Kapitel 7 1282 NGZ

Die erste Dezemberwoche des Jahres 1282 NGZ war von einer humanitären, wirtschaftlichen und moralischen Krise geprägt, die durchaus die Regierung Daschmagan hätte zu Fall bringen können. Ich fühlte mich an die Regierungskrise von Medros Eavan erinnert. Seine dubiosen Machenschaften mit skrupellosen Unternehmern und der Administration von Mashratan hatten seinem Ansehen stark geschadet.

Ich war dank Homer G. Adams und Gazh Ala besser informiert, als die Medien der LFT. Es war der Organisation Camelot zu verdanken, dass die Wahrheit über die gefährliche Allianz zwischen Mashratan und der LFT ans Licht kam.

Camelot hatte diverse Berichte an wichtige Medien verschiedener Welten der LFT weitergeleitet und über unabhängige Plattformen auch selbst veröffentlicht. Die Presse wollte sich die Story dann doch nicht entgehen lassen, da sie um die Auflage fürchtete.

Mashratische Söldner unterstützen terranische Unternehmen bei der Ausbeutung unterentwickelter Planetensysteme.

Es klebt Blut an den Händen der LFT.

Mashratan und Kosmische Hanse versklaven Kolonialbevölkerungen.

Das waren nur einige der Überschriften des 03. Dezember 1282 NGZ. Was war geschehen? Agenten von Camelot hatten die Arbeitsbedingungen auf einigen assoziierten LFT-Welten und unabhängigen Planetensystemen dokumentiert. Schutztruppen von Mashratan als auch Söldner von Tochterfirmen, die in Verbindung mit Mashratan standen, versklavten die Bevölkerung. Unter unwürdigen Bedingungen schufteten die Intelligenzwesen für einen Hungerlohn. Doch am meisten entsetzte die Bürger der LFT, für wen die bedauernswerten Wesen ackerten: Es waren terranische und arkonidische Unternehmen.

Während das Kristallimperium diesen Machenschaften kaum Bedeutung beimaß, entrüsteten sich Wesensrechtler, sozial engagierte Ligabürger, die Kirchen und auch der ganz normale Bürger auf der Straße.

Zuerst dementierten die Hanse und Shorne Industries die Verbindungen. Der neue Geschäftsführer Michael Shorne, der seinen im letzten Jahr seinen verstorbenen Vater Willem beerbt hatte, erklärte vor der Presse: »Ich habe ein absolut reines Gewissen. Wir haben Sicherheitsfirmen beauftragt, für das Wohl und die Sicherheit unseres Personals zu sorgen. Das schließt die fleißigen Arbeiter natürlich mit ein, die jederzeit einen fairen und ihren Lebensbedingungen angemessenen Lohn erhalten haben«, lautete die Stellungnahme von Shorne.

Doch die Recherchen ergaben etwas anderes. Mit Brutalität wurden die Wesen zu ihrer Arbeit gezwungen. Auf Terra hatte es so etwas seit den Tagen, als Perry Rhodan die Dritte Macht gegründet hatte, nicht mehr gegeben.

Die Kosmische Hanse bestritt natürlich jegliche Misshandlungen und deklarierte die Berichte als Fälschungen. Mein »Freund« Bekket Glyn witterte eine »rhodanistisch-jülziische« Verschwörung, die von »linksradikalen Sozialromantikern« auf Terra unterstützt worden sei. Rhodan inszeniere eine große Show, um die wirtschaftlichen Eckpfeiler und Eliten der LFT zu demontieren. Das wäre eine feindliche Machtübernahme durch die Rhodanisten, hatte Glyn in seiner Sendung erklärt.

Wieso war der eigentlich nicht schon längst entlassen? Aber gut, das war die freie Meinungsäußerung. Im Zweifelsfall sollte der Zuschauer selbst entscheiden, ob er diesen Stuss glaubte oder nicht. Das konnte man von einem raumfahrenden Intelligenzwesen doch eigentlich erwarten, oder?

Der Druck wurde in den nächsten Tagen nicht geringer. Paola Daschmagan rief eine Sondersitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein. Es war klar, dass sie um ihren Posten fürchtete. Dabei hatte sie vor nicht allzu langer Zeit Oberst Kerkum auf Terra noch hofiert.

Einige Stunden später folgte die offizielle Verlautbarung, die von der Ersten Terranerin höchstpersönlich vorgetragen wurde.

»Wir sind entsetzt über die Gräueltaten der sogenannten Sicherheitsfirmen und distanzieren uns von deren Brutalität. Nach intensiven Gesprächen mit den darin verwickelten terranischen Unternehmen versprechen wir eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen nach terranischem Vorbild. Wir werden Verhandlungen mit den Administrationen der betroffenen Welten führen, um sie an dem Fortschritt der LFT teilhaben zu lassen.

Im Einvernehmen mit den Vorständen der beteiligten terranischen Unternehmen werden die Verträge mit sämtlichen Sicherheitsfirmen aufgekündigt.

Unsere Handelsbeziehungen mit Mashratan müssen wir überdenken. Vorerst werden wir die Geschäfte auf Eis legen. Als moderne Demokratie müssen wir die Rechte eines jeden Individuums in der Galaxis achten und dürfen Vergehen gegen die Würde eines Intelligenzwesens keinesfalls gestatten.

Wir möchten die Regierung und das Volk von Mashratan zum Dialog und zu der Einführung einer Demokratie ermutigen.«

Das Motto hieß ganz klar Schadensbegrenzung. Ich zweifelte daran, dass den Verantwortlichen wirklich das Wohlergehen der ausgebeuteten Welten am Herzen lag. Sie hätten sonst schon längst die Beziehungen mit Mashratan abgebrochen. Doch war Mashratan wirklich der Alleinschuldige? Wurden seine Dienste nicht vielmehr von der LFT bezahlt? Es war aus rein ökonomischer Sicht für die terranischen und arkonidischen Unternehmen von Vorteil, je billiger die Produktionskosten waren. Wenn die Arbeiter auf den Planeten unter den gleichen Bedingungen wie auf Terra arbeiten würden, wäre der Vorteil dahin. Wenn eine demokratische Regierung, die nicht in die eigene Tasche wirtschaftete, sondern die Rohstoffkonzessionen fair im Interesse des eigenen Volkes aushandelte, würden die Geschäftemacher, die nur ihren eigenen Profit im Sinn hatten, ihre Felle davonschwimmen sehen.

Auf Kosten anderer zu leben war jedoch trotz aller eher negativen Veränderungen der Gesellschaft in der LFT verpönt. Das wusste Daschmagan und im Gegensatz zu ihrem Vorgänger hatte sie schnell gehandelt. Vielleicht steckte auch der starke Mann im Hintergrund dahinter. Der LFT-Kommissar Cistolo Khan galt für viele als Mann der Tat und der schnellen Entscheidungen. Vielleicht war die Auswahl von Khan zum LFT-Kommissar das bisher größte Glanzstück der Ersten Terranern gewesen.

Die Regierung der LFT hatte zumindest aus ihrer Sicht folgerichtig gehandelt. Sie distanzierte sich von diesen Aktionen, zwang die Unternehmen zu einer sauberen und fairen Partnerschaft mit den unterentwickelten Planeten und stempelte Mashratan zum Sündenbock. Doch die Manager der terranischen multigalaktischen Konzerne gehörten genauso geächtet. Aber dazu würde es natürlich nicht kommen. Zwar begrüßte die breite Mehrheit der Bevölkerung die Entscheidung, doch es gab auch kritische Stimmen aus dem nationalistischen Lager und den Wirtschaftsverbänden.

Der Präsident der Unternehmervereinigung Koether hatte sich wie folgt geäußert: »Es ist bedenklich und gefährlich, wenn die Regierung der LFT glaubt, sich so tief greifend in die sozialen Verhältnisse einer fremden Welt einzumischen. Aus ökonomischer Sicht schwächt es unsere Wettbewerbsfähigkeit, wenn utopische Forderungen zur Arbeitsverbesserung gestellt werden.«

Koether drohte außerdem damit, in der Produktion den Anteil von Robotern zu erhöhen, da diese weniger kostspielig seien, als Arbeiter mit »unverschämt hohen Gehältern«.

Dabei vergaß er jedoch, das Arbeiterschutzgesetz, welches besagte, dass ein Intelligenzwesen auf eigenen Wunsch jederzeit bevorzugt vor einem Roboter eingestellt werden musste. Allerdings wurden viele Jobs auch nicht gerne von Lebewesen übernommen. Und dieses Gesetz galt natürlich nicht auf jedem Planeten.

Nun, die Regierung Daschmagan hatte eine Krise abgewendet. Doch wie würde Oberst Kerkum auf die wirtschaftlichen Sanktionen reagieren?

Jaaron Jargon im Dezember 1282 NGZ