Coverbild

 

Dorgon-Logo

 

Band 76

Quarterium-Zyklus

 

Beginn des Krieges

Saggittor eilt den Estarten zu Hilfe

 

Nils Hirseland

 

 

Was bisher geschah Hauptpersonen des Romans
Das Jahr 1305 NGZ von der Invasion des dorgonischen Reiches in die estartischen Galaxien überschattet. Perry Rhodan und Aurec, die eine Befreiung der geknechteten Völker bewerkstelligen wollen, blicken einer Vielzahl von Gegnern ins Auge, denn Dorgon hat eine Allianz mit dem Kristallimperium und dem Quarterium geschlossen.

Im Juli 1305 NGZ erreicht eine 2000 Raumschiffe starke saggittonische Hilfsflotte Siom Som, während die zentrale Welt des Widerstands, Stromgarde, unter dorgonischer Belagerung liegt. Ohne ein Eingreifen der Saggittonen droht den estartischen Freiheitskämpfern und ihren Alliierten der United Stars Organisation der Untergang.

Die folgenden Entscheidungen der Saggittonen und des Quarteriums markieren den BEGINN DES KRIEGES …
Imperator de la Siniestro – Der Monarch Cartwheels stimmt dem Kriegsbeitritt zu.

Aurec – Der Saggittone ist sich über die Konsequenzen im Klaren.

Henry »Flak« Portland – Aus dem Soldaten wird ein Diplomat.

Joak Cascal und Neve Prometh – Die beiden sind im Lager der Hölle.

Generalmarschall Toran Ebur – Oberbefehlshaber des I. Estartukorps

General Alcanar Benington – Er will einen Sieg um jeden Preis.

Major Henner von Herker, Leutnant Gert Wissmer, Sergeant Roppert Nakkhole, Unteroffizier Ash Berger – Soldaten der XXXII. SHIFT-Division des Estartukorps

Prolog

Aus den Chroniken Cartwheels

Anfang Juli 1305 NGZ lag der Planet Stromgarde unter dorgonischer Belagerung. Nach der erfolgreichen Befreiung des Somers Sam starteten die Dorgonen einen Angriff auf die Festung aus Zeiten der Ewigen Krieger. Die estartischen Rebellen und ihre Verbündeten von der USO waren eingekesselt. Es war nur eine Frage der Zeit, ehe der Widerstand brach und damit der Kopf der Freiheitsbewegung abgeschlagen wurde. Verzweifelt kämpften die Galaktiker, Cartwheeler und Estarten Seite an Seite gegen die dorgonische Übermacht. Ohne Hilfe von außerhalb war die Schlacht verloren.

Der saggittonische Kanzler Aurec war sich der verzweifelten Lage bewusst. Nachdem die geheimnisvolle Alyske Elyn ihn aufgesucht und eindringlich beschworen hatte, es sei auch im Interesse DORGONs, wenn die estartischen Galaxien nicht unter Kontrolle des Imperiums Dorgon stehen würden, hatte sich Aurec dazu entschieden, mit 2.000 Scheibenraumschiffen der Saggittonen nach Siom Som aufzubrechen. Dem Quarterium war diese Aktion nicht verborgen geblieben, doch verhindern konnte sie sie nicht, da die Saggittonen das Sternenportal von Cartwheel frei nutzen durften.

Gebannt blickten alle zu den estartischen Galaxien. Würde Saggittor den Estarten helfen und damit in den Krieg gegen Dorgon ziehen? Wie würde das Quarterium reagieren? Würde es seinem Verbündeten Dorgon zu Hilfe eilen? Cartwheel stand am Vorabend des Krieges …

Jaaron Jargon

1. Propaganda

»Hier spricht Linda Lagas live für INSELNET. Wir können dank der großzügigen Informationspolitik des Kaiserreiches Dorgon und der Vermittlung durch unsere hoch geschätzte Informationsministerin Stephanie de la Siniestro direkt vom Brennpunkt der aktuellen Befriedungsaktion des dorgonischen Friedenskorps gegen die Terroristen aus Siom Som und die mit ihnen verbündeten Mörderbanden aus Dorgon berichten.«

Die Kamera schwenkte von der in Porträtaufnahme gezeigten Moderatorin auf die Darstellung eines Sonnensystems, um darin einen Planeten heranzuzoomen, bis er den Bildschirm füllte.

»Dies ist der letzte Schlupfwinkel der Terroristen. Wie Sie sehen, beginnt die heldenhafte dorgonische Flotte einen Belagerungsring um den Planeten zu ziehen.«

Die Darstellung wechselte zu einer holografischen Projektion, auf der die dorgonische Flotte gezeigt wurde, wie sie sich um den Planeten gruppierte. Eine weitere Bildfolge wurde eingeblendet.

»Und hier sehen Sie die Terroristenfestung Stromgarde, die hoffentlich bald der Vergangenheit angehören wird.«

Die Reporterin stand vor einer großen Leinwand, auf der man die Festung sehen konnte, die gerade von einer Salve Torpedos getroffen wurde.

Hinter der Moderatorin wechselte die Darstellung auf der Holowand und zeigte einen kurzen Film, der die bisherige Entwicklung in Siom Som aus der Sicht Dorgons zeigte.

»Ein scheußliches Beispiel für die Verlogenheit der Estarten. Alles begann am 20. Februar 1305. Das Kaiserreich Dorgon wurde durch die unterdrückten und hungernden Massen gebeten, in Siom Som für Recht und Ordnung zu sorgen. Am 20. Februar 1305 zwang ihr Elend die unterdrückten und hungernden Massen Siom Soms, sich um Hilfe an das Kaiserreich Dorgon zu wenden. Sie bejubelten ihre Befreier. Doch eine gewissenlose Clique … Während die große Masse der Völker die dorgonischen Friedenstruppen als Befreier begrüßte, widersetzte sich eine gewissenlose Clique der alten Machthaber um den skrupellosen ehemaligen Generalsekretär des Paxus-Parlaments, Sruel Allok Mok, den Befreiern. Sie begannen eine beispiellose Serie von Terroranschlägen gegen die dorgonischen Helfer. Doch heute, hoffen wir, wird sich das Blatt wenden. Wir hoffen, dass, genau wie in Cartwheel, dem Verbrecher Mok die Maske vom Gesicht gerissen wird und er seine verdiente Strafe erhält. Und nun schalten wir wieder zurück nach Paxus zu unserem nächsten Werbeblock. Bleiben Sie dran, gleich geht es weiter …«

*

13. Juli 1305 NGZ

»Hier ist wieder Linda Lagas für INSELNET. Wie wir vor kurzem erfahren haben, ist Admiral Vesus, der Oberkommandierende der dorgonischen Flotte, aufgebrochen, um die Galaxie Absantha-Gom zu befreien. Er wird dort humanitäre Hilfe leisten und den hungernden Wesen neue Hoffnung bringen. Das Kommando über die Operation Stromgarde hat nun sein bisheriger Stellvertreter Carilla. Er wird unterstützt von Falcus, dem Botschafter des Kaisers Commanus. Da die Verhandlungen mit den Rebellen keinen Erfolg hatten, wird Carilla, wie uns mitgeteilt wurde, eine andere Politik als sein Vorgesetzter verfolgen. Er ist mehr für den direkten Weg und greift die Rebellen offen an. Die Schutzschirme der Festung halten zwar noch, doch ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich ergeben oder die Dorgonen die Festung stürmen werden. Wenn sie mehr über Admiral Carilla und die Galaxien Absantha-Gom sowie Absantha-Schad erfahren möchten, bleiben sie auf unserem Sender. Im Anschluss senden wir zwei Reportagen, die sich mit diesen Themen beschäftigen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und verabschiede mich. Und denken Sie immer daran, das Quarterium mit unserem glorreichen Emperador de la Siniestro wacht über unser Wohlergehen und verhindert, dass das Terroristenpack unsere geliebte Heimat Cartwheel in das gleiche Chaos verwandelt, in die es die Galaxie Siom Som stürzte. Grund genug, dankbar zu sein.«

2. Kampf um Stromgarde

13. Juli 1305 NGZ (morgens)

»Was bedrückt Sie, Mister Scorbit?«, fragte Sam.

»Den Dorgonen ist es gelungen, eine stabile Strukturlücke im Schutzschirm zu erschaffen. Sie haben ein Einsatzkommando durch den Schild geschickt.«

»Höchst bedauerlich. Wie weit sind sie eingedrungen?«

»Nicht weit, unser Außenkommando aus USO-Spezialisten und Elfahdern hat sie gestellt und versucht gerade, sie zurückzudrängen. Sind die Einsatzkommandos alarmiert?«

»Ja, sie bilden gerade eine zweite Verteidigungslinie, falls es den Dorgonen gelingen sollte, noch mehr Truppen durch den Schutzschirm zu schicken.«

Ein Kommunikationsoffizier meldete sich.

»Sir, wir erhalten gerade eine Nachricht von unserem Infanteriebefehlshaber. Die dorgonischen Kommandotruppen sind besiegt.«

Jubel und Beifall brachen im Kommandoraum aus. Jan Scorbit gebot jedoch sofort Ruhe.

»Richten Sie bitte der Truppe meine Glückwünsche aus.«

»Fürs Erste scheinen wir gewonnen zu haben.«

»In der Tat, doch da Carilla das Kommando hat, wissen wir nicht, was als Nächstes passiert. Bei Vesus konnte man sich wenigstens sicher sein, dass er sich an den soldatischen Ehrenkodex hält. Aber Carilla ist nur ein brutaler Schlächter.«

»Ja, da haben Sie leider Recht, Sam. Da haben Sie recht …«

*

Zur gleichen Zeit in Carillas Kommandostand

»Was soll das heißen, sie sind alle tot?«

Der junge Funkoffizier sah Carilla verängstigt an und zuckte mit den Schultern.

»Ich weiß nicht. Ich erhalte keine Signale mehr.«

»Kann denn hier nicht einmal etwas so funktionieren, wie ich es geplant habe?«

Niemand antwortete. Alle starrten den Dorgonen nur verängstigt an.

Der Schlächter dachte nach. Nun gut, sein Versuch die Festung durch Bodentruppen zu erobern, war gescheitert. Aber die Aktion hatte gezeigt, dass das Schirmfeld der Festung nicht unüberwindlich war. Er wies die Reste seiner Landungstruppen an, sich aus dem unmittelbaren Umfeld des gegnerischen Stützpunktes zurückzuziehen.

Er stellte eine Verbindung zu seinem Flaggschiff her.

»Ich komme in Kürze an Bord. Bereitet eine Konferenzschaltung mit den Kommandanten aller Schlachtschiffe der Dorgon-Klasse vor. Ich will sie auf dem Schirm haben, sobald ich an Bord bin.«

Carilla erreichte wenig später an Bord seiner Fähre das Flaggschiff.

In der Kommunikationszentrale war die gewünschte Verbindung zu den Kommandanten hergestellt.

Der Schlächter erklärte, dass er nun den Schutzschirm durch den kombinierten Einsatz von Torpedos und Bordwaffen zerstören wollte. Wenn man Glück hatte, würde es vielleicht einige Überlebende geben, die man dann dem Kaiser vorführen konnte.

Eine Stunde später begann das Finale. Die Adlerschiffe der Dorgon-Klasse schickten Torpedosalve um Torpedosalve in den Schutzschirm, während gleichzeitig mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Strahlengeschützen gefeuert wurde. Aber noch hielt der Schirm.

*

Zentrale der Rebellen auf Stromgarde

»Wie sieht es aus, Mister Scorbit?«

»Sam, so langsam bekommen wir Probleme. Dieser Schlächter scheint Ernst zu machen. Der letzte Angriff hat unsere Schirmgeneratoren überlastet. Wenn die Dorgonen ihre gesamte Feuerkraft auf einen Punkt konzentrieren, sind wir am Ende. Die dorgonische Komponente des Schirmsystems wird durch die thermischen und hyperphysikalischen Effekte überlastet, die Synchronisation mit der alten Technik der Pterus ist anfällig. Wir hatten zu wenig Zeit, die beiden Systeme anzupassen. Wenn man jedoch beachtet, was Carilla alles gegen uns einsetzt, ist diese Schutzschirmkombination jeder bekannten Technik überlegen.«

Plötzlich wurde ein fernes Grollen hörbar. Die Wände begannen wie bei einem Erdbeben zu schwingen. Ein schrilles Kreischen am Rande des Ultraschallbereiches peinigte das Gehör. Vor allem die Elfahder waren davon betroffen. Nervös wippten sie hin und her, hielten mit ihren Gliedmaßen an ihren Körper.

»Was ist denn das für ein infernalisches Geräusch?«, fragte Sam aufgeregt.

»Das ist der nächste Angriff. Die Attacke wird allein durch die Adler der Dorgon-Klasse durchgeführt. Die beschießen uns mit allem, was sie haben.«

Sam Tyler meldete sich.

»Noch ein oder zwei solcher Feuerschläge und die Schirmstaffel gibt den Geist auf. Wenn er die Taktik des letzten Angriffes wiederholt und die gesamte Feuerkraft auf einen Punkt konzentriert hätte, wären wir jetzt schon Geschichte.«

Gal’Arn sagte: »Jaktar, mach die TERSAL startklar. Jonathan, mach’ ein Backup unserer Forschungsergebnisse bezüglich der Schutzschirmkombination. Diese Technik müssen wir unbedingt sichern. Sie könnte später kriegsentscheidend werden. Damit gelingt es uns, den Energieverbrauch zu reduzieren.«

Dann wandte er sich an Sam.

»Wir sollten die Flucht wagen.«

»Also gut, Gal’Arn, alle Führungstruppen sollen an Bord der TERSAL gehen. Die Truppen in die Transporter. Wir werden die ganze Festung sprengen und versuchen, mit der TERSAL und den restlichen Schiffen den Belagerungsring zu durchbrechen. Hier kann uns nur noch ein Wunder retten, und ich glaube nicht an Wunder. Vielleicht können wir jedoch das Überraschungsmoment nutzen.«

Jan Scorbit gab die Evakuierungsbefehle an die Einsatzgruppen weiter. In diesem Moment meldete sich der Funkoffizier.

»Irgendjemand ruft uns. Und es ist nicht Carilla!«

*

»Exzellenz Falcus, unsere Fernortung registrieren diverse Hyperraumereignisse.«

»Was soll das heißen, wir erwarten doch keine weiteren Schiffe.«

»Die Ortung zeigt an, dass soeben eine riesige Flotte aus dem Hyperraum gefallen ist. Und es handelt sich nicht um unsere.«

»Von wem ist sie dann?«

»Die Energiemuster weisen auf saggittonische, terranische und einige nicht identifizierbare Typen hin.«

»Was? Und wie viele?«

»Etwa viertausend. Davon die Hälfte saggittonische Großkampfraumschiffe. Der Rest terranische Kreuzer unter USO-Kennung.«

Falcus stand wie von Donner gerührt vor dem Holo und starrte auf die ankommenden Raumschiffe.

»Viertausend Schiffe? Stelle sofort eine Verbindung mit Carilla her.«

»Legat Falcus, der Kommandant der der Flotte ruft uns.«

»Gespräch auf meinen Schirm.«

Das Bild auf den Monitor wechselte und zeigte nun einen jungen Mann in einer weißen Uniform.

»Mein Name ist Aurec, ich bin der Regent der saggittonischen Republik und verlange, dass sich Ihre Flotte und die Einheiten auf dem Planeten sofort zurückziehen.«

Falcus war vollkommen perplex über diese Begrüßung des Neuankömmlings.

»Ich bin Falcus, Legat des dorgonischen Kaiserreichs …« Falcus brach ab, als Aurec ihm ins Wort fiel.

»Sie sind nicht der kommandierende Offizier dieser Operation! Ich verlange Carilla.«

»Woher …? Na, egal. Carilla ist gerade beschäftigt. Ich fürchte Sie müssen mit mir vorlieb nehmen.«

Falcus drehte den Kopf zur Seite und sah zu seinem Funkoffizier hinüber, der mit Handbewegungen seine Aufmerksamkeit zu erregen suchte. Dann wandte er sich wieder Aurec zu.

»Warten Sie einen Moment.«

Aurec stimmte zu. Dann wurde der Kanal geschlossen und Falcus sprach mit seinem Funkoffizier.

»Was gibt es denn so Dringendes, dass du mich während des Gesprächs unterbrechen musst?«

»Carilla ruft uns vom Planeten.«

»Ah gut, stell ihn durch.«

Carilla erschien auf dem Bildschirm. Er sah nicht besonders glücklich aus.

»Falcus, was geht da vor? Meine Ortung zeigt mir, dass eine fremde Flotte aus dem Hyperraum getreten ist.«

»Ja das ist korrekt und ich habe auch bereits Verhandlungen mit ihnen aufgenommen.«

»Du hast was? Wenn hier einer Verhandlungen führt, dann bin ich das. Verstanden?«

»Ich bin genauso befugt Verhandlungen zu führen wie du, also spiele dich nicht so auf. Aber da du so erpicht darauf bist, die Verhandlungen zu führen übergebe ich dir gerne die Verantwortung. Ach, fast hätte ich es vergessen: Auf der anderen Leitung befindet sich der Kommandant der feindlichen Flotte. Sein Name ist Aurec.«

»Aurec? Der saggittonische Kanzler?«

»Ich denke, der wird es sein.«

»Gut, verbinde mich mit ihm.«

»Wie du willst. Und viel Spaß!«

Falcus schloss den Kanal und ließ Carilla mit Aurec verbinden. Der Schirm teilte sich, auf der linken Seite erschien Carilla und auf der rechten Aurec. So konnte Falcus das Gespräch mitverfolgen, ohne selbst daran teilzunehmen.

»Höre genau zu, Carilla. Wie ich deinem Beamten schon mitgeteilt habe, verlangen wir, dass sich eure Flotte aus dem Orbit des Planeten zurückzieht.«

»Welchen Grund sollte ich haben, dass ich auf deine Forderung eingehe?«

»Ich kann dir zirka viertausend Gründe nennen. Jedes saggittonische Schlachtschiff verfügt über mindestens zwanzig größere Beiboote vom Typ Kreuzer. Rechne das hoch. Das sollte wohl auch dir genügen.«

»Du glaubst, du könntest hier mit ein paar Schiffen auftauchen und von mir verlangen, dass wir uns zurückziehen?«

»Ja, genau das glaube ich. Und es gibt noch etwas, das ich sogar ganz sicher weiß, mein lieber Carilla.«

»Und was wäre das?«

»Ich weiß, dass wir euch überlegen sind und dass eure Verstärkung mindestens zwei Tage braucht, bis sie hier ist.«

Carillas Miene versteinerte sich und er kämpfte mit seiner Fassung.

»Wieso?«

Aurec lächelte.

»Es geht um die Freiheit von mehreren Galaxien, um das Leben tapferer Wesen, die für Freiheit und Frieden kämpfen. Die estartischen Völker haben uns früher geholfen, nun helfen wir ihnen. Euer gnadenloser Feldzug wird sich nicht mehr so fortsetzen lassen, Carilla!«

»Wir werden uns zurückziehen. Aber nur unter einer Bedingung. Ich verlange die sofortige Auslieferung Elgalars.«

Aurec ließ die Worte ein wenig auf sich wirken, ehe er antwortete.

»Ich werde mich zuerst mit meinen Alliierten auf dem Planeten beraten. Vorher muss ich aber darauf bestehen, dass sich eure Bodentruppen sofort zurückziehen.«

Carilla sah ihn verärgert an und stimmte zähneknirschend zu.

*

Es dauerte gut fünf Stunden, bis der letzte dorgonische Soldat den Planeten verlassen hatte. Als die letzten Transporter an den Schiffen angedockt hatten, ließ Aurec einen Großteil seiner Flotte zwischen dem Planeten und der dorgonischen Flotte positionieren. Danach rief er die Festung.

Jan Scorbit fiel ein Gebirge vom Herzen, als er den alten Freund sah.

»Wie kommst du hier her?«

»Ich bin mit einer Flotte hier. Saggittonische Einheiten und weitere USO-Einheiten aus Cartwheel.«

»Aurec, sag mir jetzt bitte nicht, dass du wegen uns einen Krieg mit den Dorgonen angefangen hast!«

»Ich fürchte, dass ich genau das getan habe.«

»Hast du vergessen, dass die Dorgonen mit dem Quarterium und den Arkoniden einen Kaiserpakt haben? Somit hast du …«

Jan stoppte, als Aurec die Hand hob und ihm so zeigte, dass es genug war.

»Ich habe es nicht vergessen.« Er deutete auf eine Frau. »Das ist Elyn. Sie ist vom Volk der Alysker. Die Alysker sind wohl ein Hilfsvolk von DORGON. Sie hat mir auch zu dieser Aktion geraten. Es scheint also so, als ob das Gelingen eurer Mission von kosmischer Bedeutung ist. Ich habe Carilla zu einem Waffenstillstand zwingen können, bezweifle jedoch, dass wir sehr viel Zeit haben. So wie ich ihn einschätze, hat er schon Verstärkung angefordert.«

»Hat er sich aus dem System zurückgezogen?«

»Ja, es ist ihm nichts anderes übrig geblieben. Sobald die Landungstruppen vollständig abgezogen sind, werden ein Team und ich auf den Planeten kommen. Dann können wir uns ausführlich unterhalten. Ach und noch etwas. Er verlangt, dass wir ihm Elgalar ausliefern.«

»Den kann er gerne haben.«

Aurec beendete die Verbindung. Nun begann die Räumung der Festung Stromgarde, die abgeschlossen sein sollte, ehe die Dorgonen zurückkehrten. Elgalar wurde zusammen mit den dorgonischen Kriegsgefangenen zurückgelassen. Jeder war sich sicher, dass sie gefunden werden würden.

Die IVANHOE II, die TERSAL und die restlichen estartischen Raumschiffe sowie die Kreuzer der USO schlossen sich dem saggittonischen Verband an und verließen eiligst das Sonnensystem.

3. Konsequenzen

Der Kampf war vorüber. Aurec hatte es tatsächlich geschafft. Die Rebellen und USO-Agenten waren vorerst gerettet. Die dorgonische Streitmacht hielt Wort. Offensichtlich scheute Carilla einen offenen Konflikt mit Saggittor. Anders erklärte sich Aurec das plötzliche Einlenken nicht. Zahlenmäßig war die saggittonische Flotte den Dorgonen diesmal zwar überlegen, aber wenn Carilla sie in eine Raumschlacht verwickelt hätte, wäre der Ausgang sehr ungewiss gewesen.

Zufrieden lehnte er sich im Sessel zurück und starrte an die Decke. Nur fünf Minuten wollte er sich ausruhen. Fünf Minuten der Stille. Doch die Tür glitt mit einem leisen Zischen auf. Er seufzte frustriert. Doch zu seiner Verwunderung war es die Alyskerin Elyn. Ihr Anblick war eine Wohltat. Ihr engelsgleiches Gesicht hätte sich Aurec stundenlang anschauen können. In ihren großen violettblauen Augen spiegelte sich die Beleuchtung.

»Was kann ich für dich tun, Elyn?«

Sie lächelte und nahm im Sessel neben ihm Platz.

»Du hast heute Großes vollbracht. Du hast die Freiheitskämpfer vor ihrem Ende bewahrt.«

»Danke«, sagte Aurec geschmeichelt. »Aber damit ist der Krieg nicht gewonnen. Ich fürchte, jetzt geht es erst richtig los.«

Sie sah ihn fragend an. Ihre Augen funkelten. Aurec verlor sich in ihrem Blick. Elyn war von einer natürlichen Schönheit, die ihresgleichen suchte. Aurec bemerkte, dass sie ihn jetzt verdutzt ansah. Er räusperte sich, lachte verlegen und wurde wieder schlagartig ernst, als er an das Thema dachte.

»Wir stehen kurz davor, den Dorgonen den Krieg zu erklären. Tausende saggittonische Schiffe werden dann in den estartischen Galaxien kämpfen. Das allein ist schlimm, denn viele meiner Landsleute werden sterben.«

»Jeglicher Tod ist bitter«, bestätigte Elyn. »Doch für eine gute Sache sein Leben zu lassen, ist besser, als für eine schlechte Sache sein Leben zu behalten.«

Aurec dachte darüber nach. Die Worte waren einfach und logisch, doch es war alles viel komplizierter. Mit diesen schönen Worten tröstete man nicht die Hinterbliebenen der Gefallenen. Aber es gab in der Tat keine andere Wahl. Aurec – nein, das Volk der Saggittonen, wollte nicht hinwegschauen über die Tyrannei durch die Dorgonen. Er musste die estartischen Völker befreien. Es war die Pflicht jedes in Freiheit lebenden Wesens, dafür Sorge zu tragen, dass Unterdrückte auch in Freiheit leben würden. Jemand, der eine Unterdrückung tolerierte oder aus Angst vor eigenen Nachteilen diese duldete, war kaum besser als der Unterdrücker selbst.

»Nun, der Krieg wird ungeahnte Ausmaße annehmen«, sagte Aurec schließlich. »Das Quarterium hat einen Beistandspakt mit Dorgon. Wenn wir den Dorgonen den Krieg erklären und einen Angriffskrieg führen, wird das Quarterium ihnen beistehen.«

»Dann wird es zu einem großen, intergalaktischen Krieg kommen. Mein Vater hat das vorausgesehen, DORGON wahrscheinlich auch. Jedoch war er ganz offensichtlich erfolglos, solch eine Katastrophe zu verhindern …«

Aurec zweifelte langsam an der Kompetenz von DORGON.

»Nun, und warum hilft uns DORGON nicht in dieser schweren Stunde? Oder bist du unsere Superwaffe?«

Aurec rügte sich für diese spöttische Aussage. Er wollte Elyn nicht verletzen. Ihr Gesicht wurde ernst.

»Ich bevorzuge es, keine Waffe zu sein.« Sie seufzte. »Um ehrlich zu sein, haben wir seit Jahren nichts mehr von DORGON gehört. Es war vielmehr meine Initiative, euch aufzusuchen.«

Aurec war überrascht. Offensichtlich brauchte er keine Hilfe von DORGON zu erwarten.

»Mein Volk dient DORGON zwar seit Äonen, doch auch wir wissen nicht genau, was mit ihm ist. Was wir wissen, ist, dass du von ihm auserkoren wurdest, seinen Plan von einer kosmischen Festung Cartwheel umzusetzen. Dafür musst du wieder Gerechtigkeit und Freiheit nach Cartwheel bringen.«

Aurec hielt inne und dachte über die Worte nach. Aus dem Mund dieser Schönheit klangen sie doppelt so bedeutungsvoll. Sie legte ihm eine schwere Bürde auf, doch auf der anderen Seite gab sie ihm Hoffnung, denn sie setzte Vertrauen in ihn.

»Du verlangst, dass ich einen Krieg führe, den wir vielleicht nicht gewinnen können«, sagte er, immer noch etwas skeptisch. Elyn schenkte ihm ein Lächeln und nahm seine Hand. Aurec wurde ganz anders bei der Berührung. Er rief sich Kathy in seine Gedanken. Es war noch nicht lange her, seitdem sie wieder zusammen waren. Ihr sollte eigentlich seine Liebe gelten. Das tat sie auch, doch Elyn war von solch einer Reinheit, einer natürlichen Schönheit, dass es wohl jedem männlichen Wesen im Universum schwerfallen würde, sich nicht in sie zu verlieben.

»Du hast die Kraft, dies zu schaffen. Deine Freunde und Gefährten haben es auch. Natürlich wird dieser Kampf hart und düster werden, doch gemeinsam werden wir für die Freiheit obsiegen.«

Aurec zog seine Hand wieder weg.

»Wirst du an unserer Seite stehen?«

»Ja, das werde ich. Bis zum Sieg oder Ende.« Sie hielt kurz inne und sah scheinbar bedrückt auf den Boden. »Mein Vater sieht es nicht gerne. Er denkt, dass ihr Sterblichen nicht bewirken könnt, wozu nicht einmal wir in der Lage waren …«

»MODROR zu bezwingen? Darum geht es doch. Dorgon und das Quarterium sind doch bloß vorübergehende Hindernisse.« Aurec seufzte. »Die Ignoranz der Menschen arbeitet MODROR in die Tasche. Nur gut, dass er nach der Niederlage im HELL-Sektor von uns abgelassen hat, wie es scheint.«

Elyn schüttelte den Kopf.

Aurec begriff, dass sie mehr darüber wusste als er. Offenbar war MODROR nicht so untätig, wie er es gehofft hatte.

»Was weißt du?«

»Ich könnte jetzt orakeln, aber im Grunde genommen weiß ich auch nicht viel. MODROR ist nicht untätig. Seine Söhne des Chaos sind aktiv. Nur weiß ich nicht, was sie genau im Moment tun. Vielleicht sind sie an der Entwicklung Dorgons und Cartwheels auch nicht ganz unbeteiligt.«

Aurec lehnte sich zurück. Dieser Gedanke war ihm noch nicht gekommen. Die Tatsache, dass Dorgon einen Invasionskrieg führte und sich das Quarterium als neue große Macht empfand, spielte tatsächlich MODROR in die Hände, denn es schwächte die Koalition der DORGON-Anhänger.

Aurec bezweifelte jedoch, dass er Commanus und de la Siniestro mit diesen logischen Argumenten kommen konnte. Und selbst wenn de la Siniestro ihm zustimmte, Leticron und Jenmuhs würden es niemals tun. Aurec fiel etwas anderes ein. Elyn hatte von »Sterblichen« gesprochen.

»Bist du denn unsterblich?«

Sie sah ihn mit ihren großen, violettblauen Augen an. Aurec hätte in diesen Blick bis in alle Ewigkeiten eintauchen können, allerdings nicht, ohne sich in sie zu verlieben. Der Saggittone dachte wieder an Kathy, rügte sich für sein Verhalten.

»Ja, ich bin jetzt mehr als zweitausend Jahre alt. Ich trage einen Zellaktivator, wie alle Alysker.«

»Du hast dich gut gehalten«, scherzte Aurec.

Elyn lachte. Sie war für eine Unsterbliche recht lebensfroh. Aurec dachte an einige griesgrämige Unsterbliche, wie einige Kemeten oder gar Kosmokraten. Elyn hatte ihre Menschlichkeit nicht verloren – ebenso wenig wie die Gefährten Rhodans. Das gefiel ihm sehr. Elyn gefiel ihm zu gut. Aurec versuchte seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen. Immer wieder dachte er an Kathy. Sie war die Frau, die er liebte.

»Erzähle mir mehr über dich und dein Volk. Alles ist noch sehr geheimnisvoll.«

»Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich dir alles über die Alysker berichten. Doch noch ist es nicht soweit. Konzentrieren wir uns jetzt auf die wesentlichen Dinge. Was wirst du jetzt tun?«

Aurec ließ Elyns Ausflüchte gelten. Sie würde ihm schon alles erzählen, wenn sie bereit war. Trotzdem verstand er die Geheimnistuerei nicht ganz. In einem hatte sie jedoch recht: Er musste sich jetzt entscheiden, wie es weiterging.

»Nachdem die Rebellen Stromgarde verlassen haben und nach Erendyra fliegen, werden wir nach Cartwheel zurückkehren. Ich werde eine Flotte zusammenstellen und den Dorgonen den Krieg erklären …«

Elyn sah ihn verständnisvoll an. Offensichtlich spürte sie, was in ihm vorging. Der Schritt, einen Krieg zu wagen, war verdammt schwer. Aber er wusste, dass er das Richtige tat. Die Tyrannei durfte nicht obsiegen. Die estartischen Völker mussten befreit werden. Es gab keinen anderen Weg!

4. Vorboten des Krieges

Der 17. Juli 1305 NGZ war ein sonniger und warmer Tag auf Paxus. Kaum ein Wölkchen hing am hellblauen Himmel. Vögel zwitscherten muntere Lieder und Bienen suchten in den Blüten prächtiger Blumen emsig nach Honig. Ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch.

Ein Spatz flog zwischen den gewaltigen Gebäuden der Stadt Paxus hindurch. Elegant segelte der Vogel durch die Luft und tschilpte vergnügt. Er stieg auf und flatterte hoch in den Himmel, um geschmeidig wieder herunterzugleiten. Dann suchte er sich einen Platz zum Rasten.

Er setzte sich auf einen Fahnenmast. Das Tier wusste nichts von der tödlichen Macht, die diese Flagge symbolisierte. Für ihn war die Welt in Ordnung, doch nicht für die Menschen und Extraterrestrier in dieser Galaxis. Zwitschernd flog der Vogel weiter und verschwand im Licht der Sonne.

Eine Idylle inmitten der Hoffnungslosigkeit und der Angst. Majestätisch wehte die Flagge des Quarteriums gleichmäßig in der Luft.

Die Flagge war ein Symbol. Seit zwei Jahren beherrschte das Imperium der Vier diese Galaxis. Dieses simple Q, geschrieben in Interkosmo, stand für Stolz und Kraft auf der einen, für Angst und Schrecken auf der anderen Seite.

Die Flagge war der höchste Punkt der Stadt. Jeder sollte sie sehen können. Sie stand auf dem Regierungsgebäude des Quarteriums, jenes klotzförmigen Gebäudes der Macht.

Mitten im Klotz befand sich ein hoher Turm, der neue Paxus-Tower. Und auf ihm ruhte die Flagge des Imperiums. Jeden Morgen salutierten Soldaten und Anhänger dieser Ideologie vor der Flagge. Sie war Symbol der Einheit zwischen den Völkern des Quarteriums.

Sie war ein Sinnbild, so wie der leibhaftige Emperador. Doch diese Flagge war mit Blut getränkt. Dem Blut vieler selbstloser Verfechter der Demokratie und der Würde aller Lebewesen. Doch schon bald würde diese Flagge, würde dieses Imperium im Blut waten. Dem Blut estartischer, saggittonischer und ihrer eigenen Lebewesen.

*

Die Fähre setzte sanft auf der Landeplattform des imperialen Regierungssitzes auf. Etwa zwei Dutzend Grautruppen begrüßten die Außenministerin. Sie geleiteten Stephanie de la Siniestro durch den »Saal der Herrscher«. Alle Ein- und Ausgänge zu dem Gebäude verliefen durch diesen gigantischen Raum. Er war unglaublich weiträumig und zugleich auch geschmackvoll gestaltet. Stephanie selbst hatte einst die Empfangshalle mit Bildern, Statuen, Büsten und sogar einem Springbrunnen geschmückt.

Die Prinzessin bewunderte ihre eigene Kreation jedes Mal aufs Neue und lobte ihr eigenes Genie. Sie stieg in einen der zahlreichen Antigravschächte und schwebte in das Stockwerk, in dem ihr Vater residierte. Es war ganz nach seinem Geschmack eingerichtet: Möbel und Bilder aus dem 18. und 19. Jahrhundert alter terranischer Zeitrechnung.

Diabolo, die rechte Hand des Emperador, begrüßte Stephanie freundlich. Die Frau konnte dem Posbi wenig abgewinnen. Er war undurchschaubar. Das störte sie.

»Ich hoffe, Sie bringen gute Nachrichten?«, erkundigte sich Diabolo.

»Ich erzähle Dinge nicht zweimal«, gab sie barsch zurück.

*

Endlich erreichte Stephanie das Zimmer ihres Vaters. Freudestrahlend umarmte sie ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Auch der alte Mann war hocherfreut, seine schöne Tochter wiederzusehen.

Doch schnell wurde er wieder ernst.

»Berichte, mein Kind.«

Stephanie nahm auf der Couch Platz und ließ sich von einem Bediensteten ein Glas 1165er Bojoulais servieren. Der Emperador lehnte Servos strikt ab. Er wollte von menschlichen Dienern umgeben sein.

»Wie dir mein Kurier sicher berichtete, haben die Saggittonen den Rebellen geholfen. Kaiser Commanus bittet uns um Beistand. Er will, dass wir Truppen nach Siom Som entsenden, um seine Kräfte im Kampf gegen die estartischen Völker …«, sie stockte kurz, »und Saggittonen unterstützen«

Der Emperador hatte mit dieser Bitte gerechnet, doch jetzt, als sie wirklich kam, traf sie ihn hart. Jetzt stand er zwischen zwei Stühlen. Er verfluchte Aurec, der es so weit hatte kommen lassen. Warum konnte sich der Saggittone nicht um seine eigenen Angelegenheiten kümmern?

Den CIP-Berichten zufolge war eine unbekannte Frau mit dem Namen Elyn eine ständige Begleiterin Aurecs. Offenbar stammte sie von einem fremden Volk. De la Siniestro befürchtete, dass DORGON doch nicht tatenlos dem Zerfall seines Projektes zusah. Die Dinge spitzten sich zu. Eine Entwicklung, die Siniestro mit allen Mitteln hatte verhindern wollen.

Don Philippe schloss die Augen. Vor seinem geistigen Auge sah er die Schlachtfelder, die verzweifelten Soldaten und die Gefallenen. Er sah die Zukunft. Eine schreckliche Zukunft.

Siniestro setzte sich in seinen Thron und stierte auf den Boden. Diabolo trat näher und brach die Stille.

»Was gedenken Sie zu tun, Emperador?«

Mit trüben Augen blickte der Spanier seinen Berater an. Er wusste es doch selbst nicht. Sein Herz schrie nach Frieden, doch sein Verstand verlangte den Krieg. MODROR verlangte den Krieg.

Doch nur dafür war das Quarterium entstanden – um die Feinde der Entität zu vernichten. Jetzt musste er die Stärke des Quarteriums demonstrieren. Jedes Volk sollte wissen, dass diese Macht loyal zu ihren Verbündeten stand.

»Informieren wir die Fürsten?«, erkundigte sich Diabolo.

Der Emperador nahm den Posbi gar nicht richtig wahr. Er suchte nach einer Lösung, doch es gab keine. Sein nächster Gedanke war, wen er denn nach Siom Som senden würde. Welche Menschen durfte er in den Tod schicken? Eine bittere Entscheidung. Seine eigenen Söhne waren hohe Generäle. Sie mussten mitkämpfen. Sie waren Vorbilder für die gemeinen Soldaten. Die Angst, sie zu verlieren, schnürte ihm die Kehle zusammen.

»Informieren wir die Fürsten, Sire?«, erkundigte sich Diabolo erneut.

»Was?«, rief der Spanier entgeistert. Als der Posbi zum dritten Mal die Frage wiederholte, schüttelte der Emperador den Kopf. Er sah noch eine letzte Hoffnung. Beschwörend sprach er auf seine Tochter ein:

»Stephanie, begib dich nach Saggittor. Rede mit Aurec! Das saggittonische Volk muss von dieser wahnsinnigen Idee abgebracht werden. Versuche alles, meine Tochter!« Steph entgegnete ihm mit einem kühlen Lächeln: »Die Saggittonen tun das, was ihr Kanzler sagt. Sollte Aurec nicht von seinem Standpunkt weichen, dann vielleicht von seinem Amt.«

Mehr wollte Don Philippe gar nicht wissen. Auch wenn man Aurec töten musste, war es diesen Preis wert. Das Quarterium durfte nicht in den Krieg eintreten. Er wollte ein friedlicher, aber starker Herrscher sein. Ein so voreiliger Krieg gefiel ihm nicht. Der Emperador war nicht bereit, den hohen Preis dafür zu zahlen.

Doch damit gewann er nur Zeit. Wieder musste er an MODROR denken. Es gab kein Entrinnen. Die Philosophie dieses Wesens bestand aus Chaos und Zerstörung. Vielleicht jedoch konnte der Spanier einen Mittelweg finden. Womöglich schaffte er es, MODROR ohne Krieg zufrieden zu stellen.

Stephanie erhob sich und verabschiedete sich von ihrem Vater. All ihre Gedanken galten nun Aurec. Und seinem Stellvertreter Serakan. Aurec selbst befand sich wahrscheinlich noch in den estartischen Galaxien, sofern er nicht ebenso schnell wie sie nach Cartwheel zurückgekehrt war. Stephanie hoffte sogar, dass er noch in ESTARTU war.

5. Der schwache Saggittone

Nervös zupfte Serakan seinen Anzug zurecht und überprüfte peinlich genau, ob alles so saß, wie es sollte. Er schaute in den Spiegel und fuhr mit der linken Hand über sein rasiertes Kinn. Dann betrachtete er seine Haare, die glatt nach hinten gekämmt waren.

Schlussendlich richtete er noch die Brosche an seiner Brust zurecht. Das Zeichen eines Regierungsmitgliedes Saggittors.

Ein Roboter schwebte leise in die Hygienezelle des Politikers und machte mit einem dumpfen Summen auf sich aufmerksam.

»Die Außenministerin des Quarteriums ist soeben angekommen«, berichtete der Droide. Seine künstliche Stimme war angenehm und gleichmäßig und klang dennoch monoton und unmenschlich. Was sie letztendlich auch war. Die Kunststimme eines mechanischen Wesens.

Serakan verschwendete keinen Gedanken mehr daran, trug etwas Aftershave auf und stürmte aus seinem Bad. Hinter ihm erlosch das Licht. Die Haushaltssyntroniken reagierten auf Temperaturschwankungen. Betrat ein Lebewesen mit einer Temperatur von mehr als 30 Grad Celsius den Raum, wurde das Licht automatisch aktiviert. Beim Verlassen erlosch es ebenso automatisch.

Die Tür glitt hinter Serakan zu. Er befand sich im Durchgangsraum zu seinem Büro. Dort würde er Stephanie de la Siniestro empfangen. Er hatte schon viel über die Tochter des Emperador gehört und bewunderte ihre makellose Schönheit. Zu seinem Bedauern war sie mit dem Zaliter Toran Ebur liiert.

Serakan legte ein Lächeln auf und betrat seinen Arbeitsraum. Stephanie de la Siniestro wartete dort bereits und ihr Antlitz verunsicherte den einstigen Kommandanten der SAGRITON vollends. Das Haar trug sie offen und glatt. Ihr zierlicher Körper steckte in einem langen schwarzen Kleid, welches bis an die Waden reichte. Sie trug schwarze Stiefel. Das Dekolleté zeigte viel und doch gar nichts. Die Schultern waren frei. Die sinnlichen Lippen waren mit einem feinen, dunkelroten Farbton hervorgehoben. Ein geheimnisvolles, sternenhimmelfarbiges Make-up umspiegelte ihre großen Augen. Serakan lächelte verlegen wie ein kleiner Schuljunge vor seiner ersten Verabredung. Dann riss er sich zusammen. Er war der stellvertretende Kanzler Saggittors. Nach einem kurzen Räuspern ging er zielstrebig auf Stephanie zu und reichte ihr die Hand an. Die Außenministerin hielt ihm ihren Handrücken entgegen. Serakan verstand, beugte sich über die ausgestreckte Hand und deutete an, sie mit den Lippen zu berühren.

Er bot ihr einen Platz an. Steph ließ sich auf der Couch aus Formenergie nieder, schlug die Beine übereinander und lehnte sich zurück. Ihre Augen forschten in seinen.

Serakan war immer noch nicht ganz bei sich. Er setzte sich ihr gegenüber in den Formenergiesessel.

»Ich danke Ihnen für Ihre Einladung, Serakan. Sie sind vielleicht die letzte Hoffnung auf Frieden!«, begann Stephanie ohne weitere Floskeln. Der verzweifelte Unterton in ihrer ernsten Stimme verblüffte ihn vollends.

»Ich?«, stieß Serakan heraus.

Steph lächelte.

»Aurecs Meinung steht fest. Er will um jeden Preis die Dorgonen aus den estartischen Galaxien vertreiben. Damit riskiert Ihr Idol einen Krieg zwischen zwei Völkern aus Cartwheel. Wir wollen das nicht und ich denke, das saggittonische Volk ebenso wenig.«

»Die Saggittonen stehen hinter ihrem Kanzler. Unser Volk steht für Gerechtigkeit und Freiheit. Wir wollen das auch umsetzen. Die Somer sind seit einigen Jahren gute Freunde unserer Zivilisation. Wir können diesen heimtückischen Angriff nicht tolerieren«, erklärte Serakan.

Er fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, Stephanie widersprechen zu müssen, doch Serakan hatte seine Order – von Aurec persönlich.

»Und wir können nicht von unserem Beistandspakt zurücktreten. Somit wird es Krieg und viele Tote geben. Weil Aurec es so will!«

Ihre Stimme klang aufgeregt. Sie war im Begriff aufzustehen, doch das konnte Serakan nicht zulassen. Er bat Stephanie zu bleiben, und mit ihm Abend zu essen.

»Bei einem guten Wein und einem deliziösen Mahl reden wir sicherlich gelassener über alles«, meinte der Saggittone.

Stephanie willigte ein. Er speiste mit ihr in dem besten Restaurant des ganzen Planeten. Natürlich wurden sie von Reportern verfolgt, doch Serakans Leibwachen riegelten das Lokal geschickt ab.

Stephanie de la Siniestro betrachtete die altertümliche Gaststube. Der saggittonische Stil war luxuriös und doch gemütlich. Die runden Formen wirkten sanft und freundlich auf den Betrachter. Serakan erklärte, dass dieses Restaurant den Namen Makor trug. Makor war ein Volksheld in Saggittor, denn er war es gewesen, der sich gegen die Unterdrückung durch die Kjollen auflehnt und damit den Grundstein für die Republik Saggittor gelegt hatte. Viele Einrichtungen waren nach ihm benannt.

Ein Kellner brachte ihnen das Essen. Stephanie hatte einen Paruzilfisch bestellt. Diese grünblauen, etwa zwanzig Zentimeter langen Fische aus den Gewässern Saggittons waren für ihr zartes Fleisch bekannt. Hurkisgemüse und geröstete Kartoffeln gab es als Beilage.

»Ich verstehe nicht, warum Sie nicht Kanzler geblieben sind. Ist Ihre Loyalität gegenüber Aurec so groß?«

Serakan stocherte in seinem Essen herum und wollte die Frage gar nicht beantworten, doch er spürte Stephanies Blick. Ihre Augen verzauberten ihn bei jedem Anblick aufs Neue.

»Das Volk hat entschieden. Aurec ist ein außergewöhnlicher Mann. Es war besser, ihm Platz zu machen«, erklärte Serakan.

»Auch Sie sind außergewöhnlich!«, gab Stephanie zurück.

Der Saggittone kratzte sich verlegen am Hinterkopf und hoffte, dass sie seine Röte nicht erkennen würde. Schließlich verhandelte er hier mit dem potentiellen Feind und war bei keinem Rendezvous.

»Wir müssen uns weiter über die Politik unterhalten«, begann er ernst. »Saggittor ist fest entschlossen, den estartischen Völkern zu helfen. Die Somer, Ophaler und Elfahder standen uns auch im Kampf gegen M 100 bei. Wir haben die ethische Pflicht, sie aus der Unterdrückung zu befreien.«

Stephanie wirkte nicht beeindruckt und nahm einen Bissen von dem Fischfleisch.

»Wir haben Verträge mit dem dorgonischen Reich und halten unser Wort. Daran wird sich nichts ändern. Wenn Saggittor eingreift und Dorgon uns offiziell um Hilfe bittet, werden wir Truppen in die estartischen Galaxien entsenden. Hm, der Fisch ist wirklich lecker.«

Serakan starrte sie an. Sie redeten über Politik. Sie schien hart und unnahbar und doch dieses Funkeln in ihren Augen. War es Leidenschaft oder gar Verlangen nach ihm? Er sehnte sich nach ihr und verdammte sich selbst im selben Moment. Seine Aufmerksamkeit galt mehr der Person, die ihm gegenübersaß, als den Verhandlungen. Wie konnte er nur so naiv sein!

Nach dem Abendessen gingen die beiden spazieren. Stephanie bat, mit Serakan allein auf seinem Anwesen zu sprechen. Fernab von Leibwachen und Reportern, in den saggittonischen Wäldern.

Sie liefen einen Pfad entlang, es war bereits dunkel. Sie tauschten nur Floskeln aus, führten keine tiefgründigere Konversation. Plötzlich sprang ein Roboter aus dem Gebüsch und versperrte ihren Weg. Der humanoide Klotz aus Metall hob den Arm, dessen Ende der Lauf eines Strahlers war.

Stephanie schrie auf und versteckte sich hinter Serakan, der sofort seinen Strahler zog und den Roboter niederschoss. Mit einem lauten Quietschen fiel die Stahlkonstruktion in sich zusammen.

»Sie haben mein Leben gerettet«, stotterte Stephanie und lehnte sich an Serakan. Der wusste gar nicht, wie ihm geschah. Er vergaß die Neugier um den fremden Angreifer, vergaß all die Ungereimtheiten und umarmte Stephanie. Er war ihr Retter! Ihr Held! Tatsächlich war es ihm gelungen, ihr – der schönsten Frau in Cartwheel – zu imponieren.

Sie blickte ihm in die Augen. Ihre Lippen kamen den seinen näher, bis sie sich schließlich berührten. Serakan erwiderte die Küsse nur zaghaft. Der Geschmack ihrer Lippen verzauberte ihn, dann wurden die Küsse heftiger und beide gingen, eng umschlungen und immer wieder stehenbleibend zurück in Serakans Bungalow, wo sie sich ihrer Liebe hingaben.

*

Inmitten der Nacht lagen sie wach. Stephanie lag angeschmiegt an den Saggittonen und streichelte seine Brust. Dieser schaute mit einem zufriedenen Lächeln an die Decke und dachte über die letzten Stunden der Ekstase nach. Solche Gefühle hatte er noch nie erlebt. Alle Sorgen waren gewichen, solange Stephanie in seiner Nähe war. Sie war die Frau seines Lebens.

Sanft fuhr er durch ihr Haar. Sie seufzte.

»Was hast du?«

»Unsere Liebe steht unter keinem guten Stern. Saggittor und das Quarterium werden sich bekriegen und wir sind Feinde.«

Serakan schwieg. Seine Geliebte hatte recht. Er konnte nichts daran ändern, Aurecs Entscheidung stand fest. Das Volk unterstützte ihn dabei.

»Aber warum muss Aurec uns alle ins Verhängnis stürzen, Serakan? Nur wir können den Krieg verhindern. Du musst wieder Kanzler werden und dem Volk diese Flausen austreiben.«

»Das wäre Verrat!«

»Ist es Verrat, wenn man das Leben seines Volkes schützt? Aurec mag früher ein guter Regent gewesen sein, doch seit seiner Rückkehr ist er nicht mehr der Alte. Wir zwei könnten Geschichte schreiben und Symbol für die Allianz zwischen dem Quarterium und Saggittor werden.«

Die letzten Worte flüsterte sie in sein Ohr. Dann küsste sie sein Ohrläppchen. Ihre Zunge glitt am Hals entlang. Sein Widerstand schwand. Er war ihr verfallen. Ihre Ansichten waren gar nicht so verkehrt. Ein Krieg würde viele Tote mit sich bringen. Er musste Aurec davon abbringen.

»Serakan, du bist die Zukunft Saggittors. Trete aus Aurecs Schatten, so wie mein Vater aus dem Rhodans herausgetreten ist. Ich liebe dich. Ich werde dir als deine Ehefrau zur Seite stehen.«

»Und Toran Ebur?«

»Er ist ein Monster. Ich löse meine Verlobung mit ihm. Ich liebe dich und sonst keinen anderen Mann.«

Serakan schossen viele Fragen durch den Kopf, doch Stephanies Küsse ließen ihn keine Fragen stellen. Dass Toran Ebur kein sympathischer Zaliter war, war allgemein bekannt. So eine zarte Frau benötigte sicherlich einen noblen, feinfühligeren Mann. Und Serakan sah sich als einen solchen.

Beide küssten sich innig und liebten sich erneut. Die ganze Zeit konnte Serakan nur an Stephanie denken. Die letzten Jahre seines Lebens war er mit der politischen Verantwortung nicht zurechtgekommen. Als er es endlich geschafft hatte, konnte Aurec die Gunst des Volkes wiedergewinnen und löste ihn als Kanzler ab. Serakan stand schon immer in seinem Schatten. Er hatte sich daran gewöhnt, nur der Statthalter zu sein. Der ewige Zweite. Erst Stephanie brachte ihn auf den Gedanken, in dieser schweren Stunde selbst die Hoffnung für Saggittor zu sein.

Dieses bezaubernde Wesen war einem Engel gleich. Sie brachte ihm Liebe und Kraft. Damit konnte er Aurec trotzen! Im nächsten Moment verfluchte er seine Gedanken. Er war Aurecs Freund. Wie konnte er ihn verraten? Serakan wusste nicht, was er machen sollte.

Nur in einem war er sich ganz und gar sicher: seiner Liebe zu Stephanie de la Siniestro.

6. Rhodans Gesuch

Henry »Flak« Portland war in den letzten Monaten zu einer wichtigen Person innerhalb der Liga Freier Terraner geworden. Nachdem er seinen Posten in der quarterialen Armee niedergelegt hatte, wurde er sofort durch das LFT-Außenministerium zum Militärattaché des Botschafters der LFT, Lester Slone, in Cartwheel ernannt.

Seine Frau Rhonda war damit jedoch nicht zufrieden. Sie verstand nicht, warum ihr Mann dem Emperador, den sie so sehr schätzte, den Rücken zuwandte. Die ideologischen Differenzen zwischen der LFT und dem Quarterium interessierten sie nicht.

Manchmal fragte sich der General, ob er wirklich die richtige Frau geheiratet hatte. Rhonda bedeutete nur sein Rang etwas. Für sie war es wichtig, auf gesellschaftlichen Anlässen mit wichtigen Männern und Frauen den neuesten Klatsch auszutauschen.

Henry hatte ihr so oft versucht klarzumachen, dass ein Soldat das zivile Leben achten und beschützen sollte. Das Quarterium hingegen missbrauchte das Militär im Kampf gegen andersartige Wesen. Diese Ideologie erinnerte ihn an alte Imperien aus der grauen Vorzeit der Menschheit.

Dabei war er mit seinem Job sehr zufrieden. Die Portlands genossen ein hohes diplomatisches Ansehen. Rhonda verstand es, auch gesellschaftlich gute Kontakte zur High Society des Quarteriums zu pflegen. Die Zusammenarbeit mit dem LFT-Botschafter war angenehm und Portland vertrat eine Regierung, die seine Prinzipien widerspiegelte. Rhonda vergaß jedoch eine wichtige Tatsache: Ihr Neffe Jan Scorbit kämpfte bereits gegen die Dorgonen. Flak war stolz auf Jan. Er hatte sich vom verweichlichten Wissenschaftler zu einem echten Anführer gemausert, der jahrelang zusammen mit Rosan Orbanashol-Nordment die USO in Cartwheel geleitet hatte und nun an vorderster Front für Freiheit kämpfte. Flak unterstützte die Position seines Neffen von ganzem Herzen.

Das Summen des Interkoms riss ihn aus seinen Gedanken. Er saß in seinem Büro auf Mankind und blickte über die Skyline der Metropole. Sein Büro war recht konservativ eingerichtet. Er gehörte nicht zu den Leuten, die jede Menge Hightech benötigten. Portland besann sich vielmehr auf die Militärkunst. Portraits von Wellington, Montgomery, Patton und Deringhouse hingen an der Wand. In seinem Bücherregal standen Werke über Napoleons Kriegskunst, Guderians Panzerstrategien und der Leitfaden »Taktik in einer Raumschlacht« von Corom Khan.

Sein Zeigefinger fuhr über die Aktivierungstaste des Interkoms. Seine Sekretärin meldete sich. Sie informierte »Flak« über die geheime Ankunft Perry Rhodans.

»Wo befindet sich der Terranische Resident im Moment?«

»Bereits auf dem Weg zur Botschaft. Aus Sicherheitsgründen begleitet Noviel Residor den Residenten.«

Portland beendete die Verbindung und informierte Lester Slone von Rhodans Ankunft. Nicht viele wussten von dem überraschenden Staatsbesuch. Das war aber auch Sinn der Sache. Rhodan wollte mit dem Emperador sprechen und ihn eindringlich um Frieden bitten. Ein großer Staatsbesuch war hierbei nur hinderlich. Außerdem wollte der Zellaktivatorträger die Anwesenheit von Uwahn Jenmuhs und Leticron verhindern.

Portland stellte wieder eine Verbindung zu seiner Sekretärin her.

»Marsha, wurde mein Gesuch vom Emperador bewilligt?«

»Ja, Sir. Der Emperador freut sich, Sie und Ihre Gemahlin zu einem Dinner begrüßen zu dürfen. So sagte man es mir zumindest …«

Portland schmunzelte. Seiner Sekretärin Marsha konnte man wenig vormachen. Die alte Dame war schon im Sekretariat des Außenministeriums gewesen, als er ein junger Kadett war. Die Afroterranerin war die gute Seele dieses Büros. Sie scheute vor keiner Gefahr und zögerte deshalb auch nicht, ihre letzten Berufsjahre in Cartwheel zu verbringen.

Portland rückte seine grüne Uniform zurecht und öffnete das Türchen seiner Schrankbar. Flak suchte einen 1221er Château Clos du Bourg, Bordeaux Rouge zur Begrüßung des Unsterblichen aus.

Als Perry Rhodan zusammen mit dem TLD-Leiter Noviel Residor und dem LFT-Botschafter Lester Slone das Büro erreichte, standen die Weingläser bereits gefüllt auf dem Besprechungstisch.

Rhodan begrüßte Portland freundlich, während Noviel Residor in seiner gefühlskalten Art lediglich ein Kopfnicken zustande brachte.

»Wie sieht es aus, Flak?«, wollte Rhodan sofort wissen.

Er vergeudete nicht viel Zeit. Das zeichnete ihn aus. Perry Rhodan war ein Mann, der sofort bei der Sache war.

»Nach dem Eingreifen der Saggittonen auf Stromgarde haben die Dorgonen das Quarterium offiziell um Hilfe gebeten. Sollte das Viererimperium seinen Verbündeten zu Hilfe kommen, gibt es einen Krieg gegen die Saggittonen. Wie es heißt, wird Aurec die estartischen Völker nicht im Stich lassen.«

»Natürlich wird er das nicht. Ich würde es auch nicht«, gestand Rhodan mit einem Seufzen.

»Ich muss sofort mit de la Siniestro sprechen«, erklärte er.

Portland nahm ein Schluck Wein und lächelte: »Bereits alles veranlasst, Sir. Wir treffen uns in zwei Stunden mit ihm.«

»Tüchtiger Mann«, lobte Rhodan.

»Schmeckt Ihnen der Wein, Mister Residor?«, wollte Slone wissen.

»Ja«, war die knappe Antwort des Gefühlskalten.

*

Der Emperador war überrascht, Perry Rhodan statt Rhonda Portland an der Seite des Militärattachés zu sehen. Anscheinend hatte man ihn hereingelegt. Doch bei Rhodan überraschte ihn nichts. Er verbarg die Verwirrung und begrüßte Perry als »guten Freund«.

Rhodan war nicht nach diesen Floskeln zumute, doch, wenn er wie Atlan oder Bully auftreten würde, direkt und undiplomatisch, würden die Chancen eines Friedens weiter sinken.

Die Räumlichkeiten des Emperador im Paxus-Palast erinnerten Rhodan an die Zeit des Absolutismus. Nun, de la Siniestro stammte aus dieser Zeit. Er hatte den Unabhängigkeitskampf der USA, die Französische Revolution und Napoleons Europakrieg miterlebt. Rhodan war mit der voratomaren Zeit sehr verbunden gewesen. Nicht, weil er sie für besser hielt, sondern weil es die Epoche seiner Kindheit war. Und weil es Geschichte war, aus der man lernen konnte und die er nicht mitgeschrieben hatte.

Es gab viele Menschen, die Perry Rhodan mit Napoleon Bonaparte verglichen hatten. Sie sahen in Rhodan den Kriegsherren. Beide hatten eine Idee, die sie auf andere Länder weitertragen wollten. Rhodan konnte das nachvollziehen. Doch er erzwang sich seine Vision nicht mit Waffengewalt. Zumindest nicht ohne zwingenden Grund. Das unterschied diese beiden großen Männer der terranischen Geschichte grundlegend voneinander.

Peter de la Siniestro und dessen Schwester Brettany nahmen an dem Dinner teil. Rhodan spürte die verächtlichen Blicke des Sohnes, während Brett, wie sie ihre Freunde nannten, von fast schon naiver Gutmütigkeit war.

»Was führt Sie zu mir, Señor Rhodan?«, wollte der mächtigste Mann dieser Galaxis wissen.

»Der Frieden. Saggittor hat den Rebellen in Siom Som geholfen. Nun wird Commanus Sie sicher um Hilfe bitten. Es darf nicht soweit kommen, Don Philippe!«

Der Emperador knabberte an dem Fleisch einer Hühnerkeule. Abrupt legte er sie beiseite und tupfte sich das Fett vom Mund ab.

»Ich bevorzuge auch einen friedlichen Weg, doch warum muss sich Saggittor in diesen Krieg einmischen? Und die USO hat dort ebenfalls nichts verloren. Seien Sie ehrlich Rhodan, Sie wissen von den Aktivitäten der USO?«

Rhodan fühlte sich ertappt, überspielte die Überraschung jedoch mit einer sofortigen Gegenfrage: »Warum muss Dorgon diesen Krieg anfangen? Die estartischen Völker sind uns seit Jahrhunderten friedlich gesonnen. Es zählt zu den terranischen Tugenden, seinen Verbündeten beizustehen.«

»Sie sagen es, Señor Rhodan. Das Quarterium muss seinem Verbündeten, dem Kaiserreich Dorgon, beistehen«, erwiderte der Spanier ebenso schnell.

Rhodan nahm einen Bissen von dem Gemüse. So recht schmeckte ihm das Essen nicht.

»Ich verstehe dich nicht, Vater. Mister Rhodan hat doch recht. Es ist ein Verbrechen, was die Dorgonen machen. Wir sollten zusammen mit den Saggittonen die estartischen Völker befreien.«

Rhodan war angenehm angetan von der direkten Art Brettanys. Sie schien das Herz am rechten Fleck zu haben.

»Schweig, Schwester! Du hast sowieso keine Ahnung. Du bist nur ein Mädchen. Spiel mit deinen Puppen und lass uns große Staatsmänner über Politik sprechen«, warf Peter ein.

Rhodan beobachtete das missmutige Gesicht des Emperadors. Peter sprach ihm nicht aus der Seele.

»Du bist es doch, der mit Puppen spielt, mit Soldatenpuppen! Nicht ich«, konterte Brett.

Peter lief rot an. Er schlug mit der Faust auf den Tisch.

»Wie kannst du es wagen …«

»Ruhe, Sohn!«, herrschte ihn der Spanier an und entschuldigte sich bei den anderen für diesen Disput.

»Ich bin nicht ruhig. Sollen doch die Saggittonen kommen. Das Quarterium hat eine gigantische Flotte. Wir werden sie besiegen«, brüllte er.

Dann stand er auf und wandte sich Rhodan zu. Das hässliche Pockengesicht schien vor Erregung zu platzen.

»Und Ihre LFT werden wir auch zerquetschen, Rhodan. Sie haben keine Chance gegen unsere Armee. Besser, sie alliieren sich mit uns, bevor wir die LFT überrennen.«

»Entschuldige dich sofort bei Señor Rhodan. Und dann gehst du auf dein Zimmer!«

Verständnislos blickte Peter seinen Vater an. Dann schaute er verächtlich zu Rhodan hinüber. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, rannte er weg. Rhodan hatte schon nach seinem ersten Treffen mit Peter de la Siniestro das Gefühl gehabt, er wäre wahnsinnig. Der heutige Tag verstärkte seine Vermutung.

Der Emperador wirkte angegriffen. Nicht körperlich, sondern seelisch. Er schien unter dem enormen Druck zu leiden. Perry spürte, dass der Spanier diesen Krieg nicht wollte. Deshalb war ihm so wichtig, ohne die Agitatoren und Extremisten des Quarteriums mit ihm sprechen zu können.

»Wir beide wollen diesen Krieg nicht. Wir müssen ihn verhindern.«

Rhodan schob seinen Teller beiseite.

»Egal, was Commanus, Leticron oder Jenmuhs sagen. Sie wissen, wie schnell dieser Krieg eskalieren könnte. Billionen Opfer könnten die Folge sein. Wollen Sie das allen Ernstes? Wollen Sie Ihr Imperium in den Untergang führen?«, fragte Rhodan eindringlich.

Der Emperador blickte ihn seltsam an. Brettany nahm seine Hand und streichelte sie. Er zog sie rasch weg, um keine Schwäche zu zeigen.

»Señor Rhodan! Das Quarterium ist stark und mächtig. Wir haben das Potential, zusammen mit Dorgon die estartischen Galaxien, Saggittor, die USO und wenn es sein muss auch die LFT zu bezwingen. Es geht nicht um unseren Untergang, sondern um Ihren«, stellte er klar.

Rhodan war schockiert über diese Aussage. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Das war ein Schlag mitten ins Gesicht.

»Doch …«, fügte der Emperador hinzu, »möchte auch ich das nicht. Ich will keine Billionen Opfer. Deshalb nehme ich mir Ihr Anliegen zu Herzen. Ich werde mit den Quarteriumsfürsten sprechen. Sie verlangen von uns einen Vertragsbruch mit Dorgon.«

De la Siniestro fuhr sich nervös mit der Hand übers Gesicht.

Rhodan nickte.

»Das ist mir klar. Doch ein Pakt mit dem Teufel ist nicht viel wert. Goethes Faust hätte auch den Vertrag mit dem Satan gebrochen, wenn er es gekonnt hätte.«

Don Philippe schloss die Augen. Rhodan konnte nicht ahnen, dass der Spanier selbst in der Rolle von Faust war. Er hatte seine Seele an MODROR verkauft. So sehr er auch das Quarterium als Monarch führen wollte - MODROR verlangte zu viel. Sein Wort Rhodans gegenüber war nichts wert, denn die Söhne des Chaos hatten sicher andere Pläne.

»Sicherlich …«, meinte Don Philippe de la Siniestro knapp.

29. Juli 1305 NGZ

Dem Spanier war nicht wohl, als die anderen Quarteriumsfürsten und Cauthon Despair den Saal betraten. Er kannte ihre Antwort bereits. Weder Uwahn Jenmuhs, Leticron oder Torsor würden ihn verstehen. Rache und Machtgier waren für sie vorrangig. Und selbst wenn nicht, so würden sie sich alle MODRORs Willen beugen.

Der Emperador berichtete den Fürsten von dem Besuch Perry Rhodans. Sie reagierten allesamt mit Verachtung darauf. Nur Despair blieb ruhig.

Es begann eine hitzige Diskussion über die Vor- und Nachteile eines Kriegseintrittes.

»Das Quarterium ist stark genug. Wir müssen die LFT nicht mehr fürchten. Zusammen mit Dorgon können wir die estartischen Galaxien untereinander aufteilen«, schlug Uwahn Jenmuhs vor.

Der fette Arkonide kauerte in einem Sessel, in dem er kaum hineinpasste. Sein edler Anzug schien jeden Moment auseinander zu platzen. Leticron grinste unheilvoll.

»Ich denke, der ehrenwerte Jenmuhs hat recht. Nehmen wir doch Erendyra und Absantha-Schad. Sind nette Galaxien. Wenn sich die Saggittonen uns in den Weg stellen, haben wir ein Problem weniger in Cartwheel.«

De la Siniestro erschauderte bei Leticrons Worten. Sie waren kalt und berechnend. Dass der Pariczaner über Milliarden Lebewesen entschied, war ihm völlig egal.

Sie alle wollten Macht. Eine Galaxis schien ihnen nicht zu genügen. Leticron und Torsor waren zudem von ihrem Hass gegen Perry Rhodan beziehungsweise die Mächte von M 87 angestachelt. Wo sollte dieser Wahnsinn enden? Der Emperador genoss die Macht, eine Galaxis zu beherrschen. Er wollte sie auch nicht wieder abgeben. Doch warum musste man jetzt nach anderen Galaxien greifen? Damit setzte man alles aufs Spiel.

Fragend, von einem letzten bisschen Hoffnung getrieben, blickte er den Silbernen Ritter Cauthon Despair an.

»Es ist die Frage, was unser aller Meister MODROR wünscht«, begann dieser mit seiner dunklen Stimme. »MODROR will ein starkes Bündnis zwischen Cartwheel und Dorgon. Er will die Gefahr durch Perry Rhodan ein für alle Mal aus der Welt schaffen. Erst wenn die Milchstraße in unserer Hand ist, ist MODROR zufrieden. Entweder wir besetzen sie oder ein neuer SONNENHAMMER wird sie vernichten.

Der Krieg ist unausweichlich. Wir können ihn auch jetzt gleich beginnen.«

*

Don Philippe de la Siniestro saß noch nach Stunden in seinem Thron und dachte über die Konferenz nach. Nur Diabolo stand noch bei ihm und wartete treu. Der Posbi war sein einziger Freund.

Er grübelte über die Worte seiner Verbündeten nach. Sie wollten diesen Krieg, um Saggittor zu vernichten und sich danach der Milchstraße zu widmen. Der Emperador schlug Alternativen vor, die jedoch auf Ablehnung stießen. Dennoch hatte er sich durchsetzen können und so gab es vorerst keinen Krieg. Vielleicht ein paar Stunden lang.

Neue Verhandlungen waren seine einzige Chance. Stephanie schickte er mit Despair nach Dorgon, um mit Commanus zu reden. Vielleicht konnte man einen Kompromiss erreichen. Die estartischen Völker mussten Territorien abgeben, doch Dorgon sollte sich damit begnügen.

Es war eine vage Hoffnung. Aber immerhin eine Hoffnung. Zwar kam der Spanier aus einer Zeit, in der Menschenleben wenig bedeuteten, doch er gab ungern zu, dass das Vertrauen der Terraner in seine Person ihn berührte. Irgendwie fühlte er sich wirklich als der Vater der Nation. Und deshalb war er um das Wohlergehen seiner »Kinder« bemüht.

Doch vom Pakt mit MODROR konnte er nicht zurücktreten. Das würde unweigerlich seinen Tod bedeuten. Die errungene Macht und die Unsterblichkeit wollte der Emperador nun doch nicht aufgeben. Soweit ging seine Selbstlosigkeit nicht.

*

Der Gos’Shekur wanderte mit sich selbst zufrieden durch den Konferenzraum und studierte die strategischen Pläne für die Entsendung des Estartukorps nach Siom Som.

Seine Generäle Alcanar Benington und Toran Ebur hatten die ersten Einsatzpläne entworfen. Sie entsprachen seinen Vorstellungen. Neben den beiden waren auch Corun Leticron, General Mandor da Rohn sowie die General-Obersten Jodur Ta’Len Weron und Keitar Ma’Tiga Leson anwesend. Der Oberbefehlshaber des Heeres Peter de la Siniestro glänzte mit seiner Abwesenheit. Man munkelte, dass es ihm nach dem Besuch Rhodans nicht so gut ging.

Der Oberbefehlshaber der terranischen Flotte, Orlando de la Siniestro, wurde absichtlich zu dieser Konferenz nicht eingeladen. Jenmuhs mochte Siniestros seltsame Art nicht. Er war ein Gegner dieser Operation. Also sollte er auch nicht an der Planung teilhaben, sondern lediglich Befehle empfangen.

Soeben betrat Admiral Terz da Eskor den spartanisch eingerichteten Stabsraum. Mit einer Ehrenbezeugung grüßte er den Gos’Shekur und den Corun.

»Nun, da wir vollzählig sind, können wir beginnen. General Benington!«

Der Terraner nickte dem Gos’Shekur zu und aktivierte eine Holographie, auf der Schiffe, Zahlen und Routen zur bevorstehenden Operation eingeblendet wurden.

»Generalmarschall Ebur, Admiral da Eskor und ich haben diesen Operationsplan entworfen. Dieser Plan sieht die Entsendung des I. Estartukorps in die Galaxis Siom Som vor. Das Estartukorps wird eine Stärke von fünf Millionen Infanteristen und 15 Millionen Raumschiffbesatzungsmitglieder, Piloten, Logistiker, Mediziner und Agenten aufweisen. 2.500 Schlachtschiffe vom Typ Supremo werden unter dem Kommando der ARKON sofort in Alarmbereitschaft versetzt.«

Leticron staunte über das große Kontingent. Fünf Millionen Grautruppen auf 2.500 Schlachtschiffen bildeten eine gewaltige Armee für eine »Hilfstruppe«. Insgesamt waren es mehr als 20 Millionen Soldaten, Beamte und Raumfahrer.

»Sehr gut«, lobte Jenmuhs. »Sie und Generalmarschall Ebur werden die Operation leiten. Sie haben mein vollstes Vertrauen.«

Benington salutierte sichtlich begeistert. Toran Ebur machte keinen überraschten Eindruck. Jenmuhs hatte ihn schon vorher über seine Pläne informiert. Er hatte den Überfall auf Lingus vor einigen Jahren bereits sehr genossen. Die Flagge des Quarteriums nun in eine andere Galaxis zu tragen, war eine besondere Ehre.

Nun mischte sich Leticron in die Planungen ein: »Für den glücklichen Fall einer Einigung mit den Dorgonen werden das zweite und dritte Estartukorps unter dem Befehl von Großadmiral da Eskor und Generalmarschall Peter de la Siniestro gebildet werden. Je eine Flotte zu 25.000 Raumschiffen mit einer Truppenstärke von je 200 Millionen Soldaten und Besatzungsmitgliedern soll zur Eroberung einer Galaxis aufbrechen.«

Mandor da Rohn blickte Leticron verständnislos an. Tiefe Sorgenfalten gruben sich in das vergrämte Gesicht des alten Arkoniden.

»Aber Sir, bis jetzt besteht doch dafür kein Anlass. Wir sollen die Dorgonen schützen und nicht selbst Besitzansprüche stellen«, warf er ein.

Er erntete dafür einen finsteren Blick des Pariczaners, der diesen Widerspruch nicht erwartet hatte.

»General da Rohn, wir müssen vorausschauend denken. Wenn die Saggittonen mit den estartischen Völkern alliieren, werden sie uns bekämpfen. Wir werden sie vernichten und gleichzeitig – als Lohn für unsere Mühe – das Quarterium erweitern«, erklärte Leticron kühl.

»Aber, Sir …«

»Das Wohl des Quarteriums ist Ihnen doch am wichtigsten? Expansion ist ein Garant für den Fortbestand eines Reiches.«

Mandor da Rohn verneigte sich und beschloss zu schweigen. Dieser Wahnsinn gefiel ihm ganz und gar nicht, doch ein zweiter Einwurf könnte ihn den Kopf kosten.

»Ich entschuldige mich für den General. Er steht heute neben sich«, warf der General-Oberst Jodur Ta’Len Weron ein.

Der General-Oberst war einer der persönlichen Berater des Gos’Shekurs. Der kleine, gedrungene Arkonide galt inoffiziell als Speichellecker, wie auch sein Kollege Keitar Ma’Tiga Leson. Keitar war ein hagerer, hochgewachsener Mann mit ausdruckslosem Gesicht und wenig Haaren auf dem Kopf.

Ihre Ansichten waren zumeist die des Gos’Shekur. Das machte sie bei ihm so beliebt – beim Militär eher berüchtigt. Doch als Oberbefehlshaber des Stabes waren sie aus der Führungsriege des quarterialen Militärs nicht mehr wegzudenken.

Leticron bedeutete mit einer Handbewegung, dass das Thema für ihn nicht mehr von Belang war.

Was waren schon zweihundert Millionen Soldaten und knapp 50.000 Raumschiffe für das Quarterium? Die Flotte war zehnmal so stark und die Anzahl der Soldaten lag bei knapp zwei Milliarden Arkoniden, Terranern, Pariczanern, Pelewon, Moogh und Grautruppenklonen.

Leticron konnte beliebig viele Soldaten entsenden. Sie konnten die zwei Galaxien mühelos besetzen. Die letzten sechs Jahre hatten nur der Aufrüstung der Armee gegolten. Alles war von den Söhnen des Chaos, allen voran Cau Thon, akribisch genau geplant worden.

MODRORs ideologische Kriege interessierten Leticron wenig, aber er wollte über eine Galaxis herrschen, dabei das ewige Leben genießen und Rache an Perry Rhodan nehmen. MODROR gewährte ihm diese Bitten. Die geheimnisvolle Entität war ein guter Arbeitgeber, wie der Pariczaner fand.

Die Militärs unterhielten sich noch über die Details. Das I. Estartukorps wurde in Bereitschaft versetzt. Die Flotte sollte am 2. August Kurs auf das Sternenportal nehmen. Dort sollten sie drei Lichtjahre vom Portal entfernt bei der Raumstation GORGON warten.

Terz da Eskor und Mandor da Rohn hatten die ehrenvolle Aufgabe, das II. und III. Estartukorps zu bilden. Zweihundert Millionen Wesen und 50.000 Raumschiffe mobil zu machen, war ein nicht zu unterschätzender logistischer Aufwand.

Auch wenn General da Rohn Leticrons Meinung zur Invasion nicht teilte, würde er loyal und gewissenhaft die Befehle ausführen. Er war eben ein Soldat, wie er im Buche stand.

Toran Ebur und Alcanar Benington verabschiedeten sich und machten sich sofort auf den Weg zu ihren Garnisonen und Divisionen.

Leticron blickte ihnen nach. Dann wechselte er einen Blick mit Uwahn Jenmuhs. Beide dachten dasselbe: Der Krieg stand bevor!

7. Tage der Entscheidung

Aus den Chroniken Cartwheels

Abreise und Rückkehr lagen in diesen Tagen nahe beieinander. Nachdem die Außenministerin des Quarteriums und der Silberne Ritter am 2. August 1305 NGZ nach M 100 aufgebrochen waren, kehrte Aurec einen Tag später mit der IVANHOE II aus Siom Som zurück.

Die Begeisterung über seine Rückkehr hielt sich besonders im Quarterium in Grenzen. Perry Rhodan suchte sofort seinen Freund auf und bat ihn um mehr Diplomatie.

Doch der Saggittone war festen Willens, die estartischen Völker zu befreien. Er hatte das Leid in Siom Som gesehen. Rhodan nicht. Der Terranische Resident wiederum hatte in seinem über dreitausendjährigen Leben genug Elend gesehen, um Aurec zu verstehen.

Im Grunde stimmte er ihm auch zu, doch die Angst vor einem Krieg saß tief. Ich, der Chronist der Insel, konnte ihn verstehen. Niemand wünschte sich einen Krieg. Jedoch gab es Punkte, an denen man keine Kompromisse mehr mit dem Bösen machen durfte.

Nicht nur das dorgonische Reich, auch das Quarterium war eine Keimzelle des Bösen. Niemand fragte im Moment, was aus den vielen Extraterrestriern wurde, die zwecks Resozialisierung in Carjulstadt, auf Davau oder Objursha interniert wurden. Bis jetzt hatte ich keinen »Geläuterten« aus den »autonomen Gebieten« zurückkehren sehen.

Die Angst vor der Wahrheit schien investigative Nachforschungen zu verhindern. Die USO war mit Siom Som beschäftigt, wie auch die Saggittonen. Im Quarterium kümmerte sich niemand um das Schicksal dieser bedauernswerten Wesen, und wenn es jemand tat, so verschwand er sehr schnell.

Diese Ungewissheit war tragisch. Wenigstens gab es einen Lichtpunkt; Aurec, Perry Rhodan und der gute Jonathan Andrews besuchten uns in New Turin. Meine Nichte Nataly war überglücklich.

*

Jonathan und Nataly fielen sich in die Arme und küssten sich. Dann stieß sie ihn weg und blitzte ihn wütend an.

»Ich hoffe, du bleibst länger?«

Andrews blickte Aurec an, der schwach den Kopf schüttelte. Nataly bekam das mit und stemmte erzürnt die Hände in die Hüften.

»Du lässt mich wieder hier zurück und spielst den Helden. Wie lange soll das noch weitergehen?«, rief sie aufgebracht. Andrews wusste nicht, was er sagen sollte.

»Es ist doch mal ganz gut, dass wir eine Pause voneinander haben, oder? Sieh es doch auch mal so, Maus.«

Aurec hätte das nicht gesagt und Andrews Scherz stieß bei Nataly auf wenig Gegenliebe.

»Du Mistkerl!«, zischte sie.

Andrews blickte sie verdutzt an. Verlegen schaute er auf den Boden und überlegte, wie er das wiedergutmachen konnte. Dann stieß Nataly ihn an und grinste.

»Reingefallen, oder?«

Sie drückte ihm einen dicken Schmatzer auf die Lippen und begrüßte dann Perry Rhodan und Aurec. Rhodan warf einen fragenden Blick zu Aurec hinüber.

»Muss Liebe schön sein«, murmelte er nur mit einem Lächeln.

Wie aufs Stichwort kam Kathy Scolar aus dem Haus und konnte kaum glauben, Aurec zu sehen. Sie warf sich ihm um den Hals und umarmte ihn so fest sie konnte. Perry Rhodan fühlte sich etwas überflüssig zwischen den beiden Liebespaaren, dachte flüchtig an Mondra Diamond und lief auf die Veranda, auf der Jaaron Jargon saß und einen Pfefferminztee genoss.

»Perry Rhodan, es ist mir eine Freude, Sie in unserem Haus als Gast willkommen zu heißen.«

»Danke, Jaaron. New Turin wirkt wie eine Oase zwischen all der Kriegsstimmung in Cartwheel.«

Der alte Mann winkte ab.

»Ein trügerisches Bild, denn das Quarterium hat auch seine Dämonen in dieser Stadt. Wir hatten bereits das zweifelhafte Vergnügen mit einigen von ihnen.«

Jaaron erzählte von Ronald Kreupen und dem Besuch von Stephanie de la Siniestro, die versuchten, ihn davon zu überzeugen, propagandistisch für das Quarterium Stellung zu nehmen. Jaaron hatte natürlich abgelehnt und wusste, wie gefährlich diese Entscheidung war.

Nataly kam zu den beiden.

»Ich habe etwas Essen vorbereitet. Mathew ist auch angekommen. Damit sind wir jetzt vollzählig.«

Der hochgewachsene Erste Offizier der IVANHOE grinste wie üblich und begrüßte seine Freunde. Vor Perry Rhodan hatte er etwas Respekt, doch seine offene Art machte ihn Rhodan gleich sympathisch.

Natürlich gab es italienisches Essen, wie sollte es auch anders sein in einer Stadt, die New Turin hieß. Die Freude wurde jedoch schnell durch den Besuch Ronald Kreupens gedämpft.

Der kleine Terraner mit der runden Brille grüßte mit der Ehrenbezeugung des Quarteriums die Anwesenden. Er küsste Natalys Handrücken und begrüßte demütig Perry Rhodan. Für Aurec blieb ein verhaltenes Nicken übrig. Andrews, Wallace und Kathy beachtete er gar nicht.

»Verzeihen Sie mir meine Störung. Ich wollte einen Höflichkeitsbesuch abstatten und wusste nicht, dass so erlauchter Besuch anwesend ist«, erklärte mit seiner unangenehm heuchlerisch wirkenden Stimme.

»Seien Sie unser Gast«, bat Jaaron höflich. Kreupen nahm natürlich an. Schnell wurde ein Gedeck aufgelegt.

»Die Küche hier ist exzellent«, lobte Kreupen. Mit einem seltsamen Grinsen starrte er auf die Spaghetti und den gemischten Salat. Dann nahm er einen Schluck Wein. »Oh, ein Chianti Classico.«

Jaaron nickte.

»Ein Import aus der Toskana.«

Rhodan musterte den überfreundlichen Bezirks-Kommandeur von New Turin. Das feiste Gesicht strahlte geradezu unnatürlich viel Heiterkeit aus. Die kleinen Augen funkelten jedoch gefährlich. Ein Mann mit dreitausendjähriger Menschenkenntnis wusste sofort, dass dieser Kreupen ein falsches Spiel trieb.

»Oh, ich habe gerade das Buch ›Die Art der drei Kasten‹ von Vladmyr Constroy gelesen. Sie kennen es sicherlich.«

Jaaron nickte.

»Constroy hat es im Jahre 453 NGZ geschrieben und es ist zweifellos die beste Literatur über die Twonoser.«

Kreupen lachte: »Das Kastensystem hat mich fasziniert.«

»Elitäre Systeme widern mich an«, meinte Jaaron entrüstet. »Solche Denkweisen rufen den Kynismus in mir hervor.«

»Ach wissen Sie, mein Guter. Aristoteles Ansichten habe ich noch nie geteilt«, tat der Quarteriumsanhänger abfällig die Ansichten des Linguiden ab.

»Die Lehre des Kynismus beruht auf Sokrates, mein Bester«, gab Jaaron zynisch zurück. Kreupens Gesicht gefror.

»Der Name leitet sich sowohl vom Gymnasium Kynosarges her, in dem ihr Begründer Antisthenes lehrte, als auch von ihrer Lebensweise ›wie die Hunde‹. Vertreter waren Antisthenes, Diogenes von Sinope, Krates von Theben, Demetrius, Hipparchia, Menedemos, der Kyniker, und Zoilos.

Letzter Zweck des menschlichen Strebens ist für die Kyniker die Tugend, die mit der Glückseligkeit zusammenfällt. Tugend ist Bedürfnislosigkeit und Vermeidung des Bösen und des Übels. Die Tugend ist lehrbar, bedarf aber zu ihrer Verwirklichung mehr der Tat und Willenskraft, als des Wissens. Die Bedürfnislosigkeit sichert die Unabhängigkeit, sie stellt aber bei den Kynikern auch eine Negation von Kultur, Kunst, Familie, Staat, Gütern, Wissenschaft und öffentliche Sitte dar - und zwar bis zur Erregung öffentlichen Ärgernisses.

Glück beruht nach der kynischen Lehre auf innerer Unabhängigkeit und Autarkie.

Dieser Freiheit stehen vor allem drei Hindernisse im Weg: Angst, Begierde nach äußeren Gütern und Unwissenheit.

Bedürfnislosigkeit sowie körperliche und geistige Askese sind die Wege zur Erlangung der inneren Freiheit. Das Streben der Kyniker nach Bedürfnislosigkeit ist Reflex des Elends breiter Volksmassen, ihre bloße Negation des Bestehenden und ihr jede Bindung ablehnender Individualismus Widerspiegelung der Perspektivlosigkeit der breiten Massen und ihrer praktischen Ausgeschlossenheit aus der bestehenden Gesellschaft«, führte der Chronist der Insel aus.

»Wie dem auch sei«, brachte Kreupen nur hervor und nippte an seinem Weinglas.

»Hunde haben zweifellos ein angenehmes Leben. Man wirft ihnen einen Knochen hin und sie sind gefügig. Der Mensch hingegen ist zu Höherem geboren.«

»Nur der Mensch …?«, warf Rhodan ein.

»Der Mensch ist von Gott auserwählt. Kein Extraterrestrier kann das von sich behaupten«, vertrat Kreupen entschieden die Ansicht des Quarteriums.

Rhodan wurde schlecht bei diesem Gedankengut. Es war unfassbar, wie sehr sich die Menschen in Cartwheel innerhalb von nur sechs Jahren zum Negativen hin verändert hatten.

Es kehrte eine unangenehme Stille ein. Jeder konzentrierte sich auf sein Essen. Doch Ronald Kreupen war mit seinen Provokationen noch nicht am Ende. Er lächelte Kathy Scolar an, die sofort ahnte, was jetzt kommen würde.

»Eine gesuchte Psychopathin sitzt mit uns an einem Tisch. Schon seltsam …«, scherzte er.

Zumindest hatte er beabsichtigt, dass es wie ein Scherz klingen sollte, doch jeder in dieser Runde wusste um die Doppeldeutigkeit dieser Aussage.

»Viel schlimmer sind doch die unverurteilten Irren, die sich an unseren Tisch setzten«, konterte Kathy.

Aurec nahm die Hand seiner Freundin und versuchte sie zu beruhigen.

Kreupen sah sie finster an.

»Nur ein Anruf von mir genügt und Sie werden abgeholt. Sie verstoßen gegen das Recht des Quarteriums.«

»Kreupen, Miss Scolar ist meine Verlobte. Ich gedenke, sie bald zu heiraten. Nach saggittonischen Gesetz ist sie damit Staatsbürgerin der Republik. Sie wollen doch keine diplomatischen Verwicklungen auslösen, oder?«, fragte Aurec herausfordernd, doch Kreupen lenkte schnell ein und entschuldigte sich.

»Es ist nur seltsam, mit so viel illustren Leuten am Tisch zu sitzen. Selbst USO-Agenten haben wir hier.«

Er blickte zu Jonathan Andrews.

»Dazu noch zum Tode verurteilte Reichsverräter.«

Nun sah er zu Wallace, der bemüht war, seine Gabel nicht in Kreupens Rachen zu schieben.

»Eine Hoffnung auf Frieden würde ich das nennen«, erklärte Rhodan ernst. »Wir können noch am selben Tisch sitzen. Das bedeutet, dass es noch Hoffnung gibt, diesen Konflikt unblutig zu beenden.«

Kreupen stand plötzlich auf, tupfte mit der Serviette seinen Mund ab und bedankte sich für das Dinner. Er verabschiedete sich hastig und wünschte allen Anwesenden noch einen angenehmen Tag.

Rhodan schaute dem Chef-Agenten des Quarterium noch eine Weile hinterher.

»Ihr müsst sehr aufpassen«, riet er den beiden Jaarons.

8. Der lange Arm des Quarteriums

Malica Homest schrieb an einem Artikel über eine Wohltätigkeitsveranstaltung zur Förderung der Lemurischen Kultur. Stephanie de la Siniestro hatte persönlich drei Millionen Galax gespendet. Malica langweilte diese Arbeit, denn sie durfte nicht ihre persönliche Meinung schreiben. Guy Pallance redigierte jede unerwünschte Silbe. Sie wurde von einer Journalistin zu einer Propagandaschreiberin degradiert.

Und das, obwohl sie alles getan hatte, was Pallance von ihr verlangte. Sogar den Verrat an Aurec musste sie über sich ergehen lassen. Nur ihrer Karriere wegen. Sie bereute diese Entscheidung zutiefst, doch der Saggittone schenkte ihr keinen Glauben.

Nachdem sie ihre Arbeit beendet hatte, wollte sie das fertige Manuskript zu Guy Pallance bringen. Es war schon spät abends und seine Sekretärin arbeitete nicht mehr zu dieser Uhrzeit. Jedoch brannte Licht. Pallance war noch da. Allerdings nicht allein. Malica lauschte an der Tür. Die Stimme der Besucherin kannte sie nur zu gut.

»Lassen Sie uns die Sache zusammenfassen. Während Mohlburry in Siom Som ist, werden Sie die Geschäfte leiten. Der Scheck über einhundert Millionen Galax wird Sie hoffentlich davon überzeugen, pro Quarterium zu berichten«, hörte Malica.

Die weibliche Stimme gehörte Stephanie de la Siniestro. Sie bestach den Intendanten, damit dieser Propaganda für das Quarterium betrieb. Eine Ungeheuerlichkeit. Sie musste jemanden darüber informieren. Aurec fiel ihr als Erster ein. Trotz des frostigen Verhältnisses hatte er die besten Verbindungen. Hastig lief sie in ihr Büro und holte ihr Jacke.

Als sie das Büro verließ und in den Antigrav stieg, öffnete sich eine weitere Tür. Das bleiche, faltige Gesicht des CIP-Chefs Werner Niesewitz schälte sich aus dem Dunkeln. Seine grauen Augen funkelten. Er ging in das Büro von Pallance.

»Ah, da sind Sie ja, Niesewitz«, rief Pallance freundlich.

»Ich wurde aufgehalten. Eine Ihrer Mitarbeiterinnen hat wohl etwas von Ihrem Gespräch mitbekommen«, erklärte Niesewitz.

Pallance lächeln gefror.

»Homest!«, vermutete er.

Mehr Informationen benötigte Niesewitz nicht. Er holte ein Interkomgerät aus seiner Jacke hervor und informierte zwei seiner besten Agenten.

»Zwei Mitarbeiter der CIP sind hier in der Nähe. Sie werden sich Miss Homest vornehmen.«

Pallance nahm ein Schluck aus seinem Vurguzz Glas. Stephanie verhielt sich ruhig und abwartend. Würde Pallance mit dem Mord zurechtkommen? Dann lächelte der Intendant und drückte auf eine Taste.

»Memo für die Personalabteilung. Stellenausschreibung für den Arbeitsplatz von Miss Homest. Sofort zu vergeben.«

*

Malica rannte die Straßen entlang. Irgendetwas beunruhigte sie. Wurde sie verfolgt? Sie wusste es nicht. Vielleicht reagierte die Terranerin auch nur panisch. Sie musste in die Botschaft der Saggittonen. Nur dort würde man ihr Glauben schenken. Sie wusste nicht, wem sie auf Mankind noch vertrauen konnte oder wer ein fanatischer Anhänger des Quarterium war.

Sie drehte sich plötzlich um. Da waren zwei Gestalten! So schnell ihre Beine sie trugen, rannte sie weg. Links lief sie in einen Park. Malica hastete zu einem See, doch plötzlich traf sie etwas am Bein. Schreiend fiel sie zu Boden. Ihre Wade blutete und fing an zu schmerzen. Ein graufarbenes Geschoss steckte in ihrem Fleisch. Sie versuchte wieder aufzustehen, doch der Schmerz war zu groß. Sie kroch weiter, doch plötzlich standen zwei Beinpaare vor ihr. Das eine Paar fiel ihr auf. Die Person trug Sandalen und darunter sah man die blauen Socken.

Malica blickte nach oben und zwei abgrundtief hässliche Frauen standen vor ihr. Die eine trug sogar einen Bart. Es war die mit den blauen Socken. Plötzlich zog diese Frau einen Schuh aus und fuhr mit ihrem Fuß über Malicas Gesicht, die sich den Brechreiz zurückhalten musste. Dann trat sie auf ihren Hals und drückte zu. Ihr Kehlkopf wurde eingedrückt. Malica wollte sich wehren, doch das stämmige Bein war zu kräftig. Sie röchelte verzweifelt, brachte jedoch keinen Hilferuf mehr zustande.

Dann war es vorbei!

9. Die Entscheidung

Aus den Chroniken Cartwheels

Große Staatsmänner vermochten Kriege verhindern. Doch diese großen Staatsmänner waren ebenso in der Lage, den Krieg zu beginnen.

Am 7. August begann das Unheil mit der offiziellen Rückkehr von Stephanie de la Siniestro und Cauthon Despair. Niemand wusste, dass die intrigante Tochter des Emperador bereits zwei Tage zuvor wieder in Cartwheel gewesen war, um mit dem Intendanten von INSELNET Formalitäten zur Kriegsberichterstattung zu besprechen.

Niemand wusste, dass Stephanie de la Siniestro mitschuldig am Tod der jungen Journalistin Malica Homest war. Ihr Ableben war eine Randnotiz in den Zeitungen und TV-Sendern. Pallance selbst schrieb einen pathetischen Nachruf, der mit keiner Zeile seine wahre Meinung über Malica Homest ausdrückte.

Die junge Reporterin hatte zu spät erkannt, auf welch gefährliches Spiel sie sich eingelassen hatte. Wer Prinzipien hatte und trotzdem in dieser Zeit in Cartwheel Karriere machen wollte, war fehl am Platz.

De la Siniestro und Despair kündigten einen Staatsbesuch von Commanus am 20. August des Jahres 1305 NGZ an. Während dieser Zeit währte ein seltsamer Status quo in Cartwheel. Die CIP unterließ ihre Verfolgungen der Extraterrestrier und es gab auch keine Aggressionen seitens der Aliens. Anscheinend hatte man Respekt vor der Anwesenheit Perry Rhodans. Es war ein Hoffnungsschimmer zu wissen, dass allein die Präsenz des Unsterblichen zeitlich begrenzten Frieden brachte.

Stephanie de la Siniestro nutzte die Zeit, um Serakan völlig in ihren Bann zu schlagen. Der einst so loyale Saggittone wurde von seiner Geliebten verblendet und aufgehetzt. Das Unmögliche geschah: Serakan wandte sich am 13. August gegen Aurec und stellte einen Misstrauensantrag gegen den amtierenden Kanzler.

Doch dieses Aufbegehren stand auf tönernen Füßen. Serakan sprach sich für eine Allianz mit dem Quarterium aus und wollte einen Krieg vermeiden. Letztlich brachte ausgerechnet ein Fremder Serakans Kartenhaus zum Einsturz: Mirus Traban!

Der Akone erklärte in einer schillernden Rede, dass Akon in Cartwheel von nun an ein Bündnis mit Saggittor eingehen werde, um gemeinsam die estartischen Völker zu befreien.

Traban begründete diese überraschende Allianz mit der Tatsache, dass die Akonen in Cartwheel sich endlich ihrer Verpflichtung gegenüber allen Wesen bewusst geworden waren. Selbst Rhodan war berührt, als er sagte: »Wir sind terranischer geworden, besser gesagt, wir haben endlich unser lemurisches Erbe angetreten. Nicht mehr so selbstgefällig und arrogant. Für uns zählt mehr als nur unser Volk. Ich hoffe, dass ich eines Tages diese Ideen in das blaue System tragen kann.«

Aurec plädierte erneut dafür, einen Krieg zu riskieren, um für die Freiheit der unterdrückten Galaxien zu streiten. Die Tatsache, dass Mirus Traban und alle Akonen in Cartwheel ihn dabei unterstützen, brachte den Senat schließlich zu dem fast einstimmigen Ergebnis, Serakans Misstrauensantrag abzulehnen.

Der ehemalige Kommandant der SAGRITON war geschlagen und kehrte zu Stephanie zurück, die nun ihr wahres Gesicht zeigte und Serakan zum Teufel jagte. In seiner Verzweiflung und der Gewissheit, alles verloren zu haben, beging Serakan am 16. August Selbstmord durch Gift.

Aurec kam zu spät, um mit seinem Freund zu sprechen. Der Kanzler bedauerte und beklagte Serakans Tod, doch er wusste nicht, wer wirklich die Schuld daran trug: Stephanie de la Siniestro. Die Hände der schönen Terranerin wurden immer blutiger.

Am 20. August besuchte Kaiser Commanus nun Paxus. Mit einer gewaltigen Flotte von Adlerschiffen defilierten seine Truppen zum Regierungssitz des Quarteriums. Commanus ließ sich wie einem Gott huldigen. Dieses ganze Schauspiel spiegelte seine Eitelkeit und die Verherrlichung seiner eigenen Person wieder.

Commanus bat nun offiziell um Hilfe im Falle eines Kriegseintritts Saggittors. Der Emperador stimmte zu, trotz Rhodans Bemühungen. Er erklärte, dass man eigens dafür das I. Estartukorps zusammengestellt habe. Der Oberbefehlshaber Generalmarschall Toran Ebur hatte seine Truppen zusammengezogen und war jede Minute bereit, auszurücken.

Nun lag es an Aurec, der prompt reagierte und am 21. August vor den Überresten des illusionistischen Paxus-Rates die Mobilmachung von 40.000 saggittonischen und 17.500 akonischen Schlachtschiffen verkündete.

Damit waren die Fronten geklärt. Die Allianz der Saggittonen und Akonen würde in den Krieg ziehen. Man einigte sich immerhin darauf, den Konflikt nur in den estartischen Galaxien auszutragen und niemals die Waffen in Cartwheel sprechen zu lassen. Sowohl der Emperador als auch Aurec und Traban gaben einen Eid darauf und schlossen Verträge.

Das Sternenportal sollte weiterhin eine neutrale Zone der Galaxis sein. Keine Macht sollte der Verbindung zu den anderen Galaxien im Wege stehen. Sowohl das Quarterium als auch Saggittor versicherten dies erneut.

Perry Rhodan erklärte nochmals seinen neutralen Standpunkt. Der Terranische Resident wollte keinesfalls einen Krieg mit dem Kristallimperium riskieren. Die LFT war dazu nicht in der Lage. Doch inoffiziell garantierte Rhodan Aurec jede materielle Hilfe, die er verlangte.

Der Krieg war unausweichlich. Es war nur eine Frage von Tagen. Später würde man vom Beginn des »Großen intergalaktischen Krieges« reden …

10. Die Mobilmachung

Zu prächtiger Marschmusik stolzierten die hunderttausend Soldaten über die breite Cartwheel-Straße, der Hauptstraße von Paxus. Das kastenförmige Regierungsgebäude grenzte direkt an und der Emperador, Despair, Leticron, Jenmuhs und Torsor verabschiedeten die Soldaten.

Die Soldaten schlugen steif marschierend die harten Sohlen auf den Asphalt. Dieser hunderttausendfache Klang hörte sich an wie Kriegstrommeln, die eine Ode an die Vernichtung spielten.

Am Abend des 27. August hatten die Soldaten des I. Estartukorps ihre Posten eingenommen und warteten auf den Marschbefehl Richtung Siom Som. Das gesamte Korps wurde auf dem vegetationsarmen Kontinent Mechtor stationiert. Auf Mechtor waren die Temperaturen sehr niedrig, doch aufgrund der vielen Schneewüsten bestens geeignet, um große Truppenverbände zu sammeln.

Henner von Herker empfand den Anblick der landenden Supremoraumer als gewaltig. Genüsslich zog er an seiner Zigarette und versuchte, die Schiffe am Himmel zu zählen. Es war unmöglich. Der wolkenbedeckte Horizont war voller kugelförmiger Schlachtschiffe.

Ja, danach hatte er sein ganzes Leben lang gesucht. In der LFT hatte er es nicht gefunden. Auch nicht bei der USO. Doch das Quarterium strotzte vor militärischer Stärke. Seiner Ansicht nach war die Präsenz einer schlagkräftigen Armee das größte Zeichen von Macht einer Nation.

Der liberale und tolerante Kurs der LFT war hier nichts wert. Die Menschen besannen sich auf ihren Ursprung, die Lemurer. Egal ob Arkoniden, Terraner, Zaliter, Ara, Pariczaner, Springer, Oxtorner, Ertruser, Plophoser, Oxtorner oder Epsaler. Sie stammten vom selben Volk ab und bildeten in dieser neuen Galaxis eine Einheit.

Die alten Werte der menschlichen Herrenrasse wurden durch das Quarterium in jedem Menschen geweckt. Man brauchte die Extraterrestrier nicht. Sie waren Ballast und vergifteten den menschlichen Geist. Der Mensch war von Superintelligenzen und Kosmokraten auserkoren worden, das Universum zu beherrschen.

Das Quarterium schickte sich an, diese Mission zu erfüllen. Und mit dem Emperador hatte man einen starken Mann an der Macht, der alles besaß, was ein Führer besitzen musste. Er war Rhodan ebenbürtig, denn er war von ES mit der Unsterblichkeit beschenkt worden. Ein Grund mehr, anzunehmen, dass das, was hier geschah, im Sinne der höheren Mächte war. Die Mission des Quarteriums hatte quasi Gottes Segen.

Major Henner von Herker war stellvertretender Oberbefehlshaber der XXXII. SHIFT-Division. Er warf einen Blick auf seine Truppe. Einer der wichtigsten Männer war sein jahrelanger Freund und Kamerad Leutnant Holge Wosslyn. Wosslyn war ein grobschlächtiger Terraner mit kahlem Kopf. Doch er war ein begnadeter Nahkämpfer und ein loyaler Anhänger der Mission des Quarteriums.

Er ließ seinen Blick zu Leutnant Gert Wissmer schweifen. Ein gewissenhafter Mann, der als Nachrichtenoffizier eingesetzt wurde. Ihm zur Seite stand Sergeant Arny Pomme, ein massiver Epsaler. Sergeant Roppert Nakkhole war für die Shifts zuständig und kommandierte selbst einen. Weitere fähige Leute waren die terranischen Unteroffiziere Markor Schutter, Ace Blacktree und Booz Shiningjokes.

Schutter war Kurierfahrer und Chauffeur des Kommandanten. Blacktree und Shiningjokes waren in der strategischen Planung der Division eingesetzt. Während Blacktree ein glühender Anhänger der Quarteriumsideologie war, konnte von Herker diesen Shiningjokes schwer einschätzen. Manchmal redete der geradezu blasphemische Dinge, so zum Beispiel, dass Aliens doch auch Rechte hatten und so einen Nonsens. Von Herker verstand diesen jungen Terraner nicht. Auf jeden Fall beschloss er, ihn im Blick zu behalten.

Aus den Augenwinkeln erkannte er plötzlich ihren Kommandanten Oberst Wolf Linker, ein Mann im mittleren Alter. Er war wie immer adrett gekleidet und repräsentierte das Quarterium würdig.

Henner warf seine Zigarette weg und salutierte vor dem Oberst. Er meldete, dass die XXXII. Estartudivision einsatzbereit war.

»Sehr gut, Major. Sie haben gute Arbeit geleistet«, lobte Linker seinen besten Mann.

Henner grinste kurz, dann stand er strammer denn je. Linker legte seine Hand auf Henners Schulter.

»Sie sind ein fähiger Mann, Major von Herker. Auf Leute wie Sie vertraut das Quarterium. Wir müssen zusammenhalten«, erklärte er.

Henner versteifte sich in seiner Haltung noch mehr. Das Lob ging runter wie Öl. Die Armee war das Beste, was es für ihn gab. Hier gab es noch echte Kameradschaft.

Dann wandte sich Oberst Linker an die anderen Offiziere seiner Division.

»Männer! Wir haben den Marschbefehl erhalten. Am 29. August brechen wir nach Siom Som auf. Ich befehle, dass unsere Division die beste von allen sein wird. Pflicht, Loyalität und Disziplin sind unsere Tugenden. Damit werden wir den Feind besiegen.«

»Jawohl, Herr Oberst«, schrien die anderen wie aus einer Kehle.

Linker lächelte zufrieden. Das waren seine Jungs. Menschen, die das Quarterium brauchte. Sie waren die Zukunft der Menschheit, daran glaubte er fest.

»Finden Sie sich auf dem Schlachtschiff SOLARE EMPIRE ein. Dort erhalten Sie weitere Befehle. Rührt Euch.«

Linker verließ seine Truppe und stieg in den Gleiter. Markor Schutter lief ihm eilig hinterher. Er war als Fahrer des Oberst eingeteilt und sollte nicht von seiner Seite weichen. Diese Aufgabe erfüllte ihn mit Stolz. Erst heute hatte er davon erfahren. Es war unbeschreiblich, welches Vertrauen Oberst Linker in ihn setzte.

Henner von Herker blickte den beiden hinterher.

»Jungs, jetzt trinken wir erstmal auf den Krieg«, begann er freudig und nahm eine Flasche Vurguzz aus seinem Rucksack. Dann fischte er ein paar Becher heraus und verteilte das Getränk in die blauen Behälter. Grinsend sprach er seinen Toast: »Auf dass wir jede Menge Flattermänner, Singmänner und verräterische Saggittonen und Akonen in den Arsch treten! Auf das Quarterium!«

*

Unteroffizier Ash Berger und Obergefreiter Glaus Siebenpack erreichten nun auch ihre neue Division. Bergers Ausbildung hatte vorläufig ein Ende gefunden. Nun musste er in den Krieg ziehen. Wie er es vor zwei Jahren prophezeit hatte. Aber es war ja eine Ehre.

Er musterte seinen Kameraden. Glaus Siebenpack war ein seltsamer Soldat. Eigentlich ein Künstler, der wegen seiner Eltern in die Armee ging. Das jedoch schon im Jahre 1298 NGZ. Er war sogar in einem Lehrgang mit Jonathan Andrews und Remus Scorbit gewesen. Er benötigte bis 1301 NGZ, um die Ausbildung zu beenden. Dann verließ er die Armee, wurde aber 1304 NGZ wieder einberufen. Schade für ihn, denn er war ein guter Musiker und stand kurz vor dem Durchbruch. Doch so etwas war jetzt nicht gefragt. Als Soldat war Siebenpack eine Niete. Während seiner vier Jahre hatte er es zum Obergefreiten gebracht, während Ash es in zwei Jahren zum Unteroffizier geschafft hatte. Doch war er darauf eigentlich stolz?

Was hatten sie in den estartischen Galaxien verloren? Warum halfen sie den Invasoren und nicht den Saggittonen und Estarten selbst? Das ergab wenig Sinn, es sei denn, das Quarterium war nicht so ein edles Reich, wie man es immer behauptete.

Die beiden erreichten ein paar Leute, die ausgelassen Bier und Vurguzz tranken. Ash wendete sich an den Major und salutierte.

»Unteroffizier Berger und Obergefreiter Siebenpack melden sich bei der XXXII. SHIFT-Division!«

Henner von Herker erwiderte den Salut und begrüßte die beiden neuen Kameraden.

Er drückte ihnen gleich ein Bier in die Hand und stellte seine Truppe vor. Berger kannte Blacktree natürlich.

»Henner, der Ash ist einer der besten Leute. Schon mein alter Chef hielt große Stücke auf ihn«, lobte Ace seinen Kameraden und ehemaligen Kollegen der Terranischen Bank. Ash ging diese Schmeichelei auf die Nerven.

»Jungs, ihr seid auf der SOLARE EMPIRE eingeteilt. Ist ein nettes Schiff. Unser Oberbefehlshaber ist Oberst Linker. Er ist der Leiter dieser Division. Am besten ihr meldet euch nachher bei ihm«, erklärte Henner.

Ash nickte knapp. Siebenpack nahm einen zaghaften Schluck von dem Bier. Wosslyn schlug ihm auf die Schulter. Siebenpack verlor beinahe das Gleichgewicht.

»Schmeckt dir das nicht? Oder trinkst du kein Bier?«

»F … für gewöhnlich nicht«, erwiderte Glaus.

Die anderen begannen zu lachen.

»Das ist ja ein ganz zarter. Der will bestimmt Streicheleinheiten und was zwischen die Beine«, johlte Wosslyn.

Berger nahm Siebenpack, salutierte und ging mit ihm zur SOLARE EMPIRE. Siebenpack seufzte.

»Genauso wie in Redhorse Point. Die werden mich hier auch fertigmachen. Das machen die überall.«

»Ich bin ja auch noch da«, versuchte Ash seinen Kameraden aufzumuntern. Die SOLARE EMPIRE stand majestätisch vor ihnen. Ein gewaltiges Schiff. Als sie die Gangway hoch liefen, blickten sie noch einmal über die Hunderttausende von Soldaten, die auf dem Weg in ihren gewaltigen Bauch waren.

Viele gingen in den Tod. Ash musste wieder an die Worte Toran Eburs denken. Es war ja eine Ehre …

11. Ein schwerer Aufbruch

Die Stimmung auf akonischer und saggittonischer Seite war nicht so euphorisch. Niemand wollte diesen Krieg, doch man hatte keine andere Wahl, als sich für die Rechte der versklavten estartischen Völker einzusetzen. Man war es ihnen schuldig.

Aurec hatte die Hilfe der Somer, Ophaler und Elfahder in M 100 nicht vergessen. Es war Zeit, sich dafür zu revanchieren.

Doch im Gegensatz zum Quarterium bereitete man sich nicht mit Pauken und Trompeten, sondern mit Demut und Gebet auf den Krieg vor. Nicht jeder würde wieder nach Hause kommen. Das war allen klar.

Der Saggittone lief unruhig in der Kommandozentrale der SAGRITON hin und her. Der Kommandant beobachtete seinen Oberbefehlshaber. Kapitän Rendera hatte das Kommando seit drei Jahren inne. Er war der Nachfolger Serakans gewesen. Der bärtige Saggittone war loyal und kompetent. Das hatte Aurec aber auch einst von Serakan gedacht. Die Enttäuschung saß immer noch tief. Die Kommandanten der SAGRITON hatten irgendwie die Angewohnheit gehabt, sich ständig gegen ihren Kanzler zu wenden.

Hoffentlich gehörte Rendera nicht auch dazu. Doch bis jetzt hatte der sehr ruhige Mann niemals Grund zur Besorgnis gegeben.

Kathy Scolar stand neben dem Kommandanten und beobachtete ihren Verlobten. Sie hatte ihn gebeten, mitzukommen, doch Aurec lehnte ab. Er wollte Kathy nicht unnötig in Gefahr bringen. Sie sollte bei Nataly Jargon bleiben. Kathy war alles andere als begeistert. Nun durfte sie sich zusammen mit Nataly um Aurec und Jonathan Andrews sorgen. Außerdem hatte Nataly ihr noch nicht den Verrat von damals vergeben. Das Verhältnis der beiden Frauen war immer noch sehr angespannt.

Rosan Orbanashol-Nordment, Perry Rhodan, Gal’Arn, Mathew Wallace, Xavier Jeamour und Jonathan Andrews saßen an dem Besprechungstisch. Die Halbarkonidin hatte sich bereit erklärt, erneut 2.500 Raumschiffe der USO zu stellen. Mehr als die Hälfte der restlichen USO-Flotte in Cartwheel. Die IVANHOE II sollte weiterhin Flaggschiff der USO-Verbände sein. Zusammen mit Aurec, Mirus Traban – der sich auf der SPHINX befand – hatte Jeamour das Kommando über die Operation.

Knapp 60.000 Schiffe und fast siebzig Millionen Wesen warteten auf den Aufbruch nach Siom Som. Jedes Schiff hatte durchschnittlich fast 1.200 Besatzungsmitglieder und Soldaten an Bord.

Würde es ausreichen, um gegen die gewaltige Flotte Dorgons und das Estartukorps anzukommen? Niemand wusste es, doch mehr konnte man einfach nicht mobilisieren, ohne die Verteidigung der Heimatwelten zu vernachlässigen.

Aurec drehte sich um und blickte die Anwesenden entschlossen an.

»Es ist Zeit, Abschied zu nehmen«, sagte er mit belegter Stimme.

Perry Rhodan stand als Erster auf und reichte Aurec die Hand. Ohne zu zögern, ergriff sie der Saggittone.

»Ich wünschte, die LFT könnte an deiner Seite stehen«, betonte Rhodan nochmals.

»Ich kann deine Entscheidung verstehen. Mit einer Beteiligung würde auch die Milchstraße ins Chaos gestürzt werden. Bostich wartet doch nur darauf«, erwiderte Aurec verständnisvoll.

Rhodan nickte schwach.

»Meine Gedanken sind bei dir.«

Aurec löste sich vom Terranischen Residenten und wandte sich Kathy Scolar zu, die bemüht war, ihre Tränen zurückzuhalten.

»Noch ein Abschied«, seufzte sie und quälte ein Lächeln hervor. Aurec nahm sie in den Arm und drückte sie fest an sich.

»Es ist besser, wenn du in Sicherheit bist. Ich komme wieder. Dann heiraten wir. Wir haben schon so viel durchgemacht. Auch dieses Hindernis werden wir meistern.«

Kathys Lippen suchten die seinen und fanden sie. Ein inniger Kuss ließ die beiden für Sekunden all das Leid vergessen. Für diesen Augenblick existierten nur sie. Doch schnell holte sie die Realität ein. Aurec drückte Kathy sanft von sich und bat Rhodan, sie zurück nach New Turin zu begleiten.

Danach verabschiedete er sich von Rosan Orbanashol-Nordment. Als die drei die SAGRITON verlassen hatten, erteilte Aurec den Befehl zum Aufbruch nach Siom Som.

Unbehelligt konnten sie durch das Sternenportal fliegen. Misstrauisch musterte Aurec die Flottenverbände des I. Estartukorps in diesem Sektor. Doch niemand tat etwas Unüberlegtes. Noch herrschte Frieden. Doch sobald sie dieses Sternenportal passiert hatten, begann der Krieg. Hier und da kam es zu sonderbaren Funksprüchen.

»Wo wollt ihr denn hin?«, fragte ein quarterialer Funker.

»Auf nach Siom Som«, kam die Antwort von den Saggittonen.

»In Ordnung. Sehen uns dort.«

Andere funkten, dass man sich bald wiedersähe und es dann nicht so freundlich ausgehen würde. Es gab höhnische Funksprüche, wie »da fliegen schon mal unsere Zielscheiben«, »Gewöhnt euch mal nicht zu sehr an Siom Som«, »Die Ersten werden die Letzten sein« oder »Trinken wir ‘ne Flasche Vurguzz auf der anderen Seite?«

Sarkasmus unter Soldaten.

Zuerst trat die IVANHOE II in das Sternenportal ein, dann folgte ein Schiffsverband nach dem anderen.

Zuletzt durchflog die SAGRITON DORGONs gigantische Transmitterstation. Innerhalb weniger Minuten legte das Schiff eine Distanz von mehr als 450 Millionen Lichtjahren zurück und kam auf der Gegenstation in Siom Som heraus. Bevor die dorgonischen Wachpatrouillen reagieren konnten, ging die Flotte in den Hyperraum. Man hatte in den letzten Tagen diesen Austritt hundertfach geprobt. Zwar nur als Simulation, doch auch in der Praxis verlief die schnelle Flucht ohne Probleme.

Nun war es also soweit. Der Krieg stand unmittelbar bevor!

12. Der Schrecken

Es schneite. Die Luft schnitt in die Haut und der Atem schien zu gefrieren. Die von beißenden Minusgraden gefrorene Luft drang in jede Pore ihrer Körper. Nur die schweißtreibende Arbeit hielt sie einigermaßen warm. Doch wessen Kräfte am Ende waren, weil er zu viel geschuftet hatte, dessen Schicksal war besiegelt. Der brach müde zusammen und erfror auf dem kalten Boden.

Niemand kümmerte sich um ihn, nicht einmal die anderen Gefangenen. Für die Wachen war jeder Tote ein bisschen weniger Arbeit. Manche der Wächter machten sich sogar noch einen Spaß daraus, dem einen oder anderen beim Erfrieren zuzusehen.

Der Terraner warf einen Blick auf das furchtbare Bild. Der Gataser lag halb nackt im eisigen Schnee und wartete auf den Tod. Sein Körper war ausgemergelt, das hintere Augenpaar geschlossen. Die vorderen Augen starrten in den Himmel. Seine Lippen formten sich, doch kein Laut verließ den Mund. Ataktisch zitterte und vibrierte der Körper vor Kälte.

Der Mensch legte den schweren Korb voller Steine beiseite und wollte dem Blue aufhelfen, doch zwei Wachen versperrten ihm den Weg. Die beiden grünhäutigen Barbaren grunzten mürrisch und deuteten auf den Korb. Der Terraner biss sich auf die Lippe und nahm seine Arbeit wieder auf. Er konnte dem Blue nicht mehr helfen. Niemand konnte das.

Die beiden Gehörnten liefen um den Sterbenden herum und betrachteten ihn abfällig. Der eine Dscherro zog seinen Gummiknüppel und wollte das Leiden des Jülziisch verkürzen, doch der andere hielt ihn auf.

Das hilflose Zucken des Sterbenden schien dem Dscherro Freude zu bereiten.

Nicht einmal die letzte Erlösung wurde dem Wesen vergönnt. Ein schneller Tod. Das einzige, was in dieser Hölle verlockend schien.

Joak Cascal zog mit seiner schweren Last von dannen. Nach zweihundert Metern erreichte er endlich den großen Schutthaufen. Dort wurden die Steine abgelegt. Nun durfte er den nächsten Korb aus dem Steinbruch holen. Und das jeden Tag. Auf moderne Gerätschaften wurde hier verzichtet. Sie kosteten Geld und machten die Arbeit für die Internierten angenehmer. Beides war für die Entsorgungslagerleitung nicht relevant.

Seitdem Michael Shorne Finanzminister war, wurden ökonomische Verbesserungen bei den vier fertig gestellten Entsorgungslagern durchgeführt. Man handelte nach dem Minimalprinzip: Mit dem geringst möglichen Aufwand einen hohen Ertrag erwirtschaften. Zu den Einsparungsmaßnahmen gehörten hauptsächlich Einschränkungen für die Internierten.

Die Internierten! Das waren zumeist Extraterrestrier, wie Blues, Dumfries, Okefenokees, Kartanin, Gurrads, Unither oder Hauri. Die Gefangenen waren politische und gesellschaftliche Gegner des Allgemeinwohls. So wurde es zumindest offiziell genannt. Terroristen der Hauriorganisation oder der Alien-Allianz, menschliche Kriminelle.

In Wahrheit waren es Gegner des Quarteriums und dessen imperialistischer Ideologie. Sie waren Feinde der brutalen, blutigen Politik des Emperador und seiner Schergen. Oder sie waren auch einfach nur unschuldige Opfer, die in der falschen Straße wohnten oder zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Eine Struktur konnte Joak Cascal nicht feststellen. Es wurden auf jeden Fall täglich mehr Gefangene, die hier zu »Resozialisierungszwecken« arbeiteten.

Die Arbeit! Das bedeutete 14 Stunden am Tag schuften. Steine klopfen, Gold und Erze abbauen. Diejenigen, die es gut hatten, wurden in der Landwirtschaft, beim Bau oder in der Hauswirtschaft eingesetzt.

Objursha wurde fast nur mit den Händen der Häftlinge gebaut. Kaum einer war jemals wieder herausgekommen, es sei denn, er wurde von der Ideologie des Quarteriums überzeugt.

Cascal vermutete, dass einige als Alibi freigelassen wurden, damit man der Öffentlichkeit Erfolge präsentieren konnte und niemand unangenehme Fragen stellte. Wahrscheinlich wurden die »Gebesserten« vorher mental manipuliert.

Das ganze Lager war schrecklich. Sie lebten wie im Mittelalter. Die Baracken waren Wohn- und Schlafzimmer zugleich. Es gab in jeder Baracke noch eine Massentoilette und einen Essensraum. Es war stets kalt und nur die Ausdünstungen der vielen Lebewesen sorgte für ein – zumindest für hiesige Verhältnisse – erträgliches Klima.

Cascal lebte als einziger Mensch mit etwa 300 weiteren Internierten in einer Baracke. Es waren meist Blues, einige Hauri und Kartanin waren ebenfalls dort. Anfangs begegneten sie ihm mit Misstrauen und glaubten, er sei ein Spion. Doch Cascal verstand es schon immer, sich durchzusetzen. Er konnte sie von seiner Ehrlichkeit überzeugen.

»Essen!«, brüllte ein Dscherro.

Erschöpft schlurfte Cascal zur Baracke. Endlich hatte er einen freien Stuhl gefunden und setzte sich hin. Er betrachtete seinen linken Schuh. Die Sohle löste sich langsam ab. Das war im Winter keine gute Nachricht. Von Anfang an wurde hier klargemacht, dass es für die Gefangenen kein neues Material geben würde. Einige Häftlinge, die seit Gründung des Objursha-Lagers hier leben mussten, bestätigten die Aussage.

Servos brachten die Erbsensuppe.

Schon wieder Erbsensuppe, dachte Cascal.

Immerhin waren sogar Würstchenscheiben dabei. Es gab zudem zwei trockene Scheiben Brot und ein Flasche Wasser. Das war ihre Tagesration. Und ihnen ging es dabei noch gut. Da seine Baracke viel Leistung brachte, wurden sie mit ordentlichen Rationen belohnt. Man wollte sich ihre Arbeitskräfte erhalten, vermutete der ehemalige SolAb-Agent.

Sein Hals tat weh und es fröstelte ihn. Eine Erkältung war nichts Ungewöhnliches. Sie war auf dieser Welt chronisch. Auf Objursha war das Klima meist kalt. Entweder regnete, stürmte oder schneite es. Einen Sommer gab es auf dieser Höllenwelt nicht. Die Sonne bekam man selten zu Gesicht.

Die heiße Suppe gab ihm etwas Kraft. Er betrachtete die anderen. Er kannte sie alle, aber Freundschaften hatte er kaum welche gefunden. Der religiöse Apaser Rütülly vielleicht. Er versuchte stets die anderen zum Lachen zu bringen und war in dieser Hinsicht bewundernswert.

Oder der bullige Kartanin Jo’Rhy’Dav. Er war weitaus stärker als Cascal und half ihm oft, wenn er mit den Kräften am Ende war. Jo’Rhy’Dav entsprang aus der Ehe einer Kartanin und eines Gurrads. Die Löwenmähne entstammte wohl von seinem Vater. Die schwarzen Flecken auf dem weichen Fell von der Mutter.

»Ich habe gehört, dass wir hohen Besuch kriegen. Die Dscherro werden von den Offizieren angewiesen, sich zu benehmen«, flüsterte Rütülly den beiden zu. Jo’Rhy knurrte.

»Die Dscherro kennen kein Benehmen. Ich war einige Tage lang mal unter terranischer Aufsicht. Das ist das Paradies dagegen. Die Dscherro sind plump und brutal.«

»Doch meine Artgenossen verhindern das nicht«, erklärte Cascal bedrückt.

Er verstand die Welt nicht mehr. Wie konnten zivilisierte Terraner und Arkoniden so etwas zulassen? Die gesamte Führung des Lagers bestand aus Terranern und Arkoniden. Die Dscherro waren nur die Aufseher. Nicht mehr als primitive Befehlsempfänger.

Ihnen übergeordnet waren Pariczaner und ab und zu tauchten auch Mooghs hier auf. Vor ihnen hatte man besonders Respekt, denn ein Moogh konnte ein Dutzend Häftlinge auf einmal töten.

Ganz oben waren die Beamten und Offiziere. Das waren Arkoniden, Terraner, Plophoser, Aras oder Zaliter. Selten erniedrigte sich einer von ihnen, die Internierten zu bewachen. Meistens bekam man sie nur bei Visiten oder ärztlichen Untersuchungen zu sehen. Sie schienen die Gefangenen auch zu meiden.

Nur den Kommandanten kannte man schon ganz gut. Der Arkonide Selvon da Gohd. Jeder fürchtete ihn. Selvon da Gohd zeigte seine Grausamkeit täglich. Er misshandelte die Gefangenen für das geringste Vergehen. Der Arkonide ließ es auch zu, dass die Dscherro aus purem Vergnügen einige tot prügelten.

Es hieß außerdem, dass er ein Faible für die weiblichen Gefangenen hatte. Besonders natürlich für menschliche. Aber er machte wohl auch nicht vor Kartanin und Gurrads halt. Perfide, ein Rassist war sich nicht zu fein, sich an Feliden zu vergehen.

Plötzlich gingen die Sirenen los und einige terranische Wachposten stürmten in die Baracke.

»Alle Mann in 15 Minuten an die Arbeit. Benehmt euch, und wer stinkt, geht noch rasch duschen. Ihr werdet vom Quarteriumsminister Katschmarek begutachtet. Ich erwarte keine unangenehmen Überraschungen«, ordnete der terranische Offizier an.

Grummelnd und murmelnd stimmten die Gefangenen zu. Joak Cascal blickte den jungen Offizier wütend an. Das fiel diesem auch sehr schnell auf. Provozierend wandte er sich Cascal zu.

»Was glotzt du so?«

Cascal schwieg. Was sollte er dem Terraner auch sagen? Dass er ihn verachtete? Das würde wenig bringen.

So wartete er auf die Ankunft von Reinhard Katschmarek.

*

Drei Gleiter landeten. Es hatte inzwischen aufgehört zu schneien und sogar die Sonne blinzelte kurz durch die dichte Wolkendecke.

Selvon da Gohd begrüßte die Besucher. Da Gohd war 1,83 Meter groß, hatte kurz geschorene, weißblonde Haare und galt als ein Schlächter. Der 49-jährige Arkonide war als Sohn reicher Aristokraten auf Arkon I aufgewachsen und hatte Karriere im Unternehmen seines Vaters gemacht.

Aufgrund seiner organisatorischen Fähigkeiten war er mit Handkuss bei der Armee genommen worden, als man noch »patriotische Pioniere« für Cartwheel gesucht hatte. Schnell hatte er sich einen Namen im Stab gemacht. Hauptsächlich verdankte er es seiner Loyalität gegenüber Uwahn Jenmuhs, dass er diesen Posten bekommen hatte.

Da Gohd sah diesen Job als Berufung an, denn er verabscheute alle andersartigen Wesen. Er betrachtete sie als minderwertig und gefährlich. Für ihn waren sie wie eine Hornissen- oder Heuschreckenplage. Lästig und eklig!

Aus dem ersten Gleiter stiegen einige Offiziere. Darunter auch CIP-Agent Krizan Bulrich. Der junge Terraner lächelte da Gohd freundlich zu und reichte ihm die Hand. Beide kannten sich bereits aus vielen Gesprächen.

Aus dem zweiten Gleiter dann stieg der Minister selbst: Reinhard Katschmarek. Die dicke Knollennase beherrschte das gegerbte Gesicht. Der Vollbart bedeckte die gesamte untere Partie.

»Guten Tag, meine Herren«, sagte Katschmarek freundlich.

»Ehre dem Quarterium!«, begrüßte da Gohd ihn.

»Ehre mir auch. Ist ja ein ziemlich ungemütlicher Planet. Gut, dass ich mir erst vorgestern einen neuen Mantel gekauft habe. War im Sonderangebot bei Ansons für nur 17.299 Galax. Das musste ich einfach zugreifen«, meinte Katschmarek fröhlich.

Er blickte sich um und begutachtete die Bauten.

»Sieht ja schon ganz gut aus, Herr da Gohd«, lobte er.

»Danke, Herr Minister. Ich versuche nur einen kleinen Beitrag zum Wohle des Quarteriums zu leisten.«

Katschmarek lachte und klopfte da Gohd auf die Schulter.

»Nun seien Sie mal nicht so bescheiden. Man hat mir nur Gutes über Sie berichtet. Agent Bulrich spricht in höchsten Tönen über Sie.«

Da Gohd lächelte verlegen und versuchte schnell vom Thema abzulenken. Er führte Katschmarek etwas herum und zeigte ihm die Unterkünfte der Mitarbeiter.

»Meine Frau hat für uns gekocht. Terranisches Eisbein mit arkonidischem Gemüse. Nachdem ich Sie herumgeführt habe, erwartet Sie der Gaumenschmaus. Extra für Sie habe ich auch Cognac besorgt«, erklärte der Lagerleiter.

»Oh, Sie sind zu nett«, lachte Katschmarek. Dann ließ er sich bereitwillig herumführen. Dutzende Soldaten begleiteten sie auf ihrem Weg durch den Barackensektor.

Da Gohd erklärte Katschmarek, wie die Baracken errichtet wurden. Als ehemaligen Maurermeister interessierte das Reinhard Katschmarek besonders. Das wusste da Gohd. Nur deshalb verschwendete er so viel Zeit für die Details. Er wollte bei dem Minister Punkte sammeln.

»Wie viel Inhaftierte haben wir zurzeit?«, wollte Katschmarek wissen.

»Zurzeit sind es 791.513 Häftlinge. Die Zahl ist tendenziell steigend. Wir haben eine Todesrate von etwa 250 pro Tag. Dafür kommen fast 1.000 neue Kriminelle hinzu.«

Der Quarteriumsminister seufzte.

»Wo sollen wir nur mit denen hin, mein lieber da Gohd? Die rammeln wie die Karnickel und wir kriegen die Bagage nicht weg.«

Da Gohd schwieg. Er lauschte interessiert.

»Wissen Sie, ich sehe uns als Jäger. Wir hüten den Wildbestand. Doch wie jeder gute Jäger muss man dafür Sorge tragen, dass die Plagen nicht überhand nehmen.«

»Ich verstehe«, antwortete der Arkonide hastig.

Sie liefen zu einem unfertigen Gebäude. Katschmarek begutachtete es genau. Anscheinend entstand dort ein Gemeinschaftsraum für die Gefangenen. Der Interniertenrat hatte so etwas gefordert. Da Gohd erklärte, dass er guter Laune war, als er zustimmte.

»Die Kuh lässt man auch fleißig weiden, bevor man sie schlachtet«, murmelte Katschmarek halblaut, während er die Konstruktion studierte. Eine ausgemergelte Kartanin kam auf ihn zu.

»Herr da Gohd! Das wird so nicht klappen. Ihre Leute hören nicht auf mich«, fing sie an zu schimpfen.

Völlig entgeistert blickten die drei Menschen das Katzenwesen an.

»Das Gefälle ist zu groß. Ich hätte mehr ausloten müssen, aber man lässt mich ja nicht sauber arbeiten«, zeterte sie.

Da Gohd blickte seinen Adjutanten verwirrt an. Dieser zuckte mit den Schultern und erklärte betreten:

»Sir, das ist die Bauleiterin dieses Projektes. Sie war Architektin, bevor sie wegen terroristischer Aktivitäten bei der Alien-Allianz verhaftet wurde.«

»Aha«, machte da Gohd.

Zwei Dscherro stürmten an und packten die Frau. Brutal schleuderten sie die Kartanin auf den Boden und begannen auf sie einzutreten. Der eine ließ von ihr ab und entschuldigte sich bei seinen Vorgesetzten.

»Verzeiht Herr … Sir! Wir waren unachtsam. Da ist sie weggelaufen.«

»Sorge dafür, dass das nicht wieder passiert, du grünes Schwein«, entgegnete da Gohd barsch.

Der Dscherro verneigte sich und lief brüllend auf die Frau zu, die blutüberströmt am Boden lag.

»Aufhören«, schrie eine andere Frau. Es war Neve Prometh. Katschmarek hatte sie kaum wiedererkannt. Die Haare waren filzig und wirr. Das junge und zarte Gesicht war schmal und bleich geworden. Tiefe schwarze Augenringe trübten die einst so schönen Züge.

»Was drei Monate harte Arbeit so alles anstellen können«, meinte Katschmarek erschrocken.

Neve wurde von den Dscherro weggeschubst. Einer von ihnen wollte auf sie einschlagen, doch da Gohd pfiff ihn zurück.

»Sie gefällt mir. Wäre etwas als Haushälterin«, meinte er.

Katschmarek lachte dreckig. Ein Offizier befahl Neve, ihnen zu folgen. Sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Krizan Bulrich traute sich nicht, seine ehemalige Schulkameradin anzuschauen. War es ein schlechtes Gewissen, das ihn plagte?

Sie erreichten Cascals Baracke. Der Veteran des Solaren Imperiums stürmte auch schon vor, doch Jo’Rhy’Dav hielt ihn zurück.

»Mach nichts Unüberlegtes. Die knallen dich sofort ab.«

Cascal riss sich zusammen. Doch als er Neve sah, wollte er wieder los. Er gab einen Laut von sich, als er die Pranke des Löwenmannes an seinem Arm spürte.

»Ah, da ist ja unser Stargast«, rief Katschmarek und lief grinsend auf Cascal zu. Jetzt ließ Jo’Rhy ihn los.

»Fühlen Sie sich in unserer Suite wohl?«

»Sie sind ein Haufen Dreck«, entgegnete Cascal trocken.

»Naja, Sie scheinen wohl eher im Dreck zu leben, Herr Cascal. Es ist schade, dass wir Sie für unsere Sache nicht begeistern konnten. Das Quarterium ist doch quasi der Nachfolger des Solaren Imperiums.«

Cascal musste sich ein zynisches Lachen verkneifen. Diese Bande an Verbrechern hatte nichts mit dem Solaren Imperium gemeinsam. Sie waren so unterschiedlich wie der Tag und die Nacht. Das Solare Imperium war zwar imperialistisch organisiert, vertrat jedoch liberale und demokratische Werte.

Das Quarterium hingegen war nationalistisch, faschistisch und diktatorisch. Unsitten, die im Solaren Imperium verhasst waren.

»Eher sterbe ich«, antwortete Cascal schließlich.

Katschmarek lachte vergnügt.

»Nun, dazu werden Sie hier Gelegenheit haben.«

Er ging weiter. Die anderen folgten dem Minister sofort. Im Hintergrund spielte eine feierliche Musik. Es war Haydns Streichquartett Op. 64, Nr. 4. Katschmarek wollte wissen, woher die Musik stammte. Da Gohd zeigte ihm die Kapelle aus Gefangenen.

»Sehr schön«, lobte Katschmarek und lauschte der friedlichen Musik. Dann beobachtete er das groteske Schauspiel. Etwa zweihundert Gefangene wurden auf einen Hof getrieben. Die Dscherro und Pariczaner brüllten laut.

Krizan Bulrich wandte sich währenddessen an Neve. Er streichelte kurz über ihr dreckiges Haar.

»Du warst früher eine richtige Schönheit. Aber nichts, was man mit Wasser und Seife nicht wieder hinbekommen könnte. Ich könnte etwas Abwechslung gebrauchen.«

Neve blickte ihn voller Verachtung an.

»Was würde denn deine Anya dazu sagen? Seid ihr nicht verheiratet?«

Bulrich lachte leise.

»Ja, aber das ist doch kein Hinderungsgrund. Du willst doch hier raus? Ich kann dir helfen.«

Nun wurde Neve hellhörig. Die letzten drei Monate waren die Hölle auf Erden gewesen. Sie war mit ihren Kräften am Ende. Lange würde sie nicht mehr überleben. Auch wenn Joak Cascal sie immer wieder aufbaute, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie physisch und psychisch an ihre Grenzen gelangen würde. Dann würde sie auch erschöpft in den Schnee fallen und dort erfrieren. Bulrich bot ihr die Freiheit. Doch um welchen Preis …

»Ich bin eine Feindin des Staates. Wie willst du dich für mich einsetzen?«, wollte Neve wissen.

Inzwischen wechselte die Musik zu einem Frank Sinatra Stück – »It’s nice to go traveling«. Katschmarek war sichtlich begeistert über die musikalische Einlage. Ihn störte dabei wenig, wie die Blues gedrillt und gequält wurden. Selvon da Gohd ging zu ihnen und wurde informiert, dass einer von ihnen ein Huhn gestohlen hatte.

Der Schuldige wurde auch schnell ausfindig gemacht. Neve verfolgte das Geschehen, was Bulrich wenig gefiel.

»Ich kriege dich hier raus. Da Gohd schuldet mir noch einen Gefallen. Also, was ist? Du kannst leben oder hier verrecken.«

Neve blickte ihn wieder an. Prinzipien und Tod oder moralischen Verrat und Leben. Sie verabscheute Krizan Bulrich. Doch es war eine Chance, hier zu entkommen. Vielleicht konnte sie von Mankind aus in den Widerstand. Ein schriller Laut riss sie aus den Gedanken. Sie starrte entsetzt auf den Blue, der plötzlich am Boden lag und von zwei Dscherro festgehalten wurde. Da Gohd stand mit steinerner Miene vor ihm.

»Auf Mundraub steht der Tod, doch ich bin gnädig. In alten terranisch-arabischen Ländern bestrafte man die Verbrecher nach der Art ihrer Tat. Den Verrätern wurde die Zunge herausgeschnitten, den Dieben die Hände abgeschlagen«, sprach der Lagerleiter kalt.

Ein terranischer Soldat kam angestürmt und zeigte da Gohd das gewünschte Utensil. Nadel und Faden.

»Mundräubern nähen wir den Mund zu«, fügte er lapidar hinzu und gab dem Soldaten ein Zeichen. Der Apaser wehrte sich nach Leibeskräften, doch er hatte keine Chance gegen die Dscherro.

Ohne Betäubung begann der Mann, den Mund am Stilhals zusammenzunähen. Neve hielt sich die Ohren zu, um die erstickten Schreie des Jülziisch nicht hören zu müssen. Katschmarek verschränkte die Arme hinter den Rücken und betrachtete die Bestrafung mit offensichtlichem Interesse.

Bulrich nahm Neves Hand.

»Komm raus aus dem Horror«, forderte er sie auf.

Neve schüttelte den Kopf.

»Zurück in die Welt derer, die solche Verbrechen begehen? Nein …«

Krizan Bulrich ließ sie los. Neve stand wie betäubt da und starrte auf den Blue und da Gohd.

Prinzipien oder Leben, schoss es durch ihren Kopf. Dann rannte sie los und schubste den terranischen Offizier beiseite.

»Aufhören! Lasst ihn doch in Ruhe!«

Katschmarek begann zu lachen: »Das Mädel versaut uns noch den ganzen Spaß. Typisch Frauen!«

Selvon da Gohd sah das alles nicht so lustig wie der Herr Minister des Quarteriums. Er packte Neve bei den Haaren, zog sie einige Meter weg und hämmerte ihr Gesicht in den Schnee. Blut spritzte aus der Nase. Dann schlug er ihr mit der Handkante ins Gesicht. Dabei biss sie sich auf die Zunge. Ein Blutschwall lief ihr Kinn hinab.

Erschöpft sank Neve in den kalten Schnee. Wärter wie auch Internierte blickten schweigend auf da Gohd. Die Musik plärrte den terranischen Klassiker unbeirrt fort. Der Lagerleiter stand auf.

»Wenn ihr glaubt, ihr könnt hier machen, was ihr wollt, dann seht ihr das falsch! Nur die Lagerbeamten und das Wachpersonal sagen euch, was ihr tun dürft oder nicht. Sie sagen euch, ob ihr atmen, essen oder sterben dürft. Ihr entscheidet das nicht selbst!«

Die Stimme des Arkoniden überschlug sich. Er gab den Dscherro ein Zeichen. Der eine hastete zu Neve, zog sie hoch, um sie dann auf die Knie zu drücken. Der zweite Dscherro setzte den wimmernden Blue auf.

Selvon da Gohd zog seine Pistole und stellte von Thermoenergie auf Projektilgeschoss um. Der Klang eines Projektilschusses war lauter. Jeder würde es im Lager hören. Es war Zeit, ein Exempel zu statuieren.

Joak Cascal hatte von der Bestrafung inzwischen gehört und rannte auf den Hof. Weit kam er jedoch nicht, denn Wachen hielten ihn auf. Entsetzt starrte er zu Neve herüber.

Da Gohd stand über den gekrümmt dasitzenden Blue, legte die Waffe an und drückte ab. Das Donnern des Schusses hallte durch das Lager Objursha. Ein glatter Schuss durch den Hals, der die Luftröhre durchschoss. Leblos brach der Blue zusammen. Der Schnee färbte sich rot.

Dieses grausame Schauspiel wurde immer noch von Frank Sinatras »It’s nice to go traveling« begleitet. Im Klang der harmonischen Musik ging da Gohd zwei Schritte nach rechts, wo Neve Prometh kauerte. Sie zitterte am ganzen Körper.

Katschmarek wurde nun plötzlich ernst, als er realisierte, was mit Neve passieren würde. Doch er wollte das nicht verhindern. Wie hätte das denn ausgesehen? Man kann doch die Autorität eines Lagerleiters nicht dermaßen untergraben.

Da Gohd legte die Mündung der Waffe an Neves Hinterkopf. Plötzlich war es ganz ruhig auf dem Hof. Man hörte nur Neves ängstliches Atmen. Dann drückte der Arkonide ab.

Joak Cascal zuckte beim Knall zusammen und schloss die Augen. Da Gohd steckte die Waffe in seinen Halfter und schaute auf das zerfetzte Gehirn, welches aus der klaffenden Schädeldecke quoll. Dann bemerkte er, dass Blut an seinem Mantel klebte. Er stieß einen Fluch aus, streifte das Kleidungsstück ab und drückte es einem Hauptmann in die Hand.

Langsam trat Katschmarek ein paar Schritte auf Neves Leiche zu und guckte sie sprachlos an. Die Inhaftierten wurden mit lautem Gebrüll wieder in ihre Baracken geschickt.

»Nun ja, schade um das schöne Ding«, meinte Katschmarek. Da Gohd sah ihn verständnislos an. »Aber Ihre Demonstration war eindeutig. Mein Lob, Herr da Gohd! Sie haben vorzügliche Arbeit geleistet.«

Der Arkonide salutierte und bedankte sich beflissen. Ein Lob des Chefs war das Wichtigste bei allem, was hier geschah.

Katschmarek fasste sich an den Bauch.

»Nun habe ich aber Hunger!«

*

In gemütlicher Runde saßen Reinhard Katschmarek, Selvon da Gohd und Krizan Bulrich im Esszimmer der Familie da Gohd. Terza da Gohd, eine vom Aussehen her durchschnittliche Arkonidin, servierte das Essen.

»Hm, das sieht ja lecker aus«, freute sich Katschmarek.

In dem Moment summte Krizan Bulrichs Interkom auf. Auf dem Display leuchtete der Hinweis einer visuellen Nachricht auf. Bulrich stellte den Interkom auf den Tisch, der dann das Hologramm einer wunderschönen Terranerin aufbaute.

»Oho«, machte Katschmarek und musste lachen.

»Anya, mein Schatz«, begrüßte Bulrich seine Frau. »Was gibt es? Ich bin gerade in einem wichtigen Geschäftsessen.«

Anya entschuldigte sich für die Störung. Sie klang leicht pikiert, dass er sie vor den anderen so behandelte.

»Sicherheitsminister Werner Niesewitz hat bei uns zu Hause angerufen. Er wollte dich dringend sprechen«, erklärte sie.

Katschmarek betrachtete das wunderschöne Gesicht dieser Frau. Ihre großen blauen Augen ließen jedes Männerherz schwach werden. Ihr sinnlicher Schmollmund und ihr zartes Gesicht waren unbeschreiblich schön. Katschmareks Augen glitten tiefer und betasteten gleichsam ihr Dekolleté. Mehr zeigte die visuelle Übertragung nicht.

An Neve Prometh dachte im Raum niemand mehr.

»Als ich ihm sagte, dass du in Objursha bist, meinte er, dass Uwahn Jenmuhs und Leticron diesen Ort gerne besichtigen würden, wenn die Umbauten abgeschlossen sind. Das sollte ich dir ausrichten.«

Bulrichs Miene versteinerte. Da Gohd blickte Katschmarek fragend an, doch der Deutsche aus dem 20. Jahrhundert gab ihm keine Antwort.

»Weißt du, was er damit meint?«, wollte Anya schließlich wissen.

»Nein. Ich bin in zwei Tagen wieder da. Mach mir was Feines zum Essen. Ende!«

Bulrich schaltete den Interkom an und zündete sich hastig eine Zigarette an.

»Hammerbrüste hat Ihre Frau«, hauchte Katschmarek voller Bewunderung.

»Herr Minister, was für Umbaumaßnahmen?«, wollte da Gohd wissen. Katschmarek wurde schlagartig ernst.

»Herr Lagerkommandant. Wie Sie wissen, ist Objursha ein Entsorgungslager. Man entsorgt hier und deponiert nicht.«

Der Arkonide verstand. Massenmord! Jetzt brauchte er auch eine Zigarette. Für einige Momente war er um seine Fassung bemüht. Eilig stand er auf und schloss die Tür ab. Dann setzte er sich wieder und nahm einen tiefen Zug von der Zigarette.

»In welchem Umfang?«, hakte von Gohd nach.

»Total. Wie ich schon vorhin andeutete, ist es Ziel unserer Rassenpolitik, die unüberschaubare Anzahl pestizider Extraterrestrier auf einen kontrollierbaren Bestand zu reduzieren. Objursha wird das Entsorgungslager Nummer Eins sein. Davau wird ebenfalls umgerüstet. Carjulstadt wird mehr ein Vorzeige-EL sein«, erklärte Katschmarek.

»Ein Vorzeige-EL?«, fragte da Gohd entgeistert.

Katschmarek trank seinen Cognac leer und schenkte sich das Glas gleich wieder voll.

»Nun, Ihnen wird doch wohl klar sein, dass die Öffentlichkeit nichts von unserer Regulierung des Artbestandes wissen soll. Man wird Fragen stellen, was aus den Wesen wird. In Carjulstadt soll es ihnen gezeigt werden.

Herr Lagerkommandant, das ist ein hoch sensibles Thema. Ich erwarte Ihre Diskretion.«

»Jawohl, Herr Minister!«

Katschmarek lehnte sich lächelnd zurück. Er roch an dem wohltuenden Duft des alkoholischen Getränkes und gab Bulrich ein Zeichen.

»Zu diesem Zweck sollen so schnell wie möglich zehn Konverterstationen aufgebaut werden«, schilderte der CIP-Agent. »Keine gewöhnlichen Müllkonverter, sondern Konverterhallen.«

Da Gohd verstand. Zur Eliminierung und Entsorgung der Inhaftierten. Ein brillanter Gedanke. Sauber und praktisch. Es gab danach keine Spuren.

»Ihre Aufgabe, da Gohd, ist es, die Konverterhallen schnellstmöglich zu errichten. Und zwar bis Mitte 1306. Ende Juli nächsten Jahres hat Quarteriums-Fürst Jenmuhs bereits seinen Inspektionsbesuch angekündigt.«

Katschmarek lachte bei den letzten Worten. Da Gohd konnte man die Überraschung ansehen. Nicht einmal zehn Monate hatte er Zeit, das komplette System aufzubauen und zu testen, um es dann dem Gos’Shekur präsentieren zu können. Das war nicht viel Zeit.

Er trank hastig sein Cognacglas leer und nahm das nächste. Katschmarek lachte erneut. Er hob sein Glas.

»Auf die Visionen des Quarterium!«

13. Ende August 1305 NGZ – Die letzten Tage vor dem Krieg

Good Hope, Erendyra

Der kleine Somer hatte Mühe, den Krach zu ertragen, den die Triebwerke bei der Landung der Einheiten fabrizierten. Doch er ließ sich nichts anmerken. Er blickte auf seine Artgenossen. Es waren nicht viele, die sich auf Good Hope befanden. Good Hope. Ein historischer Name in der terranischen Geschichte. Schiffe aus der Pionierzeit der solaren Raumfahrt hatten einst diesen Namen getragen. Nun auch die Hauptwelt der alliierten Streitkräfte.

Sam blickte auf die scheibenförmigen Schiffe der Saggittonen, die Kugelraumer mit geplätteten Polkappen der Akonen und die Ringwulstkugelschiffe der USO.

Tausende von Soldaten verließen die gelandeten Raumschiffe, um ihre Quartiere zu beziehen. Für einen Moment fühlte Sam so etwas wie Hoffnung. Wie eine gute Hoffnung in dieser aussichtslosen Situation. Seit fünf Monaten war die estartische Galaxie Siom Som von den Dorgonen unterdrückt. Alle geheimdienstlichen Aktivitäten der USO scheiterten auf längere Sicht und nur dank des Eingreifens Aurecs konnte die völlige Vernichtung der Rebellen verhindert werden.

Sam war Aurec zu großem Dank verpflichtet, denn der Kanzler Saggittors hatte sich als erster bereit erklärt, offen den Krieg gegen die Dorgonen zu proklamieren. Politisch gesehen war das ein fataler Fehler, denn Saggittor stand nicht nur dem dorgonischen Reich, sondern auch dem Quarterium gegenüber. Zwar hatte Saggittor in den Akonen und den USO-Agenten wichtige Verbündete gefunden, doch was war das Versprechen des Emperador wert, Saggittor nicht in Cartwheel anzugreifen?

Stand er noch zu diesem Wort, wenn der Krieg eskalierte? Der Angriff der Dorgonen hatte nicht nur die sechs föderalistischen Galaxien ins Chaos gestürzt, sondern alle involvierten Galaxien, gleich ob Cartwheel, M 100, die Milchstraße, M 87 oder Andromeda.

Sam war sich sicher, dass dieser Krieg zum schlimmsten Ereignis in der gemeinsamen Geschichte dieser Sterneninseln werden würde. Kein lokaler Galaxienkrieg mehr, sondern ein Inferno, das sich über hunderte von Millionen Lichtjahre erstrecken würde. Ein Krieg, der Milliarden oder gar Billionen Wesen das Leben kosten würde.

In wessen Interesse konnte dieser Wahnsinn nur liegen? Sam gab sich selbst die Schuld. Die Somer hätten mit den Saggittonen die Dorgonen mehr überwachen sollen. Ihr Vertrauen hing an einer Person: Uleman! Mit dessen Tod kehrte M 100 zu seinen royalistischen Wurzeln zurück.

Auch hätte er niemals den Platz im Paxus-Rat für de la Siniestro räumen dürfen. Sam hätte die Gründung des Quarterium verhindern müssen. Er hatte zu viele Fehler gemacht und ging mit sich selbst hart ins Gericht.

Ein Elfahder kam auf ihn zu. An seinen Schulterstücken erkannte Sam, dass es sich um einen Hauptmann handelte. Er salutierte vor dem Exilregenten der estartischen Völker.

»Oberster Estarte, Kanzler Aurec wünscht Sie zu sprechen.«

»Danke sehr.«

Sam betrachtete noch einmal seine tapferen Somer. Nur ein Haufen Soldaten, die jedoch für die Freiheit ihrer Brüder und Schwestern kämpften. Er war stolz auf sie. Und er hoffte, noch viel mehr für diesen Kampf gewinnen zu können.

Dann machte er sich auf den Weg. Langsam verließ er den großen Raumhafen. Die Sonne schien ihm ins Genick und brannte heiß. Das Wetter passte gar nicht zu der augenblicklichen Lage. Es war zu heiter.

Der Elfahder öffnete die Tür des Gleiters. Sam stieg ein und schon flog das Gefährt los. Nach wenigen Minuten erreichte er das Oberkommando. Es sah nicht danach aus, denn die Zentrale wurde in einem Hotel eingerichtet.

Auf Good Hope gab es kaum militärische Stützpunkte. Es war eine entlegene Welt ophalischer Kolonisten gewesen. Die Einwohner hatten die Rebellen sofort unterstützt, wohl wissend, dass sie damit ihr Leben riskierten. Sam bewunderte sie dafür von ganzem Herzen.

Einige saggittonische Soldaten begrüßten den Somer mit militärischen Ehren. Dann wurde er zu Aurec geleitet, der ein Büro im 20. Stockwerk bezogen hatte. Jan Scorbit, Gal’Arn, Jonathan Andrews und die geheimnisvolle Elyn waren ebenfalls anwesend.

Aurec begrüßte seinen Freund.

»Ich bin froh, dass du hier bist«, gestand Sam. »Das Wohl und Wehe der estartischen Völker liegt in den Händen unserer Verbündeten.«

Sam fielen diese Worte schwer, denn es war ein Offenbarungseid der einst so starken Mächtigkeitsballung.

»Wir sind uns dessen bewusst. Es ist eine schwere Bürde, doch wir wollen euch befreien. Deshalb sind wir hier.«

Das Türschott glitt auf und zwei weitere Personen betraten den Raum. Sam Tyler und der akonische Admiral Lorutur von Broohr. Lorutur von Broohr war der Oberbefehlshaber der akonischen Streitkräfte. Eine beachtliche Position. Immerhin waren es 17.500 Schlachtschiffe.

Sam dachte eine Weile über die Akonen nach. In der Milchstraße hatten sie sich stets geheimnisvoll und arrogant präsentiert. Sie hatten immer versucht, auf subtile Art und Weise die Macht in der Milchstraße zu ergreifen und waren kaum besser als die Arkoniden.

Doch für die Siedler in Cartwheel galt das nicht. Die Milliarden Akonen auf der Insel hatten dazugelernt. Mirus Traban hatte selbst betont, dass es für sein Volk gut gewesen war, einen Neuanfang zu beginnen. Sie hatten Verantwortungsbewusstsein entwickelt. Deshalb waren sie hier. Aus der Geschichte her hatte Sruel Allok Mok den Akonen so eine edle Wendung nicht zugetraut. Zu seiner freudigen Überraschung war er eines Besseren belehrt worden. Und es bewies, dass Spezies sich immer ändern konnten – sowohl zum Negativen als auch zum Positiven.

Sam hätte damit eigentlich niemals gerechnet, doch das bewies, dass ein Volk lernfähig war und sich ändern konnte.

Ein Volk konnte sich aber auch als Ganzes zum Negativen wenden, wie man an den Terranern in Cartwheel sah. Sie wurden systematisch von dem Emperador manipuliert. Der Führerkult um den Spanier war nicht mehr zeitgemäß. Doch kam er vielleicht gerade deshalb so an.

Die Menschen suchten Führung. Einen, der ihnen sagte, wo’s langging. Viele LFT-Politiker konnten seit der Monoszeit nicht überzeugen. Perry Rhodan spaltete die Bevölkerung. Die einen sahen ihn als den großen Terraner an, von anderen wurde er als altes Relikt verhöhnt. Manche Minderheiten sahen in ihm den Diktator.

Der kometenhafte Aufstieg des Emperador, die Verleihung des Zellaktivatorchips und die politische Stabilität machten de la Siniestro so extrem beliebt. Und dann begann die Korrumpierung des Volkes. Wie dies der Bund der Vier angestellt hatte, kapierte Sam nicht.

Er schüttelte die Gedanken ab und wartete auf Aurecs Darlegung seiner Pläne.

»Der somerische Nachrichtendienst hat ein Strafgefangenenlager auf der Welt Risitor ausgemacht. Dort werden politische Gefangene inhaftiert und sollen exekutiert werden. Unser Plan sieht vor, die Tyler Roughnecks zur Befreiung zu entsenden.«

Sam Tyler zeigte den Hauch eines Lächelns. Er freute sich sichtlich auf den bevorstehenden Einsatz. In Sandal Tolk hatte er einen Sinnesgenossen gefunden, der sich ebenso euphorisch auf einen Kampf einstellte und ihn verbissen ausfocht.

»Um die Operation zu decken, wird Kommandant Antonurac mit einem Pulk saggittonischer Schlachtschiff um Risitor kreuzen. Ich vermute, dass dort auch Adlerschiffe patrouillieren werden«, erklärte Aurec.

»Die erste Kampfhandlung«, meinte Sam bedeutungsvoll.

Aurec nickte.

Nun gab es kein Zurück mehr.

14. Der erste Angriff

Risitor

Wie ein Raubvogel, der über seine Beute kreiste, schwebte das 1.500 Meter lange Adlerschiff über dem Orbit der Welt Risitor. Die Schwingen des Schlachtschiffs vom Typ Dom hatten eine Spannweite von 550 Metern. Der Rumpf war 100 Meter hoch.

Die 15.000 Mann Besatzung verteilten sich auf Bodentruppen, Kreuzermannschaft und Jägerpiloten. Allein 4.000 Mann Bodentruppen beförderte jedes Schlachtschiff dieses Typs.

Admiral Caspus beobachtete mit verschränkten Armen die Patrouille fliegenden Jäger. Der Auftrag des bärtigen Dorgonen war es, einen Gefangenentransport somerischer Rebellen zu bewachen. Natürlich hatte sich Caspus Gedanken über den Eintritt Saggittors in diesen Krieg gemacht, doch er wertete dieser Entscheidung nicht zu viel Bedeutung bei. Zusammen mit den Supremo-Schlachtschiffen des Quarteriums waren die Dorgonen unschlagbar. Es gab nichts Vergleichbares zu den Adlerschiffen und Supremoraumern. Die Saggittonen würden sich eine blutige Nase holen.

Eilig rannte ein Centrus zum Admiral und übergab ihm eine ausgedruckte Meldung der Truppen auf Risitor.

Caspus las ruhig die Nachricht durch. Er biss die Zähne zusammen und zerknüllte das Papier. USO-Agenten hatten die Truppen angegriffen und Häftlinge befreit. Es war ihm ein Rätsel, wie sie auf den Planeten gelangt waren.

»Informieren Sie die anderen beiden Adlerschiffe. Landen Sie ein Panzerbatallion auf den Planeten. Wir werden es diesen Verbrechern zeigen!«, kommandierte der Admiral.

Der Offizier bestätigte. Dann schrillte der Alarm auf. Ungläubig lief Caspus zur dreidimensionalen Karte des Sonnensystems. Zehn neue Punkte tauchten auf. Sechs von ihnen waren scheibenförmig, zwei Kugelraumer mit geplätteten Polkappen und zwei terranische Kugelraumer der USO.

»Schutzschirm hochfahren. Mit den anderen Schiffen formieren«, brüllte Caspus. Die zehn feindlichen Objekte hielten im hohen Tempo auf die drei Adlerschiffe zu.

»Kurs zur Sonne. Der Transonator soll aufgeladen werden«, befahl er hektisch.

Das Schlachtschiff beschleunigte mit dem Maximalwert von 950 Kilometern pro Sekundenquadrat. Derweil stürzten sich die anderen Schiffe bereits in die Schlacht. Admiral Caspus ließ das Panoramafenster öffnen. Er wollte das Schauspiel mit eigenen Augen verfolgen. Novaähnliche Explosionen erhellten den Sternenhimmel. Die saggittonischen Schiffe griffen frontal an, während die akonischen und terranischen Schiffe von den Flanken attackierten.

»Admiral, die NOSKUR und ANDRUS könnten unsere Unterstützung gebrauchen«, warf der Erste Offizier ein.

Caspus griff sich an den Bart und blickte nervös seine Untergebenen an. Damit hatte er nicht gerechnet. Ein gewaltiger Ruck erfasste das Schiff. Für kurze Zeit fielen die Stabilisatoren aus.

»Bericht!«

»Die ANDRUS ist zerstört.«

Unfassbar! Die Feinde hatten ein dorgonisches Adlerschiff einfach so vernichtet. Jetzt war er dran! Schweiß rann ihm von der Stirn.

»Zur Sonne fliegen und dann das STF aktivieren. So werden sie uns nicht finden. Die NOSKUR soll sie ablenken.«

»Aber … das ist ihr Todesurteil«, gab der Centrus zu bedenken.

»Ich weiß!«, wiegelte Caspus schnell ab. »Führen Sie meinen Befehl aus!«, schrie er dann.

Innerhalb weniger Minuten hatte das Adlerschiff die Sonne erreicht, doch die zwei USO-Schiffe warteten bereits. Sie begannen sofort, das Feuer zu eröffnen.

»Hypertron-Impulser abfeuern«, brüllte der Admiral. Seine Stimme überschlug sich. Dann donnerte das Hypertrongeschütz los. Mit nur einem Schuss vernichtete es ein USO-Schiff. Der 800-Meter-Kugelraumer blähte sich auf zu einem grellen Ball aus Feuer und Licht, dann verwehte er in Sekundenschnelle in einer gewaltigen Hitzewelle aus Hypertron-Feldern.

Zufrieden beobachtete Caspus den Untergang des feindlichen Raumschiffes. Doch das zweite USO-Schiff flog einen erneuten Angriff. Der Hypertron-Impulser konnte aufgrund des hohen Energiebedarfs nur alle fünfzehn Minuten maximal abgefeuert werden. Die neue Energie mussten sie erst aus dem Hyperraum zapfen.

Auf den Befehl des Kommandanten tauchte die SAGRITON in das Semi-Transit-Feld ein und wartete dort. Jetzt waren sie unangreifbar, jedoch auch manövrierunfähig. Eine Pattsituation.

Das Schiff wurde mit dem Semi-Transit-Feld in eine Grigoroff-Blase gehoben. Das erforderte hohen Energieaufwand. Deshalb hatte Caspus befohlen, zur Sonne zu fliegen. Nur dort konnten sie die gewünschte Energie für den Transfer bekommen.

Nun begann das endlose Warten …

*

»Links!«, brüllte Sandal Tolk. Tyler ging mit einer halben Drehung in die Knie und feuerte auf den heranstürmenden Dorgonen. Die Thermosalven durchsiebten seinen Bauch. Kreischend fiel er auf den Rücken und winselte. Tyler stand gelassen auf und nickte Tolk dankend zu.

Er ging auf den verwundeten Soldaten zu. Ein einfacher Rekrut, wie Tyler an den dorgonischen Abzeichen erkennen konnte. Abfällig blickte er zu ihm herunter. Blut floss aus dem Mund des Dorgonen, sein Körper zuckte und zitterte. Die weit geöffneten Augen starrten den Terraner an.

Tyler wog die Waffe in der Hand und zielte.

»Das wäre glatter Mord! Das ist nicht gut!«, wandte Tolk ein.

Tyler blickte seinen Kampfgefährten genervt an. »Wenn er wieder zusammengeflickt ist, tötet er einen Monat später wieder unsere Jungs.«

Tyler wollte abdrücken, doch Tolk legte seine Hand auf die Waffe. Dann schüttelte er den Kopf. Zähneknirschend gab Sam Tyler nach und steckte die Waffe zurück in das Halfter. Sandal Tolk informierte die Sanitäter. Tyler gab unterdessen Oberbefehlshaber Antonurac die Erfolgsmeldung dieser Operation durch. Die feindlichen Truppen waren geschlagen. Sie zogen sich in die Wälder zurück oder ergaben sich.

Die politischen Gefangenen der Estarten konnten befreit werden. Tyler zog sein Messer und schnitt vier neue Kerben in seine Waffe. Vier getötete Feinde.

Gar nicht mal so übel, dachte er.

Dann wandte er sich wieder an seine Leute.

»So Jungs, wir verschwinden. Sammelt alles ein, was wir gebrauchen können und dann nichts wie weg.«

»Ja, Sir!«, brüllte Magnus Maskul, ein grober Ertruser und Leutnant von Tyler’s Roughnecks.

Sandal Tolk sammelte seine Pfeile wieder ein und wischte sorgfältig das Blut vom Schwert ab, bevor er mit den anderen aufbrach.

Sie ließen ein brennendes Schlachtfeld zurück, auf dem 22 Dorgonen, neun Saggittonen und fünf USO-Spezialisten ihr Leben gelassen hatten.

*

Aurec war zufrieden über den ersten Erfolg. Zwar war jedes verlorene Leben eines zu viel, doch er machte sich keine Illusionen. Dieser Krieg würde blutig werden. Wie sollte man mit dem Tod der vielen Soldaten umgehen? So etwas wurde selten beim Militär gelehrt. Man musste die Verluste akzeptieren, ohne abzustumpfen. Bei jedem Einsatz musste sich der Kommandant bewusst machen, dass er mit dem Leben von Menschen spielte, ohne das Ziel dieses Krieges aus den Augen zu verlieren.

Keine beneidenswerte Aufgabe. Aurec seufzte und nahm ein Schluck heißen Kaffee. Elyn betrat den Raum. Er war immer noch von ihrer Präsenz fasziniert.

Wenn Kathy nicht wäre, dachte er einen Moment lang, in dem er sich Schwäche erlaubte. Doch Kathy Scolar war da! Er liebte die Terranerin und wollte sie heiraten. Daran bestand kein Zweifel. Dennoch, Elyns Bild hätte in einem Lexikon unter dem Schlagwort Schönheit seinen angemessenen Platz gefunden.

Aurec verlor sich kurz in ihren violettblauen Augen. Sie lächelte ihm zu und setzte sich auf einen Formenergiestuhl.

»Du betrauerst die Toten«, stellte sie fest.

Aurec nickte und verbarg seine Überraschung. Die Intuition dieser geheimnisvollen Frau vom Volk der Alysker sprach für sich. Viel wusste man über Elyn nicht, außer dass sie voller Anmut und Grazie war und den Alliierten helfen wollte. Sie hatte gesagt, die Alysker würden mit DORGON über Äonen in einer tiefen Freundschaft verbunden sein, so wie sie mit MODROR über dieselbe Zeitspanne tiefe Trauer teilen würden.

»Dieser Krieg wird lange dauern. Wir müssen aber nach vorne sehen. ESTARTU könnte uns eine Hilfe sein«, erklärte sie.

Der Saggittone stellte seinen Kaffee beiseite und setzte sich zu ihr. Gespannt hörte er ihren Ausführungen zu.

»Entsende fähige und vertrauensvolle Gefährten nach Etustar, um ESTARTU zu suchen«, riet sie ihm.

»An wen hast du dabei gedacht?«

Sie lächelte.

»An den Ritter der Tiefe, dessen Schüler und Orbiter und … und mich selbst.«

Aurec musste darüber etwas nachdenken. Gal’Arn und Jonathan Andrews waren sehr wichtig. Doch Elyns Vorschlag war klug. Er rang sich durch, ihr zuzustimmen.

Kurz nachdem Elyn das Zimmer verlassen hatte, begannen die Vorbereitungen zum Start der TERSAL. Aurec betete, dass ihre Mission von Erfolg gekrönt sein würde.

Dann betrat Jan Scorbit das Arbeitszimmer. Der junge Terraner wirkte mitgenommen. Er hatte viel Gewicht verloren und war müde. Nichtsdestotrotz kämpfte er weiter für die Befreiung der estartischen Völker. Jedoch brachte er keine guten Nachrichten.

»Unsere Agenten haben berichtet, dass die dorgonisch-quarteriale Allianz das Sternenportal endgültig besetzen und sichern will. Sie wollen den Planeten Som-Ussad einnehmen und ein gewaltiges Geschütz errichten. Wachflotten sollen bereits mobilisiert sein.«

Aurec überraschte das jedoch wenig. Er hatte mit diesem Schritt gerechnet. So konnten die Kaisermächte die Alliierten von den Nachschublinien isolieren.

»Kommandant Antonurac soll mit seiner Flotte aufbrechen. Wir kommen ihnen zuvor. Wir müssen Som-Ussad erobern«, erklärte Aurec.

»Und wenn sie schon dort sind?«

»Dann kommt es zum ersten Gefecht gegen das Estartukorps …«

15. Die Schlacht um Som-Ussad

Universal News – INSELNET TV

Kommentar von Robert Mohlburry
An diesem 2. September 1305 Neuer Galaktischer Zeitrechnung scheint das Universum den Atem anzuhalten. Wir sind hier im vielleicht größten Krisenherd unseres bekannten Universums und Journalisten wie auch Soldaten schweben gleichermaßen in größter Gefahr.

Truppenbewegungen beider Parteien in Richtung Sternenportal wurden gemeldet. Für all jene, die diese Reportage außerhalb von Siom Som verfolgen, möchte ich die geographische Lage des Sternenportals erläutern.

Es liegt in einem zentrumsnahen und dennoch sehr entlegenen Sonnensystem. Einzig bewohnbarer Planet ist Som-Ussad. Jenes Som-Ussad spielte schon während der Zeit der Gänger des Netzes eine kleine Rolle, doch das ist eine andere Geschichte.

Bisher nur spärlich von dorgonischen Wachraumschiffen abgesichert, kommt diesem Sonnensystem nun eine wichtigere Bedeutung zu. Die Lage hatte sich verändert. Bisher hatte niemand den Dorgonen in Siom Som ernsthaft die Kontrolle über das Sternenportal streitig machen können.

Die Kontrolle des Sternenportals ist ohnehin schwierig. Schnell navigierende Raumschiffe könnten trotzdem durchschlüpfen. Die Anlage ist in der Lage, ein Transmitterportal mit einer Ausdehnung von bis zu vier Milliarden Kilometern zu erzeugen. Die Technologie ist uns gänzlich unbekannt. Natürlich könnte eine Verminung und die Installation diverser Raumstationen vorbeugen, um an- oder abreisende Raumschiffe den Weg zu erschweren. Umso wichtiger ist die Oberhoheit über das Som-Ussad-System, welches vermutlich in den nächsten Monaten zu einer wahren Weltraumfestung ausgebaut werden wird.

Bisher haben die Dorgonen das in den knapp sieben Monaten ihrer Herrschaft in Siom Som versäumt. Die Estarten wären auch nicht in der Lage gewesen, ernsthaft den Nachschub aus M 100 anzugreifen.

Fakt ist, dass Som-Ussad nur 1,2 Millionen Kilometer vom Sternenportal liegt und somit strategisch von größter Wichtigkeit ist. Wer Som-Ussad beherrscht, kann das ganze Sonnensystem und somit auch das Sternenportal kontrollieren. Sowohl für die dorgonisch-quarterialen Armeen als auch für die alliierten Streitkräfte aus Saggittonen, Akonen und Estarten ist das Sternenportal der Garant für die Nachschublinien, da im Vertrag vom August von beiden Seiten festgelegt wurde, dass der Krieg nur in den estartischen Galaxien stattfinden würde. So paradox das auch klingen mag: Treten quarteriale oder alliierte Flottenverbände aus dem Sonnenportal in Cartwheel heraus, gilt ein Waffenstillstand höchster Wichtigkeit.

Eine weise Entscheidung in einer Zeit voller Fehlentscheidungen. Denn würde der Krieg sich auch auf die Insel ausbreiten, wären die Folgen unabsehbar.

Dennoch ist es ebenso eine Tatsache, dass sich bald Brüder aus Cartwheel bekämpfen und töten werden.

Die schwärzeste Stunde in der Geschichte Cartwheels hat begonnen und beten wir, dass es nicht die schwärzeste Stunde in der Geschichte des bekannten Universums wird.

Für Sie berichtet, wie immer, Ihr Robert Mohlburry.

*

Der wohlgenährte alte Terraner war mit seiner Kolumne zufrieden, die über alle möglichen Frequenzen gesendet wurde. Unzählige Reporterteams transportierten die Nachrichten in alle Galaxien. Die Sternenportale waren ihnen dabei eine große Hilfe.

Mohlburry verweilte auf dem INSELNET-Kreuzer FOCUS im Sonnensystem von Som-Ussad. Er gehörte zu den wenigen Journalisten, die eine Erlaubnis besaßen, das System zu betreten. Es war ein seltsames Bild, wie der Reporter fand. Auf der einen Seite waren 125 quarteriale Raumschiffe in Sonnennähe auf Patrouille gegangen. Nur 746 Millionen Kilometer von Som-Ussad entfernt sammelten sich die alliierten Streitkräfte. Es waren 112 an der Zahl. Mohlburry wusste nicht, ob es zu einer Raumschlacht kommen oder die Schlacht am Boden ausgetragen werden würde.

Agenten hatten berichtet, dass das Quarterium ein gigantisches Geschütz auf der Welt errichten wollte. Es sollte eine technische Modulierung aus einer Transformkanone und einem Hypertron-Impulser werden. Mit solch einer mächtigen Waffe konnten sie ein- und ausgehende Schiffe beschießen. Außerdem war so ein Geschütz eine gewaltige Unterstützung für die Wachflotte. Deshalb hatten die Saggittonen sofort ihre Schiffe entsendet.

Es war nicht genau bekannt, ob sich bereits Bodentruppen beider Parteien auf den Welten befanden.

»Mister Mohlburry?«

Der alte Speaky schreckte hoch und sah seinen Sekretär fragend an.

»Was ist denn?«

»Ihre Tochter!«

Speakys Kinnlade fiel herunter, als er seine Tochter Janela plötzlich vor sich sah. Wie in aller Welt kam sie hierher? Sie sollte doch auf Terra sein. Mit einer Mischung aus väterlicher Strenge und Freude begrüßte er sie.

»Was tust du hier?«, wollte er wissen.

»Du brauchst sicher eine vertrauenswürdige Unterstützung. Deshalb bin ich hier. Um mit dir zusammen zu berichten.«

Mohlburry schniefte aufgeregt und stand ächzend auf. Er wollte sie zurechtweisen, doch ein Blick in ihre treuen braunen Dackelaugen ließ sein Herz erweichen. Im Grunde genommen hatte sie auch recht. Er konnte sie verdammt gut hier gebrauchen. Janela war eine der besten Journalisten der Menschheit. Und eine Vertrauensperson unter all den jungen, karrierebesessenen Leuten war wichtig.

»Na gut …«, brummte er. »Das Essen hier ist sowieso mies. Ich vermisse deine Kochkünste.«

Janela lachte und umarmte ihren Vater. Dann wurde sie sehr schnell dienstlich und erkundigte sich nach der Lage. Mohlburry erklärte seiner Tochter, dass es wohl zu einer Schlacht auf und um Som-Ussad kommen würde. Seiner Ansicht nach war es nur noch eine Frage von wenigen Stunden, bis es knallen würde.

Dann bat er seine Tochter, doch für ihn sein Leibgericht, ein ungarisches Pfeffergulasch mit Pilzen von Archez, zu kochen. Er erklärte, dass er alle Zutaten bereits hier hatte. Janela schüttelte lachend den Kopf, akzeptierte dann allerdings und stellte sich in die Küche.

»Braves Mädchen. So muss das sein. Frauen in die Küche …«, murmelte Mohlburry.

»Was hast du gesagt?«, rief Janela aus der Küche.

»Ach … ach …«, stotterte Speaky verlegen. »Nichts, Kindchen. Ich meinte nur, es ist schön, wenn solche berufstätigen Frauen wie du noch die Zeit zum Kochen finden, um einem alten Mann eine Freude zu machen.«

Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und studierte wieder die Landkarten von Som-Ussad. Perry Rhodans Tochter Eirene war einst hier gestrandet. Die Welt bot jede Sorte von Klima. Es gab Wüsten, Regenwälder, Schneelandschaften und Gebirge.

Wo würde wohl der erste Schuss fallen? Mohlburry blickte auf die Uhr. Es war 21:35 Uhr des 2. September.

22:17 Uhr
Lager der III. Estartukorps-Division A

General Alcanar Benington ließ die Soldaten der XVII. Infanteriekompanie antreten. Sie standen unter dem Oberbefehl von Oberst Blanko Robvitor, einem Oxtorner mit vernarbtem Kahlkopf. Diese Soldaten sollten als erste an die noch nicht existierende Front gehen.

Der General begutachtete die Truppen. Meist waren es pariczanische Grautruppen, doch auch Arkoniden und Terraner befanden unter ihnen. Insgesamt standen Benington auf Som-Ussad 19 Kompanien mit je 450 Mann zur Verfügung. Hinzu kamen die 200 Panzershifts der XXXI. und XXXII. SHIFT-Divisionen der SOLARE EMPIRE und je eine Staffel Abfangjäger Feuerwespe und Jagdbomber Zecke. Insgesamt über 10.000 Mann.

Die Ziele waren wirklich einfach. Die einzige Siedlung weit und breit, reich an Rohstoffen und Industrie, lag auf einem Plateau in 17 Kilometer Entfernung. Ringsherum Gebirge oder dunkler Nadelwald. Auf diesem Plateau konnte man einerseits eine Station errichten und sie bot genug Platz zur Errichtung der kleinen Claudya, wie man liebevoll das todbringende Geschütz getauft hatte.

General Alcanar Benington hatte den Oberbefehl über sämtliche Truppen auf Som-Ussad. Oberst Tschekyl Rundior befehligte die 125 Raumschiffe im Orbit des Planeten. Der Springer galt als ein äußerst vorsichtiger und besonnener Raumschiffkommandant. Benington war sich sicher, dass er keine unangenehmen Überraschungen von oben zulassen würde.

Die Probleme hier unten waren auch ausreichend. Der General wanderte in seine Baracke umher und rief die Führungsoffiziere zu sich. Neben dem Oxtorner Robvitor waren noch die Divisionskommandanten Oberst Wolf Linker und Oberst Grull sowie der Flugstaffelkommandant da Rykh anwesend.

»Meine Herren! Unsere Spione berichten von dem Aufmarsch von rund 8.000 alliierten Einheiten etwa acht Kilometer südlich der Siedlung Eschrayr. Ziel wird sicherlich die Eroberung von Eschrayr sein. Diese Siedlung liegt im Schutz der Berge und hat schier endlose Erz-, Öl- und Edelmetallvorkommen. Es ist der perfekte Platz, um eine Station zu errichten. Außerdem ist auf weiteren Plateaus der Gebirge Platz für die kleine Claudya!

Ich darf daran erinnern, dass Som-Ussad strategisch von äußerster Wichtigkeit ist. Wer diesen Planeten besitzt, hat die bestmögliche Kontrolle über das Sternenportal.«

Die anderen lauschten Benington und wagten nicht, ihm ins Wort zu fallen. Sie waren sowieso begeistert von seinen Ausführungen. Das gefiel dem General, denn er hielt sich für einen Napoleon Bonaparte der Neuzeit.

»Wir haben 19 Kompanien, zwei Shift-Divisionen und zwei Fliegerstaffeln zur Verfügung. Ich möchte nicht, dass Eschrayr beschädigt wird. Es geht mir dabei weniger um die somerischen Einwohner als um den Zeitverlust bei einem Wiederaufbau.«

»Wie gedenken Sie den Angriff zu starten, Herr General?«, fragte Oberst Linker.

»Das werde ich Ihnen sagen, Linker! Zuerst werden die Jagdbomber den Wald einebnen und somit die Alliierten aus ihren Verstecken locken. Den Rest werden die beiden Shift-Divisionen übernehmen. Zwei Kompanien werden sie dabei unterstützen. Die restlichen Kompanien werden dann zur Stadt vormarschieren.«

Linker fing an zu schwitzen. Das würde bedeuten, dass er an vorderster Front kämpfen müsste. Das war nun gar nicht in seinem Sinne. Sicherlich war er ein Anhänger des Quarterium. Er liebte es – doch sein Leben noch mehr.

»General, es wäre unklug, wenn die Kompanien ganz ohne Shift-Schutz vormarschieren. Erlauben Sie mir, dass ich zehn Shifts unter meinem persönlichen Kommando zu Ihrem eigenen Schutz abstelle.«

Benington lächelte geschmeichelt.

»Einverstanden. Major von Herker wird dann Ihre Division befehligen. Er ist mir noch aus Redhorse Point in bester Erinnerung.«

Linker salutierte erleichtert.

»Wir haben es jetzt 22:29 Uhr. Um 02:15 Uhr wird der Angriff beginnen. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Leute bis dahin bereit sind«, befahl der General. Seine Offiziere salutierten und verließen das Besprechungszimmer. Zufrieden setzte sich Benington auf einen Stuhl und schenkte sich ein Glas Whiskey ein. Das würde sein erster großer militärischer Sieg werden.

22:59 Uhr
SOLARE EMPIRE

»Sauft Brüder! Kommt, sauft!«, johlte Henner von Herker und hob seinen Vurguzzkrug hoch. Dabei schwappte ein Viertel über den Rand und platschte auf den Boden. Das tat der Stimmung keinen Abbruch. Henner sog das grüne Gesöff förmlich auf. Holge Wosslyn tat es ihm nach.

Da saßen die Kameraden der XXXII. SHIFT-Division und feierten, als gäbe es kein Morgen. Vielleicht war dem auch so. Henner von Herker wählte ein neues Lied aus. Ein altes terranisches Volkslied. Das war in letzter Zeit in Mode gekommen. Songs und Interpreten aus der guten alten Heimat: Terra und Arkon.

Henner schwang mit der freien Hand den Takt der schwungvollen Musik mit. Booz Shiningjokes beschränkte sich darauf, einen Vurguzzcola nach dem anderen auszuschlürfen, blieb dabei aber sehr ruhig. Er konnte die Klientel, mit der er zusammen diente, eigentlich ganz und gar nicht leiden. Doch zu einem guten Tropfen sagte er nicht nein.

Ash Berger trank mit Shiningjokes gepflegt mit. Siebenpack hingegen saß still auf seinem Stuhl und sagte kein Wort. Er war auch froh, dass ihn keiner beachtete. Dann wurde er zumindest nicht gehänselt.

»Ach ja, morgen gibt es Flattermannbraten«, scherzte Ace Blacktree und lachte laut auf.

Henner und Holge stimmten dem heiteren Gelächter bei. Markor Schutter lehnte sich in den Armen seiner Freundin Zara Pallagyo zurück und genoss sein siebentes Glas Bier. Berger betrachtete die junge Terranerin. Er kannte sie noch aus seinen Zeiten bei der Terranischen Bank. Die sehr kühl wirkende Frau schien heute mal einen guten Tag zu haben, denn sie lachte und kicherte viel, während sie Markor festhielt. Lag vielleicht auch am Alkohol.

Warum seine Kameraden jedoch so gelöst waren, verstand Ash Berger absolut nicht.

Nur Arny Pomme, Roppert Nakkhole und Gert Wissmer waren nüchtern. Sie hielten wenig von solchen Saufgelagen. Arny hatte zudem in ein paar Minuten wieder Dienst. Wissmer widerte die Art seines Majors an. Auch Blacktree konnte er nicht sonderlich leiden. In dieser Gesellschaft vergaß man völlig, dass man bald gegen Brüder aus Cartwheel kämpfen würde. Auf der gegnerischen Seite standen nicht nur Somer, sondern auch Menschen!

»Kurze Zeit!«, brüllte Holge und holte eine Flasche Sambuca aus seinem Spind. Er goss jedem das Glas mit dem nach Lakritze schmeckenden Getränk voll und hob das Glas.

»Auf den Sieg!«

»Auf den Sieg«, antworteten die anderen.

Zara Pallagyo quälte sich das Zeug herunter. Die anderen machten sich gleich darüber lustig.

Gert Wissmer musterte Pallagyo dabei. Sie war gerade mal zweiundzwanzig Jahre alt und wurde schon in den Krieg geschickt. Wissmer verstand das nicht. Angeblich war sie wohl nach der Ausbildung bei der Terranischen Bank direkt zur Akademie gegangen und hatte als Fähnrich bei der SOLARE EMPIRE angefangen. Zwar war sie nur zum Dienst in der Zahlmeisterei des Schiffes verpflichtet worden, doch dieser Raumer kreiste in einem System mit über einhundert feindlichen Einheiten.

Aber wie sagte der Gos’Shekur so schön: »Ob Jung oder Alt, Mann oder Frau. Jeder in der Armee hat seine Pflicht für das Lemurervolk zu erfüllen.«

Manchmal fragte sich Wissmer, ob es klug war, mit solchen Menschen ein Bündnis einzugehen. Im nächsten Moment ermahnte er sich für diese verräterischen Gedanken. Er hatte einen Eid auf das Quarterium geschworen und Uwahn Jenmuhs war der Co-Emperador, der zweitmächtigste Mann in Cartwheel. Er musste ihm in jeder Sekunde Respekt zollen. Er wandte sich an Zara. Die hübsche Brünette blickte ihn seltsam an. In ihren Augen spiegelte eine Mischung aus Faszination und Verachtung. Dieser Blick hatte etwas, aber was? Genau wusste es der Leutnant nicht einzuordnen.

»Ist wohl nicht dein Geschmack?«

»Hm?«, machte sie nur.

»Der Sambuca«, erklärte Wissmer.

»Nein! Eklig!«, kam als Antwort.

Welch tiefgreifende Konversation, dachte Wissmer und lächelte nur zurück. Dann fiel ihm auch schon auf, wie die Hände von Markor Schutter über die Schenkel seiner Freundin liefen. Pallagyo beachtete Wissmer nicht mehr und steckte ihre Zunge in den Mund ihres Freundes. Als hätte Wissmer es nicht gesehen, lehnte er sich zurück und begann ein Gespräch mit Booz.

»Alles klar? Du hast schon viel getrunken …«

»Hey, das ist doch nur zum Aufwärmen. Aber mehr werd ich auch nicht mehr bechern. Wer weiß, wann wir angreifen.«

»Sauf ruhig, Bruder! Der Krieg wird nicht lange gehen. Wir treten den Hühnchen und Verrätern kräftig in den Hintern und sind flugs wieder zu Hause«, mischte sich Blacktree ein.

Berger setzte sich zu Zara, als ihr Freund auf Toilette musste. Es war das erste Mal seit seiner Zeit bei der Bank, dass er sie wieder sah.

»Kindchen, was machst du eigentlich hier? Wie alt bist du jetzt?«

»Einundzwanzig. Ich tue meinen Dienst für das Quarterium. Ist doch ein interessanter Job. Spannender als bei der Bank. Außerdem sparen die momentan Personal ein. Ich hatte eh keine großen Perspektiven.«

Ash verstand die Ansichten der jungen Frau nicht. Er war hier, weil er musste, doch sie war hier, weil sie wollte. Anscheinend hatte sie keine Ahnung, worauf sie sich einließ.

»Morgen werden wir kämpfen. Einige werden sterben. Das willst du wirklich miterleben?«, fragte Ash sie.

Zara Pallagyo wusste nicht, was sie sagen sollte. Offenbar hatte sie noch nie darüber nachgedacht.

»Wenn wir den Krieg schnell beenden, können wir Leben retten. Eine gewisse Ordnung muss nun einmal hergestellt werden. Das sagt auch William!«

Berger musste lachen. William Romm, sein ehemaliger Chef bei der Terranischen Bank.

»Der sitzt bequem in seinem Sessel zu Hause und nicht hier. Von so einem Rassisten solltest du dir keine Flausen in den Kopf setzen lassen«, brauste Ash auf.

Zara Pallagyo gefiel dieser Ton nicht. Sie strafte ihn mit einem ihrer verächtlichen Blicke. Berger beruhigte sich aber schnell wieder und sagte versöhnlich: »Ich werde wohl etwas auf dich aufpassen müssen.«

»Wieso?«

»Weil du viel zu schön bist, als dass dir was passieren sollte …«

Pallagyo lächelte kurz, dann kam auch schon ihr Freund Markor wieder. Er steckte seine Zunge in ihren Hals und ignorierte Ash völlig. Der Unteroffizier nahm sein Bier und setzte sich wieder zu Shiningjokes und Wissmer.

Arny Pomme verabschiedete sich von seiner Truppe. Er musste zur Aufklärung. Mitunter hatte er den angenehmsten, aber auch wichtigsten Posten. Er musste die Bewegungen der feindlichen Truppe genau beobachten. Mit den heutigen Ortungsmethoden war das nicht schwer, trotz der Störsender, die der Feind natürlich einsetzte.

»Meine Freunde, ich muss jetzt los. Trinkt nicht mehr so viel. Nicht, dass ihr noch Ärger bekommt«, verabschiedete sich der Sergeant.

Flüchtig dachte er an seine Kameraden. Roppert Nakkhole und Glaus Siebenpack waren hier, doch seine beiden Freunde standen wahrscheinlich an der gegnerischen Front. Zumindest Jonathan Andrews. Remus Scorbit lebte inzwischen wieder auf Terra. Eine weise Entscheidung, wie Pomme fand. Keiner außer Wissmer und Berger bemerkte ihn, als er das Zimmer verließ. Er lief ein paar Schritte, da kam Oberst Wolf Linker an ihm vorbei.

»Sergeant?«

»Ja, Sir?«

»Wo sind die anderen Offiziere?«

Pomme stockte und wusste nicht, was er sagen sollte. Der Oberst wäre bestimmt nicht begeistert, wenn er seine Leute so sehen würde.

»Mensch, können Sie nicht antworten?«, brüllte Linker aufgebracht. Pomme zuckte zusammen.

»Doch, Sir! Sie sind im Aufenthaltsraum, zur Entspannung.«

Linker begab sich sofort auf den Weg dorthin. Pomme beschloss einfach, so schnell wie es ging, den Weg zu seinem Posten zurückzulegen. Der Oberst öffnete die Tür und glaubte nicht richtig zu sehen, als er die Feiernden erblickte.

»Der Befehlshaber«, rief Wissmer und salutierte.

Booz, von Herker und Berger sprangen sofort mit auf. Schutter war zu sehr mit Zara beschäftigt, um zu reagieren.

Die anderen brauchten auch eine Weile, um zu reagieren.

»Der Feind steht draußen vor der Tür und ihr macht ein großes Rambazamba. Wo gibt es denn so was?«, schrie Linker aus voller Kehle.

Die anderen schwiegen. Keiner traute sich, etwas zu sagen. Nicht einmal Henner von Herker.

»Nun gut, ich will mal nicht so sein«, sagte Linker schließlich großmütig in die Stille. Und so fühlte er sich auch – grenzenlos großmütig.

»Major von Herker. Um 02:15 Uhr beginnt der Angriff. Sofort bereitmachen. Sie haben das Kommando über die Division. Zehn Shifts werde ich zum Einmarsch in die Siedlung mitnehmen. Weitere Befehle erhalten Sie, sobald die Shifts voll bemannt sind«

»Jawohl, Kommandant!«, brüllte von Herker und machte sich sofort an die Arbeit.

»Schutter!«, gellte Linker.

Dieser hatte sich endlich von seiner Freundin gelöst und stellte sich stramm vor den Oberst.

»Sie begleiten mich nach Eschrayr. Sie werden den General und mich im Panzergleiter fahren. Seien Sie stolz! Sie dürfen am Siegeszug teilnehmen.«

Schutter grinste. Dann begann er zu schwanken.

»Und Sie!«, wandte sich Linker an Pallagyo, die zusammenzuckte. »Machen Sie ihm einen Kaffee, damit er wieder nüchtern wird. Ich will nicht, dass er uns gegen den nächsten Baum steuert.«

Pallagyo musste lachen. Linker nicht.

»Zack Zack!«, kommandierte er.

Zara Pallagyo packte ihren Freund am Arm und zog ihn hastig in Richtung Kantine. Linker blieb im verkramten und verrauchten Aufenthaltsraum zurück. Nun war es soweit! Der Krieg würde beginnen.

01:20 Uhr
45 Kilometer südlich von Eschrayr

Auf der anderen Seite der Front sammelten sich die Streitkräfte der Alliierten. Insgesamt hatte man mehr als 8.000 Bodentruppen und 150 Panzer zur Verfügung. Sam Tyler, Torrinos und Sandal Tolk leiteten die Operation. Man suchte im Schutz des Waldes Deckung und arbeitete sich langsam nach Eschrayr vor.

Torrinos wandte sich an seinen Freund Waldron Tragonar. Der 2,04 Meter große Goner war einer der Führenden des dorgonischen Widerstandes. Die Goner waren ein seltsames Volk. Äußerlich unterschieden sie sich von den Dorgonen nur durch ihre grünliche Hautfarbe und grünen Haare. Sie besaßen zudem hervorragende Kampfeskünste. Das hatte Waldron in den letzten Monaten zu einem der verlässlichsten Kämpfer gemacht.

Außerdem war Waldron ein enger Vertrauter von Torrinos. Seit 1298 NGZ kannten sich die beiden und in diesen sieben Jahren war er ein absolut loyaler Freund gewesen. Sie waren durch vielerlei gegangen. Es gab wohl nur eine Person, die dem Hünen näher stand als Torrinos: seine Symbiosepartnerin Shenia Drenia, ebenfalls eine Goner.

Shenia jedoch war noch in Erendyra. Für sie war so ein Einsatz absolut gar nichts.

»Ich hoffe, die Störsender funktionieren gut«, murmelte Torrinos zum Goner. Dieser brummte laut.

»Sicher funktionieren sie. Ob die da drüben einen Decodierer haben, ist die andere Frage. Das Quarterium scheint jede Menge neue Technik erfunden zu haben. Hast du schon von diesem Wundergewehr gehört?«

Torrinos stutzte.

»Nein«, gab er zu.

»Das M-A-R 21 Phoenix. Was da alles drin ist, ist unglaublich. Es ist die neue Standardwaffe für die Grautruppen. MHV-Strahler für Thermo, Impuls und Desintegrator, Nadlerstrahler, Projektil-MG mit 400 Schuss á Magazin, Kaliber 7,62x51 Millimeter, Stogsäuresprüher, ausfahrbares Vibrationsbajonett, Wechsellauf für Giftgas, Plasmaminimalbomben und EMP-Patronen. Dazu als Defensivbewaffnung ein einfach gestaffelter Halb-HÜ-Schirm und als technische Extras gibt es ID-Erkennung des Waffenträgers und die Scharfschützenzielsuche wird direkt in den Helm des Trägers übermittelt. Überhaupt ist das Ding via Datentransmitter mit Helm des Trägers verbunden.«

Torrinos stieß einen Pfiff aus. Waldron grinste, obwohl ihm diese Präzisionswaffe etwas Angst machte. Technologisch war das Quarterium ihnen überlegen. Doch sie waren die besseren Kämpfer. Waldron brauchte sich nur Tyler und Tolk angucken. Denen wurde die Waffe doch schon in die Wiege gelegt.

Der saggittonische Befehlshaber der Infanterie hatte sie inzwischen eingeholt. Banderus grüßte Torrinos freundlich.

»Wir sind noch vier Kilometer von Eschrayr entfernt. Wenn alles gut läuft, können wir in einer Stunde unser Lager dort aufschlagen.«

Torrinos blickte auf sein Chronometer: 01:27 Uhr.

»In einer halben Stunde. Geben Sie den Leuten Bescheid, sie sollen sich beeilen. Ich habe ein ungutes Gefühl.«

Banderus nickte und gab die Befehle weiter. Tyler entsicherte seine Waffe und blickte Torrinos fragend an.

»Nur ein ungutes Gefühl«, gab dieser zurück.

»Kann auch sein, dass du die Schweinehunde schon riechst. Besser wir sind auf der Hut«, meinte Tyler.

01:59 Uhr
An Bord der FOCUS

Speaky hatte das Gulasch sehr gut geschmeckt. Die Kochkünste seiner Tochter hatte er wirklich vermisst. Nun brüteten sie mit einer Tasse Tee in der Hand über den abgefangenen Funksprüchen. Viel war es nicht, doch man versuchte, das Bestmögliche daraus zu interpretieren.

Robert konzentrierte sich auf die Meldungen der dorgonisch-quarterialen Einheiten. Seine Tochter versuchte, die der Alliierten zu entziffern.

»Ich hoffe, unsere Jungs wissen, was sie tun«, murmelte Janela.

»Natürlich tun sie das. Soweit ich informiert bin, ist dieser Antonurac einer der fähigsten saggittonischen Kommandanten und unten auf dem Planeten sind Tyler, Tolk und Torrinos«, verteidigte Mohlburry die alliierten Streitkräfte. Janela hoffte es.

Viel gaben die Informationen nicht her. Nichts, woraus man einen Artikel verfassen konnte. Doch selbst wenn, würden sie wohl kaum die geheimen Pläne der Alliierten über den Äther jagen, damit das Quarterium sie mitbekam.

Plötzlich rannte Mohlburrys Sekretär in das Zimmer.

»Speaky, das müssen sie sich ansehen«, rief er atemlos. Die beiden Mohlburrys sahen sich fragend an.

Dann liefen sie in die Kommandozentrale. Auf der dreidimensionalen Karte des Sonnensystems wurden die Flotten angezeigt. Mit einem Mal wurden es immer mehr Punkte.

»Identifizieren«, forderte Janela.

»Bereits geschehen«, meinte der plophosische Kommandant mit belegter Stimme. »Es sind Adlerschiffe. Sie müssen das Semi-Transit-Feld benutzt haben. Es geht los!«

02:15 Uhr
Der Krieg beginnt

Plötzlich tauchten 200 Adlerschiffe aus ihrem Hyperraumversteck auf. Damit hatte Antonurac nicht gerechnet. 200 Adlerschiffe mussten sich schon vor Tagen in das Semi-Transit-Feld begeben und dort ausgeharrt haben, um nun endlich zuzuschlagen. Jetzt beschleunigten auch die Supremo-Schiffe des Quarterium und hielten auf den alliierten Verband zu.

»Gefechtsformation!«, befahl Antonurac.

Auch die alliierten Raumer beschleunigten. Nur noch wenige Millionen Kilometer trennten die drei Verbände voneinander. Dann begann das Gefecht. Die Transformgeschütze übernahmen nun das Reden.

Unzählige Tonnen TNT brüllten gegen die feindlichen Schiffe auf beiden Seiten. Die Adlerschiffe schwenkten nach unten herab und griffen den Verband nun von der rechten Flanke an. Ein akonisches Raumschiff verging nach einem Beschuss des Hypertron-Impulsers. Drei USO-Raumer fielen aus und beschossen ein Adlerschiff. Der Schutzschirm der dorgonischen Einheit brach zusammen. Dann brach ein Flügel ab. Das Schiff geriet ins Trudeln, bis es in einem grellen Feuerblitz explodierte.

Die Supremo-Schiffe griffen in Keilformation an. Die ersten Schiffe vergingen im Sperrfeuer der alliierten Raumer, doch die zweite Welle brach durch und vernichtete neun Schiffe innerhalb von wenigen Sekunden.

Die Raumschlacht war im vollen Gange. Doch davon wusste man auf Som-Ussad nichts. Dort hatte man seine eigene Schlacht zu kämpfen.

*

»Feuer«, brüllte Oberst Robvitor. Dann begann die Artillerie mit lautem Getöse loszuschießen. 2.000 Thermogeschosse wurden in die Luft katapultiert. Kilometer entfernt hörte man das Grollen des Aufschlages.

Robvitor sah durch sein Fernglas. Überall rauchte es. Über ihm hörte er die donnernden Triebwerke der Jäger und Jagdbomber. Zwei Staffeln brausten über Eschrayr und fegten den Wald hinweg. Das Jaulen der Motoren klang wie Luftschutzsirenen. Dann folgten die Explosionen. Zufrieden beobachtete Robvitor den brennenden Wald. Alles verlief nach Plan. Das Terrain im Umkreis von fünf Kilometern wurde mit Thermobomben eingedeckt. Die Nacht wurde zum Tage. Er selbst war fast zehn Kilometer vom Brandherd entfernt, doch das Lodern der Flammen reichte bis in den Himmel.

»Shift-Division angreifen«, kommandierte er nun.

Major von Herker und Oberst Grull setzten ihre 190 Shifts in Bewegung. Die Artillerie verstärkte noch einmal das Feuer, bevor die Geschütze vorerst schwiegen.

Oberst Robvitor lief unruhig umher und schaute auf sein Chronometer.

02:53 Uhr. Dann endlich meldete sich Grull.

»Hier ist nichts mehr. Die Artillerie und Luftwaffe haben gute Arbeit geleistet«, meldete er.

Robvitor grinste breit.

»Suchen Sie weiter. Sicher ist sicher«, befahl er. Dann nahm er Verbindung zu General Benington auf.

»Sir, grünes Licht. Sie können jetzt in Eschrayr einmarschieren!«

*

Benington verfolgte am Himmel die Schlacht um Som-Ussad. Von hier unten aus konnte er die aufblitzenden Punkte natürlich nicht genau definieren. Er wusste nicht, ob ein alliiertes und feindliches Schiff vernichtet wurde.

Oberst Linker saß neben ihm und ließ sich die Meldungen von der Front durchgeben. Er berichtete von dem vollen Erfolg. Benington war zufrieden. Vor allem mit sich selbst.

»Ein Napoleon hätte das nicht besser machen können. Wir sollten uns überlegen, was wir morgen zum Frühstück in Eschrayr essen werden.«

Linker lachte falsch. Dieser Mann tat alles, um die Karriereleiter aufzusteigen. Er blickte gereizt zu Schutter herüber. Der Mann war immer noch nicht ganz nüchtern, doch der General hatte es nicht bemerkt. Was für ein Glück. Es wäre überaus peinlich gewesen, wenn gerade Linkers Pilot solche Entgleisungen zeigen würde.

Die zehn Shifts schwebten neben dem Gleiter. Sie waren vollgepackt mit Soldaten. Die Grautruppen wurden zur Stadt gebracht. Benington konnte schon die ersten Häuser sehen und dachte an die neuen Verdienstorden, die er für diesen Sieg einheimsen würde.

»Linker, ich denke, dass wir bei der nächsten Feier des Emperador mit dabei sein werden.«

»Meinen Sie wirklich, Sir?«, fragte Linker mit leuchtenden Augen. Benington nickte und grinste. Es war dieses widerliche Grinsen, für das er schon in Redhorse Point berühmt war.

Plötzlich explodierte in einem lauten Knall der Shift neben ihm. Linker schreckte hoch. Ehe sie es sich versahen, wurden sie mit einem Feuerhagel eingedeckt.

»Drehen Sie ab, Mensch. Weg hier!«, schrie Linker aufgeregt.

Schutter schwenkte den Gleiter zur Seite und wäre beinahe mit einem der anderen Shifts kollidiert. So schnell die Maschine es hergab, raste er hinter die Linie der eigenen Truppen.

»Was war das? Was ist los?«, wollte Linker wissen.

»Sie sind schon in Eschrayr, Sie Idiot. Das ist los. Kompletter Rückzug. Rufen Sie die Jagdbomber und Ihre Divisionen«, befahl Benington.

Linker sah ihn verdutzt an. Sein Mund stand weit offen.

»Na los!«, brüllte der General.

»Ja … jawohl, Sir!«

Der Oberst nahm ein Interkomgerät und gab die Befehle durch. Benington beobachtete derweil den Kampf draußen. Ein weiterer Shift wurde getroffen und zerbarst in tausend Teile. Ein Gleiter mit Grautruppen stürzte ab. Die Leute rannten heraus und wurden vom Hagel der Thermogeschütze erfasst. Ihre Schutzschirme hielten der schweren Artillerie nicht lange stand. Ohne Gefühlsregung sah Benington zu, wie der Schutzschirm eines Grautruppenkämpfers zusammenbrach und eine Salve Energiestrahlen ihn durchlöcherten. Der Körper zuckte bei jedem Einschlag. Die Bauchdecke wurde aufgerissen und die verbrannten Gedärme quollen zu Boden. Ein weiterer Schuss sprengte den Kopf auf und die Gehirnmasse flog durch die Gegend.

»Schicken Sie die Grautruppen zum Angriff. Sofort!«, befahl Benington.

Linker blickte ihn entsetzt an. Dann nickte er hastig und erteilte den Befehl. Der erste Ansturm wurde völlig niedergemetzelt. Hunderte Grautruppen wurden regelrecht zerfetzt.

Dann endlich kamen die Jagdbomber. Das laute Aufheulen klang wie Musik in Beningtons Ohren. Doch plötzlich tauchten feindliche Jägerverbände am Himmel auf. Dazu kamen zwei akonische Kreuzer, die auf die Jagdbomber schossen. Wie Tontauben wurden sie vom Himmel geholt.

Benington glaubte nicht, was er sah. Alle 50 Jagdbomber wurden innerhalb einer Minute abgeschossen. Die Abfangjäger nahmen den Kampf mit den Jägern der Alliierten auf. Eine Explosion jagte die nächste. Der Himmel war hell erleuchtet. Überall ein Chaos aus Feuer und Rauch. Ob am Boden oder am Himmel.

Benington bat um Unterstützung aus dem Orbit. Zwei einhundert Meter Kreuzer folgten der Bitte. Mehr konnte Oberst Tschekyl nicht abstellen, da die Raumschlacht immer noch tobte.

Die zwei Kreuzer griffen die anderen beiden Raumschiffe an. Das Kampfgeschehen verlagerte sich wieder in den Weltraum. Damit war Benington eine Bedrohung los.

»Wann kommen die Shifts?«

»Sind auf dem Weg. Ebenfalls die zwei Kompanien«, meldete Linker, der immer noch neben sich stand. Damit hatte er nicht gerechnet. Der Schweiß lief ihm von der Stirn. Die Einschläge kamen immer näher.

»Sollten wir uns nicht weiter absetzen, Herr General?«

Benington bestrafte ihn mit einem verächtlichen Blick.

»Jetzt? Wir sind in der Schlacht. Ein Kommandant hat bei seinen Truppen zu sein. Sobald die Shifts da sind, greifen wir an. Wir stürmen Eschrayr!«

Linker schluckte hörbar und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn.

Oberst Robvitor beorderte unterdessen die schwere Artillerie in Schussreichweite von Eschrayr. Dann begann das Gegenfeuer. In einem ohrenbetäubenden Lärm lieferten sich beide Artillerien einen todbringenden Wettstreit.

*

Innenillustration

Ash Berger drehte seinen Shift so schnell ab, wie es nur ging. Neben ihm wurde noch einer der Flugpanzer zerstört.

»Verdammt, wir sind so richtig in die Falle gelaufen«, rief er Siebenpack zu, der an den Geschützen saß.

»Wir können auch nicht viel machen. Die sind zu weit weg«, meldete der Soldat seinem Kameraden.

»Befehl von dem General. Wir sollen die Stellung halten und auf die XXXIII. SHIFT-Division warten«, erklärte der Funker.

»Na Prost Mahlzeit«, fluchte Ash.

Er steuerte den Panzer hinter einen Felsen. Dort waren sie erst einmal sicher. Der Gleiter des Generals war unweit von ihnen. Anscheinend wollte der Herr General ebenso wenig ins Gras beißen wie sie selbst.

*

»Ob es knallt oder der Feuerhagel uns umringt. Kamerad, wir hauen dem Flattermann auf den Kamm«, sang Major Henner von Herker zur Einstimmung. Holge Wosslyn und Ace Blacktree johlten freudig mit.

Dann wurde von Herker wieder ernst. Nun war es soweit. Der erste Kriegseinsatz. Das Gefühl war schwer zu beschreiben. Euphorie, fast schon wie Ekstase fühlte es sich an. Angst hatte er keine. Wieso auch? Niemand konnte das Quarterium besiegen.

»Shift Zwei melden«, forderte er.

Innerhalb weniger Sekunden kam die Rückmeldung von Wissmer. Zusammen mit Arny Pomme fuhr er den zweiten Shift. Den dritten Shift in dieser Formation befehligte Booz Shiningjokes. Die drei Panzer brausten über den brennenden Wald auf die Stadt zu. Da begann auch schon der Beschuss. Ein Shift zwanzig Meter hinter ihnen wurde getroffen. Er sackte ab und knallte auf den Boden. Jeder Shift-Pilot hoffte in diesem Moment, dass ihm nicht dasselbe Schicksal widerfahren würde.

Unter ihnen sahen sie die beiden Kompanien. Insgesamt 900 Mann. Sie stürmten von der Südseite auf Eschrayr zu. Nun war es an der Zeit, diesen Männern zu helfen.

»Angriff!«, brüllte Oberst Grull.

Major von Herker bestätigte. Dann begannen die Shifts der XXXII. und XXXIII. SHIFT-Divisionen mit dem Feuer. Sie konnten noch keine Gegner ausmachen. Überall nur Energieschüsse.

»Wir gehen tiefer«, befahl Henner von Herker.

Die Shifts senkten sich mit lautem Getöse und schwebten nur drei Meter über dem Boden direkt über der Infanterie hinweg.

Dutzende Soldaten wurden einfach niedergemetzelt. Das Feuer der gut verschanzten Alliierten war zu viel für die nur 900 Mann starke Armee. Die Panzer waren ihre letzte Hoffnung. Die Shifts feuerten auf die Stadt. Doch auch die Geschütze von Robvitor zeigten nun ihre Wirkung. Wie Streichholzhäuser flogen die Häuser in die Luft.

Es sieht so spielend leicht aus, dachte Henner von Herker.

Der Major wollte das auch machen, beschleunigte und steuerte auf einen Turm zu. Von dort aus wurde gefeuert.

»Ortung?«, rief von Herker knapp.

»Drei Schützen, Akonen«, meldete Blacktree.

Von Herker steuerte direkt auf den Turm zu. Dann erteilte er den Feuerbefehl. Wosslyn schoss eine Thermoladung in den Turm. Eine Explosion ließ das Dach des Gebäudes hochgehen. Der Shift drehte sich einmal ums Ziel herum, dann feuerte Wosslyn auf den Sockel des Gebäudes. Wie ein Kartenhaus sackte der Turm in sich zusammen.

Henner von Herker grölte vor Freude. Er, Wosslyn und Blacktree umarmten sich.

»Die Säue sind tot! Wir haben ihnen den Arsch abgeschossen«, jubelte Henner von Herker. »Habt ihr das gesehen?! Leider geil!«

Die anderen beiden freuten sich ebenso riesig. Sie gaben schnell ihre Erfolgsmeldung weiter. Etwa zehn Shifts hatten inzwischen die Stadt erreicht und schossen auf jedes Haus.

»Oberst Grull will, dass wir hier einen Brückenkopf bilden«, meldete Blacktree.

»Gut, dann verschanzen wir uns hier. Gebt das Wissmer und Shiningjokes durch«, orderte Henner von Herker.

Dann kam plötzlich der Befehl von Oberst Linker, sofort alle verfügbaren Shifts zur Nordseite zu bringen, um den großen Sturmangriff zu unterstützen. Grull bestätigte den Befehl und teilte von Herker mit, dass er die Operation alleine leiten müsse. Ihm wurden zwanzig weitere Shifts zur Verfügung gestellt. Der Rest flog zur Nordseite.

Henner von Herker fühlte sich geehrt, ohne über die Konsequenzen dieses Befehls nachzudenken. Noch knapp 600 Soldaten und 23 Shifts konnten den Brückenkopf nicht lange halten.

*

Wissmer fluchte laut. Arny lachte bitter auf. Er verfluchte die Entscheidung genauso. Ihre Karten standen nicht gut. Gert Wissmer setzte sich an den Interkom.

»Major, hör zu. Wenn wir den Block besetzen und uns in den Straßen und Häusern verschanzen, haben wir eine bessere Chance.«

Henner von Herker stimmte dem Plan zu. Die Shifts und Soldaten rückten vor. Da stießen sie schon auf ersten Widerstand. Shifts der USO und saggittonische Schwebepanzer blockierten ihnen den Weg. Sofort eröffneten sie das Feuer. Wissmer wich den ersten Salven aus, doch es waren einfach zu viele. Woher hatten die Alliierten so viele Panzer? Ein Schuss traf den Shift voll. Der Druck ließ die Stabilisatoren versagen und das Fluggefährt knallte auf den Boden. Arny Pomme wurde nach vorne geschleudert und schlug sich den Kopf auf. Aus der klaffenden Wunde am Kopf floss Blut.

Wissmer rappelte sich auf und ging zu Arny.

»Es geht schon«, stammelte der Epsaler.

Wissmer wollte von dem Orter den Schadensbericht hören, doch der Mann war tot. Hinter dem verdrehten Kopf standen die gebrochenen Genickwirbel spitz aus dem Halsansatz. Es war das erste Mal, dass Wissmer einen Toten sah. Er versuchte die Übelkeit zu unterdrücken und konzentrierte sich auf das Gefecht.

»Raus hier«, befahl er Arny und dem vierten Besatzungsmitglied. Sie packten den Epsaler und zogen ihn heraus. Draußen angekommen, wurde der Mann gleich von einer Salve aus einer Projektilwaffe durchlöchert. Er spie Blut aus dem Mund und schrie dabei laut auf. Dann sackte er in die Knie und kippte um. Wissmer konnte ihm nicht mehr helfen. Er nahm Arny Pomme und suchte hinter dem Shift-Wrack erst einmal Deckung.

Mehrere Dutzend Grautruppen stürmten voran und schossen aus allen Rohren der M-A-R 21 Gewehre. Eine Gruppe akonischer Soldaten stürmte plötzlich von rechts heran, doch die Grautruppen waren schneller. Sie waren mit ihren Anzügen beweglicher als die SERUN-Träger. Deshalb lehnte das Quarterium auch SERUNs ab. Die Rüstungen der Grautruppen ließen zwar mehr Bewegungsfreiheit im Kampf zu, boten jedoch weitaus weniger Schutz. Doch in diesem Fall half es. Zwar wurden mindestens zwei Dutzend Grautruppen niedergefegt, doch der Rest suchte Deckung und knallte einen Akonen nach dem anderen ab.

Einer der Akonen flog weg, doch sein Tornister wurde getroffen. Er platschte unweit von Wissmer auf den Boden und stieg schnell aus dem SERUN aus. Gert zog seine Waffe und drückte auf Projektil. Der Akone sah ihn und zog seinen Nadlerstrahler, während er auf Wissmer zu rannte. Dann drückte der Terraner ab. Der Schuss traf den Akonen in den Hals. Mit der zittrigen Hand versuchte er die Fontäne aufzuhalten, die aus seiner Schlagader spritzte.

Dann gaben seine Knie nach und er sackte zu Boden. Die Augen waren auf seinen Mörder gerichtet.

Wissmer schoss noch einmal. Direkt in den Kopf des Akonen, bis das Gesicht zu zerfetzt war, um sehen zu können. Der Mann war tot. Zitternd legte er die Waffe auf den Boden und holte eine Schachtel Zigaretten aus der Hemdtasche. Hastig zündete er sich eine an und musste die Tränen unterdrücken. Er hatte einen Menschen getötet. Er suchte nach einer Rechtfertigung. Es war Krieg. Es hieß er oder ich. Doch sein Gewissen beruhigte sich nicht. Wer war dieser Mensch gewesen? Hatte er Familie gehabt? Frau und Kinder?

Plötzlich stand ein pariczanischer Offizier vor ihm. Er gehörte zu den Kommandeuren der Grautruppen.

»Alles in Ordnung, Herr Leutnant?«

Wissmer starrte ihn schweigend an. Er brachte kein Wort heraus. Der Pariczaner bemerkte den verwundeten Epsaler und rief Sanitäter herbei. Ein Gleiter schwebte heran und Medoroboter stiegen aus, die sich sofort um den verletzten Arny Pomme kümmerten.

»Sir?«, hakte der Grautruppler nach.

Nun endlich reagierte Wissmer.

»Ja, alles in Ordnung.«

Ohne weitere Zeit zu verlieren, stürzte sich der Pariczaner in den Kampf. Nur um wenige Meter weiter von einer Panzersalve zerfetzt zu werden. Als es ruhig wurde, lagen seine Körperteile auf der ganzen Straße verteilt. Vermischt mit den Eingeweiden und Gliedmaßen seiner Kameraden und Feinde.

05:35 Uhr
Eschrayr

Die Schlacht tobte seit mehr als drei Stunden. Tyler und Torrinos koordinierten die Verteidigung von Eschrayr. Sie konnten den gegnerischen Streitkräften gut einheizen. Das Überraschungsmoment war auf ihrer Seite gewesen. Doch im Grunde genommen saßen sie auf verlorenem Posten. Antonurac hatte bereits 39 Raumschiffe verloren. Die Gegner zwar 61, doch das zahlenmäßige Verhältnis war einfach zu groß. Die Adlerschiffe hätten nicht sein dürfen. Deshalb befahl der Saggittone, ihm mehr Schiffe zu schicken. Dann hatten sie vielleicht eine Chance in Siom Som Fuß zu fassen und Dorgon und das Quarterium von den Nachschublinien abzuschneiden.

Tyler kauerte an einem Fenster und visierte einen anstürmenden Grausoldaten an. Die Zielerfassung setzte den Punkt direkt in das Visier des Helms. Dann drückte Tyler ab. Der Schuss setzte den Schutzschirm außer Kraft. Schnell schoss er noch einmal hinterher. Mit Genugtuung sah er, wie das Glas des Visiers zerschmolz und das Gesicht des Gegners zu einer brennenden Masse wurde.

Wieder ein Bastard weniger, dachte der Terraner und suchte schon das nächste Opfer. Die Explosionen hinter ihm interessierten ihn wenig. Pausenlos schoss die feindliche Artillerie auf Eschrayr. Die halbe Stadt lag in Schutt und Asche. Tausende Zivilisten hatten bereits den Tod gefunden. Der Rest kauerte angsterfüllt in den Luftschutzbunkern und wartete auf das Ende der Schlacht.

Der Schutzschirm über den alliierten Streitkräften hielt jedoch weiterhin stand. Leider reichte er nicht aus, um die gesamte Stadt zu schützen. Torrinos machte sich deswegen schwere Vorwürfe und konnte auch Tylers Haltung nicht verstehen, als dieser sagte, das seien kollaterale Schäden.

Sandal Tolk kam von der Südseite der Stadt zurück. Er blutete am rechten Arm, doch das störte ihn wenig.

»Die Säcke haben sich längs der Straße verschanzt«, brummte er unzufrieden.

Tyler schoss den nächsten Soldaten nieder, dann wandte er sich Sandal Tolk zu.

»Wir werden die Jungs da rauswerfen. Gebt mir zwei Flugkanonen und zwei Shifts. Den Rest erledige ich«

Torrinos nickte. Dann machten sich Tolk und Tyler auf den Weg. Der Dorgone blieb zurück und studierte die Verlustmeldungen. 713 Leute hatten sie bis jetzt verloren. Die Gegner das Dreifache. Innerhalb von drei Stunden hatten fast 3.000 Lebewesen den Tod gefunden. Torrinos mochte sich nicht ausmalen, wie viele es bei der Raumschlacht waren. Doch bei etwa 100 zerstörten Raumschiffen mussten es zehntausende sein.

Er blickte zu Waldron. Der große Goner bedachte ihn mit einem kurzen Lächeln. Das ermutigte Torrinos weiterzumachen. Er stellte sich an die Spitze der Mauer und blickte auf das Tal herunter. Ihr großer Vorteil war die Beschaffenheit der Stadt Eschrayr. Sie glich teilweise einer mittelalterlichen Burg. Die ganze Stadt wurde von einer schützenden Mauer umgeben. Das war die ideale Stellung für seine Soldaten. Rund um die ganze Stadt waren sie postiert. Besonders natürlich auf der Nordseite. Die gesamte Stadt innerhalb der Mauer wurde durch einen Schutzschirm geschützt, um das Bombardement der gegnerischen Artillerie zu neutralisieren.

Waldron stupste Torrinos an.

»Sieh!«

Der Dorgone griff nach einem Fernglas und sah den Aufmarsch tausender Grautruppen und etwa 100 Shift-Panzern.

»Sie wagen einen erneuten Angriff«, stellte Torrinos bitter fest. Es waren etwa 4.000 oder 5.000 Grautruppen. Das war fast Beningtons ganze Armee. Der quarteriale General setzte, wie es schien, alles auf eine Karte.

»Sag Tyler, er soll sich mit den Leuten an der Südseite beeilen. Wir brauchen alle Männer hier. Die Geschütze sollen erst schießen, wenn die Grautruppen einen Kilometer vor uns sind«

Waldron bestätigte den Befehl und gab ihn weiter. Torrinos kaute auf seiner Lippe und dachte über eine mögliche Flucht nach. Er nahm Verbindung mit Antonurac auf. Der Kommandant erklärte, dass Ersatz auf dem Weg sei. Etwa 500 akonische Schiffe sollten in den nächsten zwei Stunden dazustoßen. Doch was, wenn das Quarterium ebenfalls neue Truppen schickte? Der schnellere würde diese Schlacht gewinnen, dessen war sich Torrinos sicher.

*

Tyler fuhr auf einem Shift und beobachtete die umliegenden Straßen. Dann befahl er seinem Trupp, Halt zu machen. Zehn Shifts, zwei schwere Geschütze und 500 Soldaten verteilten sich in der Straße.

Sandal Tolk spannte seinen Bogen und wartete auf den ersten Gegner. Doch so leicht würden es die Grautruppen ihnen nicht machen. Sie hatten sich zwei Straßenzüge weiter in den Häusern verschanzt. Die gegnerischen Shifts sicherten die Ein- und Ausfallstraßen des Wohngebietes.

Tyler studierte die Karte der Stadt. Dann hatte er eine Idee. Er wandte sich an Leutnant Maskul.

»Wir haben doch diese niedlichen Kamikazedroiden?«

»Sir, ja, Sir!«

Tyler lachte für eine zehntel Sekunde.

»Schickt sie durch die Kanalisation. Rüstet sie aber mit noch mehr Sprengstoff aus. Die gesamte Gegend steht auf wackligen Säulen. Sprengen wir das Fundament, stürzen die Häuser ein«

Tolk knurrte zufrieden. Maskul führte den Befehl sofort aus. Derweil wurden die Geschütze in Stellung gebracht. Die Infanterie mit den Shifts sollte erst zuschlagen, wenn die Häuser eingestürzt waren.

Tyler gab den Feuerbefehl für die beiden Geschütze. Sie dienten lediglich als Ablenkungsmanöver. Der Beschuss dauerte nur zehn Minuten, dann erschütterte eine Explosion nach der anderen den Block. Ein Erdbeben warf die Soldaten auf den Boden und überall stürzte der Boden ein. Es traf auch Tylers Leute. Dutzende fanden in den tiefen Schächten in den Tod. Dann der Erfolg, als ein Haus nach dem anderen einstürzte. Eine riesige Schuttwolke blähte sich auf, erstickender Staub kam ihnen entgegen. Nun gab Tyler den Befehl zum Angriff. Für die Soldaten in ihren Seruns war die Staubwolke kein Problem.

Tyler und Tolk stiegen in einen Panzergleiter und folgten ihren Streitkräften in den Nebel aus feinen Schuttpartikeln und Dreck.

Die ersten Energiestrahlen zuckten durch das Dunkel. Granaten flogen durch die Luft und zerfetzten die Menschen. Langsam legte sich die Staubwolke und nun bekam man das Ausmaß der Zerstörung erst richtig zu sehen. Berge aus Stein und Metall bedeckten den gesamten Straßenzug. Vereinzelt schossen Soldaten aus den Ruinen, die das Desaster überlebt hatten. Tyler befahl, den Gleiter anzuhalten. Sam Tyler wollte selbst mitmischen. Er schnappte sich sein Schnellfeuergewehr und stürmte ins Freie. Sandal Tolk folgte mit einer Axt in der Hand.

»Vorwärts Männer!«, brüllte Tyler und schoss wild durch die Gegend. Ein feindlicher Shift näherte sich von oben und eröffnete das Feuer. Tyler und Tolk duckten sich und sprangen in Deckung. Da tauchte schon ein alliierter Shift auf und traf den gegnerischen Flugpanzer schwer. Das Gefährt fiel krachend auf einen Schuttberg. Tyler rannte aus seinem Versteck auf das Wrack zu. Die Tür öffnete sich und ein Arkonide trat heraus. Als er Tyler sah, wollte er seine Pistole ziehen, doch der Terraner war schneller und schoss den Gegner mit einer Salve nieder. Durch die Wucht der Einschläge wurde der Arkonide an den Shift gedrückt. Dann sanken die blutverschmierten Überreste dessen, was einmal ein menschliches Wesen gewesen war, auf den Boden und blieben regungslos liegen.

Tyler nahm eine Handgranate, zündete sie und warf sie in den Shift. Dann sprang er in Deckung. Wenige Sekunden später explodierte das Wrack. Unerwartet rannten zwei Grautruppen auf sie zu. Tyler feuerte, doch er konnte nur die Schutzschirme destabilisieren. Jetzt rannte Tolk schreiend mit seiner Axt auf die beiden zu. Dem ersten hämmerte er das spitze Beil direkt in den Helm. Der zweite trat Tolk gegen die Beine. Der Barbar verlor das Gleichgewicht und fiel auf den Boden. Behände wandte sich der Pariczaner um und schoss auf Tyler. Er erwischte ihn am Arm. Brüllend ließ Tyler seine Waffe fallen und warf sich nach hinten. Dann richtete der Grausoldat die Waffe auf Tolk und drückte ab.

Doch das Magazin war leer. Tyler wollte auf Projektil umstellen, doch auch diese Patronen waren leer geschossen. Wütend aktivierte er das Vibrationsbajonett. Tolk rappelte sich auf und stürzte sich auf den Pariczaner. Beide rangen und fielen dann zu Boden. Das Bajonett bohrte sich in Tolks Bein und riss das Gewebe auf. Mit der Faust schlug er gegen den Arm des Überschweren, doch der ließ nicht locker. Mit der anderen Hand suchte er nach einem Trümmerstück. Er donnerte es gegen den Helm des Pariczaners. Endlich ließ dieser benommen das Gewehr los. Tolk riss sich das Bajonett aus dem Bein. Der Schmerz war unerträglich. Dann rammte er es in den Hals des Überschweren, der schlaff zur Seite fiel. Tolk holte seine Axt und schlug noch mehrmals schreiend auf den toten Körper des Soldaten ein.

Dann endlich ließ er von ihm ab und suchte Tyler. Der kauerte in einem Graben und versorgte die Wunde.

»Es geht schon«, knurrte Tyler und stand auf. »Mit links kann ich auch abdrücken«

Die beiden schlossen sich wieder ihren Truppen an, die immer mehr an Boden gewannen. Zwei weitere feindliche Shifts wurden vernichtet. Eine ganze Horde an Grautruppen wurde in die Ecke gedrängt. Dann schossen die vorgerückten Geschütze und beendeten den Widerstand. Kein Pariczaner ergab sich. Sie mussten alle getötet werden. Tyler machte das wenig aus, doch viele andere Soldaten hatten ihre Probleme damit.

Für Sam Tyler hingegen gab es nur eine Devise: Nur ein toter Gegner war ein guter Gegner.

*

Gert Wissmer hatte inzwischen Platz im Shift von Booz Shiningjokes gefunden. Um sie herum schien alles zu explodieren. Die Grautruppen befanden sich auf dem Rückzug. Und wer es nicht tat, wurde von der feindlichen Artillerie getötet.

»Major von Herker, wir müssen hier schleunigst weg. Der Kampf ist sinnlos«, forderte Shiningjokes.

»Nein, wir wanken und weichen nicht. Seid ihr Männer oder Memmen?«, brüllte der Kommandant zurück. Shiningjokes verwünschte ihn. Dann wurde sein Shift getroffen.

»Nicht schon wieder«, stöhnte Wissmer. Doch auch er konnte den Absturz nicht mehr aufhalten. Shiningjokes konnte den Flugpanzer immerhin noch vor die Mauer steuern.

»Wir ziehen uns zurück und schlagen uns durch den Wald durch«, schlug Booz vor. Wissmer und Nakkhole hatten nichts einzuwenden. So schnell sie konnten, rannten sie in den Wald. Wissmer bemerkte noch, wie die restlichen zwei Shifts den Rückzug antraten. Ihnen folgten vielleicht drei Dutzend Soldaten. Über 800 Grautruppen waren gefallen. Dieser Vorstoß war ein völliges Desaster.

*

Auf der Nordseite sah es nicht anders aus. Die heranstürmenden Grautruppen wurden reihenweise niedergemäht. Hunderte starben innerhalb der ersten Minuten.

General Benington scherte das wenig. Die Soldaten hatten ihre Pflicht zu erfüllen und zu sterben. Major Linker gab die Verlustmeldungen durch. Es war sehr leicht, die genauen Todeszahlen herauszufinden, denn jeder Pariczaner verfügte über ein Implantat im Gehirn. Dieses Implantat diente der M-A-R Waffe zur Identifizierung des Trägers.

»1.789 Tote innerhalb der ersten Viertelstunde«, erklärte Major Linker mit belegter Stimme.

»Die Shifts sollen angreifen. Sie sollen diese verdammte Mauer sprengen«, brüllte Benington ungehalten. Linker dachte, dass der General langsam die Kontrolle verlor.

Die Schlacht war verloren. Mit nur noch 4.000 Mann konnte man die Stadt nicht mehr stürmen. Fast 6.000 Tote hatten sie zu beklagen. Dazu eine komplette Staffel Jagdbomber, eine halbe Staffel Abfangjäger und 70 Shifts.

Plötzlich tauchten über der Stadt hunderte Jagdbomber und Space-Jets auf. Sie begannen mit dem Bombardement von Eschrayr. Benington glaubte nicht richtig zu sehen.

Er drehte sich herum und sah knapp fünfzig Transporter landen. Die Schiffe brachten die Verstärkung.

»Sir, Meldung von der ARKON. Toran Ebur wünscht einen Lagebericht«, meldete Linker.

Benington war erfreut, das Gesicht des Generalmarschalls zu sehen. Der Zaliter wirkte jedoch wenig zufrieden.

»Meldung!«, forderte er knapp.

Benington lächelte jedoch immer noch.

»Trotz hoher Verluste nähern wir uns Eschrayr. Die Verstärkung besiegelt das Schicksal der Alliierten. Ist die Raumschlacht geschlagen?«

»So gut wie, Benington. Die ARKON ist mit 500 Supremoraumern angekommen. Die Dorgonen entsenden noch einmal 250 Adlerraumschiffe. Mehr können sie aufgrund der Invasion in den Absantha-Galaxien nicht zur Verfügung stellen. Die Flotte von Antonurac ist aufgerieben. Nur noch wenige Schiffe halten sich im Orbit.«

Ebur beendete die Verbindung. Benington befahl den Rückzug der Grautruppen. Sie sollten sich neu formieren und mit den ankommenden Truppen gruppieren.

»Nun, Linker. Vielleicht konnten wir nicht frühstücken. Aber zu Mittag werden wir in Eschrayr essen.«

*

Wissmer, Shiningjokes und Nakkhole erreichten das Camp. Oberst Robvitor war gerade dabei die ankommenden Truppen zu formieren. Leutnant Wissmer suchte den Oxtorner auf.

»Sir, aufgrund unseres abgeschossenen Shifts mussten wir den Rückzug antreten«, erklärte er.

Der umweltangepasste Terraner blickte den Leutnant grimmig an. Wissmer wusste, dass er sie als Feiglinge ansah. Doch Robvitor sagte es nicht. Stattdessen befahl er, dass sie sich den nächsten verfügbaren Shift nehmen sollten, um im neuen Angriff mitzukämpfen.

Die drei eilten zur Sammelstelle der Shifts. Dort fanden sie auch Major von Herker, der mit leuchtenden Augen auf sie zu rannte.

»Drei feindliche Shifts abgeschossen und zwei Gebäude vernichtet. Das war ein klasse Tag!«, rief er fröhlich.

»Klasse Tag? Über 6.000 Soldaten von uns sind tot. Das finde ich nicht klasse«, wehrte Shiningjokes ab.

Henner ignorierte ihn. Mit glänzenden Augen deutete er auf die Lichtung, die unter Desintegrationsfeuer zu einem breiten Feld wuchs. Wissmer und Shiningjokes starrten sprachlos auf den gewaltigen Aufmarsch. Das mussten über einhunderttausend Soldaten sein. Begleitet wurden sie von mindestens 2.000 Shift-Panzern.

»Das ist das Ende von Eschrayr!«, jubelte Henner.

*

»Wir müssen uns zurückziehen«, beschloss Torrinos schweren Herzens. Sie konnten gegen diese Übermacht nichts ausrichten. Tyler wollte das nicht einsehen, doch er hatte keine andere Wahl. Torrinos war der Oberbefehlshaber dieser Operation, die nun als gescheitert zu betrachten war.

Der Schutzschirm über der Altstadt brach zusammen und die Soldaten suchten Schutz. Die Jagdbomber und Space-Jets legten einen tödlichen Bombenteppich über Eschrayr.

Es war höchste Zeit, um zu verschwinden. Die letzten Schiffe von Antonuracs Verband näherten sich der Stadt. Sie beschossen das umliegende Terrain, um zumindest den Vorstoß der Bodentruppen für einige Minuten zu verhindern. Space-Jets und Transporter landeten, um die Soldaten aufzunehmen. Nicht viele schafften es, die rettenden Kreuzer zu erreichen.

Dutzende wurden von den Abfangjägern heruntergeholt. Torrinos verfiel in eine unnatürliche Melancholie. Die Schlacht war verloren. Tausende Soldaten hatten sie verloren. Für nichts! Für gar nicht! Als seine Space-Jet den Kreuzer erreichte und dieser auf Überlichtgeschwindigkeit ging, blickte er auf sein Chronometer. Es war 06:49 Uhr. Weniger als fünf Stunden hatte diese Schlacht gedauert. Dann hatte das Quarterium sie geschlagen.

Tyler versorgte seine Wunde. Er wirkte ebenfalls niedergeschlagen. Tolk ließ sich nichts anmerken.

Waldron Tragonar informierte Torrinos über die Verluste von Antonuracs Flotte. Insgesamt hatten sie 71 Schiffe verloren. Mehr als die Hälfte. Wenn jede Schlacht so ausgehen würde, wäre der Krieg bald verloren.

16. Der Siegeszug

07:19 Uhr
Eschrayr

»Links, zwo, drei, vier! Links!«, brüllte der Sergeant den Infanteristen während der Parade zu. Schwungvolle Marschmusik begleitete das Defilieren der Soldaten.

»Augen rechts!«

Alle hunderttausend Soldaten, die in Reih und Glied die zerbombte Straße entlang marschierten, blickten zum Gruß den Generalmarschall Toran Ebur an. Der Oberbefehlshaber der Flotte Arkon grüßte sie mit einer Handbewegung zurück.

Neben ihm standen General Alcanar Benington, Oberst Linker, Oberst Robvitor und Oberst Grull. Benington genoss den siegreichen Aufmarsch seiner Truppen. Er hatte extra sogar ein paar Zivilbürger aus den Verstecken ausfindig gemacht, die sich der Straße entlang aufstellen mussten, um ihren »Befreiern zuzujubeln«.

Die knapp 7.000 Toten waren erst mal vergessen. Der Sieg in einer Schlacht erforderte nun einmal seine Opfer. Zu Beningtons Glück hatte Ebur das auch eingesehen. Was zählte, war der erste ruhmreiche Sieg des Estartukorps in Siom Som. Damit zeigte man dem bekannten Universum, welch starke Armee das Quarterium besaß.

Der Emperador und der Gos’Shekur würden höchst erfreut sein. Nun hatte man freie Hand, um das Sternenportal zu kontrollieren. Schon bald würde in Eschrayr ein großer Stützpunkt des Quarteriums entstehen. Wahrscheinlich würde man Som-Ussad zur zentralen Stützpunktwelt der estartischen Galaxien ausbauen.

Schon seltsam, dass die Dorgonen nicht selbst auf diese Idee gekommen waren. Doch sie waren so mit ihren Feldzügen beschäftigt, dass sie die Neuordnung der Infrastruktur außer Acht ließen. Das würde den Terranern und Arkoniden nicht passieren. Sie waren in organisatorischer und verwaltungstechnischer Hinsicht schon immer sehr gründlich gewesen.

Benington grinste zu Oberst Linker herüber. In Beningtons Augen war Linker ein feiger Opportunist, doch er war Benington loyal ergeben und tat alles für ihn, damit er die Karriereleiter hochstieg. Solche Leute konnte der General gebrauchen.

Linker deutete auf seine XXXII. SHIFT-Division. Major von Herker, Leutnant Wosslyn und Unteroffizier Blacktree grüßten mit erhobenen Händen die Führungsoffiziere, während ihre Shifts am Podest vorbeischwebten.

Hinter ihnen fuhren die anderen Shifts der Divisionen. Darunter auch der neue Shift von Unteroffizier Booz Shiningjokes.

Dahinter folgte Leutnant Gert Wissmers Shift. Arny Pomme war inzwischen wieder genesen und lenkte den Schwebepanzer, während Wissmer – streng nach Vorschrift – den Generalmarschall grüßen musste.

Zuletzt folgte Ash Bergers Flugpanzer. Auch er grüßte vorschriftsmäßig. Das war nun also ihr erster großer Sieg, dachte Berger. Es gab unnötig viele Tote, doch das interessierte jetzt keinen mehr.

Sie starben ja für die Ehre.

Generalmarschall Toran Ebur genoss die Parade ebenfalls. Das war nur der Anfang. Der erste Sieg von vielen. Doch der Sieg von Som-Ussad würde in die Geschichte eingehen als Wendepunkt der universellen Mächte.

An jenem 3. September 1305 NGZ zeigte das Quarterium, dass es von nun an die stärkste menschliche Macht im Universum war.

Epilog

Die Schlacht ist vorbei und in den Trümmern von Eschrayr erhebt sich die Melodie der Siegermacht. Das Quarterium hat seinen ersten großen Sieg davongetragen.

Trotz hoher Verluste ist es dem Imperium der Insel gelungen, die Schlacht um den Planeten für sich zu entscheiden. Tausende Soldaten mussten den blutigen Preis zahlen.

General Alcanar Benington wird in die Geschichte als Eroberer von Som-Ussad eingehen, auch wenn die wahre Geschichte eine ganz andere ist. Ohne das Eingreifen des Generalmarschalls Toran Ebur hätten die heldenhaften Streitkräfte der Alliierten Benington zurückgeschlagen.

Doch die Übermacht und das Timing des Estartukorps brachten die Entscheidung dieser Schlacht.

Nun ist das Sternenportal in der Hand der dorgonisch-quarterialen Streitkräfte. Damit ist die Nachschubversorgung gewährleistet. Die Alliierten sind von ihren Heimatgalaxien relativ abgeschnitten. Je länger das Sternensystem von Som-Ussad in quarterial-dorgonischer Hand ist, desto geringer wird die Chance, unbeschadet das Portal zu passieren.

Der Weg nach Cartwheel ist fast nicht zu überbrücken. Allenfalls die Milchstraße ist noch einigermaßen gut zu erreichen. Das wirft die Frage auf, wie die Liga Freier Terraner auf diesen Sieg reagieren wird. Wird Perry Rhodan den Alliierten helfen oder weiterhin seine neutrale Position betonen?

Was wird nun werden? Ich vermag es nicht zu beantworten, doch eines ist sicher. Diese erbitterten, blutigen Kämpfe haben eines gezeigt: Keine Partei schenkt sich etwas. Ich denke, dass es noch lange dauern wird, bis eine Entscheidung in diesem Krieg fallen wird.

Gott – an welchen immer Sie auch glauben – schütze Sie!

Ihr Robert Mohlburry.

ENDE

Der Krieg hat begonnen und niemand weiß, welch Schrecken er mit sich bringen wird. In Band 77 schreibt Nils Hirseland über den

VORSTOSS DES QUARTERIUMS

DORGON-Kommentar

Der Anfang vom Ende eines Krieges liegt im Gedenken.
Herman Wouk

*

Nun ist es also geschehen. Es kommt zum Bruderkrieg. Zwar noch nicht in CARTWHEEL, sondern vorerst ›nur‹ in den estartischen Galaxien, aber bereits diese erste Schlacht zeigt, was die Zukunft bringen wird:

Tod, Vernichtung, Zerstörung, Sklaverei und Missachtung der Menschen- und Wesensrechte.

Das Quarterium erweist sich als gnadenlose Militärmaschine, die ohne Rücksicht auf Verluste, auch die eigener Bürger, skrupellos ihre Ziele verfolgt.

*

Und hier nochmals zur Klarstellung:

Es bestehen keine, absolut keine Gemeinsamkeiten mit dem ›alten‹ Solaren Imperium!

Der Anspruch des Bundes der Vier, die Nachfolge der Terraner angetreten zu haben, ist nichts als der plumpe, propagandistische Versuch einer machtgeilen Clique, eine ideologische Rechtfertigung für ihr Terrorregime zu finden.

Es ist mir nach wie vor unerklärlich, dass ›der Erbe des Universums‹ nicht dieser Lüge entgegengetreten ist, denn wer könnte die Propaganda des Terrorregimes wohl besser entlarven, als der ehemalige Großadministrator?

Deshalb hier mein Appell, quasi als ›Stimme aus alten Tagen‹: Perry besinne dich auf deine Wurzeln, erinnere dich an deine ›alten‹ Ideale! Lass dich nicht länger von einem feudalistischen Clown zum Popanz machen! Frieden, Kompromisse und Versöhnung kann es nur mit moralisch denkenden Wesen geben, niemals aber mit Diktatoren, Faschisten und Staatsterroristen.

Jürgen Freier

GLOSSAR

Ash Berger

Geboren: 1280 NGZ

Geburtsort: Berlin, Terra

Größe: 1,77 Meter

Gewicht: 75 kg

Augenfarbe: graugrün

Haarfarbe: braun

Merkmale: gut aussehend, ein Querdenker, sagt immer seine Meinung auch Vorgesetzten gegenüber, fähiger Soldat

Ash Berger ist mit seinen Eltern im Jahre 1298 NGZ nach Cartwheel gezogen. Sein Vater ist General a. D., seine Mutter Bankkauffrau. Ash wird vor die Wahl gestellt, zum Militär oder zu einer Bank zu gehen. Eigentlich liegt ihm beides nicht, doch er entscheidet sich für die Bank. Er absolviert eine Ausbildung bei der Cartwheel Bank (Tochtergesellschaft der Terranischen Bank). Dort legt er sich oftmals mit dem rassistischen Chef William Romm an.

Im Jahre 1303 NGZ muss Berger die Cartwheel Bank verlassen, da er für das Militär rekrutiert wird. Er hat keine andere Wahl, als zur Armee zu gehen. Innerhalb von zwei Jahren erhält er eine Ausbildung in der Musterakademie Redhorse Point und wird Unteroffizier. Er kann erfolgreich die Prüfungen bestehen und wird zum Sergeanten befördert.

Im Spätsommer 1305 NGZ wird er zum Estartukorps abkommandiert und tut als Richtschütze eines Shiftpanzers in der XXXII. SHIFT-Division der SOLARE EMPIRE seinen Dienst. Während der Zeit des Militärs freundet er sich mit dem terranischen Künstler Glaus Siebenpack an, der auch wider Willen bei der Armee ist.

Som-Ussad

Kleiner erdähnlicher Planet einer großen, roten Sonne unmittelbar am Rand der großen Kalmenzone der Galaxis Siom Som; keine Monde, tropisches Klima, Tagesdauer 25 Standardstunden. Auf Som-Ussad leben im Jahr 445 NGZ rund 200.000 somerische Aussiedler, die sich nach der neuen Welt Som-Ussudi nennen. Ihre primitiven Siedlungen liegen in den Dschungeln, meist an Flussläufen. Die Somer kamen vor Jahrtausenden, als ihr Volk noch nicht dem Kriegerkodex unterlag und eine eigenständige Raumfahrt betrieb.

Seit der Errichtung der Kalmenzone leben die Ussadi von ihrer Heimatwelt abgeschnitten. Sie sind teilweise mutiert, ihre Zivilisation ist degeneriert. Sie leben von Jagd, Ackerbau und Viehzucht und dem gelegentlichen Handel mit Strandguthändlern, für deren Landeboote mitten im Urwald ein Landeplatz freigehalten wird. Die Strandguthändler sind an allem interessiert, was über die auf der Oberfläche vom Som-Ussad endenden Stränge des Psionischen Netzes »angespült« wird: Bruchteile von Enerpsi-Raumschiffen, 5-D-strahlende Materie, hin und wieder ein Gänger des Netzes.

Im Herbst 445 NGZ trifft dies auf Eirene zu, die auf Som-Ussad aus dem Netz gestoßen, gefangen genommen und an Strandguthändler weiterverschachert wird.

XXXII. SHIFT-Division

Die XXXII. SHIFT-Division ist eine von fünf Panzerdivisionen auf dem 1.500-Meter-Supremoschlachtschiff SOLARE EMPIRE. Dieser Division stehen 100 Shifts zur Verfügung. Insgesamt sind es 400 Mann, die zu dieser Division gehören.

Oberbefehlshaber der Division: Oberst Wolf Linker (Plophoser)

Stellvertretender Oberbefehlshaber: Major Henner von Herker (Terraner) – Kommandant des Shiftpanzers XXXII-D-1

Weitere Offiziere der XXXII. SHIFT-Division

Leutnant Gert Wissmer (Terraner) – Verbindungsoffizier, Kommandant des Shift XXXII-D-3

Leutnant Volkmar Shiningjokes (Terraner) – Kommandant des Shift XXXII-D-2

Leutnant Holge Wosslyn (Terraner) – Kanonier des Shift XXXII-D-1

Coporal Arny Pomme (Epsaler) – Sicherheitsoffizier

Sergeant Roppert Nakkhole (Terraner) – Panzerfahrer

Sergeant Ash Berger (Terraner) – Richtschütze

Unteroffizier Glaus Siebenpack (Terraner) – Kanonier

Unteroffizier Axcel Blacktree (Terraner) – Kanonier

Unteroffizier Markor Schutter (Terraner) – Meldefahrer, persönlicher Fahrer des Oberst

I. Estartukorps

Eingreiftruppe zur Bekämpfung von paramilitärischen Einheiten in den estartischen Galaxien und zur Verteidigung von Angriffen von saggittonisch-akonischen Streitkräften innerhalb der estartischen Galaxien. Gegründet von Quarteriums-Marschall Cauthon Despair im August 1305 NGZ, nachdem die Saggittonen und Akonen den dorgonischen Invasoren in der Estartischen Föderation den Krieg erklärt haben. Das I. Estartukorps besteht aus 2.501 Schlachtschiffen.

Die Truppenstärke teilt sich wie folgt auf:

1 x 2.500 Meter Supremo A – Schlachtschiff ARKON
500 x 1.500 Meter Supremo B – Schlachtschiffe
750 x 800 Meter Supremo D – Schlachtschiffe
750 x 250 Meter Supremo E – Schlachtschiffe
100 x 100 Meter Supremo Kreuzer
400 x 500 Meter Versorgungs- und Transportschiffe

Flaggschiff: ARKON

Kommandant des I. Estartukorps: Generalmarschall Toran Ebur

Stellvertretender Kommandant: General Alcanar Benington

Eingesetzte Truppenstärke: 8.241.000 Soldaten

Stammbesatzungsmitglieder der Schlacht- und Transportschiffe: 741.250

Besatzung Space-Jets und Jäger: 2.000.000 Piloten

Infanterie und Panzereinheiten (Grautruppen): 5.000.000 Soldaten

Techniker, Logistiker, Verwaltungsbeamte: 500.000 Beamte


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V. — Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 76, veröffentlicht am 10.10.2016 —

Titelillustration: Heiko Popp • Innenillustration: John Buurman

Lektorat: Alexandra Trinley, Jürgen Freier • Digitale Formate: René Spreer