurde ein Triebwerk entwickelt, welches die Lichtgeschwindigkeit erreichte. Zumindest der Theorie nach.

Unser Team hatte die Muster untersucht. In der Tat bestand die große Chance, dass das im Bau befindliche Raumschiff der Neleser relativistische Geschwindigkeit erreichte und somit einer Kolonisierung des Heimatsystems nichts mehr im Wege stand.

Die Neleser wussten, dass Überbevölkerung und mangelnde Ressourcen sie irgendwann entweder erneut in den Krieg treiben würden oder dazu zwangen, das Weltall zu erforschen. Sie hatten sich, nachdem sie sich beinahe selbst ausgelöscht hatten, für den Weg der Wissenschaft und Forschung entschieden.

Ich begrüßte diesen Weg. Dieses Projekt faszinierte mich von Anfang an. Wir hatten nur aus Schulbüchern gelernt, was es hieß, ein Pionier der Raumfahrt zu sein: Perry Rhodans Reise zum Mond, zur Venus und zum Wegasystem.

Durch die Neleser konnte ich diese aufregendste Phase der Entwicklung einer Zivilisation miterleben.

Es gab nur eines in meinem Leben, was mich mehr mit Glück erfüllte. Dieses kleine Geschöpf, welches in meinem Bauch langsam wuchs.

Mein Baby!

Es war mir beinahe unheimlich, wie viel Glück Ivan und ich hatten. Wir liebten uns, hatten einen interessanten Beruf, der uns ausfüllte, und erwarteten unser erstes Kind.

Hach, ich konnte es kaum erwarten. Noch sechs Monate, ehe ich mein kleines Baby das erste Mal in den Armen hielt. Ivan war manchmal besorgt um mich. Er hatte Angst, es könnte mir und unserem Kind etwas zustoßen.

Doch was sollte uns hier schon geschehen?

Logbucheintrag Selina Despair

29. April 1264 NGZ

Das Wetter hatte sich in den letzten Tagen schlagartig verändert. Die Feuchtigkeit und der Nebel waren verflogen und nun schien die Sonne. Es war ziemlich heiß und ich nutzte meine freie Zeit mit ausgiebigem Sonnenbaden.

Ich beneidete Darvynia. Ferronen schwitzten nicht, während meine terranischen Poren jede Menge Schweiß in der Gluthitze absonderten. Es fehlte eigentlich nur ein Strand, doch schon bald würden wir uns vermutlich frei auf Neles bewegen. Es gab viele schöne Regionen auf diesem Planeten.

Am Abend kühlte es sich ein wenig ab. Die Vorbereitungen für den Erstkontakt mit Luratz Jomahr waren bis in das letzte Detail durchgeplant. Ivan, meine Freundin Darvynia, der Kosmopsychologe und Ethiker Eddie Alaban und auch unser Sicherheitsexperte Ron Horace saßen mit mir vor dem Eingang unserer Station, genossen die Wärme und dachten über den entscheidenden morgigen Tag nach.

Morgen früh würde Ivan eine Funkbotschaft an Jomahr senden und um ein Treffen bitten. Um unsere Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, sollte die HAWKING für einen kurzen Moment ihr Tarnfeld deaktivieren und somit den Nelesern unsere Existenz beweisen.

Jedoch erfuhr nur Jomahr die Koordinaten und den Zeitpunkt der Enttarnung des Raumschiffes. Es war jedoch auch gut möglich, dass andere Astronomen die HAWKING zufällig entdeckten. Doch wenn alles nach Plan verlief, würden wir ohnehin bald die ganze Bevölkerung dieses Planeten über unsere Existenz informieren.

Darvynia war an diesem Abend recht überdreht. Sie sprach immer wieder von meinem Baby und freute sich darauf, Patentante zu werden. Sie ging Quadratzentimeter für Quadratzentimeter ihre Vorstellung für das Zimmer des kleinen Babys durch.

Ich wusste, dass Darvynia sich selbst ein Kind wünschte, doch sie hatte kein Glück mit Männern und Frauen. Ihre letzte Liebesbeziehung mit einer glosnekischen Kauffrau endete damit, dass sie sich über den Finanzierungsplan eines gemeinsamen Kindes sowie die Kosten für die künstliche Befruchtung nicht einigen konnten. So hatten sie sich getrennt und Darvynia hatte lange Zeit darunter gelitten. Darvynia war einsam und manchmal machte ich mir Sorge um ihre psychische Stabilität. Ivan befürchtete, sie würde in ihrer Rolle als Patentante zu sehr aufgehen. Vielleicht hatte er recht, doch bis dahin war es ja doch noch eine Weile.

Eddie Alaban philosophierte über die Religion von Neles. Der gläubige Christ hoffte wohl insgeheim, dass sich eine christliche Mission auf Neles niederlassen könnte.

Ich hatte mit Religionen wenig am Hut. Es gab so viele davon. Zwar war das Christentum neben dem Islam und Buddhismus auf Terra und dessen engsten Kolonialwelten vorherrschend, doch es gab so viele Facetten und Abspaltungen davon. Es gab Kolonien, auf denen Staat und Religion nicht getrennt waren. Dazu kamen neue Theologien von den Arkoniden, Blues, Topsidern und all ihren Kolonialvölkern.

Ich erinnerte mich an eine neue Bewegung, die »Kinder der Materiequelle« von einem Pater Dannos. Sie sahen in den Kosmokraten Vorboten zu Gott und in den Materiequellen den Einstieg in das Paradies. Und solche Sekten und Gruppierungen gab es überall in der Milchstraße.

Irgendwie bewunderte ich den guten Eddie für seine Ausdauer und seine Glaubensstärke. Ich hätte diese Geduld nicht. Immerhin war Eddie zwar gläubig, aber moderat in seiner Weltanschauung. Sonst wäre er auch nicht Kosmopsychologe geworden, sondern würde wie ultrakonservative Christen oder Muslime auf einer abgeschiedenen Welt leben und nach antiquierten und unmenschlichen Gesetzen leben, die lange Zeit geschrieben wurden, bevor ein Perry Rhodan die Menschheit in eine neue Ära katapultierte.

Wie wohl mein Kind aufwachsen würde? Würde sich mein kleines Baby einer Religion zugehörig fühlen? Was würden seine Interessen und Vorlieben werden? Welchen Beruf würde er oder sie erlernen? Es war wohl sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen.

Ich würde es ja irgendwann herausfinden und mein kleines Baby durch sein Leben begleiten.