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Band 69

Quarterium-ZYKLUS

 

Mission der Ritter

Die Invasion gerät zur intergalaktischen Krise

 

Jens Hirseland

 

Was bisher geschah

Wir schreiben das Jahr 1305 NGZ. Das Kaiserreich Dorgon hat ohne Kriegserklärung die Galaxien der Estartischen Föderation überfallen und innerhalb kürzester Zeit den Widerstand auf den zentralen Welten Siom Soms gebrochen.

Doch nicht alle Dorgonen folgen den Invasionsplänen ihres Kaisers Commanus. Die ehemalige Senatorin Saraah ist nach Cartwheel geflohen, um dort um Hilfe zu ersuchen. Die Zeiten in Cartwheel haben sich jedoch geändert. Das neue Quarterium ist ein mächtiges Reich und verbündet mit den Dorgonen.

An Bord der IVANHOE II kommt es zum Eklat, als die Crew unter Xavier Jeamour Saraah hilft und sich den Befehlen des Quarteriums widersetzt. Jeamour und seine Crew werden enthoben und sollen hingerichtet werden. Das ruft ihre Freunde auf den Plan. Es beginnt die MISSION DER RITTER…

Hauptpersonen

Xavier Jeamour, Mathew Wallace und Jenny Taylor – sie warten auf ihr Ende

Irwan Dove, Lorif, Tania Walerty und Zyrak Wygal – die Offiziere der IVANHOE halten zu ihrem alten Kommandanten

Gal’Arn – der Ritter der Tiefe wird wieder einmal zum Retter in der Not

Jonathan Andrews – Gal’Arns Schüler und Freund

Henry »Flak« Portland – Der Terraner will seine Kameraden verteidigen

Glaus Schyll und Ignaz Ruon – Die neue Führung der IVANHOE

Perry Rhodan – Der Terranische Resident will sich mit den Staatsmännern beraten

Emperador de la Siniestro I. – Der mächtigste Mann Cartwheels

Imperator Bostich I. – Der Führer des Kristallimperiums sympathisiert mit dem Quarterium

Aurec – Der Saggittone setzt sich für die bedrohten Somer ein

Falcus – Botschafter des göttlichen Kaisers Commanus

Guy Pallance – Der ehrgeizige Intendant von INSELNET

Saraah – Sie spricht im Namen der Freiheit

Malica Homest – Die Journalistin will sich beweisen

 

 

 

 

Kapitel 1 - Die Mission

Diese Welt erstrahlte so hell wie eine ganze Sonne. Auf dem gesamten Planeten schienen Lichter und ließen ihre Besucher bereits aus der Ferne ihr Reiseziel erkennen. Paxus war der Nabel des Quarteriums. Das Zentrum der Galaxis. Die gigantische Hauptstadt Paxus erstreckte sich über den ganzen Kontinenten Erisor. Zweifelsohne war Paxus die gewaltigste und am meisten beeindruckende Stadt in ganz Cartwheel. Bauten von fast allen Zivilisationen der Insel ragten in die Höhe.

Doch seit einigen Jahren dominierten die Gebäude der Terraner, Arkoniden und ihrer Kolonisten das Erscheinungsbild. Paxus war nicht mehr Symbol der Einigkeit der Pilgervölker Cartwheels, sondern fortan Sinnbild der lemurischen Völker des Quarteriums. Für Anhänger des Quarterium war die Stadt ein Pilgerort – für Gegner des neuen Reiches die Höhle des Löwen.

So auch für diese beiden Wesen. Ihr Raumschiff, ein unauffälliger Frachter von gerade mal dreißig Metern Durchmesser, bahnte sich seinen Weg an den Wachstationen vorbei und erreichte den Orbit der Metropole.

 

Der Ritter der Tiefe beobachtete den nervösen Piloten. Hastig und beinahe unkontrolliert führte der schwabellige Springer die Manöver durch. Gal’Arn legte seine Hand auf die Schulter des Kapitäns.

»Nicht so rasch, mein Freund. Tue nichts, was uns verraten könnte«, riet der Elare dem Springer.

Dieser schnaubte laut und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Gal’Arn hingegen war die Ruhe selbst. Sicherlich hatte er auch seine Bedenken, sie könnten entdeckt werden, doch dies war nicht der erste verdeckte Einsatz auf Paxus. Weder für ihn noch für den Springer. Gal’Arn wandte den Kopf nach links und warf seinem Schüler Jonathan Andrews einen Blick zu. Andrews deutete auf den Springer und verdrehte die Augen. Gal’Arn verstand und schmunzelte amüsiert.

Die obligatorischen Kontrollanrufe der quarterialen Raumüberwachung kamen auf die Minute genau. Der Springer Parchor Narizez brummte den Standardtext herunter. Er tat dies jede Woche einmal. Narizez kam seinem Beruf nach, denn er transportierte Maschmöhren! Maschmöhren waren eine Delikatesse der Springer. Sie waren vom Geschmack und Vitaminstoffen terranischen und arkonidischen Möhren um einiges voraus. Deshalb waren sie auch so beliebt und wurden natürlich auf jede Menge Welten importiert. Das Rezept war nur den Springern bekannt. So ein trivialer Nahrungstransport hatte einen gewaltigen Vorteil für die Agenten der USO. Da Parchor Narizez jede Woche einen Transport flog, fiel er wenig auf. Es war der USO gelungen, den Springer als Agenten zu gewinnen. Natürlich tat er das nicht aus reiner Selbstlosigkeit. 5.000 Galax pro Flug hatten ihm das Angebot jedoch sehr schmackhaft gemacht.

Wie nicht anders zu erwarten, passierte Parchors Schiff UL die Kontrolle und durfte auf der Landeplattform 10245 B-III landen. Sie befand sich auf dem großen Handelsraumhafen »Shorne«.

Gal’Arn empfand die Namensgebung als sehr vermessen. Normalerweise benannte man solche Plätze nach verstorbenen Größen. Shorne lebte noch und war in Gal’Arns Augen nichts weiter als ein Verbrecher. Welch Ironie des Schicksals, dass dieser Bandit der Finanzminister des Quarteriums war.

Gal’Arn schaute seinen Ritterschüler an, der irgendwie bedrückt oder gar frustriert wirkte. Der Ritter der Tiefe nahm Andrews am Oberarm und führte ihn ein paar Meter in das Schiffsinnere.

»Stimmt etwas nicht?«

»Doch, es ist nur Nataly …«

Gal’Arn seufzte leise. Wieder einmal ein Problem mit Jonathans bezaubernder aber ebenso störrischer Ehefrau Nataly. Manchmal wusste der Elare nicht, warum die beiden überhaupt geheiratet hatten, so oft, wie sie sich in den Haaren lagen.

»Sie ist mal wieder zickig und versteht so vieles nicht. Das geht mir auf den Keks! Manchmal weiß ich gar nicht, warum …«

Gal’Arn unterbrach seinen Schüler. »Weil du sie liebst. Das Leben besteht aus Kompromissen und Toleranz. So auch in eurer Ehe. Man sollte nicht das Handtuch werfen, nur weil es nicht so gut läuft.«

Andrews schaute seinen Lehrmeister verständnislos an. »Man sollte doch sein Leben auch genießen und sich in der Jugend etwas austoben …«

Gal’Arn verdrehte die Augen. Verdammt, wie er diese Einstellung verachtete! Anscheinend war das so eine Art Standardeinstellung der Menschen. Das Leben genießen, am besten ohne Verantwortung mit reichlich viel Spaß. Es war kein Wunder, dass bei solcher Leichtfertigkeit ein Regime wie das Quarterium an die Macht kommen konnte.

»Dann lege nach dieser Mission unverzüglich deinen Ritterstatus ab und tobe dich aus«, forderte Gal’Arn entschlossen.

Andrews starrte ihn entsetzt an. Damit hatte der junge Terraner sicher nicht gerechnet, vermutete der Elare. Andrews wandte sich ab und schien über Gal’Arns Worte nachzudenken. Es musste ihn hart getroffen haben.

»Nein, das will ich nicht«, brachte Jonathan leise hervor.

Gal’Arn hatte das erwartet. Er legte seine Hand auf Andrews Schulter. »Du solltest nicht auf die Masse hören. Das Schicksal eines Ritters der Tiefe ist mit viel mehr Entbehrungen verbunden als für einen normalen Menschen. Eigentlich ist er mit seiner Berufung verheiratet. Daher hast du es noch gut getroffen.«

Andrews seufzte und nickte. »Du hast recht, Meister! Es war töricht, meine Ehe und meinen Status so schnell in Frage zu stellen. Nur manchmal frage ich mich, ob ich nicht etwas verpasse.«

Jonathan blickte seinen Meister fragend an.

Gal’Arn suchte nach den passenden Worten, die er auch schnell fand. »Vielleicht fragt sich das der Austobende auch.«

Parchor Narizez rief nach den beiden. Sofort gingen die zwei Ritter in die kleine Kanzel des Kapitäns.

»Wir erreichen Paxus-Stadt«, meldete der Springer.

Gal’Arns Blick schweifte über das Zentrum der gewaltigen Stadt. Unübersehbar war der neue Regierungskomplex. Ein gigantischer grauer Klotz von mehreren hundert Metern Kantenlänge bildete das Militärzentrum. Daneben thronte der neue Regierungspalast, riesige Gartenlagen und zum Schluss der Sitz der Cartwheel Intelligence Protective. Alle drei Gebäude waren kubusförmig und bildeten ein Dreieck im kilometerlangen Komplex. Auf dem Regierungsklotz schob sich der neue Paxus-Tower hunderte von Metern in die Höhe. Auf ihm wehte, voller gefährlichem Stolz, die Flagge des Quarterium. Jenes »Q« aus dem Interkosmo auf schwarzen Hintergrund, umrandet von vier Sternen, die den Bund der Vier symbolisierten. Oben und unten verfärbte sich die Flagge rot, in Anlehnung auf die traditionelle spanische Flagge. Ein Zeichen der Verbundenheit des Emperador zu seinem Heimatland. Die Flagge wehte auf dem höchsten Punkt der Stadt.

Die Paxus-Straße wurde von vier gewaltigen Statuen der Herrscher des Quarteriums dominiert. Mehrere hundert Meter groß und aus purem Gold erstrahlten die Abbilder des Emperador de la Siniestro und der Quarteriumsfürsten Leticron, Uwahn Jenmuhs und Torsor. Man konnte an diesem Ort dem neuen Reich gar nicht entkommen. Überall wurde man an die Macht der Vier erinnert.

»Tyler befindet sich bereits auf Paxus. Er wird mit uns Kontakt aufnehmen«, erklärte Gal’Arn seinem Schüler.

Andrews nickte knapp.

Endlich landete der Transporter. Es war der 13. März 1305 NGZ. Die beiden Ritter und USO-Agenten konnten sich nun endlich an ihren Auftrag machen – der Befreiung von Xavier Jeamour, Mathew Wallace und Jennifer Taylor.

*

Für Glaus Schyll war dieser Tag einer der größten seines Lebens, wenn nicht gar sein größter Tag. Man brauchte kein Telepath zu sein, um das festzustellen. Mit geschwellter Brust lief er die Gangway entlang, vor dem Hintergrund zackiger Marschmusik, und ließ sich von den Menschen auf dem Raumhafen als Held feiern.

Er hatte die Terroristen und Volksverräter gestellt und verhaftet. Schyll war überzeugt, dass ihm das eine Beförderung einbringen würde. Sein Herz schlug höher, als er die in Reih und Glied salutierenden Soldaten vor sich sah. Für einen kurzen Moment stoppte er und überprüfte seine Uniform. Alles musste korrekt anliegen und vor Sauberkeit blitzen. Sein großer Moment stand unmittelbar bevor.

In diesem Augenblick setzten drei feldgrau lackierte Gleiter zur Landung an. An den Wimpeln erkannte Glaus Schyll die Symbole des Heeres und der Raumflotte. Einer der Gleiter trug das Symbol des Oberbefehlshabers des Heeres und der Flotte. Schyll nahm Haltung an. Aus diesem stiegen die Stabsoberkommandanten Generalleutnant Jodur Ta’Len Weron und Generalleutnant Keitar Ta’Miga Leson aus.

Aus dem zweiten Gleiter kam Cartwheel Intelligence Protective General-Kommandeur Stevan da Reych. Schyll musste sich ein Lachen verkneifen, so erfreut war er. Schließlich stattete ihm fast das komplette Oberkommando einen Besuch ab.

Als letztes verließ der Quarteriums-Marschall selbst den dritten Gleiter. Beim Anblick des silbernen Ritters wurde Schyll ganz anders. Dieser Mann strahlte nicht nur Respekt, sondern Ehrfurcht und Gefahr aus. Despair war, obwohl eigentlich ein verkrüppelter Terraner, ein Vorbild durch und durch.

Schyll stand stramm, als die vier Oberbefehlshaber auf ihn zu schritten. Als sie sich gegenüber standen, hob Schyll die Hand zum Gruß an den Emperador. Generalleutnant Weron, Generalleutnant Leson und Stevan da Reych erwiderten den Gruß. Despair zeigte keine Regung.

Schließlich sprach Keitar Ta’Miga Leson als erstes: »Oberstleutnant Schyll! Das Oberkommando der quarterialen Armee ist über Ihre Arbeit im höchsten Maße zufrieden. Sie haben selbstlos gekämpft und die Reichsverräter verhaften können. Dafür gebührt Ihnen die Auszeichnungen des Quarterium-Sternes Zweiter Klasse.«

Der General-Oberst winkte einen Adjutanten zu sich, der ihm den Orden überreichte. Leson heftete Schyll die Auszeichnung an das Revers der Uniform, der seine Freude kaum mehr zurückhalten konnte. Doch wie es sich für einen guten Soldaten gehörte, beherrschte er sich.

»Ferner werden Sie zum Oberst befördert«, erklärte Cauthon Despair. »Dies beinhaltet ebenfalls das Kommando der IVANHOE.«

Schyll zuckte zusammen. Er wurde zum Oberst befördert und durfte eines der größten Schlachtschiffe des Quarterium befehligen. Das war einfach zu viel an Ehre. Ihm fehlten die Worte, so berührt war er.

Leson, Weron und da Reych schüttelten Glaus Schyll die Hand.

Despair wandte sich schon ab, als Schyll aufgeregt rief: »Meine Herren, gestatten Sie bitte?«

Despair drehte sich um. Er wirkte bedrohlich auf Schyll, der instinktiv zurückwich. Dieser silberne Ritter war ihm wirklich nicht ganz geheuer. Die anderen drei blickten ihn fragend an. Es dauerte eine Weile, bis er in der Lage war, seine Aufregung zu unterdrücken. Dann endlich konnte er sein Anliegen vortragen.

»Ich habe an Bord der IVANHOE ein kleines Bankett für Sie vorbereitet. Würden Sie mir bitte die Ehre erweisen, wenn es Ihre Zeit erlaubt?« Schyll lächelte verlegen.

»Wie Sie wünschen, Oberst Schyll!«, erwiderte Despair und ging in Richtung der Space-Jet, die die Passagiere zur Raumstation brachte, an der auch die IVANHOE angedockt hatte. Die Orbitalstation diente als Werft für die großen Schiffe, die keinen Platz auf den Raumhäfen des Planeten fanden.

Schyll freute sich wie ein kleines Kind. Dieses Essen würde sicherlich förderlich für seine Karriere sein.

Das wird ein wundervolles Bankett, frohlockte er innerlich und grinste Despair breit an.

*

Was für ein blödes Bankett, dachte Irwan Dove und stocherte mit der Gabel im Essen herum. Zwar war die Mahlzeit an sich sehr lecker, doch die Klientel war nicht gerade die beste. Unwirsch musterte Dove die drei Arkoniden.

Generalleutnant Keitar Ta’Miga Leson und Generalleutnant Jodur Ta’Len Weron! In seinen Augen waren diese beiden Speichellecker völlig unfähige Soldaten. Doch sie hatten es gut verstanden sich die Gunst von Uwahn Jenmuhs zu erschleichen. Als Stabsoberkommandanten bekleideten sie sehr wichtige Ränge.

Viel gefährlicher erschien dem Oxtorner dagegen dieser Stevan da Reych. Der Arkonide mit den kurz geschorenen Haaren und dem Schnauzbart war die Nummer zwei der CIP. Viel wusste Dove nicht über ihn. Nur, dass er wohl ein ziemlich unangenehmer Mensch war, der seinen Beruf mit besonderer Leidenschaft ausführte. Es hieß, dass da Reych für die Ziele der CIP sogar über Leichen ging. Natürlich war das alles inoffiziell. Das Quarterium distanzierte sich von solchen Äußerungen vehement.

Cauthon Despair thronte ruhig am Kopfende des Tisches und folgte der Konversation. Er sagte kaum etwas. Neben Dove war noch Tania Walerty eingeladen. Auch sie schien sich zu langweilen. Die beiden Offiziere Lorif und Zyrak Wygal durften an dem Bankett nicht teilnehmen. Es passte dem neuen Kommandanten nicht in den Kram, mit einem Posbi und einem Blue an einem Tisch zu speisen, vermutete Dove.

Die Runde komplettierte der neue Bordarzt der IVANHOE, Ignaz Ruon. Dieser arrogante Ara hätte ohne zu zögern Jenny Taylor auch umgebracht. Jeamour, Wallace und Taylor waren nicht nur Doves Kameraden, sondern seine Freunde. Seit 14 Jahren tat er seinen Dienst auf der IVANHOE. Und nun sollte er so ohne weiteres diese Farce akzeptieren.

»Major Dove, Sie sagen ja gar nichts?«

Schyll klang vorwurfsvoll.

Soll ich sagen, dass du mich sonst wo lecken kannst, Penner?

Nun mischte sich Tania zur Ehrenrettung von Irwan Dove ein. Sie hatte anscheinend die üble Laune des Oxtorners bemerkt. Ihr ging es wahrscheinlich nicht anders.

»Cauthon, kannst du mir sagen, wie es Peter geht?«

Glaus Schyll hätte beinahe sein Essen ausgespuckt. Walerty duzte Despair! Was für eine Insubordination! Hastig entschuldigte er sich bei Despair, doch den störte es wenig. Schyll glotzte den silbernen Ritter verdutzt an.

»Peter de la Siniestro geht es ausgezeichnet. Ich erinnere mich, dass Sie unseren Peter mit jenem aus dem Paralleluniversum vergleichen. Töricht.«

Irgendwie klang jede Aussage von Despair wie eine Drohung, fand Dove. Der Oxtorner folgte still dem Gespräch der beiden.

Tanias Augen glänzten. »Nun, das stimmt leider. Sexuell ist unser Peter leider kein großer Feldherr«, seufzte Tania.

Die drei steifen Arkoniden taten so, als hätten sie das Wort Sex nicht gehört. So etwas war nun wirklich nicht schicklich. Stevan da Reych machte sich plötzlich ein paar Notizen. Wahrscheinlich trug er Walerty in eine schwarze Liste ein, sinnte der Oxtorner.

Schylls Gesicht wurde puterrot. Er wusste anscheinend nicht, was er sagen sollte, denn der neue Kommandant öffnete mehrmals den Mund und schloss ihn gleich darauf. Tania Walerty hatte ihn aus der Fassung gebracht.

»Sie haben ein loses Mundwerk, Tania«, stellte Despair fest. »Haben Sie keine Angst vor mir?«

Offenbar schätzte Despair die Offenheit oder den Mut von Tania Walerty. Anders konnte Dove sich nicht das Verhalten des silbernen Ritters erklären.

Tania fuhr mit ihrem Zeigefinger über Despairs Unterarm. Versuchte sie ihn zu bezirzen? Dove musste beinahe los lachen vor so viel Dreistigkeit! Tania hatte es wirklich faustdick hinter den Ohren!

 

»Nun, ich musste einige Zeit unter der Fuchtel einer tyrannischen Kommandantin leben. Das härtet ab.«

Despair schwieg. Er zog seinen Arm zurück. Das war ein deutliches Zeichen, wie Dove meinte. Er hatte sie abblitzen lassen.

»Schyll, Major Walerty wird sicher ein guter Offizier sein. Sie ist tapfer. Dennoch bin ich mir nicht sicher, wem ihre Treue gehört«, sprach Despair herausfordernd.

Tania blickte ihn an. Ein feines Lächeln umspannte ihren sinnlichen Mund. Dove war gespannt, was sie antworten würde. Bis jetzt machte es Tania sehr geschickt, doch er kannte die Ortungs- und Funkleiterin sehr gut. Oftmals verbockte sie die Dinge genauso schnell.

»Möchtest du, dass dir meine Treue gehört?«

Dove stieß einen Pfiff aus. Schyll starrte seine Offizierin fassungslos an. Er war nur noch Statist in diesem Gespräch.

Despair stand plötzlich ruckartig auf. Tania schaute zu ihm hoch. Dann packte er sie am Hals, zog sie hoch hielt sie in der Luft. Sie strampelte mit ihren Füßen und versuchte Luft zu holen.

Dove sprang auf, doch sofort richteten einige Grautruppen, die ebenso abrupt den Raum betraten, ihre Waffen auf den Oxtorner. Entsetzt blickte er zu Tania.

»Deine Ergebenheit gehört dem Quarterium. Und sollte dein plumper Versuch, meine Gunst zu gewinnen, darauf abzielen, mildernde Umstände für Jeamour und die anderen Verbrecher zu erreichen, so muss ich dich enttäuschen.«

Er ließ die Worte auf die junge Terranerin wirken, die verzweifelt röchelte. Dann ließ er sie einfach los. Sie stürzte zu Boden und rang nach Luft.

»Schyll, beobachten Sie Miss Walerty genau. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sie etwas im Schilde führt. Auch die anderen loyalen Offiziere von Jeamour«, befahl Despair. Er fixierte mit seinem Blick Iwan Dove. »Insbesondere Dove!«

Der Oxtorner fühlte sich ertappt. Er stand auf und stellte sich vor Despair. Dove überragte den silbernen Ritter sogar. Doch dieser schien wenig beeindruckt zu sein. Dove beschloss, nachzugeben und kümmerte sich um die hustende Tania.

»Das Essen ist beendet«, stellte Despair kalt fest und verließ den Raum.

Schyll blickte Generalleutnant Leson verzweifelt an. Dieser schüttelte nur den Kopf und verließ mit Weron den Raum. Stevan da Reych musterte Dove und Tania, als wollte er ihre Gedanken sezieren.

Was ging in ihm vor? Was hatte er sich notiert?, fragte sich Dove.

»Raus hier! Alle beide!«, brüllte Schyll nun.

Damit meinte er natürlich Dove und Walerty. Der Oxtorner stützte Tania und half ihr aus dem Raum. Kaum hatten sie den Raum verlassen, blieben sie stehen. Dove wollte noch hören, was da Reych sagte.

Doch Ignaz Ruon stand plötzlich vor ihnen. »Bringen Sie Leutnant Walerty in die Medostation. Sofort!«

Dove musste den Befehl befolgen. Tania hatte sich inzwischen wieder einigermaßen beruhigt.

*

»Deine Wirkung auf Männer lässt nach«, scherzte Dove.

Tania blickte ihn böse an. Dann versuchte sie wieder zu lächeln. »Vielleicht sollte ich mich nicht nur Freaks bemühen …«

»Nun, es ist äußerst bedauerlich, was mit Ihnen geschehen ist. Dennoch ist es ihr Eigenverschulden. Eine sexuelle Interaktion mit Cauthon Despair einzugehen, erscheint mir nicht sinnvoll und zudem außerordentlich gefährlich, Tania.«

Tania fasste sich den Kopf und hielt sich die Ohren zu.

Lorif registrierte diese Geste, dachte aber nicht daran, zu schweigen. »Den Kopf wie ein Strauß in den Sand zu stecken, ist in dieser Diskussion wenig hilfreich. Ich würde gerne wissen, was Sie mit diesem unklugen und ebenso dreisten Unterfangen überhaupt bezweckt haben? Diente das Umgarnen Despairs tatsächlich dem biologischen Paarungstrieb oder verfolgten Sie damit eine bestimmte Taktik?«

Tania seufzte. Lorif ging ihr gewaltig auf die Nerven. Sie konnte es noch nie leiden, wenn sie jemand auf ihre Fehler aufmerksam machte. Wahrscheinlich war sie erst seit ihrer Zeit auf der NIMH so richtig empfindlich in dieser Hinsicht.

Mit Grauen dachte Tania an ihre ehemalige Kommandantin Nicola Posny zurück. Ständig hatten sich die beiden in den Haaren gelegen. Dennoch musste sie eingestehen, dass Lorif irgendwie recht hatte. Es war in der Tat dumm von ihr gewesen. Außerdem war der Posbi ihr Vorgesetzter. Sie respektierte ihn auch, trotz seiner ständigen Belehrungen.

»Ich wollte sehen, wie weit ich bei ihm gehen kann«, erklärte sie verlegen. »Schließlich ist er auch nur ein Mann. Bestimmt auch ein ziemlich einsamer. Ich glaube kaum, dass die Frauen ihm zu Füßen liegen.«

Scheinbar verstand der Posbi diese Erklärung nicht so ganz. Zumindest antwortete er nichts darauf. Irwan Dove und Zyrak Wygal blickten sich ernst an.

Schließlich sprach Wygal das aus, was wohl alle dachten: »Wir sollten uns lieber Gedanken um Jeamour, Wallace und Taylor machen. Ihnen wird morgen der Prozess gemacht werden. Ich glaube nicht, dass sie mit ein paar Sozialstunden davon kommen werden. Bei allen Kreaturen!«

»Nun, nach quarterialem Gesetz vom April 1304 NGZ steht auf Reichsverrat, Befehlsverweigerung und Kooperation mit terroristischen Anhängern die Todesstrafe«, antwortete Lorif.

»Wie ermutigend«, seufzte Tania und fasste sich an den Hals.

Dieser Despair hatte einen ziemlich groben Griff. Zumindest hatte er ihr klar gemacht, dass ihre Umgarnung bei ihm nicht gewirkt hatte. Auf eine Weise frustrierte Tania dies. Sie war es nicht gewohnt, von Männern einen Korb zu bekommen. Und schon gar nicht auf diese Art und Weise. Dennoch fand sie Despair auf die eine oder andere Art faszinierend. Er strahlte diese tödliche Kälte aus und doch musste da noch mehr sein. Sie hatte von seiner unglücklichen Liebe zu den beiden Terranerinnen Zantra Solynger und Sanna Breen gehört. Dieses Wesen hatte offenbar Gefühle. Es galt diese nur zu wecken. Und gerade das machte den ganzen Reiz aus – das Spiel mit dem Feuer! So etwas hatte Tania schon immer begeistert. Sie kalkulierte die Gefahr, sich die Finger zu verbrennen, gerne dabei ein.

»Tania?«, fragte Irwan.

Als fühlte sie sich wie ein kleines Schulmädchen, das beim Schlafen während des Unterrichtes erwischt wurde, rief sie hastig »Ja« und schaute die anderen beschämt an. Natürlich war es nicht richtig, wenn es um das Leben ihres Kommandanten, von Mathew Wallace und ihrer besten Freundin Jennifer Taylor ging, sich Gedanken um Cauthon Despair zu machen. Oder doch? Wenn es ihr gelang Despair zu beeinflussen, konnte sie die Freilassung der drei erwirken.

Was für ein waghalsiger Plan, dachte sie. Sie kam zu dem Entschluss, dass sie so den dreien nicht weiterhelfen konnte. Da hätte es wohl mehr gebracht, die drei mit einem Thermogewehr herauszuhauen.

»Was können wir machen?«, wollte sie schließlich wissen.

Sie schaute in ratlose Gesichter. Wygal wollte etwas sagen, verstummte aber dann letztlich. Niemandem fiel etwas Gescheites ein.

Bis auf Lorif der zu aller Überraschung sagte: »Nun, uns sind die Hände gebunden. Jedoch illegalen Organisationen nicht. Mit solch einer, zumindest in den Augen des Quarteriums, habe ich bereits Kontakt aufgenommen. Drei Agenten befinden sich bereits auf Paxus. Der Kontakt wurde über die Botschaft der Posbis hergestellt, damit niemand unsere Bemühungen nach verfolgen kann.«

Tania, Irwan und Zyrak guckten Lorif verdutzt an.

»Bei allen Muurt-Würmern in Tunksoße! Lorif, das hätte ich nun aber nicht von dir gedacht. Du wirst ja noch richtig menschlich …«, lobte ihn Zyrak Wygal.

Lorif senkte den Kopf leicht nach links. Eine Geste, die er sich bei den Menschen abgeschaut hatte.

»Zyrak Wygal. Müssten wir beide – in Anbetracht der momentanen politischen Lage – das nicht als …Beleidigung ansehen?«

 

Kapitel 2 - Die Gerichtsverhandlung

Eine persönliche Betrachtung von Robert Mohlburry

Die Meldung dieses Prozesses ereilte uns völlig überraschend. Es hieß in der knappen Nachricht, dass die Veteranen Xavier Jeamour – Kommandant der IVANHOE, sein Erster Offizier Mathew Wallace und die Bordärztin Jennifer Taylor wegen Hochverrates, Befehlsverweigerung, fünftausendfachem Mord an Bürgern des Kaiserreiches Dorgon und Kooperation mit terroristischen Elementen angeklagt werden.

Alles schien sich erst vor wenigen Tagen ereignet zu haben. Die Presse wird gemieden und nur über Insiderinformationen ist es INSELNET gelungen, von dem Prozess Wind zu bekommen. Die quarteriale Ministerin für Öffentlichkeitsarbeit Stephanie de la Siniestro ist auf uns zugekommen und hat uns gebeten, eine exklusive Reportage über die Gerichtsverhandlung zu führen. INSELNET hat angenommen.

Ich betone allerdings, dass wir nicht live senden dürfen und unsere Berichte der Ministerin vor Ausstrahlung vorlegen müssen. Ich befürchte Zensur. Doch viel mehr frage ich mich, warum drei solche verdienten Helden des terranischen Volkes vor Gericht gestellt werden. Haben sie wirklich diese Verbrechen begangen? Hatten sie ihre Gründe dafür?

Xavier Jeamour machte sich als Kommandant der IVANHOE mehr als einmal verdient. Sein heroischer Erster Offizier Mathew Wallace half maßgeblich an der Befreiung von M 100 und gehörte zu jenen tapferen Männern, die auf dem SONNENHAMMER kämpften. Jennifer Taylor steht dem in nichts nach. Auch sie war in M 100, in Barym und auf dem SONNENHAMMER und wäre dort beinahe gestorben.

Warum hatten sie diese Verbrechen begangen? Wir werden es bald erfahren …

*

Die drei Angeklagten wurden in den Gerichtssaal geführt. Das Publikum verhielt sich sehr still. Es waren vielleicht vierzig Menschen im Saal. Es fiel Mathew Wallace sofort auf, dass es sich nur um Terraner handelte. Keiner von ihnen trug eine Kamera oder ein Aufzeichnungsgerät. Es waren keine Reporter darunter. Außer Robert »Speaky« Mohlburry, der die drei traurig anblickte.

Unsanft forderten die Wachmänner Jeamour, Wallace und Taylor auf, sich hinzusetzen. Sie wurden ihrem Pflichtverteidiger vorgestellt. Ein Mann mittleren Alters mit dem Namen Gerkkhof.

Mathew konnte immer noch nicht glauben, was geschehen war. Er resümierte die letzten Tage noch einmal. Plötzlich waren sie auf ein Raumschiff gestoßen, das von einem dorgonischen Adlerschiff verfolgt wurde. Die IVANHOE hatte der Besatzung Asyl gewährt und es stellte sich heraus, dass es sich dabei um dorgonische Separatisten, Gegner von Kaiser Commanus, gehandelt hatte. Ausgerechnet Saraah war bei ihnen gewesen. Sie hatte die IVANHOE um Hilfe gebeten. Es war zu einem Konflikt mit dem Adlerschiff gekommen. Dieses wurde dabei vernichtet!

Jeamour, Wallace und Jenny Taylor wurden wegen Hochverrates vom Verbindungsoffizier Glaus Schyll inhaftiert. Zwar konnten sie Saraah noch zur Flucht verhelfen, doch um sie war es nun geschehen. Nicht einmal einen Tag nachdem die IVANHOE wieder im Orbit von Paxus kreiste, wurde ihnen der Prozess gemacht.

Mathew machte sich keine großen Hoffnungen. Mit Fairness würden sie hier sicher nicht behandelt werden. Dieses ganze Quarterium stank bis zum Himmel! Allein das Verhalten des Verbindungsoffiziers Glaus Schyll und des neuen Schiffsarztes Ignaz Ruon zeigte, welche faschistische Ideologie hinter dem neuen Imperium der Vier stand.

»Erheben Sie sich. Der Richter!«, rief einer der Wachmänner.

Notgedrungen standen die drei auf und musterten den Diener des Gesetztes. Er hieß Glaus Klink und war zufällig auch Justizminister des Quarteriums. Warum gerade so eine hohe Persönlichkeit ihren Prozess leitete, blieb ihnen verborgen. Man informierte sie einfach nicht darüber. Auch hatten sie überhaupt keine Möglichkeit gehabt, mit ihrem Pflichtverteidiger zu sprechen.

Glaus Klink war klein und strahlte eine unnatürliche Kälte aus. Der hagere, grauhaarige Mann starrte auf die drei Angeklagten. In seinen wasserblauen Augen spiegelte sich Abfälligkeit und Verständnislosigkeit wieder.

»Das kann ja heiter werden«, murmelte Wallace zu Jenny Taylor, die dem zustimmte.

»Ruhe im Saal«, keifte Klink. Dann wurde er wieder ruhig und setzte sich auf seinen Platz. Er gab dem Staatsanwalt Tirg Kuckmaster ein Zeichen. Der siebenundsechzigjährige Terraner mit dem kurzen Bürstenhaarschnitt stand auf, öffnete eine Mappe und verlas die Anklage.

»Den Angeklagten wird folgendes zur Last gelegt: Admiral Xavier Jeamour hat wider die Befehle der Admiralität gehandelt und Terroristen Asyl gewährt. Der Bitte einer dorgonischen Delegation, die Verbrecher auszuliefern, erwiderte Jeamour mit dem Eröffnen des Feuers. Er vernichtete das dorgonische Schlachtschiff. Trotz gegenteiligem Befehl von Glaus Schyll nahm Jeamour Kontakt mit der illegalen Gruppierung United Stars Organisation auf. Schyll und sein loyaler Kamerad, der ehrenwerte Doktor Ignaz Ruon wurden inhaftiert. Es gelang Schyll und Ruon an die Vernunft der Besatzung zu appellieren. Sie wurden befreit und verhafteten Jeamour. Derweil wurde der terroristischen Rädelsführerin Saraah die Flucht zur USO ermöglicht. Maßgebliche Mittäter sind sein Erster Offizier Mathew Wallace und die Arztassistentin Jennifer Taylor.«

Kuckmaster bedachte die drei Angeklagten mit einem strengen Blick aus seinen Schweinsaugen.

Glaus Klink betrachtete die Beschuldigten. Dann wandte er sich dem Verteidiger Sterr Gerkkhof zu.

»Was sagt die Verteidigung zu diesen Anschuldigungen?«

»Meine Mandanten plädieren auf schuldig im Sinne der Anklage und hoffen auf mildernde Umstände durch die Gnade des Gerichtes.«

Nun reichte es Jeamour. Dieser Prozess entwickelte sich bereits in den ersten Minuten zu einer Farce. Bevor Wallace wütend aufstand, tat es Jeamour.

»Hohes Gericht, wir plädieren auf nicht schuldig und lehnen unseren Pflichtverteidiger wegen Inkompetenz und Befangenheit ab!«

Gerkkhof, Kuckmaster und Klink sahen Jeamour verdutzt an. Wallace und Taylor standen demonstrativ auf und unterstützten die Aussage ihres Kommandanten.

Gerkkhof legte wütend seine Robe ab und verließ den Gerichtssaal. Klink blickte der ganzen Sache noch sehr gelassen entgegen. Staatsanwalt Kuckmaster hatte seine Einwände gegen die Selbstverteidigung.

»Nach Paragraph 127, Absatz 5, QSGB ist die Selbstverteidigung verboten. Sie müssen einen Verteidiger nehmen.«

Jeamour blickte ratlos im Raum umher. Auch Wallace und Taylor wussten nicht, was sie machen sollten.

»Ich verteidige sie!«

Ein Raunen ging durch den Raum. Wallace glaubte nicht richtig zu sehen! Oberst Henry »Flak« Portland hatte sich erhoben. Der ältere Terraner war in voller Uniform der LFT erschienen und hatte seine kompletten Orden angelegt. Er verließ seinen Platz und ging vor den Richter.

»Euer Ehren. Bei den Angeklagten handelt es sich um Terraner und verdiente Soldaten der LFT. Ich denke, es ist nur fair, wenn ich als Soldat und als ranghöchster Vertreter der LFT ihre Verteidigung übernehme.«

Klink blickte Kuckmaster fragend an. Der Staatsanwalt schien keine Einwände zu finden. Doch Mathew sah Kuckmaster an, dass ihm diese Wendung nicht ins Konzept passte. Anscheinend wollten Staatsanwalt und Richter den Prozess schnell beenden, aber eine Ablehnung Portlands hätte eine direkte Brüskierung der LFT bedeutet.

Portland bat, die Verhandlung um eine Stunde zu unterbrechen, da er sich mit seinen Mandanten beraten müsse.

Klink gewährte ihm diese Frist.

*

Die drei Angeklagten wurden in ihre Zelle gebracht. Wenige Sekunden später tauchte auch Henry »Flak« Portland dort auf. Jeamour gab ihm freundlich die Hand. Man konnte ihm seine Erleichterung ansehen.

Jenny Taylor schien weniger begeistert zu sein. Wallace vermutete, sie hatte bereits vollständig resigniert. Das war auch kein Wunder, wenn man sich diesen voreingenommenen Richter ansah.

Jeamour berichtete Flak von den Ereignissen auf der IVANHOE. Er ließ nichts aus und wies nachdrücklich darauf hin, dass Saraah stets zu den Freunden der Terraner gehört hatte. Er sah deshalb keinerlei Veranlassung ihr nicht glauben.

»Realistisch gesehen wissen wir, dass Kaiser Commanus ein Diktator ist. Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, für solche Verbrecher zu arbeiten«, schloss Jeamour seine Erzählung.

Portland setzte sich auf einen unbequemen Stuhl in dem kargen Raum mit den grauen Wänden und seufzte leise. Dann blickte er Wallace, Taylor und Jeamour ernst an.

»Das mag nach den Statuten der Liga Freien Terraner so sein, doch das Quarterium hat einen Bund mit Dorgon geschlossen. Die Menschen, die in unseren Augen Freiheitskämpfer in M 100 sind, bezeichnet das Quarterium als Terroristen.«

Jenny Taylor stand wütend auf. »Das kann doch wohl nicht wahr sein! Wie tief sind die Menschen in Cartwheel denn gesunken? Dieser ganze Hype um das Quarterium ist eine Farce!«

Nach dem Wutausbruch setzte sie sich wieder und atmete tief durch. Wallace verstand ihre Reaktion sehr gut. Ihm ging es nicht anders. Jeamour lachte verzweifelt.

»Wir sind doch mit Schuld an dieser Lage«, stellte er bitter fest. »Wir haben de la Siniestro unser Vertrauen geschenkt, wir haben ihn zu dem gemacht, was er jetzt ist. Die Crew der IVANHOE hätte schon bei Gründung des neuen Reiches nach Terra zurückkehren müssen.«

Niemand widersprach dem ehemaligen Kommandanten der IVANHOE. Wallace dachte an Saraah. Hauptsache, sie war in Sicherheit. Was aus seinem Leben werden würde, wusste er nicht. Doch wenn er mit seinem Tod ihr Leben retten konnte, dann war er bereit, diesen Preis zu zahlen.

»Wie können Sie uns helfen, Oberst Portland?«, fragte Jenny Taylor schließlich.

»Ich werde versuchen, den Richter von ihren ehrbaren Absichten zu überzeugen. Ich werde politische Brisanz in die Verhandlung bringen. Wie wird die LFT auf diesen Vorfall reagieren? Vielleicht stimmt das diesen Klink um …«

»Und wenn nicht?«, wollte Jenny wissen.

Portland stand auf und blickte die drei bedauernd an: »Dann gnade Ihnen Gott«

*

Die Gerichtsverhandlung wurde pünktlich nach einer Stunde fortgesetzt. Kuckmaster und Klink musterten die Angeklagten abfällig. Kuckmaster lud nun Jenny Taylor als erste in den Zeugenstand. Wallace bemerkte, dass sie ziemlich blass wurde. Sie hatte offensichtlich Angst. Das wahr natürlich nachvollziehbar. Ihm erging es nicht anders. Natürlich wollte er lieber lebend aus der ganzen Sache herauskommen.

»Miss Taylor«, begann Klink emotionslos. »Sie sind am 02. Oktober 1261 NGZ in Los Angelas auf Terra geboren. Sie haben eine Ausbildung in der terranischen Raumflotte im Bereich Medizin absolviert und sind seit dem Jahre 1290 Bordärztin auf der IVANHOE. Im Jahre 1298 NGZ wechselten Sie auf die NIMH. Seit 1299 stehen Sie wieder unter dem Kommando des Admirals Xavier Jeamour. Ist das richtig?«

Jenny bestätigte die Angaben. Nun mischte sich Kuckmaster ein. Der widerliche Staatsanwalt schaute sie grimmig an.

»Doktor Taylor. Nun erzählen Sie uns einmal Ihre Version«, schnauzte er.

Jenny warf einen Blick auf Jeamour und Wallace. Der Admiral nickte schwach. Dann fing sie an zu berichten: »Wir fanden ein dorgonisches Raumschiff. Es wurde von einem Adlerschiff verfolgt. Wir gewährten den Freiheitskämpfern der Dorgonen Asyl …«

»Freiheitskämpfer?«, bellte Kuckmaster. Wütend donnerte er mit der Faust auf den Tisch. »Ich will Ihnen einmal etwas sagen! Das waren Terroristen und Sie sind auch eine Terroristin!«

»Einspruch!«, warf Portland ein. Richter Klink lehnte den Einspruch einfach ab. Mathew konnte das nicht fassen.

»Wir … wir haben keinen Terroristen Asyl gewährt. Saraah ist Senatorin von Jerrat. Sie gehörte zu den wichtigsten Personen der demokratischen Bewegung in Dorgon. Wenn Sie sich in Geschichte auskennen, wissen Sie vielleicht, was in diesem Jahr geschah.«

Klink schlug mit seinem Hammer heftig auf den Tisch.

»Sollten Sie noch einmal den geschätzten Herrn Staatsanwalt beleidigen, erhalten Sie eine Ordnungsstrafe und werden des Saales verwiesen!«

Jenny seufzte und fuhr fort. Sie berichtete über den Konflikt mit dem Adlerraumschiff, dem Kampf und der unabsichtlichen Zerstörung. Sie wollte auch auf die Methoden von Ruon eingehen, doch Kuckmaster hatte wohl genug gehört. Er unterbrach erneut die schöne Bordärztin und schien gerade darauf jetzt etwas aufzubauen.

»Miss Taylor. Sie sind ja eine ziemliche Wucht für eine Ärztin. Um Klartext zu sprechen, Sie sind viel zu schön für eine Ärztin. Ich frage mich, ob Ihre medizinischen Befähigungen genauso so talentiert sind, wir Ihre horizontalen.«

»Einspruch!«, warf Portland erneut ein.

»Abgelehnt!«, antwortete Klink knapp. »Fahren Sie fort, Herr Kuckmaster!«

Der Staatsanwalt schien jetzt erst Betriebstemperatur zu erreichen. »Sicherlich hat sich auch der Kommandant davon überzeugt?«

»Nein? Spinnen Sie jetzt total?«, rief Jenny aufgebracht. Sie konnte sich wohl kaum mehr zusammenreißen und wusste sicher auch nicht, was das jetzt mit dem Fall zu tun gehabt hatte.

Kuckmaster grinste. »Formulieren wir es mal so. Sie sind noch relativ jung, attraktiv und haben viele Freunde an Bord des Schiffes. Wem gehört Ihre Loyalität?«

Jenny blickte Kuckmaster misstrauisch an. Anscheinend überlegte sie, was er damit bezweckte. Schließlich antwortete sie: »Dem Kommandanten und der Crew.«

Kuckmaster fletschte die Zähne.

»Und genau das habe ich mir gedacht. Sie sind Jeamour hörig! Die Treue eines Offiziers gehört nur dem Quarterium! Sie sind Soldatin des Reiches und keine Hostesse auf einem Luxusliner! Haben Sie sich überhaupt einmal Gedanken gemacht, dass sie quarteriale Verbündete angegriffen haben? Wo haben Sie Saraah hingebracht? Nun reden Sie schon!«

Jenny starrte den Staatsanwalt entgeistert an. Sie schien wohl, genauso wie Wallace, an seinem Geisteszustand zu zweifeln. Dem Schotten wurde immer klarer, dass es sich hier um einen Schauprozess handelte.

Jenny wurde aus dem Zeugenstand entlassen. Nun war Wallace selbst an der Reihe. Er legte sein schelmisches Grinsen auf und guckte den Richter fragend an.

»Sie sind am 26. Januar 1268 in Schottland auf Terra geboren?«, wollte Klink wissen. »Sie haben eine Ausbildung auf Camelot gemacht und verrichten seit 1290 NGZ Dienst auf der IVANHOE. Korrekt?«

»Ja, Sir.«

»Und in dieser Zeit haben Sie wie viele Space-Jets zu Schrott geflogen?«, mischte sich Kuckmaster wieder ein.

»Ach, keine Ahnung. Waren ziemlich viele. Ein Dutzend oder zwei …«

»Aha. Verstehe! Sie scheinen das Eigentum anderer ja sehr zu schätzen. Doch genug davon. Saraah ist ihre Ex-Frau richtig? Sie lieben Sie noch, oder? Grund genug, einer Terroristin zu helfen?«

Wallace zuckte mit den Schultern. So einfach wollte er es dem Staatsanwalt nun auch nicht machen. Kuckmaster las die Anklageschrift erneut vor. Er unterstellte Wallace, mit Jeamour kooperiert zu haben. Wallace bestritt das auch nicht, führte aber aus, dass nicht Saraah die Terroristin war, sondern die dorgonischen Soldaten. Kuckmaster reagierte darauf nicht. Er machte sich ein paar Notizen und blickte Wallace mal wieder abfällig an. Langsam stieg eine ziemliche Wut in Mathew hoch. Am liebsten hätte er diesem arroganten Fatzken eine Abreibung gegeben.

»Sie sind also Ex-Mann einer Jerrer-Schlampe«, resümierte Kuckmaster. »Nun, wir werden diese Hure auch ohne Ihre Hilfe finden. Wissen Sie, was die Dorgonen mit weiblichen Separatisten machen? Sie verbannen sie in die Unterwelt von Dom. Dort sind viele üble Typen. Aber Ihre Nutte von Ex-Frau wird sich dort sicher in ein gemachtes Bett legen …«

Jetzt explodierte Wallace. Er sprang auf und griff Kuckmaster an. Sofort eilten Wachen herbei, die mit Elektropeitschen auf Wallace einschlugen. Jenny Taylor, Jeamour und Portland wollten eingreifen. Doch die Wachen drängten sie zurück. Wallace wurde aus dem Saal geschleift. Als er wieder zu Besinnung kam, lag er in seiner Zelle.

Verdammt! Das hast du richtig gut verbockt, schimpfte er sich selbst aus. Er setzte sich in eine Ecke der Zelle und wartete …

*

Jeamour hoffte, dass Mathew Wallace nichts schlimmeres angetan wurde. Nun wurde er in den Zeugenstand gerufen. Das Verhör von Wallace und Taylor war wahrscheinlich nur das Vorspiel gewesen. Er war der Hauptangeklagte. Jeamour konnte sich den Sarkasmus nicht verkneifen, als er an die Beschuldigung dachte. Er hatte das Leben von Verfolgten gerettet und musste sich nun dafür vor Gericht verantworten.

Doktor Taylor hatte recht, als sie fragte, wie tief die Menschheit in Cartwheel gesunken war. Jeamour konnte sich nicht erklären, wie es dazu gekommen war. Übertriebener Patriotismus? Zu großes Vertrauen in Don Philipe de la Siniestro? Blindheit wegen der neuen Lemurischen Vereinigung? War alles so selbstverständlich geworden, dass man nicht mehr über die Konsequenzen des Handelns nachdachte?

Als er sich hingesetzt hatte, ratterte Klink auch Jeamours Personalien herunter: »Xavier Jeamour, 87 Jahre alt, erfolgreiche Ausbildung bei der Raumflottenakademie. Lange Jahre Kommandant des Explorerschiffes DESTINY. Überwarf sich 1279 NGZ mit der Liga Freier Terraner und schloss sich der Unsterblichenorganisation Camelot an. Kommandierte die FREYJA. Seit 1290 NGZ Kommandant der IVANHOE I und II. Sie können die Aussage verweigern, wenn Sie sich selbst belasten. Wie stehen Sie dazu?«

Was für eine spöttische Frage!

»Ich möchte aussagen«, erklärte Jeamour. Danach schilderte er die Ereignisse aus seiner Sicht. Er machte kein Geheimnis daraus, dass er den Widerstandskämpfern geholfen hatte und das Adlerschiff auf seinen Befehl hin vernichtet wurde. Dies diente jedoch nur zur Verteidigung der eigenen Crew und der Verfolgten. Auch bekannte er sich dazu, den Befehl zur Inhaftierung von Oberstleutnant Schyll gegeben zu haben. Schyll war in seinen Augen nicht fähig gewesen, die Situation richtig einzuschätzen. Er bestätigte die Frage, dass Saraah und die anderen Widerstandskämpfer zur USO gebracht wurden. Gleichwohl betonte er allerdings nicht in Kenntnis der Koordinaten der Hauptwelt der United Stars Organisation zu sein.

Das war eine Lüge, doch Jeamour wollte nicht den Standort seiner Freunde preis geben. Der Kommandant nahm alle Schuld auf sich und erklärte, dass Jenny Taylor und Mathew Wallace nur seine Befehle ausgeführt hatten. Als Kommandant eines Schiffes trug einzig und allein er die Verantwortung.

»Das ist doch Schwachsinn«, brüllte Kuckmaster aufgeregt. »Mathew Wallace brachte Saraah in Sicherheit, als Sie bereits kapituliert haben. Taylor wollte Doktor Ruon mit Gewalt daran hindern, eine Meldung an das Oberkommando abzuschicken. Nein, Jeamour, Sie müssen hier nicht den selbstgefälligen Helden mimen! Taylor und Wallace sind genauso schuldig wie Sie!«

Kuckmaster schnaubte vor Erregung. Richter und Justizminister Glaus Klink folgte dem Verhör ruhig und emotionslos. Er strahlte eine unnatürliche Kälte aus, fand Jeamour. Mit so einem Vorsitzenden hatten sie sowieso keine großen Chancen auf einen fairen Prozess. Portland warf wieder einen Einspruch ein. Abermals wurde dieser abgelehnt. Jeamour sah dem Verteidiger den Groll an.

Nach Jeamours Verhör wurden Glaus Schyll und anschließend Ignaz Ruon als Zeugen eingeladen. Natürlich belasteten die beiden die Angeklagten. Portland rief Glaus Schyll erneut in den Zeugenstand.

»Oberst Schyll, liegt das Quarterium im Krieg mit Jerrat?«

Schyll blickte Portland verdutzt an. Flak bat den neuen Kommandanten der IVANHOE seine Frage zu beantworten. Schyll erklärte, dass man sich nicht im Krieg mit Jerrat befand.

»Gut, liegt das Quarterium im Krieg mit der estartischen Föderation? Ersparen Sie sich die Antwort. Sie ist nein«, stellte Portland fest. Dann wandte er sich an den Richter. »Euer Ehren! Saraah ist Bürgerin Jerrats, das sich selbst als selbständige Welt ansieht und die Okkupation durch Commanus 1298 NGZ nicht anerkannt hat. Des Weiteren reiste Senatorin Saraah als Sprecherin der estartischen Förderation, ermächtigt durch den ehrenwerten Sruel Allok Mok, einst Generalsekretär von Paxus! Sie genoss diplomatische Immunität! Sie war auf diplomatischer Mission unterwegs, um auf die Missstände in Estartu aufmerksam zu machen. Admiral Jeamour hat dies respektiert und alles Erdenkliche getan, um die Dorgonen zu einer friedlichen Lösung zu drängen. Allein der Kommandant des Adlerschiffes trägt die Verantwortung für die Vernichtung seines Schiffes. Jeamour hat als Terraner völlig korrekt gehandelt. Ihm und seiner Crew ist kein Vorwurf zu machen. Oder missachtet das Quarterium neuerdings die diplomatische Immunität?«

Kuckmaster verdrehte die Augen und machte sich ein paar Notizen. Herausfordernd blickte er den Richter an. Dieser schien über die Worte von Portland nachzudenken. Zum ersten Mal schöpfte Jeamour Hoffnung. Der Argumentation von Henry Portland konnte man nichts entgegen werfen. Doch Flak setzte noch eines drauf!

»Vielmehr muss man Admiral Jeamour für sein Verhalten belobigen. Das Adlerschiff ist ohne Erlaubnis in quarteriales Hoheitsgebiet vorgedrungen und wollte Selbstjustiz verüben. Anstatt den Anweisungen eines Repräsentanten des Quarteriums Folge zu leisten, griff es die IVANHOE an!«

»Das ist doch die Höhe! Sie verdrehen völlig die Tatsachen«, rief Kuckmaster.

»Dann haben wir ja etwas gemeinsam«, erwiderte Portland.

»Ruhe jetzt!«, mischte sich Glaus Klink ruhig ein. Er blickte die Beteiligten streng an und schwieg.

Niemand wusste, was jetzt kommen würde. Jeamour glaubte, dass Klink sich von Portland überzeugen lassen würde. Vielleicht gab es doch noch eine Gerechtigkeit. Er wechselte einen kurzen Blick mit Doktor Taylor, die auch zuversichtlicher als vorher wirkte.

»Vielleicht überdenkt der alte Sack seinen Standpunkt«, flüsterte sie zu Jeamour, der darüber schmunzelte. Das Lachen verging ihm jedoch schnell.

»Oberst Portland. Die Verhandlung wird aufgrund eines Formfehlers in Ihrer Aussage abgebrochen und auf morgen früh verschoben. Bis dahin können Sie sich überlegen, was Sie falsch gemacht haben.«

Portland stand mit offenem Mund auf und schien nicht zu glauben, was Richter Klink eben gesagt hatte. Für Jeamour brach eine Welt zusammen. Das konnte nicht möglich sein. Wie konnte er so was tun? Jenny wurde wütend und sprang auf.

»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Sie sind doch bestochen!«, schrie sie den Vorsitzenden aufgebracht an.

Jeamour zuckte dabei zusammen. Das nahm bestimmt kein gutes Ende. Doch Klink überhörte offenbar Jennys Wutausbruch und pochte mit dem Hammer auf den Tisch. Anschließend verließ er wortlos den Gerichtssaal. Portland sackte auf den Stuhl und schaute die beiden Beschuldigten traurig an.

»Wir haben keine Chance mehr …«

Flak bestätigte die Vermutung von Jeamour. Sie konnten diesen Prozess nicht gewinnen. Das Urteil stand schon vorher fest. Jenny Taylor fing an zu zittern. Sie wurde kreidebleich und musste sich wieder setzen. Jeamour legte seinen Arm um die Schulter der Terranerin und drückte sie. Wenn kein Wunder morgen geschehen würde, war ihr Schicksal besiegelt.

 

Kapitel 3 - Artenbestandsregulierung

Anya Guuze hatte sich schick angezogen. Ihr Ehemann Krizan hatte es auch von ihr gefordert. Schließlich sollte sie besonders hübsch aussehen, wenn sie mit dem Justizminister Glaus Klink zu Abend dinierten.

Anya trug ein schwarzes, schulterfreies Abendkleid. Ein modischer Ausschnitt am rechten Bein sicherte ihr einige Blicke. Ihr Dekolleté war bedeckt. Zu aufreizend sollte sie auch nicht wirken. Ein Butler öffnete die Tür. Krizan Bulrich stellte sich und seine Frau vor. Der Bedienstete bat die beiden herein. Während er Glaus Klink und seine Gemahlin Urzul informierte, musterte Bulrich seine Freundin.

»Benimm dich ja gut. Ich will nicht, dass du mich blamierst. Das ist ein Riesenauftrag für mich. Katschmarek und Niesewitz haben ein Auge auf mich geworfen.«

Anya seufzte und richtete die Krawatte ihres Mannes. Manchmal fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, ihm vor vier Jahren noch einmal eine Chance zu geben. Schließlich hatte er sie damals im Stich gelassen, als sie die Geisel von Ian Gheddy gewesen war. Doch irgendwie glaubte sie an seine Liebe. Außerdem wurde aus dem Taugenichts ein angesehener Mitarbeiter der inneren Sicherheit. Bulrich war Spezial-Agent der Cartwheel Intelligence Protective und arbeitete zurzeit an einem streng geheimen Projekt. Nicht einmal Anya wusste, worum es ging. Doch sie bewunderte ihren Ehemann für sein Engagement. Er hatte sie überrascht und beeindruckt. Das war vielleicht der Hauptgrund, warum sie ihm letztlich das Ja-Wort gegeben hatte.

Aus einem Taugenichts war ein verantwortungsvoller Diener des neuen Imperiums geworden. Außerdem verdiente er jede Menge Galax. Anya konnte sich alles kaufen, was sie wollte. Sie fuhr einen schnittigen Sportgleiter, trug edelste Kleider und lebte mit Bulrich in einem Bungalow am Strand von New Terrania. So ein Leben hatte sie sich vorgestellt. Anya selbst arbeitete als Public-Relations-Beraterin in einer Marketingfirma von Shorne Industries. Sie hatte diesen Beruf durch Krizan Bulrichs Beziehungen bekommen. Es gab also duzend Gründe für die attraktive Terranerin, zufrieden mit ihrem Leben zu sein.

Der Diener rief die beiden zu sich und führte sie in den Speiseraum. Dort wurden die beiden von Urzul und Glaus Klink begrüßt. Anya versuchte sich ihren Ekel gegenüber Urzul Klink nicht anmerken zu lassen. Die Frau war fett, hässlich und stank penetrant nach Zigarettenrauch. Klink wirkte auf sie sehr unheimlich. Kalt und finster! Zurückhaltend reichte er ihnen die Hände. Er bedachte Anya kaum eines Blickes, was Guuze sehr verwunderte. Kein Mann schaffte es auf Dauer, sie nicht anzustarren!

Der Butler servierte eine Spargelsuppe. Natürlich gab es hier nur typisch terranisches Essen. Anya guckte sich im Zimmer um. Ebenso wie der Gastgeber wirkte alles hier sehr kalt und oberflächlich. Einige Auszeichnungen aus Klinks Karriere hingen an der Wand. Ansonsten wirkte die braune Tapete eher trist und geschmacklos auf Guuze.

»Ich danke Ihnen für die nette Einladung«, begann Anya sich etwas zu unterhalten. Klink brummelte etwas leise vor sich hin. Das ganze Essen verlief ruhig und ebenso unterkühlt wie die Begrüßung.

»Die Männer wollen sicher über die Artenbestandsregulierung reden«, meinte Urzul Klink zu wissen.

Anya blickte ihren Ehemann fragend an. Von einer Artenbestandsregulierung hatte sie noch nie etwas gehört. Worum handelte es sich darum?

Bulrich räusperte verlegen. »Nun, Schatz, es geht bei der Artenbestandsregulierung um eine Vision des Gos’Shekur Uwahn Jenmuhs. Da einige Wesen nicht bereit sind, die Gesetze und Ansichten des Quarterium zu respektiert, wird diese Art reguliert. Im Großen und Ganzen bedeutet das eine Umsiedlung in autonome Gebiete für diese Wesen. Sie kriegen in Cartwheel eine neue Heimat, die sie autark vom Quarterium regieren dürfen. Damit beugt das Quarterium etwaigen Bürgerkriegen oder Separatistenbewegungen vor. Herr Katschmarek ist mit dieser Regulierung beauftragt und ich unterstütze ihn dabei.«

»Aha«, machte Anya. Sie wusste nicht so recht, was sie davon halten soll.

Klink schwieg. Er starrte sie finster an. Aber das machte er wohl bei jedem Wesen so. Sie fragte sich, wie so ein Mensch überhaupt geliebt werden konnte. Zumindest seine Frau tat das wohl.

»Diese politischen Besprechungen unterliegen der Schweigepflicht. Wenn die Damen so freundlich wären«, forderte Klink unhöflich.

Urzul verstand sofort und verließ den Raum. Bulrich bat seine Frau, doch im Gleiter auf ihn zu warten.

Anya kam das nicht geheuer vor, doch sie fügte sich dem Wunsch ihres Ehemannes.

*

Hastig steckte sich Bulrich eine Zigarette an. Das wäre beinahe schief gegangen. Trotz allem Geld besaß Anya noch Moral und Ethik. Wüsste sie über die wahren Motive der Artenbestandsregulierung Bescheid, hätte sie bestimmt kein Verständnis. Vielleicht würde sie sogar eine Dummheit begehen.

Ihm waren die Motive der Regierung relativ egal. Bulrich konnte beim Quarterium Karriere machen und jede Menge Geld verdienen. Es war ihm relativ egal, was aus den Umgesiedelten werden würde. Noch stand es auch nicht so richtig fest.

»Nun, Herr Bulrich. Weshalb sind Sie genau hier?«, forschte Klink misstrauisch nach. Der ständig auf ihm ruhende Blick des Justizministers machte ihn nervös. Bulrich hatte seitdem er bei der Cartwheel Intelligence Protective seinen Dienst absolvierte viele seltsame Gestalten gesehen. Besonders der General-Kommandeur Stevan da Reych blieb ihm in Erinnerung. Ähnlich wie Klink lösten solche Menschen ein ziemliches Unbehagen bei dem jungen Terraner aus.

»Der Minister für die ABR Katschmarek hat mich beauftragt, mit Ihnen die rechtliche Lage abzuklären«, fing Bulrich an.

»Aha«, machte Klink nur emotionslos.

Bulrich wusste nicht, ob er jetzt fortfahren durfte oder nicht. Nach schier endlosen Momenten für ihn, führte er weiter aus: »Es könnten diverse Klagen von deportierten Aliens an den Gerichtshof herangetragen werden. Dementsprechende Gesetze müssten verabschiedet werden.«

Klink zündete sich eine Zigarette an und betrachtete Bulrich mit seinen wasserblauen Augen. Er sagte kein Wort.

»Uns ist wohl allen klar, dass die ABR nicht ganz legal im eigentlichen Sinne sein wird. Wir locken die Aliens unter falschen Vorwand in die neu angelegten Ghettos, enteignen sie darauf hin und …«

»Und?«, hakte Klink nach.

Bulrich wusste nicht, wie er es dem Justizminister erklären sollte. Es war für ihn selbst kaum fassbar. Doch der Plan der Regierung sah eine dauerhafte Deportation in so genannte Entsorgungslager vor. Dort sollte die Artenbestandsregulierung vollzogen werden. Was sich genau dahinter verbarg, wusste selbst Krizan Bulrich nicht. Alles befand sich noch in der Planung und sollte im Laufe des Jahres umgesetzt werden. Bulrichs Aufgabe war es die rechtlichen, wirtschaftlichen und arbeitstechnischen Maßnahmen für diese Operation einzuleiten.

Letztendlich war es ihm auch egal, was mit den Wesen passieren würde. Es war nur darüber informiert, dass die Entsorgungslager wohl auf Objursha, Davau und Koshan errichtet werden sollten. Mehr wollte er auch nicht wissen. Insgeheim hoffte Bulrich, niemals eines der Lager inspizieren zu müssen.

»Sie schulden mir noch eine Antwort«, erinnerte ihn Klink.

»Ah, ja …nun, sie werden in die Entsorgungslager deportiert. Dort werden sie Zwangsarbeit leisten und ihre Spezies wird reguliert werden.«

Klink schmunzelte! Bulrich konnte es kaum glauben. Das war die erste Gefühlsregung dieses Menschen. Anscheinend schien ihm die Idee der Artenbestandsregulierung zu gefallen. Glaus Klink versicherte Bulrich, sich um die Rechtslage zu kümmern und alle notwendigen Gesetze zu entwerfen. In einem Anfall von Euphorie erzählte Klink dem Spezial-Agenten, dass das Quarterium eine gute Sache wäre. Sie würden die Menschen wieder zu Wesen erster Klasse machen und sie ihrem eigentlichen Schicksal zuführen – der Herrschaft über das Universum! Klink schob alles Unheil auf die hässlichen, unnatürlichen Außerirdischen. Sie waren seiner Meinung nach für Kriminalität, schlechtes Wirtschaftswachstum und schwindende Ethik verantwortlich. Daher war es in Klinks Augen nur sinnvoll, den Artenbestand zu regulieren.

Bulrich versuchte sich von derlei Ansichten fern zu halten. Letztlich erledigte er nur seinen Job. Hauptsache er bekam monatlich sein gutes Gehalt und konnte sich irgendwann frühzeitig ein schönes Leben machen.

Bulrich übergab dem Justizminister noch ein paar Unterlagen und verabschiedete sich von ihm. Als er am Gleiter seiner Frau angekommen war, setzte er sich hinein und lockerte die Krawatte.

»Und?«, hakte Anya nach.

»Ich will nicht drüber reden! Ist alles gut verlaufen. Klink erledigt seine Arbeit, wie ich die meine. Keine Fragen.«

Anya schwieg und startete den Gleiter. Bulrich blickte mit glasigen Augen aus dem Fenster. Für einen kurzen Moment dachte er doch an die Betroffenen. Was sie planten waren nicht nur Deportation und Sklavenarbeit. Nein! Jeder, der an der ABR beteiligt war, musste sich über eines sehr schnell im Klaren werden. Was hier geplant wurde, war die Vernichtung Millionen von Lebewesen, war Massenmord! Das war die Regulierung des Artenbestandes!

»Fahr zum nächsten Supermarkt. Ich muss mich betrinken«, forderte Bulrich. Er wollte sich für heute keine Gedanken mehr über die ABR machen. Alkohol half ihm dabei.

 

Kapitel 4 - Das Urteil

Mathew Wallace hatte ein blaues Auge. Ansonsten schien es ihm wieder recht gut gehen. Zumindest lächelte er Jenny Taylor schelmisch an. Sie war froh, dass es ihm wieder besser ging. Vor allem freute es sie, dass er heute auch hier war. Jenny hatte große Furcht vor dem Urteil und würde den Beistand von Mathew und Admiral Jeamour benötigen. Obwohl es die beiden ebenso hart treffen würde. Vielleicht noch schlimmer als Jenny selbst. Sie wusste es nicht.

Glaus Klink betrat den Raum. Die drei der IVANHOE mussten aufstehen. Jenny ließ ihren Blick durch das Publikum schweifen. Kein einziges Besatzungsmitglied der IVANHOE war anwesend. Nur Schyll und Ruon bildeten eine Ausnahme. Ansonsten wahrscheinlich alles Angehörige der quarterialen Partei. Außer Robert Mohlburry und sein Intendant Guy Pallance waren wohl auch keine Reporter anwesend. Taylor fand diese Tatsache sehr befremdlich. Das Quarterium hatte wohl eine Liveberichterstattung verboten.

Sie bezweifelte auch, dass ihre Freunde Tania, Irwan, Lorif und Zyrak aus purer Absicht fehlten. Sicherlich wurde es ihnen ebenfalls verboten.

Der Prozess dauerte noch zwei endlose Stunden. Einige Besatzungsmitglieder der IVANHOE wurden vernommen. Alle sagten natürlich gegen Jeamour, Taylor und Wallace aus. Jenny kannte einige der Leute gar nicht. Gut, das war bei einem so großen Schiff auch nicht verwunderlich. Es kam ihr trotzdem mysteriös vor.

Schließlich schloss Klink die Beweisaufnahme. Tirg Kuckmaster hielt sein abschließendes Plädoyer:

»Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Verteidiger, hohes Gericht! Im Laufe dieses Prozesses hat sich klar herausgestellt, dass die drei Angeklagten schuldig im Sinne der Anklage sind. Xavier Jeamour hat den Befehl zum tödlichen Angriff auf das Adlerschiff gegeben. Er hat mit den Terroristen kooperiert. Mathew Wallace hat ihn nach besten Kräften unterstützt. Sowohl im Kampf als auch bei der Flucht der Terroristen. Jenny Taylor hat mutwillig Doktor Ruon an der Benachrichtigung des Oberkommandos gehindert. Sie billigte nicht nur Jeamours und Wallace Hochverrat – sie unterstützte ihn auch. Die Staatsanwaltschaft fordert einen unehrenhaften Ausschluss aus der Armee auf Lebenszeit für alle drei. Miss Taylor darf nie wieder in Cartwheel als Arzt praktizieren. Für Xavier Jeamour forderte ich fünfzig Jahre Gefängnis, für Mathew Wallace vierzig Jahre und für Jenny Taylor fünfundzwanzig Jahre Strafvollzug. Natürlich ohne Bewährung und am besten in der Strafvollzugsanstalt auf Davau. Danke.«

Wallace stieß einen Pfiff aus. Auch Jeamour war alles andere als begeistert. Doch der Kommandant schien damit wohl schon gerechnet zu haben. Jennys Angst wurde von Moment zu Moment größer. Fünfundzwanzig Jahre in diesem schlimmen Gefängnis auf Davau. Dort wurden nur die gefährlichsten Schwerverbrecher hingebracht. Unbewusst umklammerte sie den Knauf ihrer Armlehne immer fester. Hoffnungsvoll sah sie Henry Portland an, der nun an der Reihe war, sein Schlussplädoyer zu halten.

»Herr Staatsanwalt, hohes Gericht. Anscheinend haben Sie während dieses Prozesses nichts gelernt. Die drei Angeklagten haben einer Botschafterin der estartischen Föderation diplomatischen Schutz gewährt. Die Vernichtung des Adlerschiffes war Notwehr. Daher sind die Angeklagten in allen Punkten freizusprechen. Das Ausscheiden aus der Armee des Quarteriums ist jedoch aufgrund tief liegender Meinungsverschiedenheiten akzeptabel. Eine Ausweisung in die Milchstraße wäre ebenfalls für meine Mandanten zumutbar. Ich bitte das hohe Gericht, dies zu bedenken. Ebenfalls möchte ich darauf hinweisen, dass Admiral Xavier Jeamour, Major Mathew Wallace und Doktor Jennifer Taylor stets ihre Pflicht erfüllt haben und mehr als einmal kosmische Heldentaten vollbracht haben. Es wäre eine Schande, sie auf diese billige Art zu bestrafen.«

Portland setzte sich.

Jenny hoffte, dass seine Worte auf Verständnis beim Richter gestoßen waren. Klink forderte die Anwesenden auf, sich zu erheben. Verwundert stand Jennifer Taylor auf. Mathew und Jeamour taten es ihr nach. Warum beriet sich das Gericht nicht? Konnte Klink so schnell ein Urteil fällen?

In Jennifer kam die Befürchtung hoch, dass er das Urteil bereits gestern festgelegt hatte. Plötzlich fing sie an zu zittern. Wallace bemerkte dies und nahm ihre Hand. Sie war ihm unendlich dankbar für diese freundschaftliche Geste. Es gab ihr das Gefühl, nicht allein zu sein.

»Xavier Jeamour und Mathew Wallace werden wegen Hochverrates und fünfzehntausendfachen Mordes zum Tode durch Erschießen verurteilt. Die Exekution wird morgen früh um sechs Uhr stattfinden. Doktor Jennifer Taylor wird für den Rest ihres Lebens im Strafvollzugslager Davau inhaftiert werden. Aufschiebung und Berufung sind nicht möglich.«

Jennys Knie wurden plötzlich weich. Sie sackte zusammen. Mathew hielt sie und half der Ärztin sich wieder hinzusetzen. Er starrte den Richter fassungslos an. Auch Jeamour konnte kein Wort mehr sagen. Stumm ließ er sich auf seinen Stuhl fallen und stierte auf den Boden.

Portland legte bedauernd seine Hand auf Jennys Schulter. »Es tut mir Leid«, flüsterte er.

»Ich bin noch nicht fertig!«, gellte Klink. »Ich möchte noch anmerken, dass die Todgeweihten nicht in ihrer Uniform zur Hinrichtung erscheinen dürfen. Sie sollen in Unterwäsche bekleidet zum Schafott geführt werden.«

Klink zeigte Emotionen. Seine Stimme vibrierte. Hass und Abscheu klang aus seinen Worten.

»Sie sollen ein Schild mit der Aufschrift ›Ich bin ein Verräterschwein‹ tragen. Ihre Leichen werden verbrannt. Eine Grabstätte wird es nicht geben.«

Mit deutlich erkennbarer Genugtuung schlug er dreimal mit seinem Hammer auf den Tisch. Tirg Kuckmaster schaute zu den Verurteilten herüber. Nicht einmal der Staatsanwalt hatte das gefordert. Klink wollte Jeamour und Wallace sterben sehen. Der Richter und der Staatsanwalt verließen den Gerichtssaal.

Jenny fing an zu weinen. Jeamour wandte sich seiner Ärztin zu und nahm sie in den Arm. Taylor wusste nicht, über was sie zuerst weinen sollte. Über ihr eigenes Schicksal oder das Todesurteil von Jeamour und Wallace.

Mathew wurde kreidebleich, als er offenbar realisierte, dass er morgen um diese Uhrzeit nicht mehr am Leben sein würde.

Xavier Jeamour und Mathew Wallace würden in wenigen Stunden sterben!

*

Wallace kauerte in einer Ecke der Zelle und sagte kein Wort. Was sollte er auch noch sagen? Alles war verloren! So viele Abenteuer hatte er erlebt und war dem Tod mehr als einmal von der Schippe gesprungen. Doch er konnte sich in diesen Situationen immer wieder wehren. Diesmal war das nicht der Fall. Vom eigenen Volk zum Tode verurteilt. Das war bitter! So unendlich traurig und niederschlagend.

Seine Gedanken kreisten um Saraah. Niemals würde er sie wiedersehen. Dabei hatte er so sehr gehofft, dass sie wieder zueinander finden würden. Alles vorbei. Aus und vorbei! Er blickte zu Xavier Jeamour, der am Tisch saß und sich vom Servo die Henkersmahlzeit bringen ließ.

»Kommen Sie, Mathew! Es wird das letzte Mal sein, dass wir auf Staatskosten dinieren dürfen.«

Wallace lachte bitter. Wie konnte man jetzt ans Essen denken? Er würde keinen Bissen herunter bekommen. Trotzdem folgte er der Aufforderung von Jeamour und setzte sich an den Tisch.

Jeamour hob die Flasche Wein und las sich das Etikett durch – »Chernomorski Rayon aus Bulgarien. ›Vina ot declariran geografski Rayon‹. Hm, Wein vom schwarzen Meer. Gibt es für zwei Galax im Fachhandel. Wie exklusiv…«

Trotzdem füllte er sich das Glas voll. Er nippte vom Glas und versuchte, die Reife des Weines zu schmecken.

»Süffig, aber in Ordnung«, stellte er zufrieden fest. Dann schenkte er Wallace Glas voll.

Mathew blickte seinen Kommandanten verständnislos an. War das Galgenhumor? Oder schlichtweg ein psychischer Kollaps? Vielleicht wollte sich Jeamour das Todesurteil nicht eingestehen. Wallace tat es. Er setzte sich mit der Realität auseinander. Morgen würde er sterben.

»Das Essen ist auch nicht das teuerste«, meinte Jeamour amüsiert. »Anscheinend wollen sie keinen müden Galax mehr in uns investieren.«

Wallace reichte es jetzt. Er warf das Weinglas in die Ecke. Mit einem Knall zersplitterte es an der Wand. »Wie können Sie so gelassen sein, Sir? Wir werden morgen hingerichtet und Jenny wird für den Rest ihres Lebens auf Davau verschimmeln. Die Typen vom Quarterium haben uns gelinkt. Die ganze Zeit. Wir hatten keine Chance …«

Wallace vergrub das Gesicht zwischen die Hände. Er war verzweifelt. So wollte er nicht enden. So nicht!

»Mathew, es ist schwer zu verstehen, doch die Hoffnung stirbt zuletzt«, erklärte Jeamour.

Wallace schüttelte den Kopf. Eines musste man Xavier Jeamour lassen – er versuchte Wallace bis zum bitteren Ende Mut zu machen.

Welchen Anlass zur Hoffnung gab es noch? Keinen! Sie saßen hier in einem streng bewachten Hochsicherheitstrakt. Ihren Freunden waren die Hände gebunden. Mathew bezweifelte nicht, dass Irwan und Lorif nicht unter ständiger Beschattung standen. Niemand konnte ihnen helfen.

*

Tirg Kuckmaster saß in seinem Wohnzimmer und lümmelte sich auf sein Sofa. Er ahnte nicht, dass er observiert wurde. Die Beobachter hatten das Gefühl, als schien der Staatsanwalt mit sich und seiner Arbeit im höchsten Maße zufrieden zu sein.

Zwei knapp bekleidete Frauen kamen plötzlich ins Zimmer. Eine Terranerin und eine Arkonidin. In der Tat hatten beide mehr aus- als angezogen. Die eine platzierte sich zu seiner linken. Die Arkonidin direkt vor ihm. Sie zog Kuckmaster die Hosen herunter.

»Wird der liebe Tirg mildernde Umstände bei unseren Prozess walten lassen?«, erkundigte sich die Terranerin, während sie ihre Zunge über seinen Hals gleiten ließ.

»Oh ja, das wird er«, murmelte Kuckmaster in Ekstase.

Er wühlte in seiner Brusttasche herum und holte drei kleine Stangen heraus. Sie schimmerten grünlich. Er gab den beiden Frauen je eine und injizierte sich selbst die Droge. Das Rauschmittel zeigte sofort seine Wirkung. Er streifte das Oberteil der Terranerin ab und begann von ihren prallen Brüsten zu kosten.

Die Beobachter hatten nun genug gesehen. Die drei Männer stürmten in die Wohnung. In Panik schrien die beiden Frauen auf.

Sam Tyler hechtete durch den Raum und drückte Kuckmaster die Mündung eines aktivierten Thermostrahlers an die Schläfe. Gal’Arn und Jonathan Andrews betraten nun auch das Zimmer. Gal’Arn wies Andrews an, sich um die beiden Frauen zu kümmern. Er nahm eine Decke und legte sie über die unbekleidete Terranerin. Anschließend drückte er ihnen ein paar Galax in die Hand.

»Damit kommt ihr eine Weile über die Runden. Überdenkt euer Leben und macht etwas Sinnvolles aus euch«, sprach er eindringlich.

Die Terranerin und die Arkoniden staunten nicht schlecht über das viele Geld. Sie drückten Jonathan einen Kuss auf die Wange und verließen Kuckmasters Zimmer. Mit der kleinen Entschädigung hatte sich der Ritter auch ihre Verschwiegenheit gekauft. Gal’Arn bemerkte Andrews Schmunzeln.

»Tja, Frauen wissen halt, wie man es einem am besten dankt«, meinte Jonathan grinsend.

Dann wurde er wieder ernst und blickte zu Kuckmaster, der in einer wenig würdevollen Pose mit herunter gelassenen Hosen auf der Couch kauerte. »Hohes Gericht. Folgendes wird dem Wichser Kuckmaster zur Last gelegt. Drogenkonsum, Propaganda und ein völlig unmoralisches Benehmen gegenüber Gästen.«

Tyler hatte sein diabolischstes Grinsen aufgesetzt, als er die Worte sprach. Er musterte Kuckmaster langsam von oben bis unten. Das war dem Staatsanwalt sichtlich peinlich. Gal’Arn jedoch erlaubte ihm, sich wieder anzukleiden. Zitternd und übereilt stülpte er sich die Hose über und starrte die drei »Besucher« fassungslos an.

»Was wollen Sie von mir? Ich habe Geld … ich bin einflussreich …«

Tyler drückte seine Waffe an Kuckmasters Nase. Er sagte nichts, ließ die Präsenz der Waffe für sich sprechen.

Nun mischte sich der Ritter der Tiefe ein. Er beugte sich auf ein Knie, damit er sich in Augenhöhe zu Kuckmaster befand.

»Sie haben einen Sicherheitspass für den Hochsicherheitstrakt. Wie Sie wissen, werden dort alle Gefangenen während ihres Prozesses oder vor Vollstreckung des Urteils inhaftiert. Führt uns dorthin und ihr dürft am Leben bleiben.«

Gal’Arns Worte waren ungewöhnlich ernst gesprochen. Er drohte Kuckmaster mit dem Tod. Andrews blickte fragend zu seinem Meister. Tyler hätte den Staatsanwalt wohl am liebsten sofort niedergeschossen.

»Aber … da kommt ihr nicht rein«, stotterte Kuckmaster. »Ich schon – ihr drei nicht! Ich kann euch unmöglich dort hinein schmuggeln!«

»Überlassen Sie das uns«, antwortete Gal’Arn ruhig.

Er gab Sam Tyler ein Zeichen, der den Richter unsanft am Kragen packte und hochzog.

Als Kuckmaster auf eigenen Beinen stand, presste ihm Tyler seinen Thermostrahler in den Rücken. »Darf ich bitten?«

 

Kapitel 5 - Die waghalsige Flucht

»Herein!«, rief Glaus Schyll unfreundlich.

Das Türschott schob zur Seite und Tania Walerty stand an der Schwelle. Schylls Augen weiteten sich, als er erkannte, wie weit ihre Uniform geöffnet war.

»Hi«, säuselte sie. »Darf ich hereinkommen?«

Schyll bat sie herein. »Was wollen Sie?«

Tania setzte sich auf sein Sofa und schlug die Beine übereinander. Sie bemerkte genau, dass Schyll sie eingehend studierte. Sein Blick wanderte von ihren hochhackigen Lederstiefeln über ihre Knie, ihren Schoß bis hin zu ihrem geöffneten Dekolleté. Sie schaute ihn aus halb geöffneten Augenlidern an.

»Sie wissen, dass ich Karriere machen will. Bei Xavier war das nicht so einfach. Er war ein guter Kommandant, belohnte aber nur dienstliche Leistung. Ich frage mich, ob ich nicht bei Ihnen mehr Erfolg haben könnte?«

Schyll goss sich ein Glas Vurguzz ein. Tania wollte auch etwas von dem grünen Getränk. Lächelnd überreichte er ihr ein zweites Glas. Beide stießen an. Dann setzte er sich zu ihr und fuhr mit seinem Finger über ihre Beine.

»Sie sind bei Despair abgeblitzt. Nun wollen Sie es bei mir versuchen. Kleveres Mädchen«, flüsterte Schyll.

Tania lehnte sich zurück und streichelte mit ihrem rechten Fuß seine Hüfte. Sie bemerkte Schylls Erregung. Er kam ihr näher.

»Eine handfeste Terranerin ist mir aber auch lieber als Erste Offizierin als ein Blechhaufen oder eine Blues-Kreatur.«

 

Er wollte sie küssen, doch sie zog die Beine an und drückte ihn sanft weg.

»So einfach bin ich auch wieder nicht zu haben.«

Schyll erhob sich und lief aufgeregt durch den Raum. Tania beobachtete ihn. Was hatte er jetzt vor? War sie zu weit gegangen? Sie nahm einen Schluck Vurguzz und stand ebenfalls auf. Langsam schritt sie zu Schyll und streichelte durch sein Haar. Es war irgendwie klebrig und gar nicht geschmeidig. Tania musste sich beherrschen. Schließlich bezweckte sie etwas mit ihrem Versuch.

Plötzlich summte das Interkom auf. Wütend ging Schyll heran.

Lorif erschien per Hologramm. »Oberst Schyll, ich wollte Sie nur an die für heute Abend geplante Übung erinnern«, erklärte der Posbi.

»Verdammt!«, stieß Schyll wütend aus. Er schaute zu Tania, die sich elegant wieder auf das Sofa niederließ und betont ihre Brust anspannte. Sie lächelte Schyll an.

»Die Übung wird auf morgen verlegt. Geben Sie der Crew frei. Sie soll sich auf Paxus amüsieren. Ich gedenke selbiges zu tun.«

»Aber, Sir?«, wandte Lorif ein, doch Schyll beendete einfach die Verbindung. Anscheinend wollte er heute nichts mehr zwischen ihm und Tania Walerty bekommen.

»Ein romantisches Kerzenscheinessen wäre doch was?«, fragte Tania.

Schyll, der offenbar endlich zur Sache kommen wollte, blickte sie entgeistert an. Dann rief er einen Servo herbei, der den Tisch deckte. Wenige Minuten später servierte der kleine Servoroboter eine schnell zubereitete Mahlzeit.

»Hm, was gibt es denn Leckeres?«, erkundigte sich Tania und fletschte sich auf den Sessel aus Formenergie, der just in dem Moment projiziert wurde, als sie sich niederließ. Hungrig kostete sie von dem zarten Fleisch. Es schmeckte aber irgendwie seltsam. Das Fleisch zerging widerstandslos auf der Zunge. Für Tanias Geschmack war es etwas zu weich und hatte einen zu derben Nachgeschmack.

Schyll setzte sich ihr gegenüber und starrte sie fortwährend an. Tania behagten diese Blicke nicht.

»Was ist das überhaupt?«, wollte sie schließlich wissen.

»Affengehirn«, antwortete Schyll und stopfte sich genüsslich einen großen Happen von der Delikatesse in den Mund.

Tanias Miene versteinerte sich. Ungeniert spuckte sie das Zeug sofort aus und nahm einen kräftigen Schluck vom Vurguzz.

*

Jeamour schien endlich satt zu sein. Wallace stocherte noch unmotiviert im Essen herum. Warum sollte er sich jetzt noch den Magen vollschlagen? Morgen würde er tot sein! Hätte er doch nur eine Möglichkeit auszubrechen. Wütend warf er die Gabel in die Ecke.

Jeamour schüttelte den Kopf. »Mein Erster Offizier sollte nicht so hitzköpfig sein«, bemerkte er gelassen und nahm noch einen großen Schluck vom bulgarischen Wein. Dann schaute er auf sein Chronometer.

Wallace verstand nicht, wie Jeamour so leichtfertig mit der Situation umgehen konnte. Vielleicht spielte der Kommandant auch nur etwas vor, um Wallace einen gewissen Grad der Sicherheit zu geben.

Plötzlich öffnete sich die Zellentür. Mit diesem Besucher hatte Wallace nun wirklich nicht gerechnet. Der Staatsanwalt Tirg Kuckmaster stand mit bleicher Miene vor ihnen. Wallace schaute ihn verdutzt an. Kuckmaster betrat langsam die Zelle. Plötzlich tauchten drei Gestalten hinter ihm aus dem Nichts auf.

»Johnny!«, rief Wallace enthusiastisch.

Gal’Arn, Jonathan Andrews und Sam Tyler hatten ihre Tarnfelder deaktiviert und befanden sich im Zellenraum.

»Jetzt schnell!«, rief Gal’Arn.

Tyler baute eine kleine Transmitterstation auf und aktivierte sie. Gal’Arn lief derweil in die Nachbarzelle und befreite Jenny Taylor.

Jeamour lächelte die drei Befreier an. »Das wird aber auch Zeit.«

Wallace starrte seinen Kommandanten verblüfft an. Jeamour hatte von der Befreiungsaktion gewusst! Deshalb war er so gleichgültig mit dem Urteil umgegangen. Wallace verfluchte sich selbst für seine Naivität. Er hätte es besser wissen müssen.

»Fertig«, meldete Tyler.

»Wohin führt uns dieser Transmitter?«, wollte Jenny Taylor wissen.

»Direkt zur IVANHOE, meine Liebe«, erklärte Jeamour und forderte Doktor Taylor auf, hindurch zu gehen. Mit einem Lächeln befolgte sie die Bitte ihres Kommandanten und verschwand durch das Transmitterfeld. Tyler schlug Kuckmaster bewusstlos und sprang auch in den Transmitter. Dann trat auch Wallace durch das Bogenfeld.

Als er auf der anderen Seite des Transmitters rematerialisierte, grinste ihn Zyrak Wygal an.

»Hallo, Sir!«

Wallace musste nun auch lachen. Er umarmte den Blue. Dann wurde er von Lorif und Irwan Dove begrüßt.

Gal’Arn, Jonathan Andrews und Xavier Jeamour befanden sich nun auch auf der IVANHOE. Tyler erklärte, dass sich der Transmitter nun selbst zerstören würde, um ihre Spuren zu verwischen. Die Wachmannschaften des Hochsicherheitsblockes würden sicherlich innerhalb der nächsten Minuten ihr Verschwinden bemerken.

Jeamour klatschte in die Hände. »Also gut, machen wir die IVANHOE startklar!«

Wallace glaubte nicht richtig zu hören.

»Sir?«, fragte er irritiert nach. »Was ist mit Schyll und seinen Leuten?«

»Es war eine gute Idee von mir, die Übung abzublasen. Jetzt haben wir Zeit für uns zwei. Keiner wird uns stören«, sprach Schyll selbstgefällig.

Tania schmiegte sich an die Couch und hob ihre Beine. Schyll hockte sich hin und ließ seine Wange von Tanias Fuß streicheln. Er küsste ihren Stiefel.

»Du findest meine Schuhe wohl anziehend?«

»Ich stehe auf so etwas«, gestand Schyll. Langsam löste er mit den Zähnen die Bindung des Stiefels.

»Die sind sehr gut«, erklärte Tania. »Bequem, sehen cool aus und man kann damit richtig gut zutreten.«

Schyll schaute sie verwundert an. Dann fing er sich einen harten Tritt ins Gesicht ein. Schreiend fiel er zu Boden.

Tania trat ihm in den Bauch. Dann rannte sie zu seinem Waffenschrank und schnappte sich einen Strahler. Sie richtete ihn auf den Kommandanten der IVANHOE.

»Oh ja, du bist meine Herrin. Ich war unartig«, rief Schyll.

Tania verdrehte die Augen.

»Falls du es immer noch nicht kapiert hast. Das ist eine Entführung.«

Schyll fasste sich an die Schläfe.

»Von wem?«

»Nicht von wem«, grinste Tania Walerty. »Von was …«

*

»Ich protestiere!«, brüllte Glaus Schyll, doch niemand hörte auf ihn.

Irwan Dove schob ihn unsanft in ein Beiboot, wo bereits vierzig quarteriale Soldaten auf ihren Kommandanten warteten.

»Seht mal, wen ich hier habe!«, rief Wallace. Er zog Ignaz Ruon mit sich, der versucht hatte, sich zu verstecken.

Jenny Taylor stellte sich vor den Ara. Sie hielt eine Spritze in der Hand und schaute ihn böse an. Dann hämmerte sie ihm die Nadel in den Allerwertesten.

»Töten Sie mich nicht!«, bettelte der Ara.

Jenny schüttelte den Kopf. »Das wird Sie nicht umbringen. Sie werden wahnsinnige Diarrhöe davon bekommen. Viel Spaß.«

Ruon wurde zu Schyll und den anderen gebracht. Mathew Wallace, Irwan Dove und Jenny Taylor eilten in die Kommandozentrale. Dort wurden sie von Xavier Jeamour, Gal’Arn, Jonathan Andrews, Sam Tyler, Lorif und Tania Walerty bereits erwartet.

»Sir, das Schiff ist soweit gereinigt«, meldete Wallace. »Schon seltsam, dass ihr Schyll so leicht überzeugen konntet, der Besatzung frei zu geben. Das passt doch gar nicht zu diesem Militaristen.«

Tania fing an, viel sagend zu grinsen.

Wallace verstand sehr schnell. Dann setzte er sich an seine Navigationskonsole. Lorif meldete, dass einundvierzig von vierhundertfünfzig Besatzungsmitgliedern dem Quarterium treu bleiben wollen. Jeamour befahl, sie mit der Space-Jet auszusetzen. Dann bedankte er sich via Interkom bei den tapferen vierhundertzehn Crewmitgliedern, die zu ihm hielten.

Natürlich waren das nicht alle Besatzungsmitglieder der IVANHOE. Der Großteil hatte heute Nacht frei. Nur so war es Lorif und Dove möglich gewesen, die Vorbereitung für die Kaperung der IVANHOE zu treffen.

Wallace konnte seine Überraschung immer noch nicht verbergen. Er stand auf, schaute Jeamour an und hob wie ein Schuljunge den Finger, um sich zu Wort zu melden. »Admiral, wie haben Sie das angestellt?«

Jeamour schmunzelte. »Der Dank gebührt Lorif. Mir war klar, dass die neue USO nicht tatenlos herumsitzen würde, ebenso wenig wie unsere treuen Freunde von der Crew. Ich habe ihnen vertraut.«

Wallace sah Lorif ungläubig an. Ausgerechnet der sonst so vorschriftentreue Posbi dachte sich einen Plan zur Befreiung der drei Verurteilten und der Entführung der IVANHOE aus?

Lorif bemerkte Wallace Blicke. »Nun, ich habe einige menschliche Attribute gelernt. Darunter auch Freundschaft«, erklärte der Posbi. »Gal’Arn, Mister Andrews und Mister Tyler sollten deine Befreiung durchführen, während die loyalen Besatzungsmitglieder alle Vorbereitungen für die Entwendung der IVANHOE treffen sollten. Unser Ziel war es, die IVANHOE so leer wie möglich zu machen. Das ist uns auch gelungen.«

Wallace konnte die Verwunderung immer noch nicht ablegen. Doch letztendlich war es ihm egal. Hauptsache sie waren frei. Obwohl es ihn tief berührte, welches Risiko seine Kameraden und Freunde für ihn und die anderen beiden gegangen waren.

Xavier Jeamour setzte sich in den Kommandosessel und schien darüber sehr beglückt zu sein. Offenbar genoss es der Admiral, wieder das Kommando über sein Schiff zu haben. Obwohl er es sich nicht ganz legal erschlichen hatte.

»Meine Herren! Es wird Zeit für einen neuen Flug der IVANHOE«, sprach der Belgier.

Er gab Wallace ein Zeichen. Der Schotte machte das Schiff startklar. Zyrak Wygal begab sich zum Maschinenraum und auch die anderen besetzten ihre Positionen.

»Das Schiff fliegt in Unterbesetzung, Sir. Es wird aber ausreichen, um zu fliehen«, berichtete Lorif.

Jeamour nickte. Er wechselte einen Blick mit Gal’Arn und Jonathan Andrews. Dann bat er Andrews, sich ebenfalls auf der Brücke nützlich zu machen. Jonathan nahm die Aufforderung gerne an.

»Auf mein Kommando starten.«

Jeamour schaute sich erneut auf der Kommandobrücke um. Mathew Wallace ahnte, was der Kommandant fühlte. Es musste stolz auf diese Crew sein, die ihren Verstand benutzt hatte. Jedem noch an Bord der IVANHOE II befindlichen Offizier war klar, dass das Quarterium ein diktatorisches, gefährliches Regime war. Doch es war legalisiert worden. Sie standen nun kurz davor, Rebellen zu werden. Geächtete ohne Heimat. Wallace war sich sicher, dass er den richtigen Weg mit den anderen ging. Doch war sich jeder auf der IVANHOE über diese Konsequenzen bewusst?

»Jetzt!«, kommandierte Jeamour.

Wallace bestätigte und setzte die IVANHOE in Bewegung. Ganz langsam nahm die IVANHOE an Fahrt auf und steuerte auf die Schleuse der großen DINO-III-Raumwerft zu. Diese Raumstationen waren eigens für Supremoraumer entworfen worden. Es gab insgesamt zehn in ganz Cartwheel. Sie hatten einen Durchmesser von zehntausend Metern. So konnten sie maximal drei große Supremoraumer auf einmal warten.

Wallace Blick schweifte zur PAXUS, die neben ihnen lag. Es war das Flaggschiff der Ersten Terranischen Flotte des Quarteriums. Ausgerechnet Orlando de la Siniestro war der Kommandant des gewaltigen Schiffes.

»Admiral, wir erhalten einen Funkspruch von der DINO-III-Überwachungsstation«, meldete Tania Walerty aufgeregt. »Sie fragen, was wir machen.«

Jeamour grinste. »Erklären Sie ihnen, dass wir die IVANHOE stehlen.«

*

Glaus Schyll hämmerte wütend an die Luke der Space-Jet. Warum hörte ihn niemand von der Raumwerft? Die Space-Jet wurde von außen verriegelt. Sämtliche Kommunikationsanlagen waren deaktiviert worden.

Ignaz Ruon tippte Schyll auf die Schulter. Wütend drehte sich der Quarteriale um. Dann wusste er, was Ruon wollte. Er blickte aus dem Fenster und sah, wie sich die IVANHOE gemächlich auf das Schott der DINO-III-Raumwerft zu bewegte.

»Das kann nicht möglich sein! Dieser verdammte Hund klaut mein Schiff«, fluchte Schyll.

Endlich öffnete sich die Schleuse. Verdutzte Männer vom Wachpersonal sahen Schyll und seine Leute an. Er bahnte sich den Weg zur Kommandostation der Raumwerft. Dort angekommen forderte er den diensthabenden Offizier auf, die IVANHOE unter keinen Umständen durch das Schott fliegen zu lassen.

»Zweitausend Meter bis zum Schott«, meldete Irwan Dove.

»Wann öffnet sich das Ding?«, wollte Andrews nervös vom Kommandanten wissen.

Jeamour blickte Lorif erwartungsvoll an.

»Einen Moment noch, Sir«, gab der Posbi zurück.

In diesem Moment meldete sich Glaus Schyll. Seine Holografie erschien auf der Brücke der IVANHOE. Jeamour stand auf und grüßte seinen Widersacher betont freundlich.

Schyll hatte keine Zeit für diese Floskeln. »Jeamour, wenn Sie nicht sofort stoppen, werde ich die IVANHOE vernichten lassen!«

»Och, Sie sollten Ihre Kompetenzen nicht überschätzen, Schyll. Meine Crew quittiert den Dienst beim Quarterium. Anstelle einer Abfindung nehmen wir die IVANHOE mit. Seien Sie doch bitte so nett und richten das Despair aus.«

Schyll bebte vor Wut. Sein Kopf lief rot an. Dann fasste er sich an die Schläfe und schien nachzudenken. Viel fiel ihm offenbar nicht ein. Er drohte Jeamour erneut: »Die Schotten sind geschlossen. Sie haben keine Chance!«

Lorif gab in diesem Moment Jeamour ein Zeichen. Dieser bestätigte. Plötzlich setzten sich die Stahltüren in Bewegung und öffneten sich. Schyll starrte ungläubig auf den Ausgang der Raumwerft.

Xavier grinste nur. »Mister Wallace. Volle Kraft durch und dann sofort in den Hyperraum eintauchen, bevor uns die Wachflotten auf die Pelle rücken«, befahl er seinem Ersten Offizier.

»Aye«, meldete Wallace. Just in diesem Moment beschleunigte er. Die IVANHOE legte gewaltig an Fahrt zu. Doch die Schotten öffneten sich nicht so schnell, wie gedacht. Wallace schloss die Augen. Das konnte er sich nicht mit ansehen. Plötzlich driftete die IVANHOE etwas nach links ab. Jeamours Kopf bewegte sich in dieselbe Richtung. Er lächelte gequält und setzte sich in seinen Stuhl. Sofort aktivierte er die Sicherheitsgurte.

Andrews Mund öffnete sich weit, dann verzog er das Gesicht. Mit einem lauten Dröhnen schlug die IVANHOE gegen die zu drei Viertel geöffneten Schotten und schob diese mühelos aus der Verankerung.

Einige kleinere Explosionen erschütterten die IVANHOE und die Raumwerft. Für einen unendlich langen Moment schien das Schiff fest zuhängen. Wallace öffnete die Augen und beschleunigte, dann waren die Schutztore endgültig aus der Verankerung gerissen. Vor der IVANHOE lag der freie Weltraum.

»Fünfzig Supremoraumer drei Millionen Kilometer entfernt!«, rief Andrews. »Kommen näher!«

Das Hologramm von Glaus Schyll war inzwischen erloschen. Man konnte Jeamour das Bedauern ansehen. Er hätte bestimmt gerne das Gesicht von Schyll gesehen, als die IVANHOE durch die Schotten geflogen war.

Jeamour löste die Sicherheitsgurte. Die feindlichen Supremoraumer kamen näher. Hunderte Abfangjäger und kleine Kreuzer brausten auf die IVANHOE zu und eröffneten das Feuer.

Dann hatte das Schiff eine Beschleunigung von 1200 Kilometer in der Quadratsekunde erreicht. Schnell genug, um die Grigoroffs zu aktivieren.

»Zyrak!«, rief Jeamour in den Interkom.

»Bei allen karierten Kreaturen. Das Schiff gibt schon alles. Die Mühle bricht mir gleich auseinander«, meckerte der Jülziisch. In diesem Moment tauchte die IVANHOE in den Hyperraum ein und verschwand.

*

Glaus Schyll starrte ungläubig auf die Anzeigen. Die IVANHOE war weg. Einfach weg! Unfassbar! Doktor Ignaz Ruon wurde kreidebleich im Gesicht. Er dachte anscheinend das, woran Schyll nicht zu denken wagte.

Die IVANHOE wurde ihnen gestohlen! Einfach unter dem Hintern weg gestohlen. Wer war denn so dreist und klaute ein Schiff direkt aus dem Heimatsystem des Quarteriums? Xavier Jeamour und seine verfluchte Crew waren es!

Er verwünschte diese Deserteure. Wütend drückte er auf den Interkom und ließ sich eine Verbindung mit der Paxus herstellen. Der Erste Offizier erschien auf dem Bildschirm. Schyll forderte ihn auf, ihm das Kommando zu übergehen. Er kündigte an, die IVANHOE wieder zurück zu holen.

»Ich bezweifele dies«, hörte er eine dunkle Stimme sagen.

Schyll zuckte zusammen. Plötzlich wurde ihm heiß. Dann wieder kalt. Ängstlich drehte er sich um. Vor ihm stand der silberne Ritter Cauthon Despair.

 

»Ich … ich kann das erklären«, stammelte der ehemalige Kommandant der IVANHOE aufgeregt.

Hinter Despair standen Schylls Gönner; Oberstleutnant Jodur Ta’Len Weron, Oberstleutnant Keitar Ma’Tiga Leson und General-Kommandeur Stevan da Reych. Sie blickten Schyll kalt an. Weron schüttelte den Kopf.

»Sie haben versagt, Captain Schyll. Sie hatten das Kommando über die IVANHOE. Wie konnte es zu diesem Diebstahl kommen?«, wollten der Generalleutnant wissen.

Schyll fühlte sich in die Ecke gedrängt. Was sollte er nun sagen? Dass er der Crew freigegeben hatte, um sich mit Tania Walerty zu vergnügen? Dass er von diesem Miststück und den anderen Besatzungsmitgliedern an der Nase herumgeführt wurde? Wohl kaum! Irgendwie musste er seine Haut retten.

Doch es war zu spät. Despair packte ihn plötzlich am Hals. Die eiserne Pranke des silbernen Ritters umschloss Schylls Hals und drückte zu. Der Kapitän versuchte verzweifelt sich zu wehren. Er hatte keine Chance. Sein Genick brach entzwei. Regungslos sackte er auf den Boden.

Despair blickte Ignaz Ruon an. Der Ara wich instinktiv zurück. Er wollte nicht das nächste Opfer von Despair sein.

»Erschießt alle, die ihre Pflicht vernachlässigt haben!«, befahl Despair.

»Sollen wir Suchschiffe losschicken?«, wollte Generalleutnant Leson wissen.

»Nein! Die IVANHOE ist uns entkommen. Doch ich bin sicher, wir werden sie schon sehr bald wiedersehen …«

 

Kapitel 6 – In Freiheit

17. März 1305 NGZ

Es war ein denkwürdiger Augenblick, als das über 2.500 Meter große Schlachtschiff in den Hangar des Mondes Quinto flog. Die Agenten und Mitarbeiter der USO staunten nicht schlecht. Zuerst dachten einige sogar an eine Invasion des Quarteriums, doch die Verantwortlichen der USO konnten das Missverständnis schnell aufklären.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht: Die IVANHOE war von ihrer alten Crew gestohlen worden!

Xavier Jeamour stand stolz auf der Kommandobrücke des gigantischen Raumers und betrachtete den Unterschlupf der USO. Quinto-Center befand sich auf einem alten Mond, der ohne Planet seine Bahnen in einem verlassenen System zog. Der Großteil der Anlagen befand sich innerhalb des Mondes. Die Infrastruktur hatten die USO Agenten bereits so vorgefunden.

Jeamour überlegte, ob DORGON gewusst hatte, dass eines Tages diesem geheimen Versteck eine besondere Bedeutung zukommen würde.

Nachdem Wallace die IVANHOE sicher in den riesigen Hangar manövrierte und Lob dafür bekam, besser einparken als ausparken zu können, berief Xavier Jeamour eine Besprechung ein. Die sieben wichtigsten Besatzungsmitglieder der IVANHOE, neben Jeamour noch Mathew Wallace, Lorif, Irwan Dove, Zyrak Wygal, Tania Walerty und Doktor Jennifer Taylor fanden sich mit Gal’Arn, Jonathan Andrews und Sam Tyler in den Konferenzraum ein. Weniger Minuten später erreichten auch die Vertreter der USO das Zimmer.

Jeamour begrüßte Jan Scorbit und Rosan Orbanashol-Nordment freundlich. Über den dritten Gast freute er sich besonders – Saraah! Doch nicht nur Jeamour, natürlich auch Mathew Wallace, der seiner Sehnsucht freien Lauf ließ und Saraah küsste und fest an sich drückte.

Nach der innigen Begrüßung ergriff Scorbit das Wort: »Es freut mich, dass unsere Operation von Erfolg gekrönt war. Wir waren derweil auch nicht untätig und Saggittor hat Boten nach Siom-Som geschickt. Es ist amtlich! Siom-Som ist in den Händen der Dorgonen. Aurec hat es uns bestätigt.«

Bedauern klang aus den Worten Scorbits heraus. Er schaute bedrückt in die Runde. Noch wusste niemand genau, welche Konsequenzen diese Invasion mit sich brachte. Jedoch ahnte es jeder bereits.

»Aurec ist bereits nach Terra geflogen. Er will Perry Rhodan bitten, eine außerordentliche Konferenz aller betroffenen Nationen abzuhalten. Wenn es einer richten kann, dann Rhodan …«

 

Kapitel 7 - Aus den Chroniken Cartwheels

März 1305 NGZ

Die Jahre zuvor erscheinen wie die Ruhe vor dem Sturm. Nun wird dieser Sturm entfacht und ich befürchte, er wird zu einem alles verzehrenden Hurrikan. Die Invasion der Dorgonen in der estartischen Föderation ruft bei so ziemlich jeden Volk Empörung auf – nur das Quarterium reagiert gelassen.

Die SAGRITON kehrt am 29. März nach Cartwheel zurück. Aurec spricht auf Paxus vor und lädt in Rhodans Namen den Emperador zu einer Konferenz ein. Perry Rhodan will der Invasionspolitik der Dorgonen Einhalt gebieten.

Es bleibt der heldenhaften Besatzung der IVANHOE nicht viel Zeit zum ausruhen, denn sie sollen ebenfalls in die Milchstraße fliegen. Wie sich die Zukunft der Besatzungsmitglieder unter dem Kommando des Belgiers Xavier Jeamour gestaltet, ist ungewiss. Sie sind Gesetzeslose nach den Richtlinien des Quarteriums. Und doch sind sie terranische Staatsbürger und jederzeit in der Liga Freien Terraner willkommen.

Doch dies sind nur Einzelschicksale. Geradezu unbedeutend im Vergleich zu dem, was uns in den nächsten Monaten noch bevorstehen wird …

Jaaron Jargon, Chronist der Insel

 

Kapitel 8 - Die LFT am Scheideweg

15. April 1305 NGZ

Perry Rhodan warf versonnen einen Blick aus dem Fenster seines Büros in der Solaren Residenz. Unzählige Gleiter und Schiffe schwirrten wie Bienenschwärme von und nach Terrania. In der Stadt war der Frühling angebrochen und lockte viele Ausflügler in die Metropole, die sich heute mit strahlend blauem Himmel präsentierte. Ein Bild des Friedens, wie der Terranische Resident meinte.

Hoffentlich blieb es so.

Doch Rhodan hatte schon zu viel Erfahrung gesammelt, als das er nicht wusste, dass der Frieden immer wieder durch aggressive, Macht besessene Wesen bedroht wurde. Er dachte an die düstere Prophezeiung des Kosmokraten Hismoom, der ein Jahrtausend voller Kriege vorausgesagt hatte. Jedoch wollte er alles tun, um einen drohenden Konflikt zu vermeiden. Dieser drohte vor allem wieder durch die Dorgonen. Nach dem Tode Ulemans war ihm mit Commanus ein Kaiser nachgefolgt, der mehr an die Traditionen der alten Kaiser erinnerte, die schon einmal beinahe einen intergalaktischen Krieg heraufbeschworen hatten. Nun waren die Dorgonen nach Siom-Som vorgedrungen und hatten diese Galaxie besetzt. Zwar waren die ESTARTU-Galaxien weit weg – mehr als 40 Millionen Lichtjahre lag Siom-Som entfernt –, doch Rhodan wusste aus leidvoller Erfahrung, dass sich die Ereignisse in einer anderen Galaxie auch auf die heimische Milchstraße auswirken konnte.

Daher hatte er zu einer Konferenz in die alte Stadt Moskau eingeladen. Dort wollte er sich mit den wichtigsten Staatsoberhäuptern treffen, um nach einer friedlichen Lösung zu suchen.

Rhodan wurde in seinen Gedankengängen unterbrochen, als ihm seine Sekretärin meldete, dass die IVANHOE II auf dem Raumhafen von Terrania gelandet war und einige Besatzungsmitglieder mit ihm zu sprechen wünschten. Der Terranische Resident ordnete an, dass die Gäste unverzüglich zu ihm gebracht werden sollten.

Bereits kurze Zeit später erschienen Jan Scorbit, der Leiter der USO in Cartwheel, der Ritter Gal'Arn, dessen Schüler Jonathan Andrews, Besatzungsmitglied Mathew Wallace sowie die Jerrer Saraah und der Dorgone Torrinos in seinem Büro. Perry begrüßte die Neuankömmlinge herzlich und lud sie ein, Platz zu nehmen.

Torrinos war bereits vor einiger Zeit angekommen und hatte Rhodan über die Invasion in Siom Som berichtet. Perry wollte sich aber auch den Bericht von Saraah anhören.

»Es ist schön, euch alle gesund und munter wiederzusehen.«

»Ja, das finde ich auch«, sagte Mathew Wallace lächelnd in Anspielung auf die Ereignisse der letzten Tage, bei denen er knapp dem Tode entgangen war.

»Bitte berichtet mir ausführlich, was passiert ist«, bat Rhodan seine Gäste.

Abwechselnd berichteten Mathew Wallace, Gal'Arn und Jan Scorbit über die erschreckende Entwicklung innerhalb Cartwheels und den Aufstieg des Quarteriums sowie über den Schauprozess bei dem Wallace und Xavier Jeamour zum Tode verurteilt worden waren und ihre anschließende Befreiung durch Gal'Arn und die Flucht mit der IVANHOE II nach Quinto.

»Aus diesem Grunde hielt ich es für das Beste, der IVANHOE II und ihrer Besatzung Asyl zu gewähren und sie in die USO aufzunehmen«, schloss Jan Scorbit. »Hier in der Milchstraße sind sie vor den Nachstellungen des Quarteriums sicher. Außerdem halte ich die Handlungsweise von Kommandant Jeamour und Mathew Wallace für gerechtfertigt. Die Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffs wie im Fall Dorgon gegen Siom Som, ist nach den Statuten der Neuen USO illegal.«

Perry Rhodan schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich begreife nicht, wie das Gericht zu einem solchen Urteil gelangen konnte. Und dann noch die Todesstrafe zu verhängen – geradezu barbarisch.«

»Die Todesstrafe wurde vor kurzem wieder eingeführt«, erklärte Scorbit. »Dazu noch einige andere Bürgerrechtsbeschränkungen, alles mit Zustimmung des Parlaments und damit völlig legal.«

»Was ist nur mit Cartwheel geschehen?«, stellte der Resident in den Raum. »Ich werde mit dem Marquês de la Siniestro darüber sprechen. Das alles ist nicht im Sinn der Werte, die die LFT vertritt!«

»Dies alles geschieht mit ausdrücklicher Billigung des Emperador de la Siniestro, wie er sich jetzt nennt«, berichtete Gal'Arn. »Niemand im Parlament würde es mehr wagen, sich offen gegen de la Siniestro zu stellen.«

Rhodan schwieg einen Moment betroffen, dann wandte er sich Saraah zu. »Bitte berichten Sie mir, was sich in Siom-Som zugetragen hat.«

Die hübsche Jerrer erzählte ausführlich von der aktuellen Lage innerhalb der Galaxis Siom-Som und wie es zum dem Überfall der Dorgonen gekommen war, und dass die dorgonische Widerstandsbewegung Kontakt zu der somerischen Résistance, die von dem ehemaligen Generalsekretär des Paxus-Rates, Sruel Allok Mok geführt wurde, aufgenommen hatte.

»Siom Som hat am 6. März kapitulieren müssen. Sam fürchtet, dass auch die anderen Galaxien erobert werden sollen und dass dies nur der Anfang einer schrecklichen Entwicklung ist. Deshalb hat er eine Untergrundorganisation gebildet. Doch dazu benötigt er Hilfe von außen. Daher wurde ich beauftragt, bei der Neuen USO in Cartwheel um Unterstützung zu bitten. Das Quarterium sieht uns jedoch als Terroristen und nicht als Freiheitskämpfer an. Von denen ist also keine Hilfe zu erwarten. Uns bleibt nur die Hoffnung auf die USO und die LFT.«

Rhodan runzelte die Stirn. Oftmals war die Grenze zwischen Widerstandskämpfern und Terroristen schwer zu erkennen. Mal wurden aus Terroristen Widerstandskämpfer oder umgekehrt aus Widerstandskämpfern Terroristen. Er erinnerte sich zurück, als er und seine Freunde selbst zum Widerstand gezwungen waren während der Besatzung der Milchstraße durch die Ewigen Krieger und Sotho Styg Ian. Rhodan und einige seiner Getreuen arbeiteten damals als Gänger des Netzes in der Mächtigkeitsballung ESTARTUs gegen die Ewigen Krieger und wurden von den Pterus als Terroristen angesehen.

Doch sie hatten niemals Terror-Methoden angewendet und das war der entscheidende Punkt. Rhodan kannte Sruel Allok Mok als ehrenwerten Humanisten. Er würde niemals terroristische Methoden anwenden und auch die dorgonische Widerstandsbewegung war immer bemüht gewesen, Unschuldige zu schützen, ganz im Gegensatz zu den Kaisern, die sie bekämpften. Perry brauchte also nicht lange zu überlegen, wem er Sympathie entgegenbrachte.

»Ich verspreche Ihnen, dass ich bei der bevorstehenden Konferenz alles tun werde, um dieses Problem zu lösen«, erklärte der Terranische Resident. »Der Angriff der Dorgonen ist völkerrechtswidrig. Sie werden damit nicht durchkommen. Ich bin sicher, auch mit den anderen Sternenreichen eine Einigung erzielen zu können. Morgen erwarte ich Aurec in Terrania-City. Sobald er hier ist, berate ich mit ihm das weitere gemeinsame Vorgehen. Die Besatzung der IVANHOE II steht unter dem Schutz der LFT.«

Zufrieden verabschiedeten sich seine Gäste und ließen einen nachdenklichen Zellaktivatorträger zurück.

*

Am nächsten Tag landete Aurec mit seinem Flaggschiff SAGRITON auf dem Raumhafen von Terrania, wo er von Perry Rhodan und Reginald Bull mit allen Ehren empfangen wurde. Nachdem die Drei das politische Protokoll und die Medienprozedur überstanden hatten, zogen sie sich in die Solare Residenz zurück, um die aktuelle politische Situation zu besprechen.

Rhodan berichtete Aurec von der Ankunft der IVANHOE II und den Darlegungen der Besatzungsmitglieder.

Als er fertig war, blickte ihn der Saggittone besorgt an. »Saggitton ist sehr beunruhigt über die Entwicklung der Lage, nicht nur in Siom-Som und Dorgon, auch die Entwicklung in Cartwheel und der Machtaufstieg des Quarteriums bereitet uns Sorge.«

»Gewiss, einige Dinge sind nicht sehr erfreulich, aber die Milchstraßenvölker und die Völker Cartwheels sind schließlich Verbündete und werden sich auf ihre gemeinsamen Werte besinnen. Beide Galaxien sind eng miteinander verbunden.«

Aurec widersprach. »Perry, Cartwheel ist doch jetzt im Grunde das Quarterium. Wer soll sich diesem starken Machtblock ernsthaft widersetzen können? Die Saggittonen werden immer mehr isoliert. Der Angriff der Dorgonen wird vom Quarterium geduldet. Ich bezweifele sehr, dass die dagegen einschreiten. Wenn aber kein diplomatischer Weg aus dieser Krise gefunden wird, befürchte ich einen intergalaktischen Krieg.«

Reginald Bull stimmte dem Saggittonen zu. »Ich bin Aurecs Meinung. Diese monarchistischen Armleuchter aus Dorgon werden sich ganz Estartu holen wollen. Siom-Som ist doch erst der Anfang. Also treten wir diesen Korinthenkackern in den Arsch, bevor sie zum nächsten Schlag ausholen!«, regte sich Bully auf, wobei er rot im Gesicht anlief.

»Bully, bitte tu mir den Gefallen und halte dich auf der Konferenz mit deinen blumigen Äußerungen zurück«, ermahnte Rhodan seinen ältesten Freund.

»Na klar doch, Perry. Bin ich schon mal aus der Rolle gefallen? Du kennst mich doch«, versicherte dieser treuherzig.

»Eben«, seufzte Rhodan. »Ist für die Konferenz in Moskau alles vorbereitet, Bully?«

»Ja, alles bestens. Der Kreml ist blitzblank wie seit Genosse Stalins Zeiten nicht mehr. Auch das kalte Buffet habe ich ausgesucht. Eigentlich viel zu schade für diese Sesselfurzer.«

»Nun gut, ab morgen werden die ersten Staatsoberhäupter eintreffen. Hoffen wir das Beste. Hast du noch eine Frage, Aurec?«, wollte Rhodan von dem Saggittonen wissen, der ihn fragend ansah.

»Ja, wer ist Genosse Stalin?«

 

Kapitel 9 - Medienrummel

Das Gipfeltreffen auf Terra war natürlich die Story für die Medien schlechthin, sodass ein riesiges Aufgebot an Journalisten, Kommentatoren, Moderatoren, Kameraleuten und Berichterstattern aller Art auf Terra eintraf, um über die Konferenz in Moskau zu berichten.

Natürlich war auch Speaky Mohlburrys INSELNET live dabei, denn schließlich kam der Emperador von Cartwheel höchstpersönlich nach Terra. Intendant Guy Pallance selbst wollte die Berichterstattung führen. Ohne Speaky Mohlburrys Einverständnis abzuwarten, setzte er sich in den INSELNET-Raumer und flog mit einem ausgewählten Team durch das Sternenportal in die Milchstraße.

Mit dabei war auch Malica Homest, die niedlich wirkende 1,65 Meter große, brünette Nachwuchsjournalistin die von der großen Karriere träumte. Malica war vor drei Jahren als Ersatz für Speaky Mohlburrys Tochter Janela gekommen. Janela war aus beruflichen Gründen nach Terra zurückgekehrt und hatte Malica als Ersatz vorgeschlagen. Zunächst war es auch ganz gut gelaufen für Malica, doch dann war sie immer mehr zum Opfer des skrupellosen Intendanten Guy Pallance geraten und als sie ein wichtiges Interview verpatzt hatte, wurde sie nur noch für unwichtige Dinge eingesetzt. Als Pallance sie nun mit nach Terra nahm, hoffte sie darauf, sich rehabilitieren zu können. Doch Pallance hatte spezielle Pläne mit der jungen Frau. Als sie in ihrem Hotel in Moskau ankamen, weihte er sie ein.

»Hör zu, Kleine. Ich habe eine Möglichkeit für dich, dein Können zu beweisen. Du kennst doch Aurec?«

Malicas braune Augen begannen zu leuchten. »Den obersten Saggittonen? Na und ob ich den kenne! Was für ein gut aussehender Mann! Soll ich etwa ein Interview mit ihm führen?«

Guy Pallance lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Gewissermaßen. Ich will, dass du sein Vertrauen gewinnst. Von mir aus kannst du auch intim mit ihm werden, das ist mir schnuppe, aber ich will, dass du mir Informationen beschaffst, die man sonst in einem normalen Interview nicht bekommt.«

Malica war entsetzt. »Ich soll ihn ausspionieren? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein, Mr. Pallance!«

Pallance grinste kalt.

»Natürlich, Kleine. Dachtest du etwa, du könntest die Reportage über dieses Großereignis machen? Die mache selbstverständlich ich selbst. Aber das ist deine Chance. Wenn du es gut machst, kletterst du die Karriereleiter hinauf, wenn du dich weigerst, schmeiße ich dich raus.«

»Aber das können sie doch nicht machen, Mr. Pallance!«, flehte Malica mit Tränen in den Augen. »Journalismus ist mein ein und alles. Bitte haben Sie doch Mitleid!«

»Mitleid? Was hab ich denn davon? Ich brauche gute Einschaltquoten und gute Werbekunden. Dumme Puten wie dich bekomme ich hunderte. Außerdem habe ich doch Mitleid bewiesen, indem ich dir diese Chance anbiete.«

Pallance zündete sich eine Zigarre an und nahm selbstzufrieden einen tiefen Zug.

»Das Universum ist nur für die Starken da, die Schwachen müssen kuschen oder gehen vor die Hunde. So ist das nun mal, Kleine. Willst du kuschen? Oder willst du deine Chance nutzen? Wenn du gut bist, bekommst du vielleicht sogar die Sendeleitung in Terrania-City.«

Das wirkte. Wenn sie in das Studio von Terrania konnte, war sie den widerlichen Pallance endlich los, überlegte sie. Außerdem stieg die Versuchung in ihr, Aurec näher zu kommen.

»Also gut. Aber wie soll ich an ihn rankommen? Soll ich mich als Journalistin vorstellen?«, wollte sie wissen.

Pallance winkte ab. »Nein, auf keinen Fall. Dann würde er abweisend reagieren. Aurec mag Journalisten nicht besonders. Ich muss mir etwas ausdenken. Es muss wie ein Zufall wirken, dass ihr euch kennen lernt und wenn er erstmal in deine treudoofen Augen guckt, ist es um einen humanistischen Trottel wie ihn sicher geschehen.«

Pallance lachte.

Malica starrte auf den Fußboden. Es gefiel ihr nicht, dass Pallance so abfällig über Aurec, den sie verehrte, redete. Aber sie hatte keine andere Wahl als das Spiel mitzumachen, wenn sie endlich eine richtige Journalistin werden wollte. Dazu musste sie hart sein. Wenn man weich war, konnte man nicht Karriere machen.

*

Zufrieden mit sich und der Welt schlenderte Guy Pallance durch die Hotelhalle.

Speaky Mohlburry konnte sich glücklich schätzen einen so guten Mann wie ihn als Intendanten zu haben. Leider wusste der alte Narr dies nicht immer zu würdigen. Doch Pallance hatte Geduld, eines Tages würde Mohlburry sich beim Quarterium um Kopf und Kragen bringen, dann schlug seine Stunde. Pallance lachte fröhlich.

»Darf man fragen, was sie so erheiternd finden?«, fragte eine bekannte Stimme hinter ihm.

Erschrocken drehte sich Pallance um. Vor ihm stand Speaky Mohlburry. Neben ihm stand ein alter Mann, den Pallance sogleich erkannte - es war Jaaron Jargon, der linguidische Chronist.

Pallance reagierte sichtlich verlegen. »Oh, äh, Mohlburry und Jargon. Was für eine unerwartete Freude, Sie hier zu sehen«, log er.

»Sie sind ein schlechter Lügner. Sie sind bestürzt mich zu sehen, geben Sie es zu«, konterte Mohlburry.

»Aber nein. Wie können Sie so etwas nur denken. Ich bin nur überrascht, Sie hier in Moskau anzutreffen.«

»Wenn Sie nicht so überstürzt mit unserem Firmenraumer aus Cartwheel abgereist wären, hätten Sie uns ja mitnehmen können. So mussten Mr. Jargon und ich mit einer normalen Passage hierher kommen.«

»Es ist eine große Ehre, dass Sie meiner Berichterstattung beiwohnen möchten, Mister Mohlburry.«

Mohlburry verdrehte die Augen. »Bilden Sie sich keine Schwachheiten ein. Ich übernehme die Berichterstattung vom Gipfel selbst. Sie mit ihrem reißerischen Stil sind für ein solch wichtiges Großereignis nicht geeignet. Sie könnten höchstens über »Terra sucht den Superstar« berichten, daher werden Mr. Jargon und ich die Reportage aus dem Kreml übernehmen.«

Pallance schüttelte ungläubig den Kopf. »Das können Sie doch nicht machen! Ich weiß am besten, wie man die Nachrichten für die werberelevante Zielgruppe der Zehn- bis Neunundneunzigjährigen attraktiv macht. Wenn Sie und der alte Kauz das übernehmen, sehen doch nur noch Rentner bei INSELNET zu!«

»Bei uns wird jeder bedient, der die Wahrheit wissen will. Mit diesem Grundsatz habe ich mein Unternehmen aufgebaut und bin bislang gut damit gefahren. Auch Ihnen würde dies gut zu Gesicht stehen. Ich will aber anerkennen, dass Sie uns gute Werbekunden verschafft haben, daher erteile ich Ihnen den Auftrag nach Terrania zu reisen und dort morgen über die Ankunft dieses übergeschnappten Spaniers, der sich Emperador nennt, zu berichten.«

»Aber …«, wollte Pallance protestieren, doch Mohlburry schnitt ihm das Wort ab.

»Kein aber! Das war mein letztes Wort! Sie berichten über die Ankunft der Konferenzteilnehmer, ich und Jaaron über den Rest. Basta!«

Widerstrebend fügte Pallance sich. Jetzt brauchte er um so dringender eine Story über Aurec und wichtige Informationen von ihm. Er brauchte etwas, was nur er allein exklusiv verwenden konnte.

 

Kapitel 10 - Die Ankunft der Imperatoren

Am nächsten Tag berichteten alle Medien mit etlichen Sondersendungen über die Ankunft des Emperador de la Siniestro, der mit seinem gewaltigen Flaggschiff EL CID in Terrania landete. Der große Flottenraumhafen in Terrania war der einzige, der diesen Koloss aufnehmen konnte. Die innere Kugel besaß einen Durchmesser von 5.000 Metern. An der Hauptkugel war ein schmaler, 250 Meter flacher und 1.000 Meter langer Ringwulst angeflanscht. Auf der »hinteren« Seite des Kugelraumers verlief der flache Ringwulst zu einem lang gezogenen, zylinderförmigen »Schwanz« von 2.000 Meter Länge. Unterhalb dieses Zylinderschwanzes befanden sich diverse Hangars. Insgesamt kam die EL CID auf eine Länge von 8.000 und eine Breite von 6.000 Metern. Die gesamte Besatzung kam auf eine Stärke von 98.525 Mann! Davon bildeten 2.500 die Grundbesatzung, die zum Steuern des Schiffes nötig war. An Bord befanden sich außerdem zehn 100 Meter Kreuzer, 400 Space-Jets, 9.000 Jäger und 2.000 Shifts. Die Bewaffnung bestand aus 500 Transformgeschützen, 750 MHV-Geschützen, zehn Transonatoren, einem Hypertron-Impulser, dem Semi-Transit-Feld und fünfzehn Arkonbomben. Flankiert von den zehn 100 Meter Kreuzern und unzähligen Jägern setzte die EL CID auf dem Raumhafen auf.

Perry Rhodan, der de la Siniestro erwartete, hielt nicht viel von solchen Schauspielen. Missmutig beobachte er, wie sich das Schott der EL CID öffnete und eine Gangway herausgefahren wurde. Dann traten etliche Soldaten heraus, die sich auf dem Landefeld in Reih und Glied aufstellten. Dabei war auch ein Orchester, welches die Hymne des Quarteriums spielte.

Nun endlich schritt Don Philippe de la Siniestro betont würdevoll die Gangway herunter. Begleitet wurde er von seinem Sohn Peter, dem Posbi Diabolo und dem Silbernen Ritter Cauthon Despair. Der alte Spanier hob huldvoll die Arme und winkte den Journalisten und schaulustigen Bürgern gnädig zu. Rhodan fühlte sich unwillkürlich an alte Filme erinnert, in denen sich absolutistische Herrscher so aufführten. Der Terranische Resident gab sich einen Ruck und schritt dem Emperador und seinem Gefolge entgegen und begrüßte den alten Spanier, wie es sich gehörte.

»Ich heiße Sie und Ihre Mitarbeiter herzlich auf Terra willkommen, Marquês«, sagte Rhodan und schüttelte dabei die knöchrige Hand des alten Mannes.

»Emperador! Ich bin jetzt Emperador, aber meine alten Freunde dürfen mich auch gern Don Philippe nennen«, entgegnete der Herrscher des Quarteriums gnädig. »Dennoch vielen Dank für die nette Geste. Es ist ein erhebendes Gefühl, wieder auf die gute alte Erde zurückzukehren.«

Rhodans innere Stimmung verschlechterte sich noch mehr. Der Emperador schien sich sehr verändert zu haben. Er fragte sich, ob ES nicht einen Fehler begangen hatte, als er dem alten Spanier einen Zellaktivatorchip verliehen hatte. Womöglich war dem alten Mann aus dem 18. Jahrhundert, der rasante Aufstieg und die damit verbundene Machtfülle zu Kopf gestiegen. Aber die Entscheidungen der Superintelligenz war schon immer sehr exzentrisch gewesen und waren, sie wie schon im Falle Monkey, ohne Rhodans Rat erfolgt. Offenbar war seine Meinung nicht mehr gefragt, wenn es um das ewige Leben für Terraner ging.

 

Der Terranische Resident konnte natürlich nicht ahnen, dass seine Gedankengänge völlig falsch waren, da der Emperador seinen Zellaktivator in Wirklichkeit von MODROR erhalten hatte.

Rhodan wandte sich Cauthon Despair zu. »Schön dich wiederzusehen, Cauthon. Ich hoffe, es geht dir gut.«

»Bestens, Perry Rhodan, bestens«, erwiderte der Silberne Ritter emotionslos.

»Ich bin auch noch da!«, quengelte Peter laut. »Als Sohn des Emperador und Thronfolger bin ich ja wohl wichtiger als ein einfacher Ritter! Außerdem bin ich Generalmarschall!«, beschwerte der seltsame Klon, der in eine blauweiße Uniform aus der Mitte des 18. Jahrhunderts gekleidet war.

Perry war froh, dass Bully schon nach Moskau gereist war, sonst hätte es jetzt sicherlich Reibereien gegeben.

»Ich bitte um Verzeihung, Generalmarschall. Bitte erweisen Sie mir die Ehre, die Truppen zu inspizieren.«

»Na gut, ich will mal nicht so sein«, gab sich Peter gönnerhaft.

Rhodan schritt nun mit dem Emperador und seinem Gefolge die angetretene terranische Ehrenformation ab.

»Nicht schlecht Ihr Empfang, Resident Rhodan«, sagte Peter anschließend. »Aber vielleicht wäre es möglich beim nächsten Mal einundzwanzig Salutschüsse zu Ehren meines Vaters, dem Emperador, abzufeuern, wie es sich für einen Mann seines Ranges geziemt. Außerdem müssten Ihre Soldaten mal richtig gedrillt werden und zwar von einem kompetenten Fachmann wie mir.«

Rhodan versuchte ruhig zu bleiben und ignorierte die Bemerkung.

»Aber Peter, wo bleiben deine Manieren? Du kannst doch unseren Gastgeber nicht so in Verlegenheit bringen«, maßregelte der Emperador seinen Sohn.

Als Peter zerknirscht schwieg, wandte er sich wieder Perry Rhodan zu.

»Sie haben alles vortrefflich arrangiert. Wir danken Ihnen.«

»Sie werden per Transmitter zum Kreml gebracht, wo Unterkünfte auf sie warten. Ich hoffe, sie sind nicht zu bescheiden für sie«, erwiderte Rhodan.

»Für den Frieden sind wir gerne bereit Opfer zu bringen«, gab sich Don Philippe großmütig.

»Darüber würde ich gerne noch in einem separaten Treffen mit Ihnen sprechen, Emperador«, meinte der Terranische Resident. »Wir sollten uns auf eine gemeinsame Linie vor der Konferenz einigen.«

»Nun, ich denke dies wird nicht nötig sein«, lehnte der alte Spanier ab. »Wir haben ja auf der Konferenz genug Gelegenheit, unsere Meinungen miteinander auszutauschen.«

»Ich würde es für jedoch für besser halten, diese wichtige Angelegenheit schon vorher zu besprechen«, blieb Rhodan hartnäckig.

»Du hast den Emperador gehört, Resident. Er ist jetzt müde und möchte in sein Hotel«, mischte sich Cauthon Despair ein. Seine Stimme duldete keinen Widerspruch.

»Also gut, wie Sie wünschen. Man wird Sie zum Transmitter führen, der Sie nach Moskau bringt. Residenz-Minister Bull wird Sie dort empfangen.«

Enttäuscht über diesen Affront blickte er dem Emperador und seinem Gefolge nach, als sie zum Transmitter gingen, der sie kurz darauf abstrahlte. Die Konferenz begann nicht gerade gut. Warum wollte der Emperador nicht mit ihm reden? Stand er unter dem Einfluss anderer, etwa von Cauthon Despair? Der Terranische Resident sah der bevorstehenden Konferenz beunruhigt entgegen.

*

Guy Pallance berichtete derweil für INSELNET über die Ankunft des Emperador. Es ärgerte ihn, dass Mohlburry ihn so abgespeist hatte und selbst die Berichterstattung über die Gipfelkonferenz übernahm. Schlecht gelaunt kehrte Pallance in das Journalistenhotel nach Moskau zurück, wo schon Malica auf ihn wartete.

»Haben Sie schon gesehen, dass Mohlburry hier ist?«, fragte sie ihren Chef überflüssigerweise.

»Ja, ich bin ja nicht blind, du dusselige Kuh!«, herrschte er die junge Frau an, die daraufhin nur mühsam ihre Tränen zurückhalten konnte. »Fang jetzt bloß nicht an zu flennen! Was glaubst du, wie ich mich fühle! Der alte Sack berichtet nun selbst über die Konferenz. Und als ob das noch nicht genug wäre, hilft ihm dieser linguidische Tattergreis dabei.«

Pallance warf sich resignierend in den Sessel und holte tief Luft. Als er einige Zeit geschwiegen hatte, sagte er:

»Um so dringender brauchen wir jetzt die Story mit Aurec. Er muss uns Infos liefern, wenn schon nicht über diese Konferenz, dann vielleicht für zukünftige Ereignisse. Und du, Malica, wirst mein trojanisches Pferd sein.«

»Aber wie soll ich denn an Aurec herankommen und mit ihm Kontakt aufnehmen?«

»Ich habe Aurec schon in Cartwheel beobachten lassen. Ich kenne viele seiner Angewohnheiten. Eine davon ist, dass er jeden Abend einen Spaziergang unternimmt. Also wird er das auch heute wieder tun. Ich habe in Erfahrung gebracht, dass er einen Bungalow in Terrania bewohnt. Wenn er also heute Abend wieder spazieren geht, wird allerdings etwas Unvorhergesehenes passieren – er wird dir begegnen, Malica. Du wirst ihm über den Weg laufen und ihm eine rührende Geschichte über dich erzählen.«

Malica blieb skeptisch. »Er wird mich nicht einmal bemerken.«

Pallance grinste höhnisch. »Doch das wird er. Vertrau mir und tu was ich dir sage, dann wird es klappen.«

Malica war nicht überzeugt, aber sie gab wieder einmal nach. Sie wollte unbedingt eine erfolgreiche Journalistin werden. Und dafür war sie bereit fast alles zu tun.

*

Aurec verließ am späten Abend noch einmal seinen Bungalow, den ihm Perry Rhodan zur Verfügung gestellt hatte, um noch etwas frische Luft zu schnappen. Er befand sich in einem ruhigen Außenbezirk von Terrania-City, am kleinen Goshun-See. Der Saggittone empfand es recht angenehm hier, da die Gegend ruhig und friedlich wirkte. Doch während er darüber sinnierte, störte ein Schrei seine Ruhe.

Hm, von wegen ruhig und friedlich. Zu früh gefreut, dachte er etwas genervt. Als ein erneuter Schrei ertönte, rannte Aurec in die Richtung der Hilferufe. Dort sah er, wie eine junge Terranerin, die an einen Lichtmast gekettet war und von zwei arkonidischen Männern geschlagen und drangsaliert wurde.

»Du antiarkonidische Schlampe!«, pöbelte einer der Männer. »Dir werden wir zeigen, was es heißt, über den Imperator und seine Freunde zu lästern!«

»Nieder mit allen Antiarkoniden!«, brüllte der Zweite und holte mit einer Hand aus, um der jungen Frau einen Schlag ins Gesicht zu versetzen.

Doch bevor er dazu kam, hatte Aurec ihn gepackt und niedergeschlagen.

»Was mischt du dich hier ein, du dreckiger Barbar!«, grölte der zweite Arkonide.

»Das »dreckig« verbitte ich mir«, gab Aurec zurück und streckte den Mann mit einem Kinnhaken nieder.

Völlig überrumpelt ergriffen die beiden Arkoniden die Flucht.

Aurec wandte sich der jungen Frau, die weinend am Lichtmast lehnte, zu und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. »Sie können beruhigt sein. Sie sind weg. Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«

»Ja, vielen Dank. Ich hatte solche Angst«, schluchzte die Frau. »Wenn Sie nicht gekommen wären, hätten die mich bestimmt zusammengeschlagen und womöglich vergewaltigt. Sie sind mein Retter, Mister …?«

»Aurec. Und wie ist ihr Name?«

»Malica, Malica Homest.«

»Was tut eine so junge, hübsche Dame wie Sie hier draußen ganz allein, und noch dazu mitten in der Nacht?«, wollte Aurec wissen.

»Ich bin Friedensaktivistin und wollte gegen den Imperialismus der Dorgonen und Arkoniden protestieren«, log Malica.

 

Während sie redete, fiel Aurec auf, dass sie mit Handschellen an den Lichtmast angekettet war.

»Sie haben sie gefesselt, die Mistkerle! Ich rufe die Polizei, damit sie befreit werden«, sagte der Saggittone erregt.

»Oh nein! Nicht!«, rief Malica panisch.

»Wieso nicht?«, fragte Aurec misstrauisch.

»Ich hab den Schlüssel bei mir«, erklärte Malica und holte den Schlüssel für die Handschellen aus ihrer Tasche. Sie gab ihn Aurec.

Aurec blickte sie verständnislos an. »Sie haben sich selbst angekettet?«, fragte der Saggittone ungläubig.

»Das war ja mein Protest. Hier wohnen viele Prominente, auch Arkoniden und Dorgonen. Ich wollte auf diese Weise gegen den arkonidischen und dorgonischen Imperialismus protestieren und für den Frieden demonstrieren. Wenn Sie die Polizei alarmieren, werde ich womöglich bestraft, weil ich mich an einen öffentlichen Lichtmast angekettet habe. Beamte können so unsensibel sein.«

»Und die beiden Arkoniden waren wohl mit Ihrer Aktion nicht ganz einverstanden«, folgerte Aurec, während er die junge Terranerin von ihren Handschellen befreite.

»Ja, die Arkoniden sind furchtbar nationalistisch und haben keinen Sinn für demokratische Werte!«, ereiferte sich Malica. Sie wirkte sehr überzeugend. Als sie wieder frei war, umarmte sie den Saggittonen herzlich.

»Ich weiß gar nicht, wie ich ihnen danken soll.«

Aurec fühlte sich durch die herzliche Umarmung angenehm berührt. Außerdem imponierte ihm der Mut und die Einstellung der jungen Frau. Er wollte sie näher kennen lernen.

»Darf ich Sie, nach dem Schreck, zum Essen einladen. Sie brauchen keine Angst haben, ich bin kein perverser Sittenstrolch. Vielleicht haben Sie schon einmal von Aurec, dem Kanzler der Saggittonen gehört?«

Malica sah ihn strahlend an. »Sie sind Aurec? Das ist unglaublich! Ich bin von Aurec, dem Saggittonen gerettet worden. Ich bewundere Sie und Ihre Freunde so sehr. Sie setzen sich für Frieden und Freiheit aller Wesen ein.«

»Dann erweisen Sie mir also die Ehre?«

»Selbstverständlich, die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Sir.«

Aurec lächelte. »Nennen Sie mich einfach nur Aurec.«

Als sie gingen, frohlockte Malica innerlich. Es lief besser, als sie es sich vorgestellt hatte. Selbst die stärksten Männer konnten so naiv sein, wenn sie von einer Frau bezirzt wurden.

*

Zufrieden beobachtete Guy Pallance, wie Malica mit Aurec davon schlenderte. Sein Plan hatte bestens funktioniert.

»Kriegen wir jetzt unser Geld?«, fragte einer der beiden Arkoniden.

»Sicher, ihr habt einen guten Job gemacht«, erklärte sich der Intendant von INSELNET einverstanden und steckte den beiden je einen 100-Galax-Schein zu.

Die Täuschung hatte perfekt funktioniert. Er hatte Aurecs Schwächen gründlich analysiert. Eine davon war, dass der Saggittone eine romantische Ader hatte und sich nach einer Gefährtin sehnte. Diese Schwäche gedachte Pallance auszunutzen. Als Medienexperte wusste er, wie man Ereignisse manipulierte und den Eindruck erweckte, als seien sie echt und somit bestimmte Stimmungen erzeugte. Die Wesen fielen immer wieder darauf herein. Nun lag es an Malica, dass der Rest des Planes funktionierte. Da Pallance keine romantische Ader besaß, sondern Geld und Ehrgeiz sein Denken und Handeln bestimmte, war er überzeugt, dass Malica für eine Karriere alles tun würde. Zufrieden mit sich und der Welt kehrte er in sein Hotel nach Moskau zurück.

*

Aurec lud Malica in ein kleines, ruhiges, saggittonisches Lokal am Goshun-See ein, in dem sie gut speisten.

»Ich hoffe, Sie sehen es mir nach, dass ich Sie in dieses kleine Lokal eingeladen habe, anstatt in eines der größeren Restaurants in der City, aber hier ist es ruhiger und man wird nicht auf Schritt und Tritt von irgendwelchen lästigen Journalisten oder Paperazzi genervt. Das ist mir leider in Cartwheel manchmal passiert.«

»Ich finde es großartig, es ist sehr gemütlich hier und das Essen ist prima.«, gab sich Malica verständnisvoll.

»Saggittonisches Carnaroosa und dazu einen Vino-Wein. Die machen das ganz gut hier«, meinte Aurec.

»Etwas scharf«, fand Malica.

»Das gehört so. Früher wurde Carnaroosa noch viel schärfer serviert. Sinn war es, mit Sorfa-Bier den Durst zu löschen. So wurde man satt und betrunken zugleich.«

»Lieblich…«

Malica lachte. Dann dachte sie wieder an Aurecs negative Bemerkung über die Presse. Sie konnte es auch wirklich verstehen, denn viele ihrer Kollegen waren oftmals aufdringlich. Dass sie selbst auf ihre Weise mittlerweile auch so geworden war, fiel ihr nicht auf.

»Sie mögen wohl Journalisten nicht besonders, wie?«, fragte Malica, obwohl sie die Antwort schon ahnte.

»Nicht sonderlich. Sicherlich gibt es auch seriöse Berichterstatter, aber die meisten interessieren sich nur für ihre Erfolgsstory, damit ihr Sender gute Einschaltquoten oder Marktanteile bekommt. Die Hintergründe kümmern sie wenig. Bei uns Saggittonen ist das anders.«

»Sie fühlen sich bestimmt oft einsam, wenn Sie von Ihrem Volk getrennt sind«, meinte Malica einfühlsam.

»Manchmal schon, aber ich habe auch viele neue Freunde bei anderen Völkern und Kulturen gefunden. Jedes Volk hat seine Stärken und Schwächen. Die Stärke der Menschen ist ihre Energie und ihr Wissensdurst. Ihr Nachteil ist die Jagd nach Geld und Macht. Für einige scheinen Geld und Erfolg ihr einziger Lebensinhalt zu sein.«

Malica schwieg betreten, da sie sich angesprochen fühlte.

Als Aurec dies bemerkte, ahnte er natürlich nicht den Grund.

»Bitte, verzeihen Sie mir, wenn ich zu philosophisch werde. Ich wollte Ihnen den Abend nicht verderben,« entschuldigte er sich.

»Das haben Sie nicht. Im Gegenteil, Sie haben ihn gerettet.«

Aurec lachte. »Stimmt, ohne mich hätten Sie womöglich die ganze, kühle Nacht an einem Lichtmast verbracht. Bitte erzählen Sie mir mehr von sich. Wie kommt eine junge, schöne Terranerin dazu sich an eine Laterne zu ketten, um so die Welt zu verändern?«

»Sie machen sich über mich lustig«, sagte Malica scheinbar gekränkt.

»Keineswegs, ich finde es sehr erfreulich, dass es junge Menschen gibt, die bereit sind für ihre Ideale etwas zu tun, auch wenn es unkonventionell ist.«

»Ich war der Meinung, irgendetwas tun zu müssen. Die Aussicht auf einen intergalaktischen Krieg beunruhigt mich zutiefst. Denn immer sind es doch die kleinen Leute, die für die Machtspiele der Großen und Mächtigen bezahlen müssen. Es ist doch immer wieder dasselbe. Zwei oder mehrere rivalisierende Interessengruppen wollen ihre Ziele durchsetzen. Klappt es auf diplomatischen Weg nicht, gibt es Krieg. Dabei sterben Tausende, wenn nicht gar Millionen Intelligenzwesen, am Ende gibt es wieder Frieden und die Toten werden betrauert bis zum nächsten Krieg, dann sind die Opfer wieder vergessen. Dieser Kreislauf aus Vernichtung und Wiederaufbau scheint nie enden zu wollen. Wir kleinen Leute müssen den Mächtigen zeigen, dass wir damit nicht einverstanden sind und dass wir nicht als Kollateralschaden enden wollen.«

Aurec nickte nachdenklich. Diese Sicht der Dinge war verständlich, aber Situation war oft komplizierter. Wenn man angegriffen wurde, musste man sich verteidigen. Leider trat dieser Fall immer wieder ein, wie im Fall Siom-Som.

»Ich hoffe, dass wir etwas auf der Konferenz erreichen. Morgen treffen die Dorgonen und Imperator Bostich ein, dann kann die Konferenz beginnen.«

Malica seufzte. »Ich wünschte ich könnte mehr tun, als solch eine kindische Aktion wie heute Abend. Ich habe mich unnötig in Gefahr gebracht und Sie noch dazu, aber die Möglichkeiten, die ein Friedensaktivist heutzutage hat, sind leider zu gering.«

»Sie haben getan, was sie für richtig hielten. Sie wollten sich für andere einsetzten, das ehrt Sie, Malica.«

»Ich wünschte, ich könnte mich gezielter für humane Ziele einsetzen. Ich würde gerne etwas bewirken, auch wenn es nur ein kleines Ziel ist«, sagte Malica theatralisch.

Aurec ergriff Malicas Hand und lächelte sie an. »Ich finde das sehr sympathisch. Ich hätte da vielleicht etwas für sie. Zu meinen Aufgaben als Prinz von Saggittor gehört auch die Leitung eines Büros für Hilfsangelegenheiten. Wir sammeln Spenden für Planeten und Völker, die durch Kriege oder Katastrophen geschädigt wurden, und versuchen ihnen zu helfen. Wir entwickeln auch Konzepte und Hilfsprogramme für sozial Schwache. Es gibt immer viel zu tun, und ich habe leider viel zu wenig Zeit, um mich immer um alles richtig kümmern zu können. Daher könnte ich noch eine leitende Mitarbeiterin, die mich in diesen Angelegenheiten berät, gut gebrauchen.«

Malica war überwältigt von Aurecs großzügigem Angebot. Sie bekam fast schon ein schlechtes Gewissen, ihn so zu täuschen.

»Das habe ich nicht verdient«, sagte sie verlegen.

»Ich habe den Eindruck, dass Sie eine sehr engagierte, junge Frau sind, die mit ihrem Idealismus etwas bewirken könnte. Nebenbei werden Sie auch gut bezahlt, ich weiß, wie wichtig das für euch Menschen ist. Und Sie könnten etwas bewirken, Sie könnten anderen Wesen helfen, ohne sich irgendwo anketten zu müssen.«

Malica dachte kurz nach und überlegte sie sich, wie nahe sie ihrem Ziel nun war. Daher willigte sie ein.

»Ich nehme Ihr großzügiges Angebot an, Aurec. Ich werde mich bemühen Ihr Vertrauen zu rechtfertigen«, sagte sie, obwohl ihr klar war, dass sie dieses Vertrauen schon missbraucht hatte. Manchmal konnte ihr Beruf auch ziemlich deprimierend sein. Doch nun war sie schon so weit gegangen, dass sie nicht mehr zurück konnte.

*

Am Morgen des 21. Aprils 1305 waren die meisten der fünfundzwanzig Vertreter der wichtigsten an der Konferenz teilnehmenden Völker auf Terra eingetroffen. Nur zwei Teilnehmer fehlten noch, diese gehörten jedoch zu den wichtigsten: Imperator Bostich von Arkon und Kaiser Commanus von Dorgon. Am späten Vormittag landete nun die sehnlich erwartete Delegation des dorgonischen Kaiserreiches.

Perry Rhodan wartete auf dem Landefeld des großen Raumhafens. Es waren insgesamt zwanzig Adlerschiffe. Neunzehn kreisten über dem Raumhafen, während das Flaggschiff auf dem Landefeld aufsetzte. Rhodan erwartete nun, dass Kaiser Commanus mit großem Pomp aussteigen würde. Aus dem Bauch des Adlerschiffes wurde eine Rampe ausgefahren und kurz darauf eine Sänfte von vier Trägern hinunter auf das Landefeld getragen. Dahinter erschien eine Militärkapelle, die die dorgonische Nationalhymne spielte und die obligatorische Eskorte. Rhodan seufzte innerlich über so viel antikes, feudales Gehabe, aber seit der Regentschaft des Commanus war wohl nichts anderes zu erwarten.

Immerhin hielt es sich noch in Grenzen, er hatte von einem Kaiser eigentlich noch viel mehr Aufwand erwartet. Als er jedoch den Mann, der auf der Sänfte ruhte sah, erkannte der Terranische Resident, dass es sich nicht um den dorgonischen Kaiser handelte, sondern um eine ihm unbekannte Person. Der Mann war groß gewachsen und besaß eine stattliche Erscheinung. Er trug ein weißes Gewand und in seiner rechten Hand hielt er einen mit Edelmetallen verzierten Stab. Der Dorgone stieg aus seiner Sänfte und hob eine Hand zum dorgonischen Gruß.

»Ich grüße dich, Terranischer Resident. Ich bin Pomponius Falcus, kaiserlicher Legat des göttlichen Imperators Commanus, des unumschränkten Herrschers des dorgonischen Reiches«, erklärte er dem erstaunten Terraner.

Rhodan, der schon immer als Sofortumschalter galt, wurde klar, dass ihn Commanus versetzt hatte.

Er kratzte kurz an der Narbe auf seinem linken Nasenflügel. Eine Geste, die sich eigentlich für einen Residenten nicht geziemte, doch Rhodan machte es absichtlich, vielleicht auch, um seine nicht vorhandene Wertschätzung gegenüber dem Legaten zum Ausdruck zu bringen.

»Ich hatte eigentlich seine Majestät den Kaiser persönlich erwartet. Ich hoffe, es ist ihm nichts geschehen«, sagte er diplomatisch.

»Der Kaiser befindet sich bei bester Gesundheit. Da er jedoch wichtige Staatsgeschäfte in der neuen Provinz Siom-Som zu erledigen hat, war es ihm leider unmöglich, nach Terra zu kommen und Ihrer Einladung zu folgen.«

Der Dorgone bemerkte offenbar Rhodans Enttäuschung und hob den Stab in seiner rechten Hand empor.

»Der Kaiser hat mich jedoch zu seinem außenpolitischen Vertreter und Generalbevollmächtigten ernannt. Somit bin ich des Kaisers Stimme«, erklärte Pomponius Falcus sichtlich stolz.

Rhodan fühlte sich brüskiert. Der Kaiser hielt es offenbar nicht für notwendig, selbst an der Konferenz teilzunehmen. Doch der Enttäuschung wich schnell der Pragmatismus. Immerhin hatte er einen hochrangigen Vertreter entsandt. Vielleicht konnte man mit diesem Falcus sogar besser verhandeln, als mit dem exzentrischen Commanus selbst.

»Dann heiße ich Sie, erhabener Falcus, als Vertreter des Kaisers, herzlich auf Terra willkommen. Ich hoffe, dass die bevorstehende Konferenz die bestehenden Probleme zu aller Zufriedenheit löst.«

Falcus lächelte freundlich und nickte dem Terraner wohlwollend zu. »Da bin ich ganz sicher. Trojus!«

Aus dem Gefolge des Dorgonen trippelte ein kleiner, dicklicher Mann hervor, der Perry Rhodan seltsam ansah und ihm dann freundlich zuwinkte.

»Dies ist Trojus, mein Privatsekretär. Er wird mich bei den Verhandlungen unterstützen und Protokoll führen«, stellte Falcus die seltsam wirkende Gestalt vor.

»Auch Sie heiße ich herzlich willkommen«, sagte Rhodan höflich.

»Oh, danke! Das ist aber nett«, bedankte sich der Sekretär in hohem Tonfall.

Falcus warf seinem Mitarbeiter einen bösen Blick zu, der dann verstummte. Dann wandte sich der Dorgone wieder Rhodan zu. »Leider ist auch meine Zeit begrenzt. Wann wird die Konferenz beginnen?«

»Sobald der arkonidische Imperator eingetroffen ist. Wir warten nur noch auf ihn. Wir werden Sie sofort nach Moskau, dem Konferenzort geleiten«, erklärte der Terranische Resident.

Als Perry Rhodan den dorgonischen Gesandten verabschiedet hatte, zogen düstere Wolken auf und es begann zu regnen.

Hoffentlich kein schlechtes Omen, dachte der Terraner.

Irgendwie gefiel ihm dieser Pomponius Falcus, trotz seiner freundlichen Art, nicht recht.

*

Einige Stunden später traf nun auch endlich Imperator Bostich ein. Der arkonidische Herrscher des Kristallimperiums ließ es sich nicht nehmen, mit gewaltigem Aufwand auf dem Raumhafen zu erscheinen.

Will der Terra nur besuchen oder gleich annektieren?, fragte sich Perry Rhodan, als er den Tross des Imperators aus dessen gewaltigem Flaggschiff THEK-LAKTRAN, jenem fliegenden Palast des Imperators, fliegen sah. Die Fähren landeten und der Imperator samt Gefolge verließ die Schiffe.

Es war wohl symptomatisch für Diktatoren, dass sie immer wieder mit Pomp und militärischer Größe angeben mussten. Manche Dinge schienen sich nie zu ändern. Nachdem der Terranische Resident den Imperator gebührend begrüßt hatte, war er sichtlich froh, dieses Zeremoniell endlich hinter sich zu haben, und die Konferenz nun endlich beginnen konnte. Es gab ihm allerdings zu denken, dass auch Bostich, ebenso wie Falcus und der Emperador, Vorgespräche ablehnte. Rhodan war sich im Klaren, dass die bevorstehenden Verhandlungen sehr, sehr hart werden würden.

 

Kapitel 11 - Die Konferenz

Am späten Nachmittag versammelten sich endlich die Staatschefs oder die hochrangigen Vertreter der fünfundzwanzig wichtigsten Völker im Kreml in Moskau. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit war riesengroß und dementsprechend war auch das Aufgebot der Medien. Auf dem Roten Platz hatten sich viele tausend Friedensaktivisten und Bürger aus der ganzen Milchstraße versammelt, um gegen den Einmarsch der Dorgonen in Siom-Som und den drohenden Krieg zu protestieren.

Aber auch gegen Imperator Bostich wurde protestiert. Für viele Wesenrechtsorganisationen war er ein skrupelloser Imperialist, der die Wesensrechte mit Füßen trat. Auf den Plakaten skandierten die Demonstranten gegen Arkon. Sätze wie »Arkonide Go Home« oder »Nieder mit dem arkonidischen Imperialismus« waren zu lesen. Ähnliche Parolen gab es auch gegen die Dorgonen. Einige Aktivisten legten sich auf dem Roten Platz nieder, um so auf ihre Weise gegen die Politik zu protestieren oder verbrannten arkonidische und dorgonische Fahnen und Embleme. Glücklicherweise blieb alles friedlich.

Als Imperator Bostich die Plakate der Demonstranten sah, verfinsterte sich seine Miene. »Ich bin nicht den weiten Weg von Arkon hierher gekommen, um mich beleidigen zu lassen. Das ist reiner Anti-Arkonidismus! Allein meine bloße Anwesenheit ist eine hohe Ehre für den terranischen Pöbel. Ich verlange, dass diese radikalen Anarchisten umgehend verhaftet werden! Auf Arkon wären solche Subjekte schon längst beseitigt worden!«

Der Terranische Resident reagierte kühl. »In der LFT gehört es zur politischen Kultur, dass man seine Meinung frei äußern kann. Solange die Wesen friedlich demonstrieren, gibt es keinen Grund dagegen vorzugehen. Natürlich ist die terranische Regierung sehr erfreut über Ihren Besuch, Imperator und bedankt sich von Herzen für Ihr Kommen.«

»Ich muss Imperator Bostich zustimmen«, mischte sich Pomponius Falcus ein. »Die Anti-dorgonischen Ressentiments sind sehr unerfreulich. Was ist, wenn der Mob gegen uns vorgeht?«

»Ich kann Sie beruhigen, der Kreml ist durch einen Schutzschirm bestens gesichert. Es besteht kein Grund zur Sorge. Unser Volk ist friedliebend und hat keinen Grund gewaltsam gegen uns vorzugehen. Demonstrationen sind ein ganz normaler, demokratischer Vorgang.«

»Demokratie ist was für Schwächlinge und Dummköpfe!«, regte sich Peter de la Siniestro auf. »Ich würde meine Soldaten in einer Reihe antreten lassen und alle diese Defätisten totschießen lassen!«, ereiferte er sich weiter, wobei er im Gesicht rot anlief.

»Ich muss mich wundern, solche Worte aus dem Munde Ihres Sohnes zu hören, Emperador«, sagte Perry Rhodan bitter zu Don Philippe de la Siniestro.

Der Emperador war scheinbar verlegen. »Ich muss mich für Peter entschuldigen. Er meint es nicht so. Manchmal geht die militärische Begeisterung ein bisschen mit ihm durch. Ich persönlich stehe selbstverständlich zu Frieden und Demokratie.«

»Den Frieden sichert man am besten, indem man das Volk züchtigt, damit es nicht auf dumme Gedanken kommt!«, warf Imperator Bostich ein.

Rhodan hielt es für besser, nicht mehr auf Bostichs dumme Bemerkungen einzugehen, da er ihn nicht gerade für einen Experten in Sachen Demokratie hielt. Stattdessen ging er mit den anderen Abgesandten den Konferenzsaal und betrat das Podium um die Konferenz, die live von allen wichtigen Sendern übertragen wurde, zu eröffnen.

Als alle Delegierten Platz genommen hatte, begann er zu sprechen:

»Verehrte Anwesende, wir haben uns hier zusammengefunden, weil der Frieden in dem uns bekannten Teil des Universums wieder einmal in Gefahr ist. Doch noch haben wir, die hier Versammelten, die Möglichkeit den Frieden zu bewahren. Krieg ist, egal wann und wo, immer ein Rückschlag für die Zivilisation und ein Sieg für die Mächte des Chaos. Sie sind es, die als Einzige einen Vorteil von Tod und Zerstörung haben. Arbeiten wir ihnen nicht in die Hände! Verhindern wir, dass es zu weiterem Chaos kommt. Doch dazu müssen alle ihren Teil beitragen. Es wurden gegen das dorgonische Imperium schwere Vorwürfe erhoben. Als Erstes wird eine Frau zu Ihnen sprechen, die sowohl als Abgesandte Siom-Soms, als auch für eine Anzahl autarker Dorgonen spricht. Ich rufe hiermit die Dorgonin Saraah auf, uns von den Vorkommnissen in Siom-Som zu berichten.«

Kaum hatte sich Saraah von ihrem Platz erhoben, protestierte Pomponius Falcus auch schon gegen sie.

»Ich erhebe Einspruch gegen die Anwesenheit dieser Person! Sie ist eine Terroristin und hat nicht das Recht für Dorgon zu sprechen!«

»Ich bin derselben Meinung«, schloss sich der Emperador Falcus an. »Eine Person, die außerhalb des Rechts steht, sollte hier nicht sprechen dürfen. Das wäre eine Kränkung für unsere lieben, dorgonischen Freunde.«

Doch Perry Rhodan blieb hart. »Wer hier im Unrecht ist, muss erst noch geklärt werden. Saraah hat eine Ermächtigung des bedeutenden Somers Sruel Allok Mok, dem ehemaligen Generalsekretär des Paxus-Rates, den ich wohl nicht näher vorzustellen brauche. Wenn er diese Frau legitimiert für ihn zu sprechen, dann genügt mir das. Wir sind schließlich hier, um die Fakten zu klären und dazu müssen wir alle Parteien anhören«, stellte der Terranische Resident klar und erhielt dafür von den anderen Abgesandten Zustimmung.

Saraah betrat nun das Rednerpult und begann mit ihrer Ansprache. Schüchtern blickte sie in die Runde. Ihr Herz pochte doppelt so schnell. Sie war nicht unbedingt eine große Rednerin. Ein kurzer Blickwechsel mit Mathew Wallace, der an einem Nebeneingang lehnte, gab ihr Kraft für die bevorstehende Rede.

»Verehrte Anwesende, es ist korrekt, dass ich nicht für das dorgonische Regime spreche, aber ich spreche für das dorgonische Volk, wenn ich den völkerrechtswidrigen Angriff auf die friedliche Galaxis Siom-Som verurteile. Die Völker dieser Galaxis wurden ohne jeden Grund von einer weit überlegenen Streitmacht in einem Blitzkrieg überrollt, so dass ihnen zunächst nichts anderes übrig blieb, als zu kapitulieren. Doch es gibt etwas, das man nicht mit Soldaten und Bomben zerstören kann: Das Streben nach Freiheit! Darum haben sich die dorgonischen Freiheitskämpfer mit den Freiheitskämpfern von Siom-Som zusammengeschlossen, um weiterhin Widerstand gegen die unrechtmäßige Besatzung zu leisten.«

»Terroristen! Alles Terroristen!«, schrie Falcus dazwischen.

Doch Saraah fuhr unbeirrt fort: »Vor mehr als sechs Jahren hat Commanus die Macht in Dorgon an sich gerissen. Seitdem ist Finsternis über diese einst so stolze Galaxie gekommen. Commanus und seine Schergen, zu denen auch der hier anwesende Pomponius Falcus gehört, haben die Kolonisierung und die Versklavung nichtmenschlicher Völker zu ihrer Politik gemacht. Auf diese Weise haben sie die dorgonische Wirtschaft, die durch die extreme Aufrüstung geschwächt wurde, wieder vorangebracht. Dies aber auf Kosten von Milliarden unschuldiger Wesen! Carilla, genannt der Schlächter, hat schreckliche Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung von Siom-Som begangen. Auch innerhalb Dorgons leiden viele Wesen, die von Commanus verfolgt werden. Die Widerstandsbewegung »Uleman«, die sich zum Gedenken nach dem großen Kaiser nennt, hat es sich zum Ziel gemacht, gegen dieses Unrecht anzukämpfen und die gerechte Politik, die Uleman betrieb, wiederherzustellen.«

Saraah legte eine kurze Pause ein, um die Worte wirken zu lassen, dann fuhr sie fort.

»Doch wir sind zu schwach, um es allein zu schaffen. Auch das Bündnis mit den Somern reicht nicht aus. Daher wenden wir uns an die Politiker und Völker, die die Rechte aller Wesen und die Demokratie achten und bitten sie um Hilfe. Helft den unterdrückten Völkern von Siom-Som und Dorgon! Denn wir sind nur der Anfang. Schon morgen könnten ihre Völker die nächsten sein. Einst war auch ich eine Sklavin der Dorgonen, bis die Bewohner der Milchstraße nach Dorgon kamen. Dank ihnen wurde ich frei. Nun bitte ich euch: Bringt auch allen anderen Geknechteten die Freiheit. Gebietet Commanus Einhalt!«

Mit diesem Satz beendete die Jerrer ihre Rede. Einige Abgesandte waren beeindruckt und applaudierten, der Rest schwieg.

Perry Rhodan erteilte nun Falcus das Wort. Der hochgewachsene Dorgone betrat das Podium.

»Verehrte Delegierte! Ich bin schockiert mit welcher Dreistigkeit es diese Person wagt, mein geliebtes Reich Dorgon und meinen geliebten Kaiser Commanus in den Schmutz zu ziehen! Kein Wort davon ist wahr! Im Gegenteil, den Bewohnern von Siom-Som geht es jetzt besser als vorher. Wir haben auf Bitten von besorgten Oppositionsparteien in Siom-Som eingegriffen, um die dortige korrupte Regierung, die die Rechte der dortigen Bevölkerung massiv verletzte, abzulösen.

Wir wollten einen Regimewechsel, da der korrupte General Kantor Throk sogar einen Angriff gegen Dorgon plante! Die dorgonische Flotte hat einen Präventivschlag zur Verteidigung des Imperiums ausgeführt. Wir haben dies mit aller nur erdenklichen Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung getan. Leider lassen sich im Krieg nun einmal Kollateralschaden nicht verhindern. So ist das nun mal. Dafür erfreuen sich die dortigen Völker nun ihrer neuen Freiheit. Auf vielen Planeten wurden die Dorgonen jubelnd als Befreier empfangen. Rücksichtslos hingegen war der Rat von Siom-Som, der sogar nicht davor zurückschreckte, Zivilpersonen als Köder zu benutzen. Doch mit dem Tod von Kantor Throk und der Ablösung des alten Regimes ist nun Ruhe und Frieden eingekehrt. Die Frau, die hier soeben ihre Propagandalügen von sich gegeben hat, gehört zu einem Netzwerk intergalaktisch operierender Terroristen, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die Ordnung und den Frieden zu zerstören.

Der Kaiser von Dorgon hingegen ist ein ehrbarer Mann, der im Auftrag der Entität DORGON handelt. Die Dorgonen sind von dieser Entität auserwählt worden, ihr Sternenreich zum Wohle aller zu vergrößern. DORGON möchte ein Zusammenführen aller Kulturen, wie es das Beispiel des Quarteriums in beeindruckender Weise zeigt. Diesem Beispiel möchten wir folgen, indem wir Freiheit und Wohlstand in andere Galaxien bringen. Würde es den Somern so schlecht gehen, wie hier behauptet wird, wäre ja wohl einer von ihnen persönlich hier erschienen und hätte nicht eine bedeutungslose Jerrer hierher geschickt.

Bitte vertrauen sie uns und unserem lieben Kaiser! Hören Sie nicht auf die niederträchtigen Lügen einiger egoistischer Verbrecher, die sich gegen das Gemeinwohl stellen! Ich danke Ihnen.«

Unter dem Applaus der Arkoniden und des Quarteriums verließ Falcus das Podium.

Rhodan musste sich eingestehen, dass dieser Falcus ein geschickter Rhetoriker war. Commanus hatte einen klugen Schachzug getan. Als Nächstem erteilte der Terranische Resident Imperator Bostich das Wort.

»Ich will nicht viele Worte machen. Daher bringe ich es auf den Punkt. Legat Falcus hat Recht. Ich glaube eher einem ehrbaren Mann von hohem Rang, als einer dahergelaufenen ehemaligen Sklavin!« Dieses Wort sprach Bostich mit besonderer Verachtung aus. »Da könnte ja jeder kommen und ehrbare Regierungen schlecht machen. Aber dies scheint ja bei den Terranern so Sitte zu sein, wie ich auf dem Weg hierher feststellen musste. Draußen stehen pöbelnde Anarchisten, die Antiarkonidische Parolen auf niedrigstem Niveau schreien, die die bestehende Ordnung zerstören wollen. Solchen Elementen darf man keine Möglichkeit geben, stark zu werden, denn sie gefährden uns alle! Im Übrigen verstehe ich die ganze Aufregung nicht. Siom-Som ist 50 Millionen Lichtjahre von hier entfernt. Was dort passiert, interessiert Arkon nicht im Geringsten. Damit ist dieses Thema für das Kristallimperium erledigt.«

Damit verabschiedete sich Imperator Bostich wieder. Rhodan runzelte die Stirn. Im Grunde genommen war von Bostich keine Unterstützung zu erwarten gewesen. Er hatte noch nie etwas für andere getan.

Nach Bostich kam nun Aurec ans Rednerpult. »Verehrte Anwesende! Im Gegensatz zum arkonidischen Imperator hält Saggittor die hier getätigten Aussagen von Saraah sehr wohl für glaubwürdig. Denn wir haben eigene Nachforschungen angestellt, die genau das bestätigen, was sie berichtet. Der Abgesandte der Dorgonen hat uns eine infame Mischung aus dreisten Lügen und fantastischen Märchen aufgetischt. Die Behauptung Siom-Som »befreit« zu haben ist ebenso lächerlich, wie das Märchen vom »Präventivschlag«. Nur den Regimewechsel glaube ich ihm aufs Wort. Das war von Anfang an das Ziel. Nämlich die rechtmäßige Regierung von Siom-Som durch eine dorgonische zu ersetzen. Nach dem Mord an Uleman ist mit Commanus und seiner Clique eine veritable Verbrecherbande in Dorgon an die Macht gekommen, die nun ihre Expansionsgelüste an friedlichen Galaxien ausleben will. Wer sagt uns denn, dass es bei einer Galaxis bleibt? ESTARTU hat noch weitere Galaxien, die womöglich als Nächstes auf dem dorgonischen Expansionsprogramm stehen. Dem können wir nicht tatenlos zusehen! Saggittor fordert den sofortigen Rückzug der dorgonischen Invasoren aus Siom-Som! Ich fordere alle Völker auf, politischen und wenn nötig auch militärischen Druck auszuüben, um dieses Ziel zu erreichen!«

Ein Raunen ging durch den Saal. Viele Delegierte waren verunsichert und wussten nicht genau, wie sie sich positionieren sollten.

Für die LFT sprach nun Reginald Bull. Dieser schloss sich den Worten Aurecs an und forderte ebenso energisch den sofortigen Abzug der Dorgonen und die Bildung einer Koalition, die bereit war dies notfalls auch militärisch durchzusetzen und Truppen nach Siom-Som zu entsenden. Er gab damit wieder, was auch Perry Rhodan dachte und was man zuvor mit Aurec abgesprochen hatte.

Als Nächstes war nun Don Philippe de la Siniestro an der Reihe. Der Emperador stolzierte erhaben zum Rednerpult.

»Liebe Abgesandte der Völker! Was ich soeben aus dem Munde der Delegierten von Saggittor und der LFT gehört habe, erfüllt mich mit größter Sorge. Daher muss ich dem Bestreben nach einer militärischen Lösung eine deutliche Absage erteilen! Denn ich war immer und bleibe immer ein Mann des Friedens und nicht des Krieges. Krieg ist das Schrecklichste im Universum. Es gibt Leute, die meinen, es gäbe gerechte Kriege. Doch ich, mit meiner Lebenserfahrung als nunmehr ältester Mensch der Erde, sage Ihnen: Krieg ist niemals gerecht! Er bringt nur Leid, Tod und Zerstörung! Daher sieht sich das Quarterium außerstande militärisch gegen das Imperium Dorgon vorzugehen und wird keinesfalls – egal welchen Beschluss diese Konferenz fasst – Truppen nach Siom-Som entsenden.«

Nach einer kurzen Kunstpause fuhr der alte Spanier fort.

»Doch nicht nur aus moralischen Gründen lehnen wir ein militärisches Vorgehen gegen Dorgon ab, auch aus rechtlichen Gründen sehen wir uns dazu außerstande. Denn vor zwei Jahren schlossen Dorgon und das Quarterium einen Kaiser-Pakt ab, der ewige Treue und einen Nichtangriffspakt beider Imperien beinhaltet. Nebenbei freue ich mich an dieser Stelle bekannt geben zu dürfen, dass vor wenigen Tagen unser Freund, der ehrenwerte Imperator Bostich, diesem Kaiser-Pakt beigetreten ist.«

Das war eine Bombe, die der Emperador ganz nebenbei zum Platzen brachte. Rhodan fuhr zusammen. Davon hatte nicht einmal der TLD etwas gewusst. Nun standen LFT und Saggittor endgültig alleine da, denn die anderen kleineren Reiche wie Akon oder Gatas würden es nicht wagen, sich gegen diesen machtvollen Drei-Kaiser-Pakt zu stellen.

Und so erklärten die Abgesandten der Blues und der Akonen lieber ihre Neutralität.

Noch einmal ergriff Pomponius Falcus das Wort.

»Wie ich feststellen konnte, sind bis auf die Terraner und die Saggittonen alle anderen Nationen vernünftig und nicht gewillt auf die intriganten Behauptungen dieser Ex-Sklavin hereinzufallen. Da aber die LFT und Saggittor nach wie vor uneinsichtig in dieser Frage sind, will ich sie ganz klar und deutlich warnen: Sollten diese beiden Nationen die Terroristen in Siom-Som mit Waffen oder anderen Hilfslieferungen unterstützen oder sogar Truppen dorthin entsenden, wird das dorgonische Imperium dies als Kriegserklärung auffassen und mit aller Macht und Härte zurückschlagen, denn wer nicht für uns ist, der ist gegen uns!«

Auch Imperator Bostich sah sich genötigt, noch einmal das Wort zu ergreifen.

»Ich stimme den Ausführungen des Legaten zu und weise daraufhin, dass das Kristallimperium dem dorgonischen Imperium in diesem Fall Beistand leisten würde.«

Das traf Rhodan hart. Ihm war klar, dass Bostich auf solch eine Gelegenheit natürlich wartete, um in der Milchstraße seine Vormachtstellung weiter auszubauen.

Zu allem Überfluss meldete sich der Emperador auch noch einmal zu Wort.

»Auch das Quarterium sähe sich im Kriegsfall gezwungen, so unangenehm es mir persönlich auch wäre, den Beistandspakt mit Dorgon zu erfüllen. Ich appelliere daher an Resident Rhodan und Kanzler Aurec sich nicht zu unüberlegten Schritten hinreißen zu lassen, die unsere Galaxien ins Chaos stürzen könnten. Ich bin sicher, dass wir noch eine diplomatische Lösung des Problems zu gegebener Zeit finden werden. Mein Vorschlag wäre die Einberufung einer Kommission, die die Umstände vor Ort klärt und sich dann zusammensetzt und die Situation ausführlich diskutiert und anschließend Lösungsvorschläge ausarbeitet.«

Rhodan wurde allmählich wütend. Jetzt sollten er und Aurec auch noch als Kriegstreiber hingestellt werden. Der Emperador war für ihn die größte Enttäuschung. Das Einsetzen einer Kommission würde wahrscheinlich Jahre beanspruchen, bis diese zu Ergebnissen kam. Und ob diese dann von Dorgonen anerkannt würde, blieb fraglich. Von Bostich hatte er nicht viel erwartet, aber den Emperador hatte er als Verbündeten angesehen, nach all dem Vertrauen, das er dem alten Spanier entgegengebracht hatte. Aber die Berichte über die politische Ausrichtung des Quarteriums in den letzten Jahren hätten ihm eine Warnung sein müssen. Der Terraner verstand auch nicht, wie sich ES bei der Vergabe eines Zellaktivators so hatte irren können.

Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als die Niederlage einzugestehen. Die Konferenz war ein Fehlschlag und eine persönliche außenpolitische Niederlage. Anstatt eine politische Front gegen die Dorgonen aufzubauen, war nun eine gegen die LFT und Saggittor errichtet worden.

Der Terranische Resident ergriff ein letztes Mal das Wort: »Da auf dieser Sitzung keine Einigung über ein gemeinsames Vorgehen hinsichtlich Siom-Soms gefunden werden konnte, sehe ich mich gezwungen, die Konferenz zu beenden. Ich bedauere den Ausgang dieses Treffens zutiefst. Ich danke Ihnen allen dennoch für Ihr Kommen.«

Mit diesen Worten beendete Perry Rhodan die gescheiterte Konferenz.

*

Über das ganze Gesicht strahlend verließen Imperator Bostich, Legat Falcus und Emperador de la Siniestro den Kreml. Auf Bitten einiger Journalisten fanden sie sich zu einer Gruppenaufnahme zusammen. Freudig lächelnd schüttelten sich die Drei die Hände und posierten für die Kameras. Alle Welt sollte wissen, dass diese drei Imperien von nun an politisch den Ton angaben.

Auch die Medien werteten den Ausgang der Konferenz als Niederlage für Perry Rhodan. Allerdings machten sie nicht ihn dafür verantwortlich, sondern stellten mit Sorge fest, dass nach Arkon nun auch noch Dorgon und das Quarterium als neue potenzielle Gegner in Frage kamen. Innerhalb der Bevölkerung trat deshalb die Furcht vor einem großen Krieg immer mehr in den Vordergrund.

Als die Abgesandten Terra verlassen hatte, gab Perry Rhodan per Trivid eine Erklärung für das Volk ab. Darin versicherte er, dass Terra nicht militärisch gegen Dorgon vorzugehen gedenke. Er bedauerte das Scheitern der Konferenz und versprach, sich weiterhin auf diplomatischem Wege für die Freiheit Siom-Soms einzusetzen.

*

An Bord der EL CID verfolgte Don Philippe zusammen mit Peter und Cauthon Despair Rhodans Ansprache. Danach schaltete er den Bildschirm ab und genehmigte sich ein Glas Champagner.

»Na bitte, das hat doch prima geklappt«, meinte er. »Rhodan hat klein beigegeben. Das Bündnis mit Arkon und Dorgon hat uns unangreifbar gemacht. Wir können zufrieden sein.«

»Perry Rhodan ist ein mieser Feigling! Ich hätte so gerne gegen ihn gekämpft und meine Soldaten gegen ihn geschickt«, maulte Peter.

»Rhodan ist alles mögliche, aber gewiss kein Feigling«, wies ihn Cauthon Despair kalt zurecht. »Nur ein so dämlicher Vollidiot wie du kann so etwas glauben. Wenn du gegen ihn kämpfen müsstest, würdest du kläglich verlieren.«

»Oh, wie gemein du bist! Du hast doch keine Ahnung! Ich habe militärische Fachkompetenz und bin ein großer General!«, geiferte Peter völlig außer sich. »Ich bin der Sohn des Emperador, du aber bist nur eine hässliche Missgeburt und darum bist du neidisch auf mich.«

Der Emperador befürchtete, Despair würde auf Peter losgehen, doch der tat etwas völlig Unerwartetes. Er lachte! Noch nie hatte er den Silbernen Ritter lachen hören. Despair lachte Peter aus. Peters Gesicht lief rot an vor Zorn. Don Philippe gebot ihm Einhalt.

»Genug jetzt! Peter, geh in deine Kabine!«, befahl er seinem Sohn.

»Aber, Vater!«, protestierte dieser quengelig.

»Sofort!«

Die Stimme des Emperador duldete keinen Widerspruch. Maulend verließ Peter die Kabine.

Cauthon Despair beruhigte sich wieder.

»Wie schön, dass Sie so guter Stimmung sind, Despair«, merkte der Emperador genervt an.

»Verzeihen Sie, aber dass ausgerechnet dieser Freak mich eine Missgeburt nennt, ist köstlich. Aber da er mich zum ersten Mal seit langer Zeit zum Lachen brachte, will ich es ihm verzeihen. Auch wenn Sie es nicht gerne hören, Emperador, aber ihr so genannter Sohn ist eine totale Witzfigur.«

Don Philippe überging diese Bemerkung.

»Sie deuteten vorhin an, dass Sie Rhodan für noch nicht geschlagen halten«, erinnerte er den silbernen Ritter.

Despair war jetzt wieder so ernst und kalt wie immer. »Würden Sie Rhodan näher kennen, wären Sie auch dieser Meinung. Seine Rede war nur für die Öffentlichkeit. Aber wenn Sie die Entschlossenheit in seinen Augen gesehen hätten, wüssten Sie, dass er gar nicht daran denkt, aufzugeben. Die Dorgonen werden sich vorsehen müssen.«

*

Daran dachte Legat Pomponius Falcus an Bord seines Adlerschiffes nicht. Er lag entspannt auf einer Pritsche und ließ sich von seinem Sekretär Trojus zart massieren.

Falcus war mit dem Verlauf der Konferenz sehr zufrieden. Die Saggittonen hatten sich nicht durchsetzen können und außer der LFT keine Verbündeten gefunden. Seine Idee, den Kaiser-Pakt um Arkon zu erweitern, war jedoch genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgt.

Das Gelingen seiner ersten großen außenpolitischen Mission, würde ihm viele Punkte beim Kaiser bringen und seiner Karriere sehr förderlich sein.

Falcus war sehr zufrieden mit dem Verlauf seiner Karriere, wenn man bedachte, dass er als Pfandleiher und Informationshändler angefangen hatte. Er hatte dann damit begonnen, diese Informationen zu seinen Gunsten zu verwenden und hatte es durch gezielte Denunziation und Manipulation zum Senator gebracht und verstanden, sich beim Kaiser Gehör zu verschaffen. Nun war er de facto der Außenminister des Reiches.

»Der Verlauf der Konferenz war überaus befriedigend, nicht wahr, Trojus?«, wollte er sich von seinem Privatsekretär bestätigt wissen.

»Oh gewiss doch, Herr! Wenngleich ich mir noch schönere Dinge vorstellen kann!«, säuselte Trojus.

»Schwachkopf! Kannst du immer nur an banale Dinge denken!«, wies ihn Falcus zurecht.

»Verzeiht, Herr! Ihr habt natürlich recht. Mit eurer Klugheit werdet Ihr es noch bis zum Kaiser von Dorgon bringen«, gab sich der Sekretär demütig.

Das gefiel Falcus. »Falcus – Kaiser von Dorgon. Ja, das klingt gut. Eines Tages wird es soweit sein. Commanus ist ein derber Schwachkopf, ich aber weiß wie man Politik macht, sowohl nach innen als auch nach außen«, lobte sich der Legat selbst.

»Natürlich, Herr. Die Konferenz war gewiss ein Erfolg, jedoch …«

Falcus wurde ärgerlich. »Jedoch was? Sprich schon, du Dummkopf!«

»Nun, was ist, wenn die Saggittonen und die Terraner doch Schritte gegen uns unternehmen? Dieser Aurec und vor allem dieser Perry Rhodan sollen sehr hartnäckig sein.«

Falcus winkte lässig ab. »Wenn sie wirklich wagen sollten Widerstand zu leisten, fegen wir sie weg. Je eher desto besser.«

*

In der Tat dachte Perry Rhodan nicht ans Aufgeben. Der Unsterbliche hatte schon zu viel erlebt und war schon oft in wesentlich aussichtsloseren Positionen gewesen. Dennoch war er als Sieger aus all diesen Auseinandersetzungen hervorgegangen. Daher war er fest entschlossen, Sam und den Völkern von Siom-Som Unterstützung zuteil werden zu lassen.

Der Terraner rief daher eine große Lagebesprechung ein. Neben Aurec, Tifflor, Bully und Gucky nahmen noch Monkey und Jan Scorbit als Vertreter der USO, Xavier Jeamour, Gal'Arn, Jonathan Andrews, Mathew Wallace und Saraah teil.

»Ihr alle habt das Debakel auf der Konferenz miterlebt«, begann der Terranische Resident. »Durch den überraschenden Drei-Kaiser-Pakt zwischen Arkon, Dorgon und dem Quarterium sind uns die Hände gebunden. Wir werden also offiziell einen Teufel tun, um keinen verheerenden Krieg mit diesen drei Großmächten zu provozieren.«

»Dann ist Siom-Som also verloren, ebenso wie das dorgonische Volk«, sagte Saraah niedergeschlagen und senkte den Kopf.

Perry sah sie entschlossen an. »Noch nicht, Saraah. Wir haben immer noch die USO, die unabhängig operieren kann. Sie ist niemandem verpflichtet und die LFT kann keine Haftung für sie übernehmen. Mein Vorschlag an dich, Monkey, als Chef der USO und Sie, Mr. Scorbit, als Leiter der Sektion Cartwheel, ist, dass wir euch mit Waffen, Material und ausgebildeten Kräften versorgen, damit die USO in Siom Som Fuß fassen und den Untergrund organisieren kann. Ich bin sicher, dass Sam schon dabei ist, eine schlagkräftige Organisation zusammenzustellen. Mit unserem Material und der Führung der Neuen USO müsste eine wirkungsvolle Guerilla-Taktik möglich sein. Was meinst du, Monkey?«

Der Chef der USO, der zudem auch noch Zellaktivatorträger war, blickte den Terranischen Residenten ausdruckslos aus seinen künstlichen Augen an.

»Ich bin einverstanden. Dies scheint im Moment die einzige logische Alternative zu sein«, meinte Monkey wie gewohnt ruhig und sachlich. »Allerdings müssen die Materiallieferungen gut getarnt werden. Außerdem müssen sie mit Selbstzerstörungsvorrichtungen ausgerüstet werden. Für den Fall, dass etwas von dem Material in die Hände des Gegners gerät, dürfen sich keine Rückschlüsse auf die Herkunft ziehen lassen.«

»Das Unternehmen ist ziemlich riskant«, gab Gal'Arn zu bedenken.

Perry Rhodan nickte entschlossen. »Ja, das ist es. Aber wir können nicht einfach die Hände in den Schoß legen und so tun als ginge uns das alles nichts an. Natürlich wollen wir den Frieden bewahren aber wie können wir ruhigen Gewissens leben, wenn andernorts Freunde von uns ihrer Freiheit beraubt werden? Wir müssen als den Weg durch die Hintertür gehen.«

»Außerdem müssen die Dorgonen jetzt aufgehalten werden«, warf Aurec ein. »Siom-Som ist für sie nur der Beginn ihrer Expansion. Je schwerer ihnen die Besatzung von Siom-Som fällt desto eher werden sie sich ihr weiteres Vorgehen überlegen.«

»Ich danke Ihnen allen für Ihren Einsatz, trotz dieser schwierigen Situation«, sagte Saraah. »Ich bin derselben Meinung wie Kanzler Aurec. Commanus wird sich nicht Siom-Som zufrieden geben. Er träumt von der Herrschaft über ganz Estartu.«

»Also treten wir ihnen kräftig in den Arsch!«, ereiferte sich Reginald Bull.

Rhodan musste über die derbe Art seines alten Freundes schmunzeln. »Naja, aus dem kräftig treten wird wohl vorerst nichts, aber wir können sie wie Wespen stechen.«

Da alle Anwesenden mit dem Vorgehen einverstanden waren, begann man nun die Einzelheiten des Planes auszuarbeiten.

Man einigte sich darauf, dass die USO zunächst mit einem Kontingent von dreihundert Schiffen, darunter die IVANHOE II, und 300.000 Agenten und Spezialisten nach Siom-Som ging und sich mit der Widerstandsgruppe der Somer vereinigte. Diese sollte auch ausgebildet und organisiert werden. Vor Ort würde man die Strategie zur Bekämpfung der Besatzungsmacht ausarbeiten. Saraah und Torrinos würden derweil nach M 100 zurückkehren, um einen Großteil der Uleman-Widerstandsorganisation nach Siom-Som zu bringen.

»Der Plan ist gut. Ich erkläre mich bereit, die Operation mit der Hilfe von Jan Scorbit und Gal'Arn zu leiten«, bot sich Aurec an.

Doch Perry Rhodan meldete Bedenken an. »Ich halte das für keine sehr gut Idee, Aurec. Sollten die Dorgonen dahinter kommen, dass ausgerechnet du die Widerstandsorganisation, die in ihren Augen eine Terrorgruppe ist, anführst, könnte sie das zu einem Krieg gegen Saggittor herausfordern.«

Dieses Argument sah der Saggittone ein. »Ich fürchte, du hast recht. Das bedeutet also, dass uns beiden die Hände gebunden sind.«

Rhodan nickte zustimmend. »Leider ja. Uns bleibt nichts anderes übrig, als unseren Alltagsgeschäften nachzugehen und die Operation anderen zu überlassen.«

»Richtig! Und zwar absoluten Spitzenkönnern wie mir!«, meldete sich Gucky zu Wort.

»Nein, auch du und deine Mutanten müsst euch aus der Aktion heraus halten«, lehnte der Terranische Resident ab. »Es darf nicht die geringste Verbindung zwischen den Widerständlern und der LFT und Saggittor geben, sonst droht uns ein verheerender Krieg! Ich zweifle nicht im geringsten daran, dass Commanus, Bostich und auch das Quarterium Ernst machen würden.«

»Ich fürchte, Perry, der Konflikt mit diesen Mächten ist nur noch eine Frage der Zeit«, meinte Aurec. »Wir können ihn nur hinauszögern, aber nicht verhindern.«

Rhodan schwieg. Er hoffte, dass Aurec sich irrte, doch auch der Terraner hatte ein ähnliches Gefühl.

 

 

ENDE

Mit Band 70 schildern Nils und Jens Hirseland in dem Roman »Das Tollhaus« den Werdegang von Kathy Scolar und eines psychisch kranken Raumfahrers in seinem Sanatorium. Doch nichts scheint, wie es ist.

 

 

 

Kommentar

K.H. Scheer: »Der größte Feind des Menschen ist der Mensch selbst.«

Bei der Lektüre des aktuellen Romans kam mir dieses Zitat in den Sinn, das irgendwann in fernster Rhodan-Vergangenheit Altmeister »Herbert« in einem seiner Romane verwendet hatte. Sicher stammt es auch eigentlich nicht von ihm, aber es charakterisiert meiner Meinung nach die aktuelle politische Situation treffend.

Nun ist es also klar, die Ideale von Demokratie und Freiheit stehen auf dem Spiel. Perry Rhodan ist mit seinem Versuch gescheitert, eine friedliche Lösung für die Invasion Dorgons in Siom-Som zu erreichen. Im Gegenteil: Ein neuer Machtblock der Potentaten ist entstanden und bedroht mit seinem Herrschaftsanspruch die Demokratie und das friedliche Zusammenleben der Völker der Galaxien.

Rhodan versucht in dieser Situation den »großen Krieg« zu vermeiden und setzt auf eine Art Guerilla-Taktik, indem er die vereinigte Widerstandbewegung von Dorgon und Siom-Som durch die USO unterstützt. Die Frage wird nun sein, ob dies ausreicht.

Stellen wir uns mal den »worst-case« vor: Die Nadelstiche zeigen Wirkung, es gelingt der gestärkten Widerstandsbewegung die dorgonischen Invasoren entscheidend zu schwächen. Die Frage ist nun, ob das neue Bündnis zwischen Bostich, Commanus und dem Emperador nur ein reines Propagandabündnis darstellt. Ich denke NEIN, sondern befürchte, dass in diesem Falle sowohl Bostich, als auch das Quarterium zugunsten Dorgons militärisch in den Konflikt eingreifen werden. Und dann haben wir genau die Situation, die der Terranische Resident mit allen Mitteln vermeiden will.

Perry Rhodan muss sich entscheiden. Toleriert er die Aggression des Drei-Kaiser-Paktes, dann rettet er zwar vordergründig den Frieden in der Milchstrasse, er verurteilt jedoch sämtliche Freiheitsbestrebungen in Dorgon und Siom-Som zum Untergang. Und machen wir uns nichts vor, auch in der Milchstraße würde der Frieden nur solange bestehen bleiben, wie die Terraner dem Machtanspruch Bostrichs nicht im Wege stehen. Eine Politik des Friedens um jeden Preis, würde schließlich den Untergang der LFT und die Herrschaft Bostichs über die Milchstraße bedeuten. Das von Bostich angestrebte »Göttliche Imperium« wäre entstanden. Denn hier können wir die Lehre aus der Geschichte ziehen, eine Politik des »Appeasement« wurde von den Diktatoren jeglicher Couleur immer als Zeichen der Schwäche ausgelegt, und geradezu als Einladung verstanden, mit ihrer Expansionspolitik weiterzumachen.

Auf der anderen Seite hat der Terranische Resident die Möglichkeit, die Freiheitsbestrebungen direkt zu unterstützen und dem Expansionsdrang Bostichs entgegenzutreten. Die wahrscheinliche Folge: Es kommt zum Krieg zwischen der LFT und den vereinigten Diktaturen.

Angriffskrieg, Verteidigungskrieg, gerechter Krieg?

Und genau jetzt sind wir bei einem sehr heiklen Thema, das SF und natürlich auch das Perry-Rhodan-Universum betrifft. Viele Kritiker warfen und werfen der SF und insbesondere der PR-Serie vor, dass sie den Militarismus verherrliche. Gut, gigantische Super- oder Ultraschlachtschiffe (schon der Name ist militaristisch) mit einer unvorstellbaren Vernichtungskapazität (nehmen wir nur mal die IVANHOE II als Beispiel), machen es den Kritikern leicht, diese Vorurteile zu schüren. Was allerdings hierbei nicht beachtet wird, ist der Handlungshintergrund. Viele große SF-Romane oder auch Serien finden ihr Spannungsfeld, indem sie die aktuelle politische Lage in die Zukunft extrapolieren. Aus Konflikten zwischen zwei Staaten werden dann eben Konflikte zwischen zwei Sternenreichen.

Als Kritik sei hier anzumerken, dass schwerpunktmäßig eben nur militärische Konflikte und nicht gesellschaftliche oder soziale Probleme behandelt werden. Wo sind beispielsweise die SF-Romane, die sich mit den Produktionsbedingungen oder den sozialen Problemen in der Zukunft beschäftigen? Man kann sie fast mit einer Hand aufzählen. Aber, und das sei hier anzumerken, diese zählen zu den Highlights der SF-Literatur.

Zurück zu DORGON: Auch hier könnte man, oberflächlich betrachtet, diese Fanserie als reine »Landser-im-Weltraum«-Serie bezeichnen. Militärische Konflikte im Überfluss. Raumschlachten, Kollateralschaden der Zivilbevölkerung, es werden ganze Planeten mit ungezählten Lebewesen einfach ausradiert. Menschlichkeit und Humanität wo bleibst du?

Schaut man hier jedoch mal tiefer hinter die »Kulissen«, so erkennt man, dass die militaristische Machtentfaltung nicht Selbstzweck ist, sondern nötig sind, um diesen Konflikt zu lösen, obwohl es die Protagonisten – die stets im Vordergrund stehen – es gar nicht wollen.

Das verdeutlicht der aktuelle Roman. Perry Rhodan will alles tun, um einen Krieg – ein großes Sterben – zu verhindern. Aurec hingegen reagiert hitzköpfiger, aber reagiert er falsch, wenn er das Leiden der Unterdrückten sofort beenden will?

Doch abgesehen von den aktuellen Themen, gibt es noch elementare Fragen, die nach 108 DORGON-Heften immer noch nach einer Antwort suchen:

Wer oder was ist MODROR und welche Ziele stehen hinter dieser Entität?

Welche Rolle spielen die Terraner, warum gerade hat MODROR sie als seinen Angriffspunkt gewählt?

Warum zielt die Politik MODRORs auf die Perversion aller »terranischen Tugenden«, wie Demokratie, Menschenwürde, Achtung intelligenten Lebens?

Weshalb diese gnadenlose Expansionspolitik MODRORs, die alles in den Schatten stellt, was bisher den PR-Kosmos an negativen Superintelligenzen, Entitäten, Chaotarchen oder sonstigen Bösewichten bevölkerte?

Inwieweit steht ES mit DORGON in Verbindung? Diese muss es geben, denn DORGON hatte zweifellos die Erlaubnis, innerhalb der Mächtigkeitsballung von ES für sein Projekt Cartwheel zu werben.

Wer ist überhaupt DORGON?

Die Antworten auf diese Fragen werden im Verlauf der nächsten beiden Zyklen kommen.

Hiermit möchte ich den aktuellen Kommentar abschließen, sicher, es bleiben fast alle Fragen unbeantwortet, aber gerade das macht die Spannung der Serie aus.

Jedoch werde ich, so denke ich wenigstens, auf die angerissenen Themen gelegentlich wieder zurückkommen müssen.

JF

 

 

 

GLOSSAR

Glaus Schyll

Oberstleutnant, geboren 1241 NGZ auf Terra. Sehr hager, deutliche Wangenknochen, schmale Lippen, stechend braune Augen.

Oberstleutnant Schyll ist Verbindungsoffizier auf der IVANHOE II. Seine Aufgabe ist die Überwachung der Einhaltung der quarterialen Vorschriften und Ideologie an Bord der IVANHOE II.

Als Admiral Jeamour jedoch gegen die Vorschriften des Quarterium handelt, lässt Schyll Jeamour absetzen und übernimmt selbst das Kommando über den Supremoraumer.

Schyll wird zum Oberst befördert und offizielle Kommandant der IVANHOE, die jedoch nach der Befreiung Jeamours, Wallaces und Taylors von den loyalen Crewmitgliedern gekapert wird und sich der USO anschließt.

Schyll ermöglicht durch Fehler erst die Entführung der IVANHOE. Damit verwirkt er sein Leben und wird 1305 NGZ von Cauthon Despair eigenhändig für seine Unfähigkeit erwürgt …

Ignaz Ruon

Schiffsarzt der IVANHOE II.

Der Ara ist ein überzeugte Anhänger des Quarterium. Ebenso überzeugt ist er von seinen Fähigkeiten als Arzt. Während des Jungfernfluges ist Ruon ein loyaler Anhänger von Glaus Schyll und nicht unbeteiligt an der erfolgreichen Kaperung der IVANHOE.

Nachdem Schyll jedoch die Crew der IVANHOE entkommen lässt und von Despair getötet wird, ist auch Ruons Karriere schnell zu ende. Er wird fortan als Heeresarzt eingesetzt.

Glaus Klink

Geboren im Jahre 1181 NGZ auf Terra, kleinwüchsig, hager, wasserblaue Augen, grauweiße Haare.

Klink ist der Justizminister des Quarterium. Er ist überzeugte Anhänger der Ideologie. Klink hat früher auf Terra als Justizvollzugsbeamter gearbeitet, später als Kammerdiener und nach einem Studium sogar als Justiziar. Er hat in dieser Zeit seine Frau Urzul kennen gelernt.

Privat hat Klink kaum Freunde, was an seiner kalten Ausstrahlung wohl liegen mag.

INSELNET

Eine im Jahre 1296 NGZ von dem Journalisten Robert Mohlburry gegründete Medienanstalt in Cartwheel. Zuerst auf Mankind ansässig, breitet sich INSELNET schnell galaxisweit aus. Robert Mohlburry errichtet mit INSELNET die führende Medienanstalt in Cartwheel. INSELNET wird für seine seriöse Berichterstattung bekannt.

Das ändert sich nach der Gründung des Quarterium. Allen voran durch den zunehmenden Einfluss des Intendanten Guy Pallance, der ein glühender Verehrer des Quarteriums ist.

Robert »Speaky« Mohlburry

Besitzer und Leiter der cartwheelschen Medienanstalt INSELNET.

Geboren am 26. September 1190 NGZ auf Terra, hochgewachsen, dick, graublondes, schütteres Haar. Braune Augen.

Robert »Speaky« Mohlburry ist einer der bekanntesten und seriösesten Journalisten der Milchstraße. Er überzeugt insbesondere durch seine Reportagen während der Tolkander- und Dscherrokrise, die nicht auf die übliche Mediengeilheit anderer Kollegen hinausläuft. Er schreibt etliche Bücher und Dokumentation und verdient sich dabei eine goldene Nase.

Zusammen mit seiner Tochter Janela zieht er 1296 NGZ nach Cartwheel, um dort die Medienanstalt INSELNET zu gründen.

»Speaky« ist ein gemütlicher, neugieriger Mensch mit einem patriotischen Sinn für die LFT. Er gehört zu den wenigen Gentleman in dieser Galaxis. Man findet ihn meistens dort, wo sich eine Krise zusammenbraut.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 69, veröffentlicht am 22.04.2016

Titelillustration: Jan KauthInnenillustrationen: -

Lektorat: Jürgen FreierDigitale Formate: Christina Hacker