Logbucheintrag Ivan Despair
1. Mai 1264 NGZ
Ich fragte mich, wer wohl aufgeregter war. Luratz Jomahr oder mein Team und ich? Ich fühlte mich, als würde mir Perry Rhodan höchstpersönlich über die Schultern schauen.
Ich wollte keinen Fehler begehen. Wenn ich unseren Auftritt vermasselte, was würde das für die Zukunft dieser Welt bedeuten? Sie waren nun kurz davor, mit ihren eigenen Augen zu sehen, dass sie nicht einzigartig im Universum waren.
Falsche Worte oder verkehrt interpretierte Gesten konnten zu einer Eskalation führen. Mein Herz pochte bis zum Hals. Nur der zarte Händedruck von Selina beruhigte mich etwas.
Wir hatten einen schönen Nationalpark als Treffpunkt gewählt. Da diese Region als Naturschutzgebiet galt, lebten hier keine Neleser. Die offenen, weiten Steppen boten jedoch Platz zur Landung der Space-Jet. Wir wollten jedoch nicht mit der Space-Jet vor ihrer Nase landen, sondern benutzten für den restlichen Weg unseren Gleiter.
Wir wollten den Nelesern zeigen, dass wir nichts zu verbergen hatten und auf der anderen Seite auch gewarnt sein, wenn sie mit ihrem Militär anrückten.
Doch die militärische Präsenz war überschaubar und angemessen an jenem sonnigen Tag. Neben Selina waren Eddie Alaban, Ron Horace und Darvynia meine Begleiter. Ich war kein exzellenter Redner. Meine Schüchternheit stand mir immer irgendwie im Weg. Oh, wenn ich nur daran zurückdachte, wie sehr ich gestottert hatte, um Selina zu einem ersten Date zu überreden. Sie hatte – so wie heute – einfach meine Hand genommen, gelächelt und mich ermuntert.
Eddie war der beste Redner von uns. Als Pfarrer war er es gewohnt, vor Menschen und Wesen zu sprechen.
Ron Horace hingegen war ein wortkarger Draufgänger, der überall Gefahren sah und den Helden spielte. Er redete nicht viel. Nicht, weil er Angst vor der Konversation mit anderen Menschen hatte, wie in meinem Fall, sondern weil er keine Lust verspürte, mit anderen Wesen viel zu reden. Das war ein gewaltiger Unterschied.
Darvynia hatte insgeheim ein Auge auf Ron geworfen, doch der wollte nichts von der Ferronin wissen. Er hatte einmal angedeutet, dass die hervorstehende Stirnwulst ihn abstieß. Dabei wünschte sie sich so sehr ein Kind, doch ihre Träume würden wohl vorerst unerfüllt bleiben.
Ich hatte Selina meine Bedenken geäußert, dass Darvynia in unserem Baby vielleicht eine Art Ersatz sah, doch Selina meinte, das wäre nicht der Fall und ich sollte Verständnis für ihre einsame Freundin zeigen.
Es dauerte noch einige Monate bis zur Geburt unseres Kindes. Vorrang hatte jetzt der Erstkontakt. Die Weltorganisation der Neleser arrangierte dieses Treffen unter strengster Geheimhaltung.
Die Delegation der Neleser erwartete uns.
Der Zeitpunkt war gekommen. Wir parkten unseren Gleiter rund einhundert Meter vor den Kraftfahrzeugen der Neleser.
Ich und Selina gingen als Erste auf die Bewohner der Welt zu. Der Wind strich sanft durch Selinas blondes, seidiges Haar. Sie schenkte mir ein Lächeln und gab mir die Kraft und den Willen, nicht wie ein Vollidiot vor den Einwohnern dieses Planeten aufzutreten.
Horace, Alaban und Darvynia folgten uns mit einigen Metern Abstand.
Auch Luratz Jomahr setzte sich in Bewegung und ging mit vier Nelesern auf unsere Gruppe zu.
Die Sprache der Neleser hatten wir bereits vor langer Zeit gelernt, daher war eine Konversation kein Problem.
Ich atmete tief durch und streckte meine Hand aus. Lomahr sah mich entgeistert an, dann ergriff er sie. Ich schüttelte vorsichtig seine Hand. Er schien zu verstehen und gab ein Schnurren von sich. Er griff sich an die Brust und verbeugte sich drei Mal hastig. Ich wusste, das war die nelesische Begrüßungsformel, und erwiderte sie, auch wenn mir dabei etwas schwindelig wurde.
»Guten Tag! Mein Name ist Ivan Despair. Ich bin Abgesandter der Welt Camelot und stamme vom Volk der Terraner. Wir sind in friedlicher Absicht hier«.
Die erste Ansprache war vollbracht.
Jomahr und die anderen Neleser ließen die Worte erst einmal auf sich einwirken. In offenkundiger Irritation starrte er unsere Delegation an.
»Ihr sprecht meine Sprache!«, stellte er als erstes fest.
Ich lächelte.
»Wir haben deine Sprache studiert. Mein Team und ich sind seit rund einem Jahr eurer Zeitrechnung auf Neles«.
Die Welt Neles brauchte zur Umrundung ihrer Sonne zehneinhalb Monate und war daher erdähnlich. Auch die Gravitation war fast identisch.
Jomahr sah zu seinen Leuten. Sie signalisierten ihm Zustimmung.
»Ich heiße euch herzlich auf Neles willkommen. Mein Name ist Luratz Jomahr. Ich bin der Präsident unserer Weltorganisation von Neles. Sagt, warum seid ihr hier?«
»Können wir das nicht irgendwo anders besprechen?«, schlug Selina vor.
Meine Frau hatte Recht. Diese grüne Wiese war zwar schön, aber vielleicht nicht der geeignete Ort.
»Oh, natürlich. Wo bleiben meine Manieren? Kommt bitte mit!«
Jomahr geleitete uns und die anderen drei zu einem dieser primitiven Automobile, das uns zu einem Containercamp brachte, welches das Militär und die Sicherheitskräfte der Weltorganisation offenbar eilig errichtet hatten.
Uns wurde ein festliches Bankett aufgetischt. Die nelesische Küche war vorzüglich und schmeckte uns allen sehr gut. Wir unterhielten uns viele Stunden und es gelang meinem Team, das Eis zu brechen. So sprach ich zu Jomahr: »Da dein Volk bald in der Lage sein wird, andere Welten anzufliegen, wollten wir euch zuerst über die Verhältnisse in der Galaxis aufklären und euch auf die verschiedenen Völker vorbereiten.«
Jomahr wirkte verwundert.
»Deine Geste ist sehr edel, doch es klingt so, als gäbe es Gefahren dort draußen?«
»Dem ist auch so. Es gibt Völker, die eure Autarkie unterdrücken würden. Damit Neles dieses Schicksal erspart bleibt, haben wir uns entschlossen, zuerst Kontakt mit euch aufzunehmen.«
»Woher wissen wir, ob nicht gerade ihr uns okkupieren wollt?«, fragte der Sicherheitschef misstrauisch.
»Ihr müsst uns vertrauen. Doch wären wir in feindlicher Absicht gekommen, dann hätten wir es bei unserem technologischen Stand nicht nötig, mit euch zu reden.«
Diese Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Sehr schnell zeigten wir den Nelesern auf, dass sie nur ein kleines Rad in der Milchstraße waren. Daher bot eine Zusammenarbeit mit Camelot für diese Welt nur Vorteile.
»Ich vertraue euch«, sprach Jomahr stellvertretend für sein Volk.
Mir war ein Stein vom Herzen gefallen. Der Erstkontakt war gelungen!