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Band 89

Quarterium-Zyklus


Triumph des Quarteriums

Des Emperadors Flotte eilt von Sieg zu Sieg


Jürgen Freier



Was bisher geschah Hauptpersonen des Romans
Seit Anfang 1305 NGZ tobt ein intergalaktischer Krieg zwischen Dorgon, Cartwheel und den estartischen Galaxien.

In Cartwheel selbst löst das Militärregime mehr und mehr Proteste aus. So schließen sich linguidische Friedensstifter zusammen und fordern den Frieden für Cartwheel. Doch das Quarterium stellt die Linguiden als Verbrecher hin und nimmt dies zum Anlass, mit den Reichsgegnern aufzuräumen.

Einer davon ist die USO, die von der CIP aufgerieben wird. Doch die meisten Verbände können dank einer Warnung von Osiris entkommen. Das Quarterium gibt sich mit diesem Sieg jedoch nicht zufrieden und versucht, Saggittor und Akon auszuschalten. Die dabei von den Arkoniden unter Jenmuhs verübten Gräuel rufen die Galornen auf den Plan, die ihre Isolationspolitik aufgeben und durch Shifting das Quarterium befrieden wollen.

In dieser Situation lässt der Emperador die Bestien unter Torsor von der Leine. Galornia wird zerstört und verschwindet unter geheimnisvollen Umständen aus dem Raum-Zeit-Kontinuum. Doch die Galornen nehmen viele ihrer Gegner mit in den Tod.

Saggittor und Akon kapitulieren.

Anfang Juli 1306 NGZ scheint ganz Cartwheel unterworfen. Das Ziel der Söhne des Chaos ist beinahe erreicht und führt zum TRIUMPH DES QUARTERIUMS …
Ronald Kreupen – Die CIP jagt den Chronisten.

Emperador Don Philippe Alfonso Jaime de la Siniestro – Der Spanier am Ziel seiner Wünsche – er ist Herrscher über ganz Cartwheel.

Jaaron Jargon, Nataly Andrews und Kathy Scolar – Sie entkommen im letzten Augenblick und machen sich einen Todfeind.

Perry Rhodan – Der Terranische Resident auf der Reise durch drei Galaxien und am Ende seiner Geduld.

Michael Rhodan alias Roi Danton – Perry Rhodans Sohn spielt ein gefährliches Spiel.

Conan, Henry Morgan, Anne Bonny – Roi Dantons Begleiter.

1. Zu Macht und Glorie

25. Juni 1306 NGZ

Die EL CID stand auf dem zentralen Raumhafen Saggittors. Seit einigen Tagen hatten Pioniereinheiten der Flottengruppe »Süd« den Raumhafen und die unmittelbare Umgebung instand gesetzt. Der Emperador hatte Wert darauf gelegt, dass bei der geplanten Übertragung seiner Rede an die Nation nichts auf die umfangreichen Zerstörungen hinweisen würde, die von den beiden Dolan-Angriffen zurückgeblieben waren.

Am Rande des gewaltigen Landefeldes hatte man eine ebenso gewaltige Tribüne aufgebaut, die in ihrer Form an den Arc de Triomphe in Paris erinnerte. Auf dem freien Platz zwischen der EL CID und der Tribüne hatten etwa eine halbe Million ausgesuchte Soldaten des quarterialen Heeres und der Raumflotte Aufstellung genommen, die stellvertretend für alle anderen ausgezeichnet werden sollten. Alle Soldaten trugen die weiße Galauniform mit roten Seitenstreifen.

Der Emperador landete mit einem Shift vor der gewaltigen Tribüne und begab sich, gemessen über einen in den Farben des Quarteriums gehaltenen Teppich schreitend, zum aufgebauten Rednerpult. Die Objektive unzähliger Feldkameras fingen jeden Schritt, jede kleine Geste ein. Begleitet wurde er von Uwahn Jenmuhs und Cauthon Despair, die wenige Meter hinter ihm zur Tribüne schritten.

Die drei Regenten des Quarteriums nahmen ihre Position im Hintergrund ein, während Erzbischof Kardinal Lukas VI. hinter das Rednerpult trat. Das Oberhaupt der Christlichen Vereinigungskirche Cartwheels trug einen blutroten Ornat aus Samt, eine schwarze Tiara und um die Schultern eine weiße Mozzetta mit dem Staatsemblem des Quarteriums.

Der Erzbischof begann seine Predigt, indem er dem Emperador dafür dankte, die »gottgewollte Ordnung« gegen die Mächte der Häresie und der Irrlehre, gegen die Vertreter der Unmoral und Zersetzung aller Werte zu verteidigen. Besonders hob er hervor, dass nur die Politik des Quarteriums die Gewähr dafür bieten würde, die gottgewollte Herrschaft des Menschen über die niederen »Tierrassen« zu erhalten.

Und in diesem Sinne ging es endlos weiter …

*

In einem ausgedehnten unterirdischen Komplex unterhalb des ehemaligen Kanzlerpalastes saßen zwei Männer in schwarzen Uniformen vor einem Trivid-Gerät und verfolgten die Siegesfeier. Es waren Werner Niesewitz und der neue Beauftragte der Artenbestandsregulierung, Reynar Trybwater. Trybwater unterstützte Generalkommandeur Stevan da Reych in allen Belangen der ABR.

Die Stimmung der beiden war gelöst, woran die obligatorische Schnapsflasche, die zwischen ihnen kreiste, nicht unbeteiligt war. Niesewitz gab einige Zoten über »Kuttenärsche« zum Besten, was Trybwater mit schallendem Gelächter beantwortete. Plötzlich wurde Niesewitz ernst.

»Reynar, führ dir mal dieses Dossier zu Gemüte. Du findest in ihm einige interessante Informationen über unseren ach so moralischen Erzbischof und seine Bande von Kuttenträgern.«

Mit diesen Worten warf er Trybwater einen Hefter zu, in den sich der Angesprochene sogleich vertiefte. Während der Lektüre wurde das Gesicht des hochgewachsenen Terraners immer angespannter. Schließlich warf er das Dossier auf den Tisch und stieß einen schrillen Pfiff aus.

»Marschall, das darf doch nicht wahr sein. Und Siniestro ist tatsächlich über alles informiert?«

»Natürlich. Man könnte auch sagen, dass er das Ganze initiiert hat. Und vor allem, nicht zu vergessen, fließen zwanzig Prozent der Einnahmen aus Kollekten, Spendenaufrufen, diversen Bordellen und Sklavenfarmen direkt in die Privatschatulle der Siniestros. Woraus finanziert unser hochgeschätzter Emperador samt seiner Clique von Speichelleckern wohl seinen verschwenderischen Lebensstil?

Darüber hinaus bilden die Kuttenträger eine Art Geheimpolizei, die ausschließlich in Siniestros Sinne handelt. Es gibt dazu eine historische Parallele in der Frühgeschichte Terras, wo die damalige römisch-katholische Kirche genau die gleiche Funktion bei der Stabilisierung des feudalen Systems hatte. Siniestro versucht, das Gleiche hier aufzuziehen. Ich habe dir mal Informationen aus dieser Zeit zusammengestellt.«

Mit diesen Worten übergab Niesewitz mehrere Datenkristalle an Trybwater.

»Besondere Beachtung verdienen hier vor allem die Darstellungen zu den Jesuiten und dem Opus Dei. Nach meiner Meinung wird Siniestro irgendwann versuchen, ein feudales System nach dem Muster des terranischen Mittelalters aufzubauen – seiner Zeit. Es ist doch furchtbar, wenn Menschen versuchen, eine moderne Welt in jene Zeit umzuwandeln, in der sie geboren wurden …«

Dann wandten sich beide wieder der Übertragung zu. Der Erzbischof hatte seine Predigt beendet und übergab dem Emperador das Wort. Dieser dankte ihm für seine bewegende Ansprache und begann seine eigene Rede.

*

»Volk des Quarteriums, meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ich trete heute vor die Nation, fast genau sechs Monate nach den aus niederträchtigen Motiven möglich gemachten Ereignissen zur Jahreswende, über die mein Stellvertreter, der Gos’Shekur Uwahn Jenmuhs, die Nation in seiner Neujahresansprache informierte, um bekannt zu geben, dass Zwietracht und Hass, der Kampf Bruder gegen Bruder, für immer der Vergangenheit angehören.

Genau wie der Gos’Shekur es angekündigt hat, haben wir die Feinde des Friedens, die niederträchtigen Terroristen der USO und die mit ihnen verbündeten Republiken Saggittor und Akon geschlagen und ihre Machtbasis vernichtet. Leider war unser Sieg nicht vollständig, denn nachdem wir ihr Treiben unterbanden, konnten die Verbrecher sich dem Arm unserer Gerechtigkeit entziehen, indem sie feige das Weite suchten, als ihre dämonischen Pläne gescheitert waren.

Dieser Kampf hat auf unserer Seite viele unschuldige Leben gekostet, viele Familien werden um den Vater, die Mutter, um den Sohn oder die Tochter trauern. Sie alle haben ihr Leben für die Sache der Freiheit und Gerechtigkeit geopfert. Wir werden sie nie vergessen! Ich rufe in dieser Stunde dazu auf, den Gefallenen ein ehrendes Gedenken zu bewahren. Ehren wir die Toten durch einen letzten Salut.«

Mit diesen Worten trat der Emperador zwei Schritte zurück und salutierte. Gleichzeitig salutierten die versammelten Soldaten und die Staatshymne erklang. Vom Rande des Landefeldes schossen fünfhundert altertümliche Mörser, die man extra für diesen Anlass nachgebaut hatte, zwölfmal Salut. In der Stille nach dem ohrenbetäubenden Getöse trat der Emperador erneut ans Rednerpult. Er streckte die Hand aus.

»Doch ich erkläre feierlich, dass nicht Hass und Rache unsere Politik bestimmen werden. Im Gegenteil! Ich reiche den verführten und aufs niederträchtigste belogenen Brüdern und Schwestern der befreiten Republiken die Bruderhand. Unser Ziel ist es, sie als gleichberechtigte Mitglieder in den Bund der lemurischen Völker Cartwheels aufnehmen.

Die lemurischen Völker des Quarteriums werden die Verwaltung in den beiden Republiken übernehmen, bis die Folgen der Herrschaft der alten Verbrecherclique ein für alle Mal getilgt sind. Für die innere Sicherheit, für die Garantie von Recht und Ordnung wird allein die CIP als Polizeibehörde zuständig sein. Ich erkläre ausdrücklich, dass kein Bürger der bisherigen Republiken Saggittor und Akon um sein Leben, sein Eigentum oder seine Bürgerrechte fürchten muss, sofern er sich an die Gesetze des Quarteriums hält.

Ich möchte hier jedoch auch eine Warnung an all diejenigen aussprechen, die unsere ausgestreckte Hand nicht ergreifen wollen. Für alle, die nicht bereit sind, ihre egoistischen Interessen der Volksgemeinschaft der lemurischen Völker unterzuordnen, wird unsere ausgestreckte Hand zur Faust werden. Jene, die unsere Gesetze nicht respektieren, siedeln wir in autonome Gebiete um. Dort können sie mit anderen Gesetzlosen ihr Dasein fristen und über ihre Fehler nachdenken. Aufgrund tiefer Zerwürfnisse und Differenzen in Kultur und Lebensweise zwischen Linguiden und Menschen wird auch auf Lingus ein solch autonomes Gebiet entstehen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es besser, Feinde und Anhänger des Quarteriums voneinander zu trennen.

Lassen Sie mich nun zum Abschluss noch einige Worte zur außenpolitischen Lage sagen. Wir haben zwar den Frieden im Innern wiederhergestellt, doch unsere Gegner ruhen nicht. Nach wie vor stehen unsere Brüder und Schwestern in den estartischen Galaxien in einem verzweifelten Kampf gegen aufgehetzte nichtmenschliche Rassen, die durch die verbrecherische Clique der geflohenen ehemaligen Regierung in ihrem Terror gegen die Einheit der lemurischen Menschheit gestärkt werden.

Gleichzeitig verleumden die Regierenden in unserer alten Heimatgalaxis unsere Volksgemeinschaft. Sie versuchen alles, um das gewaltige Werk der Einigung zu hintertreiben. Ich rufe von hier aus den Repräsentanten der LFT zu: Beenden Sie Ihre Politik der Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten! Stellen Sie Ihre Unterstützung von Terroristen und geflohenen Verbrechern ein! Lassen Sie uns die Missverständnisse und Differenzen am Verhandlungstisch klären statt durch das schmutzige Mittel des Terrorismus!

Ich bin jederzeit dazu bereit, mich mit Ihnen an jedem beliebigen Ort zu treffen, um Frieden zu schaffen. Lassen Sie nicht zu, dass es zwischen Terranern und Terranern zum Bruderkrieg kommt. Ich mache der Regierung der LFT hiermit das Angebot, über die Bildung einer Verteidigungsföderation zu verhandeln. Unsere Nationen brauchen Frieden und Kooperation statt Verleumdung und Krieg. Geben Sie uns den Frieden!

Bürgerinnen und Bürger! Ich danke Ihnen allen dafür, dass Sie Ihr Leben und das Leben Ihrer Angehörigen für die Freiheit und die Unabhängigkeit unserer gemeinsamen Heimat in die Waagschale werfen. Sie sind die Krone der lemurischen Rasse. Es lebe die vereinigte Nation der lemurischen Menschheit, die durch das Quarterium repräsentiert wird. Es lebe ein geeintes, freies und friedliches Cartwheel!«

Auf diese Worte folgte donnernder Applaus. Niesewitz wandte sich an Trybwater und meinte:

»Na, war er nicht großartig, unser aller Emperador? Der könnte sein Geld auch mit dem Verkauf gebrauchter Gleiter verdienen. Ein genialer Redner! Prost!«

Sie ließen wieder die Flasche kreisen und grinsten sich gegenseitig an.

»Reynar, ich habe noch eine wichtige Aufgabe für dich. Irgendwo auf Saggittor ist dieser verdammte linguidische Chronist untergetaucht samt seiner Nichte und diesem terranischen Betthäschen, das neuerdings die Verlobte von Aurec sein soll. Es wäre für uns äußerst wichtig, die drei als Geiseln in die Hände zu bekommen.«

»Ich werde mich sofort um sie kümmern, Marschall. Die sitzen auf Saggittor fest, da wir die Raumhäfen bereits kontrollieren.«

»Nein, nein! Nicht so. Du musst immer noch einiges lernen, Reynar! Halte dich, sofern es geht, immer im Hintergrund und lass andere die Dreckarbeit machen. Warum meinst du, bin ich nicht da draußen, bei dieser glorreichen Siegesparade? Ich bin seit über drei Jahren nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten. Das überlasse ich dem Emperador und seinen Speichelleckern. Ziehe die Fäden aus dem Hintergrund, lass andere für dich arbeiten.

Ich denke dabei an diesen Versager Kreupen. Setz den auf den Chronisten und seine Weiber an, der hat noch etwas gutzumachen. Ich habe mir mal sein Dossier genauer angesehen. Der Herr meint noch immer, dass er etwas Besonderes ist.«

Trybwater unterbrach den Redefluss.

»Wie meinen Sie das, Marschall?«

»Unser ehemaliger Bezirkskommandeur hat bisher immer seine Hände in Unschuld gewaschen. Ich denke, dass es an der Zeit ist, den Herrn mal mit der blutigen Seite unseres Geschäftes bekannt zu machen. Ich hab mir da Folgendes überlegt: Joharr ist noch immer auf Lingus inhaftiert und für uns inzwischen ohne Wert. Also ist es an der Zeit, ihn zu seinen Göttern zu schicken. Lass das …«

Trybwater unterbrach ihn wieder, diabolisch grinsend.

»Ich habe Sie jetzt genau verstanden, Marschall. Sie sind einfach genial!«

»Ja, und anschließend erhält unser ach so korrekter Bezirkskommandeur die Gelegenheit, sich in unserem Sondertrakt abzureagieren. Und sorge bloß dafür, dass wir alles …«

»Aber Marschall, ich habe doch gesagt, dass ich Sie verstanden habe! Natürlich lasse ich Ihnen anschließend eine Kopie der Überwachungsaufzeichnungen zukommen!«

Auch Niesewitz grinste inzwischen diabolisch und nahm noch einen tiefen Zug aus der Flasche. Beide wandten ihre Aufmerksamkeit wieder der Übertragung zu. Auf dem Bildschirm wurde gerade die Ernennung von Sizemore zum Generalobersten gezeigt. Zusätzlich wurde er von Despair noch mit dem Sonnenstern erster Klasse ausgezeichnet.

»Narren, alles hirnlose Militärärsche, nur als Kanonenfutter zu gebrauchen!«, mit diesen Worten schaltete Niesewitz die Übertragung ab und schickte Trybwater los, um eine zweite Flasche zu holen.

2. Und wasche meine Hände in Unschuld …

Lingus Anfang Juli 1306 NGZ

Reynar Trybwater war inzwischen auf Lingus angekommen. Offiziell diente sein Besuch der Inspektion der »Freizeiteinrichtungen für Flottenangehörige«. Gleichzeitig wollte er sich ein Bild über die »Eingliederung« der Gruppe Zero machen.

Nachdem er sich in die Dossiers vertieft hatte, schüttelte er unwillig den Kopf. Die Unterlagen ergaben kein klares Bild. Sicher, die soldatischen Leistungen waren überragend, aber noch immer war »Meyers wilde Horde«, wie sie sich inzwischen selbst bezeichneten, in disziplinärer Hinsicht eine absolute Katastrophe. Es verging fast kein Tag, an dem sie nicht in irgendwelche Pöbeleien, öffentliche Saufgelage oder Schlägereien verwickelt waren. Selbst tätliche Angriffe auf Vorgesetzte waren an der Tagesordnung. Einzig die beiden Oxtorner schienen diese Truppe einigermaßen unter Kontrolle halten zu können. Doch die gesamten Unterlagen enthielten keinerlei Hinweise, dass sich ihre Einstellung zum Quarterium in irgendeiner Weise geändert hätte.

Trybwater seufzte und warf die Unterlagen vor sich auf den Tisch. Er hatte im Augenblick keine Zeit, dieses Problem zu lösen. Mit einigen kurzen Anweisungen erteilte er den Befehl, den gegenwärtigen Status der Gruppe beizubehalten und weiter zu beobachten. Danach schenkte er sich ein Bier ein und zündete sich eine Zigarette an. Er brauchte einige Minuten, um sich auf Kreupen vorzubereiten.

Ronald Kreupen wiederum blickte dem angekündigten Befehlsempfang bei Trybwater mit äußerstem Unbehagen entgegen. Er war sich klar darüber, dass er in Niesewitz’ Augen ein Versager war, nur weil er sich nicht an die übliche »Hau-Drauf«-Philosophie halten wollte. Seine Methoden waren toleriert worden, solange er Erfolg hatte. Nach dem Fiasko auf Mankind hatte er sich jedoch als einfacher Agent auf Lingus wiedergefunden, dazu verurteilt, unter brutalen Perversen seinen Dienst zu tun. Zwar hatte er über diese Seite der CIP Bescheid gewusst, es bisher aber verstanden, sie zu ignorieren und seine Weste einigermaßen sauber zu halten.

Nochmals überprüfte er den tadellosen Sitz seiner Uniform, auf der er die Rangabzeichen eines Bezirkskommandeurs schmerzhaft vermisste. Sein Rang hatte ihm immer Sicherheit gegeben, hatte ihn aus der Masse der hirnlosen Schlächter herausgehoben, von der er umgeben war. Doch nun war er einer von ihnen: ein einfacher Agent, nur ein ganz kleines Licht ohne den Schutz seines Ranges. Oh, diese brutalen Primitiven hatten es ihn spüren lassen, hatten ihn in den Dreck getreten, angespuckt und gedemütigt. Er hatte sich nicht wehren können. Ohne seinen Rang war er ein Nichts. Was ihn nun wohl erwartete?

Er klopfte an der Tür des Instruktionsraumes, den ihm Trybwater genannt hatte. Ein knappes »Herein« wurde hörbar. Kreupen riss sich zusammen, öffnete die Tür und machte Meldung.

»Agent Kreupen meldet sich befehlsgemäß zur Stelle, Oberstkommandeur!«

Trybwater hatte sich erhoben und starrte ihn mit stechendem Blick an. Der erwartete Befehl »Rühren« kam nicht. Der Blick der stahlgrauen Augen hielt ihn minutenlang gefangen. Kreupen begann vor Nervosität zu schwitzen. Doch die Augen blieben unerbittlich. Mit dem letzten Rest Selbstbeherrschung, der ihm noch geblieben war, zwang er sich, unbeweglich zu bleiben und diesem Blick standzuhalten.

»Kreupen, Sie scheinen einige Probleme mit Ihren Kameraden zu haben. Nicht, dass mich das bei einem Versager wie Ihnen wundert. Sie sind doch ein Versager, oder?«

»Ja, nein … Oberstkommandeur! Es waren ungünstige Umstände, ich wurde ausgetrickst … ich …«

»Hören Sie auf zu stottern, Sie Memme! Sie sind ein Versager, nichts weiter als ein aufgeblasener, unfähiger Versager. Aber ich gebe Ihnen nochmals eine Chance. Beweisen Sie mir, dass Sie aus einem anderen Holz geschnitzt sind. Hier haben Sie Ihren Befehl, ich erwarte umgehende Ausführung!«

Mit diesen Worten übergab ihm Trybwater eine Schriftfolie. Kreupen stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Mit zitternden Fingern hielt er die Folie an sich gepresst.

»Mensch Kreupen, worauf warten Sie noch? Lesen Sie endlich den Befehl!«

»Ja … jawohl … Oberstkommandeur!«

Er begann zu lesen. Mit jedem Wort wurde er blasser und begann schließlich zu zittern.

»Das, das kann ich nicht. Ich … ich bin doch kein Mörder!«

»Kreupen, Sie haben jetzt die Wahl. Beweisen Sie mir, dass Sie zu uns gehören, und zwar mit Haut und Haaren. Dann bekommen Sie Ihren alten Rang und Ihre Privilegien wieder, ansonsten sind Sie für uns wertlos!«

In seinem Kopf drehte sich alles. Seine Gedanken überschlugen sich. Was sollte er tun? Dann nahm er sich zusammen. Er hatte keine andere Wahl.

Vor Kreupen stand der Linguide, körperlich ein Wrack. Ein Fesselfeld hielt ihn aufrecht. Der ganze Körper war von den Spuren grausamer Misshandlungen bedeckt. Unversorgte Wunden eiterten und ein scharfer Geruch nach Fäkalien stieg ihm in die Nase. An den Armen waren Sonden befestigt, um ihn künstlich zu ernähren und dadurch am Leben zu halten, ohne ihn aus der Kontrolle durch das Feld zu entlassen.

Während seine Hand das Vibratormesser umklammerte, trat Kreupen etwas näher. Die Augen starrten ihn an. Augen, in denen der Wahnsinn stand. Sein eigener Körper begann unkontrolliert zu zittern. Da entschloss er sich, einen letzten Versuch zu wagen. Vielleicht konnte er seiner Nemesis noch mal entgehen.

»Joharr, Sie sind ein Narr, ein gottverdammter Narr. Was hat Ihnen Ihre Starrköpfigkeit bisher gebracht? Nichts, absolut nichts. Sie sind am Ende. Arbeiten Sie mit uns zu…«

Weiter kam er nicht. Der Linguide hatte den Kopf erhoben. Die Augen waren plötzlich klar, der Blick ungebrochen. Und dann spuckte er ihm ins Gesicht. Warm lief die Spucke seine Wange herunter und Kreupen verlor die Kontrolle über sich. Das Messer stach zu, immer wieder. Und dann war es vorbei, er brach zusammen …

Er registrierte, dass ihn jemand an der Uniformkombi nach oben zog und ihm das Messer aus der Hand nahm.

»Kreupen, jetzt gehören Sie richtig zu uns. Sie haben sich einen Tag Sonderurlaub verdient. Ich habe für Sie ein kleines Arrangement getroffen, um Ihren Hormonhaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Kommen Sie, Ihre Belohnung wartet!«

Fast willenlos folgte er Trybwater durch lange Korridore. Seine Uniform, seine Hände, sein Gesicht waren mit Blut befleckt. Dann öffnete sich ein Sicherheitsschott. Sein Blick erfasste den Raum. Eine nackte weibliche Gestalt, Ketten, Peitschen …, das ganze Instrumentarium, um Menschen zu quälen. Er stolperte in den Raum, während sich das Schott hinter ihm schloss. Mit einem dreckigen Grinsen aktivierte Trybwater einen Kontrollcode. Aus versteckten Düsen strömten bestimmte Pheromone in den Raum, wischten Kreupens Verstand fort und brachten ungehemmte Triebe zum Vorschein …

*

Er erwachte. Der Alptraum war allgegenwärtig. War es Traum, war es Wirklichkeit? Er sah sich um. Es war seine Kabine, sein Bett. Fast automatisch erhob er sich und begann sich anzuziehen. Sein Blick fiel auf die Hände: kein Blut, alles geradezu klinisch sauber. Wie eine Marionette bewegte er sich in die Nasszelle. Der Spiegel zeigte ihm seinen Oberkörper. Die Uniformkombi zierte die gewohnten Abzeichen, er hatte seinen Rang zurück, er war dem Nichts, der Bedeutungslosigkeit entkommen … der Schatten des Alptraums in seinem Bewusstsein verblasste.

3. Schuld und Schulden – oder: Alte Rechnungen werden eingetrieben

Paxus, Mitte Juli 1306 NGZ

In den vergangenen Wochen war Ruhe in der Insel eingekehrt. Man konnte auch von Friedhofsruhe sprechen. Die CIP hatte die Zeit genutzt und die Welten der eroberten Republiken mit einem Spitzelsystem durchzogen. Es war schnell gelungen, neue Agenten auszuheben: Die Verlockung von Macht und Privilegien wirkte auch hier.

Am 15. Juli 1306 trafen sich die in Cartwheel anwesenden Quarteriums-Fürsten wieder einmal im Moncloa-Saal des Paxus-Towers, um die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Torsor forderte, dass sofort mit den Vorbereitungen für eine Invasion in M 87 begonnen werden sollte. Er wurde dabei durch den Emperador unterstützt, während Despair schwerwiegende Einwände hatte.

Der Silberne Ritter führte vor allem aus, dass die Eroberung von M 87 das militärische Potential des Quarteriums weit überfordern und zu einer deutlich spürbaren Senkung des Lebensstandards in der Bevölkerung führen würde, da die gesamte Produktion auf Kriegswirtschaft umgestellt werden müsste. Als Folge der Invasion befürchtete der Quarteriumsmarschall, dass das Regime die Unterstützung der Bevölkerung verlieren und es zu sozialen Unruhen kommen würde.

Jenmuhs widersprach ihm: Auch er unterstützte die Invasion von M 87, sie sei unumgänglich, und er wies auf Geheimdienstmeldungen Leticrons hin, laut der USO und LFT versuchen würden, den Nachschub für die in den estartischen Galaxien operierenden Einheiten zunehmend über das in M 87 gelegene Sternenportal zu führen. Despair überzeugte er nicht, der blieb bei seiner ablehnenden Haltung.

In der Nacht wurde das alles plötzlich alles unwichtig. Die Söhne des Chaos erhielten den mentalen Befehl, sich sofort in einem der finstersten Kerker tief unter dem Paxus-Tower einzufinden. Sofort, unverzüglich …

Despair fröstelte, denn er erkannte, wer ihn gerufen hatte. Und er wusste, dass er dem Befehl Folge zu leisten hatte. Der fremde Mentalsplitter beherrschte seinen Geist und führte ihn in Regionen des Palastes, von denen er überhaupt nicht gewusst hatte, dass sie vorhanden waren. Längst waren die ausgebauten Kristallplastwände grob behauenem Fels gewichen. Fackeln flammten vor ihm auf und erloschen hinter ihm. Und dann stand er Rodrom gegenüber. Die Inkarnation MODRORs saß auf einem Thron aus Totenschädeln. Aus dem sichelförmigen Sehschlitz seines Helms strahlten die Augen in unheilvollem Rot. Torsor und Siniestro hielten sich bereits im Hintergrund des Kerkers auf.

»Du hast lange gebraucht, um zu mir zu finden! Zweifelst du?«

»Nein, aber …«

»Es gibt kein Aber. MODRORs Wille ist das Gesetz! Und MODROR will, dass M 87 fällt, dass die Konstrukteure des Zentrums vernichtet werden. Und dies nicht irgendwann, sondern jetzt. Hast du verstanden? Jetzt! Es spielt für MODROR keine Rolle, ob Millionen oder Milliarden krepieren, ob die hirnlosen Massen aufbegehren. M 87 muss fallen und zwar jetzt. Hast du das verstanden?«

Irgendetwas in Despair zerbrach, und er wusste, dass es seine letzten Illusionen waren. Schlachtvieh, sie waren nur Schlachtvieh, das auf dem Altar MODRORs geopfert wurde. Wie hatte er nur meinen können, dass er der Menschheit unter dem Joch MODRORs noch eine Zukunft verschaffen könnte?

Und er antwortete:

»Ich habe verstanden.«

»Dann ist es gut. Aber das ist noch nicht alles. MODROR will, dass ihr den Angriff auf die Milchstraße vorbereitet. Die Menschheit muss eins werden, ein Reich der Lemurabkömmlinge unter der Führung MODRORs. Die Milchstraße und Cartwheel werden das Zentrum von MODRORs Reich sein. Bist du auch hierzu bereit, Cauthon Despair?«

Und er antwortete: »Ich bin bereit!«

Die glutroten Augen schienen ihn zu durchdringen, seine geheimsten Gedanken zu erforschen. Dann trafen ihn die nächsten Worte von MODRORs düsterer Inkarnation wie Peitschenhiebe.

»Cauthon Despair, für dich gibt es nur MODROR. Er hat dich geschaffen, er ist dein Gott. Du existierst nur, weil MODROR es will, vergiss das nie! Nur weil MODROR es will!«

Mit diesen Worten entließ er den wie erstarrt dastehenden Silbernen Ritter aus dem Bann des glutroten Sichtschlitzes und blickte neben sich. Er fixierte den Emperador.

»Siniestro, mein Emperador von MODRORs Gnaden, auch für dich hat mein Herr eine Botschaft. Höre und gehorche! In wenigen Zeiteinheiten, ihr bezeichnet sie als Tage, wird der ehemalige Kosmokratengünstling Rhodan nach Cartwheel kommen. Empfange ihn, wie es seinem Rang gebührt. Gehe auf seine Bitte um Unterstützung ein und wiege ihn in Sicherheit, denn umso schlimmer wird das Erwachen dieses Narren sein. Nun könnt ihr gehen. Hütet euch, MODRORs Zorn zu erregen, hütet euch!«

Und die Herrscher Cartwheels schlichen wie geprügelte Hunde aus dem Angesicht ihres Herrn. Nur Torsor schien gänzlich unbeeindruckt.

*

Ausgebrannt und aufgewühlt kehrte Despair wieder in seine Kabine zurück. Doch dort fand er keine Ruhe. Immer wieder dachte er an Rodroms Worte. Seit dessen Rückkehr war die rote Inkarnation MODRORs noch finsterer geworden. Die Worte Rodroms ängstigten ihn zutiefst. Wieder kamen Zweifel auf, ob er das Richtige getan hatte. Immer wieder zwang er sich, MODROR zu dienen. Immer mehr gegen seine Überzeugung.

Er hatte Myrielle Gatto auf Som-Ussad wegsperren lassen, um sich nicht in sie zu verlieben, er hatte Sanna Breen zweimal getötet, um sein Herz nicht mit Liebe zu erfüllen, obwohl er sich so sehr danach sehnte. Aber ein Herz das liebte, vermochte nicht im Sinne von MODROR zu handeln. Gewaltsam verdrängte er seine Zweifel. Um auf andere Gedanken zu kommen, verließ er seine Räumlichkeiten und zog durch das Vergnügungsareal des Regierungsgebäudes. Hier speisten, tranken und feierten die Mitarbeiter ausgelassen. Man hatte ihnen eine Heimat gegeben.

»Hey, Cauthon.«

Despair drehte sich um. Brettany de la Siniestro strahlte ihn an. Sie trug ihr blondes Haar offen und dazu ein rotes, atemberaubendes Kleid. War ihr bewusst, wie schön sie darin aussah?

»Miss Brettany«, grüßte er sie.

»Was tust du denn hier? Ich habe dich hier noch nie gesehen.«

»Ich suche etwas Entspannung.«

Sie lächelte, hakte sich unter seinem Arm und zog ihn sanft mit sich. Sie deutete auf einen Tisch. Despair erkannte dort ihren Bruder Orlando, der mit Peter am Tisch saß. Dieser stierte seltsam vor sich hin.

»Seht mal, wer sich hierher verirrt hat«, rief Brettany überschwänglich. Nicht nur ihre beiden Brüder schauten auf, sondern auch fast alle im Raum. Es wurde merklich leiser, einige nahmen Haltung an. Alle hatten großen Respekt vor Cauthon Despair. Der Silberne Ritter begrüßte die Söhne des Emperadors und nahm an ihrem Tisch Platz.

Peter sprang auf und salutierte.

»Heeresführer de la Siniestro meldet sich gehorsamst!« Er schlug die Hacken zusammen. »Ich grüße den obersten Militärführer, den ehrenwerten Quarteriumsmarschall Despair!«

Peter meinte diesen Schwachsinn ernst! Despair zweifelte an seinem Verstand – nein, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, war ihm klar, dass der Sohn des Emperadors nicht normal war.

»Meine Brüder und ich sitzen hier oft, um nach der Arbeit noch etwas zu essen. Es ist nicht so steril wie im Madrider Schloss auf Siniestro. Außerdem ist Steph nicht hier.«

Brettany kicherte.

Orlando musste auch schmunzeln. Zugleich musterte er Despair mit einem gewissen Unbehagen. Der Silberne Ritter spürte, dass Orlando ihm misstraute. Peter hingegen bewunderte ihn. Peter war ein Narr, ein militärisch völlig unfähiger Idiot. Bis jetzt war es Despair und allen wichtigen Militärs gelungen, ihn aus fast allen Kriegseinsätzen herauszuhalten oder ihn zumindest zu kontrollieren.

»Die Aufbauarbeiten auf Saggittor und New Sphinx gehen gut voran. Deine 501. Division hat meinen Hilfstruppen gut geholfen. Ich hoffe nur, dass Jenmuhs für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wird.«

»Leider sind die Arkoniden und Terraner zu eng verflochten, um den Gos’Shekur einfach zu bestrafen. Doch sei gewiss, niemand mag ihn hier.«

Despair bemerkte, dass Orlando kaum merklich nickte. Immerhin eine Geste der Zustimmung.

»Mein Vater hatte noch lange zu arbeiten. Was habt ihr besprochen?«, wollte der Sohn des Emperadors wissen.

»In Kürze werden wir die Flotte darüber informieren. Es betrifft M 87. Als intelligenter, junger Mann ahnt Ihr sicherlich, worum es geht.«

Orlando wurde ernster als zuvor. Mit verdrossenem Gesicht nahm einen kräftigen Schluck Bier und blickte Cauthon böse an. Offenbar gab er ihm die Schuld für die bevorstehende Invasion.

»Wollen wir nicht mal essen gehen, Cauthon? Ich habe das Gefühl, dass du gar nicht so finster bist, wie du immer wirkst.«

Brettanys Direktheit überraschte Despair. Er hätte sie vom Fleck weg geheiratet, aber das erinnerte ihn wieder an seine Probleme. Jemand der liebte, war kein geeigneter Diener für MODROR. Abgesehen davon, dass Brettany kein Monster wie ihn lieben würde. Wenn sie ihn näher kennenlernte, brächte er sie in Lebensgefahr.

»Der Silberne Ritter ist vielbeschäftigt und nicht gesellig«, warf Orlando ein. »Er wird nicht mit dir essen gehen.«

Despair schwieg.

»Ich denke, Cauthon kann für sich selbst antworten, Orly. Sei nicht so gemein zu ihm«, sagte Brettany erbost.

Nun ja, also hatte Despair nicht die Zustimmung von Brettanys Bruder. Sicher würde es der Emperador auch nicht gern sehen, wenn ein halbmechanisches, entstelltes Monster seiner Tochter den Hof machte.

»Miss Brettany, Ihr Bruder hat recht. Es ist jetzt auch Zeit für mich zurück in meine Höhle zu gehen.« Despair erhob sich. »Guten Abend.«

Er bemerkte, dass Brettany ihm traurig und verständnislos hinterher sah. Despair ging nicht weiter darauf ein. Es war besser für sie, wenn sie nichts miteinander zu tun hatten. Auch wenn er sich das Gegenteil wünschte …

Saggittor, etwa zur gleichen Zeit

Kreupen und Trybwater waren in Saggitton, der Hauptstadt des Planeten, eingetroffen. Trybwater übernahm sofort die Leitung der CIP-Zentrale, während Kreupen versuchte, die Spur der Flüchtlinge aufzunehmen. Dies erwies sich jedoch als schwieriger, als er erwartet hatte. Durch die Dolan-Angriffe war die gesamte Infrastruktur weitgehend zerstört, ein funktionsfähiges Kommunikationssystem war nicht mehr vorhanden. Die auf Saggittor eingesetzten Pioniereinheiten des Heeres hatten sich in erster Linie um die Sicherung bzw. Instandsetzung der vorhandenen Werftkapazitäten gekümmert. Die Wiederherstellung der Kommunikationswege war von Despair als zweitrangig eingestuft worden.

Als besonders erschwerend empfand es Kreupen, dass er nicht auf ein ausgebautes Agentennetz zurückgreifen konnte. Saggittonen, die bereit waren, für die CIP Spitzeldienste zu leisten, hatten schon in der Vergangenheit absoluten Seltenheitswert genossen. Und die Ereignisse vor der Kapitulation Saggittors waren nicht geeignet, geeignete Mitarbeiter unter den Volksangehörigen zu finden.

Er würde also nicht mit den üblichen Methoden vorgehen können. Eingehende Befragungen von Überlebenden, die im Kanzlerpalast beschäftigt gewesen waren, brachten keine verwertbaren Erkenntnisse. Er hatte mehrere Aussagen erhalten, dass die Gesuchten im Kanzlerpalast gewesen waren, aber während der Dolan-Angriffe spurlos verschwanden. Nachdem er sicher war, keine neuen Informationen mehr zu erhalten, hatte er sich in einen halbzerstörten Bunker zurückgezogen, der ihm als provisorisches Büro diente.

Nachdenklich betrachtete er sein Spiegelbild in einem Bruchstück aus Glasplast, das wohl einmal eine Verbindungstür gewesen war. Er brauchte dringend eine frische Uniform, die Vernehmungen hatten ihre Spuren hinterlassen.

Bisher hatte er den unangenehmen Teil der Vernehmungen immer an irgendwelche Untergebene delegiert, aber hier hatte er zum ersten Mal selbst mehrere Verhöre bis zur letzten Konsequenz durchgeführt. Beim ersten Mal war er noch unsicher gewesen, ob er dem gewachsen war, aber mit jeder Vernehmung hatte er sich sicherer gefühlt. Nun, er beschloss ehrlich zu sich selbst zu sein – er hatte es genossen, die Angst in den Augen seiner Opfer zu sehen, er hatte es genossen, wenn sie um Gnade flehten. Es war ein völlig neues Gefühl für ihn: Macht, unbegrenzte Macht, die Macht über Leben und Tod.

Kreupen beendete seine Grübeleien. Es war Zeit, Trybwater über die mageren Ergebnisse seiner Vernehmungen zu informieren.

Trybwater, noch vor kurzem war er ihm als die Verkörperung all seiner Ängste und geheimen Gelüste, als der Beherrscher seiner Alpträume erschienen. Doch nun war er ihm fast dankbar.

Er aktivierte den Interkomanschluss.

»Hier Kreupen, Oberstkommandeur«, meldete er sich unnötigerweise, »die Vernehmungen haben kaum verwertbare Ergebnisse gebracht. Niemand scheint zu wissen, wo die Gesuchten untergetaucht sein könnten.«

Trybwater grinste ihn wissend an.

»Ich weiß, Kreupen, ich weiß. Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als gute, altbewährte Polizeimethoden anzuwenden. Despair hat inzwischen einige Kommunikationssatelliten gestartet. Wir werden Steckbriefe erstellen und eine ordentliche Belohnung aussetzen. Und noch was, Kreupen, Sie sollten das nächste Mal bei Ihren Verhören etwas zurückhaltender sein. Ich hatte gegenüber Despair große Mühe, den plötzlichen Tod der persönlichen Assistentin Rauochs zu erklären. Abgesehen davon bin ich ganz zufrieden mit Ihnen.«

Auszug aus dem persönlichen Tagebuch Jaaron Jargons

Es war soweit, die Hetzjagd war eröffnet. Am Morgen hatten die Besatzer einen planetaren Trivid-Kanal eröffnet und unsere Steckbriefe gezeigt. Die Belohnung für Hinweise auf unseren Aufenthaltsort konnte sich sehen lassen. Ich war überrascht, wie viel wir den Despoten wert waren: insgesamt 100.000 Galax und die Zusicherung, den Informanten bei der planetaren Verwaltung zu beschäftigen.

Nun saßen wir in der kleinen Wohnküche unserer Gastfamilie zusammen und überlegten, was wir tun konnten. Plötzlich betrat unser Gastgeber den Raum und gab mir durch eine Geste zu verstehen, dass ich ihm nach draußen folgen solle.

Widerstrebend erhob ich mich und folgte ihm. Dort sagte er mir auf den Kopf zu, dass wir die Gesuchten seien und beruhigte mich sogleich, dass wir von ihm und seiner Familie nichts zu befürchten hätten. Im Gegenteil, er bot mir an, uns in Sicherheit zu bringen. Auf meine Frage, warum er uns helfen wolle, antwortete er, dass er sich dem gerade gebildeten saggittonischen Untergrund, der Heimatarmee, angeschlossen hätte. Auch seine Tochter sei Mitglied dieser Organisation. Sie würden uns verteidigen, um ihrer Heimat zu dienen.

Nachdem ich wieder in die Küche zurückgegangen war, informierte ich Kathy und Nataly über das Angebot unseres Gastgebers. Nach kurzer Beratung beschlossen wir, es dankbar anzunehmen und ihm unser Schicksal anzuvertrauen.

4. Rundreise durch drei Galaxien

Vorspiel: Ankunft in der Schlangengrube
22. Juli 1306 NGZ

Die GRAND MASUT war aus dem Sternentor Cartwheels getreten und bremste ihre Austrittsgeschwindigkeit ab. Ich, Roi Danton höchstselbiger, hatte angeordnet, dass die Schutzschirme und die Energieerzeugung heruntergefahren wurden, um zu zeigen, dass wir keinerlei feindliche Absichten hatten. Vor uns lag PAXUS STATION, das Gegenstück zur SOLARIS STATION in der Milchstraße.

In der Zentrale des modifizierten Raumschiffes der ODIN-Klasse wartete ich, der König der Freihändler, auf den Anruf der Wachflotte des Quarteriums. Dieser ließ auch nicht lange auf sich warten.

»Wachflotte PAXUS, Oberst Gross an fremdes Schiff. Bleiben Sie auf dem bisherigen Kurs und erwarten Sie unser Prisenkommando!«

Ich grinste voller Vorfreude vor mich hin. Das begann ja besser, als ich gehofft hatte. Ich gab das vereinbarte Zeichen, die Theatervorstellung konnte beginnen.

Mit einem kurzen Seitenblick registrierte ich, dass die »Nebendarsteller« ihre Positionen eingenommen hatten. Nebendarsteller – das war echt gut. Da war einmal der über zwei Meter große Oxtorner Conan, der meinen Leibwächter spielte. Conan hieß natürlich in Wirklichkeit anders und war ein USO-Spezialist.

Der Part des ersten Offiziers war mit »Fürst« Henry Morgan besetzt, einem Ertruser mit einem gewaltigen Sichelkamm, der ihm weit in den Nacken reichte. Der Ertruser war einer der besten Piloten der USO und ein ausgebildeter Emotionaut. Und als Krönung des Ganzen war da noch die echte Piraten-Lady Anne Bonny, die ihren Namen nach einer historischen Freibeuterin des 17. Jahrhunderts alter Zeitrechnung gewählt hatte.

Die Piratin war zu uns gestoßen, als wir auf den Spuren alter Erinnerungen nach Verbündeten gesucht hatten. Es war kaum zu glauben, aber auch nach all den Jahrhunderten gab es die Organisation der ehemaligen Piratenlady Tipa Riordan noch. Und dann aktivierte Fürst Morgan die Feldoptik der Hyperfunkübertragung. Ich wusste, dass den Oberst gleich der Schlag treffen würde.

Frechheit siegte.

»Qu’est-ce qu’il permet? Depuis quand est-ce qu’il est aux laquais permis à invectiver des nobles?«

Die Wirkung meiner Erwiderung, in der ich ihn auf Französisch fragte, wie er sich erlauben könne, Edelmänner anzupöbeln, war genial. Sein Gesicht glich zuerst einem einzigen Fragezeichen und dann begann er rot anzulaufen. Er hatte wohl meine »Nebendarsteller« registriert. Dann bellte er mit sich überschlagender Stimme los:

»Was für ein Verein von Bekloppten seid ihr denn? Und was ist das überhaupt für eine bescheuerte Sprache? Gibt es in eurem Verein von Verrückten niemanden, der Interkosmo spricht?«

Das war das Signal für meine Kommandantin.

»Comtesse, assumez la conversation avec ce crétin!«

Meine Piratin war bei diesen Worten neben mich getreten. Mit hochmütigem Gesichtsausdruck und herablassend heruntergezogenen Mundwinkeln erklärte sie dem anscheinend schon jetzt vor einem Nervenzusammenbruch stehenden Offizier:

»Seine Majestät, König Roi Danton, spricht nicht in der Sprache des Pöbels mit dahergelaufenen Landsknechten, die jede Höflichkeit vermissen lassen.«

Irgendwie schien ihn diese Antwort völlig aus dem Konzept zu bringen. Er starrte uns an. Sichtlich verunsichert fragte er:

»Was wollt ihr Verrückten eigentlich in Cartwheel?«

Meine Piratenlady wies ihn zurecht:

»Er hat sich sofort eines angemessenen Tones zu befleißigen, sonst werden wir ihn für seine Impertinenz kielholen lassen!«, und dann nach einer kurzen Pause, in der sie ein sardonisches Grinsen aufsetzte, »Ihrer Majestät ist zu Ohren gekommen, dass hier in Cartwheel die Edelleute die Herrschaft über das gewöhnliche Volk übernommen haben sollen. Aus diesem Grunde hat sich Ihre Hoheit entschlossen, dem Souverän dieses Reiches seine Aufwartung zu machen. Deshalb wird er unverzüglich Ihre Majestät bei seinem Herrscher anmelden und ihm mitteilen, dass Ihre Hoheit, der König der Freihändler, an seinem Hofe empfangen zu werden wünscht!«

Ich hatte mich während des Gesprächs gelangweilt abgewandt und strafte den Oberst mit Missachtung. Das schien ihn noch mehr zu verunsichern. Völlig entnervt antwortete er:

»Ich bitte …«, er schien sich zusammenzureißen, »ich bitte den König um Geduld, ich muss seine Ankunft zuerst beim Oberkommando melden!«

»Die Anrede lautet Ihre Majestät, aber sonst war das schon etwas besser. Wir haben seine Entschuldigung angenommen!«

Und wieder war das Minenspiel köstlich, einfach unbezahlbar.

»Ich habe mich doch gar nicht entschul…, ach egal, teilen Sie ihrer oder seiner Majestät, oder wie das immer auch heißt, mit, dass er bitte warten soll.«

»Colonel, je merci leur pour sa bienveillance.«

»Was heißt das denn wieder?«

Meine Piratin schüttelte mit gespielter Empörung den Kopf.

»Aber Oberst, Ihre Majestät hat sich nur, wie es sich unter Edelleuten gebührt, für sein Entgegenkommen bedankt. Remarque en passant, erschrecke er nicht, wir werden, nachdem wir den Grund unseres Hierseins ja geklärt haben, wieder Gefechtsbereitschaft herstellen. Nach unseren Informationen soll bei ihm noch marodierender Pöbel den Raum unsicher machen.«

Und das würde der Schock zweiter Teil sein. Auf Befehl meines ertrusischen Fürsten fuhren die Energiesysteme der GREAT MASUT aus dem Stand in den Volllastbereich. Dafür brauchten wir weniger als ein Drittel der Zeit, die normalerweise bei Schiffen der ODIN-Klasse üblich war. Die siganesischen und swoonschen Techniker der USO hatten ein Meisterstück abgeliefert. Gleichzeitig, und das musste der eigentliche Schock für unsere quarterialen Freunde sein, dürften bei ihnen alle Messgeräte und Energieortungstaster wahnsinnig hohe Werte anzeigen, die normalerweise für Schiffe der ENTDECKER-Klasse üblich waren. Den Siganesen war es gelungen, die Energieemissionen so zu verstärken, dass sie fast verdreifacht wurden.

Danach trennten wir die Verbindung. Auf dem Holobildschirm war noch im Standbild das völlig fassungslose Gesicht des quarterialen Kommandanten sichtbar. Er musste den Eindruck haben, einem Schiff mit der Kampfkraft eines ENTDECKERs gegenüberzustehen. Nicht, dass er da so falsch lag, die MASUT hatte noch einige Überraschungen in petto.

Scharade – oder Schatten der Vergangenheit

Ich setzte mich, zufrieden lächelnd, in meinen pompösen Kommandosessel und wir begannen zu lachen. Lachen war eigentlich ein falscher Ausdruck. Mein ertrusischer Fürst und mein oxtornischer Barbar erzeugten ein akustisches Gewitter, das meine Gehöhrnerven aufs Äußerste strapazierte. Meiner Piratenlady schien es genauso zu ergehen, denn mit schmerzverzerrten Gesichtern pressten wir beide unsere Hände an die Ohren. Schließlich hatten meine beiden Giganten ein Einsehen und reduzierten das Gewitter auf normale Lautstärke.

»Bien, ma dame et messieurs, la répétition générale était un succès plein. Maintenant nous devons finir encore avec succès avec la première!«

Und wieder grinsten meine Nebendarsteller. Sie gingen davon aus, dass die Generalprobe und die Premiere, deren erfolgreiche Fortsetzung ich angesprochen hatte, jederzeit weitergeführt werden konnten.

Ich dachte an die Überredungskünste zurück, die es gekostet hatte, einen ertrusischen Emotionauten und einen oxtornischen Spezialisten zu überzeugen, dass sie die Grundlagen einer ausgestorbenen terranischen Sprache lernen mussten. Nur meine Piratin war sofort Feuer und Flamme.

Monkey blieb unerbittlich. Seine Hartnäckigkeit beim Aufbau unserer Legende war unbeschreiblich, alles musste stimmen, musste nachprüfbar sein. Wir hatten fast zwei Jahre für die Planung und Vorbereitung dieses Einsatzes gebraucht.

Der Oxtorner an der Spitze der Neuen USO hatte als Erster erkannt, zu welcher Gefahr das Quarterium werden konnte. Und er hatte reagiert. Sein Plan war eine Scharade, wie sie die Galaxis noch nie gesehen hatte. Und als Ergebnis gab es die Freihändler tatsächlich als eigenständige Organisation wieder, und ich, ich hatte eine Aufgabe. Ich war wieder Roi Danton! Praktisch als kostenlose Zugabe hatten wir die Reste von Tipas Piraten wiedergefunden und als natürliche Verbündete in unser Spiel einbezogen. Dass wir sie dabei faktisch aus einer gnadenlosen Diktatur befreiten, ist eine andere Geschichte.

Ich blickte zu meiner Kommandantin hinüber, die mich unverschämt angrinste. Sie war ganz nach dem Vorbild Tipas gekleidet, also in eng anliegender, schwarzer Lederkleidung und bis zu den Waden geschnürten Sandalen, die jedoch, im Unterschied zum Original, sogenannte Plateauabsätze hatten. In diesen waren diverse Erzeugnisse aus der Hexenküche unserer siganesischen Microtechniker untergebracht. Auch die lange Jacke, die lose bis zu den Oberschenkeln fiel, fehlte nicht. Es war, als sei Tipa wieder auferstanden, nur um Jahrzehnte verjüngt.

*

Wir waren auf Paxus gelandet, nachdem mir Admiral Siniestro, der Sohn des Emperadors, mitgeteilt hatte, dass sein Vater es als große Ehre ansehen würde, mich an seinem Hofe zu empfangen.

Voilà, das Spiel konnte beginnen.

Ich hatte mich entschlossen, bei der derberen Version meines zweiten Ichs zu bleiben, also nicht den affektierten französischen Stutzer, sondern den aristokratischen Piraten zu spielen. Ich fühlte mich in dieser Rolle einfach wohler. Deshalb hatte ich auch meine Sänfte an Bord der GREAT MASUT gelassen und einen prunkvollen Gleiter benutzt.

Auf dem Landefeld erwartete mich Orlando de la Siniestro, der mich im Auftrag seines Vaters willkommen hieß. Das Quarterium hatte großen Bahnhof aufgeboten, das hieß, ich wurde mit allen militärischen Ehren und einem Riesenaufmarsch an pompösem Tam-Tam empfangen.

Meine »Piraten« hatten sich herausgeputzt und boten ein Bild barbarischer Schönheit, das im krassen Gegensatz zum uniformen Einerlei der quarterialen Paradetruppen stand. Mit gelangweilter Miene ließ ich das ganze Zeremonium über mich ergehen. Danach wurden wir von Orlando persönlich in ein luxuriöses Gästehaus gebracht, das uns der Emperador für die Zeit unseres Besuches auf Paxus zur Verfügung stellte.

Premiere

Vor mir lag der schwierigste Part, praktisch meine Galavorstellung. Der Emperador hatte ein Staatsbankett arrangiert, zu dem alles geladen war, was im Quarterium Rang und Namen besaß. Es war mir schleierhaft, wovon all die Günstlinge des Spaniers lebten, die den riesigen Moncloa-Saal des Paxus-Towers bevölkerten und Glanz und Luxus eines Königshofes des 18. Jahrhunderts alter Zeitrechnung zelebrierten.

Ich war der Piratenlinie treu geblieben, trat also nicht als der blasierte Höfling aus dem vorrevolutionären Frankreich auf, sondern diesmal im veredelten Piratenlook. Ich trug also eine enganliegende, reich verzierte Seidenhose, kunstvoll gearbeitete Lederstiefel und unter meiner prunkvollen Jacke ein Rüschenhemd aus schwarzer Seide. Die Hüfte zierte ein breiter Ledergürtel, in den Intarsien aus purem Gold mit Edelsteinen eingelassen waren. Meine Begleiter waren ähnlich gekleidet.

Nur mein »Leibwächter« durfte weiter den Barbaren spielen. Der Oxtorner trug nichts als einen Lendenschurz, der von einem breiten Gürtel gehalten wurde. An diesem hing ein Breitschwert, das man im Mittelalter Terras als Bidhänder bezeichnet hätte. Den Oberkörper hatte er eingeölt, so dass seine Muskelberge noch besser zur Geltung kamen. Und als Krönung des Ganzen war er wohl der einzige Oxtorner, dessen Kopf eine wilde Haarmähne zierte. Die im Dienst der USO stehenden Ara-Mediziner hatten in mühevoller Kleinarbeit bio-synthetisch gezüchtete Haare in seine Kopfhaut implantiert.

Die imponierende Gestalt schien viele »Damen« an den Rand ihrer Selbstbeherrschung zu bringen, denn die Blicke, die sie meinem oxtornischen Prachtexemplar zuwarfen, waren eindeutig. Inzwischen war ich vor dem Thron des Spaniers angekommen und es war an der Zeit, seiner »Hoheit« meine Aufwartung zu machen.

Mit lang geübtem Schwung zog ich meinen breitkrempigen Hut vom Kopf und grüßte ihn nach der Art der französischen Musketiere. Meine Verbeugung war jedoch nur angedeutet, denn ich hatte nicht vor, mich als ein Vasall zu geben.

»Il m’est un honneur particulier à pouvoir faire mon service pour le souverain du Quarterium glorieux. Si le jour actuel peut être le commencement d’une coopération profitable entre nos règnes.«

Mit diesen Worten, mit denen ich dem glorreichen Herrscher des Quarteriums meine Dienste anbot und eine für beide Seiten profitable Kooperation vorschlug – den Teufel würde ich tun, denen profitabel zu sein –, gab ich »Fürst« Morgan das vereinbarte Zeichen, vorzutreten und mein Geschenk zu überreichen. Der Ertruser trug in einem mit kostbaren Stickereien bedeckten Schrein eine Nachbildung der spanischen Königskrone mit sich, die er nun enthüllte und dem Emperador mit einem angedeuteten Kniefall überreichte.

Die den Thron umstehenden Honoratioren stießen laute Rufe des Erstaunens aus, denn die Krone war ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst. Der Emperador blieb minutenlang völlig in die Betrachtung meines Geschenkes vertieft und schien in alten Erinnerungen zu schwelgen. Doch dann legte er die Krone auf ein kleines Bord neben sich und antwortete:

»Je merci le roi des commerçants libres pour son cadeau généreux et l’affirme à mon soutien gracieuse à la construction de relations que peut offrir seulement des avantages pour nos deux peuples.«

Das saß. Einen Moment war ich total perplex. Der Spanier sprach fließend Französisch! Im Stillen leistete ich Monkey Abbitte für Tage gnadenlosen Trainings. Dann antwortete ich seinem Dank für das großzügige Geschenk und der Annahme einer für beide Völker vorteilhaften Zusammenarbeit:

»Il m’est un honneur particulier à me dialoguer avec vous dans la langue des gentilshommes.«

Der Spanier verzog bei meinen Worten, in denen ich meine Freude ausdrückte, mich mit ihm in der Sprache der Edelleute unterhalten zu können, das pockennarbige Gesicht zu einem amüsierten Lächeln. Er schien meine Überraschung so richtig zu genießen. Doch dann drängte sich eine brünett gelockte Schönheit neben ihn, die mich sofort faszinierte.

»Vater, ich verstehe kein Wort. Könntest du dich bitte mit dem König«, dieses Wort sagte sie mit einer merkwürdigen Betonung, die mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte, »auf Interkosmo unterhalten.«

Dabei fixierte sie mich mit einem Blick, der jeder Kurtisane zur Ehre gereicht hätte. Ich musste einige Male schlucken, bevor ich antworten konnte.

»Princesse, ich bin untröstlich und bitte meine Unhöflichkeit zu entschuldigen. Die Kunde von der Anmut und Schönheit der Töchter des glorreichen Emperadors ist bereits in meiner Heimat bekannt geworden. Ich habe mir erlaubt, für die Mesdemoiselles ein kleines Geschenk mitzubringen und bitte sie, dies huldvoll als Zeichen meiner Entschuldigung anzunehmen.«

Ihr Gesicht hatte sich bei der Anspielung auf ihre Schwester kurz zu einer Grimasse blanken Hasses verzogen, die aber so schnell verschwand, dass ich mir nicht sicher war, ob dieser Eindruck nicht meiner Einbildung entsprungen war. Auf meinen Wink trat meine Piratenlady zu mir und hielt zwei kleine Päckchen bereit.

Inzwischen war auch Siniestros zweite Tochter neben ihren Vater getreten und blickte mich mit unverhohlener Bewunderung an. Na, das konnte ja heiter werden, beide Töchter des Emperadors schienen es auf mich abgesehen haben. Der Spanier hatte sich inzwischen in seinem Thron zurückgelehnt und beobachtete die Situation mit sichtlichem Amüsement.

Brettany machte einige Schritte in meine Richtung und meinte:

»My Lord, Sie haben mir ein Geschenk mitgebracht?«

Dabei schaute sie mich aus blauen Augen voll von Anbetung und Erwartung an. Ihr Gesicht hatte einen träumerischen Ausdruck angenommen. Ich musste mich räuspern, um dem Bann dieser Augen zu entkommen.

»Mademoiselle Siniestro, My Lord klingt so formal, bitte nennen Sie mich einfach Roi, wie alle meine Freunde!«

Ihr Strahlen vertiefte sich noch, sofern das überhaupt möglich war. Dann antwortete sie:

»Dann müssen Sie mich aber auch Brett nennen!«

Ich nahm ihr Päckchen und packte es aus. In der Hand hielt ich ein Collier, das aus zehn großen Feueropalen und einigen Bergkristallen bestand. Verbunden waren die Steine durch eine kunstvoll geflochtene Kette aus Silber und Gold.

»Dies, Mademoiselle Brett, ist ein magisches Kleinod. Der Juwelier, der es mir verkauft hat, versicherte mir, dass der Ursprung des Schmuckstückes nicht feststellbar ist und angeblich im Dunkel der Archaischen Perioden liegt. Es müsste also Jahrzehntausende alt sein. Nach seinen Worten soll es die Trägerin vor Unheil, Neid und bösen Mächten schützen. Darf ich Ihnen das Schmuckstück umlegen?«

Sprachlos blickte sie mich mit ihren strahlenden Augen an. Ich nahm dies als Zustimmung und legte ihr die Kette um ihren zarten Hals. Es war, als sei das Schmuckstück für sie gemacht worden. Die Steine begannen zu opalisieren und in einem dunklen, geheimnisvollen Feuer zu leuchten.

Bevor ich jedoch noch irgendetwas hinzufügen konnte, trat ihre Schwester dazwischen. Anscheinend hatte sie die Geduld verloren. Mit einigen Schritten drängte sie sich vor Brettany und kam mir sehr nahe. Unwillkürlich versuchte ich wieder etwas Abstand zu gewinnen, was sie aber mit zwei schnellen Schritten vereitelte. Ihre Brust drückte sich gegen mein Rüschenhemd und ich spürte deutlich die verhärteten Brustwarzen. Mit einem Lachen, in dem sämtliche Sünden der Welt lagen, bemerkte sie:

»Monsieur, was für ein Schmuckstück haben Sie denn für mich vorgesehen?« Und – ich konnte es kaum fassen – sie nutzte die Nähe, um mir ihren Schenkel zwischen die Beine zu drücken. Dann fuhr sie fort: »Übrigens kannst du mich Steph nennen. Ich darf dich doch duzen?« Mit diesen Worten brachte sie wieder etwas Abstand zwischen uns, wobei sie mich unschuldig anlächelte.

Ich war total verunsichert und fühlte mich in unangenehmer Weise begrabscht. Wenn die so anfing, wie ging es weiter? Das konnte ja heiter werden. Die ging aufs Ganze. Aber ich konnte es mir nicht leisten, sie zu brüskieren, nicht hier und nicht in aller Öffentlichkeit.

Ich drehte mich kurz zur Seite, um das zweite Päckchen entgegenzunehmen. Dabei blickte ich in das unverschämte Grinsen meiner Piratenlady. Als sie mir das Päckchen überreichte, machte sie ein Zeichen, das auf allen menschlichen Planeten der Galaxis eine unmissverständliche Bedeutung hatte. Das war zu viel, ich bemerkte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg. Tatsächlich: Ich errötete.

Um etwas Zeit zu gewinnen, begann ich das Papier um das Collier umständlich auszupacken. Ich musste meine Gefühle wieder unter Kontrolle bringen. Das durfte doch nicht wahr sein. Ich, ein Unsterblicher, errötete wie ein Schuljunge.

»Mad… Mademoiselle … Steph«, stotterte ich, »auch mit die… dieser Kostbarkeit hat es eine besondere Bewandtnis. Sie soll ebenfalls aus den Archaischen Perioden stammen. Die verarbeiteten Steine sollen der Trägerin die Tiefe der Gefühle zwischen zwei Menschen zei…«

Weiter kam ich nicht. Sie war auf mich zugetreten und nahm meine Hände, um mir beim Anlegen des Colliers behilflich zu sein. Dabei sorgte sie dafür, dass diese mehrfach mit dem tiefen Ausschnitt ihres Kleides in Berührung kamen. Das Gefühl ihrer nackten Haut unter meinen Fingern jagte mir nie gekannte Schauer der Erregung durch den Körper. Und auch bei ihr reagierte der Schmuck. Die Steine begannen in einem tiefen, fast unheilvollen Rot zu leuchten. Ich war wie gelähmt, das gab es einfach nicht.

Mein Gesichtsausdruck schien sie zu alarmieren, denn sie blickte mich fragend an und plötzlich, als sei ihr erst jetzt der Gedanke gekommen, auf das Schmuckstück. Und dann verzog sich ihr Gesicht zu einem triumphierenden Lächeln. Mit lauter Stimme erklärte sie:

»Nun, das hätten wir schon einmal geklärt!«

Danach zog sie mich einfach zu ihrem Vater und ergänzte, »Ich glaube, eine Verbindung zwischen uns und der Familie Rhodan dürfte viele Probleme lösen. Machen wir es wie früher: Anstatt Krieg gegeneinander zu führen, heiraten wir!«

Diese Ankündigung schlug wie eine Bombe ein. Alle Gespräche verstummten. Doch dann ertönte ein dröhnendes Lachen, das zu einem Orkan anschwoll. Es war mein ertrusischer »Fürst« Henry Morgan, der völlig die Kontrolle über sich verlor. Mit beiden Fäusten trommelte er sich auf seine Oberschenkel. Sein Sichelkamm, der in allen Regenbogenfarben schillerte, wippte wie der Flügel eines gewaltigen Adlers auf und nieder. Das brach den Bann.

Siniestro hatte sich von seinem Thron erhoben und meinte, an seine Tochter gewandt:

»Stephanie, ich denke, dafür ist es noch etwas zu früh. Ihr habt euch ja erst heute kennengelernt. Glaube deinem alten Vater, man soll in der Liebe nichts überstürzen.«

Ich war dem alten Spanier zutiefst dankbar, er schien mir aus der Patsche helfen zu wollen. Doch die Worte seiner Tochter zerstörten meine Illusionen.

»Vater, was den offiziellen Teil angeht, hast du Recht«, und dann fügte sie, an mich gewandt, hinzu: »Mein König, ich erwarte Sie heute Abend zu einem ausführlichen Gespräch über die Möglichkeiten der künftigen Zusammenarbeit zwischen den Freihändlern und uns und zwar«, hier machte sie wieder eine Pause, um das Folgende besonders zu betonen, »unter vier Augen!« Und dann, mit einem anzüglichen Augenaufschlag: »Euer Nichterscheinen, Hoheit, würde ich als einen schwerwiegenden Bruch sämtlicher diplomatischen Gepflogenheiten ansehen!«

Das war’s, ich hatte mich in meiner eigenen Falle gefangen. Mir blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Doch bevor ich etwas entgegnen konnte, ertönte ein Schrei unbeschreiblichen Schmerzes. Und dann gellte »Nein, das darf nicht sein« durch den Saal. Es war Brettany, die sich mit beiden Händen an den Kopf gefasst hatte und am ganzen Körper zitterte. Dann fiel die Erstarrung von ihr ab und sie rannte aus dem Saal.

Betretenes Schweigen folgte, das jedoch nicht von langer Dauer war. Es gab anscheinend noch jemanden, der gegen Stephanies Pläne Einspruch erhob.

Peter, der zweite Sohn des Emperadors war aufgesprungen. Mit hochrotem Kopf schrie er seine Schwester an:

»Du, du bist eine niederträchtige Verräterin, eine unmoralische Schnepfe. Wie kannst du es wagen, diesen Emporkömmling, diesen Bauern …«

Weiter kam er nicht. Stephanie griff ihn am Revers seiner prunkvollen Galajacke und dann hagelte es Ohrfeigen. Dabei schrie sie:

»Halt dein verblödetes Maul, du Kretin. Geht zu deinen Puppen«, sie brach plötzlich ab, als ob sie mit aller Macht ihre Fassung wiederfinden wollte. Es sah aus, als ob sie nach Worten suchte, dann folgte die niederschmetternde Anweisung: »Geh zu deiner Gouvernante, die wird sich um dich kümmern.«

Ich konnte beobachten, wie Peter beim Wort »Gouvernante« regelrecht in sich zusammensank und den Thronsaal so schnell wie möglich verließ. Nachdenklich sah ich Stephanie an. Mir war klar, dass sie gerade fast etwas gesagt hätte, was sie mit äußerster Beherrschung gerade noch vermieden hatte. In diesem Moment wandte sie sich wieder mir zu. Ich war fasziniert vom Wechsel ihres Gesichtsausdrucks: gerade noch voller Wut, der Jähzorn in Person und jetzt wieder das Gesicht eines Engels. Sie schien die Fähigkeit zu besitzen, innerhalb von Sekunden ihren Gesichtsausdruck zu wechseln. Und ich fragte mich, welche Masken mir noch bevorstanden und vor allem, wer die wirkliche Stephanie eigentlich war.

*

Brettany warf sich in ihrem Zimmer aufs Bett und weinte hemmungslos. Stephanie, immer nur Stephanie, alles drehte sich um ihre Schwester. Sie bekam alles, jeder Mann war von ihr fasziniert, wurde von ihr um den Finger gewickelt. Und wieder schüttelte sie ein Weinkrampf. Mehr aus dem Unterbewusstsein registrierte sie, dass jemand ihr Zimmer betreten hatte. Sie wollte allein sein, allein mit sich und mit ihrem Kummer. Doch plötzlich wurde sie brutal an ihren Haaren hochgerissen.

»Hör mir genau zu, Schwesterherz. Komm mir bei Rhodans Sohn ja nicht in die Quere, lass deine Finger von ihm. Der ist für mich bestimmt, nur für mich, hast du mich verstanden?«

Brettany durchzuckte ein grausamer Schmerz, es war, als ob ihr jedes Haar einzeln ausgerissen würde. Stephanie lockerte ihren Griff etwas und der Schmerz wich einem dumpfen Brennen.

»Ich denke nicht daran, er hat mir …«

Weiter kam sie nicht. Stephanie schüttelte sie und zischte ihr entgegen:

»Wenn du glaubst, dass du mich ausstechen kannst, musst du früher aufstehen, du frigide Zicke. Nur damit du informiert bist: Heute Abend wird Michael in meine Suite kommen und dann wird er fällig sein. Fällig, hast du verstanden? Er wird sich in meinen Händen vor Lust winden, wird mir aus der Hand fressen. Und ich werde ihn heiraten, hörst du, heiraten! Und dann werde ich die Herrscherin von Cartwheel und der Milchstraße, hörst du? Unter meiner Führung wird die Menschheit geeint werden.«

»Du bist ja verrückt, Michael wird sich nie für so etwas hergeben, nie!«

Doch Stephanie lachte satanisch auf.

»Schwesterchen, du bist ja so naiv. Wenn ich ihn erst richtig unter meiner Kontrolle habe, wird er wie Wachs in meinen Händen sein, dafür werde ich schon sorgen. Und eines sage ich dir noch mal, komm mir ja nicht in die Quere, sonst, und das verspreche ich dir, sonst wirst du den Tag verfluchen, an dem du geboren wurdest.«

Mit diesen Worten zog sie noch mal an den Haaren ihrer Schwester, was diese mit einem schrillen Schmerzensschrei quittierte. Das veranlasste Diabolo, den Diener des Emperadors, das Zimmer zu betreten. Mit einem Blick erfasste er die Situation.

»Madame, ich glaube, Sie gehen zu weit.«

Stephanie hatte ihre Schwester losgelassen und schritt wie eine Tigerin zur Tür. Bevor sie das Zimmer ihrer Schwester endgültig verließ, wiederholte sie noch einmal ihre Drohung:

»Denk daran, komm mir ja nicht in die Quere, sonst bist du fällig!«

Damit ging sie nach draußen und schmetterte die Tür in ihre Fassung. Zurück blieb eine völlig aufgelöste Brettany und ein Posbi, der versuchte, sie zu beruhigen. Doch niemand beachtete das geheimnisvolle Schmuckstück, das in allen Rottönen zu pulsieren begonnen hatte.

Die Besprechung

Ich hatte hin und her überlegt, doch ich sah keine Möglichkeit, die Besprechung mit Stephanie abzusagen. Sie war nominell die Außenministerin des Quarteriums und wenn ich, wie es unsere Tarnung vorgab, Handelsverträge zwischen den Freihändlern und dem Quarterium abschließen wollte, musste ich mit ihr sprechen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als ihr gegen Abend meine Aufwartung zu machen.

Um die Höflichkeit zu wahren, hatte ich ein pompöses Blumenbukett zusammenstellen lassen und stand unschlüssig vor der Tür ihrer Suite. Es half nichts, ich musste da durch. Plötzlich öffnete sich das schwere Mahagoniportal – und sie stand vor mir, wie Gott sie geschaffen hatte. Die Kette bildete ihre einzige Kleidung. Mit einem belustigten Grinsen zog sie mich in die Suite. Völlig willenlos ließ ich es zu, dass sie mich auf das riesige Bett warf, das den Raum beherrschte.

Der Spot, der ihren Körper in allen Einzelheiten ausgeleuchtet hatte, erlosch und ließ den Raum in einem geheimnisvollen Halbdunkel zurück. Aus verborgenen Lautsprechern ertönte eine wilde Melodie. Das Letzte, das ich bewusst wahrnahm, waren die Edelsteine der Kette, die in einem alles verschlingenden Feuer zu leuchten begannen. Fast war es so, als ob die Strahlen sich auf meinen Schritt konzentrierten. Und dann übernahmen die Hormone die Kontrolle über meinen Körper …

Rückblick: SOLARIS STATION Anfang Mai 1306 NGZ

Perry Rhodan blickte aus dem Fenster seiner Kabine. Er musste schmunzeln. Fenster war gut – es war ihm fast unheimlich, wie sein Denken noch immer durch die Begriffswelt des 20. Jahrhundert bestimmt wurde. Richtig war natürlich, dass er auf die Strukturprojektion eines Fensters blickte. Oder war es ein Hologramm, das die Umgebung von SOLARIS STATION zeigte? Egal, Fenster war einfach besser! Er blickte auf das gewaltige Rad der Milchstraße, das sich unterhalb der Station befand.

Er dachte an die kurze Unterredung mit Yasmin Weydner und dieser Elyn. Und dies brachte wieder sein größtes Problem, die Ursache einer schlaflosen Nacht in sein Bewusstsein. Dieses Problem hatte einen Namen: Michael Reginald Rhodan – sein Sohn. Die beiden Frauen hatten ihm von der Anbiederung seines Sohnes – was sollte es: Wahrheit musste Wahrheit bleiben – von seinem Verrat erzählt. Sein eigenes Fleisch und Blut, sein einziges Kind, das ihm geblieben war, hatte ihn verraten, hatte die Menschheit verraten. Warum?

Aber die PIRANHAs flogen vor Wochen bereits durch das Sternenportal, ohne von Cau Thon und seinen Dscherr’Urk angegriffen zu werden!

Ein Plopp aus verdrängter Luft riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte auf und sah einen großen Nagezahn vor seinen Augen. Zu diesem Nagezahn gehörte natürlich auch ein Mausbiber.

»Gucky! Was tust du hier?«

»Perry, wenn du dich das nächste Mal in Selbstzweifeln und Grübeleien ergehst, solltest du deine Abschirmung aufrechterhalten. Deine Gedanken strahlen wie ein Leuchtfeuer. Wenn dieser rote Teufel telepathische Fähigkeiten haben sollte, hättest du ihm deine Gedanken auch bei einem Glas frischem Mohrrübensaft erzählen können. Apropos Mohrrübensaft …«

»Schon gut, Kleiner, kommt sofort!«

Wenig später brachte ein Servo das gewünschte Getränk für Gucky und einen Whisky mit Soda für Perry.

»Perry, möchtest du mit mir über Michael reden?«

»Ich weiß nicht, Gucky. Ich werde aus Michael nicht mehr schlau. Gut, ich hatte schon immer meine Probleme mit ihm, aber seit seiner Zeit als Torric ist er mir noch fremder geworden. Und jetzt wieder diese pubertäre Maskerade als Roi Danton …«

»In einem kann ich dich beruhigen, Michael ist nicht mehr Torric! Das hätte ich gespürt!«

»Aber wer oder was ist er dann?«

»Aber das ist doch einfach Perry: Er ist dein Sohn!«

»Biologisch magst du recht haben, aber sein Denken, seine Gefühle, seine ganze Art, nichts ist mir mehr vertraut. Ich habe zu jedem in der Führung der LFT ein engeres Verhältnis als zu meinem eigenen Sohn.«

Der Ilt schien einen Moment zu überlegen, dann antwortete er:

»Entschuldige Perry, aber ich muss dir das einmal sagen, hast du jemals ein Verhältnis zu Mike oder Suzan gehabt? Es waren Mory, Bully und ich, die vor allem Mike immer wieder aus der Patsche geholfen haben. Für dich war immer alles in Ordnung, solange du nicht mit den Problemen der beiden behelligst wurdest. Also haben wir immer alles von dir fern gehalten.«

Perry Rhodan war einen Moment lang wie vor den Kopf geschlagen.

»Soll das heißen, Kleiner, dass Mike noch viel mehr auf dem Kerbholz hat, als ich bisher weiß?«

Der Mausbiber zeigte seinen berüchtigten Nagezahn in voller Größe.

»Oh Perry, glaub mir, das willst du in Wirklichkeit gar nicht alles wissen! Und außerdem haben wir wohl nicht den ganzen Tag Zeit, um alte Geschichten aufzuwärmen. Aber glaub mir eines, Mike ist und bleibt dein Sohn!«

»Nun gut, hoffentlich hast du recht. Aber warum redet er nicht mit mir, warum immer seine Eigenmächtigkeiten? Wie soll ich Vertrauen zu ihm haben? Doch du hast recht, es bringt wohl nichts, uns hier über Michael zu streiten. Eigentlich können wir auch gleich eine Besprechung über unsere weitere Vorgehensweise abhalten.«

Er aktivierte das Interkom und bat Remus Scorbit, Will Dean, Gal’Arn und Elyn in die Zentrale. Dort besprachen sie ihr weiteres Vorgehen. Fünfhundert weitere CERES-Kreuzer Typ PIRANHA waren aus der Milchstraße eingetroffen. Perry Rhodan wollte damit nach M 87 aufbrechen, um mit den dortigen Machthabern zu sprechen.

Gal’Arn und Elyn reagierten mit begeisterter Zustimmung. Sie erklärten sich bereit, die Okefenokees im Kampf gegen die Bestien und das Quarterium zu unterstützen. Elyns tiefviolette Augen leuchteten. Noch immer war Rhodan von der Geschichte der Alysker fasziniert. Elyn war zwar ein paar hundert Jahre jünger als er, doch ihr Volk war aberwitzige einhundertneunzig Millionen Jahre alt – eine unfassbare Zeitspanne.

Nach der Besprechung suchte Perry Rhodan einen kleinen, leicht untersetzten Terraner auf. Der Mann mit dem akkurat zum Scheitel gekämmten Haar trug einen Oberlippenbart und keine Falte war an seiner Uniform zu erkennen. Das war »Admiral« Nepomuk Higgins, der Oberbefehlshaber einer kleiner Wachflotte beim Sternenportal und Kommandant des LFT-Stützpunktes Wolfenstein.

Rhodan hatte bereits im Januar beschlossen, als er den Befehl zum Aufbau einer Kampfraumflotte gab, die Hierarchie mit militärischen Rängen zu ordnen. Ein ehrgeiziger General war mit dem Aufbau dieser Flotte beschäftigt, doch Rhodan wollte einen besonnenen Mann an der Spitze haben. Deshalb ernannte er Higgins zum Oberbefehlshaber der Wachflotte am Sternenportal wie auch später zum Kommandanten der 8. Terranischen Flotte. Higgins hatte während Rhodans Abwesenheit den Oberbefehl.

*

17. Mai 1306 NGZ

Der kleine Verband stand bereit, durch das Sternenportal nach M 87 zu wechseln. Die fünfhundert PIRANHAs hatten sich kugelförmig um die LEIF ERIKSSON und zwei Flottentender der CAMELOPARDUS-Klasse gruppiert, um im Falle eines Angriffes das Flaggschiff der LFT und die Tender zu schützen.

An Bord der LEIF ERIKSSON beobachtete der Terranische Resident stehend die große Holo-Projektion, auf der die strategischen Positionen der verschiedenen Flotten wiedergegeben wurden. Die tausend Schiffe Cau Thons waren etwas seitlich versetzt in einer lockeren Gruppe um den Einflugvektor des Portals verteilt. Aus dieser Position konnten sie jederzeit den kleineren Verbund ihrer Gegner abfangen. Die Flotte der LFT unter Admiral Higgins war etwa in der Mitte zwischen SOLARIS STATION und dem Sternenportal stationiert. Aus dieser Position konnte sie die Station verteidigen und gleichzeitig, wenn nötig, dem kleinen Verband um die LEIF ERIKSSON zu Hilfe kommen. Die einzige Unbekannte in diesem Spiel war die Kampfkraft von MODRORs Schiffen.

Wie würde Cau Thon reagieren? Würde er die Gelegenheit ergreifen, sich eines der wichtigsten Widersacher MODRORs zu entledigen? Doch die tausend Schiffe, von denen die Größten eine Länge von dreieinhalbtausend Meter hatten, standen nach wie vor unbeweglich auf ihren Positionen. Gegen diese Giganten wirkte selbst die LEIF ERIKSSON klein und unbedeutend. Und der Terranische Resident gestand sich ein, dass er in der Vergangenheit einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte. Er hätte sich wesentlich sicherer gefühlt, wenn er einige hundert Ultraschlachtschiffe der UNIVERSUM-Klasse oder Ähnliches hinter sich gewusst hätte. Doch die gab es nicht mehr. Er selbst hatte dafür gesorgt, dass die Raumflotte der LFT überwiegend defensiv ausgerichtet war. Plötzlich drängte sich eine Bemerkung Atlans in sein Bewusstsein:

Manchmal ist Angriff die beste Verteidigung, Barbar!

Er machte sich schwere Vorwürfe, dass er den Republiken Saggittor und Akon in Cartwheel keinen nennenswerten militärischen Beistand leisten konnte. Jedes direkte Eingreifen in Cartwheel hätte die Kräfte der LFT weit überfordert. Es war bitter, aber nicht zu leugnen:

Die LFT war nicht in der Lage, die eigenen Verbündeten und Freunde zu schützen!

Und dann traf er eine Entscheidung. Kurz entschlossen aktivierte er das Interkom und bat Reca Baretus, die Kommandantin der VESTA-Kreuzer in die Zentrale. Bis zu ihrem Erscheinen besprach er drei Memowürfel, die durch die Kommandantin überbracht werden sollten. Wenig später kündeten die schweren Schritte die Ankunft der Ertruserin an.

»Reca, ich habe eine äußerst wichtige Mission für dich. Du musst zuerst zur Hundertsonnenwelt und die Posbis um Hilfe bitten. Hier ist meine entsprechende Nachricht für das Zentralplasma. Danach überbringst du diesen Befehl General McHenry, der im Sektor Mimas dabei ist, die 8. Terranische Flotte aufzubauen. Während meiner Abwesenheit hat Admiral Higgins den Oberbefehl.«

Die Ertruserin machte eine Bewegung, die als kurzes Salutieren gedeutet werden konnte und bemerkte: »Seit wann haben wir wieder Generäle und Admiräle?« Anschließend verließ sie die Zentrale.

Danach wandte er sich an die Kommandantin Pearl TenWafer und gab die Anweisung, in das Sternentor einzufliegen.

Die Epsalerin, die mit stoischer Ruhe vor ihrem Kommandosessel stand, nickte kurz und bemerkte mit einem süffisanten Grinsen: »Aye, Aye Sir!«

Nach seiner Rückkehr von dieser Reise gedachte er, sich mit Bully zusammenzusetzen und die Grundlinien für eine neue Strategie festzulegen. Er wusste, dass er bei seinem alten Freund offene Türen einrennen würde.

M 87: Am Rande der Gigant-Sonne

Sie waren angekommen. Für Perry Rhodan bedeutete die Ankunft gleichzeitig eine Rückkehr, eine Rückkehr, die alte, schmerzhafte Erinnerungen weckte. Fast zweieinhalb Jahrtausende war es her, seit er die gigantische Hohlsonne, in deren Inneren das Wheel-System verborgen war, zuletzt gesehen hatte. Bei ihrem Kampf gegen die Zweitkoordinierten wurde er damals mit der CREST IV und zwei Haluterschiffen von der Großen Magellanschen Wolke nach M 87 versetzt. Nach vielen Abenteuern gelang es ihnen, in den Internraum einzudringen und Kontakt mit den Konstrukteuren des Zentrums aufzunehmen. Ein Kontakt, der jedoch äußerst unbefriedigend war, von Zusammenarbeit konnte keine Rede sein.

Im weiteren Verlauf der Ereignisse wurde das Solsystem fast durch die Dolans der Zweitkoordinierten vernichtet, erst durch eine halutische Flotte konnte der Untergang Terras schließlich abgewendet werden. Für Terra und das Solare Imperium bedeuteten diese Ereignisse eine schwerwiegende Zäsur: Der Elan der frühen Jahre, die Aufbruchstimmung war vorbei, das Solare Imperium hörte auf, weiter zu expandieren. Die Menschheit schien das Bewusstsein ihrer kosmischen Bestimmung verloren zu haben. Es folgte eine kosmische Krise nach der anderen.

»Wow, das ist, das ist einfach unglaublich!«

Die Bemerkung der Epsalerin riss ihn aus seinen Gedanken. Er musste schmunzeln.

»Genau das sagte der damalige Kommandant der CREST IV, Oberst Merlin Akran ebenfalls. Epsaler bleibt eben Epsaler!«

Die Wachflotte der Dumfries hatte sie bemerkt. Etwa fünfhundert ihrer walzenförmigen Schiffe setzten einen Abfangkurs. Es wurde Zeit, sich zu identifizieren.

Über das Hyperkom setzte er einen vorbereiteten Code ab, den er von Druid Aflesh erhalten hatte. Die Reaktion erfolgte umgehend. Auf dem Bildschirm des Hyperfunkterminals wurde ein hochgewachsener Dumfrie sichtbar. Seine Handlungsarme hingen herab, die Hände des aus dem Rumpf herauswachsenden mittleren Armpaares stützte sich auf die Konsole. Die Bauchseite seines Schildkrötenpanzers schimmerte kristallin. Hinter dem Krötenkopf ragte der Rand des massiveren Rückenpanzers auf.

Rhodan erkannte ihn. Aus den Aufzeichnungen, die ihm Gal’Arn übergeben hatte, wusste er, wen er vor sich hatte.

»Ich grüße Seychul, den großen Admiral der Druithora-Flotte. Ich bin Perry Rhodan und möchte um eine Unterredung mit dem Obersten Konstrukteur des Zentrums, Taruntur ersuchen.«

Der Dumfrie verzog seinen breiten Mund im Krötengesicht zu einer Grimasse, die ein Lächeln darstellen konnte.

»Ich grüße den Großadministrator des Solaren Imperiums. Lange ist es her, dass sich die Wege unserer Völker kreuzten. Der Oberste Konstrukteur des Zentrums hat gehofft, dass der Führer des Solaren Imperiums mit ihm Kontakt aufnimmt.«

Rhodan war verblüfft. Trotzdem korrigierte er sein Gegenüber.

»Das Solare Imperium existiert nicht mehr und ich bin nur noch der Terranische Resident der Liga Freier Terraner.«

»Das wissen wir, Taruntur erlaubt, dass ihr in den Internraum einfliegt. Er erwartet euch auf WHEEL VI.«

Das Gesicht des Dumfries zog sich dabei noch weiter in die Breite. Rhodan war überrascht. Wenn diese Mimik wirklich ein Grinsen war, so schien der Dumfrie über einen schrägen Humor zu verfügen. Dann fuhr er fort:

»Folgt meinem Schiff und haltet den gleichen Kurs. Er wird uns durch eine Strukturlücke der Gigant-Sonne in den Internraum bringen. Eure Begleitschiffe haben die Erlaubnis, in diesem Sektor auf eure Rückkehr zu warten.«

Er war überrascht. Es schien, als sei Taruntur wesentlich zugänglicher geworden, als er es nach dem Bericht des Ritters vermutet hätte.

»Ich danke euch, Seychul und nehme die Einladung Tarunturs gerne an.«

*

Vor ihnen lag WHEEL VI, eine Welt mit großen Raumhäfen, auf denen anscheinend die Wachflotte der Dumfries stationiert war. Die LEIF ERIKSSON folgte Seychuls Schiff und landete auf dem zentralen Raumhafen. Wenig später verließ er das Schiff, um sich mit Taruntur zu treffen.

Der Konstrukteur des Zentrums erwartete ihn in einem Gebäude am Rand des Raumhafens. Sein hoher, schlanker Körper war in eine einfache Kombination gekleidet, was wieder im krassen Widerspruch zu Gal’Arns Schilderung stand, der ihn als überaus eitel und arrogant bezeichnet hatte.

»Willkommen im Wheel-System, Perry Rhodan. Was führt Sie nach so langer Zeit nach M 87?«

»Ich danke Ihnen für den freundlichen Empfang, Taruntur. Ich bin gekommen, um Sie um Hilfe gegen MODROR zu bitten.«

Der wiedergeborene Okefenokee schaute den Terraner ernst an.

»Wir haben uns nach dem unverschämten Auftritt dieses Boten, den MODROR uns gesandt hat, im Rat der Neundenker eingehend beraten. Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass die Bedrohung durch diese finstere Entität nicht länger ignoriert werden kann. Allerdings hoffen wir nach wie vor, dass wir uns aus diesem Konflikt weitgehend heraushalten können. Da es jedoch nicht in unserem Sinne sein kann, wenn MODROR die umliegenden Galaxien beherrscht und womöglich den Bestien in Cartwheel einen Weg nach M 87 öffnet, sind wir bereit, euch uneingeschränkte Durchflugrechte durch das Sternentor zu geben. Darüber hinaus erlauben wir euch, auf einem Planeten außerhalb des Internraumes einen Stützpunkt einzurichten. Eine direkte militärische Intervention in den Galaxien ESTARTUs lehnen wir jedoch strikt ab. Die mitgebrachten Schiffe könnt ihr übrigens auf dem Stützpunktplaneten stationieren. Admiral Seychul wird die Verbindung mit euch halten.«

Der Terraner musste einen Augenblick überlegen. Das war eigentlich mehr, als er erhofft hatte, und noch dazu bekam er es ohne Verhandlungen.

»Ich danke dem Rat der Neundenker für diese weise Entscheidung, befürchte aber, dass es in diesem kosmischen Ringen keine Neutralität geben kann. MODROR ist unersättlich und wird auch nach M 87 greifen. Aber Ihre Entscheidung eröffnet uns wenigstens eine Chance.«

Der Konstrukteur des Zentrums verharrte einige Augenblicke unbeweglich. Dann entgegnete er:

»Wir werden sehen, Perry Rhodan, wir werden sehen. Wenn MODROR nach M 87 greift, werden wir vorbereitet sein. Wir brauchen die Hilfe Terras nicht. Es war nicht einfach für uns, euch dieses Angebot zu machen. Ohne die Unverschämtheit dieses roten Monstrums hätten wir jede Zusammenarbeit abgelehnt. Wir mussten uns entscheiden, ob wir alte Ressentiments weiter pflegen oder uns der aktuellen Bedrohung stellen sollen. Wir haben uns für das Letztere entschieden. Dies bedeutet aber nicht, dass wir vergessen haben, was in der Vergangenheit geschah. Betrachtet unser Angebot als einen Versuch, diese Konflikte zu überwinden. Und nun geht bitte, es ist nicht so, dass alle diese Entscheidung mittragen!«

Der Terranische Resident verbeugte sich leicht und verabschiedete sich. Kurz darauf wurde die LEIF ERIKSSON wieder von dem Dumfrie-Schlachtschiff aus dem Internraum geleitet und stieß zu dem wartenden Flottenverband. Eine kurze Überlichtetappe brachte sie zu dem angebotenen Planeten. Die PIRANHAs und die beiden Flottentender landeten, während die LEIF ERIKSSON Kurs auf das Sternenportal nahm, um in die Lokale Gruppe zurückzukehren.

Rhodan kehrte für einige Tage nach Terra zurück, um dort die Staatsgeschäfte zu führen. Dabei raste die LEIF ERIKSSON mit maximalem Überlichtflug von fünfundachtzig Millionen und benötigte knapp fünfundzwanzig Tage für den Rückflug. Rhodan erkundigte sich nach dem Stand der Dinge bei der Terranischen 8. Flotte, um kurz darauf wieder mit der LEIF ERIKSSON zum Sternenportal aufzubrechen.

Ende Juli wechselte die LEIF ERIKSSON dann hinüber in quarteriales Territorium.

Cartwheel: Begegnungen der besonderen Art

Der Flug durch das Sternenportal lief ohne Komplikationen ab. Praktisch in Nullzeit wechselte die LEIF ERIKSSON nach Cartwheel. Noch immer war die hinter den von DORGON bereitgestellten Sternenportalen stehende Technik völlig unbekannt. Vermutungen, es handele sich um eine fortgeschrittene Transmittertechnik, hatten sich nicht bestätigt. Die unbekannte Technik funktionierte hervorragend.

Vor ihnen lag PAXUS STATION, mit der das Portal in Cartwheel kontrolliert werden konnte. Um die Station war die quarteriale Wachflotte gruppiert, die aus etwa achttausend Einheiten bestand, darunter zwei Schlachtschiffen des SUPREMO-A Typs mit zweieinhalbtausend Meter Durchmesser.

In diesem Moment ging ein Hyperfunkspruch ein und ein untersetzter, massiger Offizier wurde sichtbar.

»Oberst Gross, Kommandeur Wachflotte PAXUS STATION an unbekanntes Schiff. Identifizieren sie sich oder wir eröffnen das Feuer!«

Perry Rhodan übernahm mit einem kurzen Befehl das Gespräch auf sein Kommunikationsdisplay.

»Terranischer Resident Perry Rhodan an Bord der LEIF ERIKSSON. Was erlauben Sie sich? Soweit ich informiert bin, hat die LFT noch immer freien Durchgang durch das Sternenportal. Gehen Sie mir aus dem Weg oder – und das garantiere ich Ihnen – Sie provozieren einen ernsten diplomatischen Zwischenfall!«

Damit hatte der Offizier wohl nicht gerechnet. Er lief rot an und fing an zu stottern.

»Entschul… Entschuldigung, S… Sir, aber ich ha… hatte keine Ahnung. Wi… wir hatten in letzter Zeit große Prob… Probleme mit Aufständischen und Terroristen, de… der Raum um das Sternenportal ist ist militärisches Spe… Sperrgebiet.«

Er machte eine Pause, holte tief Luft und bemühte sich, seine Fassung wiederzufinden, bevor er weiterredete.

»Ich entschuldige mich nochmals für das Missverständnis. Selbstverständlich sind Sie als Repräsentant der LFT in Cartwheel willkommen, Resident. Aber ich muss Sie darauf hinweisen, dass die Lage in Cartwheel äußerst unsicher ist. Deshalb muss ich Sie bitten, solange zu warten, bis ich Ihre Ankunft an das Flottenkommando nach Paxus gemeldet habe.«

Rhodan reagierte äußerst ungehalten.

»Oberst, ich denke nicht daran, hier auf die Erlaubnis Ihrer Regierung zu warten. Die LFT ist nach wie vor mit der Thoregon-Koalition assoziiert und diese stellt eine unabhängige Nation dar, die nicht der Regierungsgewalt von Paxus unterliegt.«

Diese Antwort schien den Oberst erneut vor große Probleme zu stellen. In seinem Gesicht arbeitete es und er musste mehrmals zu einer Antwort ansetzen.

»Resident, ich bitte Sie nochmals zu warten, bis ich nähere Instruktionen erhalten habe. Ich bin nicht befugt, Ihnen den Durchflug durch das Sperrgebiet zu erlauben.«

Nun reichte es. Mit einem raschen Seitenblick registrierte er, dass die Kommandantin das Schiff in Gefechtsbereitschaft versetzt hatte. Durch ein rasches Kopfnicken bestätigte er diese Maßnahme. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste! Bevor er jedoch eine entsprechende Antwort geben konnte, meldete sich erneut Gross. Sein Gesicht zeigte grenzenlose Erleichterung.

»Resident, ich habe eine Verbindung nach Paxus. Admiral Siniestro möchte mit Ihnen sprechen.«

Das Bild auf dem Display wechselte und zeigte das Gesicht Orlando de la Siniestros. Rhodan hatte den Sohn des Emperadors schon mehrmals getroffen und ein nahezu freundschaftliches Verhältnis zu ihm entwickelt. Er beschloss, sofort Fraktur zu reden.

»Orlando, was soll das? Seit wann brauche ich eine Erlaubnis, wenn ich Cartwheel besuchen will?«

Der Sohn des Emperadors blickte ihm ernst entgegen und antwortete:

»Perry Rhodan, in der Zwischenzeit ist viel geschehen. Saggittor und Akon haben uns einen Krieg aufgezwungen, der erst vor kurzem zu Ende ging. Die Situation ist noch äußerst unsicher, weite Teile Cartwheels sind noch nicht endgültig befriedet. Es tut mir leid, aber auch die Thoregon-Koalition existiert nicht mehr. Wir wissen nicht, was genau geschehen ist. Es sieht so aus, als ob es zu Aufständen auf den Thoregon-Welten und zum Einsatz unbekannter Waffensysteme gekommen ist. Das gesamte Galor-System scheint aus dem Raum-Zeit-Kontinuum verschwunden zu sein. Wir haben deshalb die Verwaltung der übrigen Thoregon-Welten übernommen. Ich bitte Sie deshalb, direkt nach Paxus zu fliegen und mit meinem Vater zu sprechen. Oberst Gross wird Sie mit einem kleinen Verband begleiten, um Ihre Sicherheit zu gewährleisten.«

Perry Rhodan überlegte kurz. Einerseits widerstrebte es ihm, sich in seiner Bewegungsfreiheit beschneiden zu lassen, aber andererseits konnte er Orlandos Argumentation nicht von der Hand weisen. Er hatte zu wenig Informationen, um die Lage objektiv beurteilen zu können.

»Ist gut Orlando, aber ich werde zuerst die Botschaft der LFT auf Mankind besuchen. Wenn Sie wünschen, können Sie dort mit mir sprechen. In Ordnung?«

Der Sohn des Emperadors schien einen Augenblick mit sich zu ringen, doch dann gab er sein Einverständnis.

Perry Rhodan wusste nicht, dass das Entgegenkommen Orlandos zu einer schwerwiegenden Auseinandersetzung mit dessen Vater führen würde. Der Emperador war außer sich, da der Terranische Resident auf diese Weise die Gelegenheit bekam, zuerst mit der Botschaft der LFT Kontakt aufzunehmen. Orlando beendete die Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Quarterium etwas zu verbergen hätte. Darauf gab ihm der Emperador keine Antwort.

*

Perry Rhodan

Die LEIF ERIKSSON landete direkt auf dem zentralen Raumhafen von New Terrania. Ein kurzer Funkspruch hatte meine Ankunft angekündigt. Dabei hatte ich einen aufgeblasenen CIP-Offizier zur Schnecke gemacht, der etwas von »fehlender Landeerlaubnis« und »Kriegszustand« faselte.

Bevor das Ganze eskalieren konnte, hatte sich Oberst Gross eingeschaltet und die Situation bereinigt. Mein Verhalten war zwar nicht sehr diplomatisch gewesen, aber ich hatte, salopp ausgedrückt, einfach die Schnauze voll. Randvoll!

Ohne mich um das diplomatische Protokoll zu kümmern, flog ich direkt zur Botschaft der LFT, um mit Botschafter Lester Slone und Militärattaché Henry Portland die aktuelle Lage zu erörtern. Geflogen war eigentlich die Untertreibung des Jahres: Ich hatte – übrigens seit Ewigkeiten zum ersten Mal – den Flug von der LEIF ERIKSSON zur Botschaft zu einer Demonstration militärischer Stärke benutzt. Das Quarterium faselte dauernd von der Wiedererrichtung des Solaren Imperiums, da wollte ich mal anschaulich zeigen, was man im alten Solaren Imperium unter der Demonstration militärischer Stärke verstand. Wir benutzen vier ASHIGARU-Shifts, auf denen eine oxtornische Raumlandeeinheit des Ligadienstes aufgesessen war – in voller Kampfausrüstung versteht sich. Außerdem sicherten zehn MODULA-WAR-Kampfroboter den Konvoi ab. Nachdem wir die Botschaft erreicht hatten, ließ ich das Gelände durch die Landeeinheit sichern.

Als ich die Botschaft betrat, starrte mich Botschafter Lester Slone an wie einen Geist. Henry »Flak« Portland schien sich hingegen köstlich zu amüsieren und – ich muss es zu meiner Schande gestehen – auch ich amüsierte mich köstlich. Mehr als das, ich genoss es so richtig, endlich mal wieder das ganze diplomatische Getue außer Acht zu lassen. Und ich fühlte mich so wohl, wie seit Jahren, nein, seit gefühlten Jahrhunderten nicht mehr.

Der Bericht der beiden Repräsentanten der LFT brachte mich wieder in die Wirklichkeit zurück – in eine deprimierende Wirklichkeit. Das Quarterium hatte auf der ganzen Linie gesiegt. Saggittor und die akonische Republik hatten kapituliert, nachdem der Emperador Torsor und seine Bestien von der Kette gelassen hatte. Ich durfte mir gar nicht vorstellen, was das für die Menschen auf den Planeten der beiden Republiken bedeutete. Und die LFT hatte nichts, absolut nichts zu ihrem Schutz tun können. Und in dieser Stunde, in dieser Situation fällte ich endgültig die Entscheidung, die schon während der Bedrohung durch MODRORs Flotte bei der SOLARIS STATION gereift war:

Bully würde grünes Licht bekommen. Als Sofortmaßnahme würde ich dem Aufbau der 8. Terranischen Operativflotte oberste Priorität zuordnen.

Was mit Galornia und den übrigen Thoregon-Welten geschehen war, konnten wir nicht klären. Weder Slone noch Portland hatten darüber irgendwelche Informationen. Als einziges stand fest, dass anscheinend das gesamte Galor-System aus dem Raum-Zeit-Kontinuum verschwunden war. Ich beabsichtigte, mir das anschließend persönlich anzusehen.

Eine andere Information, die mir »Flak« Portland gab, beunruhigte mich noch viel mehr. Er wies auf Gerüchte hin, dass das Quarterium eine systematische Ausbeutungs- und Ausrottungspolitik gegenüber nichtmenschlichen Völkern einleitete, die als Artenbestandsregulierung bezeichnet wurde. Ich beschloss, den Emperador auf diese Gerüchte anzusprechen. Botschafter Slone nannte mir zwei Planeten, die dabei eine zentrale Rolle spielen sollten. Daraufhin machte ich mich auf den Weg nach Paxus.

*

Mit der Landung auf Paxus war meine Laune war am absoluten Tiefpunkt angelangt. Warum verfügte ich nicht über eine Flotte alter Ultraschlachtschiffe der UNIVERSUM-Klasse?

Ein überhebliches arkonidisches Brechmittel hatte mich, den Terranischen Residenten, wie einen Raumkadetten abgefertigt.

Ich wollte den Flug nach Paxus dazu benutzen, mir selbst ein Bild von der Lage im Raumsektor der ehemaligen Thoregon-Koalition zu machen. An der astronomischen Position, an der sich eigentlich das Galor-System befinden sollte, hatte mich eine Flotte von etwa fünfzig Raumschiffen abgefangen. Befehligt wurde dieser Verband von dem besagten Arkoniden, einem Mitglied der CIP. Mit der ganzen Arroganz seiner überheblichen Herrenrasse hatte er mir erklärt, dass das gesamte Gebiet der ehemaligen Thoregon-Koalition absolutes Sperrgebiet sei und dies natürlich auch für mich, als Vertreter der LFT gelten würde. Der Gipfel der Unverschämtheit war, dass er mir damit drohte, die LEIF ERIKSSON schrottreif schießen lassen, wenn ich nicht sofort Kurs auf Paxus setzen würde. Die Zeiten seien vorbei, wo wir Terraner uns als die Herren des Universums aufspielen könnten.

Es hatte mich in allen Fingern gejuckt, diesem Musterexemplar eines arkonidischen Übermenschen eine Lektion in Höflichkeit und Diplomatie zu erteilen, aber mit was?

Nach dem ich unter diesen Umständen auf Paxus gelandet war, hatte ich kurz überlegt, ob ich den Spaß von Mankind hier wiederholen sollte. Ich entschied mich aber dagegen. Der Überraschungseffekt wäre nicht mehr gegeben und, das gestand ich mir ein, es würde nur lächerlich wirken, wenn ich hier, angesichts der geballten militärischen Macht des Quarteriums, mit den beschränkten Mitteln der LEIF ERIKSSON militärische Stärke demonstrieren wollte. Und der Lächerlichkeit wollte ich mich nicht preisgeben!

Also dann doch die altbewährte diplomatische Vorgehensweise, auch wenn sie mir im Augenblick total gegen den Strich ging. Auf dem Raumhafen begrüßten mich Lester Slone und Henry »Flak« Portland, die direkt nach Paxus gereist waren.

Der folgende Empfang, zu dem man mich einlud, war auch nicht geeignet, meine Laune zu verbessern. Siniestro zelebrierte Glanz und Gloria eines feudalen Staatswesens. Ich fühlte mich an uralte Filme aus dem 20. Jahrhundert alter Zeitrechnung erinnert, die ich in meiner Jugend einmal als Kinofilm, wie man damals den Vorläufer der heutigen Trivid-Sendungen nannte, angesehen hatte. Der Streifen handelte von einem König des alten Nationalstaates Frankreich, den man den »Sonnenkönig« nannte. Ich musste innerlich grinsen. »Sonnenkönig!«: Das passte genau auf den pockennarbigen Spanier – genauso eitel, genauso verschwenderisch und genauso skrupellos, leider!

Und dann lief mir auch noch Despair über den Weg. Der hatte mir gerade noch gefehlt! Cauthon Despair – eine meiner enttäuschten Hoffnungen! Und das sagte ich ihm auch. Doch der Silberne Ritter antwortete – und ich hätte schwören können, dass er unter seinem Helm hämisch grinste – dass er hier in Cartwheel nur das verwirklichen würde, was ich in der Milchstraße seit Jahrtausenden vergeblich aufbauen wolle, nämlich eine einige Galaxis, in der Frieden, Recht und Ordnung herrschten. Ich konnte es mir nicht verkneifen, ihm zu erwidern, dass das wohl Recht und Ordnung eines Gefängnisses oder Arbeitslagers sein müsse. Die Bemerkung schien gesessen zu haben, denn er ließ mich wortlos stehen und machte dem größenwahnsinnigen Spanier seine Aufwartung. Auch gut, eine Diskussion mit ihm war unsinnig, da der verdammte Helm, den er immer trug, jede Empfindung unsichtbar machte.

Ich hatte genug, restlos genug von diesem Mummenschanz. Also steuerte ich mein Ziel direkt an. Anders ausgedrückt, ich marschierte direkt zu dem Spanier, der auf seinem pompösen Thron hockte, und forderte eine Unterredung unter vier Augen. Nichts von der Bitte um eine Audienz oder wie das sonst diplomatisch verbrämt hieß, nein, ich forderte eine Unterredung. Die Reaktion des selbsternannten Imperators, Entschuldigung, Emperadors, war sehenswert: Er starrte mich an wie eine Gans, wenn’s donnert. Dieser verblüffte Gesichtsausdruck, dieses fassungslose Staunen entschädigte mich für alle Demütigungen und Enttäuschungen, die ich in den vergangenen Jahren hatte erdulden müssen.

Und ich bekam die Unterredung. Völlig fassungslos stimmte der »Sonnenkönig« einem Gespräch mit mir am nächsten Tag zu. Ich riss mich zusammen, um wenigstens den Anschein von Höflichkeit zu wahren und wünschte noch ein angenehmes Fest. Und dann verließ ich diese Versammlung eitler und selbstgefälliger Herrscher von eigenen Gnaden.

Ich hätte es nicht länger ausgehalten, ohne total auszuflippen, wie man in meiner Jugend sagte. Slone und Portland blieben zurück, während ich in meiner Kabine auf der LEIF ERIKSSON versuchte, mir mit einer Flasche Whisky einen Rausch anzutrinken, doch das misslang: Mein Zellaktivator neutralisierte, wie immer, den Alkohol.

*

Am nächsten Morgen, vor meiner Unterredung mit dem Emperador, informierte mich »Flak« Portland darüber, dass General Mandor da Rohn von Vorbereitungen des Quarteriums für einen Angriff auf M 87 erfahren habe. Nach allem, was sich das Quarterium bisher geleistet hatte, überraschte mich dies nicht wirklich.

Größenwahn kommt vor dem Fall und ich musste versuchen zu verhindern, dass durch diesen spezifischen Fall ganze Galaxien in den Untergang gerissen wurden.

Die fünf Stunden Schlaf, die ich in der vorherigen Nacht fand, hatten meine Wut, meine Aggressivität verfliegen lassen. Zurück blieb nur eiskalte Entschlossenheit. Ich würde das Quarterium stoppen und wenn es mich das Leben kostete.

Ich erinnerte mich wieder an den Anfang des kosmischen Weges, den ich gemeinsam mit der Menschheit gegangen war. Tarnen, täuschen und bluffen. Die Situation war vergleichbar. Auch damals standen wir militärisch übermächtigen Gegnern gegenüber. Und wir hatten es geschafft zu täuschen: Zuerst die IV’s und Topsider, dann die Springer, danach den Robotregenten und alle anderen hinterher. Tarnen, täuschen und bluffen und wenn nötig zuschlagen, gnadenlos zuschlagen, ergänzte ich noch, das waren die Methoden, die zu unserem Erfolg geführt hatten. Und Emperador, damit habe ich Erfahrung, damit bin ich groß geworden!

Das Spiel beginnt in Wirklichkeit erst jetzt! Hier und jetzt! Hüte dich Siniestro! Hochmut und Selbstüberschätzung kommt vor dem Fall!

Der Emperador erwartete mich in einem spartanisch eingerichteten Raum, der wohl im Normalfall als Abstellkammer benutzt wurde. Innerlich musste ich grinsen: Der Spanier schoss sich damit selbst ins Knie. Mir machte das einfache Ambiente nichts aus, im Gegenteil, aber er wirkte in seiner feudalen Kleidung absolut fehl am Platze.

»Sie wollten mich sprechen, Rhodan?«

Na das wurde immer besser. Mein gestriges Verhalten schien ihn total aus der Fassung gebracht haben, denn er vergaß sogar seine sonst gebräuchlichen nichtssagenden Floskeln. Ich beschloss, einfach den Spieß herumzudrehen.

»Don Philippe, ich habe Sie um diese Unterredung von Staatsoberhaupt zu Staatsoberhaupt gebeten, um zu verhindern, dass sich die Spannungen zwischen unseren Nationen zur Katastrophe entwickeln. Der LFT sind Gerüchte zu Ohren gekommen, laut denen die Nation, deren Regent zu sein Sie die Ehre haben, sich schwerwiegender Verstöße gegen die Wesensrechte der nichtmenschlichen Rassen schuldig gemacht haben soll. Um diesen Gerüchten die Grundlage zu entziehen, möchte ich Sie darum bitten, mich über die von Ihnen angeblich praktizierte Artenbestandsregulierung aufzuklären. Man hat uns Informationen zugespielt, dass auf den Planeten Objursha und Davau Internierungslager für die Gegner Ihrer Politik und die Angehörigen nichtmenschlicher Rassen eingerichtet wurden. Um diesen unglaublichen Diffamierungen Ihrer Person und des von Ihnen repräsentierten Staatswesens die Grundlage zu entziehen, wäre es äußerst hilfreich, wenn Sie mir eine Inspektion dieser Planeten ermöglichen würden.«

Und wieder traf ich voll ins Schwarze. Der Emperador setzte mehrmals zum Sprechen an, doch er brachte einfach kein Wort heraus. Schließlich meinte er:

»Resident, das ist leider nicht so einfach. Wir haben zwar Saggittor und Akon besiegt, aber es treiben immer noch viele Terroristen ihr Unwesen. Wir sind im Augenblick nicht in der Lage, Ihre Sicherheit zu garantieren. So eine Inspektion muss außer…«

In diesem Augenblick klopfte es an der Tür und eine weitere Person betrat den Raum. Ich sah in das Gesicht meines Sohnes: Michael Reginald Rhodan, wie er leibte und lebte, beziehungsweise wie er als Roi Danton lebte. Mit einer übertriebenen Geste zog er den Piratenhut vom Kopf und grüßte:

»Bonjour Messieurs, comment allez-vous?«

Und dann, als ob er mich erst jetzt bemerkt hätte:

»Mon dieu, papa, tu es aussi présent?«

Ich brauchte alle Selbstbeherrschung, um ihn nicht anzubrüllen. Stattdessen meinte ich nur, dass er Interkosmo sprechen solle. Das gab dem Emperador wieder Oberwasser, denn der fragte süffisant, ob ich die Sprache der Staatsmänner und Aristokraten nicht verstehe?

Genervt antwortete ich, dass mein Französisch zu selten benutzt werde. Und dann fragte ich meinen Sohn, was er eigentlich hier wolle.

Der antwortete, dass die Freihändler wieder eine autonome Organisation seien und er, als ihr König, nach Cartwheel gekommen sei, um mit dem Emperador über wirtschaftliche Zusammenarbeit und eventuelle gemeinsame Unternehmungen zu verhandeln. Und dann meinte er mit seinem penetranten Grinsen, das mich zuverlässig an den Rand meiner Beherrschung brachte:

»Weißt du, Paps, es ist weitaus besser, miteinander Geschäfte und Gewinne zu machen, als aufeinander zu schießen. Das kostet nur Geld und Menschleben!«

Daraufhin sah ich Rot.

»Es reicht, Michael Reginald Rhodan. Was hast du dir dabei gedacht, deine pubertäre Spielwiese wieder zu eröffnen? Was soll das? Und wie kommst du auf die Idee, ausgerechnet mit dem Quarterium zusammenzuarbeiten?«

Er antwortete mir, immer noch penetrant grinsend:

»Zur Spielwiese nur so viel, Herr ehemaliger – ich betone: ehemaliger Großadministrator: Wenn es meine Spielwiese nicht gegeben hätte, wer hätte dann ein ums andere Mal für dich die Kastanien aus dem Feuer geholt? Du scheinst so einiges vergessen zu haben, Vater! Und was das Quarterium betrifft, ich kann eins und eins zusammenzählen! Das ist eines der wenigen Dinge, die du mir beigebracht hast.«

Dabei hob er provozierend zwei Finger und zählte eins und eins.

»Alles andere waren Bully, Gucky und vor allem Mutter! Kannst du dich überhaupt noch an Mutter erinnern? Nein, wahrscheinlich nicht, sonst würden wir nicht hier stehen. Mutter hat mich gelehrt, den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie konnte das. Du nicht. Und das Ergebnis ist: Du hast Terra, hast die LFT in den Niedergang geführt. Dein Verein ist auf dem absteigenden Ast, die LFT ist nicht mal in der Lage, die eigenen Verbündeten zu schützen. Sie kann gar nichts. Das Quarterium unter Emperador Siniestro ist die Macht der Zukunft! Hier liegt die Zukunft der Menschheit! Der Emperador lässt sich von niemandem auf der Nase herumtanzen.«

Er machte eine Pause. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Doch schon fuhr er fort:

»Übrigens, ich habe auch an deine aktuellen Probleme gedacht. Als dein künftiger Erbe habe ich kein Interesse daran, dass die LFT ein Scherbenhaufen ist, wenn ich sie übernehme. Der Emperador war so großzügig, mir eine Waffenhilfe für dich zuzusagen. Er stellt fünftausend SUPREMO-Schlachtschiffe unter dein Kommando, die deine prekäre Lage gegenüber Cau Thon am Sternentor der Milchstraße verbessern sollen.«

Ich muss ehrlich sagen, ich verstand nur Bahnhof.

»Was, was soll das heißen? Mein … künftiger Erbe … die … die LFT übernehmen?«

Er grinste noch breiter.

»Aber Paps, im Lauf der Jahrhunderte scheint dein Denkvermögen gelitten zu haben. Das bedeutet natürlich, dass du bei den nächsten Wahlen einen Gegenkandidaten haben wirst, nämlich mich! Und glaub mir, ich werde gegen dich gewinnen! Und dann werde ich Terra im Bündnis mit Cartwheel zu neuer Größe führen. Du bist alt und verbraucht und hast dich für irgendwelche ominösen kosmischen Mächte aufreiben lassen. Es wird Zeit, dass die Menschheit wieder an ihre Zukunft glaubt! Erinnerst du dich noch an die Worte von ES, die mir Bully einst mit auf den Weg gab: Wir sind die Erben des Universums! Und jetzt frage ich dich: Was ist unter deiner Führung davon geblieben, Vater? Was?«

Das war zu viel, eindeutig zu viel! Ich benötigte meine gesamte Disziplin, um nicht auszuflippen. Einiges von dem, was Michael mir an den Kopf warf, stimmte zwar – und das machte mich erst recht wütend – aber es konnte und durfte doch nicht sein Ziel sein, die Milchstraße zu beherrschen. Welch ein wahnsinniger Gedanke! Und das ausgerechnet im Bündnis mit diesem zwielichtigen Emperador.

Mit aller Selbstbeherrschung, die mir noch geblieben war, unterdrückte ich den Impuls, Michael an den Schultern zu fassen und ihm einige väterliche Ohrfeigen zu verpassen. Nein, ich würde dem Emperador nicht das Schauspiel eines ausrastenden Perry Rhodan bieten. Michael würde ich mir an einem anderen Ort unter vier Augen vornehmen, es war an der Zeit für ein klärendes Vater-Sohn-Gespräch. Höchste Zeit! Aber in einem hatte er recht: Ich brauchte wirklich Unterstützung am Sternentor. Ich wandte mich also an den Emperador, der Michaels Ausbruch mit stillem Vergnügen beobachtet hatte.

»Don Philippe, Sie wollen uns tatsächlich gegen MODROR helfen?«

Der Spanier grinste mich an und plötzlich wusste ich, dass mir der eigentliche Tiefschlag noch bevorstand. Er erwiderte:

»Aber selbstverständlich, für uns Siniestros steht der Schutz und die gegenseitige Hilfe innerhalb der Familie immer im Vordergrund!«

Mir schwante Schreckliches, doch ich konnte es noch nicht glauben. Und das schien auch mein Gesichtsausdruck zu zeigen. Mit einem triumphierenden Lächeln erklärte mir der Emperador:

»Hat Michael Sie noch nicht informiert? Unsere Kinder werden heiraten! Stephanie und Michael haben sich vor einigen Tagen verlobt! Ja, ja – es ist das Vorrecht der Jugend, uns in Herzensangelegenheiten immer wieder vor vollendete Tatsachen zu stellen.«

Ich konnte nur noch den Kopf schütteln, Stephanie, ausgerechnet Stephanie de la Siniestro als meine künftige Schwiegertochter! Ich hatte seine Anspielung verstanden: Sie hatte ihn schon in ihren Fängen. Und nun glaubte ich zu verstehen, wer hinter den neuen Ambitionen meines Sprösslings stand.

Wie der Vater so der Sohn?

Roi Danton

Ich war zurück in der luxuriösen Suite, die mir der Emperador großzügig überlassen hatte. Die Begegnung mit meinem Vater hatte mich total erschöpft. Er traute mir nach all den Jahren tatsächlich zu, dass ich ihn und die Menschheit verraten würde! Wenn ich das an mich heranließ, würde ich ausflippen!

Der Emperador hatte mich als Trumpf-Ass benutzt, indem er mich gebeten hatte, meinen Vater durch meine Anwesenheit zu überraschen. Das war dann auch der absolute Volltreffer gewesen. Seine Reaktion zeigte mir, dass meine Tarnung perfekt war. Monkey hatte Recht behalten, die Legende musste in allen Punkten stimmig sein und dazu gehörte leider auch, dass mein Vater mich für einen Verräter hielt.

Darüber hinaus machte es mir jedoch einfach Spaß, mal wieder alle an der Nase herumzuführen. Roi Danton war eine wertvolle Erinnerung an die Unbeschwertheit meiner Jugend, an die Streiche und Possen, die ich zusammen mit Suzan ausgeheckt hatte. Suzan, in Situationen wie dieser vermisste ich meine Zwillingsschwester noch immer. Sie war immer der ausgleichende, analysierende Teil gewesen, darin war sie wie Vater. Ich hingegen hatte das Temperament von Mutter geerbt.

Mutter – zum wiederholten Male fragte ich mich, wie das Sternenreich der Menschheit aussehen würde, wäre sie nicht zusammen mit Suzan während des Panither-Aufstands ermordet worden. Mit Mutter an Vaters Seite, da war ich mir sicher, würde Terra eine andere Machtstellung in der Galaxis einnehmen. Ihre Rolle bei Vaters Entscheidungen wurde bis heute völlig unterschätzt, es war vor allem sie gewesen, die im Notfall vehement den Einsatz aller Machtmittel vertreten hatte. Ihr war immer das Hier und Heute wichtiger gewesen als irgendwelche kosmischen Aufgaben. Aber das war Vergangenheit, längst im Strom der Zeit verblasst. Ich musste mich um die Gegenwart und die Zukunft kümmern.

Und die unmittelbare Zukunft hatte einen Namen, Stephanie de la Siniestro! Steph – ha! Die Sache mit der Heirat war in unserem Ursprungsszenario nun wirklich nicht vorgesehen gewesen und ich hatte auch keinerlei Lust, der eheliche Gespiele der ungekrönten Königin Cartwheels zu werden. Überhaupt nicht! Aber ich konnte nicht mehr zurück, zu viel stand auf dem Spiel, und bis jetzt, das musste ich mir eingestehen, kam ich dabei voll auf meine Kosten.

In der abendlichen »Besprechung« hatte sie mir ihre Absichten sehr handgreiflich zu verstehen gegeben. In dieser Nacht hatte ich mich wie ein unerfahrener Junge gefühlt. Sie wäre ohne Zweifel in der Lage gewesen, als »Zehntausend-Galax-Nutte« auf Lepso Karriere zu machen. Zuerst war ich geschockt gewesen, doch dann hatte ich ihre »Zuwendungen« genossen und dabei zum ersten Male die Vorzüge meines Zellaktivators in vollem Umfang schätzen gelernt. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen, hatte ich mir gesagt. Und vielleicht konnte ich über sie an geheime Informationen kommen, die mir sonst nicht zugänglich wären.

Und nun hatte sie mich zu einer Besichtigungstour eingeladen und erklärt, dass sie mir die Schönheiten und Sehenswürdigkeiten ihrer Heimat zeigen wolle. Es war mir klar, dass sie dabei in erster Linie an sich selbst gedacht hatte, aber, um ehrlich zu sein, wer war ich, dass ich die mir so freizügig angebotene Zuwendung der Prinzessin ausschlagen würde?

Ich prüfte mein Aussehen kurz in dem riesigen Feldspiegel, der das Badezimmer beherrschte. Ich hatte die derbere Version meines zweiten Ichs beibehalten, die passte einfach besser in die Umgebung und zu meiner Stimmung. Ich glich also wieder einer Mischung aus französischem Edelmann und verwegenem Piraten der Karibik.

Dann, kaum hatte ich das Bad verlassen, ertönte ungeduldig der Summer, der anzeigte, dass jemand vor der Tür stand. Ich öffnete und dann traf mich der Schlag. Vor mir stand die Tochter des Emperadors, aber sie hatte ihr Outfit komplett gewechselt. Sie musste den gestrigen Tag für Recherchen in alten Film-Dokumenten der Erde genutzt haben, ihr Aussehen war einfach atemberaubend. Sie trug eine hautenge Hose aus schwarzem Kunstleder und ein eng geschnürtes Mieder aus einem schillernden Material, das zwischen ihren Brüsten nur lose geschnürt war. Zwischen diesen glänzten die Steine meines Colliers in unheilvollem Rot. Das Haar hatte sie zu einer wilden Mähne gestylt und die Lippen fast schwarz geschminkt. Um die Hüfte war ein breiter Ledergürtel geschlungen, an dem ein französisches Florett und eine klobige Vorderladerpistole befestigt waren. Meine Empfindungen schienen zwischen meinen Beinen gut sichtbar zu sein, denn sie grinste wissend und zog mich an sich. Ihr in einem bis zum Knie reichenden Schaftstiefel steckendes Bein drängte sich zwischen meine Körpermitte und übte einen teuflischen Druck auf meine empfindlichste Stelle aus. Mir verging Hören und Sehen und mit einem wilden Keuchen brachte ich etwas Raum zwischen uns.

»Mademoiselle, ils me rendent muet. Sa beauté m’aveugle.«

Wieder grinste sie mich an und wiegte sich leicht in den Hüften, um mir den vollen Einblick ihrer Oberweite zu gewähren. Dann antwortete sie mir:

»Monsieur, je sens me flattés extraordinairement.«

Mit diesen Worten nahm sie meinen Kopf in beide Hände und küsste mich leidenschaftlich. In mir schrillten sämtliche Alarmglocken. Ich musste äußerst vorsichtig sein, sie schien es tatsächlich ernst zu meinen. Anscheinend hatte sie den gestrigen Tag auch noch dazu genutzt, um Französisch zu lernen. Als sie sich von mir löste, wirkte sie einen Moment wie ein kleines, übermütiges Mädchen. Doch dann gewannen ihre Augen wieder die gewohnte Härte und Berechnung.

5. Die Gehetzten von Cartwheel

Hoffnung …

Nataly Andrews

Endlich sahen wir einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Wir waren zwar durch unsere Gastfamilie vorläufig in Sicherheit gebracht worden, doch die Verstecke der saggittonischen Heimatarmee konnten kein Dauerzustand sein. Vor allem mein Onkel war den Strapazen auf Dauer nicht gewachsen. Wir mussten weg, weg von Saggittor, aber wohin?

Im Augenblick lagerten wir tief in einem alten Höhlensystem, das die Rebellen unter dem Zentralmassiv des den Hauptkontinent teilenden Gebirgszuges entdeckt hatten. Mein Onkel saß müde und am Ende seiner Kräfte an einem rauchlosen Lagerfeuer, während Kathy sich bemühte, durch spezielle Energiepunkt-Massagetechniken seine verhärteten Muskeln zu lockern. Ich stand etwas abseits und unterhielt mich mit unserem Führer. Dieser erklärte mir, dass das Höhlensystem anscheinend das gesamte Gebirge durchzog und teilweise künstlich angelegt worden war. Man sei auf ganze Säle und Kammern gestoßen, die in den bloßen Fels getrieben worden waren. Doch das interessierte mich nicht wirklich. Ich wollte nur eines, weg! Warum konnten wir nicht in Frieden leben, warum jagte man uns, als ob wir Schwerverbrecher wären? Wenigstens konnten wir hier eine Weile ausruhen, doch ich machte mir keine Illusionen, die Saggittonen kämpften, kämpften um die Freiheit ihrer Heimat. Und wir, das war mir klar, wir waren nur ein Klotz an ihrem Bein.

Plötzlich tauchte eine vermummte Gestalt aus dem Dunkel auf und betrat den Schein des Feuers. Ein Mantel aus Blättern und Zweigen wurde zu Boden geworfen und enthüllte eine junge Frau, nein eher ein junges Mädchen. Wortlos, mit einer fast ablehnenden Geste, nahm sie den Becher mit dampfendem Tee entgegen, den ihr unser Führer reichte. Nach einigen Schlucken des heißen Getränks wandte sie sich an uns.

»Wir haben eine Lösung für euch gefunden. Einer unserer Zellen in der Hauptstadt ist es gelungen, eine Nachricht an die USO abzusetzen. Sie haben uns zugesagt, einen ihrer Spezialisten zu schicken, der sich um euch kümmern wird.«

Ich nickte dankbar. Unser Führer machte einige Schritte auf das Mädchen zu. Sein Gesicht hatte einen fürsorglichen Ausdruck angenommen.

»Wie geht es euch?«, fragte er und wollte seinen Arm um ihre Schulter legen.

Was dann folgte, war mir unbegreiflich. Das Mädchen schien zu explodieren. Unser Führer wurde zu Boden geschleudert und hatte im gleichen Moment ein langes Messer an der Kehle.

»Fass mich nicht an! Nie wieder!«

»Aber … ich wollte doch …«

»Was du wolltest, weiß ich genau. Du wolltest mir deine Fürsorge, dein geheucheltes Mitleid zeigen! Und gleichzeitig hast du dir, wie alle Männerschweine, in deinen dreckigen Gedanken ausgemalt, wie es wäre, wenn ich mich unter dir winden würde. Nie wieder werden euresgleichen mir und meinen Schwestern nahekommen, nie mehr!«

Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Das Mädchen hatte inzwischen ihr Messer irgendwo in ihren Lumpen verschwinden lassen.

»Was hast du dir dabei gedacht? Der Mann wollte doch nur seine Bes…«

Ich konnte meinen Satz nicht zu Ende sprechen. Das Mädchen fuhr herum und zischte mir entgegen:

»Was weißt du schon, Außenweltlerin!«

»Ich weiß genug, genug über die Unmenschlichkeit der quarterialen Henker. Mein Onkel, Kathy und ich haben sie kennen gelernt. Aber das berechtigt uns nicht, alle Männer zu Schweinen zu erklären. Und übrigens gibt es auch Frauen, die genauso grausam oder noch grausamer sind.«

Das Mädchen lachte. Es war ein freudloses, Herz zerreißendes Lachen, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Sie zitterte plötzlich am ganzen Körper.

»So, du weißt also genug, du hast die Unmenschlichkeit kennen gelernt? Wie hat die denn ausgesehen? Euch scheint bisher nicht viel geschehen zu sein, oder?«

»Ja, wir hatten Glück und konnten immer wieder fliehen oder uns gegenseitig schützen.«

»Dann weißt du von nichts, du hast keine Ahnung, was Unmenschlichkeit bedeutet, hast keine Ahnung, wozu Männer fähig sind.«

Irgendwie hatte ich genug. Dieses Gör tat so, als ob es alle Qualen der Welt für sich gepachtet hätte.

»Ich habe meinen Mann seit Monaten nicht mehr gesehen, er kämpft mit anderen heldenhaften Männern und Frauen für unsere Freiheit. Ich weiß noch nicht einmal, ob er noch am Leben ist. Und Kathy hier«, dabei deutete ich auf meine Freundin, »Kathy ist die Verlobte eures großen Kanzlers Aurec. Auch sie hat ihn …«

Und wieder wurde ich durch ihr schrilles, jetzt jedoch bösartiges Lachen unterbrochen.

»Soso, sie ist also die Verlobte von Aurec, dem Beschützer der kleinen Kinder, der Witwen, Waisen und jungen Mädchen?«

Und dann begann sie zu schreien.

»Wo war der glorreiche Aurec oder dein ach so heldenhafter Mann, als die weißhaarigen Teufel über mich hergefallen sind und ich stundenlang auf jede erdenkliche Weise missbraucht wurde? Wo waren eure so tapferen Helden, als meine Freundin solange mit dem Kopf in eine Kloake getaucht wurde, bis sie fast erstickt wäre? Wo waren eure Soldaten, die uns schützen sollten, als unsere Eltern, unsere Schwestern oder Brüder vor unseren Augen auf bestialischste Weise abgeschlachtet wurden?«

Und dann schüttelte sie ein hemmungsloses Schluchzen.

»Wo wart ihr, als uns unsere Kindheit, unsere Jugend, unsere Unschuld für immer genommen wurde? Wo wart ihr?«

Mit diesen Worten wandte sie sich ab und ging ins Dunkel der Höhle, um dort zu verschwinden. Doch dann hörte ich noch mal ihre Stimme:

»Deshalb habt ihr uns nichts, absolut nichts mehr zu sagen. Wir führen unseren Kampf nach unseren Regeln, wir bestimmen allein, wer uns berühren, wer uns anfassen darf und mit wem wir zusammen sind. Und wir schützen uns in Zukunft selbst, die Schwester den Bruder und der Bruder die Schwester und nur wir werden über unsere Angelegenheiten entscheiden, nur wir und kein Aurec oder sonst irgendwer!«

Ich war wie versteinert. Mein Onkel war am Feuer zusammengesunken und Kathy schluchzte leise. Und ich begann zu verstehen.

Später erzählte uns unser Führer, dass einige von den Arkoniden als Geiseln genommene Jugendliche und Frauen aus den Lagern in den Untergrund gegangen wären und einen wichtigen Teil der Heimatarmee bilden würden. Sie hätten sich unter dem Namen »Verlorene Generation« zu einer weitgehend eigenständigen Organisation innerhalb der Heimatarmee zusammengeschlossen.

Die Jagd beginnt

Reynar Trybwater hatte den Befehl in der CIP-Zentrale übernommen. Hier liefen alle Fäden zusammen. Zwar wies das Überwachungsnetz noch große Lücken auf, aber zumindest die Raumüberwachung funktionierte. Niemand konnte auf dem Planeten landen oder starten, ohne dass er informiert wurde. Er hatte selbst ein Analyseprogramm entwickelt, das ihn über verdächtige Start- und Landevorgänge informierte. Und plötzlich begannen die Kontrollen hektisch zu blinken, das Programm hatte angesprochen. Mit einigen Befehlen rief er die Meldung ab und begann am Bildschirm zu lesen.

Er begann schließlich zu grinsen. Das war ja schon fast eine Beleidigung seiner Intelligenz.

Lordadmiral, wenn du wüsstest, was für Dilettanten inzwischen bei deinem alten Verein für die Einsatzplanung zuständig sind, würdest du glatt wieder mitmischen, nur um denen mal richtig in den Hintern zu treten, murmelte er vor sich hin.

Zuerst ein Arkonide, natürlich mit den besten Empfehlungen, und jetzt ein akonischer Händler, der nichts Besseres zu tun hat, als den Saggittonen Baumaschinen verkaufen zu wollen.

Er nahm einen tiefen Schluck aus der Schnapspulle und fing plötzlich an zu brüllen:

»Für wie blöd haltet ihr uns eigentlich?«

Sein Ausbruch bewirkte, dass die Tür des provisorischen Büros aufgerissen wurde und Kreupen ihn fragend anblickte. Nach einer kurzen Einsatzbesprechung ließ er seinen Bluthund von der Leine.

*

Sie waren am Ziel. Endlich! Jenseits des Hügels lag der zentrale Raumhafen von Saggitton. Wir hatten uns im dichten Unterholz des Waldgürtels versteckt, der die Hauptstadt umgab. Wenig später erschien der angekündigte Spezialist der USO. Nach einigen klärenden Worten verschwanden unsere Begleiter wieder in der Wildnis. Dieser, ein Akone, erklärte uns, dass wir an Bord eines USO-Schiffes nach UDJAT in Sicherheit gebracht werden würden. Nur für den Fall der Fälle übergab er uns noch Papiere, die uns als LFT-Bürger auswiesen und eine Passage nach Mankind enthielten. Perry Rhodan hätte eine Vereinbarung mit dem Emperador erreicht, dass alle Bürger der LFT nach Mankind ausreisen dürften.

Dann machten wir uns auf den Weg zum Raumhafen, wo das Schiff des Spezialisten, der als akonischer Händler getarnt war, auf uns wartete. Wir schlichen uns den Waldrand entlang, als plötzlich aus dem Nichts eine Stimme ertönte:

»Bleibt stehen und hebt die Hände! Keine Bewegung!«

Der USO-Spezialist versuchte noch seinen Strahler zu ziehen, doch aus dem Nichts traf ihn ein Energiestrahl, der mitten durch seinen Kopf ging. Er war sofort tot. Die Luft begann zu flimmern und eine menschliche Gestalt wurde sichtbar.

Ich erkannte ihn sofort. »Kreupen!«

»Liebe Nataly Andrews, du scheinst gar nicht erfreut zu sein, mich hier zu sehen. Du hast wohl eine ganz andere Eskorte hier erwartet.«

Mit diesen Worten machte er einige Schritte auf uns zu und ließ den schweren Strahler sinken. Mein Onkel hatte sich umgedreht und seufzte.

»Kreupen, Sie elender Kerl.«

Kreupen fuhr herum und schlug meinen Onkel mitten in das Gesicht. Ich war wie gelähmt und konnte mich nicht bewegen.

»Es ist aus, ihr verlogenes linguidisches Pack. Jetzt weht ein anderer Wind. Ihr seid nicht mehr so wichtig.«

Und dann griff er mir brutal in die Haare und bog meinen Kopf nach hinten.

»Na Nataly, meine Teure, hast du mir nichts zu sagen? Beispielsweise wo sich die verdammten Rebellen versteckt halten. Los, rede oder ich werde mir dich mal persönlich richtig vornehmen. Und das, das kannst du mir glauben, wird mir ein besonderes Vergnügen bereiten.«

Mit diesen Worten warf er mich auf den Boden. Doch plötzlich war ein feines Sirren zu hören und er fiel um, als wenn ihn eine Axt gefällt hätte. Ungläubig hob ich die Augen und sah Kathy, die mit beiden Händen einen Paralysator hielt. Ihr Gesicht glich einer Rachegöttin. Blitzschnell bückte sie sich und hob den schweren Strahler auf, der Kreupen aus dem Gürtelholster gefallen war.

»Ihre Gesellschaft war mir schon immer zuwider.«

Mit diesen Worten wollte sie den Strahler auf seinen Kopf richten. Doch ich fiel ihr in den Arm.

»Nein Kathy, tue es nicht. Wir würden uns auf die gleiche Stufe wie diese Bestien stellen. Er ist es nicht wert.«

Kathy schien einen Moment mit sich zu kämpfen, doch dann ließ sie den Strahler fallen.

Sie lächelte. »Das sagt ausgerechnet die hitzköpfige Nataly. Aber du hast recht. Der ist es tatsächlich nicht wert.«

Wir kümmerten uns um meinen Onkel. Er hatte, Gott sei Dank, keine ernsthaften Verletzungen. Doch was sollten wir mit Kreupen machen? Mitnehmen konnten wir ihn nicht und wenn wir ihn liegen ließen, würde er uns die gesamte CIP auf den Hals hetzen, sobald die Paralysewirkung abgeklungen war. Kathy fing plötzlich fies an zu grinsen und meinte:

»Wir fesseln ihn einfach.«

Ich schüttelte nur den Kopf und bemerkte: »Womit denn, wir haben nichts!«

Doch Kathy grinste noch breiter.

»Da irrst du dich, Nataly. Wir haben alles, was wir brauchen. Zieh ihm mal solange die Hosen aus, die brauchen wir dazu.«

Ich musste sie total verblödet angeschaut haben, denn sie begann laut zu lachen. Und dann, ich konnte es nicht fassen, knöpfte sie ihre Bluse auf und öffnete ihren BH. Sie wedelte einige Male mit dem Teil vor meinen Augen und meinte:

»Ein garantiert strapazierfähiger Sport-BH, laut Werbung jeder Belastung gewachsen. Ich denke, du verfügst über das gleiche Teil.«

Mit diesen Worten drehte sie Kreupen auf den Bauch und fesselte seine Hände mit dem BH auf den Rücken. Dabei zog sie mehrmals mit aller Kraft an den Trägern, aber der BH hielt, was er versprach. Inzwischen hatte ich meine Verblüffung überwunden und begann, ihm die Stiefel und die Hose auszuziehen. Dann zog ich ebenfalls meinen BH aus und fesselte ihm die Füße. Nun verknoteten wir noch seine Arme und Beine mit der Hose, um zu verhindern, dass er sich groß bewegen konnte. Danach schauten wir uns an und brachen in schallendes Gelächter aus. Kathy meinte noch dazu:

»Na ja, die Waffen einer Frau sollte man nie unterschätzen!«

Hase und Igel

Reynar Trybwater wurde langsam unruhig. Kreupen sollte eigentlich längst Erfolg gehabt haben. Doch keine Meldung kam, einfach nichts. Schließlich entschloss er sich, selbst nach dem Rechten zu sehen. Er stieg in seinen Gleiter und steuerte die letzte Position an, von der sich Kreupen gemeldet hatte. Langsam ließ er den Gleiter in einer immer größer werdenden Spirale kreisen. Und schließlich entdeckte er eine komische Gestalt in Unterhose, die versuchte, über den Boden zu kriechen. Er landete, um sich das Schauspiel genauer anzusehen.

Es war Kreupen, der mit zwei BHs gefesselt war. Er konnte nur unartikulierte Laute von sich geben, da in seinem Mund ein Damenschlüpfer als Knebel steckte, der mit einem Stofffetzen verknotet war. Und das war einfach zu viel. Trybwater lachte, lachte wie noch nie in seinem Leben. Das war köstlich, einfach genial. Schließlich befreite er Kreupen aus seiner misslichen Lage. Dieser brachte es fertig, eine geschlagene halbe Stunde Drohungen, Verwünschungen und Beleidigungen auszustoßen, die hier nicht wiedergegeben werden können. Doch schließlich beruhigte er sich.

Sie brachen zum Raumhafen auf, doch Trybwater war klar, dass sie zu spät kommen würden. Eine kurze Nachfrage ergab Gewissheit. Vor mehr als vier Stunden war ein Schiff mit evakuierten Bürgern der LFT nach Mankind gestartet, er war sich sicher, dass der Chronist und die beiden Frauen an Bord waren. Eine offizielle Verhaftung bei der Ankunft auf Mankind verbot sich von selbst, es war nicht in ihrem Interesse, die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen.

*

Wir hatten ohne Probleme den Raumhafen von New Terrania verlassen können und in der Botschaft der LFT vorläufig Zuflucht gefunden und waren in Sicherheit, doch für wie lange? Es war klar, dass wir nun das Botschaftsgelände nicht verlassen durften. Und dann meldete sich Kreupen.

Er verlangte, mich zu sprechen. Zuerst wollte ich nicht, aber Kathy überzeugte mich, dass es das Einverständnis unserer Furcht wäre, das Gespräch nicht anzunehmen.

Sein Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Es glich einer hasserfüllten Fratze.

»Nataly, du dreckiges Miststück, ich warte auf dich, und auf Aurecs Matratze ebenfalls.«

Mehr sagte er nicht. Doch bevor er die Verbindung trennte, hob er seine Hand in das Aufnahmeobjektiv. Der Bildschirm zeigte verschiedene Folterinstrumente in Großaufnahme. Wir hatten uns einen Todfeind geschaffen.

Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Doch dann kam die gute Nachricht. »Flak« Portland überreichte mir einen Datenkristall, der eine Nachricht von Jonathan enthielt. Er war am Leben, es ging ihm gut und, das war das Wichtigste, er liebte mich. Und plötzlich war die ganze Angst, die ganze Panik, die Kreupens Drohung bewirkt hatte, verschwunden, hatte sich in nichts aufgelöst. Und ich dachte an das junge Mädchen auf Saggittor:

Kreupen, du bekommst mich nicht klein, du nicht!

Epilog

Ende Juli 1306 NGZ

Die Passage durch das Sternentor zu seinem Gegenstück in der Milchstraße war reibungslos verlaufen. Vor der LEIF ERIKSSON lag SOLARIS STATION. Im freien Raum standen sich immer noch die beiden Flotten gegenüber. Eintausend Schiffe MODRORs gegen etwa dreieinhalbtausend LFT- und USO-Einheiten.

Rhodan ließ Kurs auf die LFT-Flotte setzen und aktivierte eine Hyperkom-Verbindung zum Kommandoschiff. Admiral Nepomuk Higgins wurde sichtbar.

»Admiral, in wenigen Minuten wird noch eine Flotte von fünftausend SUPREMO-Raumern des Quarteriums durch das Sternenportal kommen, um uns gegen MODROR zu unterstützen. Der Emperador hat zugestimmt, dass diese Flotte Ihrem Kommando untersteht.«

Der kleine Admiral, der wie ein alter Offizier und Gentlemen des British Empire wirkte, schien etwas überrascht. Fragend zog er die Augenbraue nach oben und zwirbelte seinen Schnauzbart, eine Angewohnheit, die schon zu legendären Parodien innerhalb der Flotte geführt hatte. Doch bevor er eine Frage stellen konnte, traten die SUPREMOs aus dem Sternentor und formierten sich. Darunter waren zwei Giganten des A-Typs, die als Kommandoschiffe fungierten. Die Flotte der LFT wirkte dagegen klein und unscheinbar.

Wenig später schaltete sich der Kommandeur des SUPREMO-Verbandes, Oberst Gross in die Kommunikation ein. Rhodan erweiterte die Verbindung zu einer Konferenzschaltung. Der vierschrötige, etwas korpulent wirkende ehemalige Terraner mit der kurzen Stoppelhaarfrisur, der deutlich an Bully erinnerte, wurde sichtbar. Sein Gesicht hatte sich zu einem überheblichen Grinsen verzogen, als er meinte:

»Ist das alles, was die LFT aufzubieten hat? Anscheinend ist es höchste Zeit, dass das Quarterium den Schutz der Menschheit …«

Weiter kam er nicht. Sämtliche Hyperraumtaster schlugen durch. Etwa dreihundert würfelförmige Raumgiganten mit einer Kantenlänge von dreitausend Meter materialisierten im Raum um das Sternentor. Rhodan war überrascht: Er hatte bisher gar nicht gewusst, dass die Posbis ihre Fragmentraumer zusätzlich mit Sprungtriebwerken ausgerüstet hatten. Kurze Zeit später wurde eine zweite Hyperfunkverbindung aufgebaut. Ein nach menschlichem Vorbild geformter Posbi meldete sich:

»Das Zentralplasma unterstellt die F-Boxenflotte 320 der LFT. Mein Name ist Quohlfahrt.«

Rhodan musste schlucken. Wieder Erinnerungen an einen alten Gefährten und Freund! Galto »Posbi« Quohlfahrt, der sein Leben dem Verständnis und der Verständigung mit den positronisch-biologischen Robotern gewidmet hatte. Doch die Überraschungen sollten noch nicht vorbei sein. Wieder zeigte die Ortung unzählige Hyperraumereignisse. Fast gleichzeitig traten etwa vierhundert Walzenraumschiffe mit einer Länge von zweieinhalbtausend Meter und fünfhundert Kugelraumer mit einem Durchmesser von tausendachthundert Meter aus dem Hyperraum.

Nacheinander meldeten sich die Kommandanten der beiden Flotten. Das Zentralplasma der Hundertsonnenwelt hatte die Bedrohung durch MODROR als so ernst eingestuft, dass es die Maahks und Tefroder in Andromeda um Waffenhilfe bat.

ENDE

Perry Rhodan ist es geglückt, am Sternenportal eine kleine, aber schlagkräftige Flotte zum Schutz vor MODROR aufzubauen. Im nächsten Roman schildert Nils Hirseland die abscheulichen Einzelheiten der Artenbestandsregulierung. Heft 90 trägt den Titel:

OBJURSHA

DORGON-Kommentar

Wie im letzten Roman angekündigt, möchte ich hier noch einige Überlegungen loswerden, die mich bei der Ausarbeitung der beiden Romane beschäftigt haben.

In erster Linie ist hier natürlich die Charakterisierung Perry Rhodans und sein Verhältnis zu seinem Filius zu nennen. Die kurze Passage mit Gucky war dabei eine willkommene Beigabe. Was mich an der Quarterium-Handlung und vor allem auch an der Handlung der Mutterserie stört, war und ist, dass Perry fast zum Trottel des Universums geworden ist. (Ich weiß, das ist harter Tobak.) Aber mein Bild des ehemaligen Risikopiloten ist eben aus den alten Tagen des Solaren Imperiums geprägt, wo eine Figur wie Siniestro keine Chance gehabt hätte, unseren Erben des Universums auf die bisherige Art und Weise hinters Licht zu führen. Deshalb auch mein Einfall eines am Rande des »Ausflippens« stehenden Perrys. Der Dialog zwischen ihm und Roi ist dann das »Sahnehäubchen« des Ganzen.

Bei Roi dachte ich mir, wenn ich schon mal die Chance habe, einen meiner Lieblingscharaktere aus früheren Tagen agieren zu lassen, dann muss er auch eine Hauptrolle spielen. Die Ausweitung auf zwei Romane gab mir den dazu nötigen Raum, für den ich mich bei Nils bedanke.

Ein zweites Thema, das mich immer mehr beschäftigt, ist die in den Dorgon-Romanen geschilderte Gewalt. Ich weiß, dass ich daran nicht unbeteiligt bin. Ich denke jedoch, dass gerade dieses Thema nicht verniedlicht werden darf. Wenn z. B. eine Raumschlacht geschildert wird, bei der Raumschiffe vernichtet werden, sterben Menschen oder andere intelligente Wesen. Es wäre meiner Meinung absolut falsch, diese Tatsache zu verschleiern.

Auch scheint es mir absolut unrealistisch, zu unterstellen, dass es bei der Eroberung eines Planeten durch feindliche Kräfte human und friedlich zugeht. Das Gegenteil dürfte der Fall sein. Hierbei beschäftigen mich immer mehr die Auswirkungen von Terror und auch sexueller Gewalt auf die Bevölkerung und die Psyche der Beteiligten, wie ich sie vor allem im vorhergehenden Roman geschildert habe.

Es wurde in den bisherigen Dorgon-Romanen immer wieder auf Vergewaltigungen hingewiesen, ohne dass auf die Auswirkungen dieser für die Betroffenen wohl schlimmsten Demütigung ihres Selbstwertgefühles eingegangen wurde. Nun erhebe ich nicht den Anspruch, dass ich mich in die Psyche einer vergewaltigten Frau hineinversetzen kann, das wäre auch vermessen und Ausdruck einer unerträglichen Arroganz, aber ich habe Gott sei Dank eine Lebensgefährtin, mit der ich über dieses Thema reden kann und der ich hiermit für ihr Verständnis und ihre Geduld danken will.

Die von mir geschilderten psychischen Probleme meiner weiblichen Charaktere sind das Ergebnis dieser Diskussion und stammen überwiegend aus den Aussagen meiner Partnerin. Ich hoffe, dass es mir unter diesen Umständen gestattet ist, auch aus der Sicht einer betroffenen Frau auf diese einzugehen.

Wie angekündigt, veröffentlichen wir im DORGON-Kommentar den 2. Teil unserer Serie über die kosmologische Theorie des Zyklischen Universums. In Mittelpunkt des Artikels steht einer der zentralen Begriffe dieser Theorie: die Bran.

Jürgen Freier

Branen

Eine Bran stellt in diesem Verständnis unser bekanntes, vierdimensionales Universum dar, das eine »Hyperfläche« im höherdimensionalen Bulk bildet. Steinhardt und seine Schüler gehen nun von theoretisch unendlich vielen Branen, also auch theoretisch unendlich vielen Universen aus, die sich jedoch in den String-Eigenschaften unterscheiden können, also völlig unterschiedliche physikalische Bedingungen haben können.

Eine Bran (engl. brane), genauer gesagt eine p-Bran, ist gemäß der Stringtheorien ein schwingungsfähiges Objekt mit der Dimension p. Die Bezeichnung geht auf Paul Townsend zurück und ist an das Wort Membran (engl. membrane) angelehnt.

Die Branen repräsentieren die uns bekannten Teilchen des Standardmodells und darüber hinaus viele, die noch nicht entdeckt wurden, insbesondere wenn Branen in der Supersymmetrie (SUSY) betrachtet werden. Branen können aber auch ganze stellare Objekte, sowie klassische Schwarze Löcher beschreiben.

Das theoretische Konzept der Branen nennt man umfassend Branenwelt (engl. brane world) oder auch Brane World Scenario. Dieser Formalismus hat alle Stringtheorien durchdrungen. In der Branen Kosmologie werden die Branen im Rahmen der relativistischen Kosmologie angewendet und erweitern deutlich die Konzepte der (vierdimensionalen) Standardkosmologie. Wie von den Stringtheorien gefordert, wird die Existenz von Extradimensionen angenommen. Die Branen sind typischerweise dreidimensional (3-Bran) und bilden Hyperflächen im höherdimensionalen Bulk (engl., gesprochen »balk«).

Bei diesen »Hyperflächen« handelt es sich also um zusätzliche Raumdimensionen, in die nur die Gravitation eindringen kann, nicht aber Teilchen und Felder des Standardmodells der Teilchenphysik.

Diesen übergeordneten, höherdimensionalen Raum nennt man Bulk. Die Metrik des Bulks ist eine gekrümmte, fünfdimensionale Anti-Raumzeit. »Anti« bedeutet, dass die (fünfdimensionale) Kosmologische Konstante dieser Bulk-Geometrie negativ ist, was im Gegensatz zur klassischen, vierdimensionalen Raumzeit mit positiver Kosmologischen Konstante steht.

Die Branen können auf dieser Bulk-Geometrie statisch fixiert sein oder durch die Vermittlung eines Skalarfeldes gegeneinander schwingen. Diese Branendynamik kommt durch die Wechselwirkung mit dem Bulk-Skalarfeld zustande. Im Ekpyrotischen Szenario und dem Zyklischen Universum heisst dieses Feld Radion. Die Dynamik geht dabei soweit, dass die Branen kollidieren können, was kosmologisch mit dem Urknall interpretiert wird.

Damit liefern Ekpyrosis und Zyklisches Modell erstmals eine Ursache für den Big Bang.

GLOSSAR

Ronald Kreupen

Geboren: 12.08.1262 NGZ

Geburtsort: Holland, Terra

Größe: 1,75 Meter

Gewicht: 78 kg

Augenfarbe: grau

Haarfarbe: hellblond

Bemerkungen: er ist intelligent, seine gepflegte Erscheinung wirkt vornehm und er legt großen Wert auf seine Kleidung, gibt sich kultiviert und human und verhält sich stets höflich und zuvorkommend

Kreupen ist auf Terra als Theater- und Musikagent tätig. 1295 NGZ siedelt er nach Cartwheel über und wird dort von Siniestro angeworben, um einen missliebigen Schriftsteller zu beschatten, der Material über den Marquês sammelt, um einen Enthüllungsroman zu schreiben. Dabei ist er äußerst erfolgreich: Seine Informationen führen dazu, dass der Schriftsteller im Auftrag Siniestros umgebracht wird. Durch diesen »Erfolg« fühlt er sich zur Geheimdienstarbeit berufen und tritt nach Gründung des Quarteriums in die CIP ein, wo er rasch Karriere macht. Dabei bemüht er sich immer, eine »weiße Weste« zu behalten, d. h. die Drecksarbeit überlässt er Untergebenen. Nach außen spielt er den »ehrlichen Polizisten«, der sich um Verständnis für die Opfer bemüht.

Sein wahres Gesicht zeigt er im Umgang mit der Halblinguidin Nataly Andrews. Er kennt nur ein Ziel: sie »ins Bett« zu bekommen, seit er sie bei einem Empfang ihres Onkels kennenlernte. Dieses Verhältnis entwickelt sich zur Besessenheit und führt schließlich zu grenzenlosem Hass, weil Nataly ihn immer wieder abweist und ihn dabei mehrmals demütigt.

»Blutnacht von Siniestro«

Bezeichnung für das Massaker, das am 31. Dezember 1305 NGZ auf Veranlassung Emperador Siniestros anlässlich einer »Friedenskonferenz« auf Siniestro im Privatschloss des Emperadors durch die CIP verübt wurde.

Ziel war die Ermordung der Führer der Alliierten, die gegen den absoluten Machtanspruch des Quarteriums standen. Der Anschlag scheiterte letztendlich, da die Alliierten Verdacht geschöpft hatten und mit einer Space-Jet fliehen konnten.

Das Quarterium nutzte den Anschlag, um den Linguiden Pace Joharr zu diskreditieren und die Neue USO zu Terroristen zu erklären. In einer demagogischen Ansprache nutzte Gos’Shekur Uwahn Jenmuhs als Stellvertreter des leicht verletzten Emperadors die Gelegenheit, praktisch den Ausnahmezustand zu erklären und die letzten Bürgerrechte innerhalb des Quarteriums außer Kraft zu setzen. Das gesamte Volk der Linguiden wird potentiellen Terroristen gleichgesetzt und für vogelfrei erklärt. Die Welt Lingus wird zu einem Internierungslager und dient dem Quarterium als »Freizeit- und Erholungsstätte für verdienstvolle Flottenangehörige«.

Letztendlich dienen die Ereignisse auf Siniestro auch zur Rechtfertigung des Angriffskrieges gegen die Republiken Saggittor und Akon.

»Bluff von Quinto«

Bezeichnung für die inszenierte »Vernichtung« der VIPER II, einem Beiboot der FLASH OF GLORY, die zu diesem Zeitpunkt auf Lingus stationiert war.

Roland Meyers, der Kommandant der FLASH OF GLORY, nutzte den Angriff Cauthon Despairs auf die Zentrale der Neuen USO in Cartwheel, um die Vernichtung der VIPER II durch die Raumforts von Quinto vorzutäuschen. Für das Quarterium und vor allem für die CIP gelten Meyers und seine Vertrauten fortan als tot, was dazu führt, dass der Befehlshaber der CIP, Werner Niesewitz, die gesamten Geheimcodes beibehält. Meyers kann sich also nach wie vor in die interne Kommunikation der CIP einschalten.


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— Special-Edition Band 89, veröffentlicht am 12.12.2016 —

Titelillustration: Gaby Hylla • Innenillustrationen:

Lektorat: Alexandra Trinley • Digitale Formate: René Spreer