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Band 84

Quarterium-Zyklus


Sternenportal Druithora

Zwischenspiel an den Dimensionstoren


Nils Hirseland



Was bisher geschah Hauptpersonen des Romans
Nach der Gründung des Quarteriums im Jahre 1302 NGZ war es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem intergalaktischen Eklat kommen würde.

Dieser trat Anfang 1305 NGZ ein, als Truppen der dorgonisch kaiserlichen Flotte die estartischen Galaxien angriffen. Innerhalb weniger Monate fielen Siom Som und Trovenoor in die Hände Dorgons.

Um den Not leidenden Völkern zu helfen, entsendet Perry Rhodan zusammen mit der Saggittonischen Republik USO-Agenten nach Siom Som. Der Konflikt eskaliert, als das Quarterium auf Seiten Dorgons in das Geschehen eingreift und somit einen intergalaktischen Krieg in den estartischen Galaxien und Cartwheel auslöst.

In der Lokalen Gruppe ist die Lage angespannt, doch noch droht hier kein Krieg.

Im Mai 1306 NGZ kehrt die TERSAL aus M 87 in Richtung Lokale Gruppe zurück. Der Ritter der Tiefe Gal’Arn und die Alyske Elyn berichten vom STERNENPORTAL DRUITHORA …

Roi Danton – Perry Rhodans Sohn tritt in Erscheinung.

Gal’Arn – Der Ritter der Tiefe bittet um eine Allianz.

Jonathan Andrews, Elyn, Jaktar – Gal’Arns Begleiter.

Cau Thon, Goshkan – Sie jagen die TERSAL.

Taruntur – Oberster Konstrukteur des Zentrums.

Druid Aflesh – Ein kluger Druis.

Itzuurk – Ein gefährlicher Moogh.

Remus Scorbit, Uthe Scorbit, Yasmin Weydner – Sie treffen alte Angstgegner wieder.

1. Das neue Leben

April 1306 NGZ, SOLARIS STATION

Jetzt sind wir wenigstens wieder nahe an Cartwheel dran, überlegte Remus Scorbit, während er seinen Koffer auf das Bett legte. Er sah aus dem Fenster. Dort befand sich das Sternenportal, jener gewaltige Transmitter der Entität DORGON. Das Sternenportal war eine Art Dimensionstunnel. Es überbrückte in Nullzeit den Abstand zu jeder beliebigen Galaxis, die eine Gegenstation besaß. SOLARIS STATION war eine von drei Raumstationen, die nach der Besiedelung Cartwheels auf Seiten der Lokalen Gruppe errichtet worden waren. Sie befand sich in unmittelbarer Nähe zum Sternenportal.

Diese drei Stationen, neben SOLARIS STATION noch SUN STATION und SOL STATION, waren strategisch wichtig. Sollte es irgendwann zu einem Konflikt zwischen dem Quarterium und der LFT kommen, mussten die drei Stützpunkte in der Hand der LFT bleiben. Wer die Raumstationen beherrschte, konnte das Sternenportal kontrollieren.

Technologie und Herkunft der Anlage waren unbekannt. Ein Raumschiff musste seine Kurskoordinaten über eine bestimmte Frequenz an die vier Empfangsstationen senden. Diese justierten sich dann und erzeugten den gigantischen intergalaktischen Transmitter, durch den das Raumschiff oder eine ganze Flotte transportiert wurde. Die technische Funktionalität des Sternenportals war seinen jetzigen Benutzern ein Rätsel. Es war ein kosmisches Wunder.

»Nun pack endlich deine Sachen aus. Ich möchte so schnell wie möglich unser Quartier wohnlich gestalten.«

Remus betrachtete resigniert seine Ehefrau. Ihre schönen, blaugrünen Augen funkelten giftig, das Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den vielen Sommersprossen wirkte verkniffen. Ihr hochgestecktes, brünettes Haar verlieh ihr eine zusätzliche Strenge.

Sie war nicht mit ihm zufrieden. Remus betrachte sich für ein paar Sekunden im Spiegel des Hygienebereichs. Er fuhr mit der Hand durch seinen Bart, musterte die eigenen haselnussbraunen Augen, sein dunkelbraunes, kurzgeschnittenes, dichtes Haar und seufzte.

Seit sechzehn Jahren war er mit Uthe verheiratet. Damals war sie achtzehn gewesen und in den Abenteuern um den sadistischen Zechonen Prosperoh hatten sie füreinander alles riskiert. Doch in den letzten Jahren war ihre Beziehung erkaltet.

Uthe war nicht mehr die Frau, die sie vor den Ereignissen im HELL-Sektor gewesen war, vor der verlustreichen und gefährlichen Schlacht dort, die so viel in ihrer aller Leben verändert hatte. Aus ihrer Angst, ihn zu verlieren, war Kälte geworden, aus ihrem Sarkasmus Verbitterung. Das Erlebte machte ihr zu schaffen. Sie war zunehmend in sich gekehrt, ohne Remus an ihren Gefühlen teilnehmen zu lassen.

Remus litt unter ihren absichtlich unfairen Sticheleien. Sechs Jahre waren seit ihren letzten Abenteuern verstrichen, der Schlacht um den SONNENHAMMER, bei denen sie sich immer noch mit an Bord geschlichen hatte, um ihm nahe zu sein – um dann, traumatisiert, den Schlussstrich unter Unternehmen dieser Art zu fordern.

Er hatte nachgegeben. Doch jetzt war daraus fast schon der Schlussstrich unter ihre Ehe geworden. Ihr zuliebe hatte Remus seinen Posten bei der Sternenflotte des Terrablocks in Cartwheel gekündigt, seine Freunde zurückgelassen, seinen Onkel Henry Portland enttäuscht und seinen Bruder Jan allein in Cartwheel bei der USO gelassen. Er versuchte, ihr das normale Leben geben, das sie sich wünschte. Die Sicherheit, die sie wollte und brauchte. Er liebte sie.

Und anfangs hatte es funktioniert. Doch innerlich wollte Remus sich nicht zufriedengeben. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass seine Familie und Freunde litten, während er tatenlos herumsaß, schlimmer noch, während er wegsah, um einen geregelten Alltag führen zu können. Nach all dem, was ihnen widerfahren war!

Uthe verstand das nicht. Sie hatte die Augen geschlossen und das Unwägbare aus ihrem Leben verdrängt. Nie wieder wollte sie etwas mit Gefahren im Allgemeinen und Cartwheel im Besonderen zu tun haben. Nun stand sie verbissen am Geschirrschrank und ordnete die Tassen und Teller, als seien sie Garanten des kosmischen Gleichgewichts.

Ordnung – Remus’ Karriere verlief von Anfang an unruhig. Er begann als Ausbilder bei der LFT und landete beim Terranischen Liga Dienst als Analytiker und militärischer Berater. Hier hatte er mehr Freiheiten als in der LFT-Flotte, zu der ihn sein Onkel Henry Portland immer wieder drängte.

Doch das hätte er nicht mit Uthe vereinbaren können. Sie weigerte sich. Nun, eigentlich hätte sein Job als Analytiker ruhig auf Terra ausgeübt werden sollen, doch die Zeiten änderten sich. Und Remus genoss es. Sein Bruder riskierte irgendwo vierzig Millionen Lichtjahre von zuhause entfernt Kopf und Kragen. Da konnte und wollte er nicht die Hände in den Schoß legen. Am liebsten wäre er auch nach Siom Som aufgebrochen.

Über geheime Kanäle hatte Onkel Henry ihm in persönlichen Depeschen und Aufzeichnungen einiges an Informationen aus Siom Som weitergeleitet. Deshalb wusste Remus, dass Jan noch am Leben war und zusammen mit Aurec die Stellung in den estartischen Galaxien hielt.

Doch seit dem Angriff des Quarteriums auf Saggittor und Akon war der Kontakt nach Siom Som noch schwieriger geworden. Es gab nun keine Raumschiffe der Saggittonen und Akonen mehr, die unbehelligt durch das Sternenportal fliegen konnten. Der Friede in Cartwheel war vorbei. Zwar gab es auch TLD-Agenten in Cartwheel und Siom Som, doch diese operierten sehr vorsichtig.

Dann war vor wenigen Wochen der Befehl gekommen, nach SOLARIS STATION zu ziehen, um die Auswirkungen des Quarteriums auf die drei Raumstationen nahe des Sternenportals zu beobachten. Der Beobachtungsauftrag kam Remus’ Wünschen entgegen.

Uthe weigerte sich. Remus hatte lange überlegt, ob er den Auftrag annehmen sollte, da er nicht noch mehr Streit mit ihr wollte. Und fürchtete, dass sie ihn wieder verließ, wie damals. Doch glücklicherweise stimmte seine Frau dem Umzug dann doch zu. Ausgerechnet die manchmal sehr naive Yasmin Weydner verkündete, einen Job auf den Raumstationen angenommen zu haben. Und natürlich versuchte sie, ihre Freundin zum Mitkommen zu überreden. Uthe hörte auf Yasmin mehr als auf ihren eigenen Mann. Das war bezeichnend für den Stand ihrer Ehe. Es machte ihn fertig.

Auf der anderen Seite war es Remus ganz recht, dass Yasmin ebenfalls auf SOLARIS STATION wohnte. So hatte Uthe jemanden, mit der sie zusammen sein konnte. Im Moment wollte Remus so wenig Zeit wie möglich mit seiner Frau verbringen, da sie sowieso nur an ihm herumnörgelte und es ständig darum ging, Streit zu vermeiden. Und das nach all den gemeinsamen Erlebnissen, der Auseinandersetzung mit dem pervertierten Sadisten Prosperoh damals. Als sie jedes Risiko eingegangen war, um ihn aus dem Kerker zu befreien – was blieb, war fader Streit. Eine am Boden liegende Ehe.

Remus seufzte resignierend, folgte Uthes Order und räumte seinen Koffer aus. Gerade als er seine Unterhosen im Schrank verstauen wollte, stand Yasmin Weydner mit ihrem unnachahmlichen Grinsen vor ihm.

»Schicke Shorts.«

Peinlich berührt legte Remus seine Unterwäsche in die Schublade. Es gab Freunde auf dem Weg und Freunde im Weg. Yasmin stand ihm definitiv im Weg.

»Schon mal was von Anklopfen gehört?«

Yasmin strahlte übers ganze Gesicht.

Eigentlich hatte sie ein putziges Gesicht mit ihren großen himmelblauen Augen, der einen Tick zu großen Nase und dem schmalen Mund. Ihr rotblondes Haar hing in einer Dauerwelle bis zu den Schultern. Remus erfreute ihr Anblick jedoch nicht besonders.

»Uthe hat mir eine Kopie der Haustürkarte gegeben. Wir sind ja auch quasi Nachbarn. Da gehört es sich so.«

Remus war von dieser Idee wenig begeistert. Zwar hatte Yasmin bei ihm wesentliche Beliebtheitspunkte gesammelt, als sie Uthe überzeugt hatte, nach SOLARIS STATION mitzukommen. Doch deshalb war er noch lange nicht bereit, ihre Anwesenheit jederzeit und überall zu akzeptieren.

Er musterte Yasmin abfällig. Früher hatte er zumindest ihre Figur ansehnlich gefunden. So wie der Gewaltherrscher Prosperoh, der sie unbedingt heiraten wollte. Inzwischen hatte sie aber besonders um die Hüften herum eindeutig zu viel Speck angesetzt. Die tapsige Art hatte sie auch so viele Jahre später nicht abgelegt. Ihre ganze Erscheinung nervte Remus derzeit einfach nur.

Im Gegensatz zu ihm begrüßte Uthe ihre Freundin überschwänglich. So herzlich war sie zu ihrem Mann lange nicht mehr gewesen.

»Willst du mir etwas bei der Einrichtung helfen?«, fragte Uthe.

»Gerne«, bestätige Yasmin Weydner und kicherte. »Besser, wenn wir Frauen das machen.«

Remus hatte die Schnauze voll. Er schnappte sich seine Jacke.

»Ich erkunde mal die Station«, meldete er sich ab und verließ ihr neues Quartier.

SOLARIS STATION glich einer fliegenden Stadt. Jede der Stationen hatte einen Durchmesser von fünf Kilometern. Insgesamt wohnten mehr als sieben Millionen Wesen auf allen drei Konstruktionen. Binnen weniger Jahre hatte sich aus einem kleinen Handelszentrum eine Metropole entwickelt.

SOLARIS STATION besaß zahlreiche kleinere Gänge, aber auch große Hallen, wo sich das Leben tummelte. Dutzende Geschäfte, Bars und Casinos reihten sich an den Knotenpunkten aneinander. Man konnte die Raumstationen mit alten Hafenstädten aus den prärhodanistischen Zeiten vergleichen.

Natürlich ließen sich die quarterialen Soldaten das Freizeitangebot von SOLARIS STATION nicht entgehen. Und oftmals kam es zu Reibereien zwischen Grausoldaten und den Sicherheitsbeamten der Stationen. Da auch stetig mehr Bürger des Quarteriums dort wohnten, kam es immer wieder zu Kompetenzgerangel. Doch die Gesetze der Raumstationen waren eindeutig: Hier wurde das Recht der LFT gesprochen und nicht das Recht des Quarteriums.

Remus besaß eine schier endlose Liste mit potentiellen Agenten des Quarteriums. Es war nicht leicht, herauszufinden, wer ein Spion war und wer nicht. Die Situation war unübersichtlich. Alle drei Raumstationen wurden von einer demokratisch gewählten Regierung geleitet, die der LFT angehörte. Zwar hatten die Arkoniden und auch das Quarterium schon öfter versucht, diese Regierung zu infiltrieren, doch Premierminister Tass Ambol hatte sich stets loyal gegenüber der Liga Freier Terraner verhalten.

Dennoch fürchtete die LFT einen stärkeren Eingriff des Quarteriums in das Leben der drei Stationen. Das Quarterium versuchte, politisch und wirtschaftlich immer mehr Einfluss zu gewinnen. Seit 1305 NGZ war auch seine militärische Präsenz unübersehbar. Immer wieder hielt das Quarterium im Leerraum zwischen dem Sternenportal und Andromeda Übungen ab.

Die Wirtschaft hatte sich sehr auf den Freizeit- und Vergnügungsbereich konzentriert, um den Reisenden etwas bieten zu können. Zu sehen gab es genug. Nach zwei Stunden kehrte Remus zurück. Zu seinem Bedauern hockte Yasmin immer noch mit Uthe zusammen. Immerhin duftete es lecker.

»Wir haben Spaghetti gekocht. Die Soße ist selbst gemacht«, berichtete Yasmin mit sichtlichem Stolz und kicherte.

Uthe brachte zwei große Schüsseln mit Essen ins Wohnzimmer. Remus sah sich um. Immerhin war es geschmackvoll eingerichtet, wenngleich etwas zu steril für seinen Geschmack. Aber so gefiel es eben Uthe. Und Yasmin.

»Wird das jetzt jeden Tag so sein?«, wollte Remus wissen.

»Was denn?«, fragte Uthe in einem scharfen Ton.

»Dass wir zu dritt essen …« Er sah Yasmin an, die nun auch nicht mehr lächelte. Da setzte Remus ein böses Grinsen auf. »Nein, ist schon gut. Ich will dich ja nicht ausgrenzen …«

Solange man mich nicht ausgrenzt, fügte er gedanklich hinzu.

»Was macht dein neuer Job?«, wechselte Uthe das Thema, während sie sich Essen auftat.

»Och, der wird bestimmt interessant. Assistentin in der Sicherheitsabteilung klingt ja auch ganz gut.«

»Hm«, machte Remus nur und stopfte sich die Spaghetti in den Rachen. Zu seiner Verwunderung schmeckte ihm die Soße sogar.

»Wieso musst du eigentlich immer nur meckern?«, fragte Uthe sichtlich genervt. »Freu dich doch mal für Yasmin. Vielleicht sollte ich da auch anfangen. In der Sicherheitsabteilung.«

Remus schluckte die Nudeln hastig herunter, bevor er antwortete: »Du willst nicht bis nachmittags im Bett liegen und Trivid sehen?«

Uthe warf ihm einen bösen Blick zu.

»Ruhig, Leute. Nicht streiten«, mischte sich Yasmin ein. »Übrigens: Jaquine und Ivonna Ruzz kommen mit dem nächsten Transporter an.«

Uthe lächelte selig.

»War wirklich nett, dass sie uns beim Umzug geholfen haben und auch ein paar Sachen transportieren. Schließlich zieht man nicht jeden Tag so weit weg …«

Remus überhörte den Vorwurf seiner Frau keineswegs. Er schwieg jedoch und kaute lieber die Spaghetti weiter. Hätte er wieder etwas gesagt, hätte Uthe ihm sicherlich wieder irgendwas an den Kopf geworfen.

Plötzlich heulte ein schriller Sirenenton auf. Remus reagierte sofort und starrte zum Sternenportal. Dutzende Schiffe traten aus dem Transmitter aus. Remus konnte sie nicht identifizieren. Sie tummelten sich vor SOLARIS STATION.

»Was ist das?«, fragte Uthe sichtlich besorgt. »Das sind bestimmt Quarteriale, die uns angreifen! Hättest du uns bloß nicht hierher gebracht …«

Remus hörte nicht auf seine Frau. Ein kleineres Fahrzeug hielt direkt auf die Raumstation zu. Er erkannte das silberne Schiff sofort. An den Reaktionen der beiden Frauen bemerkte er, dass auch sie die TERSAL bemerkt hatten.

»Wir müssen sofort mit dem Kommandanten der Station sprechen«, meinte Remus und lief auch schon los. Er konnte es nicht fassen. Die TERSAL war hier. Das bedeutete, dass Gal’Arn und Jonathan Andrews nicht weit waren.

Gefahr für SOLARIS STATION

»Wir haben der TERSAL Landeerlaubnis erteilt«, berichtete der Kommandant von SOLARIS STATION, Murate Haggar. Der hochgewachsene Afroterraner beobachtete mit offensichtlicher Sorge die anderen Schiffe.

»Es sind bis jetzt siebenhundertfünfzig Raumschiffe. Sie verhalten sich ruhig, doch wir wissen nicht, woher sie stammen.«

»Ist der Premier informiert?«, wollte Scorbit wissen.

Haggar nickte. Dann ließ er Remus stehen und kümmerte sich um die Verteidigung der Raumstationen. Ein Verband der LFT, einhundert Kugelraumer, postierte sich zwischen der unbekannten Flotte und den eigenen Stationen. Im Falle eines Kampfes wären sie weit unterlegen.

Abseits standen ein Dutzend quarteriale Supremoraumer. Haggar hatte sie bereits formal um Unterstützung gebeten. Der Kommandant hatte ihn vertröstet und wollte ohne Erlaubnis von Paxus nichts unternehmen.

Die Lage war angespannt. Remus verließ die Brücke und eilte zum Hangar. Dort warteten bereits Uthe und Yasmin vor der landenden TERSAL. Das silberne, pfeilförmige Raumschiff schob sich an Space-Jets, Frachtern und diversen Containern vorbei und setzte sanft auf dem metallischen, grauen Boden des Landeplatzes auf.

Die Luke glitt nach oben und Gal’Arn stieg als erster aus. Dann folgte Jonathan Andrews. Hinter ihnen kam eine wunderschöne Frau mit spitzen Ohren und großen, violettblauen Augen. Remus kannte sie nicht. Zuletzt verließ Jaktar das Raumschiff. Der Ghannakke, welcher an eine aufrecht gehende Mischung aus einem Esel und einem Pferd erinnerte, entblößte die großen Zähne und winkte.

Jonathan blickte verwundert von einem zum anderen.

»Mit dem Empfangskomitee habe ich nicht gerechnet«, meinte der Ritterschüler schließlich und umarmte Uthe zur Begrüßung. Yasmin beäugte er skeptisch, dann gab er auch ihr eine sehr kurze Umarmung. Zu guter Letzt war Remus an der Reihe. Andrews reichte ihm die Hand.

»Es ist lange her«, meinte er freundlich.

»Zu lange«, erwiderte Remus.

Er meinte es so. Remus vermisste seine Freunde. Insbesondere Jonathan, zu dem er immer ein besonders enges Verhältnis gehabt hatte. Sie waren seit jener Zeit auf der THEBEN durch dick und dünn gegangen. Nun studierte er dessen Gesicht – er hatte sich nicht verändert. Als nächstes begrüßte Gal’Arn die Anwesenden, allerdings weniger innig als sein Schüler.

»Wo ist der Kommandant der Raumstation?«, wollte der Elare wissen. »Wir haben wichtige Dinge zu besprechen …«

»Kommt mit mir«, sagte Remus und wies dem Ritter der Tiefe, seinem Schüler und seinem Orbiter den Weg zur Kommandobrücke. Die fremde Frau schloss sich ihnen schweigend an, ebenso Uthe und Yasmin.

Nach wenigen Minuten hatten sie die Zentrale erreicht. Haggar erwartete sie bereits. Neben ihm stand der Premierminister Tass Ambol, ein Plophoser mittleren Alters. Er wirkte gewohnt adrett mit seinem Maßanzug und der Föhnfrisur.

Gemessen begrüßte Gal’Arn die beiden.

Haggar kam sofort zur Sache: »Was sind das für Schiffe, Herr Ritter?«, erkundigte er sich.

»Das ist eine lange Geschichte. Ich werde Sie Ihnen erzählen.«

Tass Ambol bat Gal’Arn, Jonathan Andrews und die fremde Frau in sein privates Beratungszimmer. Remus, Uthe und Yasmin folgten ihnen unaufgefordert. Vor dem Quartier des Premierministers blieb er stehen und musterte die drei Terraner abweisend.

»Der TLD darf rein, aber die Zivilisten haben hier nichts zu suchen.« Er winkte zwei Sicherheitsbeamte herbei. »Eskortieren Sie die Frauen bitte wieder in ihre Kabinen.«

Gal’Arn hob die Hand.

»Diese beiden Frauen haben große Taten vollbracht. Sie sind tapfer und sollten an der Besprechung teilnehmen.«

Ambol betrachtete den Ritter der Tiefe verwundert. Dann schaute er irritiert an Uthe und Yasmin hoch und runter. Sichtlich entging ihm, was an ihnen Besonderes sein sollte.

»Meinetwegen …«

Remus war sich nicht sicher, ob Gal’Arn seine Worte ernst gemeint hatte. Wo bitte hatte Yasmin Weydner Heldentaten vollbracht? Auf Prosperohs Burg hatte sie zwar Courage bewiesen, doch das war sehr lange her. Remus hatte sie eigentlich immer als lästiges Anhängsel gesehen. Auch Uthe war keine Heldin, schon weil sie so nachdrücklich keine sein wollte. Remus war überrascht, wie ruhig seine Frau auf Gal’Arns Aussage reagierte. Hätte er dasselbe gesagt, wäre sie sicherlich in die Luft gegangen.

Nachdem sich alle gesetzt hatten, stellte Gal’Arn die schöne Fremde vor. Sie hieß Elyn und war vom Volk der Alysker. Sie strahlte etwas Besonderes aus, etwas Uraltes und zugleich ewig Junges. Remus war von ihr fasziniert.

»Die tausend Schiffe dort vor dem Sternenportal gehören MODROR«, erklärte Gal’Arn. »Sie folgen uns seit M 87.«

Tass Ambol wurde kreidebleich. Seine Hände begannen zu zittern, Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn.

»Das … das ist unser Ende. Alles aus«, jammerte er und vergrub seinen Kopf zwischen den Händen. Jonathan musste sich sichtlich beherrschen, um nichts zu sagen. Remus war zu gespannt, um zu reagieren.

Haggar sprach aus, was er dachte: »Was ist in M 87 geschehen?«

Gal’Arn nickte.

»Das will ich euch erzählen …«

2. Druithora

»War jemand von euch schon mal in M 87?«

Gal’Arn verneinte die Frage seines Ritterschülers Jonathan Andrews. Auch Jaktar und Elyn schüttelten den Kopf. Das überraschte Jonathan ein wenig. Die geheimnisvolle Elyn, von der sie immerhin wussten, dass sie relativ unsterblich und mehr als 2000 Jahre alt war, hatte sich noch niemals in M 87 aufgehalten? Doch dann lachte Jonathan über sich selbst. Klar. Für die terranische Geschichte war M 87 wichtig gewesen. Ob sie deswegen für das Universum eine besondere Rolle spielte, war eine andere Frage.

»Die Heimat der Bestien«, sagte Andrews andächtig. »Hier kommen die Monster her …«

Damit gab er seinem Ritter das Stichwort. Gal’Arn begann zu erzählen. M 87 war in der Tat der Ursprung der so genannten Bestien. Jener Kreaturen, die durch genetische Experimente der Okefenokees aus den Skoars hervorgegangen waren. Die Bestien waren nur zu einem Zweck erschaffen worden: Um als hemmungslose Kampfmaschinen für die Konstrukteure des Zentrums Kriege zu führen. Doch die Bestien konnten nicht gebremst werden und hatten sich gegen ihre Erschaffer gestellt. Es war zu mehreren Kriegen gekommen und der Großteil der Urtypen der Bestien war in die Magellanischen Wolken geflohen.

Jonathan beeindruckten diese lebenden Kampfmaschinen. Sie waren so anders als er, so unfassbar mächtig und humorlos. Noch dazu eingeschlechtlich. In den Magellanschen Wolken waren durch Selbstversuche der Bestien die Uleb und die Haluter entstanden. Die Uleb wiederum hatten aus den letzten Urtypen in den Magellanischen Wolken die Zweitkonditionierten erschaffen. Fasziniert lauschte er Gal’Arns Vortrag.

Es gab sie heute noch: Die Bestien, die in M 87 geblieben waren, trugen heutzutage die Namen Pelewon und Moogh. Der Urtyp der Bestie galt als ausgestorben, doch die Pelewon, Moogh und Haluter existierten weiterhin. In der Milchstraße waren sie Ausnahmeerscheinungen, nicht aber in M 87.

Doch die Zentralgalaxis des Virgo Galaxienhaufens, der aus mindestens zweieinhalbtausend Galaxien bestand, beherbergte noch jede Menge andere Kulturen neben den Pelewon und Moogh. Die bekanntesten Völker waren die Okefenokees, Druis, Skoars und Dumfries.

Nun nahm Gal’Arn ein Holo zu Hilfe. Vor den Augen der Anwesenden entfaltete sich eine Sternenpracht wie ein schimmerndes Juwel, dem ein leuchtend blauer Strahl entströmte und sich am Rand des Holos verlor. In den begeisterten Augen der Frauen spiegelte sich seine Pracht. Von der Milchstraße war M 87, auch Virgo A oder NGC 4486 genannt, rund zweiundvierzig Millionen Lichtjahre entfernt. Sie bot ihren Bewohnern genug Platz: M 87 besaß einen Durchmesser von etwa 200.000 Lichtjahren, damit war sie bedeutend größer als die Milchstraße. Durch ihre leicht elliptische Form enthielt sie auch weitaus mehr Sterne als die Heimatgalaxie der Terraner.

In ihren Randzonen gab es rund tausend kleine bis mittelgroße Kugelsternhaufen. Die Sterndichte war außerordentlich hoch: Schätzungsweise enthielt M 87 ein- bis eineinhalb Milliarden Sonnenmassen. Die Galaxis war vor allem für ihren spektakulären Jet bekannt. Jenem Strahl, der aus dem Zentrum der Galaxis stammte. Dieses erstrahlte in einem blauen Glühen und durchmaß 20.000 Lichtjahre.

Gal’Arn schaltete ein kleineres Holo hinzu, um historisches Material aus dem Jahre 2436 alter Zeitrechnung einzublenden. Die Konstrukteure des Zentrums hatten sich nie als sonderlich gastfreundlich erwiesen. Die Terraner waren vor mehr als zweitausend Jahren das erste Mal nach M 87 gekommen. Die CREST IV wurde am 12. Januar 2436 alter Zeitrechnung durch einen Unfall ins Zentrum von M 87 versetzt. In diesem Zentrumsbereich ortete man eine nicht zu ermittelnde Anzahl von dreißig Zentimetern durchmessenden, blau leuchtenden Energiekugeln, die dem Zentrum der Galaxis zustreben. Die Spender, wie man die blauen Kugeln taufte, waren starke Radio- und Hyperwellenstrahler. Ihre Geschwindigkeit schwankte zwischen fünf und zehn Prozent einfacher Lichtgeschwindigkeit.

Der Gasjet des Zentrums und seine extrem starke Hyperstrahlung zeichneten dafür verantwortlich, dass damals die CREST IV im Zentrum von M 87 rematerialisiert war. Der Gasjet an sich und das blaue Zentrumsleuchten waren wahrscheinlich natürlichen Ursprungs, es gab sie schon seit mindestens zweiunddreißig Millionen Jahren. Nach der Flucht der Bestien hatten die Konstrukteure des Zentrums die Wirkungsweise des Blauen Leuchtens jedoch verändert. Mit ihrer hoch entwickelten Technik konstruierten sie aus den besonderen energetischen Verhältnissen im Zentrum eine Parafalle, eine Defensivwaffe gegen die Bestien, die nie mehr zurückkehren sollten.

Diese Parafalle, das blaue Zentrumsleuchten, in dem die Terraner erst mal festhingen, wirkte in ganz M 87 und noch rund fünf Millionen Lichtjahre über den Rand der Galaxis hinaus. Ihr energetischer Aufbau verhinderte, dass innerhalb der Galaxis die Paratrontechnologie der geflüchteten Bestien eingesetzt werden konnte. Sie reagierte aber auch auf entsprechende Energiesignaturen innerhalb von M 87. Aktivierte Paratronkonverter wurden durch die Strahlung des blauen Zentrumsleuchtens zerstört. Erst durch entsprechende Zusatzgeräte, wie die Kompensatoren der Konstrukteure, war es möglich, innerhalb der Galaxis Paratrontechnologie zu nutzen.

Die Besatzung der CREST IV hatte eine völlig neue Welt kennengelernt und unter Lebensgefahr ihre Regeln erschlossen. Auf Zweitkonditionierte und ihre lebenden Raumschiffe, die Dolans, hatte das blaue Zentrumsleuchten besonders destruktiv gewirkt. Es hatte sie zur Selbstzerstörung angeregt. Zweitkonditionierte hatten panische Furcht empfunden. Die blauen Kugeln wurden durch den biologischen Aufbau der Zweitkonditionierten wie magisch angezogen, von ihnen als hyperenergetische Peilsender aktiviert.

Deshalb hatten blauen Kugeln Kurs auf den Aufenthaltsort der Zweitkonditionierten genommen. Gleichzeitig hatte sich in dessen Umgebung die Intensität des blauen Leuchtens verstärkt. Fluchtversuche innerhalb von M 87 waren sinnlos gewesen. Den neuen Standort der Zweitkonditionierten spürten die blauen Kugeln sofort auf.

Wie wirksam diese Abwehranlage noch heute war, wusste Gal’Arn nicht. Damals hatten sie ebenso wenig auf Haluter reagiert wie auf Pelewon und Moogh. Sollte Torsor, der aus pelewonischen und mooghschen Genen gezüchtete Anführer der Bestien, irgendwann die Lust verspüren, eine Invasion in M 87 zu starten, so konnten die blauen Kugeln ihn nur abwehren, wenn er Paratrontechnologie verwenden würde. Doch die dorgonische Tachyonentechnik, mit der auch quarteriale Schiffe ausgestattet waren, bot Alternativen zum Paratron. Machten sie die Defensivwaffen von M 87 unwirksam?

Mit dem Zentrumsleuchten hatte es noch eine weitere Bewandtnis, nämlich die »absolute Bewegung«. Es konnte als eine Art fünfdimensionaler Traktorstrahl eingesetzt werden, um innerhalb von M 87 wichtige Objekte, deren Standort genau bekannt sein musste, per Transition innerhalb von Sekunden an ihr Ziel zu bringen.

Leider konnten dadurch auch sehr leicht fremde Objekte in den Traktorstrahl eindringen. Die besonderen Verhältnisse im Zentrum von M 87 störten die energetische Stabilität der Galaxis. Durch die freigesetzten Energien wurden Existenzebenen mit einem anderen Energieniveau stabilisiert. Überall in M 87 konnte es dadurch zu Niveauverschiebungen kommen, so dass man, mit etwas Glück, innerhalb kurzer Zeit große Entfernungen in M 87 zurücklegte oder, mit höherem Risiko, andere Existenzebenen betreten konnte.

Deshalb stellte M 87, rein physikalisch und technisch gesehen, eine Gefahr für jeden Besucher dar, erklärte Gal’Arn. Die Besatzung der TERSAL musste aufpassen. Der Ritter der Tiefe kündigte an, er wolle sich jeden Schritt zweimal überlegen. Doch es gab noch andere Gefahren in der Riesengalaxis, die von den heimischen Völkern Druithora genannt wurde – nämlich diese Rassen selbst.

Pelewon und Moogh, Okefenokees, Druis, Skoars und Dumfries – in der Völkergemeinschaft von M 87 bildeten sechsgliedrige, haluterähnliche Rassen den Löwenanteil. Doch sie alle waren in ein Jahrzehntausende altes Kastensystem eingegliedert. Diese starre soziale Ordnung hatten die Konstrukteure des Zentrums eingeführt, um eine gemeinsame Front gegen die angreifenden Bestien zu bilden. Ursprünglich bekam jede Rasse eine Aufgabe in diesem gemeinsamen Vorhaben zugewiesen, die ihren Fähigkeiten entsprach. War sie ihr nicht mehr gewachsen, wurde sie durch eine andere ersetzt. So waren zum Beispiel die Skoars als Kriegerkaste von den Dumfries abgelöst worden.

Gal’Arn zeigt nun ein Holobild nach dem anderen, um seine gebannt lauschenden Zuhörer mit den Bewohnern von M 87 bekannt zu machen. Die wichtigsten Völker waren, neben den Konstrukteuren des Zentrums und den Dumfries, die Aphaneus, die die Aufgabe der Psychologen im Kastensystem innehatten. Dann die so genannten Blauen, die als Ingenieure auf Industrieplaneten oder Aufseher tätig waren, und die Okefenokees als Philosophen.

Es war seit langem bekannt, dass die Okefenokees im Grunde genommen die Konstrukteure des Zentrums darstellten und durch einen Regenerationsprozess auf der Kristallwelt Monol ihre Lebensspanne immer wieder von vorne begannen. Die Jinguisem stellten die Diener auf den Urlaubsplaneten dar, die Snebors waren Archivare und Geschichtsschreiber, die Druis Verwalter.

Das war es wohl erst mal. Seine Zuhörer waren sichtlich damit beschäftigt, diese Flut zentraler Informationen zu verarbeiten. Elyns violettblaue Augen blickten gedankenschwer ins Leere.

Gal’Arn grübelte, was er noch über Druithora ergänzen sollte. Im Grunde konnte jedes kleine Detail entscheidend sein. Es erschien ihm wichtig, dass die Okefenokees nicht gerade gut auf menschliche Besucher zu sprechen waren, nachdem ihr Vertreter in Cartwheel, Carjul, mitsamt seinen Streitkräften vernichtet worden war. Er tippte auf dem Terminal des Bordrechners herum. Im Datenbankspeicher der TERSAL fand er noch einen interessant wirkenden Geschichtseintrag der Terraner über M 87. Sollte er den vorführen?

Jonathan Andrews stand auf und streckte sich. »Ich gehe erstmal eine rauchen. Von so viel Geschichtsunterricht werde ich immer ganz schläfrig.«

Elyn schmunzelte und erhob sich ebenfalls, während Gal’Arn sein Gesicht verzog und sitzen blieb. Sein Ritterschüler verzog sich in seine Kabine – nur dort erlaubte Gal’Arn das Qualmen, denn trotz der sehr guten Entlüftungsmöglichkeiten an Bord der TERSAL lehnte er Andrews Laster ab. Nachdem ihm bei einem Flugmanöver eine brennende Kippe auf die Hose gefallen war, hatte der Ritter der Tiefe ihm das Rauchen strengstens untersagt. Der Elare lehnte die Qualmerei ab, denn die Lehren der Ritter von Shagor besagten, Rauchen verunreinige die Seele, verneble die Gedanken und die Aura. Andrews war jedoch nicht davon abzubringen.

Gal’Arn betrachtete die wunderschöne Alyske. Sie wirkte in Gedanken versunken.

»Worüber denkst du nach?«

Sie antwortete nicht und starrte auf den Boden. Dann, nach ein paar Sekunden, sah sie hoch und blickte Gal’Arn fragend an.

»Oh«, machte sie nur, dann schien sie verstanden zu haben. »Die Zeit, in der Perry Rhodan das erste Mal nach Druithora reiste, war auch eine bewegte Zeit für mein Volk. Und für mich …«

Gal’Arn kam nicht mehr dazu nachzuhaken, denn Andrews kehrte pfeifend von seiner Raucherpause zurück.

»Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber ich habe Hunger. Soll ich was kochen?«, fragte er in die Runde. Er stutzte, als er die Haltung des Orbiters bemerkte.

»Erde an Jaktar. Was starrst du die ganze Zeit auf deine Anzeigen?«, wollte Andrews von dem ungewohnt stillen Ghannakken wissen.

»Das solltet ihr euch ansehen«, rief Jaktar und drückte seinen Daumen auf den Monitor. »Etwa fünfzehn Lichtjahre von hier gibt es einen kleinen Kampf.«

Gal’Arn betrachtete den Bildschirm, der drei Objekte anzeigte. Zwei davon umkreisten das dritte. Jaktar bemühte sich, mehr Informationen einzuholen.

Das Display teilte sich. Die rechte Seite zeigte das Gittergerüst angreifender Raumschiffe. Es waren Kugelraumer mit einem Durchmesser von hundert Metern. Der Bordrechner analysierte die Technologie der beiden Schiffe. Gal’Arn überraschte das Ergebnis wenig. Die Kugelraumer waren mooghschen Ursprungs. Das dritte Raumschiff wurde als Transporter vom Volk der Druis klassifiziert.

Es wies einen erheblichen Schaden an der Hülle auf. Der Schutzschirm war nur noch zu zwanzig Prozent stabil. Jeden Moment drohte seine Vernichtung.

Gal’Arn überlegte nicht lange. Es gab keine Alternative.

»Sofort helfen. Maximaler Überlichtfaktor. Jonathan, an die Bordgeschütze.«

Jonathan reagierte, ohne zu zögern. Er aktivierte die Defensiv- und Offensivbewaffnung und schaltete die manuelle Steuerung ein. Gal’Arn vertraute seinem Schüler, der es strikt ablehnte, mit automatischer Zielerfassung zu arbeiten. Elyn saß ruhig im hinteren Bereich der Kommandozentrale und beobachtete die Vorgänge. Gal’Arn schaute sie fragend an, fast schon entschuldigend.

»Wir müssen den Wesen helfen, auch wenn wir selbst dabei in Gefahr geraten könnten.«

Elyn nickte.

»Ich würde nicht anders handeln. Kann ich euch helfen?«

»Im hinteren Bereich ist die Medostation. Es werden Verletzte an Bord des Transporters sein. Kümmere dich bitte um sie.«

Die Alyske machte sich sofort auf den Weg. Kurz danach meldete Jaktar das Erreichen des Kampfplatzes.

Der Transporter sah in Wirklichkeit viel beschädigter aus, als auf den Anzeigen des Rechners. Die beiden Raumer der Mooghs kreisten um das Schiff.

»Sie fordern die Kapitulation des Transporters«, meldete Jaktar. »Offenbar wollen sie ihn nicht vernichten, sondern entern.«

»Haben sie uns schon bemerkt?«

»Nein, Gal’Arn. Oder sie nehmen uns nicht ernst …«

Der Ritter der Tiefe schaute zu seinem Ritterschüler herüber. Andrews kniff die Augen zusammen. Er hatte eines der Mooghschiffe bereits anvisiert.

»Geben wir uns ihnen zu erkennen. Feuere eine Salve vor den Bug des rechten Mooghraumers.«

Andrews grinste und schoss. Die Energiesalve detonierte tausend Kilometer vor dem Kugelraumer der Moogh. Sofort wechselte der die Position. Auch das andere Schiff drehte in den Raum ab.

Kommentarlos aktivierte Jaktar einen Funkkanal. Der Ghannakke nickte Gal’Arn zu.

»Hier spricht die TERSAL. Die Situation stellt sich uns als Überfall auf den druisischen Transporter dar. Wir bitten um genauere Informationen dieses Kampfes. Wir sehen uns sonst gezwungen, dem Opfer Beistand zu gewähren.«

Gal’Arn wechselte Blicke mit Andrews und Jaktar. Die beiden schienen sich über seinen Funkspruch zu amüsieren. Jetzt mussten sie auf die Antwort der Moogh warten. Lange dauerte es nicht, bis das holografische Abbild eines der haluterähnlichen Riesen in der Zentrale der TERSAL erschien. Es war zu Gal’Arns Erleichterung nur halb so groß wie der echte Moogh, denn sonst hätte der Kopf bis zur Decke gereicht.

Trotzdem wirkte das rund zwei Meter große Abbild beeindruckend. Die drei auf Stielen sitzenden Augen glühten aus seiner braunen, sechseckigen Schuppenhaut. Jedes der Augen durchmaß mehr als zwanzig Zentimeter. Langsam öffnete sich sein breiter, schmallippiger Mund voll breiter Kegelzähne.

»Wer wagt es, Itzuurk herauszufordern?«

Aggressivität klang aus diesen Worten. Gal’Arn bemühte sich um eine besonnene Antwort. »Von Herausforderung hat niemand gesprochen. Wir sind Reisende aus Cartwheel und sehen ein Schiff in Not. Welches anständige Wesen würde nicht helfen?«

Der Ritter der Tiefe bezweifelte, dass ein derart kampfbereites Wesen wie Itzuurk darauf mit Verständnis reagieren würde. Der gedrungene Riesenkörper rührte sich nicht, Säulenbeine und alle vier Arme blieben bewegungslos. Dann erlosch die Holographie des Riesen. Gal’Arn bereitete sich auf ein Gefecht vor.

Doch nichts geschah. Die Schiffe verharrten auf ihren Positionen. Den Ritter der Tiefe verunsicherte das Ausbleiben jeglicher Reaktion. Die Mooghs waren geistig nicht weit entwickelt, brutal und reaktionär. Warum überlegte dieser Itzuurk so lange?

Plötzlich erschien die Furcht erregende Abbildung des Moogh erneut in der Zentrale der TERSAL.

»Cartwheel sagtet ihr? Seid ihr Repräsentanten des Quarteriums?«

Gal’Arn wechselte einen Blick mit dem ebenso verwundert wie er selbst wirkenden Jonathan Andrews.

»Ja«, erwiderte der Elare gedehnt. »Ja, wir sind Beobachter aus dem Quarterium. M 87 ist für einige Führungspersönlichkeiten in Cartwheel von großer Bedeutung.«

Gal’Arn wartete die Reaktion des Moogh ab. Sein Gesicht zeigte keine Mimik, doch hinter den braunen Schuppen schien sein Gehirn auf Hochtouren zu arbeiten. Besaß er auch ein Planhirn wie die Haluter?

»Ihr sprecht von Torsor?«

Offenbar besaß er kein Planhirn, denn Itzuurk hatte ziemlich lange gebraucht, um auf diesen Schluss zu kommen.

»Ja, von Torsor. Der mächtige Pelewon und Quarteriums-Fürst hat seine Brüder in M 87 nicht vergessen. Deshalb sind wir hier.«

Der Ritter war sich bewusst, auf welch gefährliches Spiel er sich einließ. Doch sie wussten genug über Cartwheel, um diese Maskerade eine Zeit lang durchzuziehen.

»Wieso unterbrecht ihr dann unseren Angriff, Quarterialer?«

Andrews hob die Augenbraue und sah seinen Meister erwartungsvoll an. Gal’Arn verzog kurz den Mundwinkel, dann hatte er nach einigen Sekunden des Zögerns die passende Lüge parat.

»Die Zeit für einen offenen Krieg ist noch nicht gekommen. Das Oberkommando der quarterialen Armee plant in diesem Moment eine umfassende Invasion. Bis dahin sollten wir uns ruhig verhalten.«

Itzuurk knurrte verächtlich. Er wandte seinen massigen Körper nach links, schien sich mit einem Untergebenen zu unterhalten. Gal’Arn konnte jedoch nicht hören, was sie besprachen. Schließlich widmete sich der Moogh wieder dem Ritter der Tiefe.

»Also gut. Wir bitten um eine Unterredung. Wir verschonen das Schiff, nehmen die Besatzung aber als Gefangene mit. Begleitet uns zu unserem Stützpunkt, Quarteriale!«

Andrews verdrehte die Augen und stieß einen Fluch aus. Gal’Arn hingegen hatte mit solch einer Bitte gerechnet.

»Wir nehmen eure Einladung dankend an.«

Itzuurk beendete wortlos die Verbindung. Andrews stieß einen Pfiff aus und kratzte sich am Hinterkopf. Jaktar schlackerte mit den langen Ohren und Elyn lehnte mit vor dem Bauch verschränkten Armen an der Wand. Alle blickten Gal’Arn an, als ob er die Lösung für ihr Dilemma kennen würde.

»Nun«, sagte er schließlich. »Solange die glauben, dass wir vom Quarterium sind, wird uns nichts passieren. Wir haben jetzt die Chance, uns über ihre Kampfstärke zu informieren.«

»Und wenn sie herausbekommen, dass wir keine Quarterialen sind?«, fragte Jaktar.

Gal’Arn kannte diesen besonderen Tonfall des Ghannakken. Er war besorgt. Zu Recht, musste der Elare eingestehen.

»Dann werden wir auch eine Lösung finden. Ich glaube aber nicht, dass dieser Moogh so intelligent ist. Jonathan, folge den Bestienschiffen.«

Andrews bestätigte den Befehl und startete die TERSAL. Er bekam die Koordinaten der Zielwelt übermittelt und passte den Überlichtflug der TERSAL der Geschwindigkeit der Bestienschiffe an.

Eines war dem Ritter der Tiefe auf jeden Fall klar: Der Besuch in M 87 würde kein gemütlicher Spaziergang werden.

Mooghbasis

Im Überlichtflug überwanden sie 17.543 Lichtjahre. Dann fielen die Schiffe aus dem Hyperraum in den Normalraum zurück. Gal’Arn schaute über Andrews Schulter und las die Daten von der Anzeige.

Sie befanden sich demnach in einem System mit einer blauen Riesensonne, um die insgesamt siebenunddreißig Planeten kreisten.

Die Mooghkreuzer steuerten einen Mond des siebenundzwanzigsten Planeten an, eines roten Gasriesen. Er besaß mehr als fünfzig Satelliten. Die TERSAL folgte den Schiffen zu einem dieser Himmelskörper, der laut Abtastung einen Durchmesser von 3521 Kilometern hatte.

Es existierte keine Atmosphäre auf dem runden Gesteinsbrocken. Eine leblose, öde karge Wüste aus grauem Stein und Sand. Das ideale Versteck für Kreaturen wie die Pelewon und Moogh, die eine ganze Weile ohne Sauerstoff auskommen konnten.

Der halslose Kugelkopf eines weiteren Moogh erschien auf einem Display. Er wies Jonathan Andrews an, einem Leitstrahl zu folgen. Just in diesem Moment hatte Andrews eben diesen Strahl angepeilt. Das Schiff wurde in einen Traktorstrahl genommen und zum Mond gezogen. Auf der Oberfläche öffnete sich der Boden.

»Ein ausgehöhlter Mond«, stellte Jaktar fest. »Wir sollten solche Dinger entwerfen und uns damit selbständig machen. Genügend Abnehmer finden wir bei den Geheimorganisationen …«

Gal’Arn schmunzelte. Sein Orbiter hatte recht. Ein ausgehöhlter Mond war in der Tat ein beliebtes Versteck für Geheimorganisationen und Rebellen.

Die TERSAL landete unbeschadet im geheimen Hangar. Entsprechend der mooghschen Kultur war er spartanisch und nur in Hinblick auf seine Funktionalität notdürftig eingerichtet. Graue Wände und ein schwarzer Metallboden, dazu blaue und grüne Leuchten an Wänden und Decke verliehen dem Raumschifflandeplatz eine düstere Atmosphäre.

Es herrschte kein emsiges Treiben – im Gegenteil, der ganze Hangar wirkte wie ausgestorben. Etwa dreißig Kugelraumer mit brauner und schwarzer Außenhülle waren hier geparkt. Die TERSAL landete zwischen zweien der 100-Meter-Raumschiffe.

Andrews, Jaktar und Elyn blickten Gal’Arn erwartungsvoll an.

»Dann sehen wir uns mal um«, sagte Gal’Arn und deutete in Richtung der Ausstiegsluke. Er war neugierig auf die Station der Bestien. Die Anzeigen informierten ihn, dass der Raum mit atembarer Atmosphäre gefüllt wurde.

Die anderen folgten ihm. Gal’Arns Blick fiel auf eine Reihe Container, die gerade zu einem anderen Raumschiff schwebten. Zwei Mooghs, in Begleitung von drei zylinderförmigen, blinkenden Robotern, folgten den Containern und würdigten die Neuankömmlinge keines Blickes.

Es war dunkel in dem Hangar. Nur die grünen und blauen Leuchtmittel dienten zur Orientierung in diesem weiten, kahlen Raum, denn sie markierten die Landestellen, Ausgänge und Wege.

Gal’Arn und seine Begleiter gingen ein paar Schritte weiter. Elyn blieb ruckhaft stehen, als plötzlich von rechts eine Gruppe Moogh aus der Dunkelheit an ihnen vorbei stampfte. Einer der Riesen musterte die Alyske so eingehend mit seinen feuerroten Augen, dass er im Vorbeigehen die Augenstiele ein Stück weit ausfuhr – doch er lief mit seinem Trupp wortlos an ihnen vorbei.

Elyn benötigte ein paar Sekunden, dann deutete sie nach vorne.

»Dort hinten.« Da stand das gekaperte Schiff. Gal’Arn lief los. Er wusste, dass Andrews, Elyn und Jaktar ihm folgten.

Der Ritter starrte auf den unübersichtlichen Raum zu seinen Füßen, orientierte sich an den blau leuchtenden Markierungen auf dem schwarzen Boden. Direkt vor dem Raumschiff war die Sicht besser, denn ein Scheinwerfer war auf das Szenario gerichtet.

Atemlos blieben sie stehen und beobachteten, wie die Besatzung behandelt wurde. Ein paar Moogh und Pelewon brüllten die Gefangenen mit enormer Lautstärke an. Die Ohren schmerzten. Es gab einige Dumfries, wenige Skoars. Der Rest bestand aus Druis.

Ein Skoar widersetzte sich dem Befehl eines Moogh, auch wenn der doppelt so groß war wie er. Er riss sich los, ballte die siebengliedrigen Hände und trommelte mit dem oberen Armpaar auf die Brust. Vor Zorn aufbrüllend, fletschte er die Zähne. Der Moogh senkte sich auf sein Laufarmpaar nieder und brüllte ebenfalls los. Beide stürzten sich aufeinander. Der Skoar sprang den Riesen an, der ihn jedoch mit dem oberen Armen packte und auf den Boden donnerte. Dann schlug er mit allen vier Fäusten auf den Kleineren ein, bis dieser den Widerstand aufgab.

Ein anderer Moogh trat hinzu und herrschte den Kämpfenden an. Der schien sichtlich beeindruckt und wich von dem am Boden Liegenden zurück, der sich nicht mehr rührte. Als sein Vorgesetzter weiterging, trat er wütend gegen den Leichnam. Dann rief er einen weiteren seiner Art zu sich. Dieser packte den Toten und schleifte ihn fort. Gal’Arn hatte den zornigen Moogh längst erkannt Es war jener, der mit ihnen gesprochen hatte: Itzuurk!

Noch immer bebend vor Wut, baute Itzuurk seinen mächtigen Körper vor dem Ritter der Tiefe auf und verschränkte beide Armpaare.

»Ihr seid die Quarterialen«, stellte er fest. »Willkommen auf unserer Station. Was führt euch nach M 87?«

Er machte nicht die geringsten Anstalten, ihnen ein höfliches Willkommen zu bieten. Anscheinend gab es weder Besprechungsraum noch Kaffee und kalte Schnittchen in dieser Station. Gal’Arn war es nur recht. Er wollte sich nicht länger als nötig bei den Bestien aufhalten.

»Wir sind Agenten der Cartwheel Intelligence Protective. Unsere Aufgabe ist es, uns – als harmlose Händler verkleidet – ein Bild von den Verhältnissen in M 87 zu machen. Unser eigentliches Ziel ist das Wheel-System.«

»Wheel-System«, wiederholte Itzuurk mit seltsamer Betonung. »Welche Anweisungen hat der große Torsor für seine Männer?«

Gal’Arn fühlte sich durch die gezielte Frage in die Ecke gedrängt. Kannte Itzuurk Torsor? Vielleicht sogar gut? Er musste jedes Wort sorgfältig abwägen.

»Der edle Torsor lässt euch ausrichten, dass M 87 schon bald befreit werden wird«, log der Ritter.

Itzuurk hob die Arme in die Luft und brüllte Gal’Arns Aussage in Zentrumssprache. Die Moogh und Pelewon jubelten. Gal’Arn glaubte, ihm würde das Trommelfell platzen. Auch Andrews, Jaktar und Elyn pressten sich die Hände an die Ohren.

»Das sind gute Nachrichten«, sagte Itzuurk sichtlich erfreut. »Und nun seht, was wir mit unseren Unterdrückern machen.«

Er zeigte auf die Besatzung des gekaperten Schiffes, die als Gruppe beisammenstand. Einer der Druis starrte zu Gal’Arn herüber. Gegen die Mooghs und Pelewon waren sie Zwerge, gegen die Menschen immer noch Riesen. Seine Schulterbreite maß ungefähr 1,40 Meter. Seine fettige Haut war weiß, die vier Augen leuchteten gelb.

Der Druis trug ein braunes Gewand. Um seinen halslosen Nacken hing eine Kette mit blau leuchtenden Edelsteinen. Dadurch konnte Gal’Arn seinen Rang einschätzen, denn die Steine waren eine Art Rangabzeichen. Die waren wichtig für sie – man nannte diese Wesen auch Stützpunktingenieure, da sie als Kommandanten für diverse Stationen dienten.

»Helft uns, Terraner!«

Für Gal’Arn war diese Bitte wie ein Schlag ins Gesicht. Sein Eid als Ritter der Tiefe von Shagor besagte, jedem Lebewesen in Not beizustehen. Die Besatzung dieses entführten Schiffes war in allerhöchster Not. Ihr Leben schwebte an einem seidenen Faden. Doch was sollte er tun?

Itzuurk ignorierte sowohl Gal’Arn als auch den Druis. Er betrachtete die rund fünfzig Gefangenen, die sich in einer Reihe aufstellen mussten.

»Ihr Mistpack«, schrie er los.

Mit ganzer Willensanstrengung schaffte es Gal’Arn, seine Ohren nicht zuzuhalten.

»Ihr glaubt, ihr könnt uns unterdrücken! Doch schon bald naht der Tag, an dem wir euch beherrschen werden. Dann werden die Pelewon und Moogh Druithora beherrschen!«

Itzuurk schnaubte, sein Körper bebte. Gal’Arn spürte den Hass der Bestie gegen die herrschende Kaste von M 87. Ein über Jahrtausende gewachsener Hass. Die Konstrukteure des Zentrums hatten die Bestien nur erschaffen, um Kriege zu führen. Sie hatten sie ausgenutzt. Dann hatte sich das Geschöpf gegen den Meister gewendet.

Nach endlosen Kriegen, in die auch die Terraner hineingezogen wurden, war erst einmal Ruhe. Nachkommen der Bestien hatten sich in der Milchstraße angesiedelt und waren zu weisen Wesen herangewachsen. Doch nicht jede neue Bestiengeneration hatte sich so vorteilhaft entwickelt, wie die Haluter. Deren Wandlung war auch nur durch die Friedfertigkeitsstrahlung der Lemurer zustande gekommen.

Die Pelewon und Moogh, die echten Nachkommen der Urbestien in M 87, hatten nie richtig die Möglichkeit gehabt, sich in die Völkergemeinschaft dieser Galaxis einzugliedern – und wohl auch nicht den Willen.

Denn der Hass zwischen den Bestien und ihren Schöpfern war ungeheuer groß. Der Versuch des Konstrukteurs Carjul, die Pelewon und Moogh in Cartwheel zu unterdrücken, hatte Gal’Arn diesen Hass vor Augen geführt. Durch seine plumpe Vorgehensweise hatte er den Hass nur noch geschürt und es war zur Eskalation gekommen, als die Bestien zusammen mit den Arkoniden, Pariczanern und Terranern die Alien-Allianz unter der Führung von Carjul zerschlugen und Okefenok besetzten. Carjul hatte dabei den Tod gefunden. Die genauen Umstände seines Ablebens waren nie genau geklärt worden. Gal’Arn würde es nicht wundern, wenn Torsor dabei seine Finger im Spiel gehabt hätte.

Doch in einem hatte Carjul recht behalten – die Pelewon und Moogh waren eine Bedrohung und bildeten als fester Bestandteil des Quarteriums eine große Gefahr. Für Gal’Arn war es gar nicht so abwegig, dass dieser unselige Machtblock eines Tages vielleicht eine Invasion in M 87 wagen würde, wenngleich der Kampf gegen die Völker hier extrem blutig werden würde. Der Ritter hoffte von ganzem Herzen, dass es nie so weit kam.

Nun allerdings galt seine Aufmerksamkeit der Errettung dieses Druis und seiner Mannschaft.

»Wieso wollt ihr diese Wesen einfach meucheln? Vergeltet ihr dabei nicht Gleiches mit Gleichem?«, fragte Gal’Arn eindringlich.

»Nein!«, gab Itzuurk zurück. »Wir üben Gerechtigkeit. Sie verdienen den Tod. Alle Vasallen der Okefenokees verdienen einen qualvollen Tod!«

Gal’Arn resignierte. Wie sollte er das Leben dieser Wesen retten, ohne sein eigenes und das seiner Freunde zu gefährden? Er bemerkte die Anspannung in Jonathan Andrews Gesicht. Sein Schüler dachte die gleichen Gedanken wie er, vermutete Gal’Arn. Elyns Gesicht war ausdruckslos. Sie verstand es gut, ihre Gefühle zu verbergen, wenn es sein musste.

»Wir wollen den Druis und seine Leute vor ihrem Tod verhören, wenn Ihr uns diese Bitte gestattet. Es wäre hilfreich für unseren Bericht an das Oberkommando«, sagte Gal’Arn schließlich.

Es war ein verzweifelter Versuch, den Tod der Crew aufzuschieben. Der Elare glaubte selber nicht an seinen Erfolg. Doch zu seiner Überraschung willigte Itzuurk ein.

»Dann sterben die Tiere eben später. Erwähnt Torsor gegenüber, dass Itzuurk ihm ein loyaler Diener ist und der Bitte seiner quarterialen Freunde nachkommt.«

Daher wehte der Wind also. Itzuurk war gar nicht dumm. In Windeseile hatte er die vermeintliche Chance erkannt und erhoffte er sich, durch seine Hilfsbereitschaft Aufstiegsmöglichkeiten zu erlangen, sollte Torsor wirklich eine Invasion in M 87 durchführen.

»Ich danke Ihnen, Itzuurk. Ich werde Sie lobend gegenüber Torsor erwähnen«, antwortete der Elare. »Ich bin sicher, dass er bei der Neuverteilung der Machtstrukturen in Druithora seine loyalen Diener bevorzugen wird.«

Itzuurk lachte, scheinbar geschmeichelt.

Gal’Arn bat den Moogh, die Crew wieder in ihr Schiff zu bringen und sie dort zu bewachen. Er selbst ging zum Druis.

»Sie kommen mit!«

*

Niemand sprach ein Wort, sie saßen still im Aufenthaltsraum der TERSAL, der mit seinen weiß leuchtenden Wänden geradezu himmlisch wirkte im Vergleich zum Dunkel in den Hangars der Mooghstation.

Gal’Arn dachte an frühere Gäste an Bord seines Schiffes. Selbst der Emperador de la Siniestro war einst für eine lange Zeit hier gewesen. Nun saß ihnen ein dicker Druis gegenüber. Ein normaler Sessel hatte nicht für sein Gewicht und seine Größe gereicht. So saß der Druithore in einem farblosen Sitz aus Formenergie, statt auf dem üblichen weißen Sessel mit schwarzem Bezug.

»Danke, dass Sie mich gerettet haben.«

»Wer sagt Ihnen, dass wir Sie gerettet haben? Wir wollen Sie verhören«, meinte Andrews.

Er spielte mit dem Druis. Aber das war vielleicht auch besser so – vorerst. Solange, bis sie wussten, ob sie dem Wesen trauen konnten.

»Wie ist Ihr Name?«, fragte Gal’Arn.

»Druid Aflesh. Ich bin Stützpunktingenieur im Wheel-System. Ein treuer Diener der Ordnung in Druithora.«

Ein lautes Grummeln, das diesen Worten folgte, ließ Gal’Arn zusammenzucken. Er sah sich um, fand jedoch nicht den Ursprung dieses seltsamen Geräusches.

»Mein Magen«, klärte Aflesh ihn auf. »Ich habe großen Hunger …«

Andrews fing an zu lachen. Er stand auf.

»Ich mache uns ein paar Burger.«

»Burger?«, fragte Aflesh irritiert.

»Lassen Sie sich überraschen …«

Andrews ging in die Bordküche. Gal’Arn fand, dass Aflesh entspannter dasaß. Das Magengrummeln hatte anscheinend das Eis zwischen den beiden Parteien gebrochen. Trotzdem gab es noch Klärungsbedarf, wie Afleshs nächste Frage bewies.

»So? Sie sind also vom Quarterium. Der Bande, die unseren geschätzten Carjul auf dem Gewissen hat und noch Millionen unschuldiger Dumfries gefangen hält.«

Schwerer Vorwurf klang aus den Worten des Druis.

»Was glauben Sie?«, antwortete Gal’Arn und wollte damit die Intuition des Wesens testen.

»Dass Sie Gal’Arn, der Ritter der Tiefe sind. Ihr Freund in der Küche ist Jonathan Andrews. Ich habe Ihr Schiff auch sofort erkannt. Und soweit ich informiert bin, sind Sie Feinde des Quarteriums.«

Gal’Arn wollte sich seine Überraschung nicht anmerken lassen. Unbeabsichtigt schnupperte er, als der Duft von gebratenem Fleisch und Zwiebeln in seine Nase drang. Er bekam Hunger, doch schüttelte den Gedanken schnell wieder ab. Seine Konzentration musste seinem Gegenüber gelten. Dem Druis konnte man jedoch wohl wenig vormachen. Er hätte nicht gedacht, dass sie so berühmt waren.

»Sie haben recht, Druid Aflesh. Wir sind hier, um mit den Konstrukteuren zu reden. Wir wollen sie um Hilfe im Kampf gegen MODROR und das Quarterium ersuchen.«

Jetzt lachte Aflesh wirklich. Gal’Arn wusste das nicht recht zu deuten.

»Taruntur um Hilfe bitten? Sie kennen ihn nicht. Er ist der Repräsentant der Konstrukteure des Zentrums. Erwarten Sie keine große Hilfe von ihm. Aber …« Er schwieg, die vier gelben Augen funkelten seltsam. »Ich könnte Ihnen vielleicht helfen, wenn Sie mich und meine Crew hier rausholen.«

Gal’Arn lehnte sich tief in den Sessel zurück, faltete die Hände und dachte darüber nach. Zumindest tat er so, denn er hatte ohnehin die Absicht, den Druis und seine Besatzung vor den Moogh zu retten.

»Einverstanden«, sagte der Ritter der Tiefe schließlich.

In dem Moment stieg ein neuer Schwall appetitlichen Duftes in seine Nase. Jonathan Andrews kam mit einem großen Tablett voll mit Hamburgern in den Raum. Er stellte es auf den Tisch. Druid Afleshs Augen leuchteten vor Freude, er schnappte sich das Tablett und warf einen Burger nach dem anderen in seinen großen Rachen.

Andrews, Elyn, Jaktar und sogar Gal’Arn sahen ihm verdutzt zu. Aflesh ließ nicht einen Burger übrig. Als das Tablett leer war, rülpste der Druis herzhaft und fuhr mit der Zunge über seine schmalen Lippen.

»Köstlich! Ich wusste gar nicht, dass die Terraner so leckeres Essen haben. Vielleicht sollte ich Botschafter auf Terra werden.«

»Die angespannte Situation hat Ihnen wenigstens nicht den Appetit verdorben«, stellte Elyn fest. Das brachte alle auf den Boden der Tatsachen zurück. Mit einem letzten, bedauernden Blick wandte sich der Druis vom leeren Tablett ab.

»Wie wollen sie mich befreien?«, fragte Druid Aflesh in wesentlich ernsterem Ton. »Die Moogh und Pelewon sind brutale Bestien, die außer Kontrolle gerieten. Sie hingegen sind nur drei Männer und eine Frau. Wie soll das gehen?«

Elyn lächelte.

»Die Frau hat einiges drauf.«

Beide Augenpaare Afleshs musterten die Alyske. Dann hob er das obere Armpaar.

»Wohl kaum genug, um gegen einen Moogh anzutreten!«

»Intelligenz gleicht Muskelmasse aus«, erwiderte sie. »Wir besitzen eine weitaus bessere Technologie als die Moogh. Wir werden sie austricksen.«

Gal’Arn nickte Aflesh zu, um Elyns Vorschlag zu unterstützen. Die spitzohrige Frau erläuterte dem Druis ihren Plan. Der stimmte zu.

Druid Aflesh räusperte sich und wischte sich dann doch den Mund ab. Daraufhin stand er auf und bedankte sich.

»Also dann heute Abend!«

Dann musste er in sein Schiff zurück und in die Gewalt seiner Feinde.

Flucht von der Mondbasis

Gal’Arn beobachtete Elyn beim Verlassen der TERSAL. Noch vor dem Ausstieg verschwand sie. Weder das Auge noch irgendein Abtaster konnte sie jetzt noch erfassen.

Die Alysken verwendeten dieselbe Technologie wie die Kemeten. Ein Ortungsschirm, der mit herkömmlicher Technik nicht zu lokalisieren war. Zum Schutz vor passiver Ortung, zum Beispiel Streustrahlung, verwendeten die Kemeten konventionelle Abschirmungstechniken, wie sie auch die LFT benutzte. Vor aktiver Ortung durch den Gegner schützten sie sich und ihre Anlagen durch ein Schirmfeld, das sie praktisch unsichtbar für jede bekannte Ortungstechnik machte. Hierzu diente ein hyperdimensionaler Effekt, den man aus der Quantenmechanik gemeinhin als Tunneleffekt bezeichnete. Für einen normalen Menschen war er schwer zu begreifen. In der praktischen Anwendung machte er unsichtbar. Elyns Weg blieb ihm verborgen.

Die Alyske ging nun wohl die Rampe hinunter. Gal’Arn verfolgte ihre Bewegung, so wie er sie sich vorstellte. Der Tunneleffekt trat auf, wenn ein Teilchen oder ein Impuls ein Hindernis passierte, obwohl das eigene Energiepotential dafür eigentlich nicht ausreichte. Wie beim terranischen Fußball: Würde man auf Quantenebene einen Fußball gegen eine Mauer schießen, so existierte eine Wahrscheinlichkeit, dass der Fußball irgendwann nicht mehr von der Mauer abprallen, sondern diese auf wundersame Weise durchdringen, oder anders gesagt, durchtunneln würde. Und zwar mit Überlichtgeschwindigkeit.

Nun musste Elyn über das Landefeld laufen. Das Schirmfeld der Kemeten bildete eine perfekte Kugelschale um das zu schützende Objekt. Traf ein Ortungsimpuls auf das einhüllende Feld, so wurde das Energiepotential des Impulses erhöht. Und zwar um genau den Faktor, den der Impuls benötigte, um das Kugelfeld zu durchtunneln. Dann kam der Ortungsimpuls exakt auf der gegenüberliegenden Seite des Kugelfeldes wieder zum Vorschein und setzte dort seinen Weg fort, als wenn nichts geschehen wäre.

Traf der Impuls nun auf etwas, sei es Energie oder ein Gegenstand, so wurde er reflektiert und bewegte sich den gleichen Weg rückwärts, wobei er wieder durch das Schirmfeld getunnelt wurde. Da der Tunneleffekt ohne Zeitverlust vor sich ging, war nicht erkennbar, dass der Ortungsimpuls auf seinem Weg ein Hindernis passiert hatte.

Auf diese Weise machte das Kugelfeld Elyn und ihre ganz spezielle Ausrüstung unsichtbar. Das Licht wurde getunnelt und sie war mit bloßem Auge oder optischen Ortungsgeräten nicht einmal schattenhaft zu erkennen. Sichtbar wurde das Schirmfeld nur dann, wenn Materie auf seine Oberfläche auftraf. Denn alle Objekte, die größer als Quanten waren, so wie Atome oder Moleküle, konnten nicht getunnelt werden, sondern prallten an dem Feld ab wie an einem konventionellen Prallschirm.

Während er in die scheinbare Leere schaute, überlegte Gal’Arn, dass eine Verbindung zwischen den Kemeten und den Alyskern bestehen musste. Elyn hielt sich auch in dieser Angelegenheit bedeckt. Sie verschwieg dem Ritter viel. Dennoch vertraute er ihr. Es war sein Gefühl, seine Intuition, die ihm sagte, dass es Elyn aufrichtig mit ihnen meinte. Es waren die kleinen Gespräche über ihre Ansichten, in denen sie winzige Einblicke in ihr früheres Leben zuließ, welche Gal’Arn überzeugten.

Nun war Elyn wohl schon an der Arbeit. Sie würde überall im Hangar Sprengsätze verteilen. Insbesondere beim Treibstofflager. Dann würde sie einen Sender mit falschen Lebenssignalen an Bord des Druis-Schiffes installieren und ein Ortungsschutzfeld generieren. Und abschließend würde sie mit den fünfzig Geiseln unbemerkt durch den Hangar zur TERSAL spazieren. Ein ziemlich verwegener Plan.

Drei Moogh standen vor dem Raumschiff des Druis, welches so demontiert worden war, dass weder Waffen noch Antrieb funktionierten. Doch das gereichte Elyn zum Vorteil: Es gab dadurch keine Wachen innerhalb des Schiffes.

Sie musste nur unbemerkt eine Öffnung finden, diese in den Ortungsschutz hüllen und die Geiseln hinausschaffen. Doch was, wenn einer der Moogh auf die Tunnelanomalie aufmerksam würde? Das Risiko war groß, doch hielt auch Gal’Arn es für die einzige Möglichkeit, um Aflesh und seine Besatzung herauszuholen. Einen bewaffneten Konflikt konnten sie nicht riskieren.

Auch die Gefährten waren unruhig. Jonathan Andrews wanderte unruhig im Raum umher, während Jaktar nervös mit den Fingern auf seine Konsole tippte. Andrews zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch durch die Zentrale. Gal’Arn hasste die Qualmerei, doch es war vergebliche Liebesmüh gewesen, Jonathan dieses Laster abgewöhnen zu wollen. Der Elare hatte es widerwillig akzeptiert.

Die Minuten verstrichen und nichts geschah. Gal’Arn hatte die Außenkameras aktiviert und beobachtete das Geschehen. Itzuurk hatte er vor zwei Stunden mitgeteilt, dass er morgen noch einmal mit Aflesh reden wollte. Gal’Arn hatte den Moogh für morgen Abend die Erlaubnis zur Exekution erteilt, um ihn in Sicherheit zu wiegen.

Die größte Sorge bereitete dem Ritter die Fluchtroute. Es wäre zu auffällig gewesen, wenn er Itzuurk seine Abreise angekündigt hätte. Deshalb die Sprengsätze. Andrews hatte die Legierung des Metalls analysiert, das die Decke bildete. Da Elyn mit einer Explosion auch den Generator für den Schutzschirm ausschalten wollte, mussten sie sich »nur« durchschießen und so schnell wie möglich aus dem System entkommen.

Die Schiffe der Moogh hätten keine Chance ihnen zu folgen: Sie mussten Linearantrieb verwenden, da die Paratrontechnologie von den »Blauen Kugeln« angepeilt wurde.

Eine halbe Stunde war vergangen, Andrews hatte sich alle fünf Minuten eine neue Zigarette angezündet. Und Jaktar musste vom Herumtrommeln schon Schmerzen in den Fingerkuppen haben.

»Wann kommt sie endlich?«

»Hab Geduld, mein Schüler …«

Gal’Arn demonstrierte Ruhe. Er versuchte zu meditieren, seinen Geist auf das Bevorstehende vorzubereiten. Das fiel ihm jedoch neben seinen beiden nervösen Freunden recht schwer.

Nach einer Dreiviertelstunde endlich öffnete sich die Luke. Von außen war nichts zu sehen, doch innerhalb ihres Schiffes tummelten sich plötzliche viele Lebewesen aus M 87. Zuletzt stieg Elyn in die TERSAL ein und verschloss die Luke wieder.

Druid Aflesh reichte ihr die Hand.

»Danke. Ich habe Sie unterschätzt. Das lief alles reibungslos.«

Gal’Arn sah die Alyske fragend an. Für Danksagungen gab es später genügend Zeit.

Sie verstand genau, was er wissen wollte.

»Die Sprengsätze sind verteilt. Ich habe einfach unterhalb des Schiffes einen Durchgang geschaffen. Die Wachen haben nichts bemerkt. Gleich geht es los.«

Andrews schnippte die Zigarette in den Aschenbecher und sprang in seinen Sessel. Jaktars Ohren stellten sich steil auf, bei den Ghannakken ein Zeichen der Freude.

Gal’Arn nickte.

»Also dann. Elyn, bitte bringe unsere Gäste irgendwo unter.«

Sein Blick schweifte über die Massen. Es war in der Zentrale ziemlich eng geworden.

Wenige Minuten später brach die Hölle los. Eine Explosion jagte die andere. Die Moogh wurden völlig überrascht. Jaktar warf die Maschinen an, während Andrews die oberen Geschütze auf die Decke ausrichtete.

Dann feuerte er und sprengte ein riesiges Loch in die Metallwand des Mondes. Die Luft entwich und riss viele Mooghs hinaus. Die TERSAL schoss in die Höhe und passierte ohne Probleme den selbst geschaffenen Ausgang des Hangars.

Als sie den Orbit des Mondes verlassen hatten, bemerkte Gal’Arn, dass die Schutzschirme der Station wieder aktiviert wurden. Kurz danach öffnete sich eine Strukturlücke, aus der Dutzende Mooghraumer quollen, um sie zu verfolgen.

Gal’Arn gab Jaktar einen Wink. Ohne zu zögern, aktivierte der Ghannakke das Hypertakttriebwerk. Noch ehe die Mooghraumer den Orbit des Mondes verließen, war die TERSAL bereits woanders.

Gal’Arn atmete erleichtert auf. Die Gefahr war vorüber. In diesem Moment betrat Elyn die Zentrale. Für einen Moment versank der Elare in den tiefen, violettblauen Augen der Alyske. Sie war eine Schönheit, wie sie im Buche stand.

»Danke«, sagte er.

Elyn schenkte ihm ein Lächeln.

»Intelligenz kompensiert eben Muskelmasse.«

»Wohin jetzt?«, fragte Jaktar. Gal’Arn wechselte einen Blick mit Jonathan, der ihm antwortete: »Auf ins Wheel-System!«

Dann grinste er schelmisch.

»Und das mit Höchstgeschwindigkeit. Ich habe nicht mehr genügend Hamburger für die ganzen Mäuler im Schiff.«

3. Wheel-System

Das Wheel-System lag vor ihnen.

Dieses künstlich erschaffene Planetensystem befand sich innerhalb der Gigantsonne im Zentrum von M 87. Der so genannte Internraum in der Supersonne durchmaß 6620 Lichtjahre. Der Internraum war ein künstlich geschaffener Lebensraum der Konstrukteure des Zentrums. Die Konstrukteure des Zentrums hatten aus einer Supernova im Zentrum der Galaxis M 87, die zahlreiche Nachbarsterne erfasste, eine Art Gigant-Hohlsonne erschaffen.

Diese Hohlsonne war verantwortlich für das blaue Zentrumsleuchten. Zum einen verbarg sie die Planeten des Wheel-Systems, die nur über eine spezielle Transmitterstrecke zu erreichen waren. Der Ausgangspunkt war der Planet Monol. Zum anderen diente das Zentrumsleuchten als Abwehrwaffe gegen Angriffe der vertriebenen Bestien: Alle nicht technisch vorbereiteten Schiffe, die mit Hilfe des Dimetransantriebs in M 87 materialisieren, werden vom Zentrumsleuchten vernichtet.

Das Wheel-System war der Lebensraum der Konstrukteure des Zentrums. Die hatten sich aus Angst vor den Bestien hierher zurückgezogen. Alle Planeten waren nach dem Entstehen des Internraums in die Hohlsonne transportiert und im Mittelpunkt der Sonnenhohlkugel verankert worden. Acht Planeten hatte man in Form eines Rades um einen weiteren Planeten positioniert. Der Ring aus Planeten durchmaß hundert Millionen Kilometer.

Die neun Planeten des Wheel-Systems waren auf einer festen Position verankert und drehten sich nur um ihre eigene Achse. Ein Transmitternetz sorgte dafür, dass jeder Planet in Sekundenschnelle erreicht werden konnte. Der im absoluten Mittelpunkt des Internraums stehende neunte Planet wurde auf den Namen Wheel-Center getauft. Es war ein Methan-Ammoniak-Gigant mit einem Durchmesser von 146.000 Kilometern und einer Schwerkraft von 3,86 Gravos.

Wheel-Center strahlte stark im fünfdimensionalen Spektrum. Von hier aus wurden das künstliche System und der Reflektorschirm gesteuert. Zu seiner Sicherheit konnte er in einen Schutzschirm gehüllt werden, der technisch dem terranischen HÜ-Schirm glich – zumindest war das früher der Fall gewesen. Gal’Arn vermutete, dass die Konstrukteure des Zentrums inzwischen eine verbesserte Version besaßen.

Bei den acht Planeten des Planetenringes handelte es sich ausnahmslos um blühende Welten mit einer gut zu atmenden Sauerstoffatmosphäre. Keiner der Planeten war kleiner als die Erde, fünf davon besaßen einen größeren Umfang. Auf allen Planeten betrug die mittlere Temperatur 32,5 Grad Celsius, die mittlere Schwerkraft lag bei 1,04 Gravos, je nach Planet wich der Wert minimal ab.

Die Planeten Wheel I-VIII waren in Wohn-, Fabrikations- und Handelswelten unterteilt. So war einer der Planeten eine dampfende Dschungelwelt, der den Konstrukteuren des Zentrums vermutlich als Jagd- und Abenteuerwelt diente. Wheel III war eine reine Wohnwelt voller parkähnlicher Landschaften und aller erdenklichen Annehmlichkeiten. Wheel V stellte einen Industrieplaneten dar.

Im Normalfall war das Wheel-System nur per Goldreiftransmitter von Monol aus zu erreichen. Bei Bedarf konnte aber kurzzeitig eine Lücke in der Hohlsonne geschaffen werden, durch die ein Raumschiff gefahrlos in den Internraum einflog. Alpha-Schleuse, ein merkurgroßer Wüstenplanet diente als Empfangsstation für den Goldreiftransmitter. Der Planet war mit schweren Abwehrgeschützen befestigt.

Hier gab es mehrere Empfangs- und Sendestationen, mit denen die Verbindung zur Außenwelt aufrecht erhalten wurde. Druid Aflesh kannte einen bestimmten Code, der nur Auserwählten bekannt war, um mit dem Internraum in Kontakt zu treten. Wurde der Kode autorisiert, öffnete sich eine Strukturlücke in der Hohlsonne. War der Code falsch, so hatte Aflesh erklärt, würde ohne weitere Vorwarnung eine nahe gelegen Wachflotte das Feuer eröffnen.

Die TERSAL befand sich direkt vor der Hohlsonne. Tausende Schiffe bewachten den Giganten.

»Es ist die Wachflotte der Dumfries und Skoar«, berichtete der Druis. Gal’Arn dachte an den ersten Kontakt der Terraner mit den Konstrukteuren des Zentrums, über den er in Geschichtsbüchern gelesen hatte.

Die CREST IV und die zwei Haluterraumschiffe hatten sich Ende August 2436 in die Transmitterverbindung zwischen Monol und dem bis zu diesem Zeitpunkt unbekannten Wohnort der Konstrukteure des Zentrums integriert. Auf diesem Weg hatten sie das Wheel-System erreicht.

Beim Eindringen der CREST IV und der beiden Haluterraumer hatte man festgestellt, dass sich die Konstrukteure des Zentrums bei ihrer Verteidigung fast gänzlich darauf verlassen hatten, dass niemand in ihr Versteck eindrang. Zwar waren auf Wheel-Center überschwere, robotgesteuerte Abwehrforts postiert gewesen, aber im gesamten Internraum hatten sie kein einziges Raumschiff orten können.

Erst nach dem Eindringen des kleinen Schiffsverbands wurden mit fünftausend Drumfrie-Schiffen erstmals Hilfsvölker in den Internraum gelassen und damit überhaupt vom Aufenthaltsort der Konstrukteure des Zentrums in Kenntnis gesetzt.

Diese Zeiten hatten sich geändert. Der Internraum war kein Geheimnis mehr, daher war die Präsenz einer Flotte nötig.

»Es sind 21.708 Schiffe, die gerade ihre Waffen auf uns richten«, sagte Andrews mit einem gequälten Lächeln. »Für die reichen die Burger bestimmt nicht …«

Gal’Arn blickte Druid Aflesh an. Der Druis holte ein Gerät aus seiner Robe und drückte ein paar Tasten. Offenbar übermittelte diese Apparatur den Kode an die Wachflotte.

»Sie funken uns an«, meldete Jaktar.

Gal’Arn brauchte dem Ghannakken nicht zu sagen, er solle die Verbindung bestätigen. Sekunden später baute sich das Hologramm eines hochgewachsenen Dumfrie vor ihnen auf. Er sah aus wie eine aufrecht gehende Kröte mit zwei viergliedrigen Armpaaren. Der haluterähnliche Körper war schwer, wuchtig und fast quadratisch.

Die Einsatzkleidung des Dumfrie bestand aus über Brust und Rücken gezogenen, breiten, gekreuzten Gurten, die in Hüfthöhe an einen zwanzig Zentimeter breiten Allzweckgürtel anschlossen, in dessen rundem Schloss sich offenbar Kommunikationsgeräte befanden. Eine nur bis zu den Oberschenkeln reichende Hose und lederähnliche, kniehohe Stiefel bekleideten die stämmigen Beine.

Seine Gürtelschnalle war wichtig: Alle Rangabzeichen der Soldatenkaste waren dort eingeätzt. Der Ritter der Tiefe kannte sie gut genug, um zu erkennen, dass dieser Dumfrie ein sehr hoher Offizier oder gar ein General zu sein schien.

»Seychul«, nannte Druid Aflesh zur Begrüßung seinen Namen. Anscheinend bedeutete die Namensnennung bei diesen Wesen Respekt, denn sie wurde nicht erwidert. Die beiden seitlich angeordneten Krötenaugen im fast dreieckigen Kopf des Würdenträgers schienen durch Aflesh hindurchzusehen.

»Ich sehe den Druis, aber wo ist sein Schiff? Und was haben Menschen hier zu suchen?«

Gal’Arn überhörte die Verachtung in den Worten Seychuls mitnichten, doch er lächelte freundlich. »Ich bin Gal’Arn, dies ist mein Ritterschüler Jonathan Andrews, mein Orbiter Jaktar und dort …«, er deutete auf die Alyske, »ist die Alyskerin Elyn.«

»Und?«

Seychul wirkte alles andere als begeistert über ihren Besuch. Sein kurzer Hals verschwand im schweren, kristallinen Körperpanzer. Die metallisch silberbraun schimmernde Panzerschale auf seinem Rücken rahmte den fast dreieckigen Kopf ein. Gal’Arn konnte seine Haltung nicht genau einschätzen, doch er vermutete, dass sein Gesprächspartner angewidert wirkte. Unbeeindruckt davon erklärte der Ritter der Tiefe den vorgeblichen Grund seiner Anwesenheit.

»Wir sind Freunde Perry Rhodans und Gegner des Quarteriums, dem auch euer Erzfeind Torsor angehört. Wir möchten mit dem obersten Konstrukteur des Zentrums, Taruntur, sprechen.«

Ehrerbietig ergänzte Aflesh:

»Sie haben mich vor dem Rebellen Itzuurk gerettet. Wir schulden ihnen Dank und den nötigen Respekt, großer Admiral der Druithora-Flotte.«

Gal’Arn bedankte sich im Geiste für die wichtige Information, die ihm sein Gast zugespielt hatte. Seychul hatte also in der Tat einen sehr hohen Rang. Aflesh schilderte nun, was sich auf der Mooghbasis zugetragen hatte. Die Mimik und Gestik des Dumfrie waren schwer zu lesen und ließen deshalb wenig Rückschlüsse auf seine Gefühle zu. Doch schien der Flottenkommandant verwundert zu sein. Mehrfach richteten sich seine Augen auf Elyn.

»Also gut. Ich gestatte die Einreise. Jedoch nicht mit diesem Schiff und seiner unheiligen Technik. Druid, Ihr werdet mit dem Ritter und der Alyske zu mir an Bord kommen. Danach kümmern wir uns um eure Besatzung.«

Aflesh verneigte sich schnaufend.

Andrews sah seinen Meister skeptisch an. Ihm behagte es nicht, dass sie sich ohne Schutz in den Internraum begeben würden. Doch sie mussten die Regeln des Gastgebers akzeptieren.

*

Taruntur war von edler Gestalt. Seinen hochgewachsenen Körper umhüllten feinste Gewänder. Geschmeidig näherte er sich Gal’Arn, Elyn und dem Druis. Er wirkte beinahe wie ein Engel, der aus dem Himmel zu ihnen hinab stieg. Das grelle, weiße Licht hinter seinem Thron blendete, als er die Stufen herunterschritt.

Alles in dem Audienzsaal wirkte edel und fein. Der drehende Sternenhimmel an der Decke, die irisierenden Lichter an der Wand und der rote Boden. Es schien, als würden die Borsten des samtenen Teppichs harmonisch durch den Raum wandern. Druid Aflesh verneigte sich so tief wie er konnte vor dem obersten Konstrukteur des Zentrums.

»Wir danken für die Audienz«, sagte Aflesh. Die Terraner neigten respektvoll die Köpfe und schwiegen.

Jonathan konnte nicht anders, er musste das jetzige Aussehen Tarunturs mit dem seiner Ursprungsrasse vergleichen. Die Okefenokees waren die Bewohner des Planeten Pompeo Posar und Herren des Scintilla-Systems. Ihr Aussehen wirkte in terranischen Augen lächerlich: Sie waren ein Meter große, humanoide Zwerge mit grazilen und zarten, aber schlecht proportionierten Körpern. Insbesondere ihre Köpfe waren zu groß und kahl. Knorpelähnliche Auswüchse bildeten die Ohren. Die Nase war stark nach oben gewölbt, wodurch ein äffischer Gesichtsausdruck entstand, die Augen waren groß und von suggestiver Ausdruckskraft.

Die Okefenokees waren natürliche Teleporter mit einer Sprungweite von durchschnittlich eineinhalbtausend Metern. Ihre teleportativen Fähigkeiten unterstützten sie mit technischen Hilfsmitteln, den so genannten Paraportscheiben. Außerdem wurden sie allgemein die »Philosophen der Galaxis M 87« genannt. Auf ihrem Wohnplaneten Pompeo Posar gingen sie vorwiegend geistigen Beschäftigungen nach. Sie meditierten, indem sie an einer Hand an Baumästen hingen, völlig in sich versunken, und die Rätsel des universellen Seins auf philosophische Weise zu lösen trachteten.

Es waren abgeklärte Wesen, die nach Durchlaufen verschiedener Zivilisationsstadien ihren Herrschaftsbereich freiwillig auf das Scintilla-System beschränkt hatten und eine Synthese von technischer und geistiger Zivilisation aufgebaut hatten.

Im System der galaktischen Arbeitsteilung in M 87 genossen sie Sonderrechte: Weder sie selbst noch die übrigen Rassen dieser Galaxis hatten allerdings gewusst, dass ihre bevorzugte Stellung auf die Konstrukteure des Zentrums zurückging, die aus ihnen entstanden.

Wenn einer der ihren gestorben war, wurden dessen Überreste in einen sargähnlichen Behälter gebettet. Dabei handelte es sich um komplizierte Konservierungs- und Transportgeräte. Nach einem feierlichen Ritual wurden die Behälter von der Absoluten Bewegung erfasst und nach Monol transportiert. Aus ihnen entwickelten sich dort in einem komplizierten Regenerierungs- und Modifizierungsprozess die Konstrukteure des Zentrums, jene mysteriösen Beherrscher der Galaxis M 87.

Am Ende dieser biophysikalischen Hyperregenerierung stand die Wiedergeburt des Individuums. Der strukturgetreue Aufbau unter Ausschaltung negativer Umwelteinflüsse führte dazu, dass die zweitgeborenen Okefenokees keine hässlichen Zwerge mehr waren, sondern hochgewachsene Wesen mit optimalen Proportionen und überragenden körperlichen und geistigen Eigenschaften. Praktisch total verjüngt, übernahmen die ehemaligen Okefenokees nun die Herrscherrolle als Konstrukteure des Zentrums.

Über eine golden leuchtende Transmitterstraße wurden die Regenerierten von der Oberfläche Monols zu den großen Transmitterringen über dem Kristallplaneten getragen und von dort aus in zwei Phasen in den lnterraum befördert. Mit Station auf dem Planeten Alpha-Schleuse gelangten sie schließlich in das Wheel-System, ihren eigentlichen Lebensbereich. Und dann lebten sie wie Taruntur.

Der hochgewachsene, so überaus schöne und geschmeidige Mann machte Jonathan nervös. Er wirkte so – ungreifbar. Die Idee, ihm eine Zigarette anzubieten, schoss dem impulsiven jungen Mann durch den Kopf. Er konnte sich keinen rauchenden Taruntur vorstellen, und irgendwie störte ihn das.

Das Adrenalin machte Jonathan wach und aktivierte sein Gedächtnis. Er staunte selbst über die Wissensmenge, die plötzlich klar vor seinem geistigen Auge stand.

Vor rund 70.000 Jahren hatten die Konstrukteure des Zentrums mit biophysikalischen Experimenten begonnen, als deren Ergebnis aus dem Volk der Skoars eine Superrasse entstehen sollte. Die befruchteten Eier der Skoars wurden auf dem Planeten Zootkohn einem biophysikalischen Wachstumsprozess unterzogen, parallel zu einer gezielten Veränderung der Erbmasse. So entstanden die Prototypen der Bestien. Mit ähnlichen Experimente erzeugte man die lebenden Dolan-Raumschiffe.

Durch Unwägbarkeiten im Verlauf der Gen-Beeinflussung hatten die Zuchtprodukte dominante negative Charaktereigenschaften erhalten und sich gegen ihre Erschaffer gewandt. Infolge ihres hohen Intelligenzquotienten und ihrer überragenden physischen Kondition konnten sie einen galaktischen Krieg entfesseln und fast alle natürlich entstandenen Intelligenzwesen von M 87 vernichten.

Die damaligen Okefenokees hatten alle ihre Fähigkeiten einsetzen müssen, um sämtliche Völker ihrer Galaxis zu einer hoch spezialisierten Kriegsmaschinerie zu vereinigen. Im Zentrum der Sterneninsel war eine kontrolliert ablaufende Ultranova aus zahllosen Sonnen des dicht geballten Zentrumskerns geschaffen worden. Aus ihrer Energie bildete man eine Spenderglocke mit innerem Hohlraum und stabilisierte sie. In diesem abgeschirmten Bereich richteten die Konstrukteure des Zentrums ihr Hauptquartier ein – das Wheel-System.

Nun – die Bestien aus M 87 wurden vertrieben. Da sie das Geheimnis des Dimetransantriebs kannten, sorgten die Konstrukteure des Zentrums mit dem Blauen Zentrumsleuchten dafür, dass kein Raumschiff mit dieser Antriebsart mehr in ihrer Galaxis materialisieren konnte, sondern bei dem Versuch vernichtet wurde. Seit dieser Zeit arbeiteten alle bekannten Völker von M 87, unter der Leitung der Konstrukteure des Zentrums, an der Perfektionierung ihres galaktischen Verteidigungssystems, was sich nach der Auslöschung der Uleb in den Magellanischen Wolken als rein irrational und traumatisch entpuppte.

»Was führt Euch zu mir?«

Jonathan schrak auf. Die Stimme Tarunturs war zuvorkommend und sanft. Dennoch schwang in ihr eine Nuance von Eitelkeit und Überlegenheit. Was er über den Konstrukteur wusste, machte ihn nicht sympathischer. Skeptisch verlagerte der Terraner sein Gewicht auf den anderen Fuß.

Gal’Arn trug Aurecs Anliegen vor. Er bat im Namen aller freiheitsliebenden Völker um Unterstützung im Kampf gegen das Quarterium.

»Vergesst nicht, dass auch M 87 das Ziel des Quarteriums sein könnte. Ich bezweifle, dass Torsor keine Rachegelüste gegen Euch hegt.«

Taruntur ließ sich auf seinen Thron nieder und lehnte den Kopf an.

»Sollen sie nur kommen. Wir sind gewappnet. Bis dahin werden wir nichts tun, was einen Krieg provozieren könnte. Eure Bitte ist hiermit abgelehnt. Ihr dürft gehen.«

Mit einer abfälligen Geste bedeutete er Gal’Arn zu verschwinden. Doch der Ritter der Tiefe ließ sich nicht so beiläufig abwimmeln.

»Seid doch kein Narr, Taruntur!«

Demonstrativ schaute der Konstrukteur des Zentrums in eine andere Richtung. Jonathan fühlte sich in seinem Widerwillen bestätigt. Taruntur war noch weitaus arroganter, als es Carjul jemals gewesen war.

Seychul betrat den Thronsaal. Er wirkte angespannt, seine Schritte waren kurz und schnell. Der Dumfrie verneigte sich vor seinem Herrn.

»Eintausend fremde Schiffe sind in M 87 eingedrungen. Sie verwenden eine uns gänzlich unbekannte Technologie. Wir haben versucht, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, doch sie haben unser Raumschiff einfach vernichtet.«

Plötzlich sah Taruntur wieder zu Gal’Arn und Elyn herüber. Druid Aflesh hielt sich wohl absichtlich im Hintergrund.

»Sagt mir, Ritter. Wisst Ihr etwas davon?«

»Nein, darauf gebe ich mein Wort.« Gal’Arn wandte sich an Seychul. »Wie sehen die Raumschiffe aus?«

Der Dumfrie hob einen Memowürfel, aktivierte ihn und stellte ihn auf den Boden. Die Aufzeichnung zeigte keilförmige Schiffe, die Gal’Arn unbekannt waren. Doch ein Schiff erkannte er unter den tausend. Es hatte eine andere Form als die Flotte. Gal’Arn erschauderte bei dem Gedanken an dessen Kommandanten.

Cau Thons Ankunft

»MODROR greift nach M 87, Taruntur.«

Gal’Arn legte keinen Wert darauf, dem Konstrukteur des Zentrums die Anwesenheit von Cau Thon schonend beizubringen. Er berichtete Taruntur von der KARAN und den Söhnen des Chaos.

Tarunturs Arroganz schien wie weggewischt. Er kauerte im Sessel, wippte von einer Seite zur anderen und wirkte gar nicht mehr souverän.

»Was sollen wir tun?«

Das musste für den Konstrukteur des Zentrums ein Offenbarungseid sein. Er fragte einen Fremden um Rat!

»Rüstet euch zum Krieg gegen MODROR. Alliiert euch mit uns. Gemeinsam können wir unsere Feinde besiegen!«

Taruntur sprang auf und lief im großen Saal hin und her. Er dachte sehr lange nach, ehe er Gal’Arn Antwort gab. Der Ritter war mit seiner Konzentration beinahe schon am Ende.

»Also gut. Wir gewähren euch zuerst einmal Durchflugrechte. Ihr dürft von den estartischen Galaxien aus nach Druithora reisen, um das Sternenportal zu benutzen. Ebenfalls gestatte ich euch, zwecks Nachschub von der Lokalen Gruppe das Sternenportal hierher zu nutzen, um eure Lieferungen nach Etustar zu bringen.«

Gal’Arn verneigte sich.

»Das ist schon einmal ein Anfang. Doch vergesst nicht, dass sich bereits eintausend Schiffe von MODROR hier befinden. Ihnen könnten weitere folgen. Ebenfalls könnte das Quarterium hier angreifen. Offenbar scheint MODROR einen Nutzen aus dem Quarterium zu ziehen.«

»Sei doch nicht so naiv!«

Gal’Arn fuhr überrascht herum. Er war da! Taruntur schien bei seinem Anblick beinahe die Besinnung zu verlieren. Seychul zog seine Waffe und feuerte auf Cau Thon. Doch die Schüsse wurden vom Energiefeld, welches ihn umgab, absorbiert.

»Ich komme in Frieden«, sagte Cau Thon, hob die Hände und ließ sie wieder sinken. »Ich bin hier, um mit der Regierung dieser Galaxis zu sprechen. Ich habe ein Anliegen.«

Der Sohn des Chaos stand im Mittelpunkt. Sein Publikum wirkte starr vor Schreck. Cau Thons Augen funkelten, als er an Gal’Arn vorbeischritt. Dann blieb der Rothäutige vor Elyn stehen. Die Alyske ballte die Fäuste und erwiderte den Blick der gelblichen, kalten Augen.

»Ach, die kleine Elyn, die Tochter des Eorthor …«

Elyn schwieg. Ihre Wangen zuckten. Jonathan bemerkte aufgewühlt, dass die beiden sich kannten und hassten. Die Alyske wurde immer mysteriöser.

»Wie … wie seid ihr hier …?«

Taruntur brachte den Satz nicht zu Ende. Er taumelte, fasste sich an den Kopf und plumpste auf den Boden. Cau Thon lachte heiser.

»Euer lächerlicher Schutz ist wirkungslos gegen die Macht MODRORs. Doch keine Bange, Taruntur. Ich bin hier, um euch eine Bitte vorzutragen.«

»Eine Bitte?«, wiederholte der Konstrukteur des Zentrums verdutzt.

»Ja, eine Gefälligkeit. MODROR hat kein Interesse an Druithora. In unserem Interesse liegt jedoch der Untergang von Aurec, Perry Rhodan und ihrer Sternenreiche. Daher unterstützen wir gewissermaßen deren Gegner, auch wenn die davon nichts wissen.«

»Ich verstehe nicht …«

»Es liegt in unserem Interesse, dass der Krieg in den estartischen Galaxien von den Dorgonen gewonnen wird. Mit denen könnten wir uns arrangieren. Daher wären Waffenlieferungen durch M 87 nicht in unserem Interesse.«

Cau Thon packte den Konstrukteur des Zentrums am Hals, hob ihn hoch und ließ ihn anschließend wieder fallen. Sofort stürmten mehr als ein Dutzend Wachen heran, doch der Xamouri hob beschwichtigend die Hände.

»Tötet mich und wir vernichten M 87!«

»Halt«, brüllte Seychul.

Er schien die Gefahr erkannt zu haben, die von Cau Thon ausging. Der beugte sich zu dem immer noch auf dem Hosenboden sitzenden Taruntur.

»Höre meine Worte gut, Konstrukteur! Wir werden nun weiterreisen und uns um das Sternenportal in der Lokalen Gruppe kümmern. Wir erwarten eure Neutralität in dieser Angelegenheit. Falls das nicht der Fall sein sollte, werden wir mit einer halben Million Schlachtschiffen zurückkehren und aus M 87 eine tote Galaxis machen …«

Cau Thon drehte sich um. Ein Strahl erfasste und entmaterialisierte ihn. Es musste ein Fiktivtransmitter gewesen sein.

Taruntur war von dem Auftritt des Xamouri sichtlich aus dem Gleichgewicht gebracht. Es musste ihn in seinen Grundfesten erschüttert haben, dass jemand einfach so in seinen Palast marschieren konnte.

»Ihr seht, wie gefährlich MODROR ist. Nicht nur das Quarterium und Dorgon sind unsere Feinde, sondern auch MODROR. Insbesondere er. Wir sollten schnell einen Frieden mit Dorgon und dem Quarterium erzwingen, damit wir gegen den wirklichen Feind aller Lebewesen vorgehen können – MODROR!«

Taruntur wirkte entgeistert. Er beachtete Gal’Arn gar nicht. Der Elare bemerkte das und wandte sich an Seychul und Druid Aflesh.

»Ich muss aufbrechen. Wenn Cau Thon wirklich in die Lokale Gruppe will, muss ich vor ihm dort sein, um die LFT zu warnen. Ich bitte euch – nehmt die Gefahr ernst und ergreift Maßnahmen. Beugt euch aber keineswegs dem Willen Cau Thons. Das wäre der sichere Weg in die Sklaverei!«

»Ich werde mein Bestes tun, Freund«, versprach Druid Aflesh. Gal’Arn dankte ihm. Er und Elyn wurden von Seychul zur TERSAL gebracht. Dort angekommen, berichtete Gal’Arn über die Ereignisse auf Wheel-Center.

Sofort brach die TERSAL in Richtung Sternenportal auf. Doch sie waren nicht die Einzigen. Die eintausend Schiffe MODRORs setzten sich in Bewegung, angeführt von der KARAN. Sie eröffneten jedoch kein Feuer, sondern blieben der TERSAL dicht auf den Fersen.

Bis zum Sternenportal und hindurch …

4. Die Bedrohung am Sternenportal

Und so waren sie hergekommen. Es herrschte eine bedrückende Stille, nachdem Gal’Arn seine Erzählungen beendet hatte. Remus dachte über das Abenteuer seiner Freunde in M 87 nach. Sie hatten nicht viel erreicht. Zwar gewährte ihnen der oberste Konstrukteur des Zentrums eine Flugerlaubnis, doch Cau Thon schien bereits Gegenmaßnahmen eingeleitet zu haben.

Kommandant Haggar hatte inzwischen berichtet, dass nun genau eintausend Schiffe zwischen dem Sternenportal und den drei Raumstationen standen.

Würden sie angreifen, hätten die Besatzungen der Raumstationen nicht den Hauch einer Chance. Die knapp zweihundert LFT-Raumer reichten nicht aus, um die Stationen erfolgreich zu verteidigen, die selbst über nur sehr wenige Waffen verfügten.

»Und was sollen wir jetzt tun?«

Tass Ambol schien völlig hilflos zu sein. Er war Politiker und kein General. Aber auch Murate Haggar setzte offenbar alle Hoffnungen auf Gal’Arn. Nun, der Elare war Ritter und kein Soldat. Remus erwartete, dass Gal’Arn auch so etwas in dieser Richtung antworten würde.

»Entsenden Sie sofort Kuriere nach Terra und zu den nächstgelegenen LFT-Stützpunkten. Wir müssen ein militärisches Gleichgewicht herstellen. Perry Rhodan muss sich der Sache annehmen«, schlug der Elare zu Scorbits Überraschung vor.

»Können wir nicht mit diesen Fremden verhandeln?«, fragte Ambol.

Gal’Arn wirkte verdrossen. Remus wunderte die Frage ebenfalls. Anscheinend hatte der Premierminister bei Gal’Arns Bericht nicht ganz aufgepasst. Mit Cau Thon konnte man nicht verhandeln. Da stürmte ein Offizier in den Raum hinein.

»Sir, die Fremden rufen uns. Sie bitten um ein Gespräch. Sofort.«

Das irritierte Scorbit vollends. Heute wollte er keine Prognosen mehr abgeben, da er der Überzeugung war, er würde sowieso falsch liegen. Er beobachtete interessiert die Reaktionen von Ambol und Haggar.

»Stellen Sie eine audiovisuelle Verbindung in diesen Raum her«, befahl Ambol.

Vor ihnen baute sich die lebensechte Holographie von Cau Thon auf. Der Xamouri war nach wie vor in ein Gewand gehüllt, dessen Kapuze seinen haarlosen, rötlichen Kopf bedeckte. Langsam hob er sein Haupt. Scorbit fing an zu zittern, als er die lodernden Augen des Sohnes des Chaos erblickte. Bis auf Gal’Arn, Elyn und Jonathan Andrews schien es allen so zu gehen.

»Ich sehe viele alte Widersacher«, sprach Cau Thon mit heiserer Stimme. »Widersacher, die ich längst vergessen hatte, so unbedeutend waren sie.« Sein Blick fiel auf Yasmin Weydner. Sie wurde kreidebleich im Gesicht. Ihre Hände fingen an zu zittern.

Dann fixierten seine Augen Remus Frau. Uthe griff nach der Hand ihres Mannes. Er merkte sofort, dass ihre Furcht vor Cau Thon noch genauso stark war wie damals.

»Wie amüsant«, bemerkte Cau Thon mit kaltem Grinsen. »Ich nehme an, dass die beiden unbekannten Gestalten hier Führungspersonen dieser Raumstation sind? Ich möchte mit Ihnen sprechen. Mit Ihnen allen.«

»Tun Sie sich keinen Zwang an, Herr Thon. Wir sind ganz Ohr, Sir … Herr …«

Ambol fing an laut zu lachen, wollte offenbar so die Sympathie des Xamouri erwirken. Scorbit verfluchte diesen Narren. Er hatte Gal’Arn wirklich nicht zugehört. Nun erklärte Cau Thon es ihm.

»Du Tor scheinst meine Worte nicht begriffen zu haben. Ich will an Bord der Station. Ich, mein Bruder Goshkan und der Dscherr’Urk Kapitän Agla. Wir beanspruchen den Parlamentärstatus.«

Scheinbar hilflos starrte Ambol zu Gal’Arn herüber, der sich tief in den Sessel gelehnt hatte und Cau Thon eindringlich musterte. Dann nickte der Ritter schwach.

»Also …« Ambol stockte. Er vermied es, Cau Thon direkt anzusehen. »Also gut. Ich erwarte Sie hier.«

»Sehr gut. Alle in diesem Raum sollen an den Verhandlungen teilnehmen.«

Das Hologramm Cau Thons erlosch. Remus konnte sich keinen Reim darauf bilden – der Sohn des Chaos suchte einen Dialog? Jonathan sprach aus, was er dachte: »Warum will Cau Thon mit uns reden? Welche Teufelei hat er diesmal ausgeheckt? Er könnte uns doch überrollen, wenn er wollte.«

»Anscheinend will er das nicht«, vermutete Gal’Arn. »Er hat andere Pläne und scheint es sogar zu genießen, uns in Furcht zu versetzen.«

»Wer hat denn Furcht gezeigt?« Tass Ambol lachte laut und rückte seine Krawatte zurecht. »Ich bitte Sie …«

Gal’Arn bedachte ihn mit einem strengen Blick.

»Es gibt Völker, die riechen Ihren Angstschweiß. Ich beherrsche diese Kunst nicht, doch es war offensichtlich, dass Cau Thon sehr viele in diesem Raum eingeschüchtert hat.« Sein Blick wanderte über Ambol zu Yasmin und Uthe. »Ich bitte euch, stark zu sein und Haltung zu bewahren, während wir die Verhandlungen führen.«

Uthe seufzte. Die Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben.

»Ich will das nicht mehr. Warum will dieser Mistkerl, dass ich dabei bin?«

»Er will dich quälen«, antwortete Andrews.

»Da mache ich aber nicht mit. Basta! Ich gehe jetzt in meine Kabine.«

Uthe Scorbit war im Begriff aufzustehen, doch Jonathan hielt sie zurück. Sanft drückte er sie wieder in den Sessel.

»Du musst da durch. Wer weiß, wie Cau Thon auf dein Fernbleiben reagiert.«

Trotzig, als ob Jonathans Mahnung nur lästiges Gemecker sei, blickte Uthe zu Gal’Arn herüber.

»Jonathan hat recht. Du solltest bleiben.« Der Ritter schaute nun zu Yasmin herüber. »Das gilt auch für dich, junges Fräulein.«

*

Cau Thon ließ nicht lange auf sich warten. Die Delegation der drei Kreaturen wurde von Tass Ambol, Murate Haggar, Gal’Arn, Jonathan Andrews, Elyn, Yasmin Weydner und dem Ehepaar Scorbit begrüßt.

Die kleine, stiftförmige Fähre landete mit dröhnenden Geräuschen im Hangar, der so ganz anders war, als jener auf der Mooghbasis. Der Landeplatz auf SOLARIS STATION war hell, mit einem grauen, metallischen Fußboden, weißgrauen Wänden und vielbeschäftigten Robotern und Hangarpersonal. Die Arbeiter und Techniker schauten gebannt auf die Landung des Raumschiffes. Dann herrschte Stille.

»Was ist los, Yasmin?«, wollte Uthe wissen.

Jetzt fiel Remus auch auf, dass Yasmin etwas verstört wirkte. Er schrieb das aber der drohenden Anwesenheit von Cau Thon und Goshkan zu.

»Die Hose drückt. Ist wohl eine Nummer zu klein.«

Remus verdrehte die Augen.

»Eher bist du eine Nummer zu gewichtig geworden«, bemerkte er leise mit einem feinen Lächeln.

»Dein Schuh ist offen«, flüsterte Uthe zu ihrer Freundin.

Yasmin schaute auf den Boden.

»Oh«, machte sie und bückte sich, um den Schuh zu schließen. Remus glaubte, ein reißendes Geräusch gehört zu haben, doch das Szenario vor ihm nahm nun seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch.

Die Luke öffnete sich und eine große Kreatur mit einem Horn auf dem Kopf trat heraus. Sie war etwas mehr als zwei Meter groß. Am auffälligsten war das in sich gewundene Horn. Die Körperfarbe war grün, manche Stellen waren von braunen Haaren bedeckt. Filzig und nass hing eine Mähne vom Kopf herunter. Das Wesen trug eine Kampfrüstung. Die dolchscharfen Eckzähne lugten aus dem Maul. Dahinter verließen Goshkan und Cau Thon das Raumschiff. In Remus stieg nun auch Angst auf. Diese beiden Kreaturen waren wie Dämonen. Unter ihrer Führung war viel Blut vergossen und unsägliches Leid gesät worden.

Als hätte er alle Zeit der Welt, trat Cau Thon auf die verkratzte und dreckige Gangway der Fähre und schritt hinunter. Braunrote und schwarze Flecken und Schleifspuren ließen erahnen, dass über diese Gangway einst Leichen oder Schwerverletzte gezogen wurden – oder war es seine Ausstrahlung, die diesen Eindruck erweckte? Goshkan und das andere Monster folgten ihm.

Remus bemerkte, dass Tass Ambol ebenfalls sehr aufgeregt war. Der Premierminister ballte die Hände zu Fäusten und bewegte sich unruhig hin und her. Nicht gerade das beste Beispiel für einen Repräsentanten, doch zu seiner Verteidigung musste Remus einräumen, dass nur die wenigsten Administratoren einen diplomatischen Empfang mit zwei Söhnen des Chaos abhalten mussten.

Cau Thon musterte Tass Ambol abfällig und ging an Haggar vorbei, ohne ihn zu beachten. Vor Gal’Arn blieb er stehen. Ein diabolisches Lächeln umspannte Cau Thons Lippen.

»Seit nunmehr fünfzehn Jahren bekämpfen wir uns. Du hast meinen Respekt erlangt, Ritter der Tiefe.«

Gal’Arn schwieg.

»Elyn.« Cau Thon kannte offenbar die Alyske. »Die Tochter Eorthors versucht neue Allianzen zu schließen. Ein kluger und dennoch sinnloser Schachzug.«

»Wir werden sehen«, antwortete Elyn scheinbar unbeeindruckt.

Doch Remus bemerkte, wie sich ihr Körper straffte, ihre Hände zu Fäusten ballten. In ihren Augen spiegelte sich Verachtung für Cau Thon wieder. Bisher hatte Remus die Alyske als ruhige, ausgeglichene Person erlebt, doch ihr Blick zu Cau Thon sagte alles. Sie musste ihn gewaltig hassen.

»Hach, ich erinnere mich noch damals an unsere Differenzen im Kreuz der Galaxien.«

Elyn schwieg. Sie schien unter großer Anspannung zu stehen. Remus vermutete, dass sie und Cau Thon eine alte Fehde verband.

Thon ging weiter. Remus versuchte, so gelassen wie möglich zu wirken. Er wollte Cau Thon keinen Grund geben, über ihn zu triumphieren. Der Sohn des Chaos wanderte an Remus vorbei, würdigte ihn keines Blickes. Remus wusste nicht, ob er erleichtert oder sauer sein sollte. Thon schien mehr Interesse für die Schwächsten im Raum zu haben: Yasmin und Uthe.

»Ich spüre eure Furcht. Es ist so offensichtlich, dass ihr um euer Leben und eure Zukunft bangt.« Er grinste. »Uthe Scorbit, unfreiwillige Heldin in Zerachon und im HELL-Sektor. Und doch bist du voller Angst. Du hattest nichts als Glück. Du besitzt keinen Mut, weil du an nichts, außer an dein kleines, armseliges Leben glauben kannst …«

Uthe brachte keinen Ton hervor. Sie starrte Cau Thon an und begann zu zittern. Der Sohn des Chaos weidete sich daran. Dann wandte er sich Yasmin Weydner zu. Auch sie strahlte keinen Funken Sicherheit aus. In ihren himmelblauen Augen stand Panik.

»Es ist immer wieder erquickend, alte Leidensopfer erneut zu treffen. Hast du noch Alpträume von der BAMBUS?«

»Ich …«

Yasmin stockte, stammelte etwas Unverständliches. Sie wirkte unsicher, schien Angst zu haben, ihn aus den Augen zu lassen. Cau Thon amüsierte sich. Dann packte er sie an den Haaren und zog sie zu sich heran. Seine gelblichen Augen blitzten. Sofort trat Gal’Arn einen Schritt näher, die Hand fest am Knauf seines Schwertes. Cau Thon ballte die Hand in ihren Haaren zur Faust. Er sprach halblaut und ruhig in ihr Ohr.

»Es wird noch viel schlimmer werden. Das Leid auf der BAMBUS war nur der Anfang. Schon bald wird das Chaos regieren.«

Yasmin begann zu weinen. Er ließ sie los. Uthe riss sie an sich und nahm ihre Freundin in den Arm.

»Bist du nur gekommen, um uns zu verhöhnen?«, rief Gal’Arn, sichtlich gereizt über Cau Thons Auftritt. »Wenn dem so wäre, sollten wir gleich kämpfen.«

Gal’Arn zog sein Caritschwert. Jonathan tat es ihm gleich. Cau Thon zeigte sich unbeeindruckt, ging provozierend lässig zu Gal’Arn und fuhr mit dem Zeigefinger über seine Klinge.

»Welch edles Schwert! Heute soll es nicht in Blut getränkt werden. Wir sind hier, um zu verhandeln.«

Goshkan grunzte und baute seinen riesigen, elefantenähnlichen Körper vor Jonathan Andrews auf. Der Katrone überragte den Menschen um zwei Köpfe. Seine gewundenen Stoßzähne hingen vor seiner Brust. Remus wusste, dass zwischen den beiden ein Band aus brennendem Hass bestand. Goshkan hatte erst eine, dann noch eine Geliebte Jonathans grausam ermordet.

»Dein Weibchen ist gar nicht hier«, stellte Goshkan fest. Die schwarzroten Augen kreisten unwillkürlich, als suche er den Raum ab. Seine Enttäuschung war unüberhörbar. »Ich werde sie in Cartwheel finden und ihr die Gedärme aus dem Bauch ziehen.«

Mit versteinerter Miene stand Andrews vor dem Katronen. Er hielt sein Caritschwert immer noch in der Hand. Die geringste Bewegung würde den Kampf auslösen. Remus war wie gelähmt. Er war nur ein Zuschauer, konnte die Konfrontation nicht verhindern.

»Genug, Goshkan«, sagte Cau Thon. »Präsentieren wir uns von unserer zivilisierten Seite.« Der Katrone trat einen Schritt zurück. Sein Herr deutete auf die dritte Kreatur, die so wild aussah, dass im Vergleich dazu Goshkan regelrecht kultiviert wirkte. »Dies ist der Dscherr’Urk Agla. Er ist der Kapitän des Flottenverbandes.«

Agla öffnete sein Maul und entblößte seine Zähne. Messerscharfe Hauer von der Länge eines Dolches blitzten auf.

»Eine eigene Kreation?«, erkundigte sich Gal’Arn sachlich.

Cau Thon nickte gelassen.

»Eine Kreation Rodroms. Die Alyske dürfte euch sicherlich berichtet haben, dass MODRORs Inkarnation wiedergeboren wurde.«

Cau Thon kostete jede Sekunde seiner Überlegenheit voll aus. Die Arroganz des Xamouri widerte Remus an. Doch eines musste er dem Xamouri zugestehen: Er war ein Meister der psychologischen Kriegskunst. Abgesehen von Gal’Arn schien jeder hier vor Angst erstarrt, einschließlich Remus selbst. Er sah zu Yasmin herüber, die immer noch zitternd und verstört an ihren rotblonden Locken zog.

Cau Thon bemerkte die Bewegung ebenfalls und ging zu ihr. Beinahe zärtlich fuhr er mit seinem Zeigefinger über ihre Wangen.

»Lache, Kindchen. Solange du es noch kannst, genieße dein sinnloses Dasein.«

Ein ersticktes Schluchzen erklang und ein seltsames Geräusch, als sie zurückzuckte und sich ungeschickt wegdrehte. Gal’Arn räusperte sich.

»Ich störe ungern deinen … Flirt mit Yasmin Weydner, doch erweise uns die Güte und folge uns in den Besprechungsraum.«

Cau Thon lachte heiser.

»Es dünkt mich geradezu danach.«

Nun grölte auch Goshkan.

»Wenn es ihm geeignet dünkt, folge er uns«, mischte sich Andrews ein. Dann wandte er sich Goshkan zu. »Und was ihn angeht, so möchte ich frei nach von Berlichingen zitieren: Er lecke mich im Arsche.«

Grinsend gingen Andrews und Gal’Arn voran. Goshkan stierte seinem Feind hasserfüllt hinterher.

Cau Thon wirkte so souverän wie am Anfang. Mit spöttischer Höflichkeit bat er die Frauen voranzugehen. Doch seine Augen weiteten sich, als er Yasmins Hinterteil sah. Er starrte es an.

Remus war erst irritiert, als er jedoch ebenfalls auf Yasmins Hintern sah, verstand er. Er hatte vorhin richtig gehört: Es war etwas gerissen: ihre zu enge Hose. Aus dem Riss blinzelten ihre Pobacken hervor, die ein roter Tanga nur sehr spärlich bedeckte. Cau Thon wechselte einen kurzen Blick mit Remus Scorbit. Er wirkte verwirrt. Remus’ Widerspruchsgeist lebte auf.

»Die neueste Mode. Ein echter Schrei.«

Damit ging er schnell weiter, hörte aber noch das Murmeln Cau Thons: »Man sollte sie alle ausradieren.«

Verhandlungen

Yasmin Weydner erreichte mit einiger Verspätung den Konferenzsaal. Dafür trug sie nun eine intakte Hose. Abgesehen von Jonathan Andrews und Remus Scorbit hatte ihr Fauxpas allerdings niemanden amüsiert. Die Stimmung war angespannt.

Das Stationspersonal hatte den Konferenzraum auf Hochglanz geputzt. Der mit arkonidischem Gaslord-Holz legierte Besprechungstisch glänzte in einem hellen Braun. Die Stühle, ebenfalls aus Gaslord-Holz gefertigt und mit einem schwarzen Saum auf dem Sitz und der Rückenlehne gepolstert, wirkten nagelneu. Auf dem Tisch standen Tassen und Schalen mit Obst und Gebäck. Auf die Wand wurde der Weltraum mit den zwei anderen Stationen und den tausend Raumschiffen MODRORs projiziert.

Doch angesichts der ernsten Situation würdigte keiner das angenehme Ambiente. Zügig kam man zur Sache.

»Was fordert ihr?«, brachte es Gal’Arn direkt auf den Punkt.

»Das Universum auf einem silbernen Tablett«, erwiderte Cau Thon ruhig. »Wir wollen das Sternenportal beherrschen. MODROR wird nicht den ersten Schuss abfeuern, doch wir werden sein Reich ausdehnen. Das ist der Beginn der Eroberung der Lokalen Gruppe.«

Tass Ambol und Murate Haggar waren sprachlos. Cau Thon ließ sich davon nicht beirren.

»Zuerst fordern wir allerdings logistische Unterstützung für unsere Truppen. Nahrung hauptsächlich. Es werden bald noch mehr Schiffe hier eintreffen.«

»Dir ist klar, dass die Liga Freier Terraner nicht kampflos das Gebiet abgeben wird.«

Gal’Arn sah Cau Thon herausfordernd an. Remus wusste, dass die beiden die Sache lieber mit dem Schwert ausgetragen hätten, anstatt mit Worten an einem runden Tisch. Doch Cau Thon schien mit dieser grotesken Verhandlung irgendetwas zu bezwecken.

»Nun, dieses Mal werden euch die Kemeten nicht helfen können. Die Zahl eurer Verbündeten schrumpft. Die Saggittonen und Akonen werden vom Quarterium und den Dorgonen in Schach gehalten, die Völker in M 87 kümmern sich um ihre eigenen Probleme und Arkon wird uns unterstützen.«

Cau Thon machte eine kleine Pause. Die Tätowierung auf seiner rötlichen Stirn schien ein Eigenleben zu entwickeln, während seine Mimik unbewegt blieb. »So frage ich mich, womit ihr euch wehren wollt.«

Gal’Arn schwieg. Remus saß kerzengrade da, Elyns violettblaue Augen blickten gedankenschwer ins Leere, Yasmins Mund stand offen. Uthes Abwehr war reiner Panik gewichen. Haggar saß an der vordersten Kante seines Sitzes und Tass Ambol rutschte auf seinem Platz hin und her. Cau Thon lehnte sich gelassen zurück, drehte den Sessel und blickte aus dem großen Fenster. Sie starrten auf die schwarze Kapuze.

»Natürlich gestatten wir euch weiterhin, das Sternenportal zu benutzen, um Handel mit dem Quarterium zu betreiben. Vorerst. Doch wir kontrollieren natürlich die Transporter.«

Remus biss sich auf die Lippe. Am liebsten wäre er auf diesen arroganten Sohn des Chaos losgegangen, der voller Eitelkeit die Bedingungen diktierte.

»Sie … Sie …«, stotterte Tass Ambol, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte. »Sie verlangen Unmögliches. Das grenzt ja an eine Blockade. Das ist illegal.«

»Oh, wirklich?«

Cau Thons Bedauern überzeugte nicht. Das hätte jedem im Raum klar sein müssen. Anscheinend war Tass Ambol jedoch völlig weltfremd. Selbst Yasmin traute Remus eine bessere Einschätzung zu als Tass Ambol.

»Ich werde Beschwerde einreichen. Sie können nicht einfach das Sternenportal blockieren. Wissen Sie überhaupt, welchen wirtschaftlichen Schaden Sie damit verursachen? Selbst die Verzögerungen durch Ihre Kontrollen kosten bares Geld.«

Mit diesen Worten stand Tass Ambol auf und schlug mit den flachen Händen auf den Tisch. Er lehnte sich zu Cau Thon herüber. Remus war von dem Wutausbruch überrascht. Verstehen konnte er ihn und fand ihn doch unklug.

Cau Thons Reaktion gab ihm Recht. Die kalten, goldenen Augen blitzen in plötzlichem Interesse auf, dann senkte der Xamouri den Kopf, zog unvermittelt einen Dolch und hämmerte ihn in Ambols rechte Hand. Der Premierminister schrie gellend auf und versuchte vergeblich, seine angenagelte Hand loszureißen. Hilflos stöhnend starrte er auf die Wunde.

Gal’Arn und Andrews sprangen auf und zogen ihre Schwerter. Cau Thon zeigte keine Aufregung.

»Anscheinend hat selbst Tass Ambol nun den Ernst der Lage verstanden.« Der Sohn des Chaos erhob sich. »Kapitän Agla wird fortan alle Schiffe kontrollieren. Alle Raumschiffe, die sich der Kontrolle entziehen, werden beschossen. Noch Fragen?«

Keiner hatte Fragen. Alles war gesagt. Cau Thon gab Goshkan und Agla einen Wink. Sie verließen den Konferenzraum. Sofort rief Haggar einen Medoroboter herein, der sich um Tass Ambol kümmerte.

Remus ging zu Gal’Arn und Jonathan.

»Ich verstehe unter Verhandlungen etwas anderes«, meinte Jonathan sichtlich verärgert.

»Wir können nichts unternehmen, bis Perry Rhodan hier auftaucht. Das bedeutet eine lange Wartezeit.«

Elyn, Yasmin und Uthe kamen nun auch hinzu. Remus musterte die wunderschöne Alyske, die sich sehr ruhig verhalten hatte. Dennoch schien sie eine besondere Bedeutung zu haben, denn Cau Thon kannte ihr Volk und sie selbst, hatte von ihrem Vater gesprochen und ihr gedroht.

»Was meinst du, Elyn?«, fragte Remus schließlich. Es interessierte ihn sehr, was die Alyske für eine Meinung hatte, erntete dafür aber böse Blicke von seiner Frau.

»Uns ist allen bewusst, dass Cau Thon mit uns spielt. Welchen Plan er verfolgt, weiß ich noch nicht, doch früher oder später wird er die Raumstationen angreifen.«

Gal’Arn nickte zustimmend.

»Diese Dscherr’Urk gefallen mir nicht. Es müssen Kreuzungen aus Dscherro und diesen Turuk aus Shagor sein.«

»Rodrom ist mächtig und hat schon immer gern genetische Experimente durchgeführt. Die Dscherr’Urk sollten wir nicht unterschätzen.«

»Woher weißt du das alles, Elyn?«, wollte Yasmin Weydner wissen.

Die Alyske lächelte.

»Mit über 2000 Jahren Lebenserfahrung weiß man einiges. Mein Vater hat vor vielen Äonen bereits gegen Rodrom gekämpft. Die Alysker sind sowohl mit DORGON als auch mit MODROR eng verknüpft.«

»Aha«, machte Yasmin. Sie schien nicht ganz zufrieden mit der Antwort zu sein.

»Gal’Arn hat recht, wir werden früher oder später kämpfen müssen«, fuhr Elyn fort. »Kommt mit, ich lehre euch, wie sich eine Frau verteidigt.«

Mit einer Geste forderte sie Yasmin und Uthe auf mitzukommen. Yasmin folgte sofort, während Uthe die Alyske zögernd musterte und dann dankend ablehnte. Remus verdrehte die Augen. Dass seine Frau immer alles zurückweisen musste!

»Dir wird nichts anderes übrigbleiben, als zu kämpfen. Wenn du sterben willst, dann brauchst du nichts tun, denn dann musst du dich nicht wehren. Willst du leben, bringe ich dir etwas bei.«

Uthe seufzte und verdrehte die Augen. Dann willigte sie in Elyns Vorschlag ein. Die drei Frauen verließen den Raum. Murate Haggar begleitete den Medoroboter, der den verwundeten Premierminister in die Krankenstation brachte. Gal’Arn sah Remus Scorbit und Jonathan Andrews ernst in die Gesichter: »Es brechen schlechte Zeiten für die Bewohner der Raumstationen an. Je eher Rhodan kommt, desto besser.«

Frauengespräche

Elyn packte Yasmins Arm, ging in die Hocke und drückte mit ihrer Schulter gegen die Achsel der Terranerin. Dann hebelte sie die pummelige Frau aus, rollte sie über sich hinweg und ließ sie unsanft auf die Matte plumpsen. Ohne einen Moment zu verlieren, wirbelte sie herum und kickte Uthe Scorbit die Füße weg.

Wütend kreischte die Terranerin auf. Sie hielt sich das Bein. Elyn überkam das Gefühl, zu weit gegangen zu sein. Sie ging zu Uthe und reichte ihr die Hand. Die ignorierte sie und versuchte, allein aufzustehen. Es gelang ihr nicht. Schützend umklammerte sie ihre Knöchel.

»Du dumme Kuh hast mich verletzt!«

»Das lag nicht in meiner Absicht.«

Uthe verzog wutentbrannt das Gesicht. In der Zwischenzeit hatte sich Yasmin wieder aufgerappelt. Sie atmete schwer, ihr lockiges Haar stand wirr um ihren Kopf. Sie wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht.

»Stell dich nicht so an, Uthe. Als Trainerin ist Elyn wirklich cool.« Yasmin half ihrer Freundin hoch, bis sie ziemlich wacklig auf den Beinen stand. »Diese Kicks sind toll.«

Yasmin versuchte selbst einen Sidekick, schaffte es nicht ganz herumzuwirbeln und beförderte Uthe wieder auf die Matte.

»Ups«, machte Weydner und kicherte selbstzufrieden. Elyn schmunzelte ebenfalls. Uthe Scorbit hingegen fand das gar nicht lustig. Verbissen massierte sie ihr Bein. Versöhnlich setzte Elyn sich neben sie. Yasmin hockte sich im Schneidersitz zu den beiden.

Die Alyske begann sich von allen Fragen und Gedanken frei zu machen, tauchte in die Meditation ein und sah Uthe Scorbits Jhi. Der größte Teil ihrer Aura war weiß, gesund. Doch manche Bereiche verfärbten sich dunkel, wurden stellenweise sogar grau. Elyn vermutete, dass es um Uthes Lebensenergie nicht bestens bestellt war.

Sie spürte Uthes Konflikt, ihren Hass und ihren inneren Kampf. Diese Terranerin war ganz und gar nicht mit ihrem Leben zufrieden. Das belastete sie auch gesundheitlich. Ihre innere Unruhe schlug sich in ihrem Jhi wieder.

Yasmin Weydner hingegen hatte weniger mit sich selbst zu kämpfen. Ihre Jhi-Aura war weiß. Sie war von schlichterer Natur als Uthe Scorbit. Wahrscheinlich hatte sie deshalb ein ausgeglichenes Gemüt.

Elyn dachte für einen Moment an das Jhi in Siom Som zurück, schweifte ab in die Vergangenheit. Rodrom – sein Jhi hätte sie beinahe umgebracht. Noch nie in ihrem Leben hatte sie so viel aggressive Dunkelheit gespürt. Seine negative Lebensenergie war für Wesen mit Elyns Fähigkeiten überall in den estartischen Galaxien zu spüren gewesen. Millionen dunkle Jhis, voll von Leid und Tod.

Die Begegnung mit Rodrom – seit dem Tod ihrer Mutter und der Katastrophe im Kreuz der Galaxien hatte sie nicht mehr solche Angst gehabt. Damals verstand sie, warum ihr Vater selten über Rodrom gesprochen hatte. Die Präsenz Rodroms und der Söhne des Chaos war unheimlich. Sie säten Furcht.

Und dennoch gab es Hoffnung für die Schwächeren. Elyn wollte ihren Teil dazu beitragen. Sie konnte nicht alle tausend Schiffe MODRORs besiegen. Aber sie konnte den Bewohnern der Raumstationen helfen, sich auf das drohende Gefecht vorzubereiten.

Mit diesen beiden Terranerinnen, die ihr auf Anhieb sympathisch waren, wollte sie beginnen. Sie spürte auch bei Uthe die positiven Seiten. Elyn bedauerte ihre seelische Unruhe. Uthe wäre zu so viel Gutem in der Lage, wenn sie mit sich selbst im Reinen wäre.

»Schläfst du?«

Elyn öffnete die Augen. In der Tat war sie völlig in ihren Gedanken versunken gewesen. Yasmins Frage hatte sie wieder zurückgeholt. Die Alyske lächelte verlegen.

»Nein, ich habe meditiert und euer Jhi studiert.«

»Na toll«, meinte Uthe störrisch.

»Was ist das Jhi?«, wollte Yasmin wissen.

»Lebensenergie, die jedes Wesen besitzt. Ob Intelligenzwesen, Pflanze oder Tier. Ich vermag diese Energie zu sehen und teilweise auch einzusetzen.«

»Dann setze sie mal ein, um Cau Thon loszuwerden.«

Uthe umfasste weiterhin ihr verletztes Bein. Die Alyske wollte ihr die Macht des Jhi demonstrieren. Sie legte ihre Hand auf die lädierte Stelle und verband sich meditativ mit ihrem Jhi. Die Verletzung war klein, eine einfache Verstauchung. Elyn konnte mühelos Uthes Jhi in dieser Körperregion stärken und ihr die Schmerzen nehmen.

Die Terranerin sah Elyn fassungslos an.

»Wie hast du das gemacht?«

Elyn lächelte. Sie war froh, Uthes Interesse geweckt zu haben.

»Mit Hilfe des Jhi. Körper und Geist, zu einer Einheit verbunden, sind zu vielen mächtigen Handlungen in der Lage.«

»Danke«, kam etwas zögerlich von Uthe. »Was steht als nächstes auf deinem Trainingsplan?«

»Ausruhen …«

Elyn wollte wieder etwas meditieren. Sie merkte jedoch schnell, dass Uthe und Yasmin wenig damit anfangen konnten.

»Erzähl doch mal ein wenig über dich …«, fing Yasmin plötzlich an. »Oder wollen wir heute Abend mal in die Kneipe gehen, etwas abhotten und ein, zwei Vurguzzcola trinken?«

Sie grinste breit. Uthe seufzte und wirkte wieder genauso genervt wie zu Anfang des Trainings. Elyn schätzte die Offenheit der beiden Frauen, doch anscheinend verkannten sie immer noch den Ernst der Lage.

Dennoch beantwortete sie zuerst Yasmins Fragen.

»Ich bin von den Alyskern, einem uralten Volk, das seit Äonen im Dienste der Kosmokraten, aber auch DORGONs steht. Meine Heimatgalaxis wird das Kreuz der Galaxien genannt. Umgerechnet bin ich 2436 Jahre alt. Ich bin hier, um euch im Kampf gegen MODROR zu unterstützen. DORGON persönlich wünscht es.«

Mehr wollte sie wirklich nicht verraten. Noch nicht. Wenn Perry Rhodan die Station erreichen würde, war die Zeit dafür gekommen.

»Und ich denke nicht, dass im Moment die Zeit zum Feiern gegeben ist. Wir haben andere Sorgen, Yasmin.«

Yasmin nickte. Sie schien das zu verstehen. Zumindest tat sie gegenüber Elyn so. Uthe grenzte sich weiterhin von Elyn ab. Sie sagte kaum ein Wort und tat so, als würde sie das alles nichts angehen.

»Mit 2436 hast du bestimmt schon viele Freunde gehabt?«

Yasmin kicherte.

»Nun, ihr zählt dazu«, gestand Elyn.

Yasmin schüttelte den Kopf.

»Mit Freunden meine ich Liebhaber …«

»Oh«, machte Elyn. Sie dachte an ihre wenigen Beziehungen zurück. Es waren nicht viele und dennoch wünschte sie sich nicht mehr. »Weniger als du annimmst. Bevor ein Mann nicht meine Seele und mein Herz erobert hat, wird er auch meinen Körper nicht bekommen.«

»Wie romantisch«, meinte Yasmin. »Bei mir ist auch nicht viel zustande gekommen, bis jetzt …«

»Müssen wir über unsere Bettgeschichten plaudern? Dachte, wir hätten was Wichtigeres zu tun.«

Elyn war nahe dran, Uthe Scorbit noch eine Extralektion in Kampfsport zu geben, diesmal mit etwas mehr Schmerzen. Die Frau war derart beharrlich negativ. Die Alyske verstand gar nicht, wie jemand so Widerwilliges so viele Heldentaten vollbringen konnte.

Elyn sprang auf und lief zum Waffenschrank. Sie holte zwei Schwerter heraus und warf sie den beiden Terranerinnen zu. Weder Uthe noch Yasmin fingen die Schwerter auf. Sie mussten sich nach ihnen bücken. Elyn nahm nun ihr eigenes aus Caritlegierung.

»Greift mich an«, bat die Alyske. Uthe und Yasmin sahen einander fragend in die Augen, dann hoben sie die Schwerter und gingen zögerlich auf Elyn zu. Die Alyske vermutete, dass keine der beiden sich so recht traute, den ersten Schlag zu machen. Doch dann holte Uthe aus. Mühelos entwaffnete Elyn sie und schlug mit einem Streich auch der verdutzten Yasmin das Schwert aus der Hand.

»Das kann noch ein langer Weg für euch beide werden …«

5. Familienbesuch

17. April 1306 NGZ, SOLARIS STATION

Remus Scorbit war hoch erfreut über den überraschenden Besuch seines Onkels Henry »Flak« Portland. Der fünfhundert Meter durchmessende LFT-Kreuzer HAWAII war vor zwanzig Minuten aus dem Sternenportal gekommen. Und nur wenige Minuten darauf hatte Remus das persönliche Communiqué Portlands erreicht, dass er Remus und Uthe gerne beim Essen sprechen würde.

Uthe war alles andere als begeistert über diesen Überraschungsbesuch. Sie fluchte und schimpfte, wusste nicht, was sie anziehen sollte, geschweige denn, was sie zu essen kochen sollte. Also entschieden sie sich, in ein Bordrestaurant zu gehen. Uthe wollte, dass sie sich dort trafen. Während sie sich eine hochgeschlossene, blattbraune Kombination aussuchte, ließ sie sich darüber aus, dass sonst der »penible, alte Sack durch ihre Wohnung schnüffelte«.

Remus regte das natürlich auf, doch er schwieg. Jetzt war nicht die Zeit, um den nächsten Ehestreit loszutreten.

Uthe richtete ihr hochgestecktes Haar, zupfte die Kombination zurecht und säuberte ihre modische Brille. Sie seufzte noch mehrmals, ehe sie endlich bereit war, mit schmerzverzerrtem Gesicht das Quartier zu verlassen.

»Was hast du denn?«, fragte Remus besorgt.

»Migräne, Bauchweh, alles. Ich bleibe am besten zuhause.«

»Uthe, Onkel Henry wünscht uns beide zu sehen. Du weißt doch, was ihm das bedeutet. Außer seiner Frau hat er doch niemanden hier in der Nähe.«

»Wie du meinst. Wenn ich tot umfalle, ist es deine Schuld.«

»Ok. Wird schon nicht passieren«, antwortete Remus, jetzt wieder genervt, und stieg mit seiner Frau in den Antigrav.

Dieser brachte die beiden zum Panorama-Deck. Vor dem Restaurant »Zum kochenden Springer« wartete Onkel Henry bereits. Er ging auf und ab und blickte immer wieder auf das Chronometer. Sie waren zu spät. Onkel Henry war Soldat und liebte daher die Pünktlichkeit. Remus winkte ihm zu. Er setzte ein gequältes Lächeln auf.

»Henry, schön, dich wieder zu sehen. Wie geht es Rhonda?«, rief Uthe überschwänglich, lächelte herzlich und umarmte ihn. Die Begrüßung zwischen Remus und Henry fiel kühler aus. Ein Handschütteln unter Männern.

»Rhonda langweilt sich, ansonsten geht es ihr gut. Und euch?«

»Blendend, bestens, heute geht es mir exzellent«, antwortete Uthe vergnügt. Remus verstand die Welt nicht mehr.

Sie begaben sich in das rustikale Lokal des Mehandor. »Zum kochenden Springer« war eines der beliebtesten Restaurants auf der Raumstation. Das Familienunternehmen servierte bodenständige, galaktische Gerichte. Hauptsächlich war es terranische und arkonidische Küche. Da es kaum noch Extraterrestrier auf den Stationen gab, hatten sie exotische Gerichte weitestgehend von ihrer Speisekarte verbannt. Dabei waren besonders die Muurt-Wurm-Burger bei den Jülziisch früher sehr beliebt gewesen.

Die drei setzten sich an einen Holztisch. Onkel Henry fuhr mit der Hand über das Möbelstück und schien es zu schätzen, dass das Mobiliar hier nicht aus Formenergie bestand.

Er bestellte ein Bier und ein Wiener Schnitzel mit Pommes Frites und reichlich Gemüse. Remus wusste, dass Henry dieses Gericht schon immer liebte und er nicht sehr experimentierfreudig war, was sein Essen anging.

Uthe räusperte sich und schwieg. Remus ergriff das Wort.

»Wie sieht es in Cartwheel aus.«

Henry zündete sich eine Zigarette an. Uthe fing demonstrativ an zu husten, doch das kümmerte Portland herzlich wenig.

»Das Quarterium wird über kurz oder lang Saggittor und Akon in die Knie zwingen. Das ist eine mathematische Gewissheit. Sie verfügen außerdem über die besseren Kommandanten. Die menschliche Bevölkerung steht hinter dem Emperador. Die Extraterrestrier sind politisch und militärisch vorerst erledigt. Es gibt zwar Widerstand, doch es fehlt an Führung, seitdem die USO ebenfalls ausgehoben wurde.«

»Der Feind ist überall auf dem Vormarsch. Nun auch hier«, meinte Remus.

Er nippte an seinem Bier.

»Gibt es Nachrichten aus Siom Som?«

»Leider nicht, mein Junge! Allerdings muss es Jan und Aurec gut gehen, sonst hätte das Quarterium diesen Erfolg vermeldet. Wir haben Agenten dort, doch seit dem Krieg zwischen Saggittor und dem Quarterium ist es schwieriger geworden, den Kontakt herzustellen. Ich gehe aber davon aus, dass dein Bruder tapfer Seite an Seite mit den Estarten und Saggittonen kämpft.«

»Er hätte mal lieber zuhause bleiben sollen«, warf Uthe ein.

Portland verzog die Mundwinkel nach unten und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus.

»Wir werden auch bald wieder nach Terra fliegen. Mein Vater wird dann Remus in die Agrarwirtschaft einarbeiten.«

Remus blickte seine Frau verwundert an. Er traute sich nicht, Henry in die Augen zu schauen, spürte jedoch dessen finsteren Blick auf ihm ruhen.

»Ist das so? Du willst Bauer spielen, während das Schicksal von diversen Galaxien auf dem Spiel steht?«

»Nein«, antwortete Remus.

Nun bedachte Uthe ihn mit einem finsteren Blick.

»Nun«, meinte Onkel Henry, »ich denke, irgendwann wird es zum Krieg zwischen der LFT und dem Quarterium kommen. Dann werde ich das Kommando über ein Kampfraumschiff beantragen. Ich kann gute Männer dort gebrauchen.«

Remus lächelte. Das wäre eine Option. Er nickte, während Uthes Gesichtsausdruck eisig wurde. Das würde ihr nicht gefallen! Gut, wer wäre glücklich, wenn sein Partner in den Kampf ziehen würde?

»Der Krieg ist doch weit weg von Terra. Es besteht überhaupt kein Grund, den Helden zu spielen. Wollt ihr unbedingt sterben?«, fragte Uthe verbissen.

Bevor Portland antworten konnte, brachte ein rothaariger Mehandor das Essen. Remus hatte arkonidischen Lachs, während Uthe eine Reispfanne nach plophosischer Art bekam.

Nun herrschte eine Weile Stille, ehe Remus wieder das Wort ergriff.

»Hast du etwas von Nataly Andrews gehört? Ihr Mann Jonathan ist mit der TERSAL hier. Er würde es bestimmt gerne wissen.«

Portland berichtete über ihre Flucht aus New Turin zusammen mit Natalys Onkel Jaaron und Kathy Scolar. Allerdings war ihr Aufenthalt in der LFT-Botschaft von kurzer Dauer gewesen. Nun hielten sie sich auf Saggittor auf. Portland schätzte die Situation als ernst ein. Er hoffte jedoch, dass es den drei irgendwie gelingen würde, zurück zur LFT-Botschaft zu gelangen.

»Vielleicht ist das Quarterium ja gar nicht so schlimm wie ihr meint«, warf Uthe ein.

»Junge Frau, am besten, du äußerst dich nur zu Themen, von denen du auch eine Ahnung hast«, antwortete Onkel Henry verdrossen.

Jetzt reichte es Uthe. Sie warf ihre Gabel hin und sprang auf.

»Mir ist der Appetit vergangen. Ich muss mir das nicht von einem zerknautschten Alt-Macho sagen lassen. Du lebst wohl noch im Mittelalter mit deinen Gewehren und deinem Militärgehabe. Deinen Sexismus und Chauvinismus kannst du dir sonst wohin stecken. Und höre auf, meinen Ehemann solche Flausen in den Kopf zu setzen. Reicht es nicht, dass Jan in Lebensgefahr schwebt? Musst du unbedingt beide Brüder in Gefahr bringen?«

Uthe schluchzte auf und rannte weinend aus dem Lokal. Portland blickte ihr verdutzt hinterher. Dann aß er kopfschüttelnd an seinem Schnitzel weiter.

Remus wusste, dass Uthe grundsätzlich Recht hatte: Flak nahm Frauen nicht ganz für voll und hatte wirklich extrem konservative Ansichten, wenn es um Politik und Militär ging.

Remus wusste nicht, was er tun sollte. Er hätte Uthe hinterher laufen müssen, doch innerlich hatte er wohl schon längst eine unbewusste Entscheidung gefällt. Er blieb sitzen. Uthe hatte sicherlich recht, dass dieser Krieg gefährlich war, doch Remus konnte und wollte nicht wegsehen, er durfte nicht tatenlos herumsitzen, während Jan da draußen irgendwo kämpfte. Er wollte zu seinem Bruder.

*

Nach dem Essen ging Onkel Henry seinen Geschäften nach und traf sich mit LFT-Offiziellen aus Terra. Remus informierte Jonathan über die Anwesenheit von Flak und die Neuigkeiten über Nataly. Remus arrangierte ein Treffen zwischen den beiden. Schon am Abend reiste Onkel Henry bereits wieder ab.

Uthe schien das zu freuen, wenngleich Remus an diesem und in den folgenden Tagen die volle Bandbreite ihres Unmuts zu spüren bekam.

6. Rhodans Ankunft

23. April 1306 NGZ, SOLARIS STATION

Remus schreckte schon beim ersten Piepton hoch. Er sah kurz zur Seite. Uthe schlief tief und fest. Remus stand auf und lief zum Interkomgerät.

»Was gibt es?«

»He, Alter, schon wach?«

Es war Jonathan Andrews Stimme. Remus rieb sich den Schlaf aus den Augen und blickte auf sein Chronometer. Er kommentierte die frühe Uhrzeit mit einem lauten Seufzer.

»Was ist denn so Wichtiges?«

»LFT-Schiffe haben die Station erreicht. Dreitausend Raumer aller Art. Dazu hat die USO auch noch einmal zweitausend Schiffe geschickt.«

Remus lachte auf.

»Wenn das keine guten Nachrichten sind, was dann?«

»Ruhe!«

Remus zuckte zusammen. »Deine Alte?«, fragte Andrews.

»Ja …«

»Komm zu mir, wir trinken Kaffee …«

Das ließ sich Remus nicht zweimal sagen. Er eilte in Jonathans Kabine. Der Kaffee war bereits fertig. Jonathan wirkte ein wenig niedergeschlagen. Remus vermutete, dass er an Nataly dachte, von der er seit mehr als zehn Monaten getrennt war.

Gestern hatte er dem Freund sofort von Onkel Henrys Bericht erzählt: Dass Nataly sich mit ihrem geretteten Onkel, dem Chronisten der Insel Jaaron Jargon und Kathy Scolar auf Saggittor befand.

Nun, eine wirklich gute Nachricht war das auch nicht. Die Schlacht um Saggittor und Akon tobte seit knapp fünf Monaten und alles deutete auf einen Sieg des Quarteriums hin. Zumindest laut Onkel Henrys Prognose.

Jonathan hatte Portland vor dessen Rückreise einen Brief an Nataly mitgegeben, für den Fall, dass er sie treffen sollte. Remus wünschte es seinem Freund.

Es war schon seltsam: Remus hatte in den letzten Jahren auf nichts verzichten müssen und war dennoch nicht glücklich. Uthe nörgelte täglich an ihm herum. Es lief überhaupt nicht gut zwischen ihnen. In keiner Hinsicht. Remus empfand sein Dasein als ziemlich sinnlos, wenn er an Jonathans Aufopferungsbereitschaft und Erlebnisse dachte. Er wollte auch wieder etwas Wertvolles tun.

»Die LEIF ERIKSSON ist auch unter den Schiffen. Perry Rhodan persönlich kommt gleich an Bord«, erklärte Jonathan. »Bull ist wohl auch mit dabei.«

»Hoffentlich haben die beiden eine zündende Idee. Sonst sind wir ganz schön aufgeschmissen.«

Gal’Arn betrat Andrews Kabine. Der Ritter der Tiefe wirkte munter wie eh und je. Remus überlegte, ob er nicht auch einmal anfangen sollte zu meditieren.

»Remus, informiere deine Frau und Yasmin Weydner. Rhodan wünscht alle zu sprechen, die mit Cau Thon in Kontakt waren.«

Remus nickte.

»Was wird Rhodan tun?«, wollte er wissen.

Gal’Arn wirkte sehr entschlossen.

»Wenn es sein muss, wird er kämpfen. Wie wir!«

*

Perry Rhodans Ausstrahlung war unbeschreiblich. Auch Remus Scorbit konnte sich dem Charisma des Unsterblichen nicht entziehen. Er war hochgewachsen, seine grauen Augen strahlten Souveränität aus.

Remus betrachtete der Reihe nach die Anwesenden: Gal’Arn, Jonathan, Elyn, Uthe, Yasmin, Tass Ambol, Murate Haggar und natürlich Reginald Bull sowie Perry Rhodan selbst.

Zuerst schilderte Gal’Arn die Sachlage und ließ dabei kein Detail aus, das wichtig sein konnte.

»Seit einem Monat verhält sich die Flotte ruhig. Wir wissen nicht einmal, ob Cau Thon und Goshkan noch an Bord sind. Seit knapp drei Wochen haben wir nichts mehr von den Söhnen des Chaos gehört«, schloss der Ritter der Tiefe den Bericht.

Rhodan hatte sich im Sessel zurückgelehnt, die Hände vor dem Gesicht gefaltet und schien nachzudenken. Er schaukelte mit dem Sessel leicht vor und zurück.

»Was sagst du, Dicker?«

Die Frage war an Reginald Bull gerichtet, der plötzlich einen hochroten Kopf bekam. Gefiel es ihm nicht, dass Perry Rhodan ihn vor den anderen »Dicker« genannt hatte?

»Blasen wir die Viecher ins Nirwana.«

Rhodan schmunzelte.

»Ich hatte so was in der Art von dir erwartet.« Er stand auf und lief durch den Raum. »Doch wir wissen zu wenig über die Technologie der fremden Raumschiffe. Es kann gut möglich sein, dass sie es mit fünftausend LFT-Schiffen aufnehmen können. Cau Thon verfolgt einen Plan. Nur welchen?«

»Er will mit euch spielen«, erklärte Elyn. Perry Rhodan blickte sie gespannt an. Er kannte Elyn noch nicht.

»Du bist die Alyske. Ich würde gerne mehr über dich und dein Volk erfahren.«

Elyn lächelte. Ein Lächeln, bei dem jeder Mann schwach wurde. Remus war sicher, dass Rhodan von Elyns Anblick ebenso fasziniert war, wie die restlichen Männer in diesem Raum.

»Alles zu seiner Zeit, Perry Rhodan. Es gibt vieles, was ich dir in Kürze berichten werde. Doch vorher müssen wir uns der Probleme hier und in den estartischen Galaxien annehmen.«

Rhodan nickte.

»Haggar, stellen Sie eine Verbindung zum feindlichen Flottenverband her, ich will mit Cau Thon sprechen.«

Der Kommandant der Raumstation bestätigte. Dann wurde er über Interkom von einem seiner Offiziere über die Ankunft eines dritten Verbandes informiert.

»Sir, die USO hat Verstärkung bekommen. Ein kleiner Flottenverband unter dem Befehl der GREAT MASUT.«

Remus entging die Verwunderung nicht, die sich Momente lang in Rhodans Gesicht abzeichnete.

»Mein Sohn ist hier? Bitten Sie Monkey und Mike zu uns. Mal sehen, was die sich ausgedacht haben.«

Perry schüttelte den Kopf und seufzte. Dann begann er zu schmunzeln und wandte sich an Bull: »Immer muss Mike seinen eigenen Schädel durchsetzen.«

»Wie der Vater, so der Sohn«, gab Bull trocken zurück.

Wenig später betraten jede Menge illustre Gestalten den allmählich überfüllten Besprechungsraum. Zuerst kam der gewaltige Oxtorner Monkey, dann einige Terraner, die in Remus’ Augen aussahen, als seien sie frisch vom Karneval gekommen. Sein Befremden war ihm anzusehen. Bull informierte ihn in wenigen Worten darüber, dass sich die Freihändler so kleideten.

Dann betrat Michael Rhodan selbst in den Raum. Remus erkannte ihn jedoch kaum wieder. Der 1,89 Meter große Unsterbliche hatte sich in Roi Danton verwandelt, jedoch in die etwas derbere Ausgabe. Statt Stöckelschuhen und Seidenstrümpfen, trug er jetzt kniehohe Stiefel. Um die Hüfte war ein Gürtel mit Degen und einer Projektilwaffe geschnallt. Die rotblonden Haare waren dunkel gefärbt und ein Spitzbart zierte Dantons Kinn.

»Bonjour Monsieurs et Madmosielles«, grüßte Danton in französischer Sprache. Er breitete die Arme aus, umarmte seinen Vater und drückte ihm geziert zwei Schmatzer auf die Wangen. Er wiederholte die Prozedur bei Reginald Bull.

Rhodan reagierte befremdet auf das Auftreten seines Sohnes. Danton ignorierte das und schlenderte zu Uthe und Yasmin, um ihre Hände zu küssen.

»Merveilleusement!«

»Häh?«, gab Yasmin wenig geistreich von sich.

»Je dois m’éxpliquer! Ich spreche von Ihrer unfassbaren Schönheit, meine Teuersten.« Danton gab der Syntronik den Befehl, einen Formenergiesessel zwischen Yasmin und Uthe zu projizieren. Der Zellaktivatorträger setzte sich zwischen die beiden und legte seine Arme behaglich um ihre Schultern. Remus hielt den Freihändlerkönig jetzt schon für einen Spinner. Und es störte ihn, dass er seine Frau anfasste.

»Ich muss im Himmel sein, zwischen zwei Engeln. Parbleu! Dabei haben wir doch noch gar nicht gekämpft. Also kann ich noch gar nicht tot sein.«

Er drückte die beiden, die anscheinend auch nicht so recht wussten, was sie tun sollten. Yasmin kicherte verlegen. Und Uthe – sie schien das irgendwie zu genießen. Das brachte Remus auf die Palme. Da kam so ein dahergelaufener Freibeuter und flirtete mit seiner Frau. Und es gefiel ihr! Remus atmete tief durch. Es würde sicher nicht gut für ihn sein, wenn er mit Rhodans Sohn tat, worauf er jetzt Lust hatte.

»Madmosielle Weydner, Madmosielle Scorbit! Ich habe schon so viel von Ihnen gehört. Der Ruhm Ihrer Grazien wird der Wahrheit jedoch nicht gerecht.«

Remus bemerkte, wie geschmeichelt seine Frau von Dantons Komplimenten war. Das gab es doch nicht!

»Gibt es hier schöne Etablissements, wo wir uns heute Abend hemmungslos amüsieren können?«

Heißer Zorn stieg in Remus auf.

»Hast du was getrunken, Sohn?«

Perry Rhodans Miene war verschlossen. Er schien von dem Gehabe wohl auch ziemlich genervt zu sein.

»Nur ein paar Gläser Wein«, antwortete Roi und grinste Yasmin an. Dann nahm er die Arme von den Schultern der Frauen und sprang auf.

»Doch nun zu unserem Kommen: Monkey, berichte Er bitte über unsere Pläne.«

Danton ließ sich wieder in den Sessel fallen und legte die Stiefel auf den Tisch. Abgesehen von den französischen Floskeln hatte diese Erscheinung nicht mehr viel mit dem affektierten Freihändlerkönig aus den Geschichtsbüchern gemeinsam, fand Remus Scorbit. Roi erinnerte ihn eher an einen rauen Freibeuter aus alten Piratenfilmen. Offenbar genoss der exzentrische Sohn Rhodans diese neu einstudierte Rolle.

Der Freihändlerkönig gab dem Oxtorner ein Zeichen. Monkeys Kameralinsen zoomten etwas zurück, wahrscheinlich, damit er die ganze Runde überblicken konnte.

»Die USO will Verstärkungen nach Siom Som schicken. Wir haben tausend moderne CERES-Kreuzer dabei. Sie haben den Eigennamen PIRANHA und sind mit einem dorgonischen Semi-Transit-Feld ausgestattet.«

Monkey stellte einen Datenträger auf den Tisch und aktivierte eine Holographie. Um die Abbildung eines der modernen 100-Meter-Kreuzer mit Roll-on-/Roll-off-Hangar herum wurden jede Menge technische Details eingeblendet.

»PIRANHA-Schnellraumschiffe sind modulierte Raumer des CERES-Typs. Die PIRANHA-Klasse wurde jedoch mit einem modifizierten Semi-Transit-Feld ausgerüstet, das es ermöglicht, trotz aktiviertem Semi-Transit-Feld feuerfähig zu bleiben. Über die Flexibilität der CERES-Klasse hinaus ist der Vorteil eines PIRANHA also, dass er ein Ziel verfolgen, sich tarnen und überraschend feuern kann. PIRANHAs können deshalb besonders gut bekannte Konvoirouten attackieren«, fügte Monkey hinzu.

»Schön und gut, doch falls du es nicht bemerkt hast, stehen tausend feindliche Schiffe vor dem Sternenportal. Ein Flug nach M 87 dürfte schwer werden.«

Rhodan schien wenig beeindruckt von Monkeys Ausführungen zu sein. Vielleicht gab es immer noch kleine Rivalitäten zwischen der USO und der LFT – auch wenn Rhodan sicherlich wusste, dass er auf die USO zählen konnte? Roi Danton ergriff das Wort, ohne die Stiefel vom Tisch zu nehmen.

»Korrekt, Papa! Aber ich habe einen Plan!«

»Du?«

Danton schien den Sarkasmus zu überhören und fuhr unbeirrt fort: »Wir müssen MODROR austricksen. Und zwar mit Hilfe des Quarteriums. Der Emperador ist ein kluger Mann. Er wird nicht zusehen, wie die Milchstraße von MODROR erobert wird.«

»Wahrhaft ein beeindruckender Plan. Und so ausführlich. Du vergisst nur, dass dein geschätzter de la Siniestro Krieg gegen unsere Verbündeten führt«, ätzte Rhodan.

»Pah!« Roi machte eine allumfassende Geste mit den Armen. »Lassen wir ihm die estartischen Galaxien. Sag deinem Kumpel Aurec, er soll aufgeben. Wir arrangieren uns mit dem Quarterium und erledigen dann MODROR endgültig.«

»Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?«

Wütend sprang Andrews auf und donnerte mit der Faust auf den Tisch. Gal’Arn versuchte ihn zu beruhigen, doch Jonathan stieß ihn weg.

»Wir riskieren unser Leben für unsere Freunde und nun tauchen Sie plötzlich auf, spielen hier den Affen und wollen alles über den Haufen werfen, wofür bereits Tausende gestorben sind? Was bilden Sie sich eigentlich ein, Sie Affe?!«

Andrews setzte sich wieder hin. Roi Danton starrte ihn verwundert an.

»Ja«, kam seine knappe Antwort.

»Bist du sicher, dass du die Torric-Zeit überwunden hast, Mike?«

Remus stieß einen Pfiff aus, den außer Uthe Gott sei Dank niemand zur Kenntnis nahm. Diese Bemerkung traf den Kern der Sache. Michael Rhodan war von Shabazza manipuliert worden und hatte sich in der Galaxis Puydor zum Herren der Zeiten aufgeschwungen. Er war zu einem Mörder mutiert und hatte viel Leid angerichtet. Gucky und Icho Tolot hatten ihn gefunden und nach Mimas gebracht, wo er eine lange Zeit mit seinem anderen Ego, Torric, zu kämpfen hatte. Nach seinen heroischen Einsätzen als Untergrundkämpfer während der SEELENQUELL-Krise auf Terra, schien es jedoch, als sei er wieder genesen. Sein Gebaren am heutigen Tag legte allerdings eine andere Lesart nahe.

»Wie dem auch sei«, mischte sich Monkey ein. Seine dunkle Stimme brachte sie alle zum Thema zurück. »Die PIRANHAs stehen der USO in Estartu zur Verfügung. Ich halte nichts von einem Arrangement mit dem Quarterium. Wir sind Feinde.«

Roi Danton schien verwundert zu sein.

»Ist das so? Dann haben wir unterschiedliche Meinungen. Ich werde mit dem Quarterium verhandeln. Lieber sollen die Somer draufgehen als die Menschen.«

Danton nahm Yasmins Hand und küsste ihr Handgelenk. Er sah ihr tief in die Augen.

»Voulez-vous coucher, avec moi, ce soir?«

»Wie?«, fragte sie entgeistert.

»Mike! Jetzt reicht es langsam! Bist du denn total übergeschnappt? Ich habe ja schon jede Menge Extravaganzen von dir erlebt, aber irgendwann ist Schluss damit!«

Danton sprang auf und ging zu seinem Vater. Die beiden standen einander gegenüber. Remus glaubte, dass sie jeden Moment auf einander losgehen würden. Doch nichts geschah. Rhodan zeigte keine Regung. Roi hingegen fing plötzlich an zu lachen und stupste mit seinem Zeigefinger immer wieder gegen die Brust seines Vaters.

»Extravaganzen? Das sagt genau der Richtige zu mir. Meine Extravaganzen kosteten wenigstens nicht so vielen Menschen das Leben wie deine!«

Rhodan wirkte wie versteinert. Alles Blut wich aus seinem Gesicht.

»Ja, das hörst du nicht gerne, Paps, oder? Es ist aber doch die Wahrheit! Hättest du nicht immer den Großadministrator und Abenteurer gespielt, wären Mama und Susan wohl noch am Leben.«

»Was sagst du da?«

Rhodan wirkte entsetzt. Dieser Vorwurf hatte ihn hart getroffen. Er wich zwei Schritte zurück und musste sich setzen. Sein Sohn deutete weiterhin mit dem Zeigefinger auf ihn.

»Immer glaubst du, dass nur du weißt, was richtig ist. Falsch ist das! Mörderisch falsch! Und Roi Danton wird dir das Gegenteil beweisen. Ihr – wenn ihr nicht mitzieht, dann mache ich es eben ohne euch. Leider.«

Er verneigte sich vor Uthe und Yasmin.

»Es hätte schön werden können mit uns dreien! Ein wenig Wärme in der Nacht …«

Ohne auf eine Antwort zu warten, stürmte er aus dem Raum. Seine Gefolgsleute folgen ihm. Perry Rhodan saß stumm im Formenergiesessel und starrte vor sich hin. Remus war wie vor den Kopf geschlagen. Offenbar hatte sich eben eine familiäre Tragödie im Hause Rhodan abgespielt. Scheu blickte er Uthe an.

*

Perry Rhodan hatte seit dem Streit mit seinem Sohn kaum ein Wort gesprochen. Reginald Bull arbeitete weitere Planungen aus. Rhodan gab entweder seinen Segen oder er lehnte ab. In Gedanken versunken, starrte er immer wieder auf das Sternenportal.

»Ich sehe nur eine Alternative. Wir müssen die USO-Raumer mit Hoheitszeichen der LFT ausstaffieren und sie durch das Sternenportal schicken. So können wir Cau Thon immerhin drohen, dass er einen Krieg gegen die LFT riskiert, wenn er die Schiffe angreift.«

Bull schien bei dem Plan selbst nicht recht wohl zu sein. Aber weder er noch Remus Scorbit oder die anderen hatten einen besseren zur Hand. Die PIRANHA-Kreuzer konnten sich zwar mit dem STF tarnen, so jedoch nicht manövrieren. Ob der Ortungsschutz bei diesen Gegnern wirksam war, wussten sie nicht.

Auch mit Virtuellbildnern konnte man die MODROR-Schiffe nicht zuverlässig täuschen, dafür wussten sie einfach zu wenig über ihre technischen Möglichkeiten. Hätten sie die USO-Schiffe einfach durchgeschickt, wären sie mit zu hoher Wahrscheinlichkeit angegriffen worden. Noch dazu wäre Cau Thon so oder so über die Flottenverlegung informiert. Sie steckten in einem Dilemma.

»Sir, ganz schlechte Nachrichten.« Murate Haggar platzte in den Raum. »Die GREAT MASUT ist zur feindlichen Flotte geflogen.«

Rhodan zog die Augenbrauen hoch.

»Was bezweckt Michael wohl damit?«

Remus hatte ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache. Das konnte doch alles nicht wahr sein!

Dantons Verrat

Elyn grübelte, warum Roi Danton sie überredet hatte mitzukommen – und wieso sie sich hatte breitschlagen lassen. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, direkt in die Höhle des Löwen zu fliegen.

Yasmin Weydner stand neben ihr. Was wohl in ihr vorging? Elyn spürte, dass Yasmin schreckliche Angst hatte. Aber Danton hatte auf sie eingeredet, bis auch sie mitkam. Wieso nur? Die Aktionen des Sohnes von Perry Rhodan waren genauso undurchsichtig wie die von Cau Thon. Und sie verstand nicht, wieso sie sich darauf eingelassen hatte.

Danton stolzierte an den beiden Frauen vorbei. Er roch nach Parfüm. Es duftete nicht einmal schlecht. Ein schwacher Trost.

»Meine Damen, ich bin geehrt, dass Ihr beide mich begleitet. Als Ehrenmann, der ich bin, garantiere ich Euren Schutz.«

Danton verbeugte sich kurz.

Elyn legte eine Kapuze über ihren Kopf. Sie wollte von Cau Thon nicht erkannt werden.

Die Space-Jet flog in den Hangar des feindlichen Schiffes ein. Danton stellte sich hinter seinen Navigator und überwachte das Landemanöver.

»Ich glaube, wir haben einen Fehler begangen«, sagte Yasmin. »Der Typ beherrscht zwar schöne Fremdsprachen, doch ich habe ein ungutes Gefühl, was seine Absichten angeht.«

Elyn nahm Yasmins Hand.

»Mut! Ich bleibe bei dir.«

Die Space-Jet war gelandet. Danton bat die beiden Damen und drei martialisch aussehende, als Piraten verkleidete Gestalten, ihm zu folgen. Sie verließen die Space-Jet und wurden von einigen Dscherr’Urk »begrüßt«. Roi Danton machte einige Schritte, die angesichts seiner schweren Stiefel gerade noch als Tänzeln durchgehen mochte. Er schwenkte die Hand.

»Bonjour, Monsieur. Com’on ça va?«

Der Dscherr’Urk fletschte die Zähne. Elyn bemerkte, dass Yasmin näher an sie herantrat. Doch sie empfand selbst Furcht in dieser Situation. Yasmin und sie waren Danton und Cau Thon ausgeliefert. Was, wenn Rhodans Sohn wirklich nicht bei Verstand war oder mit seiner Sympathieerklärung für das Quarterium Ernst machte?

»Ich bin Agla! Kapitän der Angriffsflotte. Cau Thon erwartet dich«, brüllte der Dscherr’Urk. Dann marschierte er los. Danton drehte sich zu ihnen um, zwinkerte geziert und bat sein Gefolge mitzukommen.

Sie erreichten nach wenigen Dutzend Metern einen düsteren Raum. Dort wartete Cau Thon auf sie. Der Sohn des Chaos wirkte unheimlich wie immer. In seinen rotgoldenen Augen loderte kaltes Feuer. Elyn hoffte, er würde sie nicht erkennen.

»Roi Danton oder Michael Rhodan …«

»Was immer Ihnen beliebt, Sire!«

»Nehmen Sie Platz, Danton.«

Danton setzte sich hin. Cau Thon thronte ihm gegenüber. Elyn sah sich im Raum um. Sie konnte im schwachen Rotlicht kaum etwas erkennen.

»Sie baten um eine Audienz, Danton. Was wünscht der Sohn Rhodans von mir? Wagt sich Euer Vater nicht selbst her?«

Roi fing an zu lachen.

»Haben Sie Wein?«

Cau Thon verschränkte die Hände vor dem Körper. Er befahl einem Zievohnen, Wein zu besorgen. Wenig später hielten beide Unsterbliche ein gefülltes Glas in der Hand.

»Es ist Wein aus Barym. Er dürfte Ihnen trotzdem munden«, erklärte Cau Thon. »Nun zur Sache. Was ist Euer Anliegen?«

Danton nahm einen kräftigen Schluck aus dem Glas und gab einen Laut des Wohlbehagens von sich. Anschließend wischte er sich den Mund ab und lehnte sich entspannt zurück.

»Wie Ihr wisst, war ich nicht immer mit meinem Vater einer Meinung. Diesmal auch nicht. Er will Krieg gegen Dorgon, gegen das Quarterium und gegen MODROR. Das kann die LFT nicht schaffen. Wir müssen uns arrangieren …«

»Interessant. Und Euer Angebot?«

Danton grinste.

»Meine Dienste …«

Elyn glaubte sich verhört zu haben. Hatte Roi Danton da eben tatsächlich einen Pakt mit Cau Thon vorgeschlagen? Der Sohn des Chaos musterte Danton eindringlich. Anscheinend war er ebenso befremdet wie Elyn selbst.

»Ihr würdet niemals Euer Volk verraten.«

»Nein, Sire, das würde ich nicht. Es ist ja zu seinem Besten. Ich strebe den Frieden an. Jeder soll davon profitieren: Dorgon, das Quarterium, die LFT und MODROR. Mein Vater ist einfach zu beschränkt in seinen moralischen Ansichten. Seine Ideen von gut oder böse haben genug Menschen das Leben gekostet. Auch das meiner Mutter und meiner Schwester.« Danton schüttelte den Kopf. »Ich bin Realist. Meine Zeit als Torric hat mir die Augen geöffnet. Die Kosmokraten sind auf der Verliererseite. Warum dann nicht MODROR akzeptieren? Ich nehme einmal an, dass er die Vorherrschaft im Universum anstrebt?«

Thon wandte seinen Blick von Danton ab und musterte stattdessen Elyn und Yasmin Weydner. Elyn senkte rasch den Kopf.

»Wieso ist diese närrische Terranerin hier?«

Danton tat so, als würde er nicht verstehen, wen Cau Thon meinte. Cau Thon fiel darauf nicht rein.

»Yasmin Weydner. Dieser blauäugige Blondschopf. Sie ist zwar beschränkt, aber keine Verräterin.«

Danton lachte schallend.

»Oh, Sie wissen nicht, welche Wirkung ich auf Frauen habe. Sie ist zurzeit meine Mätresse. Ihre Verfügbarkeit beschwingt mich, wenn ich Verhandlungen führe.«

»Soso …«

»Nun, ich würde mich als Mittler zur Verfügung stellen«, bot Danton an. »Wenn es uns gelingt, meinen Vater, Aurec und diese ganzen anderen selbsternannten Altruisten ins Exil zu schicken, könnten wir uns behaglich einrichten – zum Wohle aller. Wir mischen uns nicht mehr in MODRORs Belange ein und Sie lassen uns in Ruhe. Wie klingt das?«

Cau Thon stand auf. Er ging zu Yasmin und Elyn. Die Alyske wich zurück. Thon blieb vor ihr stehen und zog einen Dolch. Elyn war bereit, in jeder Sekunde den Angriff zu parieren. Doch Thon wanderte zu Yasmin, packte sie an den Haaren und hielt ihr die Klinge an die Kehle.

»Ihr wisst, auf was Ihr Euch da einlassen wollt, Danton? Wir teilen nicht dieselbe Ethik. Ein Leben ist wenig wert.«

Danton hob die Hände, setzte zum Sprechen an und stockte auf einmal. Er stand auf, lächelte und schien Cau Thon beruhigen zu wollen. Dazu stellte er sich neben die beiden und legte seine Hand auf den Arm mit dem Messer.

»Aber das wäre jetzt unklug. Ich habe noch viel vor mit ihr. Es wäre doch töricht, mir diesen Spaß zu nehmen. Sie ist gut im Bett. Ihr seid doch keine Spaßbremse, Sire, oder?«

Cau Thon grinste diabolisch. Danton stieß ihn von Yasmin weg und zog seinen Degen. Cau Thon hechtete zu seinem Caritstab. Ohne zu zögern rannte er auf Danton zu und holte aus. Danton wehrte den Schlag ab. Beide parierten ihre gegenseitigen Attacken, bis Thon Rhodans Sohn von den Beinen hob. Roi prallte auf den Boden. Im nächsten Moment saß die Spitze des Caritstabes an seiner Kehle.

»Ihr selbst seid der Tor, wenn Ihr glaubt, dass ich auf diesen Trick hereinfalle, Monsieur Danton.«

»Ein … eintausend Schiffe der USO sollen nach Siom Som gebracht werden. Als Verstärkung. Ebenfalls knapp fünfhundert Schiffe nach M 87. Sehen Sie diese Information als Wiedergutmachung an …«

Thon setzte den Stab ab. Danton setzte sich hustend auf. Yasmin stellte sich hinter Elyn. Beinahe hätte sie ihr dabei die Kapuze heruntergerissen.

»Sie kommen nicht durch das Sternenportal. Unsere Schiffe blockieren den Weg«, stellte der Sohn des Chaos trocken fest. Ächzend erhob sich Danton. Er stand taumelnd auf und versuchte vergeblich, einen würdevollen Eindruck zu machen.

»Ja, schießt sie ab. Es ist sowieso das letzte Aufgebot der USO. Alles CERES-Kreuzer mit hundert Metern Durchmesser. Kleine Einheiten, größere haben sie nicht.«

Michael Rhodan beging den schlimmsten Verrat. Er ermutigte nun sogar Cau Thon zum Abschuss. Eineinhalbtausend Raumschiffe! Tausende von Leben standen auf dem Spiel.

Elyn verstand Rhodans Sohn nicht. Warum nur wechselte er die Seiten? Sie kannte Danton erst seit Stunden. Was sie über ihn wusste, stammte aus Aufzeichnungen. Er war immer extravagant und oftmals auch nicht der Meinung seines Vaters gewesen, doch als Hochverräter hätte sie ihn nicht eingeschätzt, im Gegenteil.

Yasmin stand mit bleicher Miene neben Elyn. Sie zitterte vor Angst. Genauso wie Elyn erkannte sie in diesen Minuten, dass es ein großer Fehler gewesen war, Roi Danton zu vertrauen.

Cau Thon nahm wieder auf seinem Thron Platz.

»Sie sind ein guter Fechter.«

»Merci!«

»Dennoch werde ich die eineinhalbtausend Schiffe nicht angreifen. Ich will jetzt keinen Kampf. Noch nicht. Ich lasse sie gewähren. Sie sind sowieso keine Herausforderung für die dorgonisch-quarteriale Flotte.«

Roi ließ sich in seinen Sessel fallen und applaudierte beeindruckt.

»Ihr Großmut ist grenzenlos.« Dann nahm er einen weiteren kräftigen Schluck aus dem Weinglas. »Ich werde meine Verhandlungen mit dem Emperador führen.«

»Tun Sie das. Vielleicht werden Dorgon, das Quarterium und die LFT dank Ihnen treue Verbündete MODRORs. Es wäre äußerst reizvoll.« Thon lachte leise. »Und Sie wünschen sich sicherlich die Führung der LFT?«

»Oui!«

»Gewährt.«

Danton erhob sein Glas und leerte es. Dann zeigte er auf Yasmin Weydner.

»Meine Teure, leider trennen sich unsere Wege.«

Yasmin sah ihn verängstigt an.

»Wieso?«, fragte sie zögerlich.

Danton grinste, sprang auf und schlenderte auf sie zu. Behutsam streichelte er ihr Kinn.

»Welch zarte Haut! Süße, du musst meinem Vater folgendes ausrichten: Meine Verhandlungen mit Cau Thon verliefen zufriedenstellend. Ich habe meine Ziele erreicht. Die USO-Schiffe dürfen durch das Sternenportal fliegen und ich reise nach Cartwheel, um mit dem Emperador über eine Allianz zu verhandeln.«

Yasmin nickte gehorsam.

»Gut, Kindchen. Sage meinem Vater noch eines: Er soll sich ein hübsches Exil aussuchen, denn lange wird er die LFT nicht mehr regieren. Es wird Zeit, dass ein zeitgemäßer Mann an die Macht kommt.«

Danton fuhr mit dem Finger die Linie von ihrem Kinn bis zur Halsgrube nach. Dann trat er einen Schritt zurück, breitete die Arme aus und verbeugte sich galant.

»C’est moi!«

Nun wandte er sich an Elyn.

»Pilot. Du bringst sie mit der Space-Jet zurück und orderst eine Neue von der GREAT MASUT, die mich und meine Delegation abholt. Während dessen trinke ich mit Monsieur Thon noch von diesem vorzüglichen Wein. Très délicat!«

Während Elyn sich sofort auf den Weg zum Ausgang machte, starrte Yasmin den Möchtegernfranzosen irritiert an.

»Ihr dürft gehen«, sagte Danton lächelnd. »Husch, husch!«

Elyn hakte Yasmins Arm ein und zog sie mit sich. Sie spürte Cau Thons stechenden Blick hinter ihrem Rücken und war froh, unbeschadet dieses Raumschiff zu verlassen.

Auf dem Weg zur Space-Jet erwartete Elyn trotzdem jeden Moment einen Angriff der barbarischen Dscherr’Urk.

»Ich verstehe Roi nicht«, gestand Yasmin. »Wieso hat er Perry Rhodan verraten? Und wieso sollten wir mit?«

Sie fasste sich an die Kehle und stöhnte leise.

»Beinahe hätte Cau Thon mich umgebracht. Dauernd macht er das. Ich hatte solche Angst.«

Elyn drückte Yasmin an sich, spendete ihr Trost. Doch sie dachte auch über Roi Danton nach. Irgendetwas stimmte bei seinem ganzen Auftritt nicht. Womöglich waren die Dinge nicht so, wie sie schienen. Sie hoffte es.

Ungewissheit

Nachdem Elyn und Yasmin Weydner ihren Bericht beendet hatten, wartete die Alyske gespannt auf Rhodans Reaktion. Yasmin schlürfte mit zittrigen Händen einen Tee. Das ganze Abenteuer hatte sie ziemlich mitgenommen. Trotzdem war Elyn der festen Überzeugung, dass die Terranerin tapfer gewesen war.

»Mike verhandelt also mit dem Emperador. Er fällt mir in den Rücken.«

Rhodan klang enttäuscht.

»Und zugleich belügt er Cau Thon, was die Kampfstärke der PIRANHA-Kreuzer angeht und ermöglicht uns sogar, die Schiffe durch das Sternenportal zu schicken.« Rhodan wanderte im Raum umher, schien über die Beweggründe seines Sohnes nachzudenken. »Irgendetwas hat er vor. Nur was?«

»Wie ich den Jungen kenne, will er das Quarterium wirklich für uns gewinnen. Da das Quarterium unabsichtlich MODROR sogar unterstützt durch den Krieg, wäre es gar nicht so übel, wenn Mike Erfolg hätte«, meinte Reginald Bull.

Elyn hatte ähnliches vermutet. Langsam ergab Roi Dantons Gehabe einen Sinn. Rhodans Theorie war zumindest logisch. Danton erschlich sich das Vertrauen von Cau Thon, oder zumindest dessen Wohlwollen. Wenn Danton nun das Quarterium jedoch nicht gegen Rhodan, sondern gegen MODROR aufhetzen könnte, wäre das ein entscheidender Vorteil. Vielleicht würde sich die Politik des Quarteriums dann grundlegend ändern.

Yasmin und Elyn sollten bei der Besprechung mit Cau Thon anwesend sein, um Rhodan davon zu berichten. Die pummelige Yasmin sollte den Xamouri ablenken und in Sicherheit wiegen. Anscheinend hatte der Freihändlerkönig jedoch nicht viel Vertrauen in Yasmins Kompetenz, so dass er die Alyske ebenfalls mitgenommen hatte – die einen scharfen Verstand besaß und der Yasmin genug vertraute, um ihr zu folgen.

Doch sein Auftreten und die Geheimniskrämerei gegenüber seinem eigenen Vater standen Elyns Vermutungen konträr gegenüber. Vielleicht war Danton wirklich nicht mehr Herr seiner Sinne?

Sowohl Roi Danton als auch Cau Thon spielten ein seltsames Spiel mit ihnen. Rhodan hingegen war zu einer Entscheidung gekommen.

»Jonathan, Sie werden die tausend PIRANHA-Raumer zu Aurec bringen. Gal’Arn und Elyn hingegen werden mit den fünfhundert Schiffen in M 87 bleiben. Ich erwarte dort sehr bald einen Feuersturm des Quarteriums.«

Andrews wiederholte Rhodans Befehl, schien aber nicht unbedingt glücklich über die Entscheidung zu sein. Elyn verstand ihn. Er und Gal’Arn waren ein eingespieltes Team.

»Sir, ich möchte Jonathan begleiten«, meldete sich Remus zu Wort. Rhodan lächelte.

»Hatte ich mir gedacht, doch ich möchte, dass Sie auf SOLARIS STATION bleiben. Die Situation ist sehr heikel, ich benötige fähige Männer vor Ort. In Kürze werden Gucky und Will Dean ebenfalls hier eintreffen.«

Elyn bewunderte Rhodans schnelle Entscheidungskraft. Der Unsterbliche hatte innerhalb der wenigen Stunden einen Plan ausgearbeitet, der anscheinend sogar gut durchdacht war.

»Und was machst du?«, fragte Bull.

»Ich werde ebenfalls den Emperador besuchen und ihn offiziell um Beistand gegen die drohende MODROR-Invasion bitten. Du, Dicker, kehrst nach Terra zurück und stellst eine kleine Flotte zusammen. Für den Fall der Fälle.«

Bull grinste.

»Das wird mir ein Vergnügen sein!«

Jonathan Andrews musste sofort los. Auf ihn warteten die tausend Schiffe. Die Verabschiedung lief je nach Grad der Freundschaft mit einer Umarmung oder einem Händeschütteln ab.

Eine halbe Stunde später waren die PIRANHAs bereits durch das Sternenportal verschwunden. Die Schiffe der Dscherr’Urk hatten nicht das Feuer eröffnet. Cau Thon sah in den Schiffen wirklich keine Gefahr für die quarteriale Flotte.

»Was ist, wenn das Quarterium auf Seiten MODRORs wechselt?«, warf Elyn ein. Dieser Gedanke quälte sie schon sehr lange. Wäre sie ein Sohn oder eher eine Tochter des Chaos, hätte sie längst versucht, die Dienste des Quarteriums und Dorgons in Anspruch zu nehmen.

»Um das zu verhindern, werde ich mit Siniestro sprechen. Ein Rhodan wird es schon schaffen.«

Der Unsterbliche gab sich zuversichtlich. Elyn war gewillt, ihm zu glauben. Sie zog Hoffnung immer dem Pessimismus vor.

Hoffnung! Bestand denn noch Hoffnung? Wenn es nach ihrem Vater ging, dann gab es keine mehr, doch sie war um Jahrmillionen jünger als er. Er war ausgebrannt, müde vom ewigen Konflikt zwischen MODROR und DORGON und der auf ihm lastenden Schuld an dem Fehlschlag des Projektes.

Elyn fasste einen Entschluss, den sie ihm sofort mitteilte: »Perry Rhodan, es ist jetzt vielleicht an der Zeit, etwas über mein Volk zu berichten.« Ihr entging Rhodans Verwunderung nicht. Gal’Arn setzte sich gespannt hin. Auch Rhodan wandte sich ihr jetzt aufmerksam zu.

»Die Geschichte der Alysker beginnt mit einer intergalaktischen Katastrophe. Es ist eine Geschichte über Jahrmillionen. Sie wird euch einiges, aber nicht alles über DORGON und MODROR erklären …«

ENDE

Mit Band 85 wechselt die Handlungsebene zurück zu den Unsterblichen Atlan, Alaska Saedelaere und Icho Tolot. Roman Schleifer entführt den Leser in die Geschichte der Alysker. Der Titel des nächsten Bandes lautet:

DIE ALYSKER

DORGON-Kommentar

In diesem Roman führte uns die Handlung wieder zurück in die Milchstraße, zum Sternentor DORGONs, und nach M 87. Wir erhalten viele neue Informationen, die zu Spekulationen einladen. Bevor ich jedoch damit beginne, muss ich wieder mal (ihr seid es inzwischen wohl schon gewohnt) meine Kritik an der dilettantischen Politik der LFT und damit natürlich an der Person des terranischen Residenten loswerden.

So langsam scheint es mir, als ob der gesamten Führung der LFT irgendwie jegliches strategisches Denken abhandengekommen sein muss. Wie anders könnte man es sonst erklären, dass, zumindest nach den Ereignissen im HELL-Sektor, die Gefährlichkeit MODRORs anscheinend noch immer sträflichst unterschätzt wird. Es grenzt schon an bodenlosen Leichtsinn, wenn nicht an absolutes Unvermögen, die im aktuellen Konflikt wichtigste strategische Position der LFT, nämlich das Sternenportal, praktisch militärisch ungeschützt zu lassen.

Warum hat man die Flotte, die dann Perry und Bully erst heranführen müssen, nicht gleich hier stationiert? Warum wurden die drei Stationen nicht zu Raumforts mit entsprechenden Nachschubbasen für die Schutzflotte ausgebaut? Für Cau Thon und Konsorten muss das geradezu einer Einladung zur militärischen Intervention gleichen! Und nun mal wieder meine Frage, wer wird – und vor allem wer kann – die Milchstraße vor MODROR schützen?

Und hier wage ich mich mal wieder weit aus dem Fenster, sogar sehr weit, ich sehe nur noch eine Macht in der Milchstraße, die MODROR stoppen könnte, nämlich Arkon! Ich wage es vorauszusagen, dass es Bostich sein wird, an dem die Pläne der Söhne des Chaos scheitern werden. Das würde übrigens auch den von ES erhaltenen Zellaktivator in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen. Bisher war mir immer unverständlich, warum ES seine ursprüngliche Aussage revidiert haben soll, nämlich, dass die Arkoniden ihre Chance auf die Unsterblichkeit verspielt hätten (siehe PR 19: Der Unsterbliche). Nun erscheint es mir, dass die Arkoniden praktisch als »militärische Schutzmacht« für die Terraner notwendig sein werden.

Und nun aber zu den im Roman aufgezeigten neuen Entwicklungen. Diese möchte ich in zwei Teilen darstellen:

Roi Danton alias Michael Rhodan

Um es mal gleich vorweg zu sagen, endlich mal wieder ein »alter Unsterblicher«, der mich überzeugt und außerdem als Person fasziniert. Vor allem seine Rückkehr als »König der Freihändler« fand ich äußerst gelungen. Für mich steht dabei außer Frage, dass es eben nicht »Torric« ist, der da sein spezielles Spiel mit den Söhnen des Chaos beginnt, sondern Michael, der erkannt hat, dass sein Vater MODROR nicht gewachsen ist. Es bleibt jedoch die Frage, ob es ihm tatsächlich gelingen wird, Cau Thon und die Söhne des Chaos zu täuschen. Ich glaube jedoch, dass seine Chancen gar nicht so schlecht sein werden, denn das Motiv, das er gegenüber Cau Thon geltend macht, ist das älteste der Menschheit: die Gier nach Macht.

DORGON, MODROR und die Alysker

Jetzt wird es richtig interessant, jedoch vorläufig nur in Andeutungen. Welche Rolle spielen die Alysker und vor allem in welcher Beziehung stehen DORGON und MODROR zueinander?

Aus dem, was wir bis jetzt wissen, drängt sich mir eine Parallele auf: ES und ANTI-ES! Aus der Entwicklungsgeschichte wissen wir (ich halte mich dabei an die ursprüngliche Version und nicht an den Zeitschleifen-Irrsinn des Thoregon-Zyklus mit Delorian Rhodan), dass ES im Verlauf seiner Entwicklung seine negativen Bewusstseinspotentiale als ANTI-ES abstoßen musste. Was, wenn etwas Vergleichbares mit DORGON und MODROR geschehen ist? Nur, dass das negative Potential bei MODROR für DORGON viel zu stark war?

Die Alysker wären in diesem Szenario das auserwählte Volk der ursprünglichen Superintelligenz, das jedoch bei der Auseinandersetzung zwischen den positiven und negativen Bewusstseinspotentialen von DORGON/MODROR versagt hätte (wir erinnern uns, auch Perry hatte bei der Auseinandersetzung zwischen ES und ANTI-ES eine entscheidende Rolle – siehe Zyklus »Das kosmische Schachspiel«).

Jürgen Freier

GLOSSAR

Taruntur

Der Konstrukteur des Zentrums ist 2,05 Meter groß. Er ist elegant und zeichnet sich durch seine adäquate Wortwahl aus. Taruntur ist ein ruhiger und besonnener Herrscher, aber auch stolz und eitel.

Er ist der aktuelle Anführer der Konstrukteure des Zentrums und regiert seit einigen Jahrzehnten das Reich. Die Bestien sind sein wunder Punkt. Angestachelt durch Carjul hat er den Angriffen auf Yanok und der Umsiedlung der meisten Pelewon und Moogh nach Cartwheel zugestimmt.

Taruntur sieht immer noch eine große Gefahr in den Bestien, glaubt jedoch, dass keine Gefahr droht, wenn sich M 87 aus allem raushält.

Druid Aflesh

Der Druis Aflesh ist 2,15 Meter groß und wiegt eine halbe Tonne. Seine Haut ist weißgelb. Er ist der Leiter des Sektors Rebuhn, eines Gebiets, welches von Moogh-Rebellen terrorisiert wird.

Aflesh wird von Gal’Arn, Jonathan Andrews, Elyn und Jaktar gerettet. Er erweist sich als sehr dankbar und wird von Taruntur zum Botschafter Druithoras ernannt. Später begleitet er Gal’Arn und die anderen in die Milchstraße. Wie bereits vorher auf der TERSAL, lernt er dort die terranische Küche in all ihren Nuancen kennen und lieben.

Druis

Die Druis bzw. Druisanten, auch Stützpunktingenieure genannt, sind in M 87 beheimatet. Was Intelligenz angeht, sind sie mit den Halutern vergleichbar und ebenso wie diese mit einem Plan- und Ordinärhirn ausgestattet.

Der durchschnittliche Druis ist zwei Meter groß mit einer Schulterbreite von 1,30 Metern. Aufgrund seiner sechs Gliedmaßen ähnelt er den Halutern. Seine Gliedmaßen besitzen sechs Finger bzw. Zehen.

Ein Druis besitzt einen halbkugelförmigen Kopf, dessen Durchmesser an der Basis etwa 50 Zentimeter beträgt. Seine vier Augen haben einen Durchmesser von je fünf Zentimetern und schimmern gelblich. Sein Mund ist rachenförmig mit einer sägezahnartigen Zahnreihe. Er besitzt je zwei Nasen- und Ohrenöffnungen, die er mit Hautlappen verschließen kann. Die Haut ist nahezu blütenweiß mit unregelmäßigen gelben Flecken am Bauch.

Als Rangabzeichen besitzen die Druis blauleuchtende Steine, die mit der Brusthaut verwachsen sind, wobei eine höhere Anzahl an Steinen einen höheren Rang bezeichnet. Ein Druisant besitzt zum Beispiel 22 auf seiner Brust verwachsene Steine.

Da die Steine auch eine kontrollierende Wirkung besitzen, ist anzunehmen, dass mit zunehmender Anzahl auch eine zunehmende ›Linientreue‹ mit den Konstrukteuren des Zentrums einhergeht.

Als Kleidung bevorzugen die Druis dünne, beinahe durchsichtige, togaähnliche Gewänder. Auf ihrem Kopf befindet sich ein mittels Saugring fixiertes pyramidenförmiges Steuergerät für einen Individualschutzschirm. Dieses Steuergerät ist auf die Gehirnfrequenzen seines Trägers abgestimmt und kann mittels eines gezielten Gedankenimpulses aktiviert werden.

Mehr in der Perrypedia: www.perrypedia.proc.org/wiki/Druis

Skoars

Die Skoars sind in der Galaxie M 87 beheimatet und stellten innerhalb des spezialisierten Kastensystems ursprünglich die Soldatenkaste. Ihr Oberhaupt ist der Skoarto.

Wie die meisten Lebewesen in der Galaxie M 87 verfügen die Skoars über sechs Extremitäten. Sie gehen aufrecht auf zwei kurzen Beinen, das mittlere Gliederpaar befindet sich in Höhe der Brust und die oberen Handlungsarme am Halsansatz. Ihre Hände sind siebengliedrig und sehr grazil.

Im Durchschnitt sind die eingeschlechtlichen Lebewesen etwa zwei Meter groß und von kompakter Statur. Ihr kugelförmiger Kopf von etwa 35 Zentimeter Durchmesser sitzt ziemlich unbeweglich auf einem kurzen Hals. Skoars besitzen eine breiten Mund mit wulstartig aufgewölbten Lippen, ihre Ohrlöcher können mit Häuten verschlossen werden. Sie besitzen vier Augen, die in einem Halbkreis von »Schläfe« zu »Schläfe« reichen. Die Haut der Skoars ist von lederartiger Beschaffenheit, faltig und dunkelbraun.

Im Einsatz tragen sie meistens hellbraune Raumkombinationen mit Klapphelmen.

Mehr in der Perrypedia: www.perrypedia.proc.org/wiki/Skoars