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1264 NGZ

Der Anblick einer unbekannten Galaxis war schon immer ein besonderer Augenblick für Cau Thon gewesen. Das war also die Milchstraße. Eine Spiralgalaxis von durchschnittlicher Größe und doch von einer anmutenden Schönheit.

Es gab für ihn kaum etwas Vergleichbares wie die Ankunft im intergalaktischen Raum einer fremden Galaxie, der erste Anblick, die Details des neuen Sternensystems in sich aufzusaugen, während sein Raumschiff langsam näher flog und in die nächste Etappe des Hyperraumfluges eintauchte.

Rodrom schien alles zeitgenau geplant zu haben. Im Datenspeicher seines Raumschiffes KARAN fand Cau Thon detaillierte Anweisungen, was er zu tun hatte. Ebenfalls war dort beschrieben, welche Personen – es waren sogenannte Terraner, humanoide Wesen, wie er – auf welchem Planeten anzutreffen waren.

Sein Ziel hieß Neles. Es war eine unbedeutende Welt mit primitiven Einwohnern. Die Zielpersonen waren jedoch höher entwickelt. Sie gehörten der sogenannten Organisation Camelot an, die von dem zukünftigen Feind Perry Rhodan angeführt wurde.

Was Cau Thon überraschte, war, dass Rhodan ein Zellaktivatorträger war. Immerhin hatten sie somit eine Gemeinsamkeit, auch wenn Rhodan offenbar ein paar Tausend Jahre jünger war. Immerhin hatte Rhodan mit seinen ebenfalls relativ unsterblichen Gefährten schon einigen Superintelligenzen und sogar Kosmokraten und Chaotarchen getrotzt.

Rhodan hatte sich einst geweigert, die Antwort auf die Dritte Ultimate Frage am Berg der Schöpfung zu erhalten. Das bewies eindeutig, dass dieser Perry Rhodan eine komische Größe war, die nicht zu unterschätzen war. Die restlichen spärlichen Informationen hierzu drohten sein rationales Denken in blanker Wut zu ersticken. Kahaba, die alte Feindin seines Meisters, hatte ihre Pfoten dabei im Spiel gehabt.

Was Rodrom mit diesem ungeborenen Kind genau bezweckte, war Cau Thon nicht klar. Ob dieses Kind es irgendwann mit Perry Rhodan aufnehmen sollte? Immerhin hatte Rodrom von der Geburt eines neuen Sohnes des Chaos gesprochen.

Rodrom begann ebenfalls, seine Fühler in diese Region des Universums auszustrecken. Er forcierte den Ausbau einer alten Station in einer Galaxis mit dem Namen Saggittor, die jedoch für Cau Thons Geschmack zu weit vom Geschehen entfernt war. Offensichtlich war ihr Feind selbst in diesem Teil des Weltalls aktiv und schien etwas vorzubereiten. Rodrom wollte offenbar unbemerkt bleiben und aus der Distanz beobachten. Vermutlich erkannte sein Meister die Ereignisse längst bevor sie eintraten.

*

Nach einigen Stunden im Hyperraumflug tauchte die KARAN in das Normaluniversum ein und erreichte den Rand eines Sonnensystems. Der Planet Neles war die vierte von siebzehn Welten, welche eine gelbe Sonne umkreisten. Neles hatte einen Durchmesser von 9.467 Kilometern und eine Schwerkraft von 0,98 Gravos. Das kam Cau Thon entgegen, denn es entsprach den Normalwerten seiner Rasse. Acht eher kleine Kontinente erstreckten sich auf der Welt, die reich an Wasser war. Fast fünf Milliarden Wesen bevölkerten Neles.

In diesem System gab es keine nennenswerte Raumfahrt. Primitive Satelliten kreisten im Orbit von Neles. Archaisch wirkende Sonden flogen durch das System, offenbar dazu gedacht, den Nelesern mehr Informationen über ihr eigenes Sonnensystem zu geben.

Ein nur einhundert Meter durchmessender Kugelraumer der Organisation Camelot befand sich ebenfalls im Orbit um Neles und führte wissenschaftliche Untersuchungen durch. Sie verwendeten eine simple Tarntechnologie, die zwar die Teleskope und Satelliten der Neleser in die Irre führte, jedoch nicht die Ortung der KARAN. Cau Thon schmunzelte. War das der technologische Standard in dieser Galaxie? – Lachhaft!

In diesem Moment bedauerte er es, dass er ziemlich allein an Bord der KARAN war. Die 120 stumpfsinnigen, grauen Zievohnen waren keine guten Gesprächspartner. Sie waren zwar biologisch gesehen Lebewesen, doch sie agierten eher wie Roboter.

Auf eine Garnison Skuritsoldaten hatte Cau Thon verzichtet. Er wollte diese Operationen diskret durchführen. Und selbst wenn die Skurit mit an Bord gewesen wären, so würden sie ebenfalls schweigen.

Nein, er hätte gerne einen Bruder im Geiste gehabt, denn während den Reisen kam viel Langeweile auf. Doch bisher hatte Cau Thon auf all seinen Missionen nie ein Wesen getroffen, welches sich als würdig erwiesen hätte, ein neuer Sohn des Chaos zu werden. Vielleicht war in einigen Jahren das ungeborene Kind tatsächlich ein würdiger neuer Sohn des Chaos?

Cau Thon ließ eine Abtastung des terranischen Raumschiffes durchführen und verglich die Ergebnisse mit den Daten, die Rodrom ihm geliefert hatte.

Demnach handelte es sich um einen VESTA-Kreuzer, Typ Labor-Modul.

Die Bewaffnung dieses Kreuzers bestand nur aus diversen Schirmfeldern und einem mittleren Impulsgeschütz. Das Raumschiff war für reine Forschungsaufgaben ausgelegt, die Ausrüstung umfasste hauptsächlich diverse Radioteleskope, Sensorpaddel und Strukturanalysatoren.

Die Besatzung umfasste sechs humanoide und zwei fremdartigere Lebensformen, die nicht dem Genom der Menschen zuzuordnen waren. An zwei der Menschen war Cau Thon besonderes interessiert. Es waren die Terraner Ivan und Selina Despair, ein Ehepaar, die beide als Wissenschaftler für Camelot tätig waren.

Die Eltern des ungeborenen Kindes …

Nach einer umfangreichen Analyse des Raumschiffes mit dem Namen HAWKING war es an der Zeit, den nächsten Schritt durchzuführen.

Durch einen kurzen Hyperfunkimpuls übertrug er einen Virus, der das syntronische Rechnernetz des Kugelraumers infizierte. Auch hier primitivste Technik. Der Virus spionierte unbemerkt Daten aus und übertrug diese an das Zentralmodul der KARAN. Cau Thon interessierte sich vor allem für die Logbücher von Ivan und Selina Despair. Sie würden ihm Ansatzpunkte für einen Kontakt liefern.

Die Terraner waren ihm nicht unähnlich, doch sie besaßen Haare und ihre Haut war nicht rot. Selina Despair war für Cau Thons Geschmack, trotz der blonden Haare auf dem Kopf, ein attraktives Weibchen, zwar primitiv, aber …

Nein, was er da dachte, war bestimmt nicht im Sinne seines Meisters. Er konzentrierte sich und begann, die übertragenen Daten zu sichten.

Die Despairs waren gewöhnliche Menschen und auch als Wissenschaftler ohne besondere Verdienste. Sie hatten sich während ihrer Studienzeit an der Waringer-Akademie auf Terra kennengelernt. Terra war demnach die Hauptwelt des Volkes der Terraner, dem auch Perry Rhodan angehörte. Offenbar hatte es jedoch Differenzen zwischen den Unsterblichen und dem normalen Volk gegeben, weswegen Rhodan mit seinen Gefährten eine Organisation mit dem Namen Camelot gegründet hatte. Ivan und Selina waren Rhodan aus Überzeugung gefolgt und arbeiteten nun in der Entwicklungshilfe für prästellare Völker.

Die Welt Neles gehörte dazu. Die humanoide Bevölkerung kannte noch keine Raumfahrt zwischen den Sonnensystemen. Es war ihnen zwar gelungen, ein paar primitive Satelliten in die Umlaufbahn des blauen Planeten mit seinen acht Kontinenten zu schicken, aber Cau Thon fand diese Technik einfach nur lachhaft. Er war versucht, die ganzen primitiven Satelliten einfach abzuschießen. Es wäre ein Vergnügen gewesen, die Panik und Ratlosigkeit der Neleser zu beobachten. Doch seiner Mission wäre diese Aktion nicht dienlich gewesen.

Cau Thon durchsuchte weiter die Aufzeichnungen. Demnach hatten die Neleser sogar die bemannte Raumfahrt bereits entdeckt und standen angeblich vor der bahnbrechenden Erfindung eines Triebwerkes mit einfacher Lichtgeschwindigkeit. Die acht Wissenschaftler von Camelot sollten diese Entwicklung beobachten und offensichtlich einen Erstkontakt herstellen. Cau Thon verstand schnell die Zusammenhänge. Es gab eine Vielzahl rivalisierender Mächte in der Galaxis. Camelot wollte verhindern, dass das arkonidische Kristallimperium oder das Forum Raglund auf die Neleser aufmerksam wurde und sie vor einer möglichen Ausbeutung bewahren. Selbst dem eigenen Machtblock, der Liga Freier Terraner, schienen diese relativ Unsterblichen nicht mehr zu vertrauen.

Der Sohn des Chaos empfand diesen Versuch als äußerst naiv. Selbst wenn Neles nicht Teil eines Imperiums werden würde, so war es doch der natürliche Lauf der Dinge, dass irgendwelche wirtschaftlichen Interessengruppen auf »legale« Art und Weise diese Welt ausbeuteten. Die Neleser würden aus der eigenen Habsucht heraus zustimmen und vermutlich nicht in Wohlstand und Freiheit leben, sondern in Abhängigkeit von extraterrestrischen Unternehmen oder Nationen.

Cau Thon bevorzugte die direkte Unterwerfung von Kulturen. Es war eine bloße Heuchelei, den Zivilisationen Rechte vorzugaukeln, die doch nur wenige Eliten besaßen. Doch eines Tages würde das ganze Konstrukt dieser Ordnung wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen. Dann würde das Chaos regieren. Und daraus eine neue Ordnung der Gerechtigkeit entstehen.

Das war seine Vision.

Das war seine Philosophie.

Und der Spross dieses terranischen Wissenschaftlerpärchens sollte eines Tages diese Pläne forcieren.

Die achtköpfige Crew wurde von 15 Robotern unterstützt, um das Raumschiff zu steuern. Darunter waren drei Kampfroboter der sogenannten MODULA-Serie und zwei Kampfroboter der TARA V UH – Baureihe. Die restlichen zehn Droiden waren Medo-, Service- oder Bauroboter.

Cau Thon sah sich die Akten der übrigen Besatzungsmitglieder an.

Der Terraner Eddie Alaban war Kosmopsychologe und galt als konservativer Christ. Das war offenbar eine Religion. Die blauhäutige Ferronin Darvynia war sowohl Astronomin als auch Entwicklungshelferin. Ron Horace, ein kantiger Plophoser, welches ein Kolonialvolk der Terraner war, war für die Sicherheit zuständig. Auf ihn musste Thon aufpassen. Der Gäaner Honorius Breank war Mediziner. Möglich, dass er noch eine Rolle in seinem Plan spielte.

Die anderen beiden Crewmitglieder waren unwichtig. Sie waren für den Betrieb des Raumschiffes zuständig. Ein Unither mit dem Namen Dytch und ein Jülziish. Während das Rüsselwesen für den Maschinenraum zuständig war, steuerte der tellerköpfige Gataser Vülitaar Öckgüühn das Raumschiff.

Der Sohn des Chaos öffnete einen Logbucheintrag von Ivan Despair. Der Bericht war mit der Notiz »Privat« klassifiziert. Was hatte der Wissenschaftler von der Welt Nosmon, einer terranischen Kolonialwelt, wohl zu erzählen? Woran dachte er? Welche Schwächen besaß er?

Logbucheintrag Ivan Despair

23. März 1264 NGZ

Wir beobachten den Planeten Neles inzwischen seit 68 Tagen. Unser Team hat in dieser Zeit einige wertvolle Erkenntnisse gewonnen. Wir haben viel über die Infrastruktur, die Gesellschaft und die Politik als auch den technischen Fortschritt in Erfahrung gebracht.

Die Kultur und Gesellschaft der stark menschenähnlichen Bevölkerung erinnerte an das 20. Jahrhundert Terras. Durch viele Kriege waren sie jedoch sensibler, was den Umgang miteinander anging. So brauchten sie keinen Perry Rhodan, um sich zu vereinigen. Der Prozess war noch nicht abgeschlossen, doch sie befanden sich auf gutem Weg.

Die meisten Staaten waren demokratisch organisiert. Die Religionsformen waren nur schwach ausgeprägt. Alle Nationen von Neles verband der Wunsch, das Weltall zu erkunden, um einer Ressourcenknappheit auf ihrem Planeten zu entgehen. Sie wussten offenbar, dass der Kampf um Süßwasser, Öl und Nahrung sie irgendwann wieder in den Krieg gegeneinander führen würde. Sie waren durchaus reif genug, um der Völkergemeinschaft der Milchstraße vorgestellt zu werden.

Aufgrund unserer Analysen legte ich heute den Termin für den Erstkontakt fest: Dieser sollte am 01. Mai 1264 NGZ erfolgen.

Es war mir nur recht, wenn wir früher als geplant nach Camelot zurückkehren würden. Die Nachricht von der Schwangerschaft von Selina vor einem Monat hatte mich überrascht.

Oh, meine geliebte Selina. Du warst schon immer für Überraschungen gut. Ausgerechnet während unserer Expedition waren wir plötzlich in freudiger Erwartung. Gut, ich war an diesem Umstand nicht unbeteiligt und ich freute mich von ganzem Herzen auf unser erstes Kind.

Ich liebte Selina und es war eigentlich egal, wo wir uns in der Milchstraße befanden. Wo sie war, war meine Heimat. Wo sie war, war ich glücklich. Und dieses Gefühl würde nur noch viel intensiver werden, wenn wir zu dritt waren. Ich konnte mein Glück schwerlich fassen. Sie war doch die einzige, die so einen schüchternen Wissenschaftler wie mich überhaupt nehmen wollte. Ausgerechnet so eine tolle Frau wie Selina. Das Leben war gut zu mir gewesen. Und es wurde Zeit, davon etwas zurückzuzahlen.

Die Bewohner des Planeten Neles hatten eine gute Zukunft verdient. Sie sollten wissen, was sie erwartete, wenn sie ihren ersten Flug mit Lichtgeschwindigkeit durchführten. Es war nur fair, sie vor den Gefahren des Weltalls zu warnen und über die Vorzüge und Möglichkeiten zu informieren.

Die Neleser sollten die Terraner, Arkoniden, Blues, Topsider und anderen Völker kennenlernen, jedoch ohne von ihnen okkupiert und ausgenutzt zu werden. Das Klima in der Milchstraße war für meinen Geschmack viel zu angespannt.

Die grigorische Doktrin und unsere verblendeten Ersten Terraner hatten mich schließlich nach Camelot gebracht. Ich hatte vor fünf Jahren riesige Angst. Zwar war ich auf Nosmo geboren, doch als Student auf Terra hatte ich mich an das Leben dort gewöhnt. Ich hatte Selina kennen und lieben gelernt. Wäre sie nicht mitgekommen, hätte ich mich niemals zu diesem Schritt durchgerungen. Doch die letzten fünf Jahre auf Camelot waren gute Jahre gewesen. Es herrschte kein aufgeheiztes Klima und keine Rivalitäten zwischen den Völkergruppen. Außerdem waren die Zellaktivatorträger sehr umgängliche Lebewesen und keine arroganten Halbgötter, wie uns auf Terra weisgemacht wurde.

Bei meiner ersten Begegnung mit Perry Rhodan hatte ich weiche Knie bekommen, doch er war so freundlich und umgänglich gewesen. Alle Zellaktivatorträger waren es, obwohl ich längst nicht jeden kennengelernt hatte. Reginald Bull und Atlan sowie den kleinen, putzigen Gucky und seinen mächtigen Freund Icho Tolot. Der Anblick von Halutern war immer etwas Besonderes. Dabei war dieses Exemplar friedfertig und höflich, obgleich ich damals tierische Angst vor ihm hatte. Die Zellaktivatorträger gaben uns das Gefühl, an ihrem Schaffen teilzuhaben und ein wichtiger Bestandteil von Camelot zu sein.

Ich hatte das Gefühl, Teil von etwas Bedeutendem zu sein. Meine Arbeit wurde gewürdigt und ich leistete einen sinnvollen Beitrag als Beobachter von präinterstellaren Zivilisationen.

Was wollte ich mehr?

*

Rührend! Despair war ein schwächlicher, romantischer Idealist. Cau Thon realisierte nun, dass er sich wohl eine ganze Weile in diesem öden Sonnensystem aufhalten musste.

Es dauerte neun Monate, ehe die Frau gebar. Er konnte jetzt noch nicht tätig werden. Die erste Phase seines Plans konnte der Sohn des Chaos also erst nach dem 1. Mai der hiesigen Zeitrechnung durchführen. Auf dem Raumschiff der Cameloter war eine Kontaktaufnahme nicht ratsam.

Es musste auf Neles geschehen.

*

Am Abend des 30. März saßen die acht Wissenschaftler in trauter Runde im Gemeinschaftsraum der HAWKING und speisten. Cau Thon beobachtete sie über die Kameras. Niemand von den Beteiligten ahnte, dass die Kameras aktiv waren.

»Angedünsteter Muurtwurm in Magenspeichel. Lecker, lecker!«, freute sich der so genannte Blue über seine noch lebende Mahlzeit. Was sollte Cau Thon dazu sagen? Immerhin verzogen auch die anderen das Gesicht.

»Ich bevorzuge ein Schnitzel plophosischer Art«, erwiderte Ron Horace und rieb sich über seinem großen Teller die Hände.

Offenbar ließ sich jedes Crewmitglied eine eigene Mahlzeit zubereiten. Augenscheinlich ging es den Wissenschaftlern von Camelot sehr gut an Bord ihres kleinen Forschungsraumschiffes.

Selina fütterte fürsorglich ihren Mann mit einem Happen ihres Nudelauflaufes. Die Ferronin Darvynia quittierte das mit einem lauten Kichern.

Eddie Alaban hingegen betete, bevor er anfing zu essen. Der Unither packte die Nahrung mit seinem Rüssel und stopfte sie sich dann in seinen großen Mund.

Der Bordarzt Honorius Breank lächelte mal hier und da, sprach aber wenig. Er wirkte schüchtern und zurückhaltend. Je mehr Wein er jedoch trank, desto gesprächiger wurde der Mediziner.

Ivan Despair stand auf und erhob sein Glas. Cau Thon hatte gelernt, dass es sich um einen sogenannten Toast handelte, ein Trinkspruch, der bei besonderen Anlässen ein terranischer Brauch war.

»Wir werden in drei Tagen mit der Errichtung der provisorischen Station beginnen. Die Konstruktion wird vermutlich zwei Wochen dauern. Damit machen wir den nächsten wichtigen Schritt«, verkündete der Expeditionsleiter.

»Auf Neles!«, sagte Eddie Alaban und hob sein Glas.

Die anderen wiederholten den wenig kreativen Trinkspruch.

»Ich habe den Tarngenerator überprüft und noch einmal getestet«, erklärte der Unither Dytch. »Sofern die Neleser nicht direkt über unsere Station stolpern, wird sie niemanden sehen oder orten.«

Ivan Despair bedankte sich bei seinem Techniker und bat die anderen, sich nun den Magen vollzuschlagen.

»Habt ihr schon einen Namen?«, fragte die blauhäutige Frau mit der unattraktiv gewölbten Stirn. Sie war Ferronin. Die Ferronen gehörten zu den ältesten Verbündeten der Terraner.

 In den Pionierzeiten war Perry Rhodan in das benachbarte Wegasystem vorgedrungen, als er auf der Suche nach der regionalen Superintelligenz war.

»Geoffrey Abel oder Arno«, antwortete Ivan.

Selina gab ihm einen Klaps auf die Schulter.

»Und wenn es ein Mädchen wird? Außerdem gefallen mir die ganzen Wissenschaftlernamen nicht. Arno oder Geoffrey Abel klingt so alt …«

Sie machte einen Schmollmund und rührte mit der Gabel in ihrem Nudelauflauf.

»Albert oder Steven wäre auch eine Möglichkeit«, meinte Ivan mit einem süffisanten Lächeln.

Beide lachten herzlich und gaben sich einen Kuss. Die anderen sechs betrachteten das mit einem Hauch peinlicher Berührung. Darvynia seufzte.

»Hach, ich hätte auch gerne wieder eine Lebenspartnerin oder zur Not auch einen Lebenspartner. Und ein Kind wäre auch mein Traum …«

Sie schielte zu Ron Horace herüber, der sich verlegen räusperte. Ihm war anzuerkennen, dass ihm dieses Thema unangenehm war und er kein Interesse an der Ferronin hatte. Das war nachvollziehbar. Obgleich sie anatomisch sicher kompatibel waren, war das Schönheitsempfinden selbst unter den Humanoiden sehr unterschiedlich ausgeprägt.

»Ach, ich bin mal froh, einige Monate Abstand von meinen 27 Kindern zu haben. Immer das Geschrei und Gezänk«, erklärte Vülitaar Öckgüühn, dann blickte er den zappelnden Muurtwurm an.

»Doch, mein kleiner Leckerbissen, ich verspachtle dich jetzt!« Dann stopfte er sich das zuckende Gewürm in die Mundöffnung an seinem Stielhals. Dabei tropfte die Soße herab.

»Du musst noch etwas an deinen Tischmanieren arbeiten, mein Freund«, mahnte Eddie Alaban.

»Wieso denn?«, piepste der Blue, während noch immer ein Stück Muurtwurm aus dem Mund hing.

Die anderen lachten herzlich. Die Stimmung unter der Crew war hervorragend. Sie hatten Spaß miteinander und mochten sich offenbar sehr.

»Wie sieht es eigentlich mit deinem Nachwuchs aus, Dytch?«, fragte Alaban.

»Ach«, der Unither winkte ab. »Meine Farytha ist doch erst im 32. Monat schwanger. Das dauert noch. Die Geburt bekomme ich bestimmt mit. Bis dahin haben wir die Mission beendet.«

Cau Thon fürchtete, dass das klobige Rüsselwesen einem Irrtum unterlag. Vermutlich würde er niemals sein Kind sehen. Der Sohn des Chaos hatte genug von der unbeschwerten Heiterkeit.

Es war Zeit für etwas Kampftraining und anschließender Meditation.