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Band 87

Quarterium-Zyklus


Der Dunkle Himmel

Die Alliierten wehren sich gegen die Invasoren


Ralf König



Was bisher geschah Hauptpersonen des Romans
Es herrscht Krieg! Seit dem Angriff des Kaiserreiches Dorgon auf die estartischen Galaxien tobt eine erbitterte Auseinandersetzung um die Mächtigkeitsballung von ESTARTU. Unterstützt von einer Allianz der Neuen USO, Saggittors und der Republik Akon kämpfen die Einwohner Estartus gegen die Unterdrückung durch die Dorgonen und das Quarterium um ihre Freiheit.

Das Quarterium gewinnt immer mehr an Macht. Mitte 1306 NGZ beherrscht das Reich von Don Philippe de la Siniestro ganz Cartwheel und befindet sich mit seinen Verbündeten auch in den estartischen Galaxien auf dem Vormarsch. Sie drängen die Rebellen unter der Führung von Aurec zurück und der Corun von Paricza, Leticron, führt die Entscheidungsschlacht herbei: Die Eroberung der Hauptwelt der Rebellen. Es entbrennt ein Kampf im DUNKLEN HIMMEL …
Leticron – er Corun von Paricza und Sohn des Chaos bringt das Grauen nach Erendyra.

Aurec – Der Kanzler Saggittors wird zur letzten Hoffnung der Rebellen.

Arimad – Die Kaiserin Dorgons ist über Leticrons Vorgehensweise empört.

Generalmarschall Toran Ebur, Generaloberst Alcanar Benington, Generalkommandeur Stevan da Reych – Sie führen im Auftrag Leticrons den totalen Krieg.

Pedro Perez – Der Soldat der USO steht auf verlorenem Posten.

Sam Tyler – Ein knallharter USO-Agent.

Sam – Er sehnt den Frieden herbei.

Prolog

Vorgestern hatte es noch so ausgesehen, als sei die Welt vollkommen in Ordnung. Doch über Nacht änderte sich alles.

Erschrocken blickte der Insektoide auf die Schwärme, die über seiner Heimat aufgetaucht waren. Der Himmel verdunkelte sich, als die Konturen der Schiffe inmitten der Wolkendecke sichtbar wurden, Adlern gleich, die ihre Beute erspäht hatten und nun im Rudel Jagd auf sie machten. Doch Adler waren Einzelgänger, sie jagten nicht im Rudel. Die Fremden schon.

Er konnte kaum glauben, was er sah. Unglaublich schnell war der gesamte Himmel von Schiffen bedeckt. Sie standen am Firmament, als seien sie schon immer da gewesen. Sie warteten. Worauf, wussten wohl nur ihre Kommandanten.

Allerdings konnte man erraten, worauf sie warteten. Auf den Befehl nämlich. Den Befehl zur Erstürmung der Welt. Seiner Welt.

Starr vor Schreck blickte er in den Himmel. Vielen seiner Art erging es wie ihm in diesen schrecklichen Stunden. Sie hatten gehört, was in Trovenoor und Siom Som passiert war. Aber das war so unsagbar fern gewesen. Und mit einem Male war es so furchtbar nah.

So ungeheuer nah war es, dass er die flirrenden Abstrahlmündungen von Millionen von Geschützen erkennen konnte, ohne sich sonderlich anstrengen zu müssen. So ungeheuer nah, dass er glaubte, die Schiffe müssten ihm jeden Augenblick auf den Kopf fallen. Aber das taten sie natürlich nicht.

Die Insektoiden konnten nichts anderes tun, als abzuwarten, was ihre Regierung beschließen würde. Warten, bis die Waffen sprachen und Tod und Verderben über eine ganze Welt brachten, die sie als Geisel genommen hatten. Oder auf den Augenblick, an dem die flirrenden Abstrahlmündungen erloschen und die Schiffe wieder im Raum verschwanden, eine Besatzungsmacht zurücklassend, die fortan hier den Ton angab. Warten auf den Moment der unausweichlichen Niederlage.

Er fror. Und mit ihm froren Millionen andere, die in diesen Minuten in den Himmel über ihrer Welt starrten.

*

Sie würden sich der unglaublichen Übermacht ergeben müssen. Achtzigtausend Schiffe, die über ihrer Welt Position bezogen hatten, sprachen eine deutliche Sprache. Die Zahl der aktiven Geschützmündungen ließ sich wohl allenfalls von einem Rechengehirn präzise ermitteln, das die Daten der Ortung blitzschnell auswerten könnte. Aber wen interessierte es schon, wie vielfach die Schiffe über ihrer Welt den Tod bringen konnten? Gegen diese Übermacht kamen sie nicht einmal ansatzweise an.

Die Heimatflotte hatte sich bereits zurückgezogen. Sie hielt sich in sicherer Entfernung bereit, um auf den Befehl ihrer Regierung hin das Unmögliche zu versuchen. Doch dieser Befehl würde nicht kommen. Verteidigung? Das Ende ihrer Welt wäre die unausweichliche Folge. Und so starrten die Wesen von Trzzykt wie hypnotisiert auf die Schiffe über ihrem Planeten, wohl wissend, was ihre Ankunft bedeutete.

Sie hatten die vielen Bilder gesehen, die von den neuen Machthabern, sicher nicht ohne Absicht, in die umliegenden Galaxien des Virgo-Clusters abgestrahlt worden waren. Sie hatten die Akte der Gewalt fast ungefiltert auf verwackelten Bildern angreifender Raumschiffe miterlebt. Deren zentrale Rechengehirne waren scheinbar mit den Kursberechnungen mehr als ausgelastet, wie sie derart nah an einem Planeten nötig waren. Für eine Bildstabilisation war da wohl keine Kapazität mehr frei.

Oder sie wollten diesen Effekt, um ihr Auftreten spektakulärer wirken zu lassen. Doch explodierende Raumschiffe, Gleiter, planetengebundene Fahrzeuge, lebende Wesen und Gebäude, in denen Mitglieder der so genannten zivilen Bevölkerung zu Hunderttausenden ums Leben gekommen waren, wären auch so spektakulär genug gewesen, oder?

Die Insektoiden vergegenwärtigten sich die schrecklichen Bilder, die ihnen deutlich zeigten, dass es in diesem Krieg so etwas wie eine Zivilbevölkerung nicht gab, jedenfalls nicht für die Gegenseite. Und sie entschieden, ohne lange Diskussion, zugunsten ihrer eigenen Zivilbevölkerung, die unter einem solchermaßen sinnlosen Krieg nur unnötig würde leiden müssen.

Sie kapitulierten ohne Bedingungen. Und akzeptierten die Besatzungsmacht, die ihnen angekündigt worden war.

*

Ihr Vertrauen in den Oberbefehlshaber der Flotte war grenzenlos. Leticron, der immer noch im Körper eines fremden Überschweren steckte, wusste dieses Vertrauen zu schätzen. Zeigte es ihm doch, dass seine Methoden von Erfolg gekrönt waren. Der Krieg in Erendyra war schon halb gewonnen und das überwiegend auf der Ebene einer medialen Indoktrination, die noch dazu von den Opfern selbst betrieben wurde.

Anscheinend hatte er sie genau richtig eingeschätzt, die vielen Wesen dieser zahlreichen Welten, die sich genauso verhielten, wie alle anderen auch. Schön aufbereitete Bilder, in denen die eigene Situation offensichtlich wurde, die Gefahr, in der alle schwebten, nicht nur die Soldaten des jeweilig Angegriffenen. Sie waren genau das Richtige, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Dies zeigte sich im vorliegenden Fall wieder einmal sehr deutlich.

Allein die Bilder aus den vorhergehenden Kriegen machten ihnen klar, wie gefährlich es werden konnte, sich mit seiner Flotte messen zu wollen, wo ihre Grenzen lagen. Aber sie hatten mit einem nicht gerechnet: Mit der unglaublichen Skrupellosigkeit des einstigen Coruns of Paricza und Vasallen des Hetos der Sieben in der Milchstraße. Leticron wäre nicht er selbst gewesen, wenn er die Kapitulation einfach so hingenommen hätte. Er befürchtete, dass viele andere, mächtigere Völker Erendyras sich dazu hinreißen lassen würden, doch noch Widerstand zu leisten. Möglicherweise ähnlich wie in Siom Som mit Hilfe von terroristischen Angriffen auf den Staat, der jetzt rechtmäßig war, weil er die Macht in den Galaxien übernommen hatte.

Wenn er dies vermeiden wollte, dann musste er unerbittlich ein Exempel statuieren. Und dieses Volk auf dieser eher unbedeutenden Welt war dafür wie geschaffen. Vielleicht hatten sich die Wesen, die der Regierung dieser Welt vorstanden, ähnliches schon gedacht. Wenn, dann mussten sie ihr Verhalten als unausweichliches Risiko bewerten, das sie einfach eingehen mussten. Schon allein aus dem Grund, weil ihnen letztendlich nichts anderes übrigblieb. Manche Risiken ließen sich eben nicht steuern. Und dazu gehörte die Skrupellosigkeit eines Massenmörders wie Leticron einer war.

Er grinste genüsslich und gab dann Befehl an alle Einheiten, diese Welt in Schutt und Asche zu legen.

Befriedigt lehnte er sich zurück, während er die Bilder der Gewalt genoss, die von Bildschirmen in die Zentrale des Schiffes hereinbrachen. Die entsetzten Gesichter einiger Generäle übersah er dabei. Es war ihm gleichgültig. Immerhin hatte er die Macht und somit die Freiheit, seine Entscheidungen zu verantworten wie er wollte.

Weitgehend allerdings nur vor sich selbst. Und vor dieser Instanz waren die Hindernisse nicht allzu hoch.

*

Der Familienvater dachte an seine Kinder, während er die Schiffe beobachtete, die immer noch wie eine stumme Bedrohung über ihnen schwebten. Sie waren noch nicht lange da, und doch wirkten sie wie das Einzige, was es noch gab. Letzten Endes traf das vielleicht auch zu.

Wie unmittelbar eine solche Bedrohung doch alles andere aus ihren Gehirnen fegen konnte. Eigentlich war er auf dem Weg gewesen, einige Besorgungen zu machen, während seine Partnerin auf die Brut achtete, die erst vor kurzem geschlüpft war. Vielleicht war eine Familie ein Anachronismus in dieser Zeit, die von Raumfahrt, Schnelligkeit und freudloser Direktheit geprägt war. Vielleicht war sie überholt, aber sie war immer noch schön. Und so dachte er intensiv an die Familie, bewegte sich schnell zwischen den anderen, die unausgesetzt nach oben schauten, schaute selbst ebenso unausgesetzt nach oben und näherte sich seiner Unterkunft, in der die Familie warten musste, ebenso entsetzt wie er über die Bedrohung, die unvermittelt Realität geworden war.

Die Frau und die Kinder waren nicht mehr zuhause, bewegten sich, wie er selbst, außerhalb der eigenen vier Wände und musterten den Himmel, wie er selbst. Er registrierte mit Erleichterung die Nachricht, die ihn über seinen Kommunikator erreichte. Eine Nachricht, die von den Agenturen seiner Welt blitzschnell verbreitet wurde. Die vom Ende der Gewalt berichtete, noch bevor sie überhaupt ausgebrochen war. Jubel breitete sich über dem Planeten aus, nur kurz allerdings, weil allen sehr schnell klar wurde, dass die Kapitulation keine Rettung bedeutete, sondern Gefangenschaft, für viele vielleicht sogar Knechtschaft bis in den Tod.

Aber immerhin war die unmittelbare Bedrohung abgewendet worden, glaubten alle Wesen seiner Welt. Jedenfalls bis die flirrenden Abstrahlmündungen aufglühten und Tod und Verderben zu spucken begannen. Unvermittelt und unmittelbar, so wie das Leben, kam der Tod zu ihnen.

*

Doch die Zeit vor dem Tod war lang genug, um die Auswirkungen des Angriffs zu verstehen, um die Energiestrahlen zu verfolgen, die aus dem Himmel schossen, die in Gebäude schlugen, in Anlagen, die in sonnenhellen Explosionen vergingen und viele mit in den Tod nahmen. Vieltausendfaches Sterben, Vernichtung, sinnlose Gewalt, die den Planeten von einer Sekunde zur nächsten überzog. Energiebahnen, die sich langsam herantasteten, unbeirrbar mitten durch die größten Ansammlungen fuhren, bis sie den eigenen Standort erreichten.

Und damit erreichte das Entsetzen der letzten Minuten seinen grauenerregenden Höhepunkt. Die Energiebahnen lösten Verwandte und Bekannte auf. Nachbarn liefen vor den glutheißen Lichtbalken davon, als gäbe es Hoffnung, als sei das wirklich eine Möglichkeit, der Gefahr zu entkommen.

Doch es war keine. Aufglühende Körper bewiesen es und das Aufflackern schwarzen Dampfes, das von ihnen Sekundenbruchteile lang übrigblieb und verwehte.

Der Insektoide nahm seine Frau noch einmal fest in die Arme. Sein Entschluss stand fest: Er machte keine Anstalten wegzulaufen. Er wartete ruhig, mit einer fast heiteren Gelassenheit, auf den Augenblick, an dem die Strahlen in seinen Körper schlagen, ihn auflösen, verbrennen, seinen Geist verwehen lassen würden. Und er bedauerte, dass seine Kinder so viel auf ihrer wunderschönen Welt nicht mehr kennen lernen würden. Er bedauerte, dass er seine Partnerin nie mehr würde lieben können, ihr nie mehr zeigen konnte, wie viel sie ihm bedeutete. Und ein klein wenig bedauerte er auch seinen eigenen Tod.

Die Strahlbahn wurde heller, als sie sich seinem Standort näherte, die beinahe schenkeldicke Bahn zerschmolz das Metallplastik der Straßen, die in den Kolonien seiner Welt schnell für versiegelten Untergrund sorgten. Flüssige Spritzer des Materials erreichten sie, fraßen Löcher in ihre Körper, die sie dann doch nicht fühlten, weil es viel zu schnell ging. Dann rasten die glühenden Balken über sie hinweg.

*

Sie hatten Glück im Unglück. Der Insektoide lebte lange genug, um die Schiffe über seinem Planeten hin und her huschen zu sehen, bis diese Orgie der Gewalt zu Ende ging. Nach und nach erloschen die Strahlbahnen, als sich scheinbar kein Leben mehr rührte. Und er lebte auch lange genug, um zu sehen, wie die Schiffe im Himmel verschwanden, ihre Welt wieder verließen – sich aufmachten, um die nächste Welt anzufliegen und für ihre eigenen Pläne zu erobern. Er lebte aber vor allem lange genug, um die Schmerzen in voller Härte zu spüren, die seinen verbrannten und verletzten Körper beherrschten.

Und er fragte sich, was diese Fremden wohl motivierte, anderen Wesen weh zu tun, sie und ihre Welten zu vernichten.

Verstehen konnte er es nicht.

Sein Wille kämpfte gegen den Schmerz und gewann. Er stemmte sich langsam auf die Beine, wacklig zwar, doch er stand wieder. Er registrierte die verbrannten Löcher in seinem Chitinpanzer, auf denen die geschmolzenen Teile des Metallplastiks verdampft waren. Sie konnten heilen, da war er sicher, aber die Wunden seiner Welt, die der Angriff der Fremden gerissen hatte, würden es nicht.

Er schaute sich um und blickte eine verheerte Straße entlang, auf der viele Angehörige seines Volkes auf dem geschmolzenen Metallplastik lagen, teilweise fest damit verbacken. Viele waren von den Energiestrahlen aufgelöst worden, doch genug andere nur verletzt, wie er selbst. Die Toten blickten anklagend mit gebrochenen Augen in einen Himmel, den sie nie wieder sehen würden. Und mitten unter ihnen erkannte er entsetzt seine Kinder, deren Leichen er genau betrachtete, den Schrecken in sich aufsaugend als Ablenkung von seinen körperlichen Schmerzen und vor Entsetzen gebannt.

Seine Partnerin konnte er nirgends erkennen. Bis sie sich ebenfalls aufrichtete und verstand, was ihnen der Angriff genommen hatte. Sie stürzte in seine Arme, jeder suchte den Halt des anderen. Die anderen Überlebenden in der zerstörten Straße beachteten sie kaum. Es war eine geisterhafte Szenerie. So mussten überall die Übriggebliebenen ihres einst nach Milliarden zählenden Volkes umherwandeln. Jetzt galt es, die Überlebenden zu sammeln und ihre Welt wiederaufzubauen.

Eng umschlungen blickten sie in den Himmel, verfolgten die Spuren der letzten Schiffe in der Atmosphäre ihrer Welt und verwünschten den Tag, an dem die Fremden gekommen waren.

1. Schock und Furcht

Erendyra im April 1306 NGZ

Leticron war sehr mit sich zufrieden. Und nicht nur mit sich selbst: Auch die Soldaten, die seinem Kommando unterstellt waren, erfüllten ihn mit Freude. Ein Zögern gab es da nur ganz selten und die Effizienz seiner Armee erfüllte seine Erwartungen. Er hatte mit seiner Politik, Schrecken und Furcht über Erendyra zu bringen, schon eine Menge erreicht. Die Galaxis stand kurz vor dem Fall.

Natürlich war die Eroberung einer Galaxis, die aus vielen verschiedenen Völkergruppen bestand, nicht mit der Eroberung eines Sternenreiches zu vergleichen. So etwas wie eine gemeinsame Kapitulation gab es da nur selten. Galaxien beherrschende Volksgruppen waren nun auch nicht gerade die Regel in diesem Teil des Universums. Insofern war es nicht verwunderlich, dass der Sieg Planetensystem für Planetensystem erkämpft werden musste.

Glücklicherweise war ihnen ihr schlechter Ruf vorausgeeilt und das war in diesem Fall nur von Vorteil. Viele Systeme kapitulierten bereits, wenn die Flotte nur in der Nähe ihrer Hauptwelt gesichtet wurde und in vielen Fällen war der Sieg auf diese Weise ein vollkommen unblutiger. Das war allerdings nicht im Sinne des Überschweren. Deshalb ließ er immer wieder auch Planeten, die bereits kapituliert hatten, einäschern, einfach nur, um ein Signal zu setzen, um zu zeigen, dass er keine Gnade walten lassen würde. Um der psychologischen Komponente willen, die ein solches Vorgehen mit sich brachte.

Neuerdings gab es eben nicht nur Aufnahmen aus den bereits eroberten Galaxien Siom Som und Trovenoor, sondern auch aus Erendyra selbst, die sich, dank der lokalen Medien, schnell verbreiteten und noch mehr Schrecken auslösten. Insgesamt also eine rundum gelungene Strategie, die sie ausgewählt hatten, eine Strategie, die ihm auch noch die dringend nötige persönliche Befriedigung verschaffte.

Zufrieden lehnte er sich zurück und verschaffte sich einen Überblick. Es gab kaum noch Bastionen der Verteidigung in Erendyra nach diesen ersten Monaten des Jahres 1306 NGZ. Nur noch vereinzelt flackerte Widerstand auf, der allerdings lokal begrenzt war und schnell niedergeschlagen werden konnte. Und nur noch wenige Systeme, die zu erobern sich lohnen würde, standen auf der Wunschliste des Überschweren. Insofern war es bald an der Zeit, einen glorreichen Sieg zu verkünden. Für den morgigen Tag würde er eine Konferenz einberufen, um zu den versammelten Führern zu sprechen. Auf der Konferenz würde er das Ziel des Feldzuges als erreicht erklären.

*

Das gelinde Entsetzen seiner engsten Offiziere holte den Überschweren aus seinen Gedanken. Sie beherrschten sich, ließen ihre Gefühle kaum nach außen dringen. Genau das hatte er von ihnen gewollt. Nüchterne Effizienz. Schockieren, aufrütteln, vielen klar machen, was vergleichsweise wenigen geschah. Umso schneller und umfassender würde sein Sieg werden.

Der Überschwere drehte sich langsam um und musterte die Uniformierten, die in der Zentrale des Schiffes standen. Kaum jemand sprach. Nur wenige blickten in seine Richtung, und wenn sie es taten, dann nur, um sich sofort wieder abzuwenden. In der Hoffnung, dass ihr ungläubiges Staunen, ihr namenloses Entsetzen von dem Kommandanten nicht zu deutlich wahrgenommen werden würde.

Dieser hatte es aber sehr wohl registriert und mit Befriedigung in seinem Innersten verstaut. Nicht nur die Einwohner dieser Sterneninsel würden sich sehr genau merken, was hier passiert war. Der mediale Krieg tobte bereits auf einer anderen Ebene weiter, viele der schrecklichen Bilder waren auf dem Weg zu den Welten, die noch nicht erobert waren und verbreiteten Entsetzen ob der Gewalt, die von den Eindringlingen ausging.

Mochte es auch noch so unwahrscheinlich erscheinen in diesen modernen Zeiten, dass ein Krieg so unmittelbar vor der eigenen Haustür erschien und die Tür aufstieß – es war geschehen. Die Bilder sprachen eine deutliche Sprache und traumatisierten ganze Bevölkerungen, die unvermittelt Zeugen von so viel Gewalt geworden waren.

Doch sie machten auch in den eigenen Reihen klar, dass Leticron den Ton angab. Er war unberechenbar und er genoss es. Er hatte Erfolg und er badete sich darin.

Aber eines fehlte ihm noch. Und das war der Triumph über die verdammten Alliierten. Aufflammender Zorn schüttelte ihn, doch er ließ sich nichts anmerken. Schnell verließ er die Zentrale und als er die Tür des Bereitschaftsraums hinter sich geschlossen hatte, verlor er für einen Augenblick seine unmenschliche Beherrschung. Er schlug mit der Faust auf den Tisch, betrachtete die Delle, die in dem harten Material zurückgeblieben war, abwesend und mit gelinder Verwunderung, rieb seine Faust, die kaum schmerzte, und wandte sich ab.

Innerlich bebend musterte Leticron die Wände des kleinen Bereitschaftsraums, ließ sich Karten projizieren, die die Galaxis in Bereiche aufteilte, von »Erobert« über »Vorbereitet« bis hin zu »Unbekannt«. Die letzteren Bereiche überwogen bei weitem, schließlich verlor sich selbst eine Flotte von 80.000 Raumschiffen in der Weite einer Sterneninsel wie Erendyra.

Trotzdem hatte er eine Vorstellung davon, was sich in den unbekannten Bereichen befand. Nur eben nicht genau wo. Die Welt der Alliierten, ihre letzte und beste Hoffnung: Good Hope.

Wieder traf seine Faust die kleine Vertiefung. Der Tisch bebte, doch die Hologramme flackerten nicht. Eine Rechnung blieb offen. Und er wusste nicht, wie lange noch. Das war abhängig von seinen Fortschritten in Erendyra und der Kooperation der Bevölkerung. Von den Nachrichten, die seine Späher brachten. Und von den inoffiziellen Informationen, die unter der Hand an die Besatzungsmacht flossen.

Er war ihnen auf der Spur. Sie würden seinen Atem schon bald zu spüren bekommen. Finster nahm Leticron im Kontursessel Platz.

*

Ruhe war ein wesentlicher Teil seines Lebens, und wenn Soradan Mog Aro an die Zeit dachte, die er auf seiner Heimatwelt in einer einsamen Höhle mitten in einem ausgedehnten Gletschergebiet verbracht hatte, an all die kalten Tage und stürmischen Nächte fernab der Zivilisation, in denen er über das Leben nachgedacht hatte, dann kehrte sie zu ihm zurück, die Ruhe, die er so dringend brauchte. Und die er so selten erhielt, seit seine neue Schülerin ihn überredet hatte, in dieser erbarmungslosen Zeit eine wichtige, doch ungeliebte Rolle zu übernehmen.

Ob ihm diese Funktion nun gefiel oder nicht – er hatte gelernt, die Situation zu akzeptieren. Es blieb ihm kaum etwas anderes übrig. Sein Glaube, seine Ethik und seine Ausbildung halfen ihm dabei.

Und doch – die Bilder, die über alle Relaisstationen dieser Galaxis verbreitet wurden, erschütterten seine Ruhe mehr, als er gedacht hatte. Soradan Mog Aro schaltete für einen Augenblick ab und versetzte sich in die Konzentration, die nötig war, um die Nachrichten zu ertragen. Die Berichte und Bilder, die deutlich machten, dass nun auch Erendyra in die Fänge des Feindes zu geraten drohte. Die kalte Hand des dorgonischen Imperiums griff nach dieser bislang friedlichen Galaxis. Unter dem Befehl Leticrons verbreiteten die Truppen der quarterial-dorgonischen Allianz Furcht und Schrecken.

Trotzdem bemerkte Soradan Mog Aro sehr wohl, dass die Bilder eigentlich bloße Propaganda waren. Eine Form der geistigen Infiltration, die das Ziel verfolgte, Opfer zu vermeiden. Auf eine unsagbar grausame und brutale Art allerdings.

Aro bezweifelte, dass das Umfeld Leticrons das ebenso wahrnehmen würde. Und das war vielleicht ganz gut so, denn früher oder später würden sie ihn vielleicht doch aufhalten, bevor er vollends jedes Maß verloren hatte.

Dennoch verfolgte er eine teuflische Strategie: Indem er unschuldige Wesen bewohnter Welten mit unnachgiebiger Härte behandelte und dieses Verhalten auch noch publik machte, brachte er viele andere dazu, sich zu ergeben und hatte so leichtes Spiel.

Einige der Aufnahmen machten allerdings deutlich, dass es Welten gab, denen auch ihre Nachgiebigkeit nichts geholfen hatte. Sie hatten sich ergeben, mussten aber trotzdem die Grausamkeiten der Flotte erdulden. Wie ein antiker Gott, dessen Wille unberechenbar war, dessen Gnade in seiner eigenen Hand lag … Und so breitete sich Leticron mit seiner Flotte von Angreifern über der gesamten Galaxis aus und infiltrierte jeden Bereich, schnürte die Alliierten immer weiter ein und kam ihnen immer näher. Nicht einmal hier, in der Abgeschiedenheit von Erendyra, konnten sie sich mehr sicher fühlen. Es war ungeheuerlich.

Die geistige Disziplin eines Meisters der Upanishad half ihm, die Erkenntnisse nüchtern und sachlich zu analysieren. Und er bewunderte seine Schülerin, die sich ebenfalls mustergültig beherrschte. Viele, von denen er es eher erwartet hätte, waren da wesentlich empfindlicher. Eine Haltung, die er ihnen aber nicht wirklich vorwerfen konnte. Zu erschreckend war die Situation. Ausweglos vielleicht noch nicht, aber nahe daran. Der Gegner war an allen Fronten auf dem Vormarsch. Und nun auch in ihrem Gebiet, einem Bereich, in dem sie sich bis vor wenigen Wochen sicher fühlen konnten.

Es würde wohl nicht mehr lange dauern. Die Verteidigung der eigenen Linien war insofern nur noch eine Frage der Zeit. Hatten sie überhaupt noch Gelegenheit dazu, oder sollten sie sich lieber sofort absetzen? Die Vorbereitungen dafür mussten jedenfalls getroffen werden.

Aro wandte sich entschlossen von den Aufnahmen ab und stellte sich seiner Verantwortung.

*

Leticron, der Pariczaner! Mit einem Stolz, der seinesgleichen suchte, betrat dieses Wesen den Besprechungsraum, erfüllte ihn regelrecht mit seiner Präsenz, die die Jahrtausende überdauert hatte. Er stand in der Mitte vor dem schweren Holztisch, auf dem ein Hologrammprojektor stand. Arimad erschauerte. Es war weniger eindrucksvoll als vielmehr verstörend, von seiner Aura gestreift zu werden. Es war aber noch etwas anderes. Es war auf merkwürdige Weise … anregend, erkannte die Tochter Ulemans mit gelindem Erstaunen. Ja, dieser Mann regte sie an. Auf eine Weise, die ihr unheimlich war.

Beunruhigt spürte sie diesem Gefühl nach, konnte es aber nicht konkretisieren. Die Beeinflussung durch das uralte Wesen im Körper eines jungen Überschweren war subtil und kaum zu greifen. Sie lebte von seiner Ausstrahlung, die in diesem kleinen Raum übermächtig erschien. Und diese Ausstrahlung machte ihr Angst.

Arimad rief sich zur Ordnung. Die Zukunft ihres Volkes, ihre eigene Zukunft und darüber hinaus die Zukunft all jener Wesen, die in diesem Teil des Universums lebten, hing von den folgenden Minuten ab. Und sie hatte nichts anderes zu tun, als sich von diesem Massenmörder beeindrucken zu lassen? Sie musste dieses Gefühl in die richtigen Bahnen lenken. Wenn sie sich schon anregen ließ, musste sie diese Energien positiv nutzen. Wenn es dazu nicht schon zu spät war.

Der Überschwere kam sofort zur Sache. Er resümierte die bisher erreichten Ziele und stellte graphisch dar, wie sich die Machtverhältnisse in Erendyra zu ihren Gunsten verschoben hatten. Es war schon beeindruckend, vor allem, wenn man bedachte, wie viel er mit seiner geschickten Art, die Völker unter Druck zu setzen, erreicht hatte. So mancher Kampf hatte hierdurch vermieden werden können. Und bei aller Brutalität, mit der der Überschwere vorging, musste man das anerkennen, fand sie.

Doch – musste man wirklich? Arimad erschauerte, wenn sie die Bilder genauer betrachtete. Undeutlich waren die Aufnahmen, manche nur in Schwarzweiß, stellenweise nicht einmal dreidimensional. Sie zeigten Wesen, die vor Energiestrahlen davonliefen und doch keine Chance hatten, ihnen zu entkommen. Sie zeigten ganze Familien, die ausgelöscht, Städte, die dem Erdboden gleichgemacht wurden. Und sie zeigten den Geist, den dieser Kreuzzug atmete.

Arimad konnte das nicht unterstützen, auch wenn sie die Gemahlin des Kaisers war. Wie konnte sie sich je darauf einlassen, wie hatte sie sich auf diesen Terror einlassen können? Sie hatte die Ideale ihres Vaters verraten! Eine schreckliche Kälte breitete sich in ihr aus, als ihr das zum ersten Mal so richtig klar wurde.

Innerlich vollkommen starr, lauschte die dorgonische Kaiserin den Ausführungen des Überschweren, der gerade auf die Aktionen der anderen beiden Feldherren Bezug nahm. Vesus und Generalmarschall Ebur hatten ebenfalls Erfolge erzielt, aber sie trugen den Stolz darauf nicht vor sich her wie Leticron es tat. Der Sohn des Chaos stellte deutlich zur Schau, wie wenig er von der Zurückhaltung seiner Kollegen hielt.

Insbesondere Vesus stellte klar, dass er das rigorose Vorgehen des Überschweren nicht gutheißen konnte. Natürlich waren da dessen Erfolge und niemand wagte wirklich, die Stimme gegen ihn zu erheben. Leticron war sich dessen auch sehr wohl bewusst. Sicher nicht nur aus diesem Grund schien er den Worten seiner Kollegen gar nicht erst zuzuhören.

15.000 Schiffe hatten die Verteidiger eingebüßt, viele davon in Kämpfen, die niemals hätten sein müssen, weil die Völker bereits kapituliert hatten. Die eigenen Verluste waren ebenfalls hoch, aber mit 6320 Schiffen zu verschmerzen, wie Leticron zynisch anmerkte. Arimad wollte gar nicht mehr hinhören. Der rebellische Widerstand, wie Leticron nicht müde wurde zu betonen, war somit praktisch vollständig beseitigt. Und die Karten, die er projizierte, enthielten fast nur noch eroberte Gebiete oder weiße Flecken von Bereichen der Galaxis, die unbekannt geblieben waren.

Es kam noch schlimmer, als sich Stevan da Reych erhob, der Generalkommandeur der CIP. Arimad musterte den Mann unbehaglich, konnte aber an seinem Gesichtsausdruck nichts ablesen. Leticron erteilte ihm mit einem Senken des Kopfes das Wort. Da Reych nickte herablassend und projizierte nun seinerseits eine Karte der Galaxis. Einen Punkt darin hatte er markiert. Und er ließ ihn näher heranzoomen.

Leticron grinste breit, als wüsste er bereits, was da Reych ihnen sagen wollte. Zumindest hatte er eine Ahnung davon. Denn es war in der Tat sensationell.

»Good Hope«, konstatierte da Reych seelenruhig, als plaudere er über das Wetter. »Die Zentralwelt der Rebellen. Es ist unseren Schiffen gelungen, sie endlich aufzuspüren. Damit können wir der Rebellion zumindest in diesem Teil der Galaxis endlich ein Ende bereiten.«

Mit seinen Worten löste er zunächst Schweigen aus. Entweder entsetztes Schweigen, wie bei Arimad und Vesus, oder überraschtes Schweigen. Nur Leticron grinste behaglich. Er nickte wohlwollend.

»Ich dachte mir schon fast, dass es etwas Besonderes sein würde. Gute Arbeit, da Reych.«

Der Repräsentant der CIP hatte noch mehr zu bieten. Er ließ eine andere Darstellung projizieren. Statistiken belegten, dass sie inzwischen sehr effiziente Methoden hatten, um mit ihren Gegnern fertig zu werden. »400.000 Verhaftungen mit 150.000 Hinrichtungen. Langsam haben wir die Probleme im Griff. Logistisch funktioniert jetzt alles einwandfrei.«

Er machte eine kurze Pause, um das Folgende noch mehr zu betonen.

»Aber das ist noch gar nichts gegen die Effizienz unserer neuesten Errungenschaft. Beschryr ist beinahe fertig gestellt. Wenn wir dort die Pforten öffnen, dann werden wir im Monat bis zu einer Million Verhaftete entsorgen können.«

»Entschuldige!«

Da Reych drehte sich unwillig um, erblickte Arimad und neigte den Kopf. »Was soll Beschryr sein?«

»Das ist ein Entsorgungslager, das wir errichtet haben, um unsere Aufgabe effizienter erledigen zu können.«

Arimad sprang auf. »Wie meinst du das? Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein? Die Methoden des Reiches sind subtiler – wir vernichten keine Menschen mehr.« Ihre Augen funkelten, aber da Reych ließ sich davon nicht beeindrucken.

»Das mag für Dorgon gelten, aber nicht für das Quarterium. Wir vernichten nicht ohne Grund. Wir regulieren den Artenbestand zum Wohle der Menschheit, zu der die Dorgonen auch zählen.«

Arimad widersprach vehement.

»Ihr werdet euch anpassen müssen. Wir sind keine Mörder. Wenn diese Ungeheuerlichkeit nicht sofort endet, werden wir das Volk von Dorgon darüber informieren müssen. Und dann ist dieser Spuk schnell beendet.«

Sie schaute sich um, aber in den Blicken der anderen Anwesenden konnte sie wenig Verständnis erkennen. Einzig Vesus schien ihrer Meinung zu sein.

»Beschryr muss sofort stillgelegt werden«, verlangte sie. Doch niemand schien sie zu hören. Leticrons Blick zeugte von mühsam unterdrückter Wut und sie wollte nicht wissen, was gerade in seinen Gedanken vor sich ging. Zu deutlich war ihm die Mordlust anzusehen. Sie beherrschte sich nur mühsam.

Unerwartet erhielt sie Unterstützung von einer Seite, mit der sie nicht gerechnet hatte. Falcus stellte sich auf ihre Seite und bot an, mit Leticron über die Bedingungen einer solchen Schließung zu verhandeln. Arimad zögerte kurz, nickte dann aber. Und auch Leticron akzeptierte schließlich, offensichtlich mit stärkstem Widerwillen. Damit beendete Leticron die Konferenz und Arimad verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzudrehen.

*

Kaum hatte sich die Tür hinter der Kaiserin geschlossen, wandte der Überschwere sich an Falcus. Er bebte vor Wut. Ausgerechnet Falcus sollte gegen ihn opponieren? Das konnte er sich kaum vorstellen. Deshalb war er äußerst gespannt, was der Dorgone nun unternehmen würde.

»Wie kommst du darauf, dass wir diesem hysterischen Weib auch nur einen Fußbreit nachgeben werden?« Zorn funkelte in seinen Augen und Falcus erkannte, dass er deutlich zu weit gegangen war. Beschwichtigend hob er die Hände. Aber Leticron machte einen drohenden Schritt auf ihn zu. Mit feuchten Händen setzte der Legat und einstige Senator zu einer Erklärung an.

»Ich bin deiner Meinung, Leticron. Aber das muss Arimad nicht wissen. Besprechungen dieser Art sind offensichtlich nichts für das Gemüt der Kaiserin. Deshalb sollten wir künftig darauf verzichten, sie daran zu beteiligen. Aber durch meinen Vorstoß glaubt sie nun, dass diese Aktionen nicht fortgesetzt werden. Wir müssen damit im Verborgenen weitermachen.«

Der Überschwere blieb stehen. Obwohl er immer noch vor Wut kochte, dämmerte ihm, dass Falcus nicht ganz falsch lag. Es war die geschickteste Lösung. Er nickte und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. Das Möbel ächzte.

»Wir dürfen auf diese Verräterin keine Rücksicht nehmen.«

Elgalar, der Stellvertreter des Kaisers in diesem Teil des Universums, hatte sich erhoben. In seiner Stimme schwang Wut. »Sie muss endlich sterben.«

Für einen Augenblick herrschte Stille. Nur Falcus reagierte. »Das geht nicht, das würde den Plänen des Herrschers zuwiderlaufen.«

»Die Pläne des Herrschers interessieren mich nicht.«

»Das sollten sie aber, denn er ist auch dein Herrscher.« Falcus wich dem Blick Elgalars nicht aus. Der Bruder des Kaisers war wütend und hielt den Augen des Gegners lange stand. Aber dann senkte er seinen Blick doch und ließ sich wieder in den Sessel niedersinken. Die Konferenz wurde aufgelöst.

*

Aber Leticron war noch nicht fertig. Er zog da Reych an seine Seite, nachdem sie den Raum verlassen hatten. Der Terraner ging neben dem Überschweren her und passte sich mühelos dessen Tempo an.

»Sie ist eine Verräterin, da hat dieser Elgalar ganz recht«, begann Leticron schließlich. »Ich will sie tot sehen. Und du wirst dieses Problem für uns lösen, verstanden?«

Da Reych nickte und konnte sein Grinsen nur mühsam verbergen. Das war eine Aufgabe ganz nach seinem Geschmack – die Frau des Kaisers der Dorgonen zu beseitigen, erforderte Mut und Geschick, beides Eigenschaften, die der Präsident der CIP für sich in Anspruch nahm. Und so besiegelte er die Abmachung mit dem Überschweren, ohne Gewissensbisse zu entwickeln. Arimad würde sterben, daran gab es für ihn keinen Zweifel.

2. Der Kampf beginnt

Erendyra, 15. April 1306 NGZ

Der Planet schwebte vor ihnen wie eine Perle auf samtenem Hintergrund. Leticron fehlte der Sinn für die Schönheit dieses Anblicks. Er sah nur die taktischen Gegebenheiten und die sagten deutlich aus, dass vor ihnen das Objekt seiner Begierde durch das Weltall trieb. Good Hope, die Welt seiner Feinde, der Stützpunkt der Rebellen. Und er hatte einen Verband mit genügend Einheiten, um sie aufreiben zu können.

Er begrüßte den glücklichen Umstand, der ihnen die Koordinaten dieser Welt in die Hände gespielt hatte. Nun würden die Rebellen büßen müssen. Dafür, dass sie sich gegen die Herrschaft des Quarteriums sträubten und nicht bereit waren, endlich ihre sinnlosen Bemühungen einzustellen, würden sie nun eine Quittung präsentiert bekommen, an die noch lange denken würden. Sofern sie danach noch denken konnten.

Eigentlich waren sie ihm ja egal. In etwa so wichtig wie Küchenschaben, die unter seinen Stiefeln knirschend zerplatzten. Leider waren sie Küchenschaben mit ziemlich schmerzhaften Stacheln. Und diese mussten ihnen endlich ausgerissen werden.

Außerdem würde es sicher Spaß machen, gegen Feinde zu kämpfen, die nicht so schnell aufgeben würden.

Er befahl den Angriff.

*

Soradan Mog Aro lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. Er stützte die Ellbogen auf den Taktiktisch und beobachtete einige Augenblicke lang die hektische Betriebsamkeit in der Zentrale. Seine Schülerin saß neben ihm und folgte dem Geschehen mit der gleichen ruhigen Aufmerksamkeit, die auch ihr Meister der Situation entgegenbrachte.

Es waren nur wenige Minuten vergangen, seit der Alarm durch den Stützpunkt auf Good Hope gellte. Die Vorbereitungen für eine Evakuierung waren bereits in vollem Gange. Der Meister versetzte sich in Konzentration. Außer ihnen beiden hatte noch niemand einen Überblick gewonnen, dazu herrschte in der Zentrale zu fieberhafte Aktivität, waren die Verteidiger zu aufgewühlt. Der Meister erkannte, dass die Gegner mit vielen Schiffen angriffen, die aber lange nicht ausreichten, um ihre Flucht zu verhindern. Jedenfalls wenn die Verteidiger planvoll vorgingen, und das würden sie.

Die Anwesenden begannen bereits damit, sich zu organisieren und die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen. Befriedigt registrierte der Meister, dass langsam wieder Ruhe in der Zentrale einkehrte. Nur für eine Weile hatten sich viele der Anwesenden gehen lassen, jetzt übernahmen die antrainierten Reflexe, die Disziplin. Sie würden auch gegen diese Gegner triumphieren, sie mussten sich nur eine Strategie zurechtlegen.

»Die Raumschiffe in die Luft«, gellte das Kommando durch die Zentrale. Aro stellte sich vor, wie die Besatzungen nun aus ihren Quartieren stürzten, sich schnell und diszipliniert, ohne zeitraubende Hektik, zu ihren Schiffen begaben und aus den Hangars aufstiegen, sobald sie ausreichende Besatzungsstärke für einen Raumkampf erreicht hatten.

Wieder andere Schiffe waren auf dem Weg in den Weltraum, wo sie von einer Flotte der gegnerischen Schiffe erwartet wurden. Einige kreisten bereits in einem Orbit und stellten sich den Angreifern entgegen. Die Schlacht würde lange dauern und viele Opfer fordern, aber sie waren nicht unvorbereitet. Manchmal zahlte es sich aus, wenn man wie der Gegner dachte. Oder über Kontakte zum Feind verfügte.

Xavier Jeamour an Bord der IVANHOE II übernahm die Koordination der Truppen über dem Planeten. Auch Aurec wollte an Bord seines Raumschiffes gehen, um sich gegen den Feind zu stellen. Langsam erhob sich der Meister der Upanishad, um seinen Beitrag beim Kampf gegen den Feind zu leisten. Auch wenn er die Waffen und Methoden dieser Schlachten hasste und seine wesentlich subtilere und auf den Menschen konzentrierte Form des Kampfes bevorzugte, die noch den persönlichen Mut jedes Einzelnen erforderte – in diesem Fall hatte er keine andere Wahl.

Seine Schülerin folgte ihm, als er die Zentrale verließ.

*

Der Raumjäger stand mit einladend geöffnetem Einstieg auf seinen Landekufen. Der Panisha schüttelte den Kopf, während er langsam darauf zuging. Er setzte den Helm auf. Mit dieser Art Maschine konnte er schon fliegen, aber es war lange her, dass er in einer gesessen hatte. Er warf seiner Schülerin einen Seitenblick zu, dem die junge Frau nicht auswich.

»Du musst nicht mit. Das wird gefährlich werden.«

»Für wen?«, fragte die junge Frau mit einem Gesichtsausdruck, den er nicht zu deuten vermochte. Dann wandte sie sich ab und betrat das kleine Schiff. Er folgte ihr in die enge Kabine. Sie hatte bereits die Kontrollen des Kanoniers übernommen und kümmerte sich auch um die Ortung, die sie ohnehin brauchen würde.

Aro ließ sich in den Pilotensitz fallen. Sofort legte sich ein Prallfeld um ihn, das ihn im Kontursitz fixieren sollte. Er blickte sich in dem weiten Hangar um, sah all die anderen Schiffe, die ebenfalls auf ihren Einsatz warteten. Die IVANHOE II unter Jeamours Kommando war im Orbit und kämpfte an vorderster Front. Gleichzeitig koordinierten sie viele der rebellischen Aktionen. Angesichts der Übermacht war ihr Widerstand Wahnsinn, aber noch hatten die gegnerischen Truppen nicht ihre volle Stärke erreicht und sie mussten nur so lange durchhalten, bis der Planet evakuiert war. Dann würden sie sich ein neues Good Hope suchen müssen.

Der Panisha verdrängte den Gedanken und konzentrierte sich. Seine Ausbildung kam ihm nun zugute. Sie versetzte ihn in die Lage, die Kontrolle über seinen Körper in einem Ausmaß zu erlangen, das übermenschlich erscheinen mochte. Aber er war ja auch kein Mensch. Sein echsenhafter Körper spannte sich an, er schloss die Hände um die Steuerkontrollen und startete die Maschinen.

Lautlos fast hob sich der wendige Raumgleiter mit der schweren Bewaffnung. Als sich die Hangartore öffneten, warf seine Schülerin einen bangen Blick auf den Glanz des Sternenteppichs im leeren, samtenen Raum. Immer wieder schien das leuchtende Muster im ansonsten lückenlos scheinenden schwarzen Teppich unterbrochen: Die ausgestanzt wirkenden Formen waren die Stellen, an denen sich die Raumschiffe befanden. Sowohl die eigenen, als auch die des Gegners. Um welche es sich handelte, konnte sie mit einem Blick auf die Ortungsergebnisse feststellen. Die ausgesandten Kennungen erlaubten eine taktische Darstellung, die die Anordnung der eigenen Einheiten genauso zeigte, wie ihre Positionen im Vergleich zu den Gegnern.

Natürlich konnten die Raumjäger gegen die großen Schiffe nichts Entscheidendes ausrichten, obwohl sie über einige Feuerkraft verfügten. Aber sie sollten die feindlichen Einheiten binden, die aus den gegnerischen Schiffen quollen und für immer mehr Chaos sorgten. Viele der Einheiten waren Trägerschiffe und so wurde das Muster auf den taktischen Schirmen immer schwerer überschaubar, je mehr von den kleineren Einheiten ausgeschleust wurden. Die Schülerin gab sich trotz ihrer Faszination nicht der Beobachtung hin, denn sie hatte plötzlich alle Hände voll zu tun. Ihr Raumjäger startete.

Als das Gefährt aus dem sich verbreiternden Spalt herausschoss, befanden sie sich von einem Moment zum nächsten in einer anderen Welt. Keine Grenzen schien sie zu haben und doch war dieses unfassbare Vakuum nicht leer, es enthielt so vieles. Vor allem Schiffe der Gegner, die ihre gesamte Aufmerksamkeit fesselten und sie die schreckliche Schönheit dieser kalten Leere vergessen ließen.

Aro bewegte sich kaum, während er das Raumschiff steuerte. Konzentriert verfolgte er alle Anzeigen, ließ Kursvektoren berechnen, nur um sie teilweise auch manuell wieder zu korrigieren und jagte so, blitzschnell, dem Zentrum der Schlacht entgegen. Allerdings wurden sie in die ersten Kämpfe verwickelt, noch bevor sie dort waren.

Nur für einen Augenblick war die Schülerin des Panisha abgelenkt, dann zwang sie ihren Geist zurück in die Konzentration. Sie erkannte, dass sie das schon längst hätte tun sollen. Noch war es nicht zu spät, den Fehler zu korrigieren, denn mittlerweile konnte sie die ersten Stufen der Vertiefung ohne Mühe erreichen. Sobald ihr Geist den Körper kontrollierte, wurde sie zu einer Einheit mit den Kontrollen der Feuerleitorgel. Virtuos spielte sie darauf einen tödlichen Chor: Erste Feuerblumen zeichneten sich auf den Bildschirmen ab, zerstoben im Vakuum des Weltalls in gespenstischer Lautlosigkeit. Aro umkreiste die Trümmer und sie näherten sich mehr und mehr der imaginären Front zwischen den eigenen Schiffen und denen der Gegner.

Sobald sie diese imaginäre Front erreicht hatten, verschwammen die Grenzen der Realität, als er seine Kontrolle bis in den ihn umgebenden Raum ausdehnte. Scheinbar entrückt verfolgte Aro den Kurs des Schiffes, das er steuerte. Immer noch ohne Anstrengung, es erschien nicht einmal Schweiß auf seiner Stirn. Gleichzeitig registrierte er jede Bewegung seiner Schülerin, die aus ebenso bewusster Anstrengung heraus auf die gegnerischen Jäger feuerte. Dann drehte er ab und kehrte mit der Staffel in den Hangar zurück.

Auch die Gegner zogen sich zurück, die Front zwischen den Einheiten verbreiterte sich. Ruhe kehrte ein. Aber es war die Ruhe vor dem Sturm.

*

Der Oxtorner winkte einen Adjutanten heran und gab ihm leise Anweisungen, während sein Posbi-Freund sich um die Verladung von Gütern kümmerte. Langsam brachten sie Ordnung in ein Chaos, das sie beinahe überwältigt hätte. Viel zu viele Menschen waren auf diesem Stützpunkt. In ihren weiteren Planungen sollten sie eventuell eine Aufteilung der Einheiten in Erwägung ziehen, mehrere Planeten, deren Positionen untereinander geheim gehalten wurden, was die Wahrscheinlichkeit erhöhte, einen vernichtenden Angriff wie diesen zu überstehen. Die Evakuierung erwies sich als gar nicht so einfach und Dove wurde klar, dass sie mehrere Tage in Anspruch nehmen würde. Es war fraglich, ob die eigenen Truppen so lange standhalten konnten, zu übermächtig erschienen die Angreifer.

Aber so lange keine Verstärkung eintraf, würde das Gleichgewicht einigermaßen stabil bleiben. Sie mussten durchhalten. Und so machten sie sich an die Arbeit, schickten Gruppe auf Gruppe zu bestimmten Schiffen, mit denen die Menschen von Good Hope fliehen sollten. Immer wieder formierten sich die eigenen Einheiten, um einzelnen Schiffen den Durchbruch durch die Reihen der Angreifer zu ermöglichen. Sie verschwanden in den Tiefen des Weltalls.

Auch die Transmitter arbeiteten auf Hochtouren, denn einmal entkommene Schiffe kehrten nicht zurück, nachdem sie den Planeten verlassen hatten, sondern versteckten sich in den Koronen umliegender Sonnen und inmitten des Leerraumes. Von dort tauchten sie nur kurz wieder in der Nähe Good Hopes auf, um neue Gruppen von Flüchtlingen aufzunehmen und wegzubringen.

Doch es waren einfach zu wenige Schiffe, welche die fliehenden Bewohner von Good Hope aufnahmen, weil die meisten Einheiten in den Kämpfen um den Planeten gebunden waren. Dove konnte es nicht ändern und gemeinsam mit Scorbit taten sie ihr Möglichstes, um die Flucht der Rebellen so schnell wie möglich zu planen und zu koordinieren.

*

Wieder rollte eine Angriffswelle auf den Planeten zu. Der Überschwere stand in seiner Zentrale und verfolgte im großen zentralen Holo die Kämpfe. Sie erfüllten Leticron mit einem Gefühl der Befriedigung. Das Zusehen machte in der Tat Spaß. Die Gegenwehr der Rebellen war beispiellos und nicht zu vergleichen mit all den anderen Planeten in dieser Galaxis, die sie bisher angegriffen hatten. Doch mittlerweile waren sie weitgehend eingeschlossen.

Und das gab ihm Gelegenheit, die Strategie etwas abzuändern, den Krieg im All um eine weitere Komponente zu ergänzen. Es juckte ihn in den Fingern, selbst eine aktive Rolle dabei zu übernehmen. Er beneidete die Kommandeure, die so sicher auf ihre Kosten kommen würden.

Diesmal würden sie versuchen, Bodentruppen auszuschleusen, mit den Luftkämpfen allein kamen sie ohnehin nicht weiter und sie wollten auch nicht alles Leben auf dem Planeten auslöschen. Viele der Gefangenen würden ihnen wertvolle Informationen über weitere Rebellenverstecke liefern können, deshalb mussten sie sich ein wenig zurückhalten.

Außerdem war es eine gute Übung für die Soldaten. Auch in Zukunft würden Kämpfe an der Tagesordnung sein und dementsprechend war der Angriff gegen die Rebellen eine gelungene Abwechslung. Die eigenen Kämpfer würden diesmal wirklich Arbeit bekommen.

Leticron unterdrückte das Grinsen nicht, das in ihm aufstieg und sein breites Gesicht beherrschte. Konzentriert beobachtete er die Hologramme, die ihm die taktische Aufstellung zeigten, und erkannte die Lichtpunkte, die auf der Oberfläche des Planeten niedergingen. Der Angriff der Bodentruppen hatte bereits begonnen.

*

»Sie sind gelandet.« Die Stimme verriet Entsetzen, aber auch die Entschlossenheit, den Gegner aufzuhalten. Sofort ging der Alarm an die Bodentruppen. Irwan Dove koordinierte immer noch die Evakuierung, was ihn völlig in Anspruch nahm, doch jetzt musste er sich gleichzeitig um die Verteidigung kümmern. Aurec befand sich an Bord seines Schiffes, der SAGRITON, deren untere Scheibe 5000 Meter durchmaß. Damit war er im Einsatz und aktuell nicht verfügbar. Trotzdem musste jemand die Schiffe koordinieren und so sicherstellen, dass es kaum Lücken gab, durch die der Gegner dringen konnte.

Aber einen ganzen Planeten konnte man nur schwer abschirmen. Deshalb konzentrierte sich Dove mehr und mehr darauf, die Hauptstadt gegen Angriffe aus dem All abzusichern. Lorif übernahm seinen Anteil Verantwortung bei der Evakuierung, während Scorbit sich um die Bodentruppen kümmerte, denn nun griff der Gegner auch auf dem Landweg an. Die Verteidiger standen mit dem Rücken zur Wand, erkannte der Oxtorner verbissen, und das konnten sie nur ändern, wenn sie entschlossen weitermachten.

Trotzdem machte er sich keine Illusionen. Wenn die Evakuierung nicht schneller voranging, dann würden sie schwere Verluste erleiden.

Doch sie hatten noch etwas Zeit, denn Leticron griff noch ohne weitere Verstärkung an.

*

Sie kauerten in den Stellungen um die Hauptstadt und bemühten sich, ihre Angst im Zaum zu halten. Pedro Perez duckte sich in die zweifelhafte Deckung und beobachtete, wie die gegnerischen Einheiten vom Himmel fielen. Eigentlich waren sie weit entfernt, außerhalb ihrer Reichweite, aber doch nahe genug, dass sie alles erkennen konnten: Die Aufbauten der Außenhülle, die glimmenden Triebwerke, die schussbereiten Kanonen. Pedro packte die Waffe fester. Die zweihändig zu bedienende Handfeuerwaffe war im Augenblick sein einziger Halt, nicht einmal die Anwesenheit der Kameraden konnte ihn trösten.

Er riss sich zusammen. Die teilweise viel älteren Kameraden würden ihn sicher auslachen, wenn sie bemerkten, wie sehr die Furcht ihn beutelte. Es war sein erster Kampf und er fragte sich immer wieder, wie er in eine solche Situation hatte geraten können. Die Antwort war einfach: Der Tod seiner Eltern war der Kollateralschaden gewesen in einer Aktion der quarterial-dorgonischen Allianz. Er musste einfach seinen Gefühlen folgen und sich den Menschen anschließen, die ihre Welt von diesem Pestbefall befreien wollten.

Obwohl Perez ursprünglich von Terra stammte, war Erendyra schon lange zur Heimat seiner Vorfahren geworden. Sie lebten schon seit vielen Generationen in dieser Galaxis. Ursprünglich hatten sie mit den damaligen Expeditionen wieder in die Milchstraße zurückkehren wollen, aber einer seiner Vorfahren hatte sich wohl doch anders entschieden.

Perez wusste nicht warum. Und im Augenblick war es ihm auch gleichgültig. Er suchte sich eine bequemere Position und beobachtete die Kampfroboter in den Schützengräben vor ihnen, die eine Art Puffer bilden sollten. Leider gab es nicht genug von ihnen oder sie wurden in anderen Bereichen dringender gebraucht. Angesichts der Übermacht, die sich vor ihnen formierte, eine verstörende Erkenntnis.

Den Rebellen standen nur eine begrenzte Zahl an Kämpfern und Kampfrobotern zur Verfügung, im Gegensatz zu den Angreifern, deren Ressourcen schier unerschöpflich waren. Er schüttelte die nutzlosen Gedanken ab, die ihn nur ablenkten. Er konzentrierte sich auf die Gegner, auch wenn es ihm schwerfiel.

Er rückte den Helm zurecht, der gegen Strahlenbeschuss wenig auszurichten vermochte. Aber die spezielle Legierung würde Hitze zumindest für wenige Augenblicke absorbieren können, bevor der Helm zu schmelzen begann. Knappe Sekunden, die Leben retten konnten. Gegen Desintegratoren waren sie aber weitgehend wirkungslos.

Perez beobachtete die Shifts, die neben den Kampftruppen zu Boden regneten, und sah die Abstrahlmündungen der Kampffahrzeuge flimmern. Weit waren sie nicht mehr entfernt, sie rückten vor, nachdem die ersten Truppen aufgesetzt hatten und durch die Eigenschaften des Geländes nun kaum noch zu sehen waren. Trotzdem konnte er deutlich erkennen, dass sie sich langsam den Stellungen der Kampfroboter näherten.

Er nahm die Waffe hoch und legte sie auf den Rand des Grabens. Neben sich sah er viele Mündungen in Richtung der Angreifer drohen – doch so viele es auch sein mochten, sie waren nicht genug und sie waren zu klein. Sie mussten standhalten. So lange zumindest, bis die Menschen in der Stadt in Sicherheit waren. Hoffentlich nicht mehr lange! Aber wie lange würde das alles noch dauern? Wann würden auch sie fliehen können, um sich von dem Planeten abzusetzen? Und kamen sie überhaupt noch dazu?

*

Alcanar Benington war Generaloberst an Bord der SOLARE EMPIRE. Er kommandierte die Bodeneinheiten des Angriffes, darunter auch die XXXII. SHIFT-Division des Raumschiffs. Alcanar genoss die Momente des Kampfes, die sie erwarteten, bereits im Voraus. Mit hochrotem Kopf brüllte er Befehle und peitschte die Landetruppen in die Stellungen, die sie einnehmen sollten. Erbarmungslos ließ er sie sich den feindlichen Stellungen annähern und nahm wenig Rücksicht auf die eigenen Soldaten. Der Erfolg zählte mehr als das Leben der Einzelnen, davon war er zutiefst überzeugt.

Zufrieden beobachtete der Generaloberst, wie die eigenen Waffen auf die Stellungen des Feindes feuerten. Ihre Gegner waren nur Kampfroboter. Diese feigen Rebellen versteckten sich hinter Maschinen! Aber er würde sie schon kriegen, das schwor er sich.

Ungerührt beobachtete Alcanar Benington, wie die ersten Stellungen ausgehoben wurden. Der Anblick, wie eigene Soldaten im Feuer der gegnerischen Waffen starben, störte ihn nicht sonderlich. Solange genug übrig blieben, um den Feind letztendlich zu überrennen, funktionierte sein Plan. Und genau danach sah es aus.

Seine Männer kämpften tapfer, auch wenn sie sehr wohl erkannten, dass sie vom eigenen kommandierenden Offizier in eine geradezu aussichtslose Situation gebracht wurden. Es war sicher besser, das Nachrücken der eigenen Einheiten aus anderen Schiffen abzuwarten und dann gemeinsam vorzurücken. Aber der Generaloberst nahm auf taktische Überlegungen keine sonderliche Rücksicht und befahl den Kampf, und damit mussten die Truppen der quarterial-dorgonischen Allianz sich eben abfinden.

Ob sie wollten oder nicht.

Das bekam auch der Meldefahrer der Division zu spüren, der sich im falschen Augenblick am falschen Platz befand. Er war eines der ersten Opfer dieses Angriffs. Aber er wurde schnell ersetzt und so bekam Sergeant Ash Berger die Gelegenheit, auf die er schon lange wartete. Er wollte sich bewähren. Und das konnte er in seiner neuen Rolle.

Der Generaloberst strich gedankenverloren über die neuen Rangabzeichen, die ihm während des Feldzugs in Erendyra verliehen worden waren. Eine neue Rolle, die er bereitwillig akzeptiert, ja mit großer Freude begrüßt hatte. Er betrachtete sich als Vorbild all dieser Soldaten unter seinem Kommando. Mit der gebotenen Rücksichtslosigkeit konnte man es weit bringen, das war die Botschaft, die dieser Soldat mit seiner Haltung verbreitete. Und diese Haltung kam bei seinen Leuten auch an.

Allerdings war sein Führungsstil selbst in den eigenen Reihen nicht unumstritten – bei einer Minderheit. Immerhin hatten sie als Soldaten den Vorteil, dass sie unter ihm nur Befehle befolgen mussten. Eigenes Nachdenken schadete der Effizienz viel zu sehr, davon war Benington überzeugt. Nur wenige Ausnahmen durfte es von dieser Regel geben – die wenigen, die man benötigte, um später Führungsaufgaben wahrzunehmen und um Nachwuchs für die entsprechenden Stellen zu finden.

Von seiner Position in dem Gleiter, der ein wenig über den Einheiten schwebte, aber weit genug hinter ihnen, um in Sicherheit zu sein, verfolgte er die Angriffe der Truppen, die einen Keil in die Reihen der Kampfroboter trieben und direkt hinter den ersten Einheiten des Gegners auf die nächste Stellung trafen. Er konnte die von Angst verzerrten Gesichter der Verteidiger erkennen, die sich erhoben und aus allen zur Verfügung stehenden Waffen feuerten.

Und er konnte erkennen, dass sie damit durchaus erfolgreich waren. Sie schlugen die ersten Angriffswellen zurück, so dass sich seine eigenen Truppen bis in die Stellungen der Kampfroboter zurückziehen mussten, wo sie erst einmal in Sicherheit waren. Von dort aus feuerten sie auf die Verteidiger.

Menschen gegen Menschen, aber mit modernen Waffen, das war eine Vorstellung, die für die Verteidiger moralisch, für die Angreifer in ihrer Ineffizienz etwas Absurdes hatte. Trotzdem – Benington gefiel das, er spornte die eigenen Truppen noch an, befahl ihnen, sich aus den Stellungen zu erheben und anzugreifen. Spannender als jede Fußballübertragung, dachte er zynisch, zumal ihn Sportarten, bei denen kein Blut floss, eigentlich kaum interessierten.

»Wir müssen uns zurückziehen.« Wolf Linker war offensichtlich nicht seiner Meinung, was die Spannung betraf, wie Benington gereizt und zugleich amüsiert feststellte. Er wandte sich zu dem Offizier um und musterte ihn verächtlich.

Linker protestierte erregt. »Sie schlagen uns zurück, in diesen Stellungen sind sie überlegen. Wir müssen auf die Bomberstaffeln warten.«

»Blödsinn. Wir sind doch schon fast durch. Schickt die zweihundert Shiftpanzer ebenfalls an die Front«, befahl der Generaloberst eiskalt. Er unterband jede weitere Bemerkung Linkers mit einer Handbewegung, die der Soldat mit zusammengepressten Lippen hinnahm, nickte und die Instruktionen des kommandierenden Offiziers weitergab.

Manchmal wünschte er sich, sein Vorgesetzter würde die Kämpfe nicht als persönliche Angelegenheit betrachten, denn dann könnte er seines Erachtens die taktischen Gegebenheiten besser einschätzen. Was aber viel schlimmer war: Der Generaloberst hörte nicht einmal auf seine Berater.

Linker konnte es nicht ändern. Achselzuckend beobachtete er, wie sich die Panzer in Bewegung setzten: Die Shifts näherten sich den Stellungen des Gegners. Gespannt beobachtete er, wie sich der Kampf entwickelte.

*

Pedro Perez feuerte verzweifelt auf die Gegner und registrierte mit Befriedigung, wie sie sich langsam zurückzogen. Aber neben den zerstörten Kampfrobotern lagen auch viele tote gegnerische Soldaten. Perez verspürte keinen Triumpf, sondern Trauer und Ekel. Ihre Gesichter konnte er kaum betrachten. Er wollte gar nicht wissen, wie viele davon an den Schüssen aus seiner Waffe gestorben waren. Es war eine erschreckende Situation, in der er sich gerade wiederfand, und er fühlte sich elend dabei. Er war für diese Art von Auseinandersetzung nicht geschaffen. Keiner konnte das sein.

Erschüttert registrierte er am Rande seines Gesichtsfeldes, wie der Soldat neben ihm plötzlich schreiend zusammenbrach. Es ging weiter! Er konnte sich nicht um ihn kümmern, feuerte konzentriert weiter auf die Angreifer. Die Strahlenwaffen des Gegners fügten ihnen schmerzhafte Verbrennungen und andere fürchterliche Verletzungen zu.

Am Rande bekam er mit, wie der verwundete Soldat nach hinten weggezogen wurde, immer noch schreiend und kaum einer absichtlichen Bewegung fähig. Der Verletzte wurde durch einen anderen Soldaten ersetzt, der sofort ebenfalls auf die Truppen der Angreifer feuerte.

Irgendwie erschien ihm die Situation unwirklich. Er fühlte sich, als sei er gar nicht anwesend, als habe er den eigenen Körper bereits verlassen und stünde jetzt irgendwo hinter sich selbst, während er die Kämpfe ohne jegliches Verständnis beobachtete. Wie von außen sah er seinen eigenen Körper mit der Präzision einer Maschine feuern. Und er registrierte nun auch die gegnerischen Soldaten, die er traf, bemerkte, wie sie zusammenbrachen.

Die zerschnittenen und verbrannten Glieder, das Blut blendete er gewaltsam aus. Ignorierte die Gefühle, die ihn überwältigen wollten, kämpfte sich in eine Art Rausch hinein, bis er sich für übermächtig hielt. Das war nicht gut, denn er vernachlässigte seine Deckung, als er immer weiter hoch kam, die Waffe im Anschlag, auf die gegnerischen Truppen feuernd, die sich langsam zurückzogen und dann doch immer wieder vorrückten, so als wäre hinter ihnen ein Hindernis, das sie nicht weglaufen ließ.

Sie gaben nicht auf.

Und dann kamen die riesigen Shifts. Sie schoben sich über die Gräben, in denen die zerstörten Kampfroboter lagen. Verdutzt zögerte Perez. Wie lange kämpften sie hier eigentlich schon? Doch er rief sich zur Ordnung, ließ sich nicht weiter ablenken. Er blendete solche Gedanken aus und akzeptierte resignierend, dass er das Gefühl für die Zeit verloren hatte.

Bis der sengend heiße Strahl seinen Arm erwischte. Er konnte nicht einmal schreien vor Schmerz, er kippte nach hinten in den Graben hinein. Seine Schultern und sein Kopf schlugen schwer auf dem Rand der gegenüberliegenden Seite auf. Er rutschte hilflos nach unten, allein mit sich und der schrecklichen Wunde, die geblieben war, wo er eben noch eine Hand gehabt hatte. Da war nichts mehr! Auch kein Unterarm! Weiter nach oben traute er sich gar nicht mehr zu blicken.

Perez verlor die Kontrolle, blendete alles aus, was um ihn herum geschah. Er hörte die Schreie der Kameraden, das Donnern der Strahlbahnen nur noch wie durch Watte, blickte nun doch auf den Armstumpf und verlor für wenige Augenblicke das Bewusstsein. Als er kurz wieder zu sich kam, spürte er, wie er weggeschleppt wurde von jemandem, der ihn in Sicherheit bringen wollte.

Aber es interessierte ihn nicht. Er hatte nur Augen für den Armstumpf, fragte sich träge, wo der Rest wohl geblieben war. Lange Zeit lag er so, fühlte er, bis man ihn schließlich hochhob und abtransportierte. Als nächstes wurde es hell. Über ihm waren Lampen, erkannte er in seltsamer Klarheit. Den Stich spürte er schon nicht mehr, er hatte das Bewusstsein erneut verloren und die Spritze würde verhindern, dass er es allzu schnell wieder erlangte. Die Ärzte der Rebellen taten alles, um den Verletzten zu helfen und fühlten sich dabei so gar nicht als Helfer oder Heiler. Er war wie ein Ding. Die Situation war unbeschreiblich. Unmenschlich.

Da waren die Kämpfe im Orbit des Planeten, die im All um Good Hope, fast vorzuziehen.

*

Aurec kommandierte die SAGRITON und nutzte das mächtige Raumschiff, dessen scheibenförmiger Rumpf 500 Kreuzer und 2500 Jäger beherbergte, um die gegnerischen Einheiten von der Welt fernzuhalten. Aber das reichte ihm nicht. Er beobachtete die Schirme, ließ sich von seinen Offizieren taktische Auswertungen auf die Displays spielen, die vor ihm schwebten, gruppierte die ausgeschleusten Einheiten um, kommandierte und fragte sich innerlich, was passiert war. Von einem Augenblick auf den anderen war ihre scheinbar sichere, friedliche Welt von den Gegnern gefunden und attackiert worden. Der Krieg hatte sie erreicht und er fragte sich nicht zum ersten Mal, wann dieser nicht enden wollende Alptraum wohl vorbei sein würde.

Er fixierte die Schiffe der Gegner, überlegte sich eine Strategie und reagierte dann plötzlich auf die feindlichen Raumschiffe, die er auf zwei Bildschirmen erkennen konnte. DOMULUS lautete die Kennung des einen Schiffes und PARICZA die des anderen. Das war das Flaggschiff Leticrons, der ohne Gnade in den Reihen der Verteidiger wütete und sicherlich seinen Spaß daran hatte.

Eine Freude, die Aurec ihm gerne verderben würde. Und so ließ er sein Schiff zum Angriff übergehen. Auf die beiden Raumschiffe der Oberkommandierenden hatte er es abgesehen.

Zumindest die PARICZA wich ihm auch nicht aus. Die Erschütterungen der eigenen Geschütze waren in der SAGRITON kaum zu spüren, das verhinderten Dämpfungsfelder. Schuss um Schuss wurden auf das Schiff abgefeuert, aber sie konnten die PARICZA nicht vernichten. Was auch an den Einheiten lag, die wie aus dem Nichts auftauchten, um die Flaggschiffe abzuriegeln.

Enttäuscht ließ Aurec sein Schiff zurückfallen. Er musste akzeptieren, dass er im Augenblick nicht durchkam. Verbittert beherrschte er sich, aber aufgeschoben war nicht aufgehoben. Er würde die gegnerischen Einheiten schon noch dazu zwingen, sich ihm zu stellen.

Inzwischen war der 17. April 1306 NGZ angebrochen. Und immer noch hatte der Überschwere kaum Verstärkung erhalten. Die Verteidiger konnten hoffen.

3. Der letzte Tag

Erendyra, 17. April 1306 NGZ

Als Pedro Perez sich langsam aufrichtete, waren die Schmerzen verschwunden. Er hatte auch wieder zwei Arme, wie er verblüfft feststellte. Und er fühlte sich ausgezeichnet. Die Medizin seiner Zeit war trotz der schwierigen Umstände, unter denen sie den Angriff zu überstehen versuchten, sehr fortgeschritten und damit waren auch schwere Verletzungen vergleichsweise einfach zu heilen.

Er bewegte probeweise den neuen Arm und stellte fest, dass er genauso funktionierte wie sein alter. Er fühlte sich auch so an. Der Überzug des zweifellos künstlichen Skeletts bestand aus einer Biomasse, die die gleichen Eigenschaften wie die eigene Haut hatte. Vielleicht war sie sogar aus seiner eigenen Haut gezüchtet worden, in einem Schnellwachsverfahren, das eine Behandlung unter diesen Bedingungen fast schon erzwang.

Aber es schien zu funktionieren und nur das zählte.

Trotzdem – er verwandelte sich in einen Cyborg! Er hatte von Wesen gehört, die das sogar absichtlich taten, weil es Mode war oder weil sie einfach mehr Kraft haben wollten. Davon hielt er allerdings nicht sonderlich viel. Der menschliche Körper war trotz seiner Verletzlichkeit ein Wunder der Natur, und an ihm herum zu pfuschen, war für ihn nicht erstrebenswert.

Bei seinem eigenen Körper blieb ihm in diesem Falle allerdings kaum eine Wahl. Er musste sich wohl damit abfinden, auch wenn es ihm schwerfiel. Künstlich nachwachsende Glieder hätten ihm sicher einiges erspart, aber es musste Gründe geben, warum sie nicht zum Einsatz gekommen waren. Vielleicht würde er sich später darum kümmern können.

Er beobachtete die Menschen, die ihn umgaben. Er war in einem Raum, in dem sich noch viele andere Betten befanden. Und Menschen in weißer Kleidung, die sie als Mediziner kenntlich machte. An manchen klebte sogar Blut, ein Anachronismus in einer Zeit, in der man den unkontrollierten Austritt dieser Körperflüssigkeiten verhindern konnte. Eigentlich war die Berufskleidung von Medizinern Schmutz abweisend, so dass kein Blut daran haften konnte. Aber hier mussten sie improvisieren, nicht alles war perfekt. Deshalb blieb ihnen kaum etwas anderes übrig, als mit dem zu arbeiten, was sie hatten.

Einer der Mediziner näherte sich seinem Bett.

»Ah, du bist wach. Das ist gut. Wie geht es dir?«

Perez fühlte sich gut, ihm schien nichts mehr zu fehlen. Und das sagte er dem Mediziner auch.

»Das ist gut«, bekam er zur Antwort. »Wir benötigen die Betten nämlich dringend, deshalb musst du diesen Raum verlassen, wenn du dazu in der Lage bist.«

Perez nickte und schlug die Decke zurück. Für einen Augenblick hatte er ein Gefühl der Fremdheit, als er seinen Körper erblickte. Als hätte der Mediziner seine Gedanken gelesen, nickte er ihm aufmunternd zu.

»Beste Qualität, auch wenn wir improvisieren müssen. Aber wenigstens sind die künstlichen Gliedmaßen auf dem Stand der Technik. Sie werden funktionieren wie deine eigenen.«

»Ich wusste nicht einmal, dass ich neue Beine brauchte. Warum war das nötig?«

Der Arzt schaute ihn mitleidig an, was Perez rasend machte. Aber er beherrschte sich, wenn auch mühsam.

»Du hast sie im Kampf verloren. Als du bei uns eingetroffen bist, waren beide Beine und der rechte Arm nicht mehr da. Aber die künstlichen Glieder verhalten sich genauso wie natürliche. Sie haben keine Kraft verstärkenden Elemente. Natürlich sind sie jederzeit nachrüstbar.

Du musst nur aufpassen, bis du ein Gefühl für die Implantate bekommst: Mit den veränderten Modellen kann man natürlich ganz andere Geschwindigkeiten beim Laufen erreichen. Wenn man das aber wirklich ausnutzt, kann es passieren, dass der Körper schlapp macht. Unser Kreislaufsystem ist für solche Belastungen nicht geschaffen.«

Perez war für lange Augenblicke wie betäubt. Beide Beine und den rechten Arm! Wenigstens war der Verlust gleichwertig ersetzt worden. Er wusste, dass es Zeiten gegeben hatte, in denen er mit solchen Verletzungen als Krüppel in einem Rollstuhl geendet hätte. Trotzdem, da war es wieder, dieses unangenehme Gefühl, sich in einen Cyborg zu verwandeln. Er schwang die Beine aus dem Bett, zog sich an und wollte davonrennen. Der Arzt hielt ihn aber zurück.

»Du musst noch unterschreiben. Keine Angst, das ist nur eine Bestätigung, dass wir dich wirklich in einwandfreiem Zustand entlassen haben. Wir müssen das tun, es gibt immer wieder Leute, die uns einen Kunstfehlerprozess an den Hals hängen wollen.«

Perez schaute verständnislos drein. Dann unterschrieb er zögernd. Er verließ die Räumlichkeiten und schaute sich um. Es dauerte eine Weile, bis er sich orientiert hatte. Dann machte er sich auf den Weg. Zurück in den Krieg. Denn er war fest entschlossen, diese künstlichen Gelenke zum Wohle der eingeschlossenen Menschen und sonstigen Lebewesen einzusetzen. Und er hasste diese neuen Körperteile ohnehin bereits jetzt. Also machte es auch kaum etwas aus, wenn er sie gleich wieder aufs Spiel setzte.

Dachte er.

Aber dann bemerkte er, dass es ihm doch etwas ausmachte.

Nur war es jetzt bereits zu spät. Der Feind nahm keine Rücksicht auf seine Gefühle, als er wieder mit dieser Waffe in der zweifelhaften Deckung eines Gebäudes lag und den Eindruck hatte, er wäre in einem erbarmungslosen Stellungskampf gefangen. Nur die Waffen waren zu modern, als dass er sich in präatomare Zeiten zurückversetzt gefühlt hätte, die er nur aus dem Geschichtsunterricht kannte. Es war ein Fehler gewesen. Er hätte, verletzt wie er war, sicher einen Platz auf einem der Fluchtschiffe ergattern können. Aber er hatte es nicht getan. Und nun musste er, beeindruckt von den Ereignissen bei den bisherigen Kämpfen, wieder gegen den Feind antreten, Menschen töten, sich in Gefahr begeben. Es war ein Fehler. Er musste weg hier. Sofort.

*

Benington lachte, während er beobachtete, wie seine Männer die gegnerischen Soldaten zusammenschossen. Immer besser klappte das, denn jetzt hatten sie auch Unterstützung von oben und konnten dadurch die Stellungen der gegnerischen Soldaten langsam aber sicher in ihre Bestandteile zerlegen. Immer weiter wichen die Verteidiger zurück, immer näher kamen sie der Stadt, in der sich die Rebellen versteckten.

Linker schüttelte nur den Kopf, allerdings unmerklich, damit der kommandierende Offizier nichts davon mitbekam. Er konnte kaum noch Verständnis aufbringen für diese sinnlose Materialschlacht, die sie hier anzettelten. Und noch viel schlimmer – es ging nicht nur um Material, sondern um lebende Wesen, die hier sinnlos starben. Das sah Benington aber ganz anders, für ihn ergab das alles offensichtlich sehr wohl einen Sinn.

Und Linker musste zugeben, dass die Strategie von Erfolg gekrönt schien. Die Soldaten, gegen die sie kämpften, zeigten sich von der Angriffswucht durchaus beeindruckt. An immer mehr Stellen zogen sie sich zurück in die Stadt. Die Soldaten rückten nach, die Kämpfe verlagerten sich in die Straßen zwischen den Häusern.

Nach dem ersten Angriff hatte er schon Zweifel gehabt. An die zweihundert Shiftpanzer hatten sie verloren, mindestens fünftausend der eigenen Soldaten hatten ihr Leben lassen müssen. Klar, sie hatten die gegnerischen Einheiten in Verlegenheit gebracht, aber auf die Bomberstaffeln zu warten, hätten ihnen viele Verluste erspart.

Und der Gegner hatte sich von den Angriffen erholt, sie waren ohnehin weitgehend nur auf der Flucht, brauchten die Zeit, um immer mehr der ihren in Sicherheit zu bringen. Inzwischen waren die Reihen der Verteidiger lichter geworden, in etwa die Hälfte der hier lebenden Menschen hatte fliehen können.

Aber durch die Verluste kamen sie auch nicht so schnell vorwärts, wie sie sich das ausgerechnet hatten. Vielleicht wären auf Seiten der Gegner weniger Verteidiger ums Leben gekommen, aber sie dezimierten sich durch die Flucht ja ohnehin selbst. Durch die eigenen Verluste war es aber wesentlich schwieriger geworden vorzurücken.

Ohne die Luftunterstützung hätten sie es vermutlich gar nicht geschafft. Aber so brachten vor allem die Jagdbomber vom Typ Zecke eine Entlastung der geschrumpften Infanterie. Sie bereiteten die Angriffe der schweren Bomber des Feuerhornissen-Typs vor und dezimierten die Gegner überall, wo sie sie trafen.

Nur so war es auch möglich, dass sich nun langsam Fortschritte zeigten, die den Generaloberst natürlich als erfolgreichen Strategen dastehen ließ.

Auch wenn Wolf Linker genau wusste, dass dem nicht so war.

Aber wer würde künftig schon danach fragen? Leticron sicher nicht. Ihn interessierte nur das Ergebnis und wenn dabei möglichst viel Blut floss, war das für den Überschweren eher noch ein Grund mehr, sich zu freuen. Insofern hatte Benington nichts zu befürchten.

Und auch Linker war alles andere als zart besaitet. Ihn interessierten die Opfer nicht, er betrachtete die Situation nur analytisch und das Ergebnis seiner Analyse war, dass es auch anders gegangen wäre. Optimaler, mit weniger Opfern in den eigenen Reihen. Human war dieser Krieg ohnehin nicht. Es gab allerdings ein Kriterium, das Erfolg von Schwäche abgrenzte. Ein Kriterium, das Benington nicht erfüllte.

*

Ash Berger wusste schon nicht mehr, wohin er zuerst blicken sollte. Also hielt er die Augen einfach stur geradeaus. In der Dunkelheit war es ohnehin schwierig, sich zu orientieren, auch wenn sie von Schüssen erhellt wurde. Oder gerade deswegen. Aber wenn er auf Nachtsicht umschaltete, war er wie geblendet von den vielen Feuerblumen, den grellen Explosionen, die die Artillerie erzeugte.

An der Seite des Kameraden stürmte der Soldat auf die gegnerischen Stellungen zu. Er wusste, dass ihn auch die eigenen Einheiten im Visier hatten, wegen der Nähe zu den Stellungen des Gegners. Genau das war ihre Aufgabe: Sich ihnen zu nähern und so der Artillerie ein genaueres Ziel zu verschaffen.

Zwar erzeugten die Ortungen auch schon ein deutliches Abbild, aber es reichte wohl doch noch nicht ganz aus, denn sie lagen mit ihren Schüssen immer wieder daneben. Deshalb sollten sie Funkbojen anbringen, die der Artillerie das Feuern erleichtern würde. Die so entstehenden Breschen in der Verteidigung würden den Gegner schwächen.

Der Sergeant robbte voraus, Nakkhole folge ihm. Gemeinsam hechteten sie in die nächste Deckung, während die Feuerbahnen des Feindes neben und hinter ihnen niedergingen. In den Furchen und Kratern, die die Strahlbahnen zurückließen, konnten sie sich verbergen und langsam vorrücken. Durch die Energiestrahlen brauchten sie sich wegen der Ortung keine allzu großen Sorgen zu machen. Die Hitze überstrahlte ihre Emissionen fast vollständig. Und so schafften sie es tatsächlich, bis zu den Stellungen zu gelangen, in denen der Feind sich positioniert hatte.

Berger und Nakkhole erreichten die Fundamente der Geschützkuppeln. Ohne zu zögern brachten sie die Funkbojen an. Im gleichen Moment wurden die Signale bemerkt, und zwar von Freund und Feind.

Berger und Nakkhole machten, dass sie wegkamen. Keinen Augenblick zu früh, denn hinter ihnen schlugen bereits die ersten Granaten ein. Viel zu früh, aber vermutlich wollten die eigenen Stellungen verhindern, dass der Gegner die Bojen selbst finden und entschärfen konnte.

Berger fragte sich, was sie hier eigentlich taten. Es hätte sicher auch andere Möglichkeiten gegeben, diese Bojen zu platzieren. Aber sie hatten den Auftrag erhalten, es zu tun. Überhaupt hatte Berger das Gefühl, dass sie viel zu sehr im Zentrum der Geschehnisse standen. Anstatt die Technik den Krieg führen zu lassen, wurden sie selbst an die Front geschickt, brachten sich in Gefahr und sicherten so den eigenen Kommandierenden einen möglichen Sieg. Opfer hatte es schon zuhauf gegeben. Der Terraner war nicht glücklich über die Art und Weise, wie sie behandelt wurden.

Aber wer war er schon, dies zu hinterfragen? Immer wieder konnte er nur knapp den Energiebahnen ausweichen, die über sie hinwegfegten. Die eigenen Truppen verwendeten auch Sprengkörper, die nach der Explosion jede Menge Metall um sich schleuderten. Sehr effizient bei dieser Art der Kriegsführung, aber das Ergebnis hinter den feindlichen Linien wollte der Sergeant nicht zu sehen bekommen.

Oder selbst zugefügt bekommen. Ash spürte die Detonation mehr, als er sie sah. Von links kam der Windstoß in Orkanstärke, der ihn und seinen Begleiter von den Beinen riss und in die zweifelhafte Deckung einer nicht sonderlich tiefen Furche stieß. Ein Energiestrahl hatte hier einen Teil des Untergrundes aufgewühlt. Hoffentlich tief genug, dachte der Sergeant, während er beide Hände über den Kopf nahm und sich zusammenkrümmte. Um Nakkhole konnte er sich nicht kümmern. Er konnte nur abwarten, bis der Donner verklungen war.

Er nahm die Hände herunter, als es ruhiger zu werden schien und bemerkte, dass Nakkhole sein Bein umfasste. Ein Splitter steckte darin und der Kamerad stemmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht hoch. Berger packte sofort zu, legte Nakkholes Arm um seine Schulter und zog den Hinkenden mit sich, fort von den fürchterlichen Detonationen. Endlos dehnte sich der Weg.

Beide waren völlig erschöpft, als sie hinter den eigenen Stellungen in trügerische Sicherheit plumpsten. Der Verletzte wurde ihm sofort aus den Armen genommen und wurde weggebracht, in die Obhut von Sanitätern, die ihr Möglichstes taten, um die vielen Opfer, die ihnen und den Medorobotern gebracht wurden, wieder herzustellen.

Ein grauenhafter Krieg, dessen Sinn er nicht einsah. Ash Berger fühlte sich, als würde ein sadistischer Gott ihnen zusehen und sich an ihrem Leiden ergötzen. Hilflos der Schlachterei ausgeliefert, elendes Krepieren vorbereitend – so hatte er sich das nicht vorgestellt.

*

Benington lachte grimmig, als er das Ergebnis ihrer Bemühungen sah. Die Löcher in der gegnerischen Abwehr wurden immer größer. Seit drei Tagen schlugen sie sich nun schon mit dem Feind, aber man konnte deutlich spüren, dass es zu Ende ging.

Aus der Stadt der Rebellen war eine Trümmerwüste geworden, eine ruinenbestückte Kraterlandschaft, durchlöchert von den ferngelenkten Waffen der Bomber, die hier wüteten. Verwunderlich eigentlich – man konnte angesichts dieser Zerstörung kaum glauben, dass die heutigen Präzisionswaffen auch chirurgisch saubere Eingriffe ermöglichten, die kaum ein Gebäude in einer Stadt zu Schaden kommen ließen, außer dem einen, dem man auch schaden wollte. Zumal viele der Anlagen ja gesichert waren. Aber hier ging es um Masse, nicht um Klasse. Linker schüttelte sich angewidert, riss sich aber zusammen, als er den Blick des Generaloberst zu spüren bekam. Benington schien zu spüren, dass nicht alle seine Begeisterung teilen konnten oder wollten.

Wolf Linker jedenfalls fragte sich, was das alles bringen sollte. Diese stumpfe, totale Zerstörung würde ihnen kaum die Gelegenheit geben, sich Informationen zu holen. Und Informationen waren es, die sie benötigten, um mit den Rebellen endgültig aufzuräumen. Er schüttelte den Kopf. Bald würde nichts mehr übrig sein, das sie noch auswerten konnten. Und niemand mehr, den sie befragen konnten. Gefangene wurden kaum gemacht, was daran lag, dass die meisten Gegner entweder bei den Angriffen starben oder wirksam in Sicherheit gebracht und dann evakuiert wurden. Und Benington tat nichts, um das zu ändern.

Zerstörung um jeden Preis. Der Generaloberst trat jede Strategie, jedes taktische Vorgehen mit den Füßen. Seine Form der Kriegsführung gefährdete ihr Ziele. Linker fragte sich, warum er das tat.

Doch er würde niemals öffentlich Kritik an dem Generaloberst üben. Linker hoffte, er würde mit dem Feldeinsatz bald durch sein, um selbst irgendwann den Posten eines Kommandeurs inne zu haben. Um aus sicherer Entfernung zu befehlen.

Und der Feuerhagel auf die Stadt des Feindes verstärkte sich noch.

*

Große und kleine Explosionen, sich entfaltende, tödliche Feuerblumen, wohin das Auge auch blickte! Aurec konnte kaum glauben, dass sie noch unversehrt waren. Sie flogen inmitten der feindlichen Einheiten, teilten aus, steckten den einen oder anderen Treffer weg und absorbierten die Energie. Und irgendwie kamen sie auf die andere Seite des Feuerriegels, ohne vernichtet zu werden.

Die SAGRITON gab alles, erwies sich als prächtiges Werkzeug, als sie an der Seite der IVANHOE II unter den gegnerischen Schiffen wütete. Raumjäger flitzten zwischen den beiden Giganten hindurch, wichen Strahlbahnen aus, flogen ab und zu auch mitten hinein und explodierten. Grauenhaft, dachte der Saggittone. Grauenhaft, aber nicht von mir verursacht.

Er schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte sich, gab die Befehle mit leiser, ruhiger Stimme. Das Verstärkerfeld nahm die Kommandos auf und projizierte sie in Lautsprecherfelder direkt vor den Ohren der angesprochenen Personen. So war Kommunikation auch in diesem Chaos fast ohne Verlust möglich.

Aurec starrte auf den Schirm, der ihm das Schiff Leticrons zeigte. Als all die Torpedos in ihren Schutzschirm schlugen, die von der SAGRITON und der IVANHOE II abgefeuert wurden, verwandelte sich die PARICZA zum Schein in eine Sonne.

Einige kleinere Einheiten kamen nun zu Hilfe.

Die DOMULUS konnte er im Moment nicht sehen, aber das war ihm egal. Seit drei Tagen spielte der Überschwere mit ihnen Katz und Maus, stellte sich immer wieder dem Kampf und entzog sich dann wieder. Jetzt reichte es!

Ohne Rücksicht auf eigene Verluste attackierten sie das Schiff des Überschweren, das langsam zurückwich, aber weit davon entfernt war, die Flucht zu ergreifen. Die Einheiten des Gegners waren in Kämpfe mit anderen Einheiten verwickelt: Abgesehen der PARICZA hatten sie gerade fast keinen Gegner. Das mussten sie ausnutzen!

Und sie schafften es tatsächlich, den Schirm zu knacken. In den folgenden Sekunden schlugen Torpedos und Energiebahnen in die nun ungeschützte Haut des Raumschiffes.

Alles ging nun sehr schnell. Der Überschwere leitete einen Fluchtkurs ein, um dem wütenden Beschuss zu entkommen. Das bedeutete, dass er die volle Energie auf die Triebwerke lenkte! Aurec setzte nach und bepflasterte das Schiff weiterhin mit allem, was seine Geschütze hergaben. Doch die IVANHOE II fiel etwas zurück und der Überschwere erhielt eine Verschnaufpause. Flackernd stabilisierte sich eine erste Schale aus reiner Energie wieder um das Schiff, wehrte einige Strahlbahnen ab und fing sich tatsächlich. Der Schutzschirm um die PARICZA stand. Die Chance war vorbei!

Aurec verzweifelte fast. Sollten sie es wieder nicht schaffen, den Überschweren entscheidend aufzuhalten? Er ließ die SAGRITON beschleunigen und feuerte wiederum so schnell, wie die Geschütze es zuließen. Erneut destabilisierte sich der Schirm, Fragmente brachen aus der schützenden Hülle, Atemluft entwich und das Vakuum des Weltalls drang in Leticrons Schiff ein. Viele der Wesen in den äußeren Sektionen des gegnerischen Schiffes mussten schon tot sein, aber die PARICZA explodierte immer noch nicht.

Doch nun drängten sich auch andere Einheiten des Gegners an das Schiff der Saggittonen und setzten es unter Beschuss. Aurec wurde abgedrängt, fand sich plötzlich neben der IVANHOE II wieder und war im Abwehrkampf gegen neu aufgetauchte Einheiten gebunden. Er kam nicht mehr zu seinem Ziel durch.

Irgendwann war es zu Ende. Leticrons Schiff lag angeschlagen inmitten einer Schale eigener Einheiten, unerreichbar für die Verteidiger, die sich wieder in ihre Stellungen über der Hauptstadt geflüchtet hatten, soweit sie überhaupt noch vor Ort waren. Sie wurden immer weniger, weil einige vernichtet wurden und andere sich in die Evakuierungen einbringen mussten. Langsam mussten sie der Wahrheit ins Auge sehen und an die endgültige Flucht denken.

Mit der Beinahevernichtung des gegnerischen Flaggschiffes hatten sie sich neben dem ansatzweisen Triumph zumindest einen Aufschub erkämpft. Aurec erkundigte sich nach dem Stand der Dinge.

*

Der Panisha überblickte schon lange nicht mehr, was sich dort draußen tat. Seine Konzentrationsübungen reichten nicht aus, um mit der rasanten Verbreitung von Vernichtung und Schrecken Schritt zu halten, sie fassbar zu machen. Er resignierte. Er wollte auch nicht mehr hinsehen. Die Schlacht um ihren Rebellenstützpunkt entwickelte sich mehr und mehr zu einem Gemetzel.

Trotzdem trug Soradan Mog Aro die Informationen zusammen und übermittelte sie an die Schiffe im Orbit, damit diese wenigstens grob über den Stand auf dem Planeten informiert waren.

Scorbit leistete ausgezeichnete Arbeit. Er koordinierte die Abwehr an den verschiedenen Fronten und verschaffte ihnen so den Aufschub, den sie benötigten, um die Menschen in den Stützpunkten in Sicherheit zu bringen. Immer mehr ihrer Schiffe setzten sich endgültig ab und versteckten sich im »Dunklen Himmel«, der Überlappungszone zwischen den Galaxien Absantha-Gom und Absantha-Shad.

Es ging dem Ende zu und Scorbit gab seinen Soldaten den Befehl, die Stellungen endgültig aufzugeben.

Jetzt half nur noch Flucht.

*

Perez keuchte, hetzte von Deckung zu Deckung und kam so dem Sammelpunkt immer näher. Inzwischen zählte er die gegnerischen Soldaten nicht mehr, die er auf dem Gewissen hatte. Es interessierte ihn kaum noch.

Die Muskeln seiner künstlichen Beine ermüdeten nicht und man hätte ihm kaum angesehen, dass er erst vor zweieinhalb Tagen operiert worden war. Er kämpfte auf einer Ebene, die kaum noch von seinen Gedanken gesteuert wurde, mit seinem Unterbewusstsein, wie in einem Rausch. Er sah die Toten nicht mehr, die seinen Weg säumten. Und er schaute nicht einmal mehr richtig hin, wenn er die Waffe wieder einmal in Richtung eines gegnerischen Soldaten schwenkte und abdrückte.

Pedro Perez marschierte durch die rauchgeschwängerte Luft, lief zwischen den Energiebahnen und den mechanischen Geschossen hindurch, als ginge ihn das alles nichts an. Wie durch ein Wunder blieb er vollkommen unverletzt.

Viele seiner Kameraden schlossen sich ihm an, als er an ihnen vorbeikam. Und so wurde die Gruppe immer größer, während sie sich dem Abschnitt näherten, in dem ihr Transmitter auf sie warten sollte – wenn er noch nicht vernichtet war.

Und sie schafften es. Jubelnd stürmten sie durch den Torbogen und materialisierten auf einem Schiff im Leerraum, etwa zwei Lichtjahre von dem Planeten entfernt. Aufgepeitscht und erschöpft bekam er kaum mit, wie sie beschleunigten und im Hyperraum eintauchten, auf den Weg in den Dunklen Himmel.

Perez fiel auf die Knie und ließ die Waffe langsam aus seinen Fingern gleiten. Vor seinem inneren Auge zuckten Bilder, die die zurückliegenden Ereignisse widerspiegelten. Sie standen für die gesamte unübersichtliche Auseinandersetzung und stürzten ihn in leichte Verzweiflung. Sie hatten die grauenhaften Kämpfe auf Good Hope überlebt. Eine der schlimmsten Schlachten, die jemals geschlagen wurde, lag hinter ihnen.

Er wusste nicht, wie viele Kameraden sie verloren hatten. Und er wollte es gerade jetzt auch nicht wissen.

Es war ihm egal, das legte sich wie eine schützende Hülle um sein Bewusstsein.

Müde war er, so unendlich müde. Er schloss die Augen.

*

Das Schiff des Saggittonen näherte sich der Hauptstadt, in der immer noch gekämpft wurde. Allerdings nicht mehr von den eigenen Einheiten, sondern nur noch von einigen Kampfrobotern, die dem Feind einen letzten Widerstand entgegensetzen. Von der Hauptstadt war nicht mehr viel übrig geblieben, aber einige wenige Anlagen dann doch noch, die dem Feind nicht in die Hände fallen durften.

Und so flog das Schiff in niedriger Höhe über der Stadt, feuerte auf die Anlagen und stieg dann schnell wieder in den Orbit auf, bevor gegnerische Schiffe sich auf das majestätische Fahrzeug einschießen konnten. Einen letzten Blick warf der Saggittone noch auf den Kordon der Einheiten, hinter dem sein Feind unerreichbar war. Dann setzte er sich ebenfalls ab in Richtung Dunkler Himmel.

Die SAGRITON war eines der letzten Schiffe. Und so konnte Aurec eine Bilanz der Kämpfe ziehen. Mit den Informationen, die ihm von den Bodenkämpfen vorlagen, konnten sie davon ausgehen, dass auf dem Planeten allein um die 17.000 feindliche Soldaten gestorben waren. 1500 Shifts mussten als Totalverlust abgeschrieben werden.

Im Weltall hatten sie sich tapfer gewehrt und selbst um die 9000 Einheiten verloren, aber der Gegner war noch schlimmer dran. Leticron hatte neben der zum Wrack geschossenen PARICZA um die 12.500 Schiffe verloren.

Der Feldherr der quarterial-dorgonischen Allianz hatte sicherlich einen Sieg errungen. Aber was für einen? Die Menschen sprachen in einem solchen Fall von einem Pyrrhus-Sieg, wenn er mit dem Verlust so vieler Leben verbunden war, dass er letzten Endes zum Bumerang für den Sieger wurde. Hoffentlich. Die vielen Leben würden Leticron vermutlich nichts ausmachen. Ihm selbst aber schon.

Sie hatten nicht nur ihren Stützpunkt verloren, sondern viel zu viele einzigartige, unersetzliche Individuen. Auf beiden Seiten. Wann würde dieser Wahnsinn nur endlich enden?

4. Sieger und Verlierer

Erendyra, 19. April 1306 NGZ

Vor Oberst Wolf Linker stand sein Vorgesetzter und riss ihm die Abzeichen von den Schultern. Allerdings nur, um sie gegen die eines Generalmajors auszutauschen.

Wolf Linker war nicht der Einzige, der nach dem Sieg befördert wurde. Ash Berger bekam die Abzeichen eines Korporals, während Roppert Nakkhole zum Sergeant ernannt wurde. Und damit nicht genug, auch Henner Herker war angetreten, um neue Rangabzeichen in Empfang zu nehmen. Er trug nun die Abzeichen eines Obersts und war zugleich der neue Oberkommandierende der XXXII. SHIFT-Division. Sie waren alle in der Hierarchie aufgestiegen.

Ash Berger strich nachdenklich über die neuen Abzeichen, die ihm kaum etwas bedeuteten. Er schaute in die gesellige Runde seiner Freunde, die mit ihm zusammen ihre Beförderung und den Sieg feierten. Allerdings war ihm gar nicht so sehr zum Feiern zumute.

»Wir hätten alle draufgehen können, das ist euch schon klar«, sagte er scheinbar unmotiviert. Er hatte leise gesprochen, aber trotzdem wurde es schlagartig still und alle schauten ihn an.

»Dem Alten ist es doch ziemlich egal, ob wir alle draufgehen.« Er meinte Benington damit, aber das war den anderen schon klar. Er schüttelte den Kopf, stellte das Glas ab, aus dem er einen Schluck genommen hatte, und erhob sich. Sein Blick suchte Wissmer und Pomme. »Außerdem würde mich sehr interessieren, was damals auf Beschryr abgegangen ist. Irgendwie kommt mir das alles nicht sehr geheuer vor.«

Keiner der beiden antwortete. Aber eigentlich brauchten sie das auch nicht. Auch Berger wollte es gar nicht so genau wissen.

Sie bedauerten, was passiert war. Die somerischen Bauern hatten nichts dafür gekonnt. Aber nun war es zu spät.

*

Som, 23. April 1306 NGZ

Konsul Elgalar nahm die Huldigungen der Anwesenden mit stoischem Gesichtsausdruck zur Kenntnis. Er hasste sie ohnehin alle, diese gesichtslosen Speichellecker, die nichts anderes zu tun hatten, als ihm auf die Nerven zu gehen. Aber er konnte es nicht ändern, musste mit ihnen klarkommen, auch wenn ihm das schwer fallen mochte.

Wenigstens gab es erfreuliche Abwechslung in diesen Tagen. Leticron hatte die ersehnte Erfolgsmeldung aus Erendyra im Gepäck, als er und Vesus nach Som kamen, um dort eine glorreiche Siegesparade abzuhalten, die Elgalar natürlich mit Freuden ausrichtete. Fast alles gehörte nun ihnen: Die estartische Föderation war beinahe vollständig in den Besitz der quarterial-dorgonischen Allianz übergegangen.

Nun wurde der Kuchen aufgeteilt, Erendyra zu gleichen Teilen an die beiden Besatzungsmächte vergeben. Während Vesus Prokurator der dorgonischen Welten werden würde, ernannte sich Leticron quasi selbst zum Herrscher über die quarterialen Teile der frisch eroberten Galaxis.

Damit waren zumindest auf Seiten der Verbündeten alle soweit glücklich. Nur die Rebellen nicht, die sich noch im Dunklen Himmel versteckten. Das nächste Ziel stand somit klar vor den Augen des Konsuls: Auch dieser Bereich würde bald ihnen gehören.

Und dann würde die Estartische Föderation endgültig Geschichte sein.

5. Fall von Erendyra

Bericht der FOCUS

Erendyra ist gefallen!

Jene schreckliche Nachricht eilte durch alle Medien. Während die Sieger jubelten, verloren die Besiegten – die Bewohner dieser Galaxien – alle Hoffnung. Es hieß, die Allianz der Saggittonen, Akonen und Estarten sei vernichtend geschlagen worden.

Aus sicheren Quellen weiß ich zu berichten, dass zwar die Welt der ASAE erobert wurde, jedoch mussten die Quarterialen und Dorgonen dabei hohe Verluste einstecken. Beinahe wäre der Corun von Paricza dabei ums Leben gekommen, sein Flaggschiff PARICZA wurde schwer beschädigt.

Doch der Konflikt wurde noch nicht endgültig entschieden: Die ASAE hat sich an einen sicheren Ort zurückgezogen und formiert sich neu, während die dorgonisch-quarteriale Streitmacht ihren Sieg feiert.

Erendyra ist gefallen, doch der Widerstand lebt weiter. Die Bewohner der Estartischen Föderation kämpfen um ihre Freiheit und werden weiterhin aufopferungsvoll von den Saggittonen, den Akonen und den Agenten der USO unterstützt. Der ehemalige Regent Sam ist am Leben, genauso wie Aurec und Jan Scorbit. Jene Helden der IVANHOE II verteidigen selbstlos und aus Prinzip die Freiheit anderer. Es gibt keine höhere Ehre, die man anstreben kann.

Die FOCUS wird Sie mit ihren Berichten weiterhin auf dem Laufenden halten.

Ihr Robert »Speaky« Mohlburry

*

Ein trauriger Haufen war übriggeblieben, auch wenn die 60.000 Raumschiffe auf den ersten Blick nach einer starken Streitmacht aussahen. Doch es war schwierig, bei diesem Anblick etwas wie Triumph zu empfinden. Angesichts der vielen Toten war jede Art von Triumph ohnehin unangemessen.

In der Zentrale der SAGRITON herrschte dementsprechend bedrückte Stille. Das prachtvolle Flaggschiff von Aurecs Volk hatte bei den Kämpfen Schrammen davon getragen, von denen einige auf der Außenhaut des Schiffes immer noch deutlich zu erkennen waren. Doch ein Großteil der Schäden war bereits repariert.

Die Toten waren weggeräumt. Sofern die Leichen gefunden wurden, hatten sie ein ehrenvolles Begräbnis in der Dunkelheit und Kälte des Universums bekommen, wo sie durch den leeren Raum trieben, bis sie irgendwann in das Schwerefeld einer Sonne gerieten. Dort würden ihre Körper verbrennen und in den Teilchenkreislaufs dieses Sonnensystems aufgenommen werden.

Die meisten der leicht Verletzten waren bereits wieder auf ihren Posten, andere lagen auf den Krankenstationen. Die ärztliche Betreuung funktionierte und sie würden sich von diesen Schlachten erholen. Körperlich am schnellsten. Doch seelisch würden Narben zurückbleiben: Auf den Betroffenen lastete erheblich mehr als nur das Gefühl einer Niederlage oder der Schmerz der Verwundungen. Sie hatten ihre Heimat verloren, für die sie mit aller Kraft gekämpft hatten.

Ein Gefühl, das Aurec durchaus nachvollziehen konnte. Sein Volk und er als Herrscher hatten in diesem unseligen Krieg auch schon vieles erlitten, die Heimat in der Insel verloren und schon viele Lebewesen sterben sehen. Es war genug, er wollte das nicht mehr erleben. Und doch wusste er, dass es noch lange nicht vorbei war.

Soradan Mog Aro verharrte neben dem Herrscher der Saggittonen. Seine Schülerin stand einen knappen Schritt hinter ihm. Sie hatte nach der Schlacht die nächste Stufe ihrer Ausbildung erklommen. Das Shan hatte sie schon vor Jahren hinter sich gebracht, seither trug sie den Kampfnamen Ranrib. Ihren eigentlichen Namen benutzte sie schon lange nicht mehr. Nach dem Talosh hatte sie nun auch das Dai unter Beweis gestellt, die Treue zu Partner, zu Vorgesetzten und natürlich vor allem zu ihrem Meister. Er war stolz auf sie.

Das zeigte er aber nicht, denn ihnen allen war die Bedeutung des Augenblicks sehr bewusst. Sie waren ein kleiner Haufen der letzten Aufrechten, um den sich die Rebellen sammeln konnten. Die versprengten Truppen fanden sich nach und nach zusammen.

Es waren zu wenige. Sie bildeten eine Flotte, die durchaus beeindruckend wirkte. Aber wenn in diesem Augenblick Leticrons Truppen erscheinen würden, dann wären sie von vornherein auf verlorenem Posten gewesen, hätten die Flucht antreten müssen und darin keinen Sinn mehr gesehen. Immerhin flohen sie aus ihrer eigenen Heimat. Mancher mochte das nicht einsehen. Es sollte niemals notwendig sein, die eigene Heimat fluchtartig zu verlassen.

Und doch waren sie nun hier, auf ihrem Weg in den Dunklen Himmel – wie Bittsteller, die an die Pforte des Retters klopften, würden sie auf das Wohlwollen der dortigen Bewohner angewiesen sein. Die Animateure waren die eigentlichen Hintermänner der Ewigen Krieger gewesen. Seit dem Ende des Kriegerkultes hatte sich aber auch hier vieles verändert. Die Extremisten gaben nicht mehr den Ton an, gemäßigte Pteru hatten sich durchgesetzt. Und so konnten sie hoffen, vor den Ohren dieser Wesen Gehör zu finden, denen ihre eigene Heimat auch wichtiger sein würde als die Knechtschaft unter den Eroberern.

Es wäre dringend nötig, denn sie benötigten einen Platz, an dem sie ihre Wunden lecken konnten. Und von dem aus sie einen neuerlichen Widerstand aufbauen konnten. Einen Ort, der ihnen als Basis dienen würde.

*

Soradan Mog Aro betrachtete nachdenklich die Sterne auf den Schirmen. Friedlich sah es aus, dieses Universum voller Wunder, und war manchmal doch so erschreckend. Er fragte sich immer wieder, wie sie es geschafft hatten, sich in dieser Welt zu behaupten. Genau genommen beherrschten sie sie nicht – sie waren lediglich in der Lage, in ihr zu reisen und dank ihrer Technik zu einem gewissen Grad zu existieren, mehr schafften sie nicht.

Aber das war schon eine ganze Menge. Die Entfernungen, die sie schon zurückgelegt hatten, machten dies deutlich. Sie waren in Bereichen gewesen, die so weit von ihrer eigenen Heimat entfernt lagen, dass man es kaum glauben konnte.

Manchmal fragte er sich, ob der Mensch dies wirklich tun sollte. Ob es nicht Hybris sei, zu glauben, dass man sich von der Welt seiner Väter so weit entfernen konnte, ohne von höheren Wesen für die freche Überschreitung der eigenen Grenzen bestraft zu werden. Aber diese Gedanken waren müßig. So lange Lebewesen die Raumfahrt beherrschten, würden sie immer wieder Grenzen überwinden wollen. Und vielleicht war genau das auch der Beweis, dass dieses Vorwärtsdrängen eben doch keine Hybris war, sondern in den Genen aller Völker dieses reichen Universums verankert.

Grenzen zu überwinden wäre demnach ganz natürlich. Grenzen wie jene in den Dunklen Himmel. Dieser Bereich war eine durchaus nicht ungefährliche Zone mit sehr dicht zusammenstehenden Sternen. Als sich die beiden Galaxien Absantha-Shad und Absantha-Gom dereinst noch nicht berührten, war es in diesen Bereichen sicher ruhiger gewesen. Aber nun hatten sie sich bereits ein gutes Stück ineinander geschoben. Ein ungeheuerlicher Anblick, der auf den Schirmen gar nicht deutlich werden konnte.

Schematische Darstellungen zeigten, wie die Galaxien heute aussahen. In dieser Überlappungszone, deren Kernstück an die 10.000 Lichtjahre durchmaß und deren dickste Stelle gute 1000 Lichtjahre betrug, hatten sich vor langer Zeit die Herren der Ewigen Krieger niedergelassen. Und nicht nur das, auch der Sitz der Superintelligenz ESTARTU, die Welt Etustar, befand sich dort. Sie lag fast im Zentrum der Überlappungszone, deren größte Ausdehnung etwa 35.000 Lichtjahre betrug.

Daneben befand sich im Dunklen Himmel auch die Heimatwelt der Elfahder, jenes gallertartigen Hilfsvolkes der Superintelligenz. Die Wesen stammten von dem Planeten Elfahd, einer sumpfigen Welt, die zu den bekanntesten Planeten der Mächtigkeitsballung ESTARTUs gehörte. Seit dem Ende des Kriegerkultes hatten sich die Verhältnisse dort sehr verändert.

Ob sie wirklich willkommen waren im Dunklen Himmel, würde sich sehr bald herausstellen. Aurec war soeben dabei, sich mit den Animateuren in Verbindung zu setzen. In Kürze würden sie wissen, ob ihre Flucht hier ein vorläufiges Ende finden konnte.

6. Etustar

Im einstigen Zentrum der Mächtigkeitsballung ESTARTUs, dem als Dunklen Himmel bezeichneten Überlappungsgebiet der beiden Galaxien Absantha-Shad und Absantha-Gom, lebten neben den Animateuren auch die Elfahder, die als Diener der Ewigen Krieger bekannt geworden waren. Die von ihren Exoskeletten gestützten Humanoiden lebten auf ihrer Heimatwelt Elfahd in einem trügerischen Frieden, denn der Feind war noch weit entfernt und da sich im Dunklen Himmel auch die Truppen der Alliierten zu sammeln schienen, würde das wohl auch noch lange so bleiben zu können.

Volcair lebte schon lange hier. Er kommandierte eine Division der elfahdischen Flotte. Als Kommandant war ihm die Lage bewusster, als vielen anderen, die auf Elfahd lebten.

Ursprünglich stammten die molluskenähnlichen Wesen aus Erendyra, lebten aber schon so lange hier, dass sie diesen feuchten, sumpfigen Planeten als ihre Heimat betrachteten. Seine Wälder waren zu einer Heimat für Volcair geworden. Er betrachtete die Wolken, die über den Wipfeln des Dschungels hingen, mit Freude. In der schwül-warmen Atmosphäre bildete sich Nebel, der malerisch durch die Täler vor ihm trieb. Gerade zu dieser frühen Morgenstunde war es besonders schön hier.

Verträumt blickte er auf die sumpfige Landschaft, dachte über sein Leben, seine Erfolge, seine Position in der Gesellschaft nach, aber auch über die Bedrohung, die über ihnen schwebte. Wie lange mochte es Elfahd noch geben? Wie lange würde er diesen Anblick noch genießen können?

Sehr lange, schwor er sich. Besonders lange, denn es kündigte sich wohl an, dass die Elfahder ihre zurückhaltende Position aufgeben würden. Zur Stunde tagten die Vertreter seines Volkes, um zu einer Entscheidung zu kommen. Eigentlich konnte es nur eine Entscheidung geben.

*

Das Gesicht des Animateurs war auf dem Hauptbildschirm der SAGRITON deutlich zu erkennen. Es war viel zu groß abgebildet, so dass man die tiefen Furchen in seinem Gesicht erkennen konnte. Durch die übergroße Darstellung wirkte der Animateur fast wie ein Pteru, obwohl die Animateure normalerweise viel kleiner waren.

Die Singuva, wie sie auch genannt wurden, hatten sich durch genetische Züchtung selbst verkleinert. Ein anderer Zweig des Volkes der Pteru waren die Ewigen Krieger, denen die relative Unsterblichkeit verliehen worden war. Aber auch die Sothos waren den Terranern ein Begriff. Sie wurden aus der Erbmasse der Pteru je nach Bedarf und Notwendigkeit geklont, so dass genau die Fähigkeiten und Charaktereigenschaften vorhanden waren, die im Augenblick gebraucht wurden.

Die Sothos und die Animateure bildeten ein Team, waren früher deswegen nur gemeinsam aufgetreten. Die Animateure hatten dabei vordergründig die Rolle von Dienern gespielt und hatten sich teilweise wie Hofnarren der Sothos verhalten. In Wahrheit waren sie aber die Herren gewesen. Sie hatten den Sothos sogar befehlen können, sich selbst zu töten, und das war durchaus vorgekommen.

Das war lange her und doch waren die Animateure immer noch die Herren. Was es nicht eben einfacher machte, mit ihnen zu verhandeln. Soradan Mog Aro lauschte der Unterhaltung zwischen Aurec und dem Animateur, der sich als Soro’Thir’Kon bezeichnete. Der hörte sich ruhig an, was der Saggittone zu sagen hatte. Er nickte, als Aurec endete. Er hielt sich nicht sonderlich lange mit Förmlichkeiten auf. Stattdessen hieß er die Flotte im Dunklen Himmel willkommen.

Vor den Schiffen Aurecs und der anderen Oberbefehlshaber waren bereits andere aus der Flotte angekommen. Flüchtlinge, die sich nicht mehr an den Kämpfen hatten beteiligen können. Deswegen wusste der Animateur bereits, was Aurec von ihm wollte und eigentlich hatte er seine Entscheidung bereits getroffen.

Er machte Aurec klar, dass sie freien Zugang zu den Welten im Dunklen Himmel hatten und bot ihnen an, in unmittelbarer Nähe von Etustar, der einstigen Heimat ESTARTUs, Halt zu machen. Der Planet Boldar wartete bereits auf die Nachzügler, um die Schiffe neuerlich mit Proviant und allem Benötigten auszustatten.

Aurec nickte dankbar, dann erlosch der Bildschirm.

*

Volcair, so hatte einer der ersten Elfahder geheißen, denen die damaligen Vironauten begegnet waren. Volcair, so hieß auch der Elfahder, dessen grün schillernder Körper im leichten Regen seiner Welt verführerisch glitzerte. Das heißt – verführerisch für seine Artgenossen und für Beobachter, die es an dieser Stelle nicht gab. Er räkelte sich in einem Sumpfloch, von dem aus er die Umgebung im Auge behalten konnte. Dabei tankte er Energie für seine Aufgabe.

Eine Aufgabe, die ihm jeden Augenblick erteilt werden würde, da war er sich absolut sicher.

Das Piepen des Kommunikators riss ihn aus seinen Träumen. Sein Molluskenkörper richtete sich langsam auf und glitt aus der trüben Flüssigkeit in Richtung seiner Rüstung, die leer und wie entseelt unweit des kleinen Schlammlochs entfernt stand. Auf dem Weg wusch der Regen den letzten Schmutz von seinem Körper.

Als Volcair die Rüstung erreichte, war er vollkommen sauber. Elegant glitt er an der Hülle entlang nach oben und durch das Loch in der Kniekehle. Als er vollständig darin verschwunden war, schloss sich die Öffnung. Die Rückenstachel richteten sich auf, klapperten gegeneinander. Grünliches Schillern in dem Bereich, in dem sich bei den Menschen die Augen befanden, bedeute nichts Besonderes. Die Möglichkeiten der Rüstung waren nur den Angehörigen seines Volkes bekannt.

Er aktivierte den Kommunikator und blickte auf das Bild seines Stellvertreters, der sich derzeit um den Verband kümmerte. Zufrieden blubbernd, aktivierte er auch die akustischen Einrichtungen.

»Astrahun, was gibt es Neues?«

Der Angesprochene machte einen angeschlagenen Eindruck. Offensichtlich war er sich nicht sicher, ob seine Nachrichten dem Kommandanten gefallen würden. Wohlwollend nickte der Elfahder und wartete, bis sein Gesprächspartner ihm die Nachricht übermitteln würde, auf die er schon wartete.

»Das Oberkommando hat sich gemeldet.« Volcair hatte damit gerechnet, wünschte sich für einen Augenblick, dass Astrahun sich beeilen würde. Sein Stellvertreter tat ihm den Gefallen.

»Wir werden in den Krieg ziehen. Die Flotte der Elfahder wird den Alliierten beitreten und gegen die Gefahr aus Dorgon antreten. Wir werden nicht nur um unsere eigene Heimat kämpfen, sondern auch um die gesamte Mächtigkeitsballung.«

Volcair nickte. Ja, auf diese Nachricht hatte er gewartet. Und da er der Fähigste der Kommandanten war, würden sie ihm das Oberkommando übertragen. Er würde sich dieser Verantwortung würdig erweisen.

»Wir werden dazu unter das Oberkommando des Kriegers Lorothon gestellt.«

Die Worte seines Stellvertreters waren an diesem warmen Morgen wie ein kalter Regenguss. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, bestätigte kalt den Empfang der Nachricht und ließ das Hologramm verlöschen.

Enttäuscht senkte er den Blick. Erneut war Lorothon ihm vorgezogen worden. Er gab sich seiner Enttäuschung hin, wollte nicht akzeptieren, dass die Wahl wieder nicht auf ihn gefallen war. Wenige Minuten kämpfte er mit seinen Gefühlen, dann hatte er sich wieder in der Gewalt.

Meistens war er nur die Nummer zwei gewesen, bis sie ihn zum Kommandanten dieser Division gemacht hatten. Eintausend Schiffe unterstanden ihm seither und damit eines der größten Kontingente innerhalb der gesamten Flotte. Damit war er aber nicht zufrieden gewesen. Als Admiral der eigenen Einheiten hatte er sich bereits gesehen.

Er seufzte, sah es allmählich ein. Welche Hybris! Vielleicht war es wirklich besser so, denn wenn er sich nicht zu sehr in seinem neu erworbenen Ruhm sonnte, dann war es einfacher, sich auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren. Die Zurückstufung würde ihm dabei weniger im Weg stehen als bei Erfolg sein eigenes Ego. Er konnte mit Enttäuschungen umgehen. Wenn er aber dabei war, einen Triumph zu genießen, verlor er manchmal den Blick für das Wesentliche.

Wenigstens war Volcair in der Lage, sich das einzugestehen. Das Lachen, das er ausstieß, klang nur für einen Augenblick verbittert, dann klang es genau so herzlich, wie ihn seine Freunde kannten.

Er stapfte durch den Sumpf, steuerte sein Exoskelett in Richtung des Gleiters, mit dem er in die Einsamkeit gekommen war. Er stellte sich seiner Verantwortung, stellte sich all den Gefahren, die in der nahen Zukunft auf ihn warten würden. Elfahd und seine Bevölkerung brauchten ihn und seine Einheiten und sie brauchten auch Lorothon und seine Erfahrung. Gemeinsam mit den Alliierten würden sie siegen. Eine Parole, die wohl auf vielen Welten in Kriegszeiten ausgegeben wurde. Aber jetzt, wo er seinen inneren Schweinehund überwunden hatte, war Volcair überzeugt davon, dass sie es schaffen würden. Er hatte keine Angst mehr vor der Zukunft.

Trotzdem war sein Blick wehmütig, als er noch einen Blick in die Runde warf. Der Friede und die Ruhe des elfahdischen Sumpfes würden ihm fehlen.

*

Aurec und Soradan Mog Aro schauten sich schweigend an. Viele Worte brauchten sie nicht, um ihre Strategien aufeinander abzustimmen. Der Meister der Upanishad konzentrierte sich auf den Saggittonen, aber er brauchte eigentlich keine Unterstützung durch seine besonderen Fähigkeiten, um sozusagen in seinen Verbündeten hineinzublicken.

Auch Aurec war klar, dass sie noch lange nicht genug Schiffe hatten. Die Elfahder waren nun auf ihrer Seite, Lorothon würde die zwanzigtausend Schiffe umfassende Flotte kommandieren. Boldars Flotte mit dreißigtausend Einheiten unterstand dem Kommando von Xavier Jeamour. Aurec schließlich würde die Flotte Etustar mit ebenfalls dreißigtausend Schiffen befehligen. So kamen sie auf um die achtzigtausend Einheiten.

Viel zu wenig, um offen gegen den Feind anzutreten. Doch es gab noch andere Möglichkeiten.

*

Sruel Allok Mok befand sich noch immer auf Som. Er wollte seine Heimat nicht im Stich lassen. Auch wenn er so viel zu nahe an den Grausamkeiten des Feindes war und fast täglich Hinrichtungen erleben musste.

Immerhin konnte er die Hinterlassenschaften des einstigen Ewigen Kriegers Ijarkor nutzen. Er stand auf diese Weise in Kontakt mit dem Untergrund und konnte den Widerstand auf der eigenen Welt organisieren. Die neuen Machthaber waren auf der Welt der Somer lange nicht so sicher, wie sie es gerne wären. Und sie wussten nicht einmal, was Sruel Allok Mok in die Wege geleitet hatte.

Nachdem er bei der Invasion Zeuge der Grausamkeit des Gegners geworden war und auch die brutalen Hinrichtungen hautnah miterleben musste, war ihm klar geworden, dass in diesem Krieg niemand neutral bleiben konnte. Die Angreifer nahmen keinerlei Rücksicht auf die Eroberten. Offener Widerstand endete ziemlich schnell auf den Hinrichtungsplätzen. Pazifisten, die den Gegner mit passivem Widerstand beeindrucken wollten, starben schneller, als sie ihre Parolen skandieren konnten. Sie waren einfach erschossen worden.

Die meisten Unterworfenen verhielten sich deshalb passiv und ließen die Machthaber machen, was sie wollten. Trotzdem waren sie nicht sicher vor dem Zugriff der Eroberer, denn auch Unschuldige richtete man hin, nur um deutlich zu machen, dass niemand der Überwachung entgehen konnte.

Unterstützung im Kampf gegen den Feind war insofern mehr als willkommen. Sruel Allok Mok hatte deshalb nichts dagegen, dass er eine Nachricht aus dem Dunklen Himmel erhielt.

Aurec kündigte sich an. Und er würde die INFINION mitbringen. Zusammen mit einigen alten Bekannten. Wallace, Lorif und Dove. Und außerdem auch noch eine Abordnung der Elfahder, zusammen mit Soradan Mog Aro und seiner Schülerin.

Wertvolle Unterstützung.

*

Während er das Beiboot seines Flaggschiffes betrat, schüttelte Volcair den Kopf. Kaum eine Minute hatte er sich in der Zentrale seines Schiffes aufgehalten, als er schon wieder einen Marschbefehl erhielt. Diesmal von Lorothon persönlich. Er würde sich auf den Weg nach Som machen. Zusammen mit einer Abordnung der Terraner, Aurec und einem Meister der Upanishad.

Der Elfahder hatte den Befehl mit unbewegter Miene entgegengenommen. Derzeit waren keine Einsätze der Flotte geplant, deshalb würde es ausreichen, wenn sein Verband von seinem durchaus fähigen Stellvertreter angeführt werden würde. Er selbst würde mehr zu tun bekommen. Nämlich an Bord der INFINION aktiv in das Geschehen einzugreifen. Auf der Hauptwelt der Somer hielten sich die gegnerischen Herrscher auf. Ob der Einsatz direkt gegen sie gerichtet war oder nur gezielte Störungsaktionen angedacht waren, wusste er derzeit noch nicht.

Er hatte nur erfahren, dass es bereits einen Zugang auf die Hauptwelt der Gegner gab. Den würden sie nutzen und dann auf der Hauptwelt der Gegner mit Sruel Allok Mok Kontakt aufnehmen.

Der Somer war als Diplomat bekannt geworden und hatte als solcher den Kontakt mit den Menschen aufrecht erhalten. Später war er in der Insel zum Verwalter bestellt worden. Nachdem die Söhne des Chaos dort die Herrschaft an sich gerissen hatten, war er in seine Heimat zurückgekehrt – nur um dort die Invasion mitzuerleben, ein Ereignis, das ihn geprägt hatte. All seine Erfahrung hatte ihm nicht geholfen, die Grausamkeiten, deren hilfloser Zeuge er geworden war, einfach so stehen zu lassen. Dadurch war er zu einer Symbolfigur des Widerstandes geworden.

Volcair vertiefte sich in die Schilderungen über den Somer und machte sich auch mit der Geschichte des Pteru bekannt. Der Upanishad-Meister Soradan Mog Aro war ein Angehöriger des Urvolkes dieser Rasse, die immer noch in der Galaxis Muun lebten. Als solcher hatte er lange nach dem Ende des Kriegerkultes Kontakt mit der Upanishad erhalten und war in der Hierarchie dieser Organisation durch seine Leistungen schnell aufgestiegen.

Ganz oben angekommen, war er für Jahre in der Wildnis seines Exilplaneten verschwunden. Dort hatte ihn seine Schülerin aufgespürt, Ranrib hieß sie. Die Schülerin hatte ihn in die Welt zurückgeholt, wo er seither auf Seiten des Widerstands aktiv war. Ein wertvoller Verbündeter. Der Elfahder war beeindruckt von dem Team, mit dem er arbeiten würde.

Nur wer sich hinter Hank Lane, Jeanne Blanc und Brad Callos verbarg, konnte er nicht herausfinden.

7. Zwischen Dunkler Himmel und Siom Som

Soradan Mog Aro machte sich auf seine Weise mit dem Team vertraut. Er beobachtete alle Anwesenden. Auch seine Schülerin Shada Ranrib befand sich unter seinen Begleitern. Er beobachtete sie aus den Augenwinkeln.

Der Konferenzraum war geschmackvoll eingerichtet, sehr geräumig und offen gegenüber anderen Bereichen der Zentrale. Für die Besprechung wurde allerdings ein schallschluckendes Feld um die Versammelten aufgebaut.

An Bord der INFINION trafen sie sich zum ersten Mal als Team, um sich eine Strategie zurechtzulegen. Mit diesem Schiff wollten sie direkt in die Höhle des Löwen fliegen, aber als Schlachtschiff der Rebellen begaben sie sich in Gefahr. Trotzdem vertrat Aurec die Idee, dass sie mitten auf dem Planeten landen sollten. Frechheit siegt, und so lange die Eroberer damit beschäftigt waren, sich weitere Galaxien einzuverleiben und ihren Herrschaftsbereich auszudehnen, waren ihre Chancen vielleicht am größten.

Ihre Tarnung würde die relativ verbreitete Bauform des Schiffes sein. Sie würden außerdem dafür sorgen, dass das Schiff auf den ersten Blick wie ein Seelenverkäufer wirken würde. Die Einrichtung wäre dann nicht mehr so modern und glänzend wie im Augenblick. Eher wie auf einem Raumschiff der Paddler: vergammelt und schmutzig.

Auch sie selbst würden sich tarnen. Elfahder würden die Besatzung verstärken. Menschen waren in ESTARTUs einstiger Mächtigkeitsballung zwar nicht unbedingt alltäglich, aber sie fielen lange nicht so auf, wie es zu früheren Zeiten der Fall gewesen wäre. Deshalb würde Volcair auch bei Ankunft des Schiffes das Oberkommando übernehmen.

Soradan Mog Aro als Pteru war ebenfalls wichtig für die Mission, denn er würde nicht besonders ungewöhnlich sein. Er und einige weitere Elfahder würden die Zentralbesatzung so verstärken, dass die Menschen nicht auffielen. Sie würden sich zwar nicht verstecken, mussten aber ihre Masken in einer Weise anlegen, dass sie nicht auf den ersten Blick als solche erkennbar waren.

Und dann würden sie einfach auf die Arbeitsmoral der dorgonischen Truppen setzen. Nach der langen Zeit, in der sie Dienst auf der Heimatwelt der Somer taten, würde ihre Aufmerksamkeit nicht mehr so groß sein. Zumal ihre Widersacher nun nicht mehr unbedingt Gegner waren, sondern Flüchtige. Sie würden hoffentlich nicht erwarten, dass sich einige ihrer gefährlichsten Widersacher nach Som begeben würden.

Aurec selbst würde nicht an der Expedition teilnehmen, aber einige der Elitesoldaten sehr wohl. Neben Wallace, Lorif und Dove würde vor allem Tyler an ihrer Seite sein, dazu die Mutanten Hank Lane, Jeanne Bland und Brad Callos sowie die Ärztin Jennie Taylor. Sie alle waren in dem Besprechungsraum anwesend, neben Soradan Mog Aro, seiner Schülerin und dem elfahdischen Kommandanten. Und der Pteru hatte den Eindruck, dass es sich um eine Gruppe handelte, die zu allem entschlossen und des Weiteren auch zu allem fähig war.

Sie beschlossen, keine Zeit zu verschwenden. Einige Umrüstungen waren nötig, doch das würde schnell erledigt sein. Die Ressourcen des Planeten Boldar standen zu ihrer Verfügung. Sie mussten sie nur nutzen und das würden sie auch tun. Und am Ende würde ihre eigene Besatzung die INFINION kaum wiedererkennen.

*

Angewidert blickte Sam Tyler auf den Schmutz, der sich in der Zentrale angehäuft hatte. Ein Raumschiff hatte eigentlich nicht so auszusehen, aber wenn sie den dorgonischen Truppen auf Som erfolgreich die fahrenden Händler vorspielen wollten, dann war eine solche Disziplinlosigkeit angesagt.

Der USO-Agent beobachtete jeden einzelnen der Anwesenden für einige Augenblicke sehr intensiv. Er kannte viele von ihnen, denn er hatte dabei geholfen, sie auszubilden. Ein großer Teil der Besatzung war durch Einwohner der estartischen Galaxien ersetzt worden. Dadurch hofften sie, die Soldaten Dorgons zu täuschen. Sie wollten ihnen ein Schiff vorgaukeln, das es gar nicht gab, ein Händlerschiff mit einer zusammengewürfelten Besatzung. Möglichst einer, die sich nicht besonders gut miteinander verstand.

Aus dem Grund spielte der elfahdische Flottenkommandant Volcair seine Rolle als Kommandant dieses Schiffes auch auf eine Weise, die Tyler normalerweise nicht akzeptieren würde. Allenfalls dann, wenn er die Ausbildung von Rekruten durchführte, würde er den Einsatz solcher Methoden akzeptieren. Volcair brüllte aus seiner Rüstung heraus so lange und laut, dass vielen menschlichen Mitgliedern der Besatzung bereits die Ohren schmerzten.

Tyler grinste, beeilte sich aber dann, einen weiteren gebrüllten Befehl zu befolgen. Fluchend wuchtete er die Kisten in den angrenzenden Raum. In ihnen waren tatsächlich Waren verstaut, die sie nach Som bringen würden. Sie würden hoffentlich dazu beitragen, den Unterworfenen zu helfen, die unter der Herrschaft der Dorgonen leiden mussten.

Als besonders schwierig betrachtete Sam den Auftrag, seinen Namensgefährten davon zu überzeugen, dass mehr als nur passiver Widerstand nötig war. Vielleicht wurde es aber gar nicht so schwer. Vielleicht war der Somer jetzt schon der Meinung, dass Gewalt ein Mittel gegen die Dorgonen war.

Das hatten sich die Besatzer dann selbst zuzuschreiben. Obwohl sie offiziell die Hinrichtungen ausgesetzt hatten, war durchgesickert, dass sie immer noch damit weitermachten. Das wussten aber bei weitem nicht mehr alle in der Bevölkerung, weshalb es nötig war, hier ein neues Bewusstsein zu schaffen.

Sie beabsichtigten, dafür auch die Kaiserin Arimad einzuspannen. Die Tochter des einstigen Rebellen und ermordeten Kaisers der Dorgonen, Uleman, vertrat durchaus ähnliche Positionen wie ihr Vater. Ihr Gatte Commanus war ein kaltherziger Herrscher geworden. Aus diesem Grunde war sie aus seiner Nähe entschwunden und nach Som gelangt.

Doch an der Seite des nicht minder kaltherzigen, aber noch dazu ausgesprochen feigen Elgalar ging es ihr nicht besser. Deshalb übernahm sie immer mehr Aufgaben für den Widerstand und es war letztlich nur noch eine Frage der Zeit, wann sie den Palast verlassen musste. Vielleicht schneller, als ihnen allen lieb war.

Wütend blaffte ihn das molluskenhafte Wesen in der Exoskelett-Rüstung an. Das grünliche Schimmern, das für einen Augenblick in Augenhöhe entstand, wirkte wie ein wütendes Funkeln, als der neue Kommandant ihn mit weiteren Kisten durch das Schiff jagte.

Tyler fragte sich langsam, wo der Sinn dieser Veranstaltung zu suchen war. Wenn der Elfahder versuchte, den Gegner zu verwirren, dann war das sicher verfehlt, denn es gab ihn im Augenblick gar nicht. Noch waren sie nur auf der Reise nach Som, angekommen waren sie lange nicht. Sie hatten sich vor wenigen Stunden in eine gängige Handelsroute eingefädelt und folgten den alten Pfaden der Händler der estartischen Galaxien. Ein Pfad, der durchaus bekannt und geschichtsträchtig war, allerdings war davon im Weltraum und im Inneren des Schiffes eher wenig zu spüren.

Wenn es dem neuen Kommandanten aber darauf ankam, ihn zu verwirren, dann war ihm das bereits gelungen. Vielleicht hatte er von Tylers knallharten Aktionen gegen die ihm zur Ausbildung anvertrauten Rebellen gehört, als sie noch bloße Rekruten waren. Damals war es nötig, diesen Wesen, die auf ihren Welten Bäcker, Kindergärtnerinnen, Anwälte, Familienväter, Syntroniker oder Taxigleiterfahrer gewesen waren, deutlich zu machen, dass sie sich nicht für einen leichten Weg entschieden hatten.

Der Weg des Widerstandes war hart, seine Aufgabe als Ausbilder der Rekruten nicht eben angenehm gewesen. Und die ersten der ihm anvertrauten Schutzbefohlenen sterben zu sehen, war furchtbar für ihn gewesen.

Er hatte damit leben, sich damit abfinden müssen, aber noch heute fühlte er eine schreckliche Leere, die sich in seinem Körper ausbreitete, wenn er an sie dachte. Bilder zahlreicher Welten, die beinahe entvölkert waren, schrecklich entstellte Tote und Verletzte, die schreiend über die Straßen rollten, zuckten durch seinen Geist.

Vor seinem inneren Auge manifestierte sich das Bild eines Wesens, das neben dem Poller am Pier eines Hafens kniete. Es war ungeheuer heiß, wurde immer heißer, seine Augen starrten und starrten auf einen Fleck, von dem aus das Grauen sich ausbreitete, bis die Hitze seine Augäpfel als erstes auflöste. Dann brannte sie sich in seinen Körper, verzehrte ihn von innen heraus, bis nur noch die ausgehöhlte verbrannte Haut, dann, als diese zerstob, das schwarz verkohlte Skelett an dem Poller lehnte. Rauch wehte über den Pier und ließ eine Szene des Grauens zurück.

Tyler schüttelte sich. Er hatte niemals miterlebt, wie ein Wesen auf diese Weise gestorben war. Eine Vision? Aus diesem Krieg? Wahrheit oder Einbildung? Letztendlich war das vollkommen unerheblich. Es war eine Szene, die durchaus hätte passieren können und auf einer der Welten in einer der Galaxien vielleicht sogar wirklich geschehen war. Und es war eine Motivation weiterzumachen.

*

Oogh at Tarkan hatte unrecht gehabt.

Der Panisha Soradan Mog Aro hatte in seiner Meditation den Talosh erreicht, die Stufe der Meditation, in der er viele Dinge klarer sah. Die uralte Upanishad-Philosophie war früher von den Pteru pervertiert und dazu verwendet worden, in der Dashid-Weihe die Schüler mit Kodexmolekülen zu konditionieren, um sie zu treuen Vasallen des Dritten Weges und des Permanenten Konflikts zu machen, so wie ihn die Pteru und ihre Hintermänner, die Animateure, betrieben hatten.

Als im Jahre 447 der terranischen Neuen Galaktischen Zeitrechnung das Ende des Kriegerkultes anbrach, hatte sich vieles verändert. Nicht alles zu Guten – in den ersten Jahren nach dem Wegfall der bestehenden Ordnung war es eher schlimmer geworden. Wesen wie Ijarkor, die ihre ganze Kraft darauf verwendet hatten, Gutes zu bewirken, waren leuchtende Fackeln in einer Galaxis der Finsternis gewesen. Auch die Upanishad, die Schulen der Helden, waren überkommen gewesen und verfallen.

Bis ein neuer Guru gekommen war, der die alte, von Oogh at Tarkan abgetane Philosophie wiederbelebt hatte. Sie hatten die Stufen neun und zehn ersetzt, die eigentlich nur dazu gedient hatten, die ehemaligen Shada endgültig zu willenlosen Werkzeugen der Animateure und der Ewigen Krieger zu machen.

Heute waren an diese Stelle andere Formen der Weihe getreten. Die Kodexmoleküle gab es nicht mehr, der Permanente Konflikt war eine ferne Erinnerung und das Gom diente heute immer noch dazu, aus den Besten der Besten die Panish zu formen. Die manchmal auch Krieger waren und wie Soradan Mog Aro vielleicht sogar beides, denn seine Rolle als Panisha seiner Schule hatte er lange abgelegt. Er hatte sich in einen Konflikt hineinziehen lassen, aber er hatte das Gefühl, dass sie auf der richtigen Seite standen.

Oogh at Tarkan wäre sicher stolz gewesen, wenn er erfahren hätte, wie sich die von ihm so sehr verabscheute Schule der Helden entwickelt hatte. Waren sie Helden? Immerhin waren sie gerade dabei, Geschichte zu schreiben. Vielleicht sogar Geschichte, die gerade in einer anderen, ganz weit entfernten Galaxis, vielleicht sogar zu einer völlig anderen Zeit geschrieben wurde. Wer verstand Raum und Zeit.

Was auch immer sie waren, was auch immer sie denken und tun mochten, was auch immer die Wahrheit war: Wichtig war für ihn ganz persönlich nur, dass das Leben, wie er es kannte, so passierte, wie er es erlebte. Etwas anderes anzunehmen, war nicht vernünftig und damit verbot er als Individuum sich diese Gedanken in seiner Meditation.

Nun, es gab wirklich Wesen, die Böses wollten und die mussten gestoppt werden. Ob ihm das gefiel oder nicht, denn er hatte sich den Konflikt wahrlich nicht ausgesucht. Aber er hatte sich bereit erklärt, an vorderster Front mitzumachen. Nun musste er mit dem Ergebnis leben. Manchmal war das unendlich schwer. So, wie in diesen Tagen, an denen er Berichte aus vielen Teilen der Galaxis erhielt und viele Menschen sterben sah, die das Missfallen des Quarteriums erregt hatten.

Langsam erwachte er aus seiner Trance, behielt aber ein gewisses Maß an Konzentration bei. Sie erreichten Som. Sie mussten sich bereithalten. Sie mussten den Besuch der Wächter Soms, der neuen Machthaber, erwarten und gelassen über sich ergehen lassen. Und sie mussten vorbereitet sein auf das, was der Planet für sie bereit hielt.

Schwungvoll erhob er sich, mit einer fließenden Bewegung, die sein Alter kaum erkennen ließ. Viele Menschen hätten nicht geglaubt, dass einer seines Alters zu solchen Bewegungen fähig wäre. Aber diese Beweglichkeit war Teil der Ausbildung, die Panishaden natürlich keine übermenschlichen Fähigkeiten verlieh, sondern nur ermöglichte, die ohnehin in der Natur vorhandenen Energien zu nutzen. Die reichten ihm.

Sie machten viel Spaß und manchmal erlaubte er sich die Eitelkeit, Menschen mit diesen Fähigkeiten zu beeindrucken. Er unterdrückte ein wissendes Lächeln, als er seine Kabine verließ und sich in die Zentrale begab, wo während der Eintrittsphase sein Platz war.

*

Misstrauen auf beiden Seiten – so standen sie sich gegenüber. Volcair in seiner Rüstung schien den Soldaten Dorgons zu beeindrucken. Er musterte den Elfahder wütend, während er seine Fragen auf den Kommandanten abfeuerte. Der legte genau das richtige Maß an Unsicherheit in seine Stimme, ließ die Untersuchungen schweigend über sich ergehen. Er hatte durchaus den Vorteil, dass man ihm nicht auf Anhieb ansah, was er dachte. Die Rüstung verbarg alles, einen Gesichtsausdruck hatte er deshalb nicht. Und das war auch gut so, wie Volcair fand.

Er äußerte sich nur knapp und verunsicherte damit den Soldaten, der sich durch ein besonders martialisches Auftreten den Anschein geben wollte, als hätte er alles im Griff. Aber Volcair hatte schon genug Humanoide gesehen, um den Blick in seine Augen deuten zu können. Er hatte Respekt vor den Wesen, die vor ihm standen. Und er hielt sich nicht länger mit ihnen auf, als er musste. Er gab den Weg frei und ließ sie passieren.

Wenige Stunden später senkte sich das Schiff fast lautlos, getragen vom Landegerüst, auf den Raumhafen von Som nieder. Gleich darauf verließen die ersten Besatzungsmitglieder das Schiff, um in die Stadt zu gehen, sich in den Vergnügungseinrichtungen Unterhaltung zu verschaffen.

Das erwartete man schließlich von Ankömmlingen in einem Handelsraumschiff. Die Ladung löschen und den Mitgliedern Landurlaub geben, die dann in den Raumhafenbars genug Devisen liegen ließen, dass die einheimischen Wirte davon leben konnten. Daran änderte sich auch in Zeiten eines nicht sehr stabilen Friedens unter einer unberechenbaren Diktatur wenig.

In einer der Kneipen saß ein Pteru. Ein Somer trat heran und ließ sich direkt neben ihm nieder. Sie nickten sich zu, bekundeten sich gegenseitig den Respekt, den sie seit langer Zeit füreinander empfanden.

Soradan Mog Aro und Sruel Allok Mok tranken schweigend einen terranischen Vurguzz, während auf einer gänzlich anderen Ebene eine sorgsam abgeschirmte Unterhaltung stattfand.

8. Siom Som

Es regnete. Gleichzeitig war es fürchterlich warm.

Aber das interessierte Sam nicht. Unter seiner Verkleidung juckte es fürchterlich und er war versucht, sich die Maske vom Gesicht zu reißen. Eigentlich würde man von den modernen Maskensystemen erwarten, dass es zu so etwas nicht mehr kommen konnte. Aber das war eben alles nicht so einfach. Theoretisch sollte er nichts spüren, praktisch erwartete er einfach, dass es juckte. Und lange dauerte es auch nicht, bis sich das unangenehme Gefühl einstellte.

Eine blöde Situation, wie der Terraner fand. Er befand sich in einer schlechten Verkleidung, die irgendein humanoides und ziemlich blauhäutiges Volk in diesem Teil des Universums verkörperte, und sollte sich in einem Park mit der Kaiserin Dorgons treffen. Als wäre das so einfach gewesen, denn immerhin gab es ja auch noch Leibwächter, die die Frau begleiten würden. Ob ihre Macht ausreichte, sie für einen Moment zu verlassen, wusste Tyler nicht. Er hatte schon Einsätze erlebt, die besser vorbereitet waren.

Andererseits waren sie im Untergrundkampf gefangen und er konnte sich wohl kaum darüber beklagen, dass sie keine besseren Möglichkeiten hatten.

Konnte er natürlich schon. Es würde bloß nichts nützen.

Fluchend kratzte er an einem Schönheitsfleck, der seine Maske zierte und hoffte, dass keiner auf die Idee kommen würde, unter der humanoiden Oberfläche würde sich eine ebenso humanoide, aber vollkommen andere Lebensform befinden. Ein Feind gar, ein richtiges Menschlein aus einer Galaxis, die zu erobern Dorgon nicht so ganz geschafft hatte. In den Geschichtsbüchern unter Uleman war diese Tatsache mitsamt der anschließenden Expedition der Terraner nach Dorgon sehr wohl vermerkt gewesen. Heute hatte man die entsprechenden Kapitel durch die Lebensgeschichte Elgalars ersetzt.

Elgalar – würde er den doch einmal in seine Finger bekommen! Einmal nur, als Rekruten, und ihn so richtig in der Gegend herum kommandieren zu dürfen. Er würde ihm so was von Feuer unter dem Röckchen machen, dass dem kaiserlichen Schwesterchen jegliche Fisimatenten vergehen würden.

Aber im Augenblick kam er nicht an den kapriziösen dorgonischen Adligen heran, höchstens an die nicht wesentlich weniger kapriziöse dorgonische Kaiserin, die in diesen Augenblicken ganz nahe sein musste, und in diesem Moment zwischen zwei eng beisammen stehenden Büschen hervortrat, ein kaiserliches Lächeln im Gesicht, das ihrem Stand durchaus angemessen war.

Tyler war, gelinde gesagt, beeindruckt. Wie man bei dieser Hitze, die trotz des Regens allgegenwärtig war und für eine gewisse Schwüle sorgte, so elegant aussehen konnte, das war kaum nachzuvollziehen. Er selbst schwitzte weiterhin unter seiner Maske und fluchte über den Regen, der ihm in den Kragen lief.

Aber was soll’s, dachte er mit einem Anflug von Galgenhumor. Wenn man schon mit solch einer Kaiserin quatschen darf, sind diese Kleinigkeiten wohl kaum eine Aufregung wert.

Das Jucken verschwand. Er setzte sich auf eine Parkbank, nicht weit von der Kaiserin entfernt. Und wieder traten die Geräte zur unauffälligen Kommunikation in Gang. Effektiv waren sie und sehr unauffällig. Die Dorgonen schienen kaum nach solchen Kommunikationen zu lauschen, was eigentlich ziemlich erstaunlich war, angesichts ihrer sonstigen Verhaltensweisen.

Aber Elgalar war nicht nur dekadent und feige, sondern eben auch nicht gerade der intelligenteste Vertreter seines Volkes. Und ausgerechnet er hatte das Kommando.

Vermutlich feierte er gerade wieder irgendwelche Orgien. Tyler nutzte die Zeit, um der Kaiserin entsprechende Instruktionen zukommen zu lassen.

*

Gleichzeitig traf sich Aurec, der Kommandant des Kommandounternehmens, an anderer Stelle der Hauptstadt Som mit Sruel Allok Mok. Auch der Saggittone hatte eine Maske angelegt, denn er konnte sich sehr gut vorstellen, dass sein Gesicht in diesem Teil der eroberten Galaxien nicht unbekannt war. Aber das ließ sich im Augenblick nicht ändern. Genau genommen war er ohnehin der Meinung, dass bei den derzeitigen Verhältnissen Vorsicht gar nicht so wichtig war. Trotzdem würde er sie nicht vernachlässigen – war er unvorsichtig, würde er das Nachsehen haben. Und das war nicht eingeplant.

Die Unterredung mit dem Somer hingegen sehr wohl. Er nickte Sruel Allok Mok zu, ließ sich unweit des Einheimischen niedersinken und blickte sich um. Geschäftiges Treiben herrschte in diesem Teil der Hauptstadt. Hektisch herumrennende Wesen verschiedenster Völker ließen ein unangenehmes Gefühl aufkommen.

Gemütlich war jedenfalls anders, dachte der Saggittone. Er rückte näher an den Somer heran, der in dem Straßencafé ein einheimisches Getränk konsumierte. Bei den Servos bestellte er ebenfalls etwas, das ihn beleben und zugleich erfrischen würde. Erst dann blickte er in die Augen des Wesens, die so unendlich traurig blickten. Ihm war sehr wohl bewusst, dass sein Volk gerade im Begriff war zu verlieren. Und ihnen beiden war klar, dass die geschäftig eilenden Wesen in diesem Teil der Stadt vor allem eines im Sinn hatten, nämlich nicht länger als nötig auf den Straßen zu verweilen.

In einem Straßencafé zu sitzen, war da schon fast gefährlich. Aber einen Hauch von Normalität bewahrten sich die Einwohner der Stadt. Und so waren sie auch nicht die einzigen, die dort saßen. Sonst hätten Sam und Aurec auch einen anderen Platz vorgezogen.

Das stumme Zwiegespräch der beiden konnte niemand so leicht mitbekommen. Die Botschaften, die sie sich gegenseitig zu vermitteln hatten, wurden übertragen, ohne dass dazu Sprache notwendig war. Ausformuliert wurde sie mit speziellen Kehlkopfmikrofonen. Die Spracherkennung ohne Reden war mittlerweile vorbildlich und so konnten die Botschaften aufgezeichnet werden. Übertragen wurden sie mit drahtlosen Verbindungen, die nur auf kurzen Reichweiten funktionierten und sich auch nicht verstärken ließen. Und so berichtete Sruel Allok Mok von den Dingen, die er in den letzten Monaten gehört und erlebt hatte.

Die Hinrichtungen gingen demnach immer noch weiter, obwohl sie offiziell nicht mehr durchgeführt wurden. Aber das störte die Machthaber nicht, sie wollten abschrecken und so wusste die Bevölkerung sehr wohl Bescheid über all die Dinge, die geschahen.

Sruel Allok Mok konnte sich gegen das Hassgefühl, das sich seiner bemächtigen wollte, kaum noch wehren. Er zitterte, wenn er über diese Dinge berichtete. Dabei hielt er sich an dem Getränk fest, das er bestellt hatte.

Aurec hatte volles Verständnis für den Somer. Viel zu lange schon war er in einem Bereich eingesetzt, der nahe an der Schaltzentrale der feindlichen Macht gelegen war. Gerade die Arbeit aus dem Untergrund heraus war ermüdend und zermürbend und der Somer war nicht mehr weit davon entfernt, die Nerven zu verlieren. Es wurde Zeit, dass etwas geschah.

Aurec berichtete von den Planungen. Er wusste, dass sein Vorhaben heikel war. Sruel Allok Mok war als Pazifist bekannt. Ihm vorzuschlagen, eine aktivere Rolle einzunehmen und gezielt gegen die feindlichen Truppen vorzugehen, war schwierig. Er wappnete sich bereits gegen den Widerspruch, der kommen musste. Aber er musste erstaunt feststellen, dass der Somer kaum widersprach. Er schien einverstanden.

Zögerlich zwar, aber durchaus mit Überzeugung, stimmte er zu, als Aurec Maßnahmen vorschlug, die Machthaber entsprechend unter Druck zu setzen. Wenn der Blutzoll zu hoch wurde, gab es zwei Möglichkeiten: Entweder der Widerstand erhielt weiteren Zulauf oder die Machthaber gingen unter dem Druck in die Knie. Beides war durchaus begrüßenswert.

Natürlich konnte der Schuss nach hinten losgehen. Wenn sich die Methoden des Widerstandes nur noch unwesentlich von denen der Machthaber unterschieden, dann konnte die Bevölkerung sich zumindest teilweise gegen die Rebellen stellen. Aber sie hatten in ihrer derzeitigen Situation kaum noch eine andere Wahl.

*

Arimad zitterte, als sie den Palast wieder betrat. Mittlerweile waren die Mikrocomputer an ihrem Körper mit der Auswertung der Nachrichten fertig und präsentierten ihr das Ergebnis. Sie erfuhr auf diese Weise, was in der Galaxis passierte. Und einiges davon war ihr nicht bewusst gewesen.

Wie zum Beispiel die Massenvernichtungen. Sie hatte bisher angenommen, dass diese ausgesetzt worden waren. Nun musste sie erfahren, dass dies gelogen war. Sie fanden nach wie vor statt. Ihr Hass auf den Gemahl und seinen einstigen Bruder wurde fast übermächtig, bevor sie sich wieder beruhigte. Sie durfte sich von diesen Gefühlen nicht beherrschen lassen, obwohl sie in Gefahr war, genau dies zu tun. Mühsam beruhigte sie sich wieder und überlegte sich dann ihr weiteres Vorgehen.

Sie musste mit jemandem reden. Jemandem, von dem sie wusste, dass er auf der Seite der anderen stand. Aber Falcus erschien ihr noch als einer der gemäßigten und so beschloss sie, sich mit ihm zu treffen. Möglichst an einer Stelle, an der nicht allzu viele von ihrer Begegnung mitbekommen würden. Und das erledigte sie daher auch lieber nicht im Palast, sondern außerhalb. Im Park fing sie den Senator ab und stellte ihn zur Rede.

Falcus lächelte, als sie ihn ansprach. Er nickte, als sie ihn mit den Vorwürfen konfrontierte.

»Du hast es also herausgefunden. Lange genug hat es ja gedauert.« Er lächelte. Es lief ihr kalt über den Rücken, als sie dieses Lächeln sah. Es war zynisch. Es machte klar, dass Menschenleben wirklich nicht seine Priorität waren. Er wedelte mit der Hand.

»Da müssen wir uns ja jetzt Sorgen machen, wenn die Kaiserin das herausgefunden hat. Andererseits ist die Kaiserin sicher loyal gegenüber dem Reich eingestellt, davon kann man doch ausgehen. Oder nicht?«

Zähneknirschend nickte sie. »Trotzdem ist es nicht Politik des Reiches, die Lebewesen dieser eroberten Galaxien zu töten, das weißt du sehr genau.«

»Natürlich nicht. Wir töten ja auch niemanden, wenn es nicht unbedingt sein muss. Das Reich hat Feinde und um an der Macht zu bleiben, muss man manchmal auch Dinge tun, die nicht so gut für die Gesundheit der Feinde sind. Das ist wohl klar, oder nicht?«

Arimad schwieg. Der Senator spielte all die Trümpfe aus, die sie sich schon vorher hätte denken können. Er würde sich nicht überzeugen lassen, das war offensichtlich. Ganz im Gegenteil, durch ihren beständigen Widerspruch misstraute er ihr, was seine Haltung deutlich machte.

»Genau genommen fällt in letzter Zeit immer häufiger auf, dass die Kaiserin eine von der Meinung der Herrschenden abweichende Position vertritt. Es wäre eventuell nicht gesund für die Kaiserin, wenn der Kaiser oder gar dessen Bruder davon erführen. Das ist der Kaiserin sicher klar. Aber ich bin sicher, dass die Kaiserin einen solchen Fehler niemals machen würde.«

Er legte eine Pause ein. Das Schweigen lastete drückend auf ihnen, unangenehm lange herrschte es, flößte ihr Angst ein. Sie nickte langsam, hasste sich für einen Augenblick selbst dafür, dass sie schwach wurde. Die Konsequenz zeichnete sich ab – sie musste den Palast endlich verlassen. Sie konnte nichts Gutes mehr bewirken, das wurde immer deutlicher. Von den wichtigen Informationen würde sie nun noch mehr abgeschnitten werden. Und Einfluss konnte sie auch keinen mehr nehmen. Mittlerweile war ihre Anwesenheit im Palast nur noch gefährlich.

Aber da war noch ein letzter Auftrag, den sie ausführen musste. Deshalb war es besser, wenn sie sich beherrschte und Falcus freundlich ins Gesicht lächelte.

»Selbstverständlich würde die Kaiserin niemals die Autorität des Reiches in Frage stellen. Das ist nicht ihre Aufgabe.« Sie nickte Falcus freundlich zu, der für einen Augenblick fast enttäuscht wirkte. Dann lächelte er falsch, nickte zurück und wandte sich ab.

Schweigend folgte sie ihm mit den Augen. Nachdenklich musterte sie den Rücken des Mannes, der treu zu ihrem Mann und dessen Bruder hielt. Die letzten Tage ihres Vaters kamen ihr in den Sinn, die Flucht durch die Katakomben von Dom, die verratenen Ideale, die Hilfe durch die jetzigen Rebellen, denen sie sich immer mehr verbunden fühlte. Es war an der Zeit, diese Situation zu beenden. Sie musste ihren Auftrag schnell erfüllen und den Palast endlich hinter sich lassen.

*

Es war sehr still um diese Zeit im Palast. Arimad fühlte Beklemmung in sich aufsteigen. Sie schaute sich um in den dunklen Gängen, musterte die Wände, suchte nach Bewegungen. Aber da war nichts, sie war wirklich allein. Die Kaiserin näherte sich den Gemächern Elgalars und passierte dabei auch den Thronsaal. Die Besprechungsräume waren um diese Zeit zwar nicht verschlossen, Wachen gab es aber sehr wohl. Eine separate Überwachung hingegen war immer noch nicht installiert, obwohl Elgalar das schon lange tun wollte. Vermutlich war er einfach zu sehr beschäftigt mit seinen Intrigen und seinen Hinrichtungen, um sich auch noch um solche Kleinigkeiten zu kümmern.

Sie hörte sein Lachen und das leise Stöhnen aus seinen Gemächern. Nein, er war auch noch mit anderen Dingen viel zu sehr beschäftigt. Arimad empfand beinahe Neugierde hineinzusehen. Doch zuerst musste sie ihren Auftrag erfüllen. Mikrowanzen, hergestellt von den besten siganesischen Technikern der USO.

Tyler hatte ihr versichert, dass niemand diese Wanzen orten konnte. Sie hoffte, er behielt Recht. Durch Wanzen direkt in den Besprechungsräumen von Elgalar würden die Rebellen alle gewünschten Informationen erhalten.

Langsam und bedächtig schlich die Kaiserin in den ersten Besprechungssaal. Der runde Tisch aus dorgonischer Eiche stand in der Mitte. Unzählige Fähnchen, Displays und Knöpfe übersäten das in der Dunkelheit nur schwach schimmernde Holz. Sie beugte sich hinab, öffnete die kleine Schatulle, die ihr Sam Tyler gegeben hatte und fischte mit ihren spitzen Fingernägeln das Abhörgerät heraus. Nach mehreren Versuchen aktivierte sie einen kleinen Schalter an der Wanze. Das Gerät bewegte sich selbständig in ein Versteck und harrte dort aus. Eine Weile zumindest. Die Spionagesonde wechselte sogar regelmäßig den Standort, um unentdeckt zu bleiben.

Arimad stand auf und schlich in den zweiten Besprechungssaal. Sie wiederholte den Vorgang in den anderen drei Räumen. Dann war die Arbeit getan. Alles war nach Plan verlaufen. Doch plötzlich vernahm sie Stimmen.

Lautes, schallendes Klatschen von Stiefeln. Arimads Herz pochte schneller. Wohin? Niemand durfte sie in den Besprechungsräumen sehen, sonst würde man womöglich Verdacht schöpfen. Es gab nur einen Weg: Elgalars Gemächer. Sie huschte durch den roten Vorhang und öffnete leise die verzierte Tür.

Sie hielt inne und wusste nicht, wo sie hinschauen sollte. Trojus und Elgalar waren im Bett miteinander beschäftigt.

Die Tür schob sich zischend zur Seite. Arimad erschrak, jedoch war sie nicht die einzige. Auch Elgalar kreischte auf. Trojus purzelte zur Seite. Arimad versteckte sich hinter einem Vorhang. Leticron stapfte heran. Jeder knallende Schritt des Corun ließ die Kaiserin zusammenzucken. Sie aktivierte hastig eine der Wanzen, die sofort auf Sendung ging. So war sich Arimad sicher, dass Aurec und Sam sahen, was sie auch sah.

Der Pariczaner blieb vor dem Bett stehen, stemmte die mächtigen Arme in die Hüften und wirkte angewidert.

»Zieht euch an, oder ich vergesse mich«, forderte Leticron.

»Ach ja? Und wieso?«, fragte Elgalar und stellte sich demonstrativ vor den Überschweren.

Der Pariczaner verzog keine Miene. Wortlos trat er Elgalar in den Bauch. Wimmernd fiel der zu Boden.

»Ich hatte euch gewarnt. Wir haben zu tun. Ist euch nicht aufgefallen, dass die Aktivitäten der Separatisten auf Som zugenommen haben?«

Inzwischen erreichten auch Falcus und Carilla den Raum.

Es dauerte einige Momente, ehe Elgalar sich wieder erholt hatte. Nachdem sich Leticron vergewisserte, dass ihm jeder zuhörte, begann er fortzufahren.

»Nach meinen Informationen befindet sich nicht nur Sruel Allok Mok auf Som, sondern auch Aurec persönlich. Die Rebellen planen einen Schlag gegen uns. Statt ausschweifenden Vergnügen nachzugehen, sollten wir uns lieber darauf vorbereiten.«

Arimad erschrak. Woher wusste Leticron, dass Aurec auf Som war? Die CIP arbeitete offensichtlich besser als der dorgonische Geheimdienst.

*

Mit Besorgnis verfolgte Aurec den weiteren Verlauf des Gespräches, wie auch alle anderen im Raum. Es waren Mathew Wallace, Irwan Dove, Lorif, Tyler und der Panisha Soradan Mog Aro. Leticron sprach über Aurecs Anwesenheit auf Som. Der Saggittone hatte fast das Gefühl, als wusste Leticron, dass er nun zuhörte. Der Corun wanderte ungeduldig im Raum umher, schaute sich um, als ob er eine Gefahr witterte.

*

»Kontaktiert da Reych auf Som-Ussad. Er soll die Kontrollen aller Schiffe hier verstärken.«

Carilla nickte. Bevor er ging, räusperte sich Leticron. Mit einer Handbewegung deutete er dem Schlächter an zu bleiben. Der Corun grinste. Arimad bekam es mit der Angst zu tun, sie fürchtete, das aufgeregte Pochen ihres Herzens würde sie verraten.

Langsam tastete sie sich zurück, doch dort war die kalte Wand. Sie befand sich in der Falle. Der Corun richtete nun seinen Blick auf jene Stelle, an der sich Arimad befand. Arimad wünschte, sie hätte sich unsichtbar machen können.

Plötzlich spürte sie etwas Seltsames. Ihre Gedanken waren nur auf Leticron fixiert. Sie sah zu ihm hinüber und verspürte eine ihr unverständliche Bewunderung ihm gegenüber. Mit einem Mal war ihr klar, dass Leticron ein Held war, ein einzigartiger Heroe aus der Milchstraße. Sie musste es ihm sagen, sofort! Die Kaiserin stürmte aus ihrem Versteck, fiel auf die Knie und rief: »Heil, Leticron, Corun von Paricza. Ich bewundere dich, mein Herr und Gebieter.«

*

Aurec sprang auf. Am liebsten wäre er Arimad sofort zu Hilfe geeilt, doch das war unmöglich. Für ihn, jedoch nicht für die Mutanten. Er wandte sich an Tyler.

»Einsatz für die drei Mutanten. Holt Arimad heraus.«

Tylers Mundwinkel zuckten seltsam, als er seine Projektilwaffe MP2 Micro-Uzi durchlud. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stapfte er los. Aurec lief ihm hinterher. Auf dem Korridor rief er Hank Lane, Brad Callos und Jeanne Blanc zu sich.

»Einsatz. Die Kaiserin Arimad ist in Gefahr. Wir springen rein und knallen alles ab, was sich uns in den Weg stellt. Brad teleportiert zuerst Arimad und Jeanne heraus. Dann Wulf und mich. Verstanden?«

Brad Callos bestätigte. Er packte die drei und teleportierte los. Mit einem Wirbel verschwanden die Mutanten und Tyler im Nichts. Aurec eilte zurück in den Konferenzraum. Dort konnte er die Ankunft der vier mitverfolgen, da Arimads Kamera immer noch funktionierte.

Leticron blickte sich erschrocken um. Tyler fing sofort an zu schießen. Falcus warf sich auf den Boden, Carilla rannte aus dem Raum. Elgalar und Trojus schrien wie am Spieß. Alles geschah innerhalb weniger Sekunden. Brad schnappte sich Jeanne und Arimad und verschwand, um nur drei Sekunden später Tyler und Lane abzuholen. Dann erkannte Aurec ein vertrautes Bild auf den Kameras. Die grünen Wände ihrer Station. Er begrüßte die völlig verwirrte Arimad, die erst mal an die Wand taumelte und dort zu Boden sank.

»Gehen wir zurück und knallen die Bastarde ab. So eine Chance bekommen wir nicht noch einmal«, forderte Tyler.

Aurec überlegte. Tyler hatte nicht Unrecht. Er wechselte einen Blick mit Sam und dem Panisha Mog Aro. Das Risiko war jedoch zu hoch. Er lehnte ab. Tyler verfluchte Aurec und bezeichnete ihn als »weichen Gönner«. Doch Aurecs erstes Ziel war erreicht – die Rettung von Arimad. Aber er wollte es geschickt anstellen, so dass es nicht wie die Rettung der Kaiserin aussah.

9. Kaiserlicher Palast und Ijarkors Station

»Was?«

Leticron war wütend über den Schwachsinn, der ihm zu Ohren kam.

»In der Tat. Wir haben eine Lösegeldforderung der Separatisten erhalten. Die Gruppe nennt sich Freie Estartische Separatisten, kurz FES. Ihr Anführer ist Sam. Er erklärt, dass sie Arimad entführt haben und nun verhandeln wollen. Sie wollen entweder Geld für Waffen sehen oder die Bedingungen der Estarten erleichtern …«

Falcus sah den Corun eine Spur zu arrogant an. Dieser Legat war undurchschaubar. Ein Intrigant, jedoch jemand, der geschickt und klug agierte. Inzwischen war auch Stevan da Reych eingetroffen. Leticron hielt große Stücke auf den Arkoniden mit den kurzen Haaren und den kleinen, stechenden Albinoaugen.

»Lasst sie doch krepieren. Wäre sowieso nicht schade um sie«, meinte Elgalar, während er sich etwas Lippenstift auftrug.

»Dies liegt nicht im Interesse des Kaisers. Commanus wünscht Arimad wohlauf zu sehen.«

»Zeigen wir den Rebellen ihre Grenzen auf«, schlug da Reych vor. »Corun, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich einige Stadtteile von potentiellen Terroristen säubern. Ich denke so an 100.000 Somer in Som-Stadt. Erschießen, deportieren und so weiter. Wir drohen an, dass wir weitermachen, wenn Arimad nicht ausgeliefert wird. Sie wird sehr schnell wieder bei uns sein.«

Leticron lachte. Er war beeindruckt von der Kaltblütigkeit des Generalkommandeurs. Ein wahrlich hervorragender Soldat. Leticron empfand da Reych sogar als fähiger als Niesewitz, seinen Chef. Niesewitz war letztlich zu human, agierte zu versteckt. Da Reych traute sich, Entscheidungen zu treffen.

»Setzen Sie Generaloberst Beningtons Truppen und Ihre CIP-Sonderabteilung Zwei dafür ein. Sie haben meine vollste Unterstützung.«

*

Trivid-Bericht der FOCUS

Am 20. Juni 1306 NGZ schwärmten dreißigtausend Soldaten des Quarteriums, unterstützt von zehntausend Einheiten von Carillas Prettosgarde, in die Stadtteile von Som-Stadt und begannen mit der Säuberungsaktion. Brüllend stürmten sie durch die Straßen und trieben die Bevölkerung aus ihren Wohnungen. Ob diese geschlafen hatten, aßen oder vor dem Trivid saßen – so wie sie waren, wurden sie hinausgezerrt. Wer nicht spurte, wurde sofort erschossen.

Mit unbeschreiblicher Brutalität gingen Stevan da Reychs Männer vor. Sie prügelten wahllos auf die Somer ein und ließen Dutzende nur zum Spaß erschießen. Häuser wurden in Brand gesteckt, Kinder von ihren Eltern getrennt, Familien auseinandergerissen. Der relative Frieden auf Som war vorbei.

Überall wurden Plakate angebracht, dass das dorgonisch-quarteriale Imperium die Auslieferung der entführten Kaiserin Arimad innerhalb von 24 Stunden forderte. Nach dem blutigsten Tag in der Geschichte von Som waren mehr als 20.000 Somer ermordet und 70.000 nach Beschryr deportiert worden.

Es gab keine Anklage, kein Gerichtsverfahren, keine Beschlüsse. Willkürlich wurden sie getötet oder verschleppt. Die meisten waren unschuldig, friedliche Bürger, die den Krieg verabscheuten und nur hofften, gesund aus dieser Hölle wieder heraus zu kommen. Es gab keine Entschuldigung für diese Brutalität, keine Erklärung. Keine Rechtfertigung.

Generalkommandeur Stevan da Reych und Carilla erklärten am nächsten Morgen gemeinsam, dass in drei Tagen eine weitere Aktion geplant sei, sollte Arimad nicht unbeschadet ausgeliefert werden. Arimad galt als demokratisch und friedlich. Die Bevölkerung wusste, dass sie solche Aktionen niemals gut geheißen hätte.

Der Hass in der Bevölkerung gegen die Besatzer wuchs, doch die Somer waren machtlos. Jene, die kämpfen wollten, schlossen sich der FES an. Diejenigen, die zu alt oder zu schwach waren, hofften, dass sie nicht die nächsten waren.

Der ganze Planet Som war ein beispielloser Hort der Grausamkeit geworden an jenem 20. Juni 1306 NGZ, fünfzehn Monate nach dem Einfall der dorgonischen Truppen in Siom Som.

Wie lange soll dies noch so weitergehen? Wie lange darf Gewalt über Friedfertigkeit siegen? Ich frage mich, wann Perry Rhodan und die Liga Freier Terraner eingreifen, um diesen Völkermord zu stoppen. Der heldenhafte Einsatz der Saggittonen, der USO und der FES ist zum Erliegen gekommen. Die Übermacht des Quarteriums und Dorgons ist einfach zu groß. Die gesamte Estartische Föderation schreit um Hilfe. Wer erhört sie?

Ihr Robert Mohlburry

*

Gleich ob Aurec, Sam Mog Aro oder Mathew Wallace – sie alle waren von der Brutalität der Quarterialen und Dorgonen geschockt. Tyler sprach sich für einen Gegenschlag aus, doch Arimad drängte erst einmal darauf, wieder in den Palast zurückzukehren. Leticron hatte eine öffentliche Übergabe gefordert, aber das wurde abgelehnt. Es würde eine Falle sein. Das Beste war, Arimad einfach auf die Straße zu schicken, damit sie zum Palast ging. Brad Callos teleportierte sie in das Regierungsviertel.

Arimad war nicht wohl dabei. Zwar war sie offiziell entführt worden, aber würde man ihr Glauben schenken? War es nicht viel einfacher, sie zu beseitigen und ihren Tod den Rebellen zuzuschreiben? Sie blieb stehen und dachte darüber nach. Mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete sie der sichere Tod im Sompalast. Aber was konnte sie tun? Sie vertraute nur einem Dorgonen in dem Regime: Vesus! Sie musste zur Flotte!

Arimad, in ein weißes Kopftuch gehüllt, nahm sich einen Taxigleiter und fuhr in den Militärbereich des somerischen Raumhafens. Dort thronten die mächtigen Adlerschiffe. Als Kaiserin besaß sie sämtliche Vollmachten und hatte überall hin freien Zutritt. Sie ging langsam auf den Wachmann zu, einen hochgewachsenen Centrus. Er hob die Hand zum Gruß, die andere hielt er am Halfter seiner Waffe.

»Zivilisten haben hier keinen Zutritt«, sagte er und musterte Arimad von Kopf bis Fuß. »Auch keine Konkubinen. Strikte Anordnung von Admiral Vesus. Hausbesuche sind nicht erlaubt.«

In dem Moment nahm Arimad ihr Kopftuch ab. An dem weit geöffneten Mund und dem starren Blick wusste sie, dass der Centrus sie erkannt hatte.

»Euer Admiral tut weise daran. Dennoch würde ich ihn gerne besuchen. Ist das möglich, Centrus?«

Arimad lächelte majestätisch über den überraschten Dorgonen. Der fing sich, stand stramm und ließ sie passieren. Auf dem Weg zum Hauptgebäude des Raumhafens umringten sie immer mehr dorgonische Soldaten. Sie lachten vor Glück, dass sie hier war. Immer wieder hörte sie Rufe wie: »Arimad! Sie ist entkommen!« und »Sie wurde von den Rebellen freigelassen!« Arimad hatte den tiefen Wunsch, alles richtig zu stellen, doch noch war dafür nicht die Zeit.

Imagi, die rechte Hand von Vesus, holte sie ab. Er verneigte sich in Demut vor der Kaiserin.

»Haben diese Schergen Euch endlich freigelassen?«

»Diese Schergen wollten kein Blutvergießen mehr, das ihr angerichtet habt. Deshalb bin ich wieder frei …«

Er zuckte zusammen. Sie wusste, dass Imagi unschuldig war. Dennoch diente er unter dem Regime. Wie alle Armeeangehörigen taten sie nichts, sahen zu, wie unschuldige Lebewesen abgeschlachtet wurden.

»Bringe mich bitte umgehend zum Admiral. Ich habe Wichtiges mit ihm zu besprechen.«

Sie drehte sich um und winkte den Soldaten zu, die sie bejubelten. Arimad registrierte, dass sie immer noch große Popularität genoss. Vielleicht konnte sie das ausnutzen. Im Kopf der Kaiserin spielten sich verschiedene Szenarien ab, wie sie dem Morden zumindest vorläufig Einhalt gebieten konnte.

Imagi führte sie zu einem Gleiter. Dieser brachte beide in den tempelartigen Sitz des Oberkommandos der Flotte. Das Gebäude war neu errichtet worden, und zwar von den Dorgonen, deshalb wirkte die Architektur auf Arimad vertraut. Vesus wartete bereits am Eingang auf sie.

»Ich freue mich, dich wiederzusehen, Kaiserin Arimad«, sagte Vesus schlicht. Sie glaubte ihm. Er war ehrlich, auch wenn er sich damit oftmals in Schwierigkeiten gebracht hatte. Sie war nun ebenso ehrlich zu ihm: »Ich brauche deine Hilfe, Admiral. So kann es mit Dorgon nicht weitergehen.«

*

Trommeln schlugen!

Im monotonen Takt donnerten die Schläger auf das Musikinstrument. Als sie endeten, ertönte eine Trompetenfanfare, die kurz danach verstummte, um den eigentlichen Marsch einzuleiten. Von schweren Trommeln und Trompeten begleitet, schob sich der Pulk der Soldaten durch den Raumhafen. Arimad erkannte Falcus, Elgalar und Carilla. Ihre Rückkehr war ihnen nicht lange verborgen geblieben. Sie warf einen Blick auf Vesus, der ihr zunickte. Er stand hinter ihr. Sie musste nun Verantwortung übernehmen und das Morden stoppen.

Arimad verspürte einen nie gekannten Hass, der sie beinahe die Kontrolle verlieren ließ, als sie diesen aufgeblasenen, geschminkten Elgalar sah. Die Neuankömmlinge verharrten in ihren arroganten Posen. Es waren noch gut zehn Meter zwischen ihnen und Arimad und Vesus.

Die Kaiserin fragte sich, was sie vorhatten, da ertönte der Kaisermarsch. Sie erschrak. Nur eine Person durfte mit diesem Marsch empfangen werden: der dorgonische Kaiser! Die Tradition dieses Musikstückes reichte tausende von Jahren zurück. Und tatsächlich: Unter dem Jubel der Soldaten marschierten weitere hundert Prettosgardisten ein und ein prunkvoller Gleiter erreichte den Raumhafen. Eine wahrlich große Inszenierung! Commanus entstieg dem Gefährt und spielte sich als der fürsorgliche Ehemann auf, der seine gerettete Frau gleich in die Arme schließen wollte.

Während ihr Göttergatte ausstieg und sich von der Masse als Held Dorgons feiern ließ, schmiedete die Kaiserin einen neuen Plan. Sie kehrte zum Podium zurück, wo die Medien warteten und signalisierte den Technikern, die Mikrophone laut zu stellen, so dass jeder im Raumhafen ihr Gespräch mitbekam. Sie kündigte eine Ansprache des kaiserlichen Ehepaars zur Lage in Siom Som an.

Die Berichterstatterin von INSELNET, aber auch der dorgonische Korrespondent moderierten die Ansprache an. Arimad bemerkte schmunzelnd, wie verwundert Commanus darüber war. Seine Schritte wurden kürzer, er wurde langsamer. Falcus, Elgalar und Carilla erhoben sich aus ihren Sänften und folgten ihm in gebührendem Abstand. Endlich erreichte der Kaiser Dorgons seine Frau und drückte sie publikumswirksam an sich.

»Was fällt dir ein?«, fragte er leise.

»Vorsicht, die Mikrophone sind an«, flüsterte Arimad. »Ich möchte doch nur, dass du, geliebter Ehemann, endlich etwas populärer beim Volk wirst.«

Sie löste sanft die Umarmung und schritt auf das Podium zu. Commanus folgte ihr, überholte sie und war zuerst dort. Natürlich musste er als Mann und Kaiser vor seiner Frau dort sein! Arimad verbarg ihren Ärger. Beide nahmen ihre Mikrophone. Commanus lächelte und winkte in die Menge. Offensichtlich rang er noch nach Worten.

»Armee Dorgons, ehrenvolle Soldaten! Eure Aktionen, allen voran die Heldentat von Carillas Prettosgarde vor zwei Tagen haben die Kaiserin zurück ins Reich gebracht. Als Imperator und Ehemann sage ich danke.«

Das wirkte auf die Soldaten, die jubelten.

Arimad ergriff nun das Wort.

»Dorgonen«, fing sie eindringlich an. »Morden und Töten hat mich nicht zurück gebracht. Ich befand mich in Verhandlungen mit Sam und Aurec – jene, die einst die Dorgonen befreit haben aus dem Joch von Nersonos! Jene, die ihr nun jagen und töten sollt. Aber das hat mich nicht befreit. Es tut auch Dorgon nicht gut. Das einzige, was die barbarischen, brutalen und abscheulichen Angriffe von Carillas Banden bewirkt haben, ist der Hass der Somer gegen uns.«

Es wurde ruhig. Arimad hatte damit gerechnet.

»Gewalt erzeugt Gegengewalt. Wenn wir hier sind, um die Estartische Föderation in das Reich Dorgon einzugliedern, dann können wir das nicht erreichen, indem wir alle töten und ermorden. Niemals werden wir hier friedlich leben können. Keiner von euch wird sich hier ansiedeln, denn er muss Angst haben, von hasserfüllten Somern getötet zu werden.«

Wieder legte sie eine Pause ein und bemerkte, wie blass Commanus aussah. Er wollte etwas sagen, doch sie kam ihm zuvor.

»Deshalb habe ich in meinen Verhandlungen einiges erreicht. In Absprache mit dem Kaiser, meinem Ehemann und Admiral Vesus erklären wir den Planeten Som zu einer freien Welt!«

Commanus hustete.

»Um ein Zeichen zu setzen, werden sich quarteriale, dorgonische und estartische Militäreinheiten an diesen Status Quo halten. Mein Gatte, euer Kaiser Commanus hat mir versichert, dass die 70.000 Deportierten sofort zurückkehren dürfen und die Welt Som neu aufgebaut wird. Die Streitkräfte unseres Reiches werden sich von diesem Planeten fernhalten, so wie auch die estartischen Einheiten. Es werden nur noch Sicherheitskräfte geduldet. So können wir endlich von vorne anfangen. Zusammen bauen wir diese Welt auf und versuchen, mit den Somern eine Koexistenz einzugehen. Wir bringen ihnen unsere Kultur bei und lernen von ihrer. Gemeinsam. Für eine friedliche Zukunft!«

Stille. Dann applaudierte ein einzelner. Es war Vesus. Ihm folgte Imagi, dann immer mehr, bis schließlich alle klatschten und Arimad und Commanus feierten. Commanus machte gute Miene zum bösen Spiel. Er nahm die Huldigungen entgegen, dann schaltete er das Mikrophon ab und ging zu seiner Frau.

»Du hast diese Runde gewonnen. Wie würde es aussehen, wenn ich dich korrigiere. Ein Mann, der seine Frau nicht kontrolliert, kann auch kein Reich beherrschen. Aber das wird deine letzte Frechheit gewesen sein.«

Wütend verließ er das Podium und eilte zu seinem Gleiter. Falcus nickte Arimad knapp zu. Offensichtlich eine Art Anerkennung. Dann verließen er, Carilla und Elgalar ebenfalls den Raumhafen. Arimad freute sich schon auf Leticrons Gesicht. Er und Stevan da Reych waren genauso geschlagen wie Commanus. Sie hatte den galaxisweiten Krieg nicht beendet, aber zumindest den Krieg auf einem Planeten. Das war in ihren Augen schon einmal viel wert.

Epilog

Ende Juni 1306 NGZ

Aurec wanderte durch die schier endlosen Wiesen in den Gärten Estartus. Jonathan Andrews begleitete ihn. Der Terraner war vor drei Tagen angekommen und hatte tausend CERES-Kreuzer der USO mitgebracht. Die Berichte von der Blockade des Sternenportals durch Cau Thon stimmten Aurec wenig optimistisch. Er fragte sich, wie es Kathy wohl ging. Sie war irgendwo direkt im Kriegsgebiet auf Saggittor. Hoffentlich überstanden alle drei – Nataly und ihr Onkel Jaaron – diesen Krieg.

Jonathan erklärte, dass die PIRANHA-Einheiten bereit seien, um in die Schlacht zu ziehen. Während ihres Fluges aus M 87 nach Etustar hatte er mehrere Wochen Zeit gehabt, um die Besatzungen auszubilden und die Schiffe zu testen.

»Die PIRANHA-Schiffe sind aufgrund ihrer Tarnung bestens dazu geeignet, Militärkonvois zu überfallen. Wir könnten mit diesen Nadelstichen den Dorgonen und Quarterialen zusetzen«, erklärte Andrews.

Von Herzen stimmte Aurec ihm zu: »Es ist Zeit, dass wir einen Gegenschlag vorbereiten, sonst verlieren wir diesen Krieg. Und zwar bald.«

ENDE

Nachdem Arimad nun zumindest den Krieg auf Som vorläufig beendet hat, wechselt die Handlung wieder nach Cartwheel. Dort tobt noch der Kampf um Saggittor und Akon. Die aktuelle Entwicklung schildert Jürgen Freier in Band 88 mit dem Titel:

DAS SHIFTING

DORGON-Kommentar

Der Corun von Paricza führt den totalen Krieg und die seinem Kommando unterstellten Terraner folgen ihm blindlings. Terraner als Kanonenfutter für das Ego eines größenwahnsinnigen und psychopathischen Monsters. So langsam frage ich mich, was aus der »kosmischen Bestimmung« der Menschheit geworden ist, wo ist ihr angebliches »kosmisches Bewusstsein« geblieben?

Fehlanzeige! Die menschliche Rasse scheint auch im 14. Jahrhundert NGZ die alte, dumpfe und manipulierbare Masse geblieben zu sein, es gilt das alte Sprichwort: »Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.«

Ich will nicht verhehlen, dass ich spätestens jetzt erwartet hätte, dass das »soldatische Schlachtvieh« anfängt, aus seiner Schicksalsergebenheit zu erwachen. Doch noch immer scheint Buffy Saint-Maries Universal Soldier die Rolle der Soldaten zu beschreiben:

But without him how would Hitler have condemned him at Dachau

Without him Caesar would have stood alone.

He’s the one who gives his body as a weapon to a war

And without him all this killing can’t go on

*

He’s the universal soldier and he is really is to blame

But his orders come from far away no more

They come from him and you and me

and Brothers, can’t you see this is not the way to put an end to war?

*

Die Soldaten im Roman müssen aufwachen. Wird der Plan Leticrons aufgehen, die dorgonische Kaiserin zu ermorden, oder kann sie gerettet werden? Und was ist der »Dunkle Himmel«? Wieso glauben die Rebellen, dort vor der dorgonisch-quarterialen Allianz sicher zu sein? Ich glaube, im nächsten Roman erwarten uns noch einige interessante Enthüllungen.

Jürgen Freier

GLOSSAR

Dunkler Himmel

So heißt das 10.000 Lichtjahre durchmessende Kernstück der Überlappungszone zweier Galaxien: Absantha-Gom und Absantha-Shad. Die größte Dicke des Dunklen Himmels beträgt rund 1000 Lichtjahre. Die gesamte Überlappungszone misst 35.000 mal 10.000 Lichtjahre. Inmitten des Dunklen Himmels liegt die Hauptwelt der Superintelligenz ESTARTU, der Planet Etustar.

Pedro Perez

Pedro Perez wird Soldat der USO, nachdem seine Eltern bei den Angriffen auf Erendy ums Leben kommen. Pedro schließt sich den Erendyra-Rebellen an und gelangt so zur USO. Seine Familie lebt seit vielen Generationen in Erendyra. Die Terra-Abkömmlinge sehen sich deshalb auch als Estarten an.

Während der Schlacht auf Good Hope verliert Pedro Perez beide Beine und einen Arm, die künstlich ersetzt werden.

Absantha-Gom/Absantha-Shad

Die der terranischen Astronomie als NGC 4567 bekannte Spiralgalaxis vom Typ Sc ist eine der zwölf Galaxien der Mächtigkeitsballung ESTARTU (Kosmisches Wunder: die Menetekelnden Ephemeriden von Absantha-Gom). Absantha-Gom bildet mit dem Spiralnebel Absantha-Shad eine »Zwillingsgalaxis«. Die beiden Welteninseln überlappen sich gegenseitig mit 35.000 mal 10.000 Lichtjahren. Im Zentrum dieser Überlappungszone befindet sich mit 10.000 mal 3000 Lichtjahren der sogenannte Dunkle Himmel, der ursprüngliche Aufenthaltsbereich der Superintelligenz ESTARTU.

Der eigentliche Sitz der ESTARTU ist der Planet Etustar (Sothalk-Wort für »das Herz«), wiederum im Zentrum des Dunklen Himmels. Nahe daran liegt der Planet Boldar (Sothalk für »der Nebel«). In der Überlappungszone von Absantha-Gom/Absantha-Shad liegt ferner die Ursprungswelt der Elfahder, der Planet Elfahd.

Knapp außerhalb, zu Absantha-Shad gehörend, findet sich der Planet Bonfire. Die Entfernung der beiden Zwillingsgalaxien zur ESTARTU-Galaxis Siom Som (Direktverbindung durch Heraldische Tore; das ESTARTU-Tor in der Überlappungszone und das Königstor in Siom Som) beträgt 1,15 Millionen Lichtjahre. Die Entfernung zur Milchstraße beläuft sich auf rund 40 Millionen Lichtjahre.

Elfahd

Der erste von insgesamt zwei (ehemals acht) Planeten der gelben Sonne Aachd in der Überlappungszone der Galaxien Absantha-Gom und Absantha-Shad ist die Heimat-und Stammwelt der Elfahder.

Elfahd präsentiert sich im Jahre 455 NGZ als feuchtwarme, düstere Naturwelt mit großen Meeren und zahlreichen dschungelbedeckten Kleinkontinenten. Das Klima ist tropisch schwül, die Atmosphäre sehr wolkenreich und dicht (Druck an der Oberfläche 1,3 Atmosphären). Es regnet viel.

Elfahd hat kaum massive Gebirge. Vor rund 40.000 Jahren ist jedoch infolge von Vulkanismus eine bergige Insel aus einem Äquatorialozean gewachsen, die heute einen Flächenumfang von 13.000 Quadratkilometer besitzt und Gipfel, die bis zu 7000 Meter hoch aufragen. In einem weiten Hochtal liegt dort die Upanishad-Schule von Elfahd.

Der Wald ist die Lebenssphäre der Elfahder, Städte kennen sie nicht. Ihre Siedlungen, in denen je ein Elfahder mit Haustieren und Robotgesinde lebt, sind über das Waldland verteilt. Es gibt jedoch auch große Produktionsstätten, in denen die Elfahder arbeiten, und Stätten der Begegnung.

Der Planet Elfahd war nicht immer wie jetzt gewesen. Im sogenannten Goldenen Zeitalter war er ein Paradies mit Meeren, bewaldeten Kontinenten und riesigen Städten, Raumhäfen, Produktionsstätten für Raumschiffe usw. Außerdem war die Oberfläche in das strahlende Licht der Sonne getaucht. Die Elfahder, noch in ihrer humanoiden Ursprungsgestalt, bereisten die Sterne ihrer Heimatgalaxis Absantha-Shad.

Dann kam die Große Katastrophe, als sich Absantha-Shad und Absantha-Gom mit ihren Außenbezirken berührten und zu durchkreuzen begannen. Gegen alle Wahrscheinlichkeit kam es zur Beinahekollision eines zu Absantha-Gom gehörenden Weißen Zwerges mit Aachd, bei der alle Planeten des Systems aus der Bahn geschleudert wurden. Elfahd war auf die Katastrophe vorbereitet, seine Bewohner waren entweder evakuiert worden oder hatten sich im Rahmen eines Überlebensprogramms genetisch verändert, um die Jahrtausende zu überstehen, die der Planet fernab der Wärme seiner Sonne im Weltall treiben würde.

Von den Pflanzen und Tieren, die das Unglück nicht überstehen würden, wurde eine genetische Bibliothek aufgebaut. Die acht Planeten Aachds wurden durch den Gravitationssog des Weißen Zwergs mehrere Lichttage weit in den interstellaren Raum gerissen. Elfahd erreichte eine maximale Sonnenentfernung von 378 Lichtstunden, begann wieder in Richtung Aachd zu fallen und gebeutelt und vereist in eine neue Umlaufbahn einzuschwenken. Von den acht ursprünglichen Planeten überstanden nur Elfahd und seine Schwesterwelt Paun die Katastrophe, die anderen sechs vergingen in den Gluten des Zentralgestirns.

Elfahds Atmosphäre heizte sich im Laufe der Jahrzehnte wieder auf. Die Elfahder erwachten aus ihrem künstlichen Tiefschlaf und begannen, Pflanzen und Tiere wieder anzusiedeln. In der Folge kam es zu immer neuen Mutationen und der Bildung einer völlig neuartigen, stets in Bewegung befindlicher Flora und Fauna, unter anderem mit der Folge des heutigen Treibhauseffekts durch massenhafte Kohlendioxydproduktion der neuen Pflanzen.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 87, veröffentlicht am 26.12.2016 —

Titelillustration: Heiko Popp • Innenillustrationen:

Lektorat: Alexandra Trinley und Jürgen Freier • Digitale Formate: René Spreer