Dorgon066 copy.jpg

 

 

Band 66

Quarterium-ZYKLUS

 

Das Quarterium

Ein Reich der Menscheit erhebt sich in Cartwheel

 

Nils Hirseland & Ralf König

 

Was bisher geschah

Im Jahre 1298 NGZ gelingt es den vereinten Kräften der Terraner, Saggittonen, Kemeten und ihrer Alliierten, den gefürchteten SONNENHAMMER zu vernichten und somit MODRORs Invasionsplänen vorerst ein Ende zu setzen.

Die große Gefahr durch die finstere Entität scheint gebannt – in der Milchstraße und Cartwheel gewinnen andere Geschehnisse an Bedeutung. Der Marquês de la Siniestro leitet die föderalistische Insel mit schier endloser Popularität.

Doch nicht alles ist so harmonisch, wie es nach außen hin scheint. Noch ahnen die Terraner unter Perry Rhodan und die Saggittonen unter Aurec nichts von den bevorstehenden Ereignissen. Noch weiß Alaska Saedelaere nichts von seiner Odyssee.

In Cartwheel wird sich vieles verändern, denn die Söhne des Chaos schlafen nicht.

Aus der hoffnungsvollen Allianz der Völker wird ein Reich des Schreckens und des Terrors. Ein neues, kraftvolles Imperium wird sich einen Namen machen. Einen Namen, den niemand mehr vergessen wird – DAS QUARTERIUM …

Hauptpersonen

Emperador de la Siniestro – Der alte Spanier wird zum Kaiser gekrönt

Aurec – Der Saggittone hat an Einfluss verloren

Gal’Arn und Jonathan Andrews – Die beiden Ritter der Tiefe besuchen die Galaxis Shagor

Elyn – Eine Auserwählte vom Volk der Alysker

Stewart Landry – Der Agent befindet sich in geheimer Mission in Cartwheel

Rosan Orbanashol-Nordment und Jan Scorbit – Die Leiter der USO in Cartwheel sehen die Gefahr des Viererbundes

Cauthon Despair und Leticron – Die beiden Söhne des Chaos verteilen die Macht in Cartwheel neu

 

 

 

 

Prolog

Der Sieg wurde teuer erkauft. Um welchen Preis? Millionen hatten den Tod gefunden. Er blickte trübsinnig aus dem Fenster seines Arbeitszimmers. Das Wetter auf Siniestro glich seiner Stimmung. Trist, grau und regnerisch.

Er dachte zurück an die unbeschwerte Zeit in seinem Schloss. Isabella, seine wunderschöne Frau. Diese Kostbarkeit hatte er zerstört, ihre Liebe ungenügend erwidert und ihr Leben zu einer Hölle gemacht. Damit hatte er das Wichtigste in seinem Leben vernichtet. Als alter, verbitterter Marquês hatte er seine Tage gefristet, bis die Casaro ihn entführt und zu Studienzwecken untersucht hatten.

Und damit hatte sein eigentliches Leben erst begonnen. Heraus aus dem finsteren 18. Jahrhundert der Menschheit, hinein in das 13. Jahrhundert Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Da er einmalig gewesen war und fortan sich zu Recht als ältester Mensch Terras bezeichnen konnte, stieg seine Popularität ins Grenzenlose. Es war ihm der Aufstieg zum bedeutenden Politiker in Cartwheel gelungen. Und von diesem Zeitpunkt an, hatte sich alles geändert. MODROR hatte nach ihm gegriffen. Die Möglichkeit sich gegen MODROR zu wehren, hatte es nie gegeben, denn er hatte im Sterben gelegen. Der natürliche Prozess war nicht mehr aufzuhalten gewesen – nur durch MODROR. Nur durch einen Zellaktivator. Sein Leben, seine Seele, für die Unsterblichkeit. Diese Schicksalswendung erinnerte ihn abermals an Goethes Faust.

»Gräme dich nicht mit deinem unnützen Gewissen, Don Philippe de la Siniestro«, sprach jemand im Raum.

Überrascht drehte er sich herum. Die heisere Stimme kam ihm bekannt vor, nein, er wusste genau, wem sie gehörte.

»Cau Thon!«

Der Rote mit dem Mal der drei Sechsen auf der Stirn grinste diabolisch. Langsam ging der Sohn des Chaos auf seinen »Bruder« zu. Doch fühlte er sich nicht wie Cau Thons Chaosbruder. Vielmehr versuchte er einen Kompromiss zwischen dem Tod bringenden MODROR und dem starrsinnigen Rhodan zu finden. Eine Milchstraße unter seiner Herrschaft wäre die Rettung. MODROR hätte einen Vasallenstaat und müsste nicht mehr die Galaxis vernichten. Zweifellos würde er Kompromisse mit MODROR eingehen müssen, doch nur so glaubte er das Ende der Milchstraße abwenden zu können.

»Was führt Euch zu mir, Thon?«

»Wir haben eine bittere Niederlage erfahren. Rodrom existiert nicht mehr, die Kemeten haben ihre letzte große Schlacht geschlagen …«

Der Xamouri musterte ihn mit seinen gelbroten Augen. Kein Wesen hielt diesem Blick lange stand. »Und doch entwickelt sich alles so, wie MODROR es geplant hat. Cartwheel wird sehr bald vollständig unter unserer Kontrolle sein, so wie es Dorgon bereits ist.«

Er blickte Cau Thon kurz an, wanderte im Raum umher, tat scheinbar unbeeindruckt. Innerlich wühlten ihn Cau Thons Worte auf. Zwei Galaxien mehr unter MODRORs Kontrolle. Wobei es nicht ganz stimmte. Cartwheel war längst noch nicht in MODRORs Hand. Dafür sollte schließlich der Marquês Sorge tragen.

»Wie sind Eure Pläne zur Besetzung Cartwheels?«, fragte de la Siniestro nach einem kurzen Moment der Stille.

»Das neue Imperium soll gegründet werden. Cartwheel wird von Terranern und Arkoniden gleichermaßen regiert werden. Eine gewaltige Flotte muss für einen Krieg der Befreiung errichtet werden. Hunderttausende von Schiffen.«

»Das ist eine Lebensaufgabe!« Es gelang ihm nicht mehr, die Beeindruckung von der Gigantomanie MODRORs zu verbergen. Wie sollte er das alles schaffen? Er setzte sich in seinen Sessel und ließ sich von einem Servo eine Tasse heißen Tee bringen. Der Servo bot auch Cau Thon etwas an. Wie nicht anders zu erwarten, lehnte der Sohn des Chaos ab.

»Ihr habt sechs Jahre Zeit.«

»Sechs Jahre? Das ist unmöglich! Selbst wenn wir Cartwheel durch mein politisches Geschick einigen können, so ist die Errichtung der Flotte kaum möglich.«

»Entsendet Cauthon Despair in die Nachbargalaxie Seshonaar. Dort stehen hunderte Werften und Fabriken für die Produktion eines neuen Schiffstypen bereit. MODROR hat alles geplant.«

Die Zielstrebigkeit Cau Thons und die Organisation bis hin zur Durchsetzung von MODRORs Plan imponierte ihm. Cau Thon entging dies nicht. Er streichelte seltsam den Stab aus.

»Ihre Stunde ist gekommen, de la Siniestro. Beginnen Sie mit der Gründung des Imperiums …«

 

Kapitel 1 - 1299 NGZ

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon, Anfang 1299 NGZ

 

Der schmale Grat zwischen Freud und Leid, Trauer und Hoffnung, Hilflosigkeit und wieder gewonnener Stärke war selten deutlicher als in den Tagen und Wochen nach der großen Schlacht am Hell-Sektor.

Millionen Lebewesen verloren ihr Leben, um Billionen das Weiterleben zu ermöglichen.

Millionen Väter, Mütter, Ehefrauen, Ehemänner trauerten um ihre Söhne, Töchter, Männer und Frauen. Doch Billionen von Familien feierten den Sieg über den finsteren Rodrom und zelebrierten ihre Existenzsicherung.

Millionen resignierten in ihrer großen Trauer, Billionen blickten hoffnungsvoll in die Zukunft.

So nahe konnten Leben und Tod beieinander liegen.

Aurecs Rückkehr

Die Luft war beißend kalt, der Wind zog durch Haar und Kleidung. Ein ungemütliches Wetter, wie er fand. Würde sich das Klima nach den Ereignissen richten, müsste es Sonnenschein mit Regenschauern geben.

Dies würde zumindest seine Gefühle widerspiegeln. Einen großen Sieg hatten sie errungen; die Milchstraße vor dem Untergang bewahrt. Doch Millionen Landsmänner- und Landsfrauen hatten bei der Schlacht ihr Leben gelassen.

Die einstige Streitmacht Saggittors existierte nicht mehr. Saggittor hatte wirklich alles für seine Verbündeten gegeben.

Doch noch mehr verstimmte ihn, während er blinzelnd auf die Sonne blickte, die sich für einige Momente ihren Weg durch die dichte Wolkendecke bahnte, dass Kathy Scolar ihn verraten hatte.

Wieder einmal war er allein. Reich an Freunden und Bewunderern, reich an Feinden und Neidern, aber arm an der Liebe einer Frau. Das Herz des Prinzen Saggittors, wie er so oft von anderen bezeichnet wurde, war ebenso kalt, wie die Luft auf Saggittor.

Aurec trauerte um Kathy Scolar, die zwar überlebt hatte, doch durch die Konditionierung Cau Thons ihren Verstand verloren hatte. Sie war nach Mimas gebracht worden, erlitt Nervenzusammenbrüche und war seitdem zeitlich, örtlich und realistisch desorientiert.

Sie hatte Aurec verraten. Seine Liebe missbraucht. Ob freiwillig oder durch Zwang des Sohnes des Chaos, wusste er nicht. Das Resultat änderte sich nicht. Er war erneut einsam.

Nicht einmal mehr das Volk Saggittors hatte er, denn seit Jahren saß sein Freund Serakan im Sattel des Kanzlers. Aurec wusste nicht, was er nun eigentlich machen sollte.

Bedächtig lief er die Rampe des Transporters entlang und streckte die rechte Hand Serakan entgegen. Der Kanzler Saggittors, der gereifter wirkte, ergriff sie und lächelte Aurec freundlich an.

»Es erfüllt mich mit tiefer Freude, dich lebend wiederzusehen«, begann der amtierende Kanzler.

»Sie ist ganz auf meiner Seite. Endlich haben wir Zeit, miteinander zu reden. Ich bin froh, dass du die Nachfolge meines Amtes angetreten hast. Saggittor ist in guten Händen.«

Beide gingen auf der Straße entlang, die von einigen Dutzend Soldaten bewacht wurde. Aurec hatte absichtlich einen abgelegenen Landeplatz in den großen Wäldern gewählt, da er einen großen Presserummel vermeiden wollte.

In aller Stille beabsichtigte er in die neue Heimat der Saggittonen zurückkehren, die doch so viel Ähnlichkeit mit dem alten Saggitton hatte. Besonders die mächtigen, grünen Kiefernwälder erinnerten Aurec immer aufs Neue an seine zerstörte Heimat.

»Du schmeichelst mir«, gestand Serakan mit leiser Stimme. »Ich habe mich eher als Verwalter gefühlt und nicht als Kanzler. In deine Fußstapfen zu treten, war sehr schwer«

Aurec schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. Er hoffte, dass Serakan in seine Rolle hineinwachsen würde. Er wollte Serakan auf jeden Fall nicht so schnell ablösen.

Es gab jetzt sicherlich andere Dinge für ihn zu tun. Ohne die Belastung als Staatsoberhaupt standen ihm andere Wege offen. Er konnte von hinten heraus Saggittor formen und den Lebensstandard verbessern.

Offen sprachen beide nicht darüber. Aurec vermutete, dass Serakan die Situation offenbar akzeptierte. Die beiden redeten hauptsächlich über Aurecs Erlebnisse in Barym und die Veränderungen in Cartwheel.

Der Saggittone vermied es, dem neuen Kanzler Ratschläge jeder Art zu geben, war jedoch stets bereit zu helfen, wenn Serakan diese Hilfe einforderte.

Es fing an zu regnen. Sofort flogen etliche Servos über den Köpfen der beiden hinweg und spannten regenschirmförmige Felder auf. Aurec beachtete sie nicht. Ihm hätte der Regen aber auch nichts ausgemacht. Nach den Abenteuern auf Entrison war er ganz anderes gewöhnt gewesen.

Endlich erblickte Aurec sein Blockhaus auf einer Anhöhe. Einige Sicherheitsbeamte waren damit beschäftigt, aufdringliche Journalisten loszuwerden.

Aber nicht nur Neugierige, sondern auch Verehrer waren dort. Anscheinend war selbst das größte Geheimnis nie völlig sicher.

Aurec war sich bewusst, im Laufe der Jahre den Nimbus eines Helden erlangt zu haben. Viele schätzten und bewunderten ihn. Aurec glaubte, dass sie ihn als Garant für Wohlstand und Sicherheit in Saggittor ansahen, was er letztlich seit 1285 NGZ gewesen war. Das durfte er ohne Arroganz von sich behaupten, auch wenn er es niemals öffentlich tun würde. Bescheidenheit war für ihn wichtig. Dennoch zollten ihm diese Bürger einen großen Respekt.

Seine Feinde hingegen warfen ihm vor, er sei der Herrscher gewesen, der Saggittor in den Weltenuntergang geführt hatte. So im Unrecht lagen diese nicht. Doch Aurec wusste, dass er Rodrom nicht hätte aufhalten können.

Aurec wies die Sicherheitsbeamten an, freundlich mit den Pilgern umzugehen. Er ging zu ihnen, schüttelte Hände und dankte ihnen für ihre Aufmerksamkeiten. Ganz konnte und wollte er sich dem Volk nicht verschließen. Gerade das Gespräch mit einigen normalen Saggittonen war ihm wichtig.

Er schaute sich nach Serakan um, der abseits vom Pulk stand und traurig  auf ihn wirkte. Es entging Aurec nicht, dass Serakan unter der Popularität von ihm litt. Was musste das für ein Gefühl sein stets im Schatten des Vorgängers zu stehen? Aurec bedauerte diese Situation ehrlich, doch eine Lösung hatte er auch nicht dafür.

Einige Stunden verbrachte Aurec noch auf dem Hof und sprach mit den Pilgern, Verehrern und Neugierigen. Er genoss diese Zeit, widmete sich seinem Volk und sprach mit den Saggittonen ganz normal über seine Abenteuer in Barym und im Hell-Sektor, wirtschaftliche und soziale Probleme sowie über den ganz normalen Alltag.

Nach einer Weile verabschiedete er sich von den Menschen und wollte die dann einkehrende Ruhe genießen.

Auch Serakan verließ Aurecs Anwesen recht schnell. Er fühlte sich ohnehin überflüssig. Saggittor hatte seinen Helden wieder und niemand dankte ihm, dass er zwei Jahre Saggittor regiert hatte.

Doch noch war er Kanzler. Serakan hatte das Ruder der Macht in den Händen.

Auch ein Aurec würde es ihm nicht entreißen können. Er würde allen Zweiflern zeigen, dass er noch größer und noch populärer werden könnte, als Aurec es jemals gewesen war.

Aurec stieg entspannt aus dem Whirlpool und trocknete sich ab. Etwas Luxus tat ab und an sehr gut. Genüsslich trank er ein Glas Wein und stellte sich auf die Veranda.

Die Luft war rein, ganz anders als auf Entrison, wo er mehr als ein Jahr verbringen musste. Die gigantischen Wälder wirkten im Schein des Mondes noch imposanter. Das Heulen der Wölfe, das Zirpen der Grillen und der Ruf einer Eule erfüllten den dunklen Wald mit Leben.

Ja, diese Momente genoss der Saggittone sehr. Nur zu schade, dass er diese Augenblicke nicht teilen konnte.

Einsamkeit war der Preis für sein abenteuerreiches Leben. Ein sehr hoher Preis …

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon

Rückblick auf das Jahr 1299 NGZ

Der Prinz Saggittors war zurückgekehrt und es trat in den ersten beiden Monaten Normalität ein. Doch der Marquês de la Siniestro, der Kanzler der Insel, sorgte schnell für Reformen.

Sein Ziel war es, die Galaxis zu vereinen und zu einem föderalistischen Staatengefüge unter einer Hauptregierung auf Paxus zu formen.

Die ersten Ideen wurden recht schnell aufgeworfen. Der Marquês schlug eine Regierung für Paxus vor, die aus innovativen Politikern Terras und Arkons bestehen sollte. Nach dem gemeinsamen Sieg über die haurischen Terroristen war das Verhältnis zwischen Terrablock und Arkonblock beispiellos.

Freundschaftlich, ja schon fast brüderlich, agierten sie zusammen und zeigten den rivalisierenden Vaterländern in der Milchstraße, dass sie auch als kraftvolle Einheit agieren konnten.

Im Februar 1299 NGZ plädierte der alte Spanier für sein Kabinett und benannte im gleichen Atemzug seinen Nachfolger für den Terrablock. Es war der auf den ersten Blick akkurat wirkende Guido Nordsurfer, der viele Versprechungen machte und sympathisch auf das Volk wirkte.

Doch Nordsurfer, der Parteivorstandsvorsitzende der Liberalen Terraner, war ein machtbesessener Politiker, der die Gunst der Stunde nutzte, um Prinzipien und Ideale an den Marquês zu verkaufen.

Nordsurfer war eine hoch bezahlte Marionette des Kanzlers von Cartwheel. Nordsurfer sollte nichts tun, was die Pläne des Viererbundes in irgendeiner Weise sabotieren könnte.

Da Nordsurfer das Prestige des Postens und ein großer zusätzlicher Gehaltsscheck des Marquês voll und ganz genügten, hatten die Söhne des Chaos den Richtigen gefunden.

Cauthon Despair wurde nun Verteidigungsminister von ganz Cartwheel. Fortan trug er den Rang eines Galaxis-Marschalls. Sein Nachfolger im Terrablock wurde der älteste Sohn des Marquês, Orlando. Kritiker warfen dem Cartwheel-Kanzler Vetternwirtschaft vor, doch das Volk stand immer noch hinter dem populären Spanier und so verpuffte jegliche Kritik oppositioneller Politiker.

Als der Marquês von einer friedlichen Galaxis sprach, traf sich Cauthon Despair mit den Direktoren diverser Rüstungsfirmen und arbeitete mit namhaften Wissenschaftlern aus Arkon, Dorgon und Terra zusammen, um eine neue Flotte aufzubauen. Letztlich nur eine Finte. Die Raumschiffe, die in heimatlichen Werften konstruiert werden sollten, waren nur ein geringer Bruchteil derer, die in einem hohen Tempo in Seshonaar gebaut wurden. Doch keiner sollte auf den Verdacht einer Beteiligung von außen kommen. Scheinfirmen wurden gegründet. Ein großer Bluff, während die Stahlkolosse in der Nachbargalaxie von MODRORs Hilfsvölkern geschmiedet wurden.

Niemand wusste, dass die Zeitbombe anfing zu ticken.

Während dessen machten sich der Ritter der Tiefe, Gal’Arn und sein Schüler Jonathan Andrews auf die Reise nach Shagor, der alten Heimat Gal’Arns.

Shagor

»Aus den exklusivsten Gegenden unserer Galaxis. Hergestellt von den zartesten Sklavinnen der Sterneninsel. Handarbeit, erstklassig ausgeführt. Komm endlich herbei. Es kostet fast nichts. Mach ein Angebot. Was würdest du dafür bezahlen?«

Gal’Arn handelte sich wütende Blicke ein, als er einfach achtlos weiterging und die schreiende Marktfrau ignorierte. Und dabei hatte er den eigentlichen Marktplatz noch gar nicht erreicht. Er schüttelte sich, drehte sich blitzschnell zur Seite, wich dem Topf aus, der zielgenau auf seine Stirn zugeflogen war und verschwand hinter einem Marktstand, der, schmuddelig und windschief, in eine Ecke gedrängt stand.

Vor ihm öffnete sich ein riesiger Platz, kaum überschaubar und langsam wurde klar, woher dieses Brausen kam, das ihn schon längere Zeit begleitete. Es waren unglaublich viele Lebewesen, Zehntausende, die den Platz bevölkerten, miteinander stritten, feilschten, sich einfach nur unterhielten oder vor anderen davonliefen.

Eine solche Völkervielfalt traf man nur an wenigen Plätzen in Shagor an und genau deshalb war Gal’Arn hier gelandet. Zusammen mit seinen Freunden Jonathan Andrews und Jaktar suchte er nach Informationen über den Orden der Ritter der Tiefe, der sich in Shagor befunden hatte. Gab es ihn überhaupt noch? Wenigstens Überbleibsel davon, versprengte, einzelne Ritter, die irgendwie überlebt hatten?

Die meisten Wesen, die er um sich erkennen konnte, entstammten den vier wichtigsten Völkern Shagors, den Elaren, Pontanaren, Ghannakken und Katronen. Weitere Wesen waren aber immer wieder zwischen ihnen zu erkennen und machten den Platz so zu einem Schmelztiegel, einer ungeheuren Ansammlung von Wesen aus dieser Galaxis und auch darüber hinaus. Einen solchen Platz gab es nur auf einer Welt in Shagor.

Tralnokk war die Heimatwelt eines Volkes von interstellaren Händlern, die vor allem für ihren Handel mit Informationen berüchtigt waren. Diese waren nicht einfach zu finden und Gal’Arn drängte sich durch die Menschenmassen, genauso wie sein Orbiter Jaktar und sein terranischer Freund und Ritterschüler Jonathan Andrews. Sie fielen kaum auf in dieser ungeheuren Menschenmenge, die in ihrer Hektik und Zielstrebigkeit fast unheimlich wirkte. Auch Gal’Arn reagierte mit einem leichten Erschauern auf die Ansammlung, hatte er doch seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Volk gehabt und auf allen Welten, die er betreten hatte, waren solche Vielvölkergemische nicht alltäglich gewesen.

Er schlüpfte zwischen den Wesen durch und taumelte kurz, als er über einen am Boden stehenden Krug stolperte. Er sah sich um und konnte für einen Augenblick den Haarschopf des Terraners erkennen. Er war nicht weit entfernt, aber auch er war fast eingekeilt in dieser Menge. Wie sie so etwas erfahren sollten, war Gal’Arn ein Rätsel.

Eine Hand an seinem Bein ließ ihn innehalten. Misstrauisch wirbelte er herum und hatte den Fuß schon zum Tritt erhoben, als er in die toten Augen eines Bettlers blickte, der ihn hilfesuchend anzublicken schien. Der Elare senkte den Fuß und beugte sich zu dem Gefallenen, hob ihn auf und stellte ihn an der Wand ab.

»Danke«, keuchte der alte Mann tonlos.

Vielleicht wirkte er auch nur so, jedenfalls waren die Falten, die sein Gesicht bedeckten und vor allem seinen Mund umgaben, nicht zu übersehen.

»Vielleicht kann ich dir helfen, nachdem du so freundlich warst und mich nicht übersehen hast.«

Gal’Arn wollte sich schon angewidert abwenden, als er den Geruch des Mannes zum ersten Mal bewusst wahrnahm. Aber dann überlegte er es sich anders, drückte ihn sanft gegen die Wand und flüsterte ihm eine schnelle Frage zu.

»Ja, von denen habe ich gehört.« Immer noch hörte sich die Stimme merkwürdig tonlos an. »Sie leben immer noch auf Elaran. Aber sie sind wenige geworden. Nur noch drei von ihnen sind übrig und sie haben keine Macht mehr.«

Erschüttert ließ Gal’Arn von ihm ab, wandte sich um und ging weiter. Die letzten Worte des Alten hörte er schon nicht mehr, so sehr hatte ihn die Nachricht mitgenommen. Aber dann schüttelte er den Kopf. Es war zu erwarten gewesen. Als er damals geflohen war, hatte der Ritterdom in Trümmern gelegen. Cau Thon und Goshkan hatten mit Skurit-Soldaten ein Massaker angerichtet. Jeder Überlebende war schon ein Wunder. Welche drei Gefährten es wohl überstanden hatten?

Gal’Arn fühlte sich nun ein wenig schuldig. Fast eine Dekade hatte er sich mit seiner Rückkehr Zeit gelassen. Doch die Ereignisse in der Lokalen Gruppe, in Zerachon, Cartwheel und Barym hatten ihm ja auch nie die Möglichkeit einer Verschnaufpause gegeben.

Dennoch: Wenn es nur noch drei von ihnen gab, dann war das mehr, als er erwarten konnte. Trotzdem musste er sie erst einmal sehen. Er ging in Richtung des Treffpunktes und bewegte sich langsam, mit schleppenden Schritten, über den Marktplatz von Tralnokk. Warum war er überhaupt hier gelandet? Er wäre besser direkt zum Dom geflogen, aber dann hatte ihn das irrationale Gefühl überkommen, dass es besser wäre, zuerst unabhängige Informationen einzuholen. Dass er sie ausgerechnet von einem Bettler erhalten würden, war zwar nicht der Plan gewesen, aber diese Informationen waren so gut wie alle anderen. Vielleicht sogar noch besser, denn die Bettler hatten viele Informationen, über die sonst kaum jemand verfügte, die sie einfach nur deshalb aufschnappten, weil sie etwas belauschten, Menschen trafen, die sie nicht beachteten. Und deshalb beunruhigte ihn die Nachricht auch so.

Als er den Treffpunkt erreicht hatte, erwartete ihn Jonathan schon und auch seine Miene war sehr ernst.

»Was hast du herausgefunden?«

Gal’Arn blickte ihn erwartungsvoll an.

»Krieg«, antwortete Jonathan schlicht.

Als ihn der Elare verständnislos anblickte, ergänzte er widerwillig seinen kurzen Bericht: »Offensichtlich haben sich in der Galaxie Barbaren breit gemacht, mit denen vor allem die Ritter zu kämpfen haben. Viele von ihnen gibt es zwar nicht mehr, aber die Schule auf Elaran wurde neu aufgebaut. Und da gibt es viele Wesen, die ausgebildet werden. Eine neue Generation wird herangezogen. Und diese Ritter spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Barbaren. Auf jeden Fall sollten wir schnellstens zu deinen Freunden. Vielleicht können wir ihnen helfen.«

»Aber der Bettler sagte doch …« Gal’Arn verstummte.

Er hatte von nur noch drei Rittern gesprochen, aber Schüler hatte er nicht einmal erwähnt. Bedeutete das nun, dass es keine mehr gab? Dass die Schule nicht mehr existierte? Oder war da doch noch mehr?

Der Huf eines Ghannakken traf ihn, er blickte in die Augen des pferdeähnlichen Wesens, das eine entschuldigende Geste machte. Seine eselartige Begleiterin streifte ihn nur mit einem Seitenblick, dann gingen sie weiter, stürzten sich auf einen Stand in der Nähe und begannen leidenschaftlich, um eine Vase zu feilschen. Humanoide Pontanaren drängten sich an ihm vorbei, trennten ihn fast von dem Freund, dann sah er Jaktar, seinen Orbiter, der gerade fluchend an einem katzenartigen Wesen vorbeidrängte, das ihn wüst beschimpfte. Es hielt seinen Schwanz in der Pfote und streichelte ihn sanft. Offensichtlich war ihm der Orbiter versehentlich auf den Schwanz getreten.

Jaktar hatte ebenfalls Informationen auf einen noch existierenden Orden erhalten.

Immerhin, dachte Gal’Arn. Das waren schon bessere Nachrichten.

Ihr kurzer Besuch auf Tralnokk hatte sich insofern gelohnt und er hatte Gelegenheit gehabt, zu sehen, dass diese Welt immer noch sehr aktiv war. Die gesamte Galaxis, wie es aussah, denn davon konnte man ausgehen, wenn eine Welt wie Tralnokk noch so agil wirkte.

»Wir fliegen nach Elaran, der Orden wartet auf uns«, meinte er enthusiastisch.

Donnernde Triebwerke rissen ihn aus seiner Euphorie, ein Schiff raste über ihren Köpfen dahin, beinahe dreitausend Meter hoch, aber so schnell, dass die Druckwelle sie gegen ein Gebäude wirbelte. Die Wesen auf dem Marktplatz schrien auf, von einem Augenblick zum anderen änderte sich die Szenerie, als Gestalten vom Himmel zu regnen schienen, die das Schiff offensichtlich abgesetzt hatte.

Gal’Arn zückte sein Schwert, packte Jaktar an einem Arm und drängte ihn aus der Menge. Weit war es nicht, bis sie eine der Gassen erreichten, die von dem Platz wegführten. Auch Jonathan hatte sich bewaffnet und deutete mit dem Strahler auf eine Gestalt, die da aus dem Himmel fiel.

»Turuk«, verstand er die geflüsterten Worte eines Katronen, der sich an ihm vorbeidrängelte und zu entkommen versuchte.

Er wollte ihn festhalten, fragen, was er eigentlich meinte, aber er war nicht schnell genug. Dafür sah er die Wesen nun deutlicher und er erschauerte. Sie wirkten wild, Bestien mit Hörnern auf der Stirn, groß, muskulös und laut. Sie brüllten, erschreckten die Wesen auf dem Platz und wirbelten primitive Hieb- und Stichwaffen umher. Sie feuerten aus schwachen Strahlern, die mehr Schmerzen verursachten, als wirklich zu töten und schlugen mit bloßen Fäusten auf die erschreckten Wesen. Wirklichen Widerstand gab es nicht.

Jonathan Andrews drängte ihn in die Richtung zum Raumhafen und sie versuchten, aus der Menschenmenge zu entkommen. Aber es war kaum möglich. Sie wurden mit der Menge regelrecht fortgespült, immerhin in Richtung Raumhafen, also dorthin, wo ihr Schiff parkte. Aber sie konnten kaum kontrollieren, wie schnell es vorwärts ging und welche Richtung sie einschlugen.

Einige der Wesen kamen ganz in ihre Nähe und Jonathan feuerte auf sie, traf eines von ihnen, das daraufhin brüllend zu Boden ging. Ein anderes packte direkt vor ihnen einen Ghannakken, trat ihm die Hufe unter dem Körper weg und verletzte es offensichtlich schwer. Aufschreiend ging es zu Boden, unartikuliert stöhnte es auf, das Stöhnen verstummte aber sofort, als die Hiebwaffe über seine Kehle gezogen wurde und ein Blutstrom fast sofort aus dem Körper des Wesens quoll.

Angewidert verzog Gal’Arn das Gesicht, in ohnmächtiger Wut stürzte er sich auf die Bestie und stach ihr direkt in die Brust. Damit konnte er dem Ghannakken auch nicht mehr helfen, aber er hatte immerhin die Genugtuung, den Angreifer sterben zu sehen.

Fast eine halbe Stunde ging es so dahin, bis sie schließlich die Ausläufer des Raumhafens erreichten. Sie kamen nicht weiter, als sie am Rande des Flugfeldes standen und auf die Schiffe blickten.

Viele Wesen drängten sich auf dem Raumhafen und kaum ein Schiff konnte starten, so groß war der Andrang. Die Wesen standen sich gegenseitig im Weg und wenn doch mal ein Schiff auf seinen Antigravfeldern nach oben stieg, dann kam es zu Problemen, weil in einigen Fällen die Abschirmungen versagten und Wesen durch die Feuerlohen aus den Düsen verbrannt wurden. Ein absolutes Chaos lag vor ihnen.

Die Turuk waren aber plötzlich nicht mehr zu sehen. Gal’Arn erspähte sie in ihren Schutzanzügen, als sie begannen, wieder nach oben zu steigen. Ein Schiff holte sie ab und der Spuk verschwand so schnell, wie er gekommen war.

Aufatmend sanken sie auf die Treppenstufen vor dem Raumhafengebäude und musterten die Umstehenden. Viele Wesen waren tot, andere verletzt, das Chaos lichtete sich langsam, als Rettungskräfte eintrafen und den Wesen auf Tralnokk halfen. Trotzdem hatte der Angriff mehrere tausend Tote gefordert und die Überlebenden würden das Trauma lange nicht verarbeiten.

Auch Gal’Arn konnte die Bilder kaum abschütteln, obwohl er in letzter Zeit vieles gesehen hatte, was ihn erschütterte. Es wurde offensichtlich nicht besser, so lange MODROR in diesem Universum existierte. Obwohl die Opfer diesmal nicht auf ihn zurückzuführen waren – zumindest hatten sie dafür noch keine Anhaltspunkte gefunden.

Wie auch immer, die Lage war offensichtlich verworren. Und sie mussten schleunigst zu den noch existierenden Rittern, um Informationen zu erhalten. Gemeinsam stürmten sie das Flugfeld und suchten nach ihrem Schiff. Es war noch da. Tralnokk versank schnell unter ihnen, nachdem sie die Raumhafenbehörde überredet hatten, sie fliegen zu lassen.

*

Das Schweigen in der Zentrale schmerzte beinahe, aber Jonathan wollte es nicht unterbrechen, konnte es nicht, wenn er sich vorstellte, was im Kopf seines Mentors vorgehen mochte.

Gal’Arn stand äußerlich unbewegt hinter dem Sessel des Piloten und hatte den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet, der die Schwärze des Weltalls zeigte, obwohl sie gerade im Hyperraum waren. Die aktive Außenortung des Schiffes war aktiviert und zeigte den Weltraum so, wie er sich darstellen würde, wenn sie auch physikalisch in diesem Medium wären. Deshalb stellten sich die Sterne auch merkwürdig verwischt dar, sie schienen an der unsichtbaren Kamera vorbei zu fliegen.

Als Kursziel war Elaran programmiert.

Jonathan fragte sich, was sie dort finden würden. Andererseits wollte er es genauso wenig wissen, wie die Gedanken seines Freundes, der seit dem Abflug von Tralnokk kein Wort gesprochen hatte. Der Terraner konnte sich denken, was das bedeutete. Der Angriff der Turuk, die Informationen über seine Heimat, beides hatte den Elaren aufgewühlt, ihm klar gemacht, dass er vielleicht viel zu lange abwesend war. Nicht, was sein Volk betraf. Offensichtlich hatte es überlebt, hatte zu einer neuen Form der Existenz gefunden, die es ihm erlaubte, mit den einmal gewonnenen Erkenntnissen weiterzumachen, und zwar trotz der Zerstörung aller Anlagen, der Ausrottung des Ordens durch Cau Thon. Trotzdem kam er womöglich zu spät. Waren die Turuk schon auf Elaran gewesen? Oder hatten sie sich noch nicht um die wohl wichtigste Welt in Shagor gekümmert?

Und wenn nicht, wann wäre Elaran an der Reihe? Wie lange konnte es überhaupt unbehelligt bleiben? Alles Fragen, die sich bald von selbst beantworten würden. Aber kaum etwas war schlimmer, als darauf zu warten, was geschehen würde, nicht selbst der Schmied seines Schicksals zu sein. Jonathan litt darunter fast ebenso, wie Gal’Arn, und trotzdem auf eine andere Art, eine Weise, die mehr seinem Volk entsprach.

Ungeduldig wippte der Elare für einen Augenblick auf den Fersen, fast nicht sichtbar, aber trotzdem ein deutliches Zeichen. Jonathan atmete innerlich auf, alles war besser, als dieses tödliche Schweigen, das nicht einmal Jaktar zu brechen wagte. Der Orbiter saß im Sessel des Piloten und kontrollierte nur die Bewegungen des Schiffes, den Ablauf der programmierten Parameter, war ansonsten nur mäßig entspannt und wartete darauf, dass das Schiff wieder aus dem Hyperraum entlassen wurde.

Noch dreieinhalb Minuten, dann war die Quälerei zu Ende und das Schiff im System der Sonne Elaran angekommen.

Die Minuten zogen sich so zäh wie Kaugummi, Jonathan rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her, fing sich einen Seitenblick des Gal’Arn ein und saß still. Er beherrschte sich nur mühsam, aber er war trotzdem fast dankbar über die kurze Reaktion des Freundes. Sie blickten wieder auf den Zähler, der die Zeit rückwärts zählte, langsam, als wären die Symbole der Ziffern festgeklebt, wie in zähem Schleim steckend, zählte der Rechner die Zeit herunter.

 

Und dann war es soweit.

Sie fielen in den Normalraum zurück.

Was nicht das mindeste änderte. Sie mussten immer noch elf Stunden in Unterlichtgeschwindigkeit fliegen, um den Planeten zu erreichen.

Gal’Arn seufzte unterdrückt, dann verlagerte er das Gewicht, drehte sich zur Seite und ließ sich schwer in einen Sessel fallen.

Schweigend saßen sie, starrten sich an, niemand sagte ein Wort.

*

Die Trümmer kündeten von den Ereignissen, die sich vor rund neun Jahren auf Elaran abgespielt hatten. Vieles lag noch in Schutt und Asche, war nur notdürftig zur Seite geräumt worden, um Platz zu schaffen für Neues. Von diesem Neuen war vieles aus dem Schutt hergestellt, deutlich sichtbar an den Verfärbungen, die noch an den Trümmern hafteten und von Beschuss aus schweren Waffen kündeten.

Cau Thon hatte nicht viel vom Dom übrig gelassen, die Übungsanlagen der Ritter waren in einem erschreckenden Zustand. Trotzdem war deutlich, dass die Anlage nicht verwaist war. Überall waren sie zu sehen, die Zeichen für einen begonnenen Aufschwung, bescheiden zwar, aber immerhin spürbar. Gal’Arn atmete auf, als er Elaren sah, einige Ghannakken trabten über die Wege, schon seit jeher gute Orbiter für Ritter der Tiefe. Andere machten den Eindruck von Schülern, die gerade erst in Ausbildung waren, und da war auch einer zu sehen, der eindeutig die Ehrenzeichen eines Ritters an sich trug.

Die TERSAL senkte sich, entgegen aller Regeln, direkt neben den Trümmern nieder und landete ganz in der Nähe des Ritters. Gal’Arn sah, dass der Elare vollkommen entspannt reagierte, ganz wie es seinem Volk angemessen war.

Er musste das Schiff eigentlich erkennen, aber er zeigte kaum eine Reaktion, nur ein kurzes, freudiges Funkeln war im Zoom der Aufnahme zu erkennen, dann griff der Mann in sein Gewand, zog ein Funkgerät hervor und bellte einige Worte hinein, fast die mühsam aufrecht erhaltene Beherrschung verlierend. Dann machte er sich gemächlichen Schrittes auf den Weg an das untere Ende der Rampe, die sich aus dem gelandeten Schiff geschoben hatte.

Aber er hatte sichtlich Mühe, beherrscht zu bleiben.

Das entlockte sogar Gal’Arn ein Lächeln und er konnte es kaum erwarten, aus dem Schiff zu kommen. Er ließ die anderen nichts davon merken. Jonathan ließ ihm auch gerne den Vortritt, weil er sich denken konnte, was der Elare in diesem Augenblick fühlte. Die Schleuse öffnete sich und die beiden Elaren standen sich gegenüber.

Sekundenlang fiel kein Wort, hielten sich beide zurück. Dann streckte der Elare die Arme aus.

»Gal’Arn.«

Schweigend ging der Elare über die Rampe, fasste die Handgelenke des hochgewachsenen Elaren und drückte sie fest.

»Ich bin Arat’Ritis.«

Gal’Arn erinnerte sich dunkel an den Namen. Er war ein Schüler gewesen, als er die Ritter verlassen hatte, aber kurz davor, die Weihen eines Ritters zu erlangen.

»Wer hat noch überlebt?«

Jemand, der ihn nicht kannte, hätte kaum das Zittern in Gal’Arns Stimme gehört. Aber Jonathan kannte den Elaren mittlerweile gut genug.

» Arat’Ur und Poro’Thas.«

Gal’Arn kannte beide Namen. Wie konnte es auch anders sein. Die beiden Haudegen waren die Lehrmeister von Ara’Ritis gewesen. Oftmals waren sie wegen ihrem Lebenswandel und ihrer leichtfertigen Art vom Ritter-Rat getadelt worden, doch zweifellos gehörten sie zu den besten Rittern auf Shagor.

Gal’Arn nickte knapp, legte dem Ritter die Hand auf die Schulter und drehte ihn von der Rampe des Schiffes weg.

»Lass uns zu ihnen gehen. Sie werden uns sicher schon ungeduldig erwarten.«

 

Ein feines Lächeln umspielte die Lippen des Ritters, er schüttelte unmerklich den Kopf. »Sie werden gleich hier sein. Und sie werden noch viele andere mitbringen.«

Da stürmten sie auch schon um die Ecke, gefolgt von den Schülern, die die Waffen eines Ritters noch nicht führen durften und auch wesentlich mehr Gefühle zeigten, als die beiden Meister, die immerhin noch gemessenen Schrittes vor den anderen marschierten. Sie kamen aus einer der vermeintlichen Ruinen, traten ans Tageslicht und kamen den Freunden entgegen.

»Was ist passiert?«

Gal’Arn wies mit einer weitausholenden Geste auf die Gebäude. Er war schon lange nicht mehr hier gewesen, neun Jahre immerhin hatte er seine Heimat nicht mehr gesehen.

»Es war schrecklich«, erklärte Ara’Ritis und zupfte an seinem Spitzbart. »Als Cau Thon genug Schaden angerichtet hatte, sorgte er dafür, dass die Schiffe seiner schrecklichen Horden auf die Anlagen feuerten. Viel ist nicht davon übrig geblieben. Aber wir haben alles wieder aufgebaut, auch wenn es nicht so aussieht. Viele der Gebäude sind in einem besseren Zustand, als es den Anschein hat. Der Verdienst dafür liegt bei vielen der Schüler, die ihre Lehrjahre damit verbracht haben, Schäden zu reparieren und zur Tarnung die Trümmer auf den reparierten Anlagen zu befestigen. Jetzt sieht es aus, als wäre hier nicht mehr viel Leben, zumindest wenn wir das so wollen. Und seit die Turuk in der Galaxis sind, ist das das Beste.«

Der Ritter verstummte, ein Schatten legte sich auf sein Gesicht, nur scheinbar, aber seine Gefühle waren in diesem Fall deutlich zu erraten.

»Sie haben uns einmal angegriffen und dabei fast dreißig Schüler getötet. Wir haben ihnen ein Denkmal errichtet, seither waren diese Wesen allerdings nicht mehr auf unserer Welt. Sie können aber jeden Augenblick wiederkommen.«

»Wir kennen ihren Stützpunkt«, meinte Arat’Ur, der sie mittlerweile erreicht hatten und die den Rest des Gesprächs mitverfolgt hatten.

Dann umarmte er Gal’Arn grob und lachte laut. Auch Poro’Thas war erfreut den Ritter wiederzusehen.

Nach der Begrüßung liefen sie in Richtung des Doms. Dabei berichtete Arat’Ur: »Wir konnten sie orten und es gibt einen Planeten, den sie bevorzugt anfliegen. Bisher fehlten uns allerdings die Mittel, um einen Gegenangriff zu starten.«

»Arat’Ur.« Gal’Arn packte auch die Handgelenke des Ritters, der ihm noch aus alten Tagen vertraut war.

Er lächelte auch Poro’Thas zu. Für wenige Augenblicke überließ er sich der Trauer um all die Freunde und Gegner, die er in den letzten Tagen seiner Gegenwart auf Elaran gewonnen hatte. Dann machte er sich bewusst, dass es weitergehen musste. Die Zeit ließ sich nicht zurück drehen, er musste da weitermachen, wo es möglich war. Die Vergangenheit war unwiederbringlich verloren.

»Wo sind sie?«

Es dauerte einen Augenblick, bis die anderen Anwesenden begriffen hatten, wen er meinte. Aber dann erklärten ihm die Ritter, wohin er fliegen musste. Ihr Angebot, jemanden mitzunehmen, lehnte er aber ab. Er wollte in einer möglichst kleinen Gruppe fliegen, auch wenn das auf den ersten Blick Wahnsinn zu sein schien. Auf den zweiten auch, aber in einer kleinen Gruppe waren sie beweglicher und so hoffte der Elare, die Welt der Turuk zu erreichen, ohne dass sie es bemerkten.

Abrupt verabschiedete er sich von den Rittern, die ihn jederzeit gerne in ihrer Heimat willkommen hießen. Sie bedauerten, dass er schon wieder abflog, aber niemand wollte ihn zurückhalten. Mit den besten Glückwünschen gingen sie wieder in das Schiff zurück.

Jonathan schüttelte den Kopf, als er wieder im Sessel saß, blickte auf Gal’Arns Rücken und wunderte sich, wie schnell das alles gegangen war. Nur wenige Minuten hatten sie auf Elaran verbracht, schon hob sich das Schiff wieder in den Himmel der Heimatwelt des Elaren.

»Sag nichts«, forderte Gal’Arn, als er sich endlich zu Jonathan umdrehte. »Ich muss etwas tun. Viel zu lange bin ich nicht zu Hause gewesen und jetzt bin ich es ihnen schuldig.«

»Ich habe mich nicht beklagt«, antwortete der Terraner launig. »Ich hätte mir nur einen heißen Braten gewünscht. So was richtig Anständiges zu Essen. Einen halben Ochsen hätte ich verdrücken können. Oder ein anständiges Haeggis. Dieser synthetische Mist hängt mir langsam zum Hals heraus!«

Gal’Arn blickte ihn verständnislos an, lächelte aber dann, als der Terraner in Gelächter ausbrach. Er wandte sich ab, ließ sich in seinen Sessel niedersinken und sah sich dem analysierenden Blick des Elaren ausgesetzt, der aber nichts mehr sagte. Er wusste, dass er sich auf den Terraner verlassen konnte und wandte sich wieder zu den Kontrollen um, die Jaktar mittlerweile mit den Koordinaten programmiert hatte, die sie von den Überlebenden erhalten hatten.

*

Schüsse ließen die Reise jäh enden, als das Schiff des Ritters den Planeten erreichte. Jonathan Andrews erwiderte blitzschnell den Angriff und ließ die Kontrollen des Feuerleitoffiziers mit einem Knopfdruck aktivieren. Sie reagierten auf die vertrauten Muster seiner Hand, der Rechner ließ die Kanonen einschwenken und nahm das erste der Raumschiffe, die auf sie zugeflogen kamen, ins Visier. Konzentriert saß der Terraner in seinem Sessel, feuerte und traf das erste der Schiffe.

Gal’Arn steuerte die TERSAL und erkannte sehr schnell, dass ihnen die Schiffe kaum gefährlich werden konnten. Elegant navigierte er das Schiff und ließ es in den Ortungsschutz der Sonne gleiten. Das nützte leider nicht viel, weil die Schiffe sie bereits gefunden hatten. Aber das Versteck war trotzdem gut. Es erlaubte ihnen immerhin, sich dem Zugriff der feindlichen Einheiten zu entziehen, die nicht annähernd so tief in die Korona des Sterns eindringen konnten.

Eine Protuberanz wurde von der Oberfläche der Sonne aus ins All geschleudert, die der Elare umflog, ohne sich viel dabei zu denken. Der Raumer gehorchte der geringsten Steuerbewegung, unterstützt vom Bordrechner, der gewisse Bewegungen des Piloten bereits vorausahnen konnte und die Steuerung dementsprechend unterstützte.

Andrews feuerte immer noch auf die Verfolger, die sich außerhalb der Korona aufhielten. Immer wieder kam eines der Schiffe in seine Reichweite, was von der Aggressivität der Besatzung kündete.

Schließlich gaben sie auf und beschränkten sich darauf, die Wesen im Schiff unter Kontrolle zu halten.

»Wir müssen auf ihre Welt!«

Gal’Arn programmierte entschlossen einen Kurs und überließ alles weitere dem Bordrechner. Innerhalb der Korona zu operieren, wäre für einen Menschen ungleich schwerer gewesen. Der wesentlich reaktionsschnellere Rechner umkreiste die Gasausbrüche der Sonne elegant und ohne die geringsten Verzögerungen. Für die Schönheit dieses Naturschauspiels hatte keiner in der Besatzung auch nur einen Blick übrig.

»Ohne die überlegene Technik der TERSAL hätten wir nicht den Hauch einer Chance, das ist dir hoffentlich klar.«

Andrews kontrollierte die Orter, die immer noch keine sich nähernden Schiffe zeigten.

»Natürlich ist es das«, fuhr er fort. »Ich weiß nicht, warum du dieses Risiko auf dich nimmst, anstatt nach weiteren Raumern zur Unterstützung zu suchen und die Turuk erst dann zu überfallen«

Gal’Arn lächelte, sagte aber nichts.

»Oder erwartest du die Schiffe bereits?«

Nun brach der Elare sein Schweigen. »Sie folgen uns bereits, seit wir aufgebrochen sind. Eine Flotte aus Shagor sammelt sich in diesem Augenblick und wird sich in wenigen Stunden hier einfinden. Viele Völker warten bereits auf diese Gelegenheit und meine Brüder, die ehemaligen Ritter dieser Galaxis, haben immer noch einen gewissen Einfluss. Sie haben sich bereits mit den Oberkommandierenden der Flotte in Verbindung gesetzt. Unter unserer Führung wird es gelingen.«

Das Schiff beschleunigte immer noch und raste mittlerweile mit unglaublicher Geschwindigkeit um die Sonne. Ohne die Hilfe der Orter wäre es kaum möglich gewesen, den Gegner überhaupt im Visier zu behalten, sie waren nicht mehr mit bloßem Auge zu erkennen, zu schnell flog das Schiff inzwischen.

Um dann plötzlich aus der Korona hervorzubrechen, an den überraschten Turuk vorbei, die nicht mehr reagieren konnten. Obwohl es sinnlos war, schickte Jonathan ihnen noch einen Gruß aus der Bordkanone.

»Bis sie ihren Stützpunkt wieder erreicht haben, wird sich vieles zu unseren Gunsten entschieden haben.«

Gal’Arn lehnte entspannt im Sessel, obwohl die Oberfläche des Planeten geradezu rasend schnell näher kam. Andrews starrte auf den Monitor, der die Annäherung in Echtzeit einfing. Der Planet schien ihnen regelrecht entgegenzuspringen. Seine Hände umkrampften die Armlehnen, eine hilflose Geste, nur wenige Augenblicke trennten sie noch von einem unrühmlichen Ende auf der Oberfläche dieses Planeten. Raumschiffe der Turuk, die auch in der Atmosphäre parkten, huschten an ihnen vorbei, als sie auf den Planeten zurasten.

Die Triebwerke verzögerten mit Höchstwerten. Absorber nahmen die Energie auf, bevor sie zu den Passagieren gelangen konnte.

Andrews betete darum, dass diese Aggregate hielten, denn wenn sie versagten, waren die Turuk kein Problem mehr. Und die Kollision mit dem Planeten genauso wenig. Er hatte kaum Zeit, sich diese Gedanken zu machen, als die Oberfläche der Welt auch schon auf sie zu raste.

Gal’Arn saß immer noch vollkommen entspannt im Sessel. Seine Berechnungen waren richtig, da war er sich absolut sicher. Als er eine Geländeformation erkannte, die ihm als richtig erschien, unterbrach er kurz entschlossen das Programm und packte die Steuerung selbst.

In atemberaubender Geschwindigkeit raste das Schiff auf die Gruppe von Felsen zu. Die Orter verrieten die Zusammensetzung des Gesteins. Der Ritter nickte zufrieden und steuerte das Schiff unter einen Felsvorsprung. Die Landestützen federten fast bis zum Boden nach, das Schiff rutschte noch einen Meter weit, aber nichts wurde beschädigt.

Andrews stieß die Luft aus, die er in den letzten Minuten angehalten hatte, löste die Hände von den Armlehnen, die nass von Schweiß waren, und wischte sie an der Hose seiner Kombination ab. Der Stoff saugte die Feuchtigkeit sofort auf.

»Du bist wahnsinnig«, meinte der Ritterschüler.

Dann machte sich ein verwegenes Grinsen auf seinem Gesicht breit. Was für ein Manöver. Schlimmer, als damals in Redhorse Point, als sie in der Hölle eines Gasriesen etwas Ähnliches veranstalten sollten.

Der Planet hatte ihr Schiff beinahe zerstört. Es war zwar nur eine Simulation gewesen, aber die Effekte in der Kapsel waren dieselben, wie sie sie auf dem Planeten auch zu spüren bekommen hätten. Diesmal war es echt gewesen und fast noch schlimmer.

Der Ritter sprach immer noch nicht, sondern löste sich aus seinem Sitz.

»Nicht nur du kannst rasen. Wir haben zu tun«, sagte er nur.

Dann verließ er das Raumschiff.

Jaktar und Andrews warfen sich einen bedeutungsvollen Blick zu.

Der Terraner machte eine Geste, die Jaktar nicht verstand.

»Der spinnt«, flüsterte er zur Erklärung.

Der Orbiter schüttelte den Kopf und folgte seinem Herrn. Mit kurzer Verzögerung war auch Andrews hinter den beiden.

»Und nun? Wo sind die alle? Sollen wir etwa dorthin laufen?«

»Was ist los, Jonathan? Kein Vertrauen mehr in deinen Lehrer?«

Wortlos wandte sich der Ritter ab und stieg mit den Aggregaten in die Luft. Ohne Deckung flog er los. Jaktar folgte ihm und so machte sich auch Jonathan auf den Weg.

Elyn

Dunkelheit und Wärme. Schweigen und Licht. Immer abwechselnd. Licht und Kälte, Dunkelheit und Schweigen.

Kein Rhythmus half Elyn dabei, die Zeit ihrer Gefangenschaft zu messen, aber langsam beunruhigte sie dieser ständige Wechsel. Sie wollte schlafen, konnte es aber nicht, weil plötzlich das Licht anging und ihr grell in die an Dunkelheit gewöhnten Augen stach. Sie wollte schlafen, konnte es aber wieder nicht, weil das Licht plötzlich erlosch und sie von der Dunkelheit erschreckt wurde. Es war furchtbar. Sie schüttelte etwas von ihrer Hand, das auf ihr entlang krabbelte. Während das Licht an war, schaute sie normalerweise nicht so genau hin. Einmal hatte sie es getan und eine großen, behaarten Wurm erkannt, der auf vielen spinnenartigen Beinen ging. Es war offensichtlich harmlos, sie war noch nie gebissen oder angegriffen worden, aber es war auch abscheulich. Von da an schaute sie immer an die Decke, wenn das Licht an war und versuchte, alles zu ignorieren, was sich in ihrer Zelle herumtrieb.

Aber in diesen Stunden war es dunkel in ihrer Zelle. Sie wusste immer noch nicht, wie lange sie schon hier war. Ihre Furcht war beinahe verflogen und hatte Resignation Platz gemacht. Es war kühl in der Zelle. Ihr dünnes Hemd gab ihr keine Wärme. Geräusche waren zu hören, aber sie konnte sie nicht einordnen.

Es klang nach Kampf, aber das war nicht ungewöhnlich. Die Wesen, die sie überfallen hatten, kämpften oft, auch gegen sich selbst. Geräusche auf den Flur ließen sie erschrocken zusammenfahren. Sie kamen näher. Kratzen und Schaben auf dem Flur vor der Tür, Schotten, die sich öffneten und wieder schlossen, Stimmen von Menschen. Dann ein Geräusch auch an ihrer Tür. Ein dünner Lichtstrahl tastete sich in den Raum, zum ersten Mal seit einer Zeitspanne, die sie nicht bemessen konnte, aber für eine Ewigkeit hielt, konnte sie ein Wesen erkennen. Es war nicht wie sie, aber trotzdem so ähnlich. Es hatte die Gestalt eines menschlichen Wesens. Es war groß und trug einen ockerfarbenen Anzug. In seiner Hand war ein goldenes Schwert, auf dem sie eine bläuliche Flüssigkeit schillern sah. Sie wollte nicht wissen, was es war. Sie starrte ihn nur an und sagte kein Wort.

»Du bist frei«, sagte das Wesen.

Es wirkte für einen Augenblick geistesabwesend, nahm aber den Blick nicht von ihr. Sie senkte verschämt den Blick. Das war kein Turuk, erkannte sie, er war anders, friedlich, trotzdem hatte er eine kriegerische Ausstrahlung. Er kämpfte, wenn er musste. Sie machte einen Schritt auf ihn zu.

»Wer bist du?«

»Gal’Arn.«

Er streckte die Hand aus, zog sie aus der Zelle und schob sie vor sich her.

»Wir müssen hier weg«, keuchte er, während er mit ihr zusammen durch den Gang rannte.

Weiter vorne konnte sie andere Gestalten erkennen, die meisten Gefangene wie sie. Die Wesen rissen Waffen an sich, Schwerter, Feuerwaffen, was auch immer sie dem Gegner entwinden konnten. Viele tote Turuk lagen da. Elyn wollte nicht wissen, wie sie getötet worden waren. Mit Schaudern dachte sie an die blaue Flüssigkeit an der Klinge des Schwertes, das Gal’Arn mit sich führte. Hier konnte sie noch wesentlich mehr davon erkennen.

Vor ihnen wurde die Zahl der Turuk weiter dezimiert. Aber immer wieder konnten sie andere dieser tierhaften Wesen erkennen, die brüllten und rücksichtslos um sich schlugen, deren zotteliges Fell, in vielen Fällen von blauem Blut verklebt, sie erschreckte.

Gal’Arn drängte sich an ihr vorbei und erschlug einige der Gestalten, die ihre Hände nach ihr ausstreckten und mit Waffen nach ihr schlugen. Elyn erstarrte, blieb stehen, ließ sich von Gal’Arn mitziehen. Sie näherten sich dem Ausgang.

Lärm lag in der Luft, Schreie waren zu hören. Elyn fühlte sich nicht wohl, aber sie vertraute dem Wesen mit dem Umhang und dem blutverschmierten Schwert. Es hatte sie gerettet. Nur das zählte. Außerdem kannte sie Gal’Arn, wenn auch er sie nicht kannte. Vor neun Jahren hatte sie der TERSAL am Sternenportal von Shagor geholfen, Cau Thons Raumern zu entkommen.

Elyn konnte ihn nicht einfach alleine kämpfen lassen. Auch wenn sie den Kampf verabscheute, so durfte sie nicht untätig diesem beiwohnen. Sie hatte einen Auftrag zu erfüllen.

*

Der Ritter parierte einen Hieb mit einer schweren Waffe, schlug dem Gegner das Schwert aus der Hand und stieß zu, drehte das Schwert um und zog es wieder aus ihm heraus. Er stieß den tödlich Verwundeten zur Seite, erkannte gerade noch den Schützen, der auf ihn anlegte und überließ seinen Körper den nahezu perfekten Reflexen seines trainierten Geistes. Er wirbelte herum, wich dem Schuss aus, brachte die Waffe zwischen sich und den Schützen und parierte die Schüsse mit dem Schwert. Elegant drehte er sich und zerteilte dabei zwei weitere Angreifer. Körper und Geist bildeten eine Einheit, harmonisch miteinander verflochten, und ließen den Kampf des Elaren wie einen Tanz wirken, einen Tanz auf einer tödlichen Messerklinge, wie die überall zuckenden Strahlbahnen verrieten.

Trotzdem hatte der Geist des Elaren Zeit, sich mit der Frau zu beschäftigen, die er aus der Zelle gerettet hatte. Sie war unglaublich schön, wirkte wie eine Elfe, schlank und fast ätherisch durchscheinend stand sie hinter ihm und ließ sich von ihm beschützen. Und der Elare genoss das Gefühl, dieser Frau ganz nahe zu sein. Vielleicht hatten sie das Mädchen auf Grund ihrer ganz besonderen Ausstrahlung verschont, er wusste es nicht. Er wusste nur, dass sie wunderbare Augen hatte, etwas größer, als die eines Menschen oder Elaren, in denen man regelrecht versinken konnte. Ihre Ohren waren spitz, Andrews hätte sich wahrlich an eine Elfe aus den Sagen seiner Vorfahren erinnert gefühlt.

Während er mechanisch, fast wie ein Automat, die Gegner von seinem Leib fernhielt, hatte er Gelegenheit, sie anzusehen und ihren Anblick wie ein Schwamm in sich aufzusaugen. Sie erweckte Gefühle in ihm, die er nicht beschreiben konnte und die er auch nicht an sich heran ließ. Sie faszinierte ihn. Gleichzeitig stieß es ihn ab, wie er sie kennenlernte und dass er Leben vernichten musste, um sie zu schützen. Aber die Turuk ließen ihm keine andere Wahl, ihr Angriff war ungestüm und kaum zu bändigen. Er hieb sich seinen Weg durch die Masse der Angreifer und kam sich dabei vor, wie ein Bauer, der einen Acker mähte. Die Toten sanken um ihn zu Boden, immer weniger Gegner standen ihm im Weg. Und dann hatte er den Ausgang erreicht.

»Wer bist du?«, fragte er das Wesen schließlich.

»Elyn«, sagte sie. Er lauschte für einen Augenblick ihrer Stimme nach. »Vom Volke der Alysker.«

Sie verstummte und lief in einen Raum. Sie kramte zwischen vielen Taschen und fand endlich, was sie suchte. Gal’Arn blickte sie verdutzt an. Sie nahm eine große Tasche und holte aus ihr einen Strahler und ein Krummschwert heraus. Hastig legte sie sich eine braune Weste über und schnallte einen Gürtel um die Hüften.

»Ich danke dir für deine Befreiung, edler Ritter der Tiefe«, sprach sie. Dann deutete sie auf fünf Gegner, die auf sie zustürmten.

Der Ritter wollte Elyn schützen, doch sie warf sich auf die Gegner und konnte ähnlich elegant das Schwert führen, wie er selbst. Sie setzte zwei der Gegner außer Gefecht.

Gal’Arn schlug nach einem der anderen, trennte ihm den Arm ab und kämpfte noch zwei weitere nieder, dann drehte er sich wieder zu Elyn um.

Sie war nicht mehr da, er stand alleine auf den Treppenstufen, die in die Burg der Turuk führten.

Er schaute sich um, konnte sie aber nirgends entdecken. Die Treppe führte mehrere hundert Meter bergab, dort konnte sie sich nirgends verstecken, aber sie war trotzdem nirgendwo zu erkennen. War sie in die Burg zurückgelaufen? So verrückt konnte sie nicht sein, oder hatte sie in all dem Gemetzel den Verstand verloren? Möglich war es durchaus. Gal’Arn rannte zurück in die Burg, konnte sie aber auch dort nirgends erkennen. Er begriff, dass es keinen Sinn hatte, sie zu suchen. Wenn sie in die Burg zurückgekehrt war, dann hatte sie dafür einen Grund. Finden würde er sie so schnell nicht mehr, dessen konnte er sicher sein.

Er drehte sich um und kehrte ins Freie zurück. Auf der Treppe konnte er Jaktar und Jonathan erkennen. Sie standen nebeneinander und kämpften mit Strahlern und Schwertern gegen eine Übermacht von Feinden. Hinter ihnen konnte er eine Gestalt erkennen, hochgewachsen, kräftig und zottelig. Der Anführer der Gegner, der seinen Soldaten über die Köpfe der beiden Orbiter hinweg hektisch Befehel zurief. Eine Traube von Turuk stürmte die Treppe nach unten, auf die beiden Gestalten zu. Gal’Arn zögerte keine Sekunde. Er nutzte die Kurve aus, die die Treppe beschrieb, und sprang über den Rand nach unten. Viel zu lange war er in der Luft, Panik ergriff ihn, als er bemerkte, wie eng es werden würde, aber er schaffte es, landete auf der Treppe, ließ sich sofort nach vorne fallen, überschlug sich mehrere Male und kam dann wieder auf die Beine. Er parierte den Hieb eines Turuk und den Schuss eines anderen, sein Schutzschirm aktivierte sich, als er weitere Schüsse auf sich zog, er platzierte sich neben seinen beiden Orbitern und zu dritt wurden sie Stufe um Stufe zurückgedrängt.

Sie hatten keine Chance gegen die Übermacht – wenn nicht bald ein Wunder geschah, waren sie verloren. In die Burg zu gelangen, war wesentlich einfacher gewesen. Viele Turuk waren noch in den Schiffen gewesen, die sie in der Korona der Sonne verfolgt hatten. Mittlerweile waren sie alle eingetroffen, aber dafür standen die Raumschiffe verwaist. Wenn doch nur die Freunde endlich kommen würden.

Gal’Arns Schultern schmerzten von all den Schwerthieben, die er bereits abgefangen und ausgeteilt hatte. Wieder und wieder drängte er Gegner zurück, wurde selbst abgedrängt und erkämpfte sich seine Position wieder. Die Treppe war bald zu Ende, dann wären sie auf dem weiten Feld den vielen Gegnern hilflos ausgeliefert.

Zuerst erkannten sie die Strahlbahnen kaum, die aus der Atmosphäre auf die Gegner niederstießen, aber dann spürten sie den Orkan, den das Raumschiff erzeugte, als es durch die Atmosphäre raste. Die Gegner hielten erschrocken inne, als die Schiffe plötzlich da waren, dann kämpften sie aber erbarmungslos weiter. Es ging um ihren Anführer. Wenige Stufen noch, als der Anführer endlich seine einzige Chance erkannte. Er drehte sich um, rannte auf die freie Fläche am Fuße der Treppe und versuchte, den drei Freunden zu entkommen. Ein Strahlschuss aus einem der Schiffe machte seiner Flucht ein jähes Ende.

Lähmende Stille senkte sich über den Platz der Schlacht. Gal’Arn ließ das Schwert sinken und blickte verblüfft auf die Gegner, bis er bemerkte, was geschehen war. Zusammen mit den beiden Freunden folgte er dem Turuk und lief auf die freie Fläche, wo sie von einem Traktorstrahl aufgenommen wurden. Die Völker von Shagor hielten zusammen, um sich ihrer Gegner zu erwehren. Freudestrahlend wurden sie von den Ghannakken empfangen, die sie zu ihrem Schiff zurückbrachten.

»Etwas ist merkwürdig an dieser Geschichte.« Gal’Arn scharrte nachdenklich mit dem Fuß, als er sich mitsamt dem Sessel des Piloten umdrehte und zu Jonathan und Jaktar blickte. »Dieses Mädchen, sie hat sich als Alyske bezeichnet. Es gibt kein Volk der Alysker in Shagor. Wer war sie? War Elyn nur zufällig da? Oder hatte ihre Anwesenheit eine tiefere Bedeutung, die wir nur noch nicht durchschauen?«

Gal’Arn verstummte, wenige Augenblicke vergingen, in denen niemand auch nur ein Wort sagte. Jonathan hatte den Eindruck, dass Gal’Arn nicht alles gesagt hatte. Aber auch er schwieg.

»Ich erinnere mich daran, dass einst ein Alysker meinem Freund Remus Scorbit den Weg in die Raumzeitfalte gewiesen hat, in der sich Joak Cascal und Sandal Tolk befanden.«

»War Ambush nicht mit dem unterwegs?«, hakte Jaktar nach.

Jonathan bestätigte.

»Ich glaube auch, dass er mal erwähnte, eine Alyske namens Elyn sei kurz aufgetaucht. Ich entsinne mich aber nicht mehr an die Details.«

Die drei schwiegen.

Dann, nach langer Zeit, brach der Ritter das Schweigen.

»Wir fliegen zurück nach Elaran und versuchen, die Ritter für unseren Kampf in Cartwheel zu gewinnen. Vielleicht gelingt es uns ja, dort einen neuen Ritterorden zu gründen.«

Entschlossen wandte er sich wieder den Kontrollen zu und programmierte den Kurs. Zusammen mit der Flotte kehrten sie zurück in die Heimat der Elaren. Nachdem ihr Anführer gefallen war, hatten die Turuk vollkommen die Orientierung verloren, sich in ihre Schiffe gestürzt und das System fluchtartig verlassen. Späher beobachteten, wie sie an den Rand der Galaxis flogen und diese verließen. Vorläufig war die Gefahr gebannt. Hoffentlich für sehr lange Zeit. Auf jeden Fall hatten die Völker von Shagor Gelegenheit, sich auf den Gegner vorzubereiten.

Nicht alle Ritter waren von der Aussicht, ihre Heimat zu verlassen, wirklich begeistert gewesen. Aber immerhin fünf von ihnen hatten sie überreden können. Und so bestiegen sie das Raumschiff des Ritters Gal’Arn, der nach so langer Zeit aus der Fremde heimgekehrt war, und begleiteten ihn nach Cartwheel. Ein weiteres Kapitel der Geschichte dieses Volkes war geschrieben, Abenteuerliches würde sich noch ereignen. Der Grundstein war gelegt.

Cartwheel lag vor ihnen, der Kurs war programmiert. Gal’Arn senkte die Hand, presste den Startknopf und sah seine Heimat auf den Bildschirmen kleiner werden. Trauer erfasste ihn, aber nur kurz. Er war längst ein Weltenbummler geworden, weitere Planeten zu entdecken und zu erforschen war sein Lebensinhalt. Er freute sich bereits darauf.

Geheimnisse in Cartwheel

Zu Mozarts Klängen der Symphonie Nr. 40 in G-Moll betrat der Marquês von Siniestro das Podium. Ein feierlicher Akt sollte am 1. Oktober 1299 stattfinden; die Bekanntmachung seines neuen Kabinetts, das im nächsten Jahr mit den Regierungsgeschäften beginnen sollte.

Der Spanier blickte sich auf seinem Weg zur Rede in den Reihen der Besucher um. Die ganze High Society von Cartwheel war gekommen. Alle wichtigen Politiker, Geschäftsmänner und Prominente.

Besonders freundlich begrüßte der Marquês natürlich Aurec. Der Saggittone war der Einzige, der dem Marquês an Popularität gefährlich werden konnte. Es war medienwirksam, wenn die beiden freundschaftlich zueinander standen. Jedoch wusste der Spanier, dass es nicht auf ewig so sein würde. Aurec würde sich niemals den Plänen der Söhne des Chaos anschließen. Vielleicht aber konnte man ein Arrangement treffen.

Während der Kanzler das Podium erreichte, bemerkte er nicht die Blicke der beiden Agenten in der Loge.

Die hübsche Halbarkonidin Rosan Orbanashol-Nordment und der Chef der USO in Cartwheel Jan Scorbit musterten beinahe jede Bewegung des Marquês. Das Vertrauen in den »Vater der Nation« war seit jenen Kämpfen gegen die Hauri verloschen.

»Wie ein eitler Gockel stolziert er durch die Reihen und lässt sich bewundern«, bemerkte Rosan mit leiser Stimme.

Jan schmunzelte etwas über ihre treffende Aussage.

»Er badet in seiner Beliebtheit. Dennoch ist er immer noch so undurchsichtig wie eh und je.«

Rosan bemerkte, dass ein Mann mit dunklen Haaren und einem markanten Gesicht die Loge betrat. Er war gut gebaut und wirkte wie ein echter Gentleman. Er lächelte die Halbarkonidin an.

Jan bemerkte ihn nun auch, stand auf und gab ihm die Hand. Er registrierte den Gesichtsausdruck von Orbanashol-Nordment.

»Wer sind Sie?«, wollte Scorbit wissen.

»Landry, Stewart Landry.«

Rosan reichte ihm die Hand und er küsste ihren Handrücken. Dann setzte er sich neben die beiden und beobachtete den Marquês.

»Landry ist Agent des TLD«, erklärte Rosan gegenüber Jan Scorbit.

Sie kannte Stewart aus der Zeit im Kampf gegen die MORDRED. Auch wusste sie, dass Landry 1285 NGZ bei der Entführung der LONDON zusammen mit Gucky eine Spur zur LONDON gefunden hatte. Ohne seinen Einsatz wäre die FREYJA niemals rechtzeitig auf »London’s Grave« aufgetaucht, um die überlebenden Passagiere zu retten.

»Ja, ich kenne ihn. Er hat schon einige heikle Missionen bestanden«, berichtete Scorbit. »Ich erinnere da nur an diesen verrückten Syntronkiller der MORDRED, Marius Dorn und natürlich auch an Apophis.«

»Noviel Residor hat mich nicht über meine neue Aufgabe informiert. Ich hoffe, Sie werden das nachholen?«

Rosan wechselte mit Jan Scorbit einen raschen Blick. Konnten sie diesem Landry trauen? Die Frage stellte sich eigentlich nicht. Es war wohl das automatische Misstrauen dieser Tage. Der Mann war in der Tat der Spitzenagent des TLD neben Will Dean, der jedoch in Cartwheel seine Arbeit tätigte. Und gerade das war das Dilemma. Will Dean stand zwischen zwei Stühlen. Ebenso wie die USO vertraute er dem Bund der Vier nicht, doch da der TLD Teil dieses Bundes war, konnte er schlecht doppeltes Spiel treiben und gegen den Terrablock arbeiten.

Die Agenten, die die USO zur Verfügung hatte, waren für geheime Missionen dieser Art ungeeignet. Der tollpatschige Peter Richetteu oder der brutale Sam Tyler gehörten zwar zu den besten Agenten dieser Galaxis, doch für diese Mission suchten sie jemanden, der vielseitig war. Das schien Stewart Landry zu sein.

»Hören wir erst einmal der Rede des Marquês zu«, beschloss Jan Scorbit.

Landry war damit einverstanden, doch so ganz galt die Aufmerksamkeit nicht dem Marquês. Er blickte oft zu Rosan Orbanashol hinüber, die ein schulterfreies, langes rotes Kleid trug. Ihre langen gewellten, rotblonden Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden. Die feuerroten Augen glänzten faszinierend.

Scorbit stieß Landry an und gab ihm damit zu verstehen, dass er sich auf den Marquês konzentrieren sollte. Doch sicherlich verstand auch der Chef der USO in Cartwheel, dass die Ausstrahlung von Rosan nicht zu vergleichen war mit dem Anblick der alten Mumie, die jetzt mit der Rede begann.

»Verehrte Gäste! Ein geschichtsträchtiger Tag hat begonnen. Vor drei Jahren siedelten wir in diese Galaxis und folgten dem Ruf DORGONs. Trotz widriger Umstände und diverser Attacken MODRORs sind wir immer noch hier und es ist Zeit eine Stufe weiterzugehen. Fortan müssen wir nicht mehr als einzelne Völker denken, sondern wie es DORGON wünscht, als Einheit. Kein Arkonblock, kein Terrablock. Nur noch Cartwheel!«

Der Marquês ließ die Worte auf die Gäste wirken. Es konnte niemand von der Hand weisen, dass die Argumente richtig waren.

»Deshalb wird eine zentrale Regierung in Paxus gegründet werden. Das Parlament und der Paxus-Rat werden entlastet. Insgesamt zwölf Minister werden die Regierung in Zusammenarbeit mit den territorialen Staatsmännern übernehmen. Der Paxus-Rat und das Parlament haben dafür ihre Zustimmung gegeben. Große Entscheidungen werden auf Paxus getroffen, während die bürgernahen, kommunalen Regierungen natürlich weiterhin die Geschäfte in ihren Bereichen führen werden.«

Landry blickte Scorbit und Orbanashol-Nordment an. Eine zentrale Regierung konnte tatsächlich Bürokratie abschaffen und das Lenken der Galaxis erleichtern, doch je weniger Leute mehr Macht hatten, umso größer war die Gefahr der Ausnutzung.

Nun war es an der Zeit, dass der Marquês sein Kabinett vorstellte. Mit großen Fanfaren wurden die vier Minister für Inneres vorgestellt, die je eine Himmelsrichtung der Galaxis kontrollieren sollten und direkte Stellvertreter des Marquês waren.

Diese Minister setzten sich aus dem Paxus-Rat zusammen – Uwahn Jenmuhs für den südlichen Teil Cartwheels, Mirus Traban für den nördlichen Bereich, Nor’Citel für den östlichen Teil und Torsor übernahm den Norden.

Galaxis-Marschall Cauthon Despair hatte fortan das Kommando über die gesamte Streitmacht in Cartwheel.

De la Siniestros Tochter Stephanie übernahm das Amt der Außenministerin.

Der fette und schmierig wirkende Terraner Diethar Mykke wurde Wirtschafts- und Arbeitsminister. Der nichtssagende Arkonide Arus da Toppel übernahm das Finanzwesen, Forschungsminister wurde der Pariczaner Kruschkor Serek, Kulturminister Reinhard Katschmarek, Sozialministerin Brettany de la Siniestro und Gesundheitsministerin die Arkonidin Tahea da Leoni.

 

Der Beifall hielt sich besonders bei den extraterrestrischen Völkern in Grenzen. Jedem fiel sofort auf, dass kein einziges Alien einen Ministerposten inne hatte, sah man von Torsor einmal ab. Ansonsten bekleideten nur Lemurerab­kömmlinge die Positionen.

Stiller Protest machte sich unter den Blues, Maahks, Okefenokees, Gurrads und anderen Wesen breit.

Was nun folgte waren der Eid auf Gerechtigkeit, Demokratie und das Wohlergehen des Volkes, dem Versprechen alle Kraft dem Volk zu widmen und weitere Gelöbnisse auf Loyalität und Ehrbarkeit.

»Ein Eid auf die Demokratie. Ich hoffe, die erinnern sich bei den nächsten Wahlen daran«, meinte Rosan.

»Ein Referendum wird wohl nicht angestrebt«, flüsterte Jan.

»Frechheit! Aber wenn die planetaren Regierungen die Reform des Rates absegnen, dann benötigt es leider auch kein Referendum. Zuviel Demokratie ist ja auch schädlich fürs Volk.«

Rosan war der Sarkasmus deutlich anzumerken. Sie hätte sich gewünscht, der Rat wäre neu gewählt worden. Doch vermutlich hatten zu viele machthungrige Wesen Angst davor, eben jene Macht zu früh zu verlieren. Obgleich der Marquês nun wirklich nicht um seinen Posten fürchten musste. Wohl aber die anderen.

Nach der Zeremonie gab es eine große Feierlichkeit im Paxus-Palast. Auch Landry, Scorbit und Rosan Orbanashol-Nordment ließen es sich nicht nehmen, dort aufzutauchen.

Sie gingen zu Aurec, der in einer Runde mit Jonathan Andrews, dessen Frau Nataly und deren Onkel Jaaron stand.

»Miss Orbanashol-Nordment, ich bin entzückt Sie wiederzusehen«, begrüßte der alte Linguide die Dame.

Rosan schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Danke, Mister Jargon. Ich habe Ihr Buch ›Die Chronik 1298 NGZ‹ regelrecht verschlungen. Es erstaunt mich immer wieder, wie treffend Sie die Zusammenhänge schildern.«

Der Linguide mit terranisch-arkonidischen Wurzeln schien verlegen und schlürfte etwas an dem Glas Rotwein. Dann antwortete er: »Nun, ich danke für das Lob, doch einige Machthaber haben es nicht so gerne gelesen. Der Bund der Vier fühlte sich falsch dargestellt.«

Rosan verstand nur zu gut. Sicherlich waren die sehr darin interessiert, in einem guten Licht zu stehen, doch Jaaron Jargon war ein sachlicher Autor, der die Ereignisse realistisch wiedergab.

Jan stellte Landry den anderen vor und bat sie, niemand sonst zu sagen, wer der Geheimagent war. Jaaron kannte Landry noch aus den Zeiten, als LFT und Camelot wie Hund und Katz waren.

»Es wundert mich, dass Sie nicht in dem Kabinett sind«, meinte Landry zu Aurec.

»Ich bin kein Politiker mehr. Kanzler Serakan lenkt nun Saggittors Geschicke. Er genießt mein vollstes Vertrauen. Ich beschränke mich auf wohltätige Veranstaltungen und engagiere mich, damit es den Wesen besser geht.«

Landry nahm es dem Saggittonen nicht ganz ab. Er merkte, dass Aurec Probleme damit hatte, nicht mehr Kanzler zu sein. Aurec wollte etwas bewirken und die Wesen vorantreiben, wie es Perry Rhodan tat. In seiner jetzigen Position konnte er das nicht.

Eine weitere Frau gesellte sich zu ihnen. Es war die Tochter des Cartwheel-Kanzlers, Stephanie de la Siniestro.

»Ich hoffe, unsere Feier gefällt Ihnen?«, erkundigte sie sich brav und blickte Landry mit einer Mischung aus Neugier und Lust an.

»Ja, sehr nett«, gab Aurec zurück.

»Wollen Sie mir nicht den smarten Mann an Ihrer Seite vorstellen, Rosan? Ich hoffe nicht, dass Sie liiert sind. Das wäre eine Verschwendung dieses Mannes.«

Rosans Augen weiteten sich. Nataly legte ihre Hand auf Rosans Unterarm und versuchte sie so etwas zu beruhigen. Nach einer Weile fasste sie sich und wollte etwas sagen, doch Landry kam ihr zuvor.

»Mein Name ist Connery, Roger Connery. Ich bin unabhängiger Finanzbuchhalter und arbeite im Moment für die USO. Auch eine Geheimorganisation braucht einen Finanzberater.«

»Ah ja. Jonglieren Sie nur mit Zahlen oder haben Sie auch schweißtreibendere Betätigungen?«, wollte Steph wissen.

Landry wusste, worauf das hinausführte. »Vielleicht sollten wir uns darüber einmal bei einem Drink unterhalten. Diskretion ist in meinem Beruf sehr wichtig, deshalb schätze ich meist Gespräche zu zweit.«

Stephanie grinste über beide Wangen. Ihre Augen funkelten.

»Wir sehen uns, Mister Connery.«

Landry verabschiedete sich galant von der Außenministerin Cartwheels und blickte ihr noch eine Weile hinterher.

»Schweißtreibendere Beschäftigungen!«, äffte Rosan ihr nach. »Landry, Sie sind hier, um zu arbeiten und nicht zum Vergnügen«, fügte sie scharf hinzu.

»Was immer auch mein Auftrag ist, ich denke, dass gute Kontakte sehr wichtig sind.«

Rosan erwiderte nichts darauf. Sie forderte Jan Scorbit auf, Landry Instruktionen zu geben und bat dann Nataly mit ihr einen Drink zu holen. Der Spion blickte der Halbarkonidin und der Halblinguidin amüsiert hinterher.

»Ich schätze Frauen mit Temperament«, meinte er.

»Davon wirst du hier genug finden«, antwortete Jonathan Andrews und scherzte etwas über Rosan und seine Nataly herum. Dann wurde er ernst und deutete auf Carjul, der erbost mit dem Marquês sprach.

»Den Okefenokees gefällt das neue Kabinett gar nicht. Sie fürchten, dass ihre Rechte beschnitten werden. Ganz verdenken kann ich es ihnen nicht. Die Ministerposten sind sehr einseitig vergeben.«

Landry nickte schwach und nahm einen Schluck von seinem Vurguzz/Wodka-Getränk.

»Was ist nun meine Aufgabe, Scorbit?«

Jan deutete zu Aurec und Andrews. Die vier gingen auf einen Balkon. Scorbit überprüfte, ob sich irgendwo Wanzen oder Kameras befanden. Als das Suchergebnis negativ ausfiel, fing er an zu erzählen.

»Sowohl Perry Rhodan als auch Aurec und Monkey sind alles andere als begeistert über das Bündnis der Vier. Wir sehen eine gewisse Gefahr darin, können diese aber nicht genau definieren«, berichtete Scorbit und zündete sich eine Zigarette an.

Er bot auch Landry eine an, der sie dankend annahm. Aurec hingegen machte sich nichts aus den Räucherstäbchen. Er genoss lieber ein weiteres Glas saggittonisches Sorfa-Bier.

»Wir glauben, dass der Marquês nicht ehrlich zu uns ist. Sie sollen herausfinden, was sich dahinter verbirgt.«

Landrys Blick fiel auf Stephanie de la Siniestro, die einen gelangweilten Eindruck machte.

»Gut, dann werde ich meine Beziehungen zum Hause de la Siniestro etwas vertiefen …«

 

Kapitel 2 - Das neue Jahrhundert

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon

 

Das neue Jahrhundert wurde in Cartwheel gebührend gefeiert. Es brachte viele Veränderungen, so trat das neue Kabinett am 4. Januar 1300 zum ersten Mal zusammen.

Die Proteste der Außerirdischen-Fraktion wurden größer. Allen voran Carjul zeigte offen seinen Protest.

Trotzdem versuchte der Marquês deutlich zu zeigen, wie wichtig ihm eine Zusammenarbeit aller Völker war. Im Februar 1300 beschloss er zusammen mit der LFT den Bau von drei Raumstationen am Sternenportal auf der Seite der Lokalen Gruppe, um den Handel zu intensivieren.

Wenige Tage später gab Despair den Bau der IVANHOE II unter dem Kommando von Xavier Jeamour bekannt. Das neue Schiff sollte das Flaggschiff des Terrablocks werden und einen Durchmesser von 2.500 Meter besitzen.

Die Werften für dieses große Projekt stellte BOHMAR Inc. zur Verfügung, deren Leitung der neue Arbeits- und Wirtschaftsminister Diethar Mykke inne hatte. Wenige Wochen später trat er jedoch zurück, da die Gesetze es Politikern verboten hatten, den Vorstand über private Firmen zu führen. Man wollte damit eine Ausnutzung der politischen Tätigkeit unterbinden. Mykke ernannte jedoch seine Frau Judta zur neuen Geschäftsführerin und schlüpfte damit in eine Gesetzeslücke.

Doch schnell kam es zu Differenzen in Cartwheel. Die neugegründete Cartwheel Intelligence Protective unter der Führung des intriganten Werner Niesewitz legte sich mit der USO an und zweifelte an deren politischer Legalität.

Insbesondere kam es zu Unstimmigkeiten, als Gal’Arn und Jonathan Andrews die Insel-Ritter als neue galaktische Polizei einführten. Niesewitz war nicht gewillt, diese zu akzeptieren.

Unterdessen waren die geheimdienstlichen Bemühungen von Stewart Landry und der USO stagniert. Doch der terranische Spion wollte nicht aufgeben.

New Paricza

Landry schlich den dunklen Korridor entlang, seine Night Hawk HK-119 Nadelstrahlerpistole entsichert und stets einen Blick auf das Ortungsgerät. Er hoffte, dass die Hightech des TLD hielt, was sie versprach.

Endlich erreichte er eine kleine Brücke, die über eine große Halle entlang lief. Langsam robbte er auf die Brücke entlang und glaubte nicht, was er sah. Hunderte von Überschweren marschierten im Gleichschritt die Halle entlang und warteten, bis sie ausgerüstet wurden.

Seine monatelange Arbeit hatte sich endlich ausgezahlt. Die unzähligen Abende mit dieser sexhungrigen Stephanie, das ständige Verstellen und Herumschnüffeln schien von Erfolg gekrönt zu sein.

Nur durch Zufall hatte er von einem Treffen zwischen Stephanies Verlobten Toran Ebur und Nor’Citel erfahren. Es schien um bedeutungsvolle Dinge zu gehen.

Deshalb ging er der Spur nach. Er sendete zwei mikroskopisch kleine Spionsonden aus, die via Satellit an seinen Pikosyn übertragen wurden. Endlich betraten Toran Ebur und Nor’Citel die Halle.

Der Corun von Paricza erklärte dem Zaliter die Funktionen der Rüstungen und Waffen.

»Insgesamt 50 Millionen geklonte Soldaten stehen uns bis jetzt zur Verfügung. Dank der finanziellen Unterstützung Arkons konnten wir sie mit den modernsten Waffen ausrüsten. Poleycra hat sie auf Grund ihrer Rüstungen Grautruppen getauft.«

»Aha«, machte der arrogante Zaliter nur.

»Nun, wenn man bedenkt, dass die Grautruppen nur als Infanterie und Panzerbesatzungen dienen sollen, haben wir eine gewaltige Streitmacht. Sie werden die Spitze unserer Invasionen sein.«

Nun verirrte sich sogar ein Lächeln auf die Lippen Eburs.

Aber auch auf die des Agenten. Endlich hatte Landry handfeste Beweise für ein Komplott gegen Cartwheel. Die Arkoniden und Pariczaner steckten mit drin, doch auch der Marquês?

»Leticron, ich bin beeindruckt von dieser Streitmacht. Der Gos’Shekur wird ebenfalls angetan sein. Wenn Despairs Flotte einsatzbereit ist, werden wir ganz Cartwheel kontrollieren können«, sprach Ebur zuversichtlich.

Leticron? Dieser Name kam Landry bekannt vor. Allerdings konnte er ihn nicht einordnen. Doch warum nannte Ebur den Corun von Paricza Leticron?

Der Agent beschloss jetzt wieder die Station zu verlassen. Es hatte sehr viel Mühe erfordert, sie unentdeckt zu betreten. Das Herauskommen war zumeist noch schwieriger. Er beorderte die Sonden wieder zurück, als sich das Schott öffnete und noch jemand eintrat.

Es war der Chef der Cartwheel Intelligence Protective, Werner Niesewitz. Der kleine, grauhaarige Terraner begutachtete die Truppen. Dann wurde er von Leticron und Toran Ebur begrüßt.

»Beeindruckend, jedoch nichts für meinen Geheimdienst. Dafür gehen sie zu plump vor.«

»Dennoch würden Sie nichts dagegen haben, wenn gerade diese Grautruppen das Versteck der USO vernichten würden?«, erkundigte sich Leticron amüsiert.

Niesewitz nickte.

»Äußerst reizvoll …«

Landry hatte nun genügend Beweise, um die Regierung in große Bedrängnis zu bringen. Er kroch langsam über die Brücke zurück und erreichte wieder den dunklen Korridor. Langsam richtete er sich auf und warf einen letzten Blick auf die drei gefährlichen Wesen, dann drehte er sich um und starrte in ein beharrtes, unwirsches Gesicht. Die langen Haare passten nicht zum sonstigen Erscheinungsbild. Auch die weiblichen Rundungen an der Brust. Besonders auffallend waren die offenen Schuhe und die blauen Socken bei der Person. Anscheinend handelte es sich um eine Frau, auch wenn Landry den Umgang mit graziöseren Damen gewöhnt war.

Er lächelte sie an und fragte: »Gehören Sie auch zur Touristengruppe? Ich habe mich verlaufen.«

Dann schubste er sie beiseite, doch zwei heftige Pranken packten seinen Nacken. Die Frau schien ein reines Kraftpaket zu sein. Sie hämmerte Landrys Schädel gegen die Wand, bis es dunkel um ihn herum wurde …

*

Und es ward Licht. Anstelle eines Engels grinste ihn jedoch die beharrte Fratze dieser Kampfmaschine an. Landry atmete schwer und versuchte sich zu orientieren. Er lag gefesselt auf einem Tisch. Keine sonderlich günstige Position für den Agenten.

»Für eine Dame sind Sie ziemlich burschikos«, bemerkte er zynisch und blickte dann in das Gesicht einer nicht ganz so hässlichen Frau. Sie umarmte das andere Ding und knabberte an ihrem Ohr.

Landry wurde ganz anders.

»Siehe da, Roger Connery, der Bettgespiele meiner Verlobten. Glauben Sie etwa, dies war mir entgangen?«

Toran Ebur lief an den Tisch und schlug in Landrys Bauch. Hustend versuchte er sich wieder zu fangen.

»Ich definiere meine Verlobte als treu, wenn sie in der Woche nur mit einem anderen Mann schläft.«

»Tja, jeder hat halt so seine Eheprobleme. Sie werden mich sicherlich nicht losbinden?«

Nun trat Leticron näher heran. Er musterte Landry eindringlich. Dann grinste er abfällig.

»Mister Landry, seien Sie doch nicht so naiv. Sie werden diese Station nicht lebend verlassen. Auch ihr Pikosyn nicht, der schon längst im Konverter gelandet ist. Darf ich Ihnen übrigens die beiden vorstellen, die den großen TLD-Agenten Stewart Landry gefasst haben?«

Leticron deutete auf die beiden unattraktiven Frauen. Die kleinere mit dem Bart grinste Landry an.

»Utha und Maryna Zubarov. Sie stammen aus der dritten Generation von Monos-Mutanten und sehen schon viel normaler aus als ihre Vorfahren.«

»Sehe ich nicht so«, meinte Landry.

Leticron fuhr unbeirrt fort: »Man hatte sie zufällig auf einem abgelegenen Planeten entdeckt und nach einer harten Ausbildung beim Kristalldienst, wechselten sie in die CIP. Niesewitz ist begeistert von ihnen.«

Der kleine Deutsche blickte Landry grimmig an, während sich die beiden Zubarovs streichelten.

»Sind sie nicht ein nettes Paar?«, bemerkte Leticron.

»Hinreißend«, murmelte Landry.

Eine tödliche Stille trat ein. Leticron wanderte um Stewart Landry herum, dann rief er einen bulligen Überschweren zu sich.

»Karif wird Sie jetzt zu ihrer letzten Ruhestätte geleiten. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie kooperativ sind und uns den Standort der USO nennen werden? Nein? Auch gut! Bringt ihn weg!«

Karif löste die Fesseln und packte Landry am Kragen. Mit einem lauten Gebrüll warf er ihn hoch und schleuderte ihn gegen die Wand. Dann nahm er ihn und schleifte ihn aus dem Raum.

Leticron blickte ihm mit einem diabolischen Lächeln hinterher. Dann wandte er sich an Niesewitz.

»Gut, nehmen Sie Ihre beiden Kreaturen und überlegen Sie sich, wie wir die USO endlich vernichten können. Sie kommen uns gefährlich nahe.«

Niesewitz verließ mit den Zubarovs den Raum. Auch Toran Ebur verabschiedete sich. Leticron blieb zurück und musterte seine Grautruppen. Vor seinem geistigen Auge spielte sich die Eroberung Terranias ab. Er würde einen gewaltigen Siegeszug halten und dann Perry Rhodan töten …

*

Karif warf Landry auf den Boden, der vor Erschöpfung kaum mehr aufstehen konnte. Der Raum, in dem sie sich befanden, war kahl. Die grauen Wände waren aus Metall.

Der Überschwere nahm eine Keule und schwang sie durch die Luft. Landry kroch nach hinten. An der Decke befand sich ein Lüftungsschacht, der im Moment jedoch unerreichbar für den Agenten war.

»Wir können das nicht bei einem Glas Wein klären, oder?«

Der Pariczaner grunzte unfreundlich, holte mit der Keule aus und schlug zu, doch Landry wich behände aus. Er schlug mit seinen Fäusten auf den Überschweren ein, doch die Schläge schienen zu verpuffen. Auch Kicks halfen wenig. Mit einer Hand schubste Karif den Terraner gegen die Wand und holte wieder mit der Keule aus, doch erneut konnte er ausweichen. Landry rannte zur anderen Ecke, da stürmte schon Karif auf ihn zu. Stewart rutschte auf den Boden und zwischen den Beinen des Überschweren hindurch, dabei traf sein Kopf die Genitalien des Giganten, der plötzlich die Keule fallen ließ und schreiend zu Boden fiel.

Landry blickte ihn verblüfft an und nahm dann die Keule, um Karif außer Gefecht zu setzen.

Er öffnete die Klappe des Lüftungsschachtes und kletterte hinauf. Unzählige Meter musste er gebückt durch den Schacht kriechen, bis er einen Ausgang erreichte.

Doch kaum war er in dem nächsten Raum, wurde er auch schon wieder gejagt, als ein halbes Dutzend Grautruppen ihm begegneten und sofort das Feuer eröffneten.

Landry hechtete zum nächsten Ausgang und rannte so schnell ihn seine Beine trugen. Inzwischen wurde der Alarm für die gesamte Station ausgelöst. Endlich erreichte er ein einigermaßen sicheres Versteck – zwischen einer Division Shiftpanzern, die ruhig in einem Vorhof stand. Landry suchte Schutz zwischen den Flugpanzern, doch lange blieb er nicht unentdeckt. Auch die Gegner verwendeten die beste Technologie und Individualabtaster gehörten zu jeder Standardausrüstung.

Landry sprang in einen Flugpanzer. Mit den Kontrollen brauchte er sich nicht vertraut zu machen, denn das gehörte zur Schulung für diese Mission. Als Agent musste man die Waffen des Gegners genauso gut kennen, wie die eigenen.

Mehrere Dutzend Grautruppen durchsuchten die Panzer. Unter ihnen auch einer von Leticrons schlimmsten Leuten: Poleycra.

Landry aktivierte die Syntronik des Panzers und fuhr alle Systeme hoch. Zuerst stellte er die Zielerfassung ein. Er visierte einen Energiewagen in der entgegenliegenden Ecke an. Als er merkte, dass die Soldaten näher kamen, feuerte er. Der Volltreffer zerstörte nicht nur den Wagen, sondern die freiwerdende Energie fegte den halben Hof weg.

Nun startete Landry den Panzer und fuhr los. Die Energiestrahlen der Grautruppen verpufften an der starken Panzerung.

»Zerstört den Panzer!«, brüllte Poleycra.

So schnell es ging schaltete Landry auf Flugphase um. Dann brauste der Panzer über den Köpfen der Überschweren hinweg.

»Abfangjäger!«, befahl Poleycra und blickte dem wegfliegenden Flugpanzer hinterher.

Kaum hatte Landry die Station verlassen, sendete er ein kodiertes Signal an seine Leute. Die Zeit wurde knapp, denn auf dem Radar bemerkte er bereits drei Abfangjäger auf ihn zufliegen. In spätestens vier Minuten hatten sie ihn erreicht.

Und diese Minuten vergingen wie im Schnelldurchlauf. Nach drei Minuten erschien endlich der Space-Copter in der Atmosphäre. Landry streifte sich einen SERUN über und schaltete auf Autopilot. Da kamen auch schon die Abfangjäger. Sofort begannen sie auf den Panzer zu schießen. Ein anderer konzentrierte sich auf den Space-Copter, doch der Pilot des Copters schoss den Jäger problemlos vom Himmel.

Landry öffnete die Schleuse und sprang aus dem fliegenden Panzer, der kurz danach im Beschuss des zweiten Jägers verging.

Stewart schaltete die Düsen des Seruns an und steuerte auf den Space-Copter zu. Doch der zweite Jäger hielt schon auf ihn zu und feuerte. Nur knapp konnte er den Schüssen ausweichen, da brauste der Space-Copter an ihm vorbei und zerstörte den zweiten Jäger. Dann wurde er langsamer und ein Schott öffnete sich. Landry flog dorthin, doch der Copter befand sich unter Beschuss vom letzten Jäger. Für wenige Sekunden öffnete sich der Schutzschirm und Landry konnte hinein fliegen… oder vielmehr fallen. Unsanft prallte er gegen die Innenwand des Copters.

»Er ist drin, weg hier!«, rief Gal’Arn zu Jonathan Andrews.

Sofort beschleunigte der Space-Copter und konnte dem letzten Jäger entkommen.

Doch kaum aus dem Orbit heraus, tauchten neue Bedrohungen in Form von Kreuzern auf.

Landry rappelte sich langsam auf. Gal’Arn half ihm dabei. Beide gingen in das Cockpit, in dem Jonathan Andrews und Jan Scorbit saßen.

»Das könnte knapp werden«, murmelte Andrews, als er die vier Kreuzer sah.

Dann ging er auf Lichtgeschwindigkeit und verschwand für etwa zwanzig Sekunden von den Ortungsschirmen der pariczanischen Kreuzer. Als sie ihn erneut erfassten, war es bereits zu spät. Nahe der Corona der Sonne wartete das USO-Schiff SILVA auf den Space-Copter. Der Space-Copter landete unbeschadet im Hangar des Raumers, der sofort auf Lichtgeschwindigkeit ging und den Überschweren entkam.

*

Rosan Orbanashol-Nordment war erleichtert, alle lebend wiederzusehen. Landry machte einen sichtlich mitgenommen Eindruck, versuchte jedoch die Würde zu bewahren.

»Was haben Sie herausgefunden?«, wollte Rosan wissen.

Landry ließ sich in den Formenergiesessel fallen und brauchte einen Moment, um sich zu fassen.

»Die Überschweren paktieren mit der CIP und Arkon. Sie klonen Soldaten. Fünfzig Millionen stehen ihnen zur Verfügung. Nach Aussagen von Ebur und Nor’Citel haben sie bald eine Streitmacht, um Cartwheel zu kontrollieren.«

Betretenes Schweigen trat auf.

»Noch etwas; Ebur nannte Nor’Citel Leticron. Wissen Sie, wer das ist?«

Andrews und Gal’Arn konnten mit dem Namen wenig anfangen, doch Rosan und Jan wussten aus Geschichtsdokumentationen, wer Leticron war.

Scorbit fütterte den Rechner mit einigen Daten, dann erschien das Profil des einstigen Corun von Pariczas.

»Überschwerer vom Planeten Paricza. Er ist von Gemüt und seiner ganzen Verhaltensweise her anders als andere Überschwere. Er lacht niemals brüllend, macht keine plumpen Scherze, sondern hat die Art eines gebildeten Siganesen. Er hat beste Manieren, ist elegant in allen Dingen – nur nicht in seinem Charakter. Im Jahre 3459 hat Leticron auf Paricza die Macht ergriffen und trägt den Titel Corun von Paricza. Am 03.07.3459 wird der Überschwere von den Laren zum Ersten Hetran der Milchstraße ernannt. Seine Schreckensherrschaft dauert 121 Jahre. Er geht über Leichen, um ans Ziel zu gelangen. Leticron verfügt über drei Mutantenfähigkeiten: Handlungsahner – Als solcher fühlt er mit hundertprozentiger Sicherheit, was sein Gegenüber zu tun gedenkt. Diese Gabe wirkt über vier bis fünf Lichtjahre hinweg. Allerdings muss Leticron mit der Person, die er beobachtet, schon früher einmal Kontakt gehabt haben. Überzeugungsinjektor – Leticron gibt anderen die Überzeugung ein, er sei bewundernswert. Hirnoffensor – Leticron zwingt seine Gegner mit dieser psionischen Waffe zu einer völlig veränderten Haltung. Sie werden ihm gegenüber wehrlos und zum Denken in Bahnen gezwungen, die ihm angenehm sind. Will z.B. jemand auf ihn schießen, denkt er plötzlich an alles Mögliche - nur nicht mehr an Angriff. Dann wird er, bereits geistig verwirrt, von seinem Nachfolger Maylpancer im Zweikampf getötet.«

Jeder ließ die Daten auf sich wirken. Konnte es sein, dass Leticron noch lebte und nun in dem Körper von Nor’Citel alias Siddus residierte? Hatte nicht Neve Prometh einst Aurec berichtet, dass sich Siddus völlig verändert hatte, als ob jemand anderes in seiner Haut steckte?

»Wir werden mehr über dieses Geheimnis in Erfahrung bringen müssen«, meinte Rosan. »Leider haben wir keine Beweise, doch wir sind gewarnt und werden mit wachsamen Auge den Viererbund beobachten.«

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon

Eine Woche später erschütterte eine Rede Nor’Citels nicht nur Cartwheel sondern auch die Milchstraße. Nor’Citel gab sich als Leticron zu erkennen und erklärte, er sei von DORGON selbst aus dem PEW-Metall befreit worden, um Seite an Seite mit dem Marquês diese Galaxis aufzubauen.

Leticron erzählte eine rührende Geschichte. So war er einst schon einmal aus dem PEW-Gefängnis befreit worden. Als geläutertes Wesen hatte er in einem Cyborg-Körper auf einer entlegenen Dschungelwelt sein Dasein gefristet, in der Hoffnung, irgendwann die Absolution erteilt zu bekommen. Doch fanatische Jäger hätten ihn gefangen genommen und einen Weg gefunden, ihn zurück ins PEW-Gefängnis zu stecken, wo er wieder Jahrhunderte verbracht hatte, ehe sich DORGON seiner Seele erbarmt hatte.

Da er eine Hexenjagd von Rhodan befürchtet hatte, benutzte er die andere Identität. Leticron erzählte, er habe das pariczanische Volk von einer Bande Gaunern zu einem respektierten Volk in der Gemeinschaft Cartwheels gemacht und zum Schutz Cartwheels eine Armee auf die Beine gestellt, die er ab heute unter den Befehl des Kanzlers von Cartwheel stellen würde.

Sicherlich fühlte sich Leticron zu dieser Rede gezwungen, doch für die USO war es ein harter Schlag. Zwar wollte Carjul Inspektionen durchsetzen und die Milchstraße stand dem ehemaligen Schlächter reserviert gegenüber, doch der Schachzug mit offenen Karten zu spielen, war dem Bund der Vier gelungen.

Wenige Tage später beorderte Noviel Residor seinen Agenten Landry wieder zurück nach Terra. Wider Willen brach der enttarnte Landry die Mission ab.

Nach einigen Monaten gewöhnte man sich an Leticron und so endete das Jahr 1300 …

 

Kapitel 3 - 1301 NGZ

»Ich begrüße Sie herzlich zu der Abendausgabe der Nachrichten von INSELNET. Ich stehe hier am Raumhafen von Paxus-City und warte auf die Ankunft des neuen Flaggschiffes EL CID, die in speziellen Werften auf Arkon hergestellt wurde.«

Der Wind wehte stark und es regnete. Ein kalter Regen, was jedoch nicht ungewöhnlich angesichts der winterlichen Temperaturen war.

Die Journalistin blickte mit zusammengekniffenen Augen in den Himmel. Ihre schulterlangen, dunkelblonden Haare wehten durch die Luft. In ihrem Gesichtsausdruck konnte man ein gewisses Unbehagen erkennen, als der beißende Wind in ihr Gesicht peitschte.

Einige Mitarbeiter des INSELNET-Teams reagierten endlich und aktivierten Schirmroboter, fliegende Regenschirme. Sie sahen auch in der Tat so aus, nur bestanden die Schirme aus Formenergie.

Malica Homest fröstelte es in ihrem dünnen Mantel, doch schnell wich die Neugier jeglichen anderen Gefühlen, als der dunkle Himmel hell erleuchtet wurde und die Menschen zu raunen anfingen.

Von rechts hörte die terranische Reporterin das schlagende Geräusch marschierender Soldaten. Zuerst leise, dann immer lauter ertönte eine schwungvolle Marschmusik, die eine Neukomposition aus arkonidischen und terranischen Kaisermärschen war.

Defilierend und mit ihren stählernen Waffen gespickt bahnten sich Tausende von terranischen und arkonidischen Offizieren ihren Weg zum Hangar. Ein gewaltiger Aufmarsch der alliierten Truppen.

Malica entschloss sich, die Bilder wirken zu lassen und nichts zu sagen. Es verschlug ihr auch die Sprache, als sie die Ausmaße des neuen Flaggschiffes erkannte.

Mit einem lauten Dröhnen ließ die EL CID den Erdboden erzittern. Majestätisch senkte sich das gewaltige Raumschiff.

Die innere Kugel hatte einen Durchmesser von 5.000 Metern. An der Hauptkugel war ein schmaler, 250 Meter flacher und 1.000 Meter langer Ringwulst angeflanscht. Auf der »hinteren« Seite des Kugelraumers verlief der flache Ringwulst zu einem langgezogenen, zylinderförmigen Anhang von 2.000 Metern Länge. Unterhalb dieses Zylinderschweifes befanden sich diverse Hangars.

Insgesamt kam die EL CID somit auf eine Länge von 8.000 Metern und einer Breite von 6.000 Metern.

Malica blickte mit ihren großen, braunen Augen dem gewaltigen Stahlkoloss entgegen und dachte, dass sie jetzt irgendetwas sagen musste. Das war ihre Chance als Reporterin.

»Meine … meine Damen und Herren. Wir werden Zeuge des ersten Fluges der unbeschreiblichen EL CID. Eine Parade an Soldaten begrüßt die Besatzung des Gigantraumers. Ich kann den Kanzler de la Siniestro erkennen, der sich aus der Loge erhebt und stehende Ovationen gibt. Wir sind alle beeindruckt von dieser Machtdemonstration Cartwheels.«

Die EL CID landete nicht. Dazu war sie zu groß. In einer Höhe von viertausend Metern verharrte sie in ihrer Position und bot immer noch einen gewaltigen Anblick.

Ein Beiboot, ein neuartiger Space-Jet-Typ, landete stattdessen auf dem Raumhafen und wurde von den Soldaten empfangen. Der Kommandant der EL CID, Cartwheel-Marschall Cauthon Despair, verließ die Space-Jet und wurde von dem Kanzler und dessen Söhnen Orlando und Peter feierlich begrüßt.

Malica Homest musste zur Werbung abgeben und schaute immer noch gebannt auf das große Raumschiff. Mit diesem Machtinstrument konnte man sehr viel anrichten. Sie war zwar keine große Leuchte in Mathematik und Physik, doch die technologische Ausstattung der EL CID suchte seinesgleichen.

Die beste Technik aus Terra, Arkon, Dorgon und M 87 wurden in diesem Schiff vereint und sollten es zum Flaggschiff einer schier unbezwingbaren Armee machen.

Homest war sich sicher, dass der 17. Februar 1301 NGZ noch lange in Erinnerung bleiben würde.

Die junge Frau hörte einen seltsamen Ruf. Er stammte von ihrem Chefintendanten Guy Pallance, einem Terraner in den Achtzigern. Pallance war akkurat gekleidet und wirkte sehr seriös. Doch sein Blick konnte den schlimmsten Okrill einschüchtern.

Malica erschrak, als Pallance sie anpfiff. Hastig eilte sie mit einem gequälten Lächeln zum Intendanten.

»Ja, Chef?«

»Ihre Reportage war etwas für Tote, Miss Homest. Es fehlte an jeglicher Begeisterung und Lob für den Bund der Vier.«

Seine Stimme blieb ganz ruhig, doch jede Silbe klang ernst und bedrohlich.

»Verzeihung«, sagte sie kleinlaut.

»Zur Kenntnis genommen. Ich habe keinen Platz für kleine dumme Mädchen in meinem Sender.«

Malica wusste, was kommen würde, doch so einfach würde sie nicht aufgeben. Auch wenn ihr dieser Kerl großen Respekt einflößte.

»Ihr Sender? Soweit ich weiß, ist immer noch Mister Mohlburry der Chef von INSELNET. Sie sind …«

»Sein leitender Intendant, Miss Homest! Ich handle in seinem Namen und bin Ihnen wohl kaum Rechenschaft schuldig. Wichtige Leute erwarten von uns eine freundschaftlich gesonnene Reportage über den Bund der Vier. Das lasse ich mir nicht von so einer drittklassigen Großstadtgöre vermasseln. Melden Sie sich umgehend in unserem Büro Siniestro! Sie dürfen dort unser Büro in Villa-Ribalo leiten. Es ist übrigens nur eine Einmann-Filiale. Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie unser Haus gerne verlassen.«

Malica wurde plötzlich bleich. Sie verfluchte diesen fiesen Manager in seinem affektierten Kostüm. Doch sie brauchte den Job, von der staatlichen Fürsorge wollte sie nicht leben.

Malica Homest war eine Nachwuchsjournalistin, auf die Janela Mohlburry aufmerksam geworden war. Als Janela Ende 1300 NGZ nach Terra zurück gekehrt war, um den Posten einer Verlagsleiterin zu übernehmen, hatte sie ihrem Vater Malica vorgeschlagen, um neue Aufträge zu übernehmen.

Speaky Mohlburry hatte Malica einen wichtigen Reporterjob bei INSELNET verschafft.

Geboren wurde die 163 Zentimeter große und 53 Kilogramm leichte Frau in New York City auf Terra am 29. Oktober 1271 NGZ. Ihre zierliche Statur, ihre großen Augen und ihr ebenes Gesicht ließen sie wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe erscheinen.

Guy Pallance ließ sich vom Äußeren jedoch nicht beeinflussen. Für ihn zählte nur noch Erfolg. Ebenfalls war er ein Anhänger der neuen Bewegung, die in den letzten Monaten immer größeren Zuspruch unter den Lemurerabkömmlingen erhielt.

Durch die erfolgreiche Politik des Marquês, dem guten Lebensstandard und der regelmäßigen Machtdemonstrationen waren die Menschen stolz auf sich und ihre Regierungen. Sie waren die mächtigste Gruppierung in Cartwheel und das zeigten sie deutlich.

Pallance dachte nicht anders. Fast schon glühender Fanatismus stand in seinen sonst so kühlen Augen beim Gedanken an den Bund der Vier, jenen vier mächtigsten Völkern.

Zähneknirschend akzeptierte Malica das Angebot.

Besser als gar nichts, dachte sie sich.

Pallance hatte gewonnen. Wieder kuschte jemand vor seiner Macht. Eines Tages, so schwor sich der Intendant, würde er den ganzen Sender INSELNET beherrschen und dann würde es nur noch Reportagen über die großen Alliierten geben.

Voller Ehrfurcht und Stolz blickte er zur EL CID. Ja, das war das Symbol ihrer Macht. Einer Macht, die kein Reich im Universum zerschlagen konnte.

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon

 

Das Jahr 1301 NGZ war politisch und gesellschaftlich außerordentlich wichtig. Nicht nur die Fertigstellung des Gigantraumschiffes EL CID war ein großes Ereignis gewesen. Im selben Atemzug verkündeten Leticron und Uwahn Jenmuhs, dass sich eine neue Flotte von über 80.000 Schlachtschiffen bereits seit zwei Jahren in Bau befand.

Natürlich wusste niemand, dass es sich dabei um die in den geheimen Werften MODRORs konstruierten Schiffe handelte.

Das sollte die große Cartwheel-Flotte werden. Technologisch sollten die Raumer auf demselben Stand wie die EL CID sein, jedoch wesentlich kleiner. Die markante Form sollte erhalten bleiben.

Die ersten Prototypen von 2.500 Meter-, 800 Meter- und 500 Meter-Raumern wurden Mitte Juni den obersten Militärführern im Viererbund vorgestellt.

Doch während im Jahre 1301 alles mehr als positiv für den Bund der Vier verlief, machte sich Unmut unter den nichtlemurischen Wesen breit. Auch die Kandidatur von Aurec als neuen Saggittonenkanzler für 1302 NGZ verschaffte den Blues, Maahks, Unithern, Gurrads und den zahlreichen anderen Völkern wenig Hoffnung. Schließlich waren die Saggittonen auch nur Menschen. Ein Holpigon, Trötter oder Varnider hätte ihnen sicherlich besser gefallen.

Die militärische und wirtschaftliche Präsenz des Bundes der Vier wirkte erdrückend auf die autarken Völker. Viele befürchteten, dass ihre Interessen nicht mehr gewahrt werden könnten.

Als das Jahr 1301 NGZ zu Ende ging, war die eine Seite Cartwheels stolz und zufrieden, die andere voller Argwohn und Angst …

 

Kapitel 4 - 1302 NGZ

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon

So wie das eine endete, begann das andere. Was wie ein selbstgefälliger Spruch klingt, war im Jahre 1302 leider mit wenig Ironie zu genießen. Die Unzufriedenheit im Paxus-Parlament wuchs im vierten Regierungsjahr des Marquês de la Siniestro.

Allen voran Carjul warb für die Rechte der Aliens, wie sie überall abfällig bezeichnet wurden. Der Bund der Vier wurde von Carjul offen als Mafiabande bezeichnet.

Torsor wies dies empört zurück und drohte sogar mit Konsequenzen. Jenmuhs half seinem Alliierten beim Säbelrasseln, während Leticron und der Marquês von Siniestro alles daran setzten, den Konflikt friedlich zu lösen.

Noch war der Bund der Vier nicht stark genug. Nach einigen hitzigen Debatten verlief der Streit im Sande und politisch tat sich erst im Frühling 1302 wieder etwas, als Aurec die Kopf-an-Kopf-Wahl gegen Serakan gewann und neuer und alter Kanzler Saggittors wurde.

Die Freundschaft der beiden Saggittonen hatte sehr unter der Wahl gelitten und würde sich nie wieder erholen.

Politik in Cartwheel

Die Halbarkonidin nahm direkt neben Aurec Platz und blickte gebannt auf den außerordentlich ruhig wirkenden Okefenokee Carjul, der mit gleichmäßigen Schritten das Rednerpodium betrat.

Die Fraktionsvertreter des Bundes der Vier riefen durcheinander und buhten den Konstrukteur des Zentrums aus.

Rosan Orbanashol-Nordment verstand diese naiven Störungsversuche nicht. War die Arroganz der Lemurerabkömmlinge so ins Unermessliche gewachsen?

Als Vertreterin der USO hatte Rosan besondere Privilegien bei parlamentarischen Sitzungen. Sie und Jan Scorbit galten als inoffizielle Delegierte, da sie die Repräsentanten der galaktischen Polizei waren.

Aurec hatte erst seit wenigen Wochen sein altes Amt inne. Rosan betrachtete den langjährigen Freund. Im Jahre 1285 NGZ, vor siebzehn Jahren, waren sie sich das erste Mal begegnet, als Aurec auf die entführte LONDON gestoßen war. Rosan war damals ein junges Mädchen gewesen. Mit 37 Jahren war sie im heutigen Jahrtausend immer noch grün hinter den Ohren, wie einige vielleicht sagen würden, doch vieles hatte sie reifen lassen.

Die Abenteuer auf der LONDON I und II, die Ehe mit Wyll Nordment, dessen Tod und nun die Verantwortung für die USO.

Aurec war der Einzige, der aus dieser Zeit noch übrig war. Wyll Nordment war tot. Der Somer Sam war nach seinem Rücktritt als Kanzler ausgewandert, Perry Rhodan befand sich in der Milchstraße und Joak Cascal lag seit Jahren in einem Koma.

Viele Freunde besaß sie nicht, sah man von Aurec und Jan Scorbit ab. In Uthe Scorbit hatte sie eine gute Freundin gefunden, die jedoch der ständigen Verantwortung nicht gerecht werden konnte und nach der großen Schlacht im Dezember 1298 NGZ mit ihrem Mann Remus auf Terra geblieben war.

Mit Nataly Andrews verstand sie sich noch recht gut. Das war es aber auch.

Rosan war einsam. Sie wollte es nicht zugeben, doch außer der Arbeit hatte sie nichts, was sie ausfüllte. Sie blickte Aurec an und für einen kleinen Moment fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Ob er auch so dachte? Auch Aurec musste nach dem Verlust von Kathy Scolar schrecklich einsam sein.

Rosan verdrängte die Gedanken und konzentrierte sich auf Carjul. Der Okefenokee blickte mit seinen großen Augen grimmig in die Runde. Das Gemurmel verstummte, als er zu reden anfing: »Mit dem heutigen Tage gebe ich die Gründung einer von den Lemurern bezeichneten Alien-Allianz bekannt. Mitgliedsstaaten werden die Okefenokees, Dumfries, Blues, Gurrads, Kartanin, Unither, Vennos und Perlians. Die Thoregonvölker, Saggittonen, Akonen, Posbis und Maahks stehen uns freundschaftlich gegenüber, möchten jedoch ihren neutralen Standpunkt weiter vertreten. Sinn dieser Allianz ist, ein gesundes Gegengewicht zum Bund der Vier und ihrer Vasallenvölker zu bilden.«

Ein Raunen ging durch den Raum. Rosan blickte Aurec überrascht an. Politisch gesehen drohte nun ein kalter Krieg.

»Unerhörtes Mistpack!«, brüllte der Abgesandte der Aras.

Das Gesicht des Marquês wirkte wie versteinert. Damit hatte er wohl nicht gerechnet, vermutete Rosan. Flüchtig wechselte er die Blicke mit Leticron und Despair. Anscheinend hatte der Bund der Vier keinen Widerstand erwartet, doch Carjul war von Anfang an ein unbequemer Politiker gewesen, der immer wieder versucht hatte, seine Ziele durchzusetzen.

»Ich bin auf seine Reaktion gespannt«, flüsterte Aurec in Rosans Ohr.

Besorgt blickte sie auf den Marquês, der sich endlich rührte und langsam seinen Weg zum Rednerpult antrat. Begleitet wurde er von seinem Diener Diabolo.

Als Carjul und de la Siniestro ihre Wege kreuzten, herrschte eisige Stille. Man konnte die Anspannung im Saal spüren.

Nach endlosen Minuten des Schweigens sprach der Kanzler Cartwheels: »Ich befürchte eine Entzweiung Cartwheels durch die egoistische Politik Carjuls. Schon oft hat er bewiesen, nur an sich und nicht an das Wohl anderer zu denken. Ich appelliere an die extraterrestrischen Völker, sich weiterhin Paxus unterzuordnen und warne eindringlich davor, den schmalen Pfad zwischen einer souveränen Allianz auf Paxus und einem tyrannischen, losgelösten Imperium zu verlassen.«

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ der Spanier das Podium. Aurec blickte Rosan vielsagend an. Beide wussten, dass dies eine Drohung war. Doch wer war auf der guten und wer auf der schlechten Seite? Der Marquês versicherte immer wieder im Interesse aller zu handeln. Doch ein aufkeimender Nationalismus im Bund der Vier zwang Carjul und seine Anhänger geradezu zu diesem Schritt.

Nach der Rede gab es noch endlose Debatten zweitrangiger Politiker, die sich gerne reden hörten.

Aurec und Rosan verließen das Parlament und wurden von mehreren Sicherheitsbeamten zu ihrem Gleiter eskortiert.

»Ich bringe dich noch ins Hotel«, bot Aurec an.

Rosan lächelte und winkte ab. »Nicht nötig, den Weg finde ich auch allein.«

Aurec nickte schwach. Für einen Moment überlegte Rosan, ob es klug war, was sie eben gesagt hatte. Aurec wirkte irgendwie enttäuscht. Sie lächelte verlegen und wusste nicht, was sie jetzt sagen sollte.

Aurec kam ihr zuvor. »Ich werde heute Abend nach Mankind reisen und Jonathan Andrews besuchen. Er und seine Frau Nataly laden zu einem Essen ein. Jan wird auch dort sein. Du könntest mich begleiten.«

Rosan dachte über das interessante Angebot nach. War das irgendwie ein Schritt nach vorne von Aurec? Fühlte er ähnlich wie Rosan? Oder war es nur reine Höflichkeit unter Freunden?

Doch sie war sich nicht einmal sicher, wie sie fühlte. Noch immer dachte sie täglich an Wyll, ihre Abenteuer auf den beiden LONDON-Raumschiffen und während dem Terror der MORDRED hatte ihre Liebe so fest zusammengeschweißt. Sie war einsam und menschlich leer gebrannt. Doch wollte sie das überhaupt ändern? Vielmehr war es eher ihr Ziel, den Mörder von Wyll zu finden und ihn zur Strecke zu bringen.

Doch Wyll hätte sicher nicht gewollt, dass sie ihr Leben wegen ihm wegwarf. Sicher hätte er ihr geraten, zu leben und nicht nur der Rache nachzugehen.

Rosan musste innerlich über sich selbst lachen. Als ob Aurec Interesse an ihr hätte, wo sie doch nicht einmal wusste, ob sie Interesse an Aurec hatte. Die ganze Sache schien ziemlich kompliziert zu sein, dennoch stimmte Rosan seinem Angebot zu.

Beide machten sich auf den Weg zum Raumhafen, nicht ahnend, dass die Gründung die Alien-Allianz an diesem 17. Mai 1302 NGZ von großer historischer Bedeutung für Cartwheel sein würde.

Freundschaften

Aurec genoss das gesellige Beisammensein mit seinen Freunden Jonathan Andrews, Natalay Andrews, Jan Scorbit und Mathew Wallace. Ebenfalls anwesend waren Gal’Arn und der Posbi Lorif.

Dem Saggittonen fiel auf, dass sich auch Rosan amüsierte. Selten hatte er sie so losgelöst gesehen. Vielleicht damals auf der LONDON, als sie frisch verliebt gewesen war. Doch seit dem Tode Wyll Nordments wirkte sie traurig, gleichgültig und unnahbar. Zwar erfüllte sie ihre Arbeit bei der USO hervorragend, doch es war so, als hätte sie alle Freude und Lebensenergie verloren.

Heute sah das ganz anders aus. Sie schien sich sehr gut mit Nataly Andrews zu verstehen. Sicher konnte Rosan eine gute Freundin gebrauchen. Sie benötigte Aurecs Meinung nach viel zwischenmenschliche Zuwendung.

Mathew Wallace schien wohl den Magen eines Haluters zu besitzen, auf jeden Fall stopfte er sich schon die zweite riesige Portion rein, bemerkte Aurec amüsiert. Er betrachtete Rosan unauffällig. Sie lutschte geistesabwesend an einem Würstchen. Plötzlich musste Aurec schmunzeln, denn das sah wirklich seltsam aus.

Rosan blickte ihn plötzlich fragend an. »Was?«

Dann schien sie es zu bemerken und legte offensichtlich peinlich berührt das Würstchen weg.

»Du scheinst eine intime Beziehung zu deinem Essen zu entwickeln«, neckte Jonathan sie.

Rosan warf ihm einen bösen Blick zu und räusperte sich. Aurec schaute sie immer noch an. Manchmal fragte er sich, ob Rosan vielleicht was für ihn empfinden könnte? Beide waren einsam. Doch waren sie über ihre Verluste schon hinweg? Er war es nicht, vermisste Kathy immer noch, dachte oft an sie und erkundigte sich regelmäßig bei ihren Ärzten in der Milchstraße. Vielleicht hoffte er noch, dass sie genesen würde, obwohl er es sich selbst nicht eingestehen wollte. Er liebte Kathy immer noch. Obgleich es keine Hoffnung gab. Er seufzte kaum hörbar, fühlte sich wieder leer und ausgebrannt. Dann schaute er Rosan erneut an und plötzlich wurde sein Herz mit Wärme erfüllt. Nur ihr Bild genügte, um seine Depressionen für den Moment zu vergessen.

Nach dem Essen saß man noch zusammen und diskutierte über dies und jenes. Natürlich sorgte besonders Lorif ungewollt für Lacher in der Runde.

Gal’Arn ging auf den Balkon des Appartements und dachte über die Alien-Allianz nach.

Aurec bemerkte das und gesellte sich zu ihm. »In Gedanken versunken?«

Der Ritter der Tiefe bestätigte. »Ich mache mir Sorgen. Es sieht nach einem geteilten Cartwheel aus. Menschen gegen Aliens. Ein Rückschritt um Jahrtausende.«

Aurec konnte die Sorgen des Ritters gut nachvollziehen. Er dachte nicht anders.

Gal’Arn war ebenso wie er um die Sicherheit der Bevölkerung besorgt. Deshalb hatte er mit Jonathan Andrews und Jaktar nach seiner Rückkehr aus Shagor vor knapp zweieinhalb Jahren die Organisation der Insel-Ritter gegründet. Es waren jedoch nur fünf Ritterschüler aus Shagor, die in Cartwheel ihre Ausbildung beenden sollten und als Polizei mit Schwertern und Würde für Recht und Ordnung sorgten.

Doch seitdem es den CIP unter Werner Niesewitz gab, kam es zu Zwistigkeiten zwischen beiden Organisationen. Es endete damit, dass die Insel-Ritter der USO beitraten, um eine Legitimation zu erhalten.

Der gute Gedanke der Organisation war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Anstatt als Ansprechpartner vor Ort in den Städten agieren zu können, mussten sich die Insel-Ritter geheimdienstliche Aktivitäten beschränken, was zu einer Unzufriedenheit führte.

»Es wird noch mehr Verantwortung auf die USO und Saggittor als neutrale Institutionen zukommen. Wir müssen versuchen, diese Galaxis wieder zusammen zu führen.«

»Auf demokratische Weise«, meinte Gal’Arn und spielte damit wohl auf die weniger demokratischen Versuche seitens des Bundes der Vier an.

»Sicherlich«, fügte Aurec ernst hinzu.

Kriegsplanungen

Das laute Knallen nach jedem Schritt hallte durch den großen Saal. Die Soldaten salutierten vor dem wichtigen Militärführer. Peter de la Siniestro war der Oberbefehlshaber des terranischen Heeres in Cartwheel. Eine Position, die er nur durch die Intervention seines Vaters bekommen hatte, da er eigentlich als Soldat gänzlich ungeeignet war, sich selbst jedoch für den größten Feldherren aller Zeiten hielt.

Der Palast in Paxus-City war gleichzeitig Sitz des Bundes der Vier. Absichtlich hatte man einen anderen Ort als das Parlament am See gewählt.

Einige in schwarz gekleidete Offiziere salutierten vor dem General de la Siniestro. Soldaten in schwarzen Uniformen gehörten zur Schutzstandarte des Kanzlers.

»Still gestanden!«, brüllte Peter im Vorbeigehen und genoss den Augenblick der uneingeschränkten Macht über die Soldaten.

Er konnte jeden und alles befehligen, wie es ihm beliebte. Beinahe, denn es gab immer noch Generäle wie Henry Portland, die mit Perry Rhodan in engem Kontakt standen und Fehltritte von Peter sehr schnell publik machten. Portland war ein Feind von de la Siniestro. Am liebsten hätte er diesen arroganten, alten Sack standrechtlich erschießen lassen.

Die große Tür öffnete sich und die Anwesenden im Konferenzraum begrüßten Peter. Am Ende des langen, gläsernen Tisches saß sein Vater. Der Marquês trug einen alten, spanischen Anzug aus dem 18. Jahrhundert, zumindest entsprach das Aussehen so. Neben ihm stand Cauthon Despair. Zu dessen Linken saßen Leticron und Uwahn Jenmuhs. Auf der gegenüber liegenden Seite thronte in einem gewaltigen Sessel aus Formenergie der Pelewon Torsor.

An dem anderen Ende des Tisches befanden sich CIP-Chef Werner Niesewitz, Beauftragter für Sonderprojekte Reinhard Katschmarek und der Zaliter Toran Ebur, sowie Peters Schwester Stephanie.

»Nimm Platz, mein Sohn.«

Peter folgte dem Wunsch seines Vaters. Er setzte sich aufreizend langsam hin und versuchte so, seine perfekt anliegende Uniform nicht zu knicken.

»Wir sind vollzählig. Mit Absicht habe ich auf die Anwesenheit meines Sohnes Orlando und weiterer terranischer Militärführer verzichtet. Was hier besprochen wird, muss unter uns bleiben, da wir dieselben Ideologien vertreten.«

Der Spanier legte eine Kunstpause ein. Sein faltiges Gesicht wirkte ernster als sonst.

»Carjuls Gründung einer Alien-Allianz hat uns in die Defensive gedrängt. Wir müssen uns als stärkste Fraktion in Cartwheel behaupten. Nun erwarte ich Ihre Vorschläge.«

Betretenes Schweigen. Ausgerechnet Peter brach die Stille: »Wir ziehen in den Krieg gegen die Alien-Allianz!«

»Gute Idee«, stimmte Jenmuhs bei.

Der Marquês verzog angewidert das Gesicht. Er blickte dann Leticron fragend an, der kaum merkbar den Kopf schüttelte.

»Abgelehnt!«, widersprach Don Philippe de la Siniestro. »Wir wollen keinen Bürgerkrieg.«

»Zumindest keinen von uns provozierten«, warf Leticron ein. »Drängen wir die Alien-Allianz in die Schublade der Terroristen. Die Alien-Allianz muss als Bedrohung aller Wesen empfunden werden. Wenn das der Fall ist, können wir auch militärisch gegen sie vorgehen.«

Der Marquês begrüßte den Plan Leticrons bedingt. Er wollte wirklich keinen Krieg, doch wenn ein Sohn des Chaos so etwas vorschlug, respektierte man es besser.

Er wollte an der Macht bleiben, regieren und von allen verehrt werden. Dazu war ihm fast jedes Mittel recht, doch die Söhne des Chaos handelten aus anderen Motiven. Sie wollten alles in Chaos stürzen.

Vielleicht würde es dem Spanier gelingen, einen Weg dazwischen zu finden. »Also gut! Niesewitz, finden Sie alles Wichtige über die Alien-Allianz heraus.«

Werner Niesewitz verließ den Saal, um seinen Befehl auszuführen.

Der Marquês blickte ihm eine Weile hinterher. Schon jetzt wusste er, dass nur ein Krieg diese Galaxis vereinen konnte. Das behagte ihm nicht. Doch selbst er hatte nicht die Macht, diesen Prozess aufzuhalten.

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon

Die zweite Hälfte des Jahres 1302 NGZ wurde von allen Historikern als das dunkle Kapitel Cartwheels beschrieben. Durch die Gründung der Alien-Allianz wurde die Kluft zwischen Menschen und Extraterrestriern immer größer.

Carjul gewann immer mehr an Macht. Er versuchte alle Außerirdischen auf seine Seite zu ziehen, doch die Ansichten des Okefenokee waren den meisten Regierungsvertretern schlichtweg zu radikal. Die Blues, Unither und viele anderen Völker wollten nicht unbedingt aus der Paxus-Föderation austreten, sondern nur eine gleichberechtigte Behandlung der Aliens erreichen. Carjul passte dies nicht. Insgeheim unterstützte er etliche Regierungswechsel und schürte den Unmut gegenüber dem Bund der Vier. Mehr und mehr gewann Carjul an Macht. Die Geschwindigkeit, die dabei zutage gelegt wurde, war extrem beunruhigend. Carjul war kein Mann, mit dem man verhandeln konnte. Ein ähnlicher Extremist wie der Bund der Vier, doch er hatte es genauso geschickt geschafft, sich die Gunst der extraterrestrischen Spezies zu erarbeiten.

Der Arbeitsmarkt und die Wirtschaft reagierten verängstigt auf die beiden Parteien. So wurden in den Blöcken Terras und Arkon kaum mehr Extraterrestrier beschäftigt. Eine große Kündigungswelle rollte im August des Jahres an.

Viele Extraterrestrier mussten zu ihren Heimatwelten zurückkehren, da die Arbeitgeber Angst hatten, Aliens wären Terroristen. Diese haltlosen Vorwürfe wurden inoffiziell vom Bund der Vier geschürt. Immer mehr einflussreiche Wirtschaftsbosse standen auf der Gehaltsliste des Marquês von Siniestro. Hinzu kam das starke Nationalitätsbewusstsein der Lemurerabkömmlinge.

Verträge mit außerirdischen Industriellen wurden gekündigt und man setzte auf eine arkonidisch-terranische Wirtschaft.

Saggittor und Akon profitierten ebenfalls ungewollt, da viele Unternehmen nun dort die Handelsbeziehungen intensivierten.

Offiziell hieß es, dass dieser Umstand bedauerlich sei, aber die Alien-Allianz sich selbst in diese Wirtschaftskrise manövrierte. Der Marquês betonte, dass Cartwheel als Einheit agieren musste, da man aufeinander angewiesen wäre. Carjul lehnte jegliche Verhandlungen ab.

Zum Wohl der Menschen

William von Romm war ein gutsituierter Grundbesitzer auf Mankind. Er war Abteilungsleiter in der Terranischen Bank. Schon immer war er ein Patriot gewesen und die Geschichte des Solaren Imperiums interessierte ihn besonders. Seine Zeit beim Militär hatte er sehr genossen.

Von Romm saß mit einigen Abteilungsleitern bei einer Sitzung zusammen. Sie diskutierten, wie man die Verkaufszahlen steigern konnte. Das übliche eben. Vorstandsvorsitzender Yenzen Dennert, ein 160 Jahre alter Mann kurz vor der Pension, hatte noch einige andere Anliegen zu besprechen, die etwas heikel waren.

 

»Meine Herren, wir müssen mehr für unser Image tun. Wie Sie wissen, ist das Ansehen von außerirdischen Mitbürgern nicht sonderlich hoch. Durch die Kündigungswelle sind viele Kunden der Terranischen Bank in Zahlungsverzug geraten.«

Ernste Gesichter schauten Dennert an.

»Die Terranische Bank steht seit mehreren Tausend Jahren für Seriosität und Kompetenz. Wie können wir diese Tradition fortführen, wenn wir terroristischen Elementen Konten anbieten?«

»Potentielle Terroristen wohl eher, Herr Dennert«, warf Michail Glempovski ein, Abteilungsleiter für Vertrieb.

Dennert strafte ihn mit einem strengen Blick.

»Was Herr Dennert sicherlich sagen will, ist, dass wir unmöglich die aktuellen politischen Tendenzen ignorieren dürfen«, meinte Hanz Sherm, ein Vorstandssekretär im höheren Dienst.

»Richtig«, pflichtete Dennert bei. »Ich schlage deshalb vor, alle außerirdischen Kunden mit Kontoüberziehung den Wechsel der Bank nahezulegen. Damit verringern wir unsere Risiken. Wie sollen wir ehrbaren terranischen und arkonidischen Geschäftsmännern bitte erklären, dass wir so ein Pack auf dieselbe Stufe mit ihnen stellen?«

Diese Worte wirkten. William von Romm sah das ähnlich. Diese Aliens brachten keinen Ertrag mehr und waren schlecht für das Image. So oder so wäre eine Kontoauflösung nur von Vorteil für die Terranische Bank.

»Wir sind schließlich keine Hilfsorganisation, sondern ein Wirtschaftskonzern. Daher schlage ich vor, dass wir überzogenen Konten in einer Mailingaktion kündigen und anderen Außerirdischen zwielichtiger Herkunft einen besonderen Kontonummernkreis mit Warnvermerk anbieten«, schloss Dennert seine Rede.

Er erntete Zustimmung von allen Anwesenden. Zumindest offiziell. Diejenigen, die dagegen waren und es als rassistisch ansahen, trauten sich nicht, dies ihrem Vorstand mitzuteilen. Die Angst ihren Job zu verlieren, war viel zu groß.

 

»Wir sind die Terranische Bank! Wir sind für Terraner da. Sollen die anderen doch zur Blauen Bank gehen«, scherzte Dennert.

William von Romm lief ein kalter Schauer über den Rücken, so sehr berührte ihn diese Rede. Dennert war in seinen Augen durch und durch ein Patriot.

»Was machen wir mit außerirdischen Mitarbeitern?«, wollte Glausyl Stem, der Personalrat, wissen.

»Betriebsbedingte Kündigungen. Setzen Sie eine entsprechende Dienstvereinbarung auf. Nennen Sie als Grund die schlechten Zahlen auf Grund der Alienkunden. Wir handeln nach Sozialprinzip und da gilt in meinen Augen, dass wir uns regional einsetzen, also für die Menschen unserer Gene.«

*

William von Romm ging zufrieden wieder in sein Büro. Argwöhnisch betrachtete er den jungen Blue, der in der Sachbearbeitung tätig war.

Es passte ihm schon damals nicht, dass so ein »Heide«, wie er ihn insgeheim nannte, in seine Abteilung kam. Doch damals waren die Ansichten noch so schrecklich liberal. Aber ein Wesen, das nicht an Gott glaubte, sondern an irgendwelche obskure, farbige Kreaturen, konnte von Romm nicht tolerieren.

Ein abfälliger Blick fiel den anderen Kollegen auch auf. Doch weder der konservative Sohn eines Agrarwirtschafters Ace Blacktree noch der dicke und ständig gestresste Ylver Nowost sagten etwas dagegen. Blacktree hatte die ähnlichen Ansichten und selbst wenn er anderer Meinung als sein Vorgesetzter war, so war er doch klug genug, ihm nicht zu widersprechen. Schließlich wollte Blacktree bei der Bank Karriere machen. Nowost bot seinem Chef und Freund schon öfters Paroli, doch was konnte er schon am System ändern? Gar nichts. Ylver war froh, wenn er seine vier Arbeitsstunden beendet hatte und nicht wieder einen Stressanfall bekam.

 

Niemand würde für den jungen Blue Sübästyän Lükiky eintreten. Auf Terra vielleicht, doch hier – 500 Millionen Lichtjahre von Zuhause – galten andere Gesetze. Hier gab es keinen Perry Rhodan. Wenn der Marquês indirekt die Menschen bevorzugte und die Aliens aus Neid einen Konflikt suchten, warum sollte man ihnen dann helfen?

Wem es nicht passte, der konnte ja wieder in die Milchstraße gehen. Doch man brauchte keine Fremden, die auf einem Planeten, der ihnen die Gastarbeit anbot, für Ärger zu sorgen.

William von Romm sah das Ganze noch ideologischer. Was war denn aus der Menschheit geworden? Die Zeiten eines Vereinten oder Solaren Imperiums kannte jeder nur aus Geschichtsbüchern. Das waren Zeiten, wo es nach dem Willen der Terraner ging und Perry Rhodan noch für Macht, Stärke und Zuverlässigkeit einstand.

Nun war er von der Pseudodemokratie gebrochen und eine farblose Gestalt. Zu allem Überfluss zankten sich Arkoniden und Terraner in der Milchstraße. William von Romm gab den nichtmenschlichen Außerirdischen die Schuld dafür. Ihr Einfluss war viel zu stark auf galaktischer Ebene. Gerade dieses ganze Alien-Zeug schürte den Hass zwischen Arkon und Terra. Von Romm war fest von einer galaktischen Verschwörung der Aliens überzeugt!

Hier in Cartwheel war es dem Marquês gelungen, alle Lemurerabkömmlinge zu vereinen und brüderlich miteinander leben zu lassen. Ein Meisterstück der Politik. Nun kamen wieder diese Extraterrestrier und drohten mit Krieg, nur weil sie nicht einsehen konnten, dass die Menschen als Einheit besser funktionierten.

Neid und die Angst vor Misserfolg machten die Außerirdischen zu unangenehmen Geschöpfen. Abgesehen davon, so fand Romm, dass die Aliens sowieso keine richtigen Intelligenzwesen waren, so wie die aussahen.

Plötzlich war seine ganze Laune dahin. Mürrisch wanderte er in die Küche und holte sich einen Kaffee. Der Blue kochte immer das schwarze Getränk. Wenigstens war er zu irgendetwas nütze. William von Romm lief durch die Büros und beobachtete seine Arbeiter penetrant bei der Arbeit. Immer wieder rügte er sie. Besonders hatte er es natürlich auf den Blue Sübästyän Lükiky abgesehen.

»Herr Lükiky, woran arbeiten Sie gerade?«, wollte von Romm wissen.

»Ich bearbeite den Antrag von Herrn Durizatsch. Das Anschreiben und die nötigte Software habe ich hier«, erklärte der Apaser mit schriller Stimme und reichte nichtsahnend seinem Chef das Anschreiben.

»Oh Mann! Was ist denn das für eine Hühnerkacke. Können Sie denn gar nichts richtig machen?«, fluchte von Romm plötzlich. »Das ist nicht die Schriftart der Terranischen Bank. Ihn Ihrem Kreaturenclub können Sie vielleicht so einen Dreck machen, wir sind aber ein professionelles Unternehmen. Ändern Sie das sofort!«, brüllte von Romm ärgerlich und warf dem Apaser das Blatt Papier hin.

»Spielen Sie dabei auf meinen Glauben an die Kreaturen an? Ich denke nicht, dass dies Bestandteil meiner Arbeit hier ist«, warf der Blue ein.

Romm war überrascht und wütend zugleich. Wie konnte dieser Tellerkopf es denn wagen, ihm zu widersprechen? Der hatte sie wohl nicht mehr alle!

Plötzlich fing William von Romm an zu lachen. Sofort begann Blacktree mitzulachen, obwohl er den Grund nicht kannte. Es war ein herzloses Lachen, wie man es vielleicht von vorpubertierenden Kindern in der Schule gewohnt war.

»Ihre blaulilakarierte Kreatur kann mich mal gern haben«, lachte von Romm.

Lauthals lachten Nowost und Blacktree weiter mit. Es war ja auch lustig, wenn man sich zu dritt über jemanden amüsierte und zeigte, wer das Sagen hatte.

Die Wut stand dem Blue bis in den tellerförmigen Kopf, doch er schluckte sie herunter. Als ob nichts wäre, machte er mit seiner Arbeit weiter. Weinen konnte er auch noch nach Dienstende. Jetzt durfte er sich keine Blöße geben. Das hätte diese Typen noch stärker gemacht.

*

William von Romm betrat am nächsten Tag mit der täglichen, üblen Morgenlaune das Büro. Sehr zu seinem Leidwesen war ausgerechnet der Blue Sübästyän Lükiky der erste, der seine Arbeit begonnen hatte. Ausgerechnet so ein Tellerkopf musste den Terranern in einer menschlichen Tugend, der Pünktlichkeit, etwas vormachen. Das ärgerte den Abteilungsleiter und verschlechterte seine Stimmung noch mehr.

»Morgen!«, brummte er und zog in sein Büro.

»Guten Morgen, Herr von Romm«, grüßte Lükiky mit seiner schrillen Stimme freundlich zurück.

Von Romm erwiderte nichts und blieb vorerst in seinem Büro, bis der nächste aus seiner Abteilung die Räume betrat. Es war ein Terraner mittlerer Größe mit dunkelbraunem Haar. Er war noch recht jung.

»Ash!«, begrüßte Lükiky seinen Kollegen fast schon überschwänglich.

Ash Berger drehte sich um und bedachte den Blue mit einem Lächeln. Sübästyän stand auf und schüttelte dem »Urlauber« die Hand.

»Wie war es auf Terra? Hat sich viel verändert?«, wollte der Extraterrestrier wissen.

Berger schüttelte den Kopf. »Immer noch dieselben hübschen Mädels und genügend Lokalitäten um sich zu amüsieren. Die große Orchidee schwebt auch noch über der Stadt.«

Lükiky lachte. »Ich muss auch mal wieder nach Terra. Meine Familie habe ich lange nicht gesehen. Aber leider wird extraterrestrischen Mitarbeitern der Bank ab nächstem Monat der Urlaub sowie das Gehalt um fünfundzwanzig Prozent gekürzt. Dennert erklärte, es sei aus wirtschaftlichen Gründen …«

Der Jülziisch seufzte.

Ash Berger ging dieses neue Nationalbewusstsein auch mächtig auf den Geist. Der siebenundzwanzigjährige Terraner verstand nicht, warum alle plötzlich so abdrehten. Blues wie Sübästyän Lükiky, die auf Terra geboren wurden, konnte man doch nicht so behandeln. Man durfte generell kein Lebewesen so behandeln.

Doch was konnte er allein gegen diese Ungerechtigkeit schon tun? Nichts!

 

William von Romm begab sich nun aus seinem Büro und versuchte Ash noch überschwänglicher zu begrüßen, als es Lükiky getan hatte. Ash Berger war ein Mustermensch in von Romms Augen. Gut, er hatte gewisse Fehler, sei es sein Dreitagebart oder seine seltsamen Ansichten gegenüber Aliens, doch er war fleißig, zuverlässig und fähig. Tugenden, die von Romm sehr schätzte. Und von Romm würde es auch noch schaffen, aus Ash Berger einen perfekten und ordentlichen Menschen zu machen, wie ihn die Gesellschaft brauchte. Dessen war sich der Abteilungsleiter gewiss.

»Lükiky, haben Sie schon Kaffee aufgesetzt?«, wollte der bärtige Chef der Abteilung wissen.

Der Blue nickte.

Zufrieden holte von Romm für sich und Berger einen Kaffee.

»Wie war es in der Wiege der Menschheit?«, erkundigte sich von Romm neugierig.

»Schön, William«, antwortete Ash knapp. Grinsend fügte er noch hinzu: »Viele Menschen und Extraterrestrier, die friedlich zusammen leben. Hier ist das ja anscheinend zur Seltenheit geworden …«

Von Romm stöhnte genervt und stand auf. »Nicht schon wieder, du Eiterspritze! Kaum bist du aus dem Urlaub, musst du wieder meckern. Du solltest etwas mehr Dankbarkeit und Demut der Gesellschaft und neuen Bewegung gegenüber zeigen!«

Ash hätte am liebsten den Kaffee wieder ausgespuckt, den er gerade getrunken hatte. Doch er riss sich zusammen. »Dann zeige ich mal meine Demut, indem ich mit der Arbeit beginne!«

Ash konnte sich ein Salut nicht verkneifen und setzte sich gegenüber von Lükiky hin. Nachdem von Romm wieder in seinem Büro verschwunden war, wandte sich Berger an seinen apasischen Freund.

»Ich gebe dir einen guten Rat: Verschwinde, solange du noch kannst. Der Bund der Vier macht die Menschen zu Irren. Besser, du bist dann nicht mehr hier …«

Lükiky sah Ash Berger ernst an. Bis jetzt dachte der Jülziisch, dass diese Phase schnell vorbeigehen würde. Doch was, wenn Ash recht hatte? Doch …

»Ash, Cartwheel ist meine neue Heimat. Ich lasse mich von hier nicht vertreiben!«

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon

Was war los mit den Menschen im Herbst 1302 NGZ? In der Milchstraße beobachtete man teilweise mit Schrecken die Entwicklungen. Die Außerirdischen wurden immer mehr aus dem Leben der Lemurerabkömmlinge verbannt – und umgekehrt.

Zwar gab es unzählige Massendemonstrationen gegen eine Entzweiung der Völker Cartwheels, doch der Bund der Vier nahm diesen Demonstranten geschickt den Wind aus den Segeln.

Der Marquês verstand es immer wieder, Carjul als Südenbock darzustellen. Er bezeichnete den Okefenokee als Wurzel allen Übels, der vorhatte, ein Imperium gegen die Menschen und Pelewon zu gründen, um seine persönlichen Ideologien zu befriedigen.

Keine Seite gab nach.

So kam es, wie es kommen musste. Fanatiker übernahmen die Initiative. Jener 7. Oktober 1302 NGZ war schicksalsträchtig, als der Gurrad Jarhil Tataronn von einigen arkonidischen Jugendlichen auf Paxus überfallen und ermordet wurde.

Diese Tat sorgte für Entsetzen in den Medien. Dank der USO konnten die Jugendlichen gefasst werden, doch dann nahm alles eine andere Wendung. Extremisten der Alien-Allianz überfielen das Gefängnis, in dem die Jugendlichen inhaftiert waren, und lynchten alle vier Arkoniden. Bei dieser Hinrichtung starben auch drei Polizeibeamte. Eine Tragödie, die jedoch kein Bedauern bei Carjul hervorrief, der sich zwar offiziell von der Selbstjustiz, auf Druck der anderen außerirdischen Regierungsmitglieder, distanzierte, jedoch mit den Attentätern inoffiziell sympathisierte.

Noch am selben Tag, am 11. Oktober, trat er vor das Paxus-Parlament und sprach: »Ihr fordert Bedauern? Ihr fordert Trauer? Wo war das Bedauern, als der junge Gurrad starb? Wo war die Trauer? Was ich euch geben kann ist Folgendes – Stärke, Macht und die Bereitschaft zum Äußersten zu gehen, wenn diese rassistischen Angriffe nicht endlich gestoppt werden.«

Verhandlungen scheiterten. Menschen und Außerirdische versagten zugleich und scheiterten an ihrer Diplomatie.

Und die schlimmsten Befürchtungen traten ein. Die Schwelle zum Krieg kam jeden Tag näher.

Die CIP agierte verstärkt gegen außerirdische Banden, während Verbrecher außerhalb des Bundes der Vier kaum mehr gejagt wurden. Die Ungleichbehandlung wurde schlimmer.

Ganze Wirtschaftsbranchen brachen zusammen. Der Tourismus beschränkte sich nur noch auf zwei Teile der Galaxis; dem Sektor der Lemurerabkömmlinge und dem Sektor der Außerirdischen.

Die USO reagierte im November 1302 NGZ und bot sich als Vermittler an. Auch Aurec und der Akone Mirus Traban setzten auf eine friedliche Lösung in diesem Streit. Diverse außerirdische Regierungen stützten Carjuls radikalen Kurs nur bedingt. Sie warteten auf ein Zeichen des Bundes der Vier, doch es blieb aus.

Am 7. November kam es zu Streitereien um den Planeten Ranor, der direkt zwischen dem System der Okefenokees und der Pelewon lag. Plötzlich beanspruchten beide die Welt und entsandten Truppen. Das Interesse der dort ansässigen Kolonisten, Jülziisch, Terraner und Cheborpaner wurde völlig außer Acht gelassen.

Drohte hier der erste Schuss zu fallen? Die USO befürchtete eine Eskalation und empfahl Friedenstruppen dorthin zu schicken. Aurec und Traban setzten sich dafür ein und auch die Mehrheit der Alien-Allianz befürwortete die Entsendung der Friedenstruppen. Der Marquês stellte sich nicht dagegen und am 17. Dezember flogen dreihundert USO-Spezialisten, darunter auch vier Insel-Ritter unter der Führung von Jonathan Andrews, auf Ranor ein.

Konflikte

Rosan Orbanashol-Nordment fiel den Soldaten sofort auf. Nicht nur aufgrund ihrer körperbetonten, blauen Uniform mit dem USO-Emblem, auch wegen ihrer rubinroten Augen, die im Gegensatz zu den rotblonden Haaren standen. Hauptsächlich jedoch erkannte jeder in ihr die respektierte Vorgesetzte, die stellvertretende Leiterin der neuen USO in Cartwheel.

Sie ließ es sich nicht anmerken, doch Rosan hatte mit der Bürde dieser Verantwortung oftmals schwer zu kämpfen. Sie musste über Leben und Tod, über Freud und Leid der USO-Agenten und Soldaten mit entscheiden. Rosan fühlte sich aber vor allem allein. Die Halbarkonidin hatte niemanden, dem sie sich so richtig anvertrauen konnte. Vielleicht doch, auch wenn sie es sich selten eingestand. Es gab genügend aufrichtige Freunde um sie herum, wie Jan Scorbit und natürlich Aurec. Doch irgendetwas in ihr wehrte sich dagegen, ihre Freunde mit ihren eigenen Problemen zu belasten.

Rosan blieb stehen und schaute sich das Camp der USO an. Dreihundert USO-Spezialisten und vier der Insel-Ritter befanden sich hier. Jonathan Andrews hatte das Kommando über die Insel-Ritter, Major Harry Bash das über das gesamte Camp.

Diese dreihundert Wesen standen zwischen den Linien der Alien-Allianz und des Bundes der Vier. Über Jahre hinweg hatte sich der Hass zwischen beiden Parteien aufgestaut und schien nun gegen Ende des Jahres 1302 NGZ auszubrechen.

Wo sollte das noch enden? Rosan seufzte während sie sich in die Kantine der Station begab. Einige Offiziere und Agenten grüßten sie höflich. Vielleicht würde ein gutes Essen sie in eine bessere Stimmung versetzen. Rosan liebte eine gute Mahlzeit. Kritiker, vor allem selbsternannte Modegurus, verurteilten sie deswegen. Obwohl Rosan schon einmal zur Frau des Jahres in Cartwheel gewählt worden war, rieten ihr Modeschöpfer, doch gewaltig abzunehmen, damit sie attraktiver werden würde. Rosan gab darauf nichts. Vielleicht hatte sie keine Modellfigur und hier und da war etwas zu viel, doch sie fühlte sich wohl. Außerdem gab es zu diesen Zeiten wohl jede Menge andere Probleme als ihr vermeintliches Übergewicht.

»Nudeln. Sieht gut aus«, hörte sie jemand hinter sich sagen. Sie drehte sich kurz um und begrüßte Jonathan Andrews, der mit einigen »seiner« Jungs auch etwas essen wollte.

»Schön dich zu sehen, Rosan. Bleibst du länger?«

»Vielleicht. Auf jeden Fall ist der Stützpunkt brisant. Vielleicht sind wir das letzte Hindernis vor einem Bürgerkrieg.«

Jonathan verlor sein Lächeln. Er nahm das Tablett mit dem Essen und setzte sich an einen Tisch. Rosan folgte ihm. Drei weitere Wesen gesellten sich zu ihnen. Rosan erkannte Shagoer in ihnen – einen Pontanaren, einen Ghannakken und einen Elaren.

Andrews stellte die sogenannten Insel-Ritter der Co-Leiterin der USO vor. Der Elare trug den Namen Sahv’Norn und war gerade mal 22 Jahre alt. Rosan konnte schwer beurteilen, wie alt der Ghannakke war, doch alle drei Ritter wirkten sehr jung.

»Das Schlappohr heißt Barikar, der Kegel hört auf den Namen Rechsuul«, erklärte Andrews mit einem feinen Lächeln.

»Wie lange seid ihr schon in Cartwheel?«, erkundigte sich Rosan.

»Seit 1299 eurer Zeitrechnung«, antwortete der junge Elare Sahv’Norn. »Wir sind Gal’Arn gefolgt. So richtige Ritter sind wir auch noch nicht. Eher Ritterschüler …«

Andrews berichtete Rosan von dem wenig erfreulichen Zustand in Shagor. Es gab kaum mehr Ritter der Tiefe. Viele junge, begnadete Männer und Frauen der Galaxis wurden zu einer neuen Generation von drei Rittern herangezogen. Doch das dauerte seine Zeit. Rosan kannte diese Informationen, wollte Andrews jedoch nicht unterbrechen. Sie wusste, dass Gal’Arn und Jonathan Andrews insgesamt fünf solcher Ritterschüler nach ihrer Mission in Shagor 1299 begleitet hatten. Drei Fünftel waren hier vertreten. Keine große Armee, aber sehr wirksame Verfechter des Rechtes. Sie gehörten zur Elite der USO-Agenten.

Ein Adjutant Rosans näherte sich dem Tisch. Sie bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte. »Was ist los?«

»Es gibt Streitereien in der Stadt. Es geht um Nahrungsmittel. Dumfries und Mooghs stehen kurz vor einem Kampf.«

»Verdammt«, fluchte Rosan. Sie warf ihre Gabel in die Nudeln und stand auf.

Andrews gab den Insel-Rittern ein Zeichen. Dann wandte er sich an die Co-Leiterin. »Wir begleiten dich. Am besten, du schickst noch zwanzig Mann mit.«

 

  »Du Froschwurm hast mir nichts zu befehlen!«, fletschte der dreieinhalb Meter große Hüne.

Der Dumfries gluckste seltsam und richtete sein Energiegewehr auf den Koloss.

»Ich habe keine Angst vor einem hirnlosen Moogh. Da ist Stogsäure drin. Sei vorsichtig, sonst verätzt du.«

Der Moogh breitete beide Armpaare aus und stieß einen grauenvollen Schrei aus, der jedem Angst bereitete. In diesem Moment erreichte der USO-Konvoi mit drei Shiftpanzern und zwei Gleitern die beiden rivalisierenden Truppen.

Rosan sprang aus dem Gleiter und rannte auf die beiden Streithähne zu. Demonstrativ stellte sie sich dazwischen. Andrews und die drei Ritter liefen langsam hinterher und musterten das Umfeld. Andrews zeigte sein Schwert und stellte sich neben Rosan.

»Was wollt ihr Maden hier?«, grollte der Moogh.

»Bist du der Kommandant?«

»Ja, das bin ich.«

Der Moogh bäumte sich bedrohlich auf und entblößte sein dolchscharfes Gebiss.

Rosan hatte eine riesige Angst, ließ sich das jedoch nicht anmerken. Sie bedachte die »Bestie« mit einem strengen Blick und wandte sich dann an die Dumfries.

»Und du bist der Oberbefehlshaber deiner Einheit?«, fragte sie das Krötenwesen.

Leicht gebeugt ging es auf Rosan zu und nickte. Noch immer hielt er das Gewehr entsichert in seiner Hand.

»Wollt ihr den Krieg beginnen?«, sprach Rosan schließlich. »Wollt ihr verantwortlich für den Tod von Millionen eurer Rasse sein, weil ihr euch um Nahrung streitet?«

»Sollen sie bluten«, fauchte der Dumfries.

Der Moogh brüllte laut auf. Seine Artgenossen hinter ihm senkten sich auf ihr Laufarmpaar. Ein eindeutiges Kampfzeichen. Andrews gab den Shiftpanzern ein Zeichen. Es konnte hier schnell ungemütlich werden.

Rosan versuchte gelassen zu wirken. Sie drückte das Gewehr des Dumfriesoffiziers herunter bat den Moogh, sich zu beruhigen.

»Eure beiden Regierungen haben die USO als Friedenstruppe bestätigt, damit wir auf euch aufpassen, während sie weiterverhandeln. Wollt ihr euch gegen den Willen von Carjul und Torsor stellen? Maßt ihr euch an, bessere Entscheidungen als sie fällen zu können?«

Andrews lächelte über den geschickten Einwand der Orbanashol.

Rosan starrte beide Gegner an. »Ich glaube nicht, dass eure Regenten sich von euch in die Suppe spucken lassen. Solltet ihr den Kampf überleben, werdet ihr von ihnen zur Rechenschaft gezogen werden.«

Der Dumfries blickte unsicher zu Rosan, dann zu Andrews. Er krallte die Waffe fest und wippte hin und her. Endlich sicherte er die Waffe und gab ein Zeichen an seine Soldaten. Auch diese senkten ihre Gewehre. Der Moogh knurrte bedrohlich, dann befahl er seinen Truppen, »bequem« zu stehen.

Rosan atmete erleichtert auf. In diesem Moment war sie etwas stolz auf sich. Sie bat Jonathan, die Vorräte gerecht an beide Parteien zu verteilen und zu prüfen, wem die Lebensmittel vorher gehört hatten. Natürlich durfte es hier keine Plünderung geben.

Dennoch, so war sich Rosan sicher, würde man den Konflikt zwischen dem Bund der Vier und der Alien-Allianz nicht auf ewig verhindern können.

Schatten des Krieges

Die USO tat ihr Bestes. Sie wurde von den Saggittonen und Akonen stark unterstützt, doch sie konnten die Flut nur aufhalten, nicht stoppen. Keine der beiden Parteien war gewillt, etwas an der Lage zu ändern. Niemand wollte Kompromisse eingehen.

Der kalte Krieg war auf dem Höhepunkt angelangt und die letzte Steigerung stand bevor. Ausgelöst wurde sie – wie immer – von Fanatikern.

Aus den Chroniken Cartwheels

*

Der Marquês las die Meldung des Sicherheitsdienstes sehr aufmerksam. Immer wieder und wieder nahm er jedes Wort erneut auf, um einen Fehler auszuschließen.

Doch die Zeilen, die Werner Niesewitz an ihn gesandt hatte, waren leider zu eindeutig.

Der Spanier zerknüllte mit zittrigen Händen den Ausdruck und warf ihn auf den Boden. Diabolo und Cauthon Despair blickten das Staatsoberhaupt Cartwheels fragend an.

»Bittet den Corun von Paricza und den Gos’Shekur zu mir. Unverzüglich«, entrichtete der Marquês an seinen loyalen Diener Diabolo, der geschwind den Wunsch seines Herrn ausführte.

Es dauerte nicht lange, da traten sie ein. Leticron trug eine Uniform, während Jenmuhs in einer barocken Kombination den Saal betrat. In seiner rechten Hand hielt er einen Zierdestock, das fettige weiße Haar war zu einem Zopf zusammengeknotet.

Sie nahmen an dem großen Tisch Platz und warteten auf die Meldung des Kanzlers.

»Es ist geschehen«, sprach Don Philippe de la Siniestro tonlos. »Eine Handelskarawane von terranischen Nomaden wurde angegriffen, ausgeraubt und jeder einzelne Mann, jede einzelne Frau und jedes einzelne, unschuldige Kind gemeuchelt …«

So viel Bitterkeit lag in den Worten des Spaniers. Er bedauerte den Tod jedes Wesens. Doch er sah, dass weder Leticron und Uwahn Jenmuhs diese Trauer teilten.

So fuhr er fort: »Man fand Leichen von Blues, Gurrads und Dumfries in den Schiffswracks. Die CIP begann sofort mit den Untersuchungen und brachte eines der angreifenden Schiffe auf. Die meisten Besatzungsmitglieder wählten den Freitod. Dennoch fand man heraus, dass sie der Alien-Allianz angehörten.«

Der Marquês biss sich auf die Lippe und kaute darauf herum. Trübsinnig schaute er den Pariczaner und den Arkoniden an. Despair stand schweigend neben dem Marquês.

»Gut«, sagte Leticron knapp.

»Gut?«, wiederholte der Marquês aufgebracht und stand auf. »Hunderte von Menschen wurden getötet. Das bezeichnen Sie als gut?«

Jenmuhs fing an zu lachen. »Damit haben uns die Tellerköpfe und Kröten endlich einen Grund gegeben. Wir werden umgehend damit an die Presse gehen. Informieren Sie Ihre Tochter. Sie soll persönlich eine Rede halten.«

Schlaff setzte sich de la Siniestro in seinen Thron. Er bat Diabolo etwas Wein in den verzierten Kelch einzugießen. Hastig trank er das rote Getränk.

»Marquês, Sie wissen so gut wie ich, dass MODROR von uns die totale Kontrolle über Cartwheel verlangt. Nun haben wir die Gelegenheit. Wir haben eine Legitimation, die Alien-Allianz zu zerdrücken.«

Soviel Hass klang aus der Stimme Leticrons heraus. Der Corun von Paricza brannte anscheinend darauf, endlich seine Klonarmee einzusetzen.

»50 Millionen pariczanische Elitesoldaten stehen bereit, die Welten zu besetzen. Die Flotten Arkons und Terras sind gewaltig. Der neue Schiffstypus ist unbezwingbar. Worauf warten wir noch?«

Der Marquês lauschte mit gemischten Gefühlen den Worten des Überschweren. Macht, Herrschaft über eine ganze Galaxis war der Lohn – der Tod vieler der Preis für ihr Handeln.

Mit einem schwachen Nicken signalisierte er seine Bereitschaft. Welche Wahl hatte er denn? Der Pakt mit MODROR offerierte nun die unangenehmen Seiten.

*

»Weißt du, was los ist?«, fragte Bob Sugzak seine Kollegin Malica Homest.

Die kleine Terranerin zuckte ahnungslos mit den Schultern. Seit knapp einer Stunde warteten die Journalisten gespannt auf die Presseerklärung.

Malica hatte Glück gehabt, dass die Konferenz auf Siniestro stattfand. So hatte sie die Chance, wieder einmal über etwas Wichtiges zu berichten. Jedoch geschah das nicht aus Vertrauen in ihr Talent, sondern nur, weil kein anderer Korrespondent zurzeit erreichbar war.

Guy Pallance wollte aber umgehend eine Exklusivstory über die Presseerklärung. Da sich Speaky Mohlburry, der immer noch Eigentümer von INSELNET war, sich für Malica einsetzte, bekam sie die Chance.

Sie fuhr sich grübelnd durch die dunkelblonden, schulterlangen Haare und dirigierte ein paar Kameraleute, als plötzlich Cauthon Despair an das Rednerpult trat.

Sofort begannen die Fragen, doch der silberne Ritter schwieg. Fast schon peinlich wirkte dieses Szenario. Peinlich für die Journalisten, die sich ignoriert vorkamen.

Einige Sicherheitsleute betraten das Podium und dann kam Stephanie de la Siniestro, die Außenministerin und Pressesprecherin Cartwheels. Sie trug eine hoch geknöpfte, schwarze Kombination. Und sie hatte Tränen in den Augen.

»Vielleicht ist ihr Vater tot«, vermutete Malica.

Stephanie bat um Ruhe und die kehrte nach wenigen Momenten auch ein. Mit schwerer, holpriger Stimmte sprach sie: »Ich habe die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass hunderte unschuldiger Männer, Frauen und Kinder einer terranischen Handelskarawane auf dem Weg zu den drei Stationen von Terroristen der Alien-Allianz überfallen und ermordet wurden.«

Stephanie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Auf der Leinwand erschienen Projektionen des Tatorts.

»CIP-Agenten sendeten uns dieses Material«, sagte sie leise.

Die Bilder taten ihren Rest. Zerstörte Schiffe, schwerelos fliegende Leichen von Frauen und Kindern. Herrenlose Spielzeuge. Abgetrennte Körperteile.

Ein Raunen ging durch die Massen. Dann ein bedrücktes Schweigen. Stephanie lief ein kalter Schauer über den Rücken, so stolz war sie auf ihre Inszenierung. Nach außen hin spielte sie weiterhin die Trauernde.

»In meiner Funktion als Pressesprecherin teile ich Ihnen mit, dass der heutige Tag ein Trauertag ist. Heute und morgen bitte ich die Menschen an dem Leid der Getöteten teilzuhaben und zu trauern.«

Die Tränen flossen ihr nun über das Gesicht. Sichtlich mitgenommen stützte sie sich auf das Rednerpult.

»Ich übergebe nun an meinen Vater …«

Stephanie drehte sich um und fiel Don Philippe in die Arme. Er tröstete sie und streichelte sie. Ein bewegender Moment, wie jeder der Journalisten fand. Malica bekam eine Gänsehaut und schämte sich ihrer Tränen nicht.

Mit eiserner Miene trat der Marquês an die Journalisten heran. »Mein Herz ist von Trauer erfüllt. Doch mein Verstand sagt mir, dass ich als Vater der Nation stark sein muss. Ich darf von meinem Weg nicht weichen und muss für euch da sein. Seid stark, meine Kinder, denn es brechen harte Zeiten an.«

Eine melancholische Musik wurde gespielt. Ein Requiem auf die Toten. Der Marquês trat zurück und hielt sich die Hand an das Herz. Er schloss die Augen und betete für die unschuldigen Opfer.

Nach einer Trauerminute betraten auch Leticron, Uwahn Jenmuhs und Torsor das Podium. Jeder trug eine Uniform.

Malica wusste, was nun kam. Vielleicht wusste es jeder im Raum. Doch jeder wollte es aus der Kehle des Marquês hören.

»Wir haben eindeutige Beweise, dass dieser Anschlag von der Alien-Allianz durchgeführt wurde. An Carjuls Händen klebt das Blut dieser Menschen. Ich kann und darf diesen Terror nicht zulassen. Wir haben den Terror der Dscherro nicht geduldet. Wir haben den Terror von Rijon nicht akzeptiert und wir haben auch den Terror der Hauri nicht hingenommen. Es sind vielleicht die schwersten Worte, die ich an euch jemals richten werde, doch wir haben keine andere Wahl als den Kampf gegen diese Fanatiker aufzunehmen. Ich bedauere, dass es so weit gekommen ist und bete, dass wenn alles vorüber ist, Menschen und Außerirdische wieder friedlich miteinander leben können. Jedoch …«

Gebannt starrten alle auf ihn. Die Journalisten in dem Konferenzraum, die Zuschauer an den Geräten, gleich ob Mensch oder Extraterrestrier. Und jeder schloss voller Angst die Augen, als sie die Worte des Marquês von Siniestro hörten: »Hiermit erkläre ich der Alien-Allianz den Krieg!«

Krieg

 

Jener 27. November 1302 NGZ war somit der Beginn des Bürgerkrieges. Die Bewohner Cartwheels fingen an, sich gegenseitig zu töten. Niemand ahnte, dass dieser ganze Krieg nur Teil von MODRORs großem Plan war. Über Jahre hinweg wurde der Konflikt aufgebaut, um Cartwheel zu einen. Jedoch nicht unter dem Banner der Demokratie, sondern unter dem der Tyrannei.

Aurec und Mirus Traban versuchten sich als Schlichter, doch Carjul lehnte ab. Der Okefenokee war über die Tatsache empört, dass man die Alien-Allianz für diesen Anschlag verantwortlich machte. Er forderte eingehende Untersuchungen und wies jegliche Verantwortung von sich. Doch, so betonte er, wenn der Bund den Krieg wollte – dann würde er ihn bekommen.

In einem letzten verzweifelten Versuch bat Aurec vor dem Paxus-Rat um eine Untersuchung des Anschlages durch die USO. Beinahe hätte Aurec Erfolg gehabt, doch am 2. Dezember kam es zum ersten bewaffneten Konflikt – auf Ranor.

Aus den Chroniken Cartwheels

*

Jonathan Andrews kauerte auf seiner Pritsche und dachte an seine Frau Nataly. Seit drei Jahren waren sie nun verheiratet. Ihr Hochzeitstag stand kurz bevor. Er hatte noch kein Geschenk für sie, doch im Grunde war es nicht wichtig, ihr irgendetwas zu schenken. Hauptsache, sie konnten ihren Tag gemeinsam verbringen.

Danach sah es jedoch nicht aus. Der Konflikt drohte galaxisweit überall zu eskalieren. Aurecs Bemühungen schienen nach dem Attentat zu scheitern. Die letzte Hoffnung bestand darin, nachzuweisen, dass die Alien-Allianz unschuldig an dem Überfall war.

Plötzlich schrillten die Alarmsirenen auf. Andrews schloss für einen kurzen Moment die Augen. Vor diesem Augenblick hatte er sich gefürchtet. Er sprang aus dem Bett und bewaffnete sich mit einem Strahler und dem Caritschwert. Kaum hatte er die Kabine verlassen, liefen ihm Sahv’Norn, Barikar und Rechsuul über den Weg.

»Was ist los?«, fragte der Pontanare.

»Ich fürchte der Krieg ist los. Bewaffnet euch und kommt mit. Wir müssen sehen, was vor sich geht!«, rief Andrews, während er in die Kommandozentrale der Station rannte.

Dort traf er auf Major Bash, der nervös an seinem Kaffee nippte. Scheinbar erleichtert bemerkte er Andrews.

»Wir werden angegriffen. Es sind die Dumfries.«

»Was?«, rief Andrews. »Nehmen Sie sofort Kontakt zu ihnen auf. Fragen Sie, was das soll!«

»Sie antworten nicht. Sieben Kampfkreuzer schießen auf uns. Unser Schutzschirm kann dem Bombardement nicht lange standhalten. Wir haben auch keine Jäger hier. Wir sind nur eine Friedenstruppe«, gellte Bash aufgeregt völlig unnötig.

Jonathan wusste genau, was die Station besaß und was nicht. Andrews legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Schon gut. Beruhigen Sie sich. Alles zur Evakuierung bereit machen.« Andrews fiel dieser Entschluss schwer, doch welche Optionen hatte er? Keine. Er musste zuerst an das Leben der USO-Spezialisten denken.

»Sir, Funkspruch von den Moogh. Sie fragen, ob wir Hilfe benötigen?«, meldete der Kommunikationsoffizier.

Bash schaute Andrews fragend an. In dem Moment brach die Hölle los. Der Schutzschirm brach zusammen und schwere Energiebomben verwüsteten das Camp. Überall Explosionen.

Andrews wurde von einer Druckwelle zu Boden geschleudert. Sein Arm brannte vor Schmerzen. Mit letzter Kraft riss er sich das glühende Metall aus dem Oberarm, dann verlor er das Bewusstsein.

*

Das Öffnen der Augen fiel ihm schwer. Sein Kopf schmerzte, wie auch der Rest des Körpers. Für einen kurzen Moment musste er sich orientieren. Jonathan befand sich auf einer Medo­station. Der Medoroboter richtete seine Kameraaugen auf ihn.

»Wo bin ich?«

»An Bord des Transportschiffes ANDOR«, erklärte der Roboter.

Andrews betrachtete seinen Oberarm. Die Wunde war bandagiert. Was war vorgefallen? Er erinnerte sich nur noch an eine gewaltige Explosion, die Schmerzen. Dann war nichts mehr.

Rosan Orbanashol betrat mit Gal’Arn den Raum. Beide wirkten besorgt. Ihre Gesichter waren von Ernst geprägt.

»Ich bin froh, dass du überlebt hast.« Dennoch klang Gal’Arns Stimme nicht froh, sondern bedrückt.

»Die anderen drei?«, fragte Andrews besorgt.

Gal’Arn senkte den Kopf. Damit war es klar. Sie waren tot. Die drei Insel-Ritter hatten während des Angriffs ihr Leben verloren. Andrews verdammte sich, dass er ihnen nicht hatte helfen können. Rosan berichtete von der Schwere der Attacke.

»130 Tote und 80 Verletzte. Das Camp wurde in Grund und Boden geschossen. Wären die Mooghs nicht gekommen, hätten wir euch nicht retten können. Der Paxus-Rat tobt. Carjul dementiert den Angriff, doch alles spricht gegen ihn.«

Andrews stieß einen Pfiff aus. Das waren wirklich keine guten Neuigkeiten. Wie konnte Carjul nur so dumm sein und die USO angreifen? Es gab doch keinen Grund dafür. Er seufzte und dachte an die Gefallenen. 130 Tote. Fast die Hälfte der Besatzung. Die drei Insel-Ritter waren noch jung gewesen. Ihr Tod unnötig. Allerdings war sich Andrews darüber im Klaren, dass von nun an mehr sterben werden. Der Krieg hatte begonnen.

*

Durch den Angriff auf die USO brannte in der beginnenden Weihnachtszeit, einer Zeit voller Liebe und Toleranz, ein unglaublicher Hass gegen die Extraterrestrier auf. Besonders schlimm traf es diejenigen, die auf Welten der Menschen noch lebten.

Carjul dementierte den Befehl dieses Angriffs, doch sein Wort verlor immer mehr an Glaubwürdigkeit. Sowohl im Paxus-Rat als auch in den eigenen Reihen.

Wer kannte schon die Realität? Niemand ahnte, dass der Angriff vom Bund der Vier geplant gewesen war. Sie hatten die Dumfries an der Nase herumgeführt. Nicht jeder Dumfries war ein Patriot gewesen, einige hochrangige Offiziere hatten sich dem Quarterium verkauft und den Angriff befohlen, doch auch sie wurden betrogen und durch den Angriff der Bestien getötet. Durch diesen geschickten Schachzug gab es keine Zeugen.

Der Marquês erklärte öffentlich zwar den Unterschied zwischen friedliebenden Aliens und den Fanatikern zu betonen, doch inoffiziell sorgten CIP-Agenten für eine Anti-Alien-Stimmung unter den Terranern und Arkoniden. Bei den Arkoniden war das nicht weiter schwer, doch auch die Terraner fingen langsam an, Abscheu gegen Andersartige zu entwickeln.

Innerhalb weniger Jahre wurde die Jahrtausende währende tolerante Politik Perry Rhodans und anderer Männer und Frauen über den Haufen geworfen.

Aus den Chroniken Cartwheels

*

»Achtung, links um!«

Die Kompanie befolgte den Befehl des Kommandanten. Im einheitlichen Schritt marschierten die Truppen die lange Straße zum Raumhafen Paxus entlang.

»Augen nach rechts!«

Eine Ehrenbezeugung für den obersten Militärführer Cartwheels, Cauthon Despair. Despair stand auf einem Balkon des »War and Defend Building«, dem Herz der Armee.

Ein großer, grauer Klotz mit einer Länge von 490 Metern und der gleichen Breite und Höhe.

Dudelsackmusiker aus dem ersten Regimentskorps spielten traditionelle Marschmusik, die schon die Soldaten des britischen Empires auf ihren Feldzügen begleitet hatten.

»Erhebend, nicht wahr?«, frohlockte Peter de la Siniestro.

Das Pockengesicht konnte die Erregung kaum unterdrücken. So viele Soldaten auf dem Weg zu ihrer ersten großen Schlacht. Vielleicht würde es auch keine zweite mehr geben.

»Ein kluger Schachzug meines Vaters, Carjul zu einer öffentlichen Schlacht im Rakunsektor herauszufordern. Er ist eben noch ein Militärgenie der alten Schule.«

Despair schwieg. Stattdessen betrachtete er die Soldaten und Panzer, die sich ihren Weg zu den Schlachtschiffen bahnten.

»Es wird sich noch heraus stellen, ob Carjul darauf eingeht. Seine Armee ist technologisch weit unterlegen. Er wäre töricht, eine offene Schlacht zu führen.«

Peter ignorierte die Kritik. Sein Körper versteifte sich beim Salutieren. Heißkalte Schauer liefen ihm den Rücken herunter. Sein Freudengefühl bei dieser Parade war unbeschreiblich.

»Fast 200.000 Schlachtschiffe stehen dem Bund der Vier zur Verfügung. Hinzu kommen unsere neuen Raumschifftypen, angeführt von der EL CID. Ich werde persönlich an Bord sein«, erklärte Peter wichtigtuerisch.

»Das Kommando werde ich haben. Ihr Vater wünscht jedoch ebenfalls an der Schlacht teilzunehmen. Begebt Euch am besten auf die HOLSTEIN. Von dort aus werdet Ihr die Vierte Flotte befehligen.«

Peter salutierte steif und hastig. Er musste sich die Freudentränen zurückhalten. Endlich durfte er eine ganze Armee befehligen.

»Die HOLSTEIN wird vorher jedoch nach Paricza fliegen. Treffen Sie sich dort mit Leticron! Alles weitere wird er Ihnen erklären.«

»Ja, Sir!«, rief Peter voller Enthusiasmus und ließ Despair allein.

Der silberne Ritter lehnte sich an die Brüstung des Geländers und beobachtete den Aufmarsch. So hatte er sich ein starkes Terra vorgestellt. Diese Armee würde Ordnung in die Galaxis bringen und er würde sie anführen.

*

Am 4. Dezember 1302 NGZ erreichte die HOLSTEIN Paricza. Ein kleiner Aufmarsch an Soldaten begrüßte den General des Terrablocks.

Leticron hieß Peter de la Siniestro willkommen. Er führte ihn auf einen Turm, von dem man aus ein ganzes Tal überblicken konnte.

»Die Vorbereitungen der Schlacht laufen auf Hochtouren, wie ich gehört habe?«, erkundigte sich der Corun.

»Ja, Corun! Alles ist bereit. Ich wurde von Cartwheel-Marschall Despair hierher abgeordnet. Weshalb?«

Leticron ging mit Peter in einen Antigrav. Sie schwebten sehr hoch bis in die höchste Etage. Dort führte er ihn auf einen Balkon.

»Carjuls Flotte zu schlagen, wird nicht ausreichen. Die CIP berichtet, dass er Novabomben aus M 87 angefordert hat. Sie können sich vorstellen, welche Welten zuerst vernichtet werden sollen.«

Peter schluckte hörbar.

»Aber …«, stammelte er.

»Wir müssen Okefenok besetzen«, erklärte Leticron. »Doch etwa zehn Millionen Dumfries sind dort stationiert. Der Rest befindet sich auf den Schlachtschiffen. Carjul hat unzählige Truppen aus M 87 angefordert. Wir werden also das Sternenportal blockieren müssen.«

Peter lauschte den Worten des Corun gebannt. Für ihn war Leticron ein Held und ein militärisches Genie, schließlich war er schon Erster Hetran der Milchstraße gewesen.

»Aber, Sir, wir bräuchten eine riesige Armee um Okefenok zu besetzen und zu kontrollieren«, warf de la Siniestro ein.

Leticron lächelte nur. Sie hatten den Balkon erreicht. Der Krach wurde immer lauter und als sie auf dem Vorbau standen, hörte Peter das Brüllen aus Millionen Kehlen. Zaghaft ging er an die Brüstung und blickte herab auf das gigantische Heer an pariczanischen Klonen, die in voller Rüstung mit den Kolben ihrer Thermogewehre auf den Boden donnerten.

Nun fing Peter an zu weinen. Glücksgefühle, die er nicht kannte, machten sich bemerkbar. Die Tränen kullerten über die vernarbten Wangen.

»Das ist Eure Armee, Feldherr«, sprach Leticron.

So weit das Auge reichte Soldaten. Millionen über Millionen. Peter vermochte sich gar nicht auszumalen, wie viele es waren. Er begann zu zittern. Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn. Ungläubig starrte er Leticron an. Die Augen funkelten wie bei einem Kind, welches den großen Weihnachtsbaum und die vielen Geschenk sah.

»Meine Armee«, wiederholte er voller Ehrfurcht.

 

Kapitel 5 - 1303 NGZ

Das Jahr 1303 stand unter keinem guten Stern. Die gewaltigen Armeen des Bundes der Vier hatten sich gesammelt und Carjul akzeptierte die Herausforderung des Marquês, die Flotten im Rakunsektor aufeinander prallen zu lassen.

 

Am 30. Januar 1303 NGZ sollte es soweit sein. Vergeblich bemühten sich Aurec, Mirus Traban und die USO diesen Wahnsinn zu stoppen. Keine Partei gab klein bei.

Auch die vielen Demonstrationen verpufften. Nicht jeder Terraner wollte diesen Krieg. Es gab immer noch viele, die sich an die Botschaft DORGONs erinnerten. Sie wurden jedoch mundtot gemacht. Namenhafte Gegner des Krieges wurden einfach durch Klone ausgetauscht.

Werner Niesewitz hatte die CIP innerhalb weniger Monate zu einem hervorragend funktionierenden Apparat aufgebaut. Vorschläge der USO wurden ignoriert. Die galaktische Polizei verlor an politischer Bedeutung. Insbesondere nach dem Fiasko auf Ranor, bei dem beide Parteien der USO die Schuld zuwiesen. Die USO war machtlos.

Saggitton und Akon waren machtlos. Die Milchstraße war machtlos. Niemand konnte diesen Konflikt mehr aufhalten.

Doch auch andere Völker, fernab von Cartwheel, schauten mit Besorgnis auf die Insel …

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon

Elyn

Ihre Reise hatte lange gedauert. Sie war nicht von Erfolg gekrönt. Müde und erschöpft verließ sie ihr silbernes Raumschiff RIVEDELL und begrüßte ihre Brüder und Schwestern.

Gindore, ihr Cousin, begleitete sie zur silbernen Stadt, dem Zentrum ihres altehrwürdigen Volkes. Alles Wissen war hier konzentriert. Die silberne Stadt lag im immerwährenden Eis dieser Welt. Harmonisch verschlungen offenbarten sich ihr die Bauten der Stadt Eisdorm. Die raue Kälte war sie gewöhnt, wenngleich die Temperaturen in den Häusern natürlich ihrer Gewohnheit angepasst waren.

Doch sie bestand darauf, den Weg zum Palast ihres Vaters zu Fuß zu gehen. Vier Jahre war sie fort gewesen, um ihren Auftrag zu erfüllen. Ein Wimpernschlag gemessen an ihrer Existenz. Nicht einmal so viel, verglich sie es mit dem Dasein der Kosmokraten.

Der eisige Wind wehte in ihr zartes Gesicht. Wohin das Auge blickte, Schnee, Eis und silberne Türme und Häuser. Sie strahlten im wohligen Glanz und erhellten die ewige Nacht dieser Welt.

Dann erreichte sie den Palast und schritt langsam die hundert Stufen zum Thronsaal hoch, bis sie ihren Vater wiedersah.

»Elyn«, sprach er streng.

Sie verneigte sich vor ihm. Er betrachtete seine Tochter. Ihr ästhetisches Gesicht und ihre weibliche Form, ihr langes, dunkles Haar und ihre tiefviolettblauen Augen.

»Vater, ich habe versagt«, sagte sie traurig.

Schweigsam wartete der große Eorthor auf ihren Bericht. Eorthor war der Regent dieses Volkes und voller Weisheit. Seit Äonen führte er dieses Volk an.

»MODRORs Armeen greifen nach jeder Galaxis. Eine Invasion in Shagor konnte ich dank der Hilfe der Ritter der Tiefe verhindern.«

Abfällig lauschte er ihren Worten.

»Du wagst es, diese Ketzer als Ritter zu bezeichnen? Sie haben keine Ritterweihe bekommen und wurden von einem Verräter gegründet. Es grenzt an Blasphemie, dass der heilige Kosmokrat Sipustov sich ihrer bedient hat.«

»Denn er hat die Weisheit besessen, über den Zwistigkeiten zu stehen. In Shagor sind mir nur tapfere Männer begegnet, die es verdienen als Ritter bezeichnet zu werden«, warf Elyn ein.

»Berichte weiter!«, befahl Eorthor etwas ruhiger.

Elyn stand nun auf und setzte sich neben ihren Vater. Ihre Augen forschten in den seinen.

»Doch die Insel ist bereits in den Händen der Söhne des Chaos. Ich habe keine Spur von DORGON gefunden.«

Sorgenfalten gruben sich in das sonst so androgyne Gesicht des weisen Herrschers. Elyn spürte, dass er um Fassung bemüht war. Es erging ihresgleichen nicht anders.

Niemand kannte die Gefahr MODRORs besser als ihr Volk und auch wenn es sich ihr Vater nicht eingestand, so war nur DORGON in der Lage MODROR zu stoppen.

Nur ein Bruder konnte den Bruder stoppen.

Sie forschte in seinen Augen, doch sie verrieten ihr nichts. Eorthor schien nachzudenken. Dann erhob er sich und ließ den Blick auf seine Gefolgsleute schweifen, die in der silbernen Halle standen.

»Wir haben vor Äonen große Schuld auf uns geladen. Seit unzähligen Jahrhunderttausenden versuche ich diese Sühne zu vergelten, doch nun ist MODROR so stark wie nie zuvor.«

Schlaff ließ er sich in den Thron fallen und krallte die Armlehne fest. Elyn stand auf und ergriff die Hand ihres Vaters. Die anderen warteten auf eine Entscheidung. Keiner von ihnen wagte etwas zu sagen, außer Eorthors langjähriger Freund, Neffe und Gefährte Gindore.

Der hochgewachsene Mann trug sein langes, blondes Haar glatt nach hinten gekämmt. Sein Gesicht wirkte wie das eines Knaben von höchstens zwanzig Jahren, doch aus den Augen strahlte die Erfahrung von vielen Jahrtausenden.

»Wir müssen MODROR aufhalten. Das erwarten die Kosmokraten. Sonst wird unser Volk niemals von dem Fluch freigesprochen werden«, sprach er eindringlich.

Als ob das Eorthor nicht wusste. Der Fluch! Für manche war es ein Segen, doch unzählige Jahrhunderttausende zu überdauern, nur um an das Verbrechen erinnert zu werden, war eine schlimmere Strafe als der plötzliche Tod.

Sie waren ihren Herren und Meistern auf ewig verpflichtet, bis es ihnen gelang, ihren Fehler zu bereinigen. Eorthor blickte Gindore mit einer Mischung aus Mitleid und Verständnislosigkeit an.

»Und wie sollen wir ihn aufhalten, teurer Neffe? Wir allein können nicht gegen die Armeen MODRORs bestehen. Niemand kann das. Er ist zu mächtig geworden …«

Gindore wollte so schnell nicht aufgeben. Er suchte nach Alternativen, fand jedoch keine. Die Kosmokraten würden ihnen nicht helfen. Sie hatten Angst vor MODROR.

»Die Menschen«, schlug Elyn vor.

Eorthor lachte abfällig, doch Elyn ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie ließ die Hand ihres Vaters los und stellte sich vor ihm.

»Es gibt viele heldenhafte und tapfere Menschen. Die Ritter von Shagor sind nur ein Beispiel. Ich habe ein Wesen aus Cartwheel getroffen, welchem ich mein Leben zu verdanken habe.«

Eorthor schwieg.

Elyn fuhr fort: »Es ist nicht grundlos, dass MODROR diesen Perry Rhodan vernichten will, bevor er seinen großen Plan beginnt. Er kennt die Gefahr, die von diesem Terraner ausgeht. Rhodan hat überall wichtige Gefährten. Sein Freund Atlan irgendwo auf dem Weg nach Wassermal oder den Saggittonen Aurec in Cartwheel. Mit ihrer Hilfe könnten wir das Unmögliche schaffen!«

Nun erhob sich Eorthor. Seine Schritte waren nicht mehr von der Stärke geprägt wie einst. Langsam lief er die Stufen herab und ging nach rechts. Dort stand ein Schrank aus Glas. Hinter der Vitrine befanden sich zahlreiche Relikte aus vergangenen Tagen. Baupläne einer goldenen Pyramide und einer Antriebsart für ein auserwähltes Volk der Kosmokraten.

Und dort lag auch das Schwert des Nargul. Eorthor öffnete den Schrank und nahm das goldene Schwert aus Carit. Nach all den unzähligen Äonen war es noch scharf, wie er feststellte.

»Einst trug mein ehrbarer Vater Nargul dieses Schwert und führte es zum Sieg gegen den Chaotarchen Samorgh und seine Armeen. Dass mit diesem Sieg allen Leids Ursprung war, dachte damals niemand …«

Er wandte sich wieder an seine Tochter.

»Gehe nach Cartwheel und nimm Kontakt zu Aurec auf. DORGON hatte die Vision, dass Cartwheel eine Festung gegen MODROR sein würde. Sorge dafür, dass es auch so geschehen wird.«

»Wir brechen sofort auf, Vater.«

»Nein, meine Tochter. Die Entwicklungen auf der Insel kannst du jetzt nicht mehr stoppen. Warte einige Zeit, bis es soweit ist, in Erscheinung zu treten. Ich werde es dir mitteilen.«

Elyn verstand die Entscheidung ihres Vaters nicht. Sie wäre sofort aufgebrochen, um mit Perry Rhodan und Aurec zu reden. Doch sie akzeptierte die Anweisungen ihres Vaters.

Elyn verneigte sich vor ihrem Vater und drehte ihm den Rücken zu. Sie blickte hoch zur Glaskuppel des silbernen Palastes. Schnee rieselte auf das Dach.

Sie seufzte kaum hörbar, dann schritt sie die einhundert Stufen herab zum Ausgang des Palastes, um zu warten. Gindore folgte ihr. Als sie draußen angekommen waren, atmete Elyn intensiv die frische Luft dieses Planeten ein. Sie war kalt aber rein.

Sie setzte ihren Weg in ihr Haus fort, welches unweit vom Palast lag. Es war kaum jemand auf den Straßen. Das raue Klima drängte die Wesen der Alysker dazu, geschützte Wege zu nehmen.

Als Elyn endlich in ihrer Wohnung war, quälte sie schon nach wenigen Minuten die Warterei. Sie nahm einen Datenspeicher aus ihrer Tasche. Dort waren Informationen über Cartwheel gespeichert. Sie beschloss, sich mehr über die Galaxis zu informieren.

Einst von DORGON als Galaxis der Hoffnung geformt, stand das Schlimmste der Insel noch bevor.

Das Quarterium

»Feuer!«

Aus allen Rohren donnerten die Raumschiffe los. 150.000 Schlachtschiffe der Terraner, Arkoniden, Pariczaner und Pelewon begannen das Inferno. Eine Glut des Todes schoss auf die Schiffe der Alien-Allianz zu.

Die ersten Salven trafen, Dutzende Raumer vergingen im Transformfeuer. Ihr Licht glich einer Supernova. Bei anderen Schiffen brachen die Schutzschirme zusammen. Weitere Kanonenschüsse sprengten Teile der Schiffe hinweg. Sie drifteten aufeinander und zerbersteten oder schwebten wie Geisterschiffe durch das All.

»Erste Welle, Vorstoß!«, befahl Cauthon Despair auf der Brücke der EL CID, jenem 8.000 mal 6.000 Meter großen Gigantraumschiff.

Der Marquês von Siniestro saß auf einem pompösen, mittelalterlichen, königlichen Thron.

Er betrachtete die Schlacht auf den dreidimensionalen Sternenkarten des Rakun-Sektors.

»Die Arkonidische Gos’Shekur-Flotte soll die linke Flanke angreifen«, erklärte Cauthon Despair dem Marquês. »Pariczanisch-pelewonische Einheiten kümmern sich um die rechte Flanke. Wir stoßen mit den neuen Schiffen von der Mitte durch.«

Dieser trank genüsslich einen spanischen Wein. Irgendwie konnte er so einer Schlacht doch etwas abgewinnen. Es gab sowieso kein Zurück mehr. Ein kluger Mann arrangierte sich mit der Welt, in der er lebte, sagte einst schon ein weiser Statthalter Roms.

»Mir ist ein Name für unsere neuen Schiffe eingefallen«, erzählte er vergnügt. »El Supremo. Das bedeutet so viel wie Der Gewaltige

Despair verneigte sich unmerklich und wandte sich wieder der Schlacht zu, während Diabolo einen seltsamen Ton von sich gab.

»Gefällt dir der Name nicht?«

»Doch, doch, Euer Exzellenz. Supremo. Die Supremos richten auch schon gewaltigen Schaden an.«

Diabolo deutete auf die Holokarten. Immer mehr rote Punkte verschwanden.

Der Marquês begann zu lachen. »Bald wird Cartwheel unter meiner Regentschaft vereinigt sein. Dann wird es dauerhaften Frieden geben unter dem Banner eines neuen Imperiums.«

»Ein Imperium?«, hakte der Posbi ungläubig nach.

Der Spanier entblößte seine vergilbten Zähne und schwieg. Er beobachtete Despair, der fortwährend Befehle gab. Die Formierungen der Pulks änderten sich im Minutentakt. Der Gegner kam überhaupt nicht dazu, in eine vorteilhafte Position zu gelangen.

Er leitete die Flucht ein. Die Raumer suchten ihr Heil im Schutz der Sonne. Jedoch ahnte der Alien-Verband nicht, dass ihr Fluchtweg von 30.000 Supremo-Schlachtschiffen blockiert wurde. Diese ruhten im Semi-Transit-Feld, der dorgonischen Technologie, die das Raumschiff in eine andere Dimension versetzte und so für Auge und Radar unsichtbar werden ließ.

Das Semi-Transit-Feld hob das Schiff praktisch aus dem Normalraum in eine Grigoroff-Blase, so wie das Hypertakt-Triebwerk. Dabei wurde es nicht entmaterialisiert. In diesem Zustand war es mit keiner bekannten Waffentechnologie erreichbar, denn seine Koordinaten waren von keinem Bezugssystem abhängig.

Das Schiff war bei aktiviertem Semi-Transit-Feld nicht manövrierfähig. Jedoch reichte diese Stellung aus, um die feindlichen Schiffe zu beschießen. Von überall her strömten die Raumschiffe des Bundes der Vier. Es war aussichtslos.

Der Kommandant der Alien-Streitkräfte, der Gataser Trücöl Rüstü, kapitulierte. Der Marquês nahm die Kapitulation an und umgehend wurde das Feuer eingestellt.

Der Spanier bat um eine Unterredung mit seinen Admirälen und Generälen. Cauthon Despair, Orlando de la Siniestro, Toran Ebur, Terz da Eskor, Uwahn Jenmuhs und Henry »Flak« Portland waren die engsten militärischen Berater von Don Philippe de la Siniestro. »Bericht!«, forderte er.

Henry Portland stand auf. Er zeigte auf einem Hologramm den Verlauf der Schlacht.

»Die Streitkräfte der Alien-Allianz waren uns von Anfang an nicht gewachsen. Ihre Verluste betragen 12.912 Schiffe, während wir 617 Schiffe verloren haben. Die Schlacht war kurz. In Anbetracht dessen, sind die Verluste jedoch bedauerlich und beklagenswert.«

Ebur lachte abfällig. »Sie sind Soldaten und als Soldaten einen Heldentod gestorben. Schluss damit! Wie gehen wir weiter vor, Marquês? Gos’Shekur?«

Die beiden mächtigsten Männer der Insel schauten sich kurz an. Dann zeigte der Spanier dem Arkoniden mit einer Geste, dass er seinen Plan vorstellen durfte.

Der fettleibige Gos’Shekur deutete mit seinem Zierdestock auf einen anderen Sektor der Galaxis.

»Carjul lebt noch und ist frei. Um das schnell zu ändern, stehen drei Flotten des Bundes der Vier im System der Pelewon und warten auf die Order, Okefenok anzugreifen und zu besetzen. Jedes Schiff wird gespickt mit Soldaten sein. Millionen pariczanische Grautruppen warten auf ihren ersten Einsatz.«

Orlando und Flak blickten sich fragend an.

Dann gab sich der älteste Sohn des Marquês einen Ruck. »Ist es jetzt nicht Zeit, die Verhandlungen neu aufzunehmen? Warum noch mehr Blut vergießen?«

»Carjul ist im Besitz von Novabomben. Bevor er sie einsetzt, müssen wir rasch handeln. Solange Carjul Anführer der Allianz ist, wird es keine Verhandlungen geben«, erklärte Despair ziemlich deutlich.

Orly schien sich damit nicht zufrieden zu geben. Er wandte sich an seinen Vater. »Vater, du bist dem Parlament verpflichtet. Du hast die Erlaubnis für diese Schlacht, nicht für mehr.«

»Sie vergessen den guten Ton, General de la Siniestro«, sprach der Marquês streng.

Orlando biss sich auf die Lippe. »Dennoch versichere ich, dass das Parlament schon bald nicht mehr befugt sein wird, mir zu diktieren, was ich zu tun und zu lassen habe. Schon bald, sehr bald, wird Cartwheel Reformen unterzogen werden.«

Portland konnte sich schon sehr gut vorstellen, welche Reformen das sein würden. Der Marquês schien so ein begnadeter Reformator wie Julius Cäsar zu sein.

Für den Spanier war die Diskussion nun beendet. Er gab Despair den Befehl, die drei Flotten unter dem Kommando von Leticron und Peter de la Siniestro in Marsch zu setzen. Die Alien-Allianz sollte den heutigen Tag nicht überleben.

*

Aurec und Mirus Traban beobachteten die Meldungen von der Schlacht, wie auch ihre Kollegen, vom Paxus-Parlament aus. Der große Turm war heute das Zentrum für Eingang und Verteilung von Nachrichten. Jeder wichtige Politiker war anwesend. Gegner und Alliierte zusammen. Die letzte Hoffnung an demokratischer Rettung für die Insel war hier versammelt.

Aurec verdammte diese Schlacht. Tausende von Wesen waren gestorben. Hoffentlich war es die erste und letzte Schlacht in diesem sinnlosen Bürgerkrieg.

»Wofür? Für Demokratie? Für Freiheit? Für Ideale? Der ganze Sinn dieser Schlacht ist mir verborgen geblieben«, murmelte Mirus Traban.

Aurec musste dem Akonen zustimmen. Mit steinerner Miene las er die Verlustmeldungen beider Seiten.

Plötzlich schrillten die Sirenen los. Die Delegierten blickten sich verunsichert um und forderten Informationen. Aurec und Mirus Traban rannten aus dem Gebäude auf das Dach. Kurz danach schlossen sich sämtliche Türen. Der Paxus-Tower wurde abgeriegelt.

Vergeblich versuchte der Akone die Tür zu öffnen.

»Was soll das?«, rief er wütend.

Aurec wusste es nicht. Schon von weitem sah er die Diskusraumer der Okefenokees, Blues und Dumfries. Eine Explosion jagte die nächste. Bomben prasselten auf den Boden nieder und schlossen alles in ihrem Umkreis in tödlichem Feuer ein.

»Ein Luftangriff der Alien-Allianz«, erklärte Aurec.

»Und wir stehen auf einem Dach. Prickelnd! Warum lassen sich diese Türen nicht öffnen?«

Energisch rüttelte Mirus Traban an dem Griff der Stahltür, konnte sie jedoch nicht bewegen.

»Ich lasse uns abholen«, sagte Aurec und stellte die Verbindung zum Space-Copter von Jonathan Andrews her.

Unweit von hier hatten sich die Agenten der USO in weiser Voraussicht niedergelassen.

Dutzende Jäger brausten plötzlich über ihren Köpfen hinweg, um die angreifenden Schiffe abzufangen.

Kugelraumer rasten aus der dichten Wolkendecke und begannen sofort das Feuer. So oder so war das Eindringen der Schiffe eine Katastrophe. Selbst wenn man sie zerstörte, würden Bruchstücke auf die Stadt Paxus prallen.

Die Bomben schlugen immer dichter ein. Ein 100 Meter durchmessender Diskusraumer der Blues hielt plötzlich auf sie zu. Die beiden Nebentürme feuerten mit den Flugabwehrkanonen auf das Raumschiff, doch erst eine Welle Hawker Mosquito-Jets konnten den Raumer abschießen. Das Schiff stürzte ab und prallte in das Meer.

Endlich tauchte der Space-Copter auf. Aurec konnte Andrews in dem Cockpit erkennen. Das Fluggefährt landete kurz. Beide stiegen ein und schon startete Andrews wieder.

»Was zur Hölle geht hier vor?«, wollte er wissen.

»Krieg!«, rief Aurec knapp.

Kaum hatte der Space-Copter abgehoben, wurde er schon beschossen. Andrews senkte den Copter zum Sturzflug. Er sauste die andere Seite des Turmes herab und war so kurz nicht sichtbar für die Angreifer. Dann zog er nach links herum und schoss durch die Straßen von Paxus. Nachdem er einige Kilometer entfernt war, drehte er wieder.

»Wir müssen zurück zum Paxus-Parlament«, meinte Aurec. »Die Delegierten sind eingeschlossen.«

Andrews nickte und beschleunigte. Sie wurden allerdings von einem 300 Meter durchmessenden Schlachtschiff der Dumfries überholt. Es wurde von allen Seiten beschossen, doch noch hielt die Hülle stand.

»Bei Drorah …«, stammelte Mirus Traban.

Erst nach einigen Augenblicken verstand Aurec, was der Akone meinte. Dann war es auch schon zu spät. Das Schlachtschiff raste direkt in den Paxus-Tower. Der Schutzschirm brach bei der Kollision zusammen. Schiff und Turm vergingen in einer einzigen Wolke aus Feuer und Rauch. Dann sackte der Tower mit dem Schiff in sich zusammen und stürzte wie ein Kartenhaus ein. Eine Feuerwelle fegte die umliegenden Häuser, Hallen und Hangars hinweg.

Fassungslos starrten die drei Menschen das Inferno an. Das gesamte Paxus-Parlament war ausgelöscht!

Aurec dachte an treue Gefährten, wie den Haluter Goz Kongan. Nur die Regierung Cartwheels war nicht dort gewesen. Der Marquês hatte es für sicherer gehalten, die Minister in diesen Tagen nicht im selben Komplex wie das Parlament unterzubringen. Eine weise Entscheidung. Oder steckte mehr dahinter? Aurec wollte daran gar nicht denken.

»Jonathan, stelle eine Verbindung zur EL CID her. Ich muss den Marquês informieren.«

*

»Das Ausmaß der Kollision muss verheerend sein. Ich kann noch nicht sagen, ob es Überlebende gibt. Der Angriff wurde jetzt auf jeden Fall abgewehrt«, schloss Aurec seinen Bericht.

Der Marquês lauschte mit starrer Miene der Stimme des Saggittonen. So viele Tote. Das hatte er nicht gewollt.

Plötzlich kamen Zweifel am Sinn dieses ganzen Krieges. Er hätte seine Linie fortführen sollen, Kompromisse mit Carjul eingehen sollen. Schließlich forderten die Extraterrestrier nur Gleichberechtigung. Warum wollte man ihnen das nicht geben?

Er blickte verächtlich zu Jenmuhs und Cauthon Despair. Sie waren an allem Schuld. Er war doch letztendlich nur eine Marionette von Despair. So wie Despairs Fäden in MODRORs Händen lagen.

Doch er konnte sich nicht aus diesem teuflischen Pakt stehlen. Er war ein Sohn des Chaos und für seinen Treueid auf MODROR mit dem ewigen Leben beschenkt worden. Im Rahmen seiner beschränkten Möglichkeiten, musste er jedoch versuchen, so viele Menschenleben zu retten wie es nur ging.

»Sternenfusionsbomben«, schlug Jenmuhs vor. »Wir löschen Okefenok aus.«

Die Hände des Marquês umschlossen die Armlehne fest. Die vergilbten Fingernägel bohrten sich in den roten Stoff. Einen ganzen Planeten auslöschen? Nein, das durfte nicht passieren.

»Wir werden uns nicht auf dieselbe Stufe mit Carjul stellen«, entschied er mit fester Stimme.

»Und wenn er Novabomben einsetzt?«, rief Jenmuhs entsetzt. »Der nächste Angriff auf Paxus wird dann der letzte sein!«

»Sendet Leticron und meinem Sohn den Befehl zum Angriff. Wir werden noch an diesem Tage die Flagge des Bundes der Vier über Okefenok hissen. Carjul wird gerichtet werden, doch von einem ordentlichen Gericht!«

Der Marquês stand auf und deutete Diabolo an, dass er ihm in sein Privatgemach folgen sollte. Die Unterredung war beendet.

»Verdammter Barbar«, stieß Jenmuhs verächtlich aus.

»Vorsicht, Ihr redet von meinem Vater«, warnte Orlando de la Siniestro.

Jenmuhs ignorierte ihn einfach und verließ die Brücke. Portland legte seine Hand auf Orlys Schulter, um ihn zu beruhigen.

Cauthon Despair wandte sich an den Funker und befahl ihm, Leticron über den Angriff zu informieren. Der Finalschlag gegen Carjul hatte begonnen.

*

Die Schlacht dauerte nicht einmal zwölf Stunden. Die Dumfries waren den 50 Millionen Grautruppen nicht gewachsen. Die gigantische Invasion verlief nach Leticrons Plan.

Die Sonne war untergegangen, doch brennende Gebäude erhellten den dunklen Himmel.

Leticron versetzte Carjul einen schmerzhaften Tritt in den Unterleib. Keuchend brach der Konstrukteur des Zentrums zusammen. Blut floss aus dem feinen Mund.

Peter kommandierte die Elitetruppen und hisste die Flagge der Föderation Cartwheels auf dem Dach des Balkons. Mit steifen Schritten lief er auf Leticron zu und salutierte. Seine Stimme zitterte vor Erregung, als er dem Corun meldete: »Okefenok ist in unserer Hand. Wir haben etwa 400.000 Soldaten verloren, die Dumfries das zehnfache.«

Peter blickte auf Carjul. Da sah er das Blut auf dem Boden und am Mund des Okefenokee. Plötzlich wurde ihm schwarz vor Augen. Bewusstlos brach er zusammen.

Leticron musste lachen. Der Boden begann zu erzittern und eine gewaltige Kreatur betrat den zerstörten Palast. Torsor blickte sich zufrieden um. Er nahm zwei gefangene Dumfries in die beiden oberen Handpaare und zerquetschte ihre Schädel.

»Ich habe Cartwheel vor euch Bestien gewarnt, doch niemand wollte auf mich hören. Auch Sie werden eines Tages von diesen Pranken zerquetscht werden, Leticron«, prophezeite Carjul.

»Pelewon und Pariczaner streiten für dasselbe Ziel. Ihre Zeit ist abgelaufen, Carjul. Sie werden nun nach Paxus gebracht werden und dort verurteilt werden.«

Der Okefenokee spuckte auf den Corun. Leticron nahm es gelassen. Er blickte sich um. Dann ging er zielstrebig auf die Vorhänge zu und riss das an der Seite hängende Seil ab.

»Auf der anderen Seite, können wir Sie auch gleich hier aburteilen«, sprach er amüsiert, während er den Strick um Carjuls Hals legte. »Sie wurden halt von aufgebrachten Soldaten gelyncht. Wir konnten dagegen nichts machen.«

Der Okefenokee wehrte sich nicht. Es war aussichtslos gegen einen Überschweren und eine Bestie.

Torsor betrachtete das Schauspiel grinsend. Leticron zog an dem Seil und schliff Carjul auf den Balkon. Dann band er das Seil an der Brüstung fest und hob Carjul hoch. Jetzt wehrte er sich.

»Lassen Sie mich in Würde sterben«, bat er.

Leticron ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. Carjul erhob sich und kletterte auf das Geländer. Er blickte über die brennende Stadt.

Alles war verloren. Hätte er doch die Bestien schon in M 87 ausgerottet. Doch jeder hatte ihn als Fanatiker verschrien. Dennoch hatte er recht behalten.

»Darf ich?«, fragte Torsor.

Leticron gewährte ihm dem Vortritt. Der Koloss stellte sich hinter Carjul, der nun die Augen schloss und auf das Ende wartete.

»Für Millionen Pelewon und Moogh«, fletschte Torsor. Dann stieß er Carjul hinunter. Er fiel in die Tiefe, bis das Seil sich straffte und sein Genick brach.

Torsor hatte seine Rache. Leticron genoss den Moment des Sieges genauso.

Poleycra trat an ihn heran. »Corun, was sollen wir jetzt mit den Gefangenen machen?«

»Baut ein Internierungslager. Wir werden jetzt einige Internierungslager benötigen. Nennt es Carjulstadt.«

Leticron lachte voller Hohn. Torsor grollte finster und betrachtete die baumelnde Leiche des Okefenokee.

Inthronisierung

Am 2. Februar 1303 NGZ kehrten die Streitkräfte des Bundes der Vier nach Paxus zurück. Aurec, Mirus Traban und Guido Nordsurfer – die einzigen Überlebenden des Anschlages – begrüßten die Rückkehrer, die vom Volk wie Helden gefeiert wurden.

Fortan symbolisierten Don Philippe de la Siniestro, Uwahn Jenmuhs, Leticron und Torsor Stärke und Sicherheit in Cartwheel für die Lemurerabkömmlinge.

Zuerst besichtigten sie die Trümmer des Paxus-Tower. Wo einst der siebenhundert Meter große Turm stand, befand sich ein gewaltiger Berg aus Schutt und Asche.

»Die Völker sind kopflos«, erklärte Mirus Traban. »Jedes Regierungsmitglied mit Ausnahme von Ihnen vier war hier anwesend. Nordsurfer überlebte nur, weil er zu spät gekommen war.«

»Die Bürger Cartwheels werden jetzt eine starke, väterliche Hand brauchen. Wie früher«, sprach der Marquês.

Traban und Aurec blickten den Spanier an, als ahnten sie, was jetzt kommen würde.

»Señores, der Krieg ist vorbei. Er forderte genügend Tote. Nun muss jedes Volk einsehen, dass wir nur zusammen stark sein können. Ein Volk unter einer Regierung.«

Der Marquês musterte die zwei, dann verließ er sie und begab sich in seinen Gleiter. Der Saggittone und der Akone blickten ihm stumm hinterher.

»Ich habe das ungute Gefühl, als würde alles noch schlimmer werden«, meinte Mirus Traban.

*

Mit gemischten Gefühlen betrat Aurec das pompöse Schloss auf Siniestro, welches eine Replik des Königsschlosses von Madrid darstellte.

Alle wichtigen Persönlichkeiten Cartwheels waren erschienen. Sie tummelten sich im mittelalterlich wirkenden Thronsaal. Aurec wurde von einem Kammerdiener empfangen, der ihn zu seinem Platz führte.

Rosan Orbanashol-Nordment, Jan Scorbit, Gal’Arn, Jonathan Andrews, die beiden Jaarons sowie Mathew Wallace und Xavier Jeamour saßen dort bereits. Aurec begrüßte seine Freunde.

 

»Weiß jemand, was hier vorgeht?«, wollte er wissen.

»Nein«, gestand Rosan. »Wir haben gestern ebenfalls diese mysteriöse Einladung vom Marquês erhalten. Dort stand geschrieben, dass er eine wichtige Verlautbarung zu machen hätte.«

Aurec nickte knapp. Derselbe Text wie auf seiner Einladung. Er warf einen Blick zu Mirus Traban, der mit seiner akonischen Delegation unweit von ihnen entfernt saß.

Auch die Vertreter der aufgelösten Alien-Allianz waren anwesend. Ob Blues, Kartanin, Unither oder Gurrads. Sicherlich hatten sie alle kein gutes Gefühl. Der neue Repräsentant der Blues hatte erst vorgestern die Kapitulation der Alien-Allianz unterzeichnet.

Der Marquês hatte öffentlich jedoch versichert, dass dies keine Niederlage, sondern ein Sieg für alle war, denn nun konnte man die Vorurteile beiseitelegen und von vorne anfangen.

Aurec wünschte sich das sehr, doch die nationalistischen Tendenzen im terranischen und arkonidischen Volk waren unübersehbar. Der Sieg hatte dies noch verstärkt. Jetzt fühlten sich die Lemurerabkömmlinge erhaben und besser als die Aliens.

Nur Saggittonen und Akonen bildeten eine Ausnahme. Ausgerechnet die Akonen.

»Betrübliche Kunde vom halutischen Botschafter«, berichtete Rosan. »Die Haluter werden Cartwheel verlassen. Sie sehen DORGONs Projekt als gescheitert an.«

Aurec nahm die Information mit Bedauern zur Kenntnis.

»Was ist mit der USO?«

Jan Scorbit lachte bitter. »Wir haben gewaltig an Einfluss verloren, sind jedoch nicht uninformiert. Wir werden auch ohne die Erlaubnis der CIP unseren Geheimdienst betreiben. Uns ist zu Ohren gekommen, dass zwei Internierungslager gebaut werden sollen. Eines auf Okefenok mit dem Namen Carjulstadt und das zweite auf einer abgelegenen Welt linguidischer Einsiedler namens Objursha.«

Jaaron Jargon stellte mit zitternden Händen sein Weinglas ab. Objursha! Seine Geburtswelt. Jene Erinnerungen an den Erzählungen seiner Eltern wurden wach. Damals war ihr linguidisches Raumschiff vom Kurs abgekommen und sie strandeten ohne ihr Zutun auf Objursha. Es stellte sich heraus, dass DORGON dafür verantwortlich war. Er hatte Jaaron als Chronisten der Insel auserkoren.

Es wurde ruhiger im Saal, nur die Kapelle spielte klassische Musikstücke. Ein alter Mann in katholischer Garderobe lief zum Thron. Aurec kannte den Mann, es war der Kardinal Lukas VI., der direkte Vertreter des Papstes in Cartwheel. Ein Symbol des Glaubens für alle christlichen Menschen.

Nun trat Stephanie de la Siniestro vor. Eine feierliche, geistliche Musik mit Chor wurde eingespielt.

Sie begrüßte ihren Vater, der in einem glamourösen Anzug aus dem 18. Jahrhundert die Empore bestieg und den Wesen zuwinkte. Aurec verstand nicht, was vor sich ging.

Eine glorreiche, spanische Fanfare wurde gespielt. Die Ehrengäste kamen; die Söhne des Marquês Orlando und Peter, der Corun von Paricza, der Gos’Shekur Uwahn Jenmuhs und die Bestie Torsor. Cauthon Despair und die Tochter des Marquês Brettany. Erst jetzt fiel Aurec die gewaltige Krone auf, die der Kardinal mit sich trug. Was zur Hölle ging hier vor?

Der Spanier bat um Ruhe, die sofort einkehrte. »Liebe Mitbürger Cartwheels. Heute feiern wir einen großen Sieg! Den Sieg der Vernunft. Trotz der Trauer um die Gefallenen, ist heute Tag des Neubeginns. Fortan wird ein neues, vereintes Cartwheel für Stärke, Sicherheit und Ordnung im Universum sorgen. Ein historischer Tag für alle Galaxien ist angebrochen!«

Aurec lief ein kalter Schauer über den Rücken. Was plante der Spanier? War er völlig verrückt geworden?

Der Marquês entblößte sein gelbliches Gebiss. Seine rotweiße Kombination strahlte im Glanz der Lichter.

»Ob Menschen oder Extraterrestrier, jeder wird Teil eines großen Imperiums sein. Uns stehen mehr als 200.000 gewaltige Schlachtschiffe zu Verfügung und eine einzigartige Armee von 200 Millionen Soldaten. Wir sind gerüstet für die Gefahren des Universums. Es ist Zeit, dass Cartwheel seinen eigenen Weg geht. Der Bund der Vier war der Vorbereiter. Doch nun werden sich die Vier zu einem Imperium vereinen. Einem Imperium mit einem Vater der Nation als Regenten.«

Der Marquês setzte sich auf den Thron. Der Kardinal Lukas VI. setzte ihm die Krone auf.

Eine Krönung! Jetzt dämmerte es jedem im Raum.

»Mit der Kraft Gottes kröne ich dich, Don Philippe Alfonso Jaime de la Siniestro zum Kaiser des neuen Imperiums. Erhebt euch vor dem göttlichen Emperador Siniestro I.«

Alles geschah wie in Trance. Zuerst standen wenige auf, dann jeder. Die Anhänger des Marquês spendeten Beifall. Die Aliens schwiegen. Mirus Traban nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Weinglas.

Aurec blickte Rosan ungläubig an, die genauso ratlos wie alle anderen wirkte.

Nun erhob sich der Emperador de la Siniestro I. und sprach zu seinem Volk: »Als Emperador schwöre ich, mein Imperium mit aller Macht zu verteidigen und dem Volk ein erschwingliches Leben zu ermöglichen. Volk, hiermit rufe ich das Imperium der Vier aus. Lange lebe das Quarterium!«

Ein Raunen ging durch die Menge, als über dem Marquês die Flagge des neuen Imperiums ausgerollt wurde. Der Hintergrund war rot. In der Mitte befand sich ein schwarzer Balken. Ein blaues Q auf Interkosmo zog sich von oben bis unten herab. Zwischen dem V und dem Querstrich spiegelte sich die Galaxis Cartwheel.

Eine Fanfare wurde gespielt und ein berühmter Tenor sang die Hymne des Quarterium.

Die Anhänger sangen mit. Der Marquês hatte anscheinend dafür gesorgt, dass genügend von ihnen anwesend waren. Alles kam Aurec wie in einem schlechten Traum vor.

Nach der Hymne setzte sich der Marquês auf seinen Thron und rief die Fürsten des Quarterium aus. Uwahn Jenmuhs, Leticron und Torsor. Sie waren gleichzeitig Innenminister und teilten die Galaxis in drei Territorien auf.

»Das Parlament ist ab sofort aufgelöst. Ich erachte eine Monarchie als das Beste für diese Galaxis. Es wird jedem Volk freigestellt, sich unter den Schutz des Quarteriums zu stellen. Jedoch erinnere ich daran, dass der Schutz der Armee nur den Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt wird.«

Das war mehr als eine deutliche Warnung. Emperador Siniestro I. erklärte weiterhin, dass die Regierung von Paxus auch künftig die Geschicke der Galaxis leitete. Gaukommissare würden für die jeweiligen Sonnensysteme zuständig sein. De la Siniestro versprach somit eine Verringerung der Bürokratie.

»Des Weiteren wird nur noch die CIP die Sicherheitspolizei der Galaxis sein. Wir bitten die USO, ihre Zelte hier abzubrechen oder sich als Sonderabteilung dem Minister für Sicherheit, Señor Werner Niesewitz, zu unterzustellen.«

Rosan sprang wütend auf. »Das ist ja wohl eine Frechheit!«

Jan hielt ihre Hand, damit sie sich beruhigte. Er war genauso wenig begeistert wie sie. Doch jetzt mussten sie besonnen reagieren. Dennoch, die ganze Krönung glich einem Faustschlag gegen jedes anders denkende Wesen. Man wurde vor vollendete Tatsachen gestellt und die versteckte Drohung mit der Flotte dürfte keinem intelligenten Wesen entgangen sein.

Nun war es also soweit. DORGONs Projekt war am Ende! Das Quarterium ausgerufen und der Marquês erster Emperador dieses galaktischen Imperiums.

Aurec atmete tief durch. Mirus Traban hatte recht behalten, von nun an würde alles nur noch schlimmer werden.

 

Zufrieden wanderte Cauthon Despair auf den Balkon eines Nebenzimmers, um ungestört diesen Triumph zu genießen. Das Quarterium war ausgerufen. Ein Imperium der Stärke und Ordnung, so wie es sich Despair schon immer gewünscht hatte. Terraner und Arkoniden vereint.

Das Quarterium war die letzte Chance für die Menschheit. MODROR würde seine Verbündeten nicht fallen lassen. Doch um die Milchstraße stand es schlecht. Eine zweite Invasion würde Rhodan nicht abwehren können.

Nur eines könnte die Milchstraße retten – eine Unterjochung durch das Quarterium. Vielleicht war dies MODRORs Plan. Wenn man einen Gegner nicht bezwingen konnte, verbündete sich man mit ihm. Der Emperador konnte über die gesamte Menschheit regieren, dessen war sich Despair sicher. Er war die Galionsfigur, die ein Volk brauchte.

Wenn MODROR das Universum neu ordnen würde, würde die Menschheit weit oben in seiner Gunst stehen.

Despair blickte auf die gewaltigen Gartenanlagen. Diesen Feudalismus vermisste Despair auf Terra. Die Menschen waren bieder und dekadent geworden. Nichts war von den glorreichen Tagen des Solaren Imperiums zu spüren gewesen. Er hatte diesen Wesen keine große Zukunft mehr gegeben. Deshalb hatte er damals auf Wirsal Cell gehört. Cell war ein Mann mit Idealen gewesen, der die Menschheit verändern wollte. Doch er und die MORDRED hatten sich als unfähig erwiesen. Weder Wirsal Cell noch Oberst Kerkum, der sicher hervorragend ins Quarterium gepasst hätte, hatten die Weisheit und das Charisma des Emperador de la Siniestro.

*

»Hallo Cauthon.«

Despair zog sein Caritschwert und wirbelte herum.

Sanna Breen!

Erneut war dieses Konzept DORGONs aufgetaucht, um ihn zu bekehren. Angeblich geschah es aus Liebe.

»Du hast dich lange nicht mehr sehen lassen«, stellte Despair kalt fest.

»Was sind diese paar Jahre für Unsterbliche?«, erwiderte sie.

Despair senkte das Schwert und ging ein paar Schritte auf sie zu. Ihre Schönheit verschlug ihm den Atem. Sanna war die zweite Frau in seinem Leben gewesen.

Doch sie starb vor zwölf Jahren durch sein Schwert bei einem Duell gegen ihren dorgonischen Helden.

Seitdem tauchte sie als Konzept DORGONs immer wieder auf, um Despair ins Gewissen zu reden.

»Meine Loyalität gehört MODROR.«

Sanna schloss traurig die Augen. Sie seufzte. Dann ging sie zu Despair und streichelte sein Visier. Vorsichtig und zögerlich öffnete sie den Helm. Er ließ es mit sich geschehen. Ihre weichen Lippen berührten die seinen. Cauthon schloss die Augen und genoss es, sie zu spüren.

Sie umgarnt dich. Töte sie. Sofort! Vertraue mir, mein Sohn! Ich bin dein Vater des Chaos. Nur mir kannst du vertrauen.

Despair stieß sie weg. Sanna sah ihn verwirrt an. Dann zog er das Schwert und schlug ihren Kopf ab.

Sein ganzer Körper bebte vor Genugtuung. Nein, er bereute es nicht, sie ein zweites Mal getötet zu haben.

Ihre sterblichen Überreste lösten sich auf. Ihre Stimme wisperte in seinem Kopf.

Du kannst dich nicht vor mir verschließen …

Despair schüttelte ihren Gedanken ab. Er war stolz, diese Prüfung bestanden zu haben. DORGON würde sich nicht seiner mächtig machen. Es war dafür zu spät.

*

Die Tür öffnete sich und Werner Niesewitz trat mit einigen Leuten hinein.

»Ah, Despair. Gut, dass Sie hier sind«, erklärte er vergnügt. Er deutete auf die Leute neben ihm. »Das sind Spezial-Agent Krizan Bulrich und seine Verlobte Anya Guuze. Die anderen beiden sind Sergeant Henner von Herker und Leutnant Henner Wosslyn, zwei ehemalige USO-Agenten, die sich jedoch ideologisch mit dem Quarterium identifizieren.«

Despair sagte ihnen lieber nicht, was er von ihnen hielt. Das waren doch nur Opportunisten. Keiner dieser Typen war Despair in guter Erinnerung. Anya Guuze war zumindest wunderschön. Ihre tiefblauen Augen fesselten ihn.

»Ihre Loyalität gehört einzig und allein dem Quarterium. Bedenken Sie dies«, erklärte Despair mit düsterer Stimme.

Von Herker und Wosslyn salutierten. In ihren Augen stand Fanatismus. Das gefiel Despair.

»Klar doch, Mister Despair«, schmeichelte sich Krizan Bulrich ein. »Wir werden bestimmt gute Freunde und können gut zusammen arbeiten. Wollen Sie einen Drink?«

»Meine Freunde suche ich mir selbst aus, Bulrich! Für Sie bin ich Quarteriums-Marschall. Ich erwarte mehr Respekt!«

Bulrichs Lächeln gefror. »Ja, natürlich Mister Quarteriums-Marschall Despair.«

Despair blickte Anya Guuze an. Dieses kleine Geschöpf wirkte so unscheinbar und zerbrechlich. Ihre Schönheit war mehr als ein Mann vertragen konnte. »Und welche Position wollen Sie einnehmen, Miss Guuze?«

Anya lächelte. Ihre Augen funkelten. Sie ergriff die Hand ihres Verlobten. »Die unterstützende Ehefrau eines wichtigen Geheimagenten. Wenn man jedoch für mich besondere Verwendung hat, bin ich sehr flexibel.«

Despair schritt an sie heran. »Wir werden sehen. Doch denken Sie nicht, dass das Leben im Dienst des Quarterium ein Zuckerschlecken sein wird. Sie müssen zu allem bereit sein. Sie werden mit Tod konfrontiert werden und selbst töten. Nur wenn Sie dazu bereit sind, werden Sie ein würdiger Diener des Quarteriums sein.«

Bulrich und Guuze blickten Niesewitz fragend an. In ihren Augen stand Furcht. Das wollte Despair erreichen. Diese Emporkömmlinge sollten sich nicht einbilden, etwas Besonderes zu sein.

Sie wussten es nicht, doch schon in wenigen Jahren würde die Fahne des Quarteriums mit Blut getränkt werden. Der letzte Krieg, der jüngste Tag würde anbrechen, und der Emperador würde die Völker besiegen, um sie vor MODRORs Vernichtungsfeldzug zu retten. Das würde Opfer erfordern. Erst nach dieser letzten Schlacht würde Frieden und Ordnung in die Galaxis kommen. Erst wenn der letzte Kosmokrat und das letzte Thoregon aufgehört hatten zu existieren. Erst dann kam der ewige Frieden unter der Führung von MODROR.

*

Rosan Orbanashol-Nordment verließ bedrückt den Zeremoniensaal. Nach Feiern war ihr nun wirklich nicht zumute gewesen. Die Inthronisierung von Siniestro hatte wohl jedem freiheitsliebenden Wesen gründlich die Stimmung verdorben.

Noch ein anderer Grund ließ sie schnell das Madrider Königsschloss auf Siniestro verlassen. Hier war Wyll gestorben. Sie konnte die schlimme Erinnerung nicht abschütteln. Sein Tod war so unnötig gewesen. Bis heute wusste sie nicht, warum er sterben musste. Fünf Jahre nach seinem Tod fühlte sie sich immer noch leer und ausgebrannt. Nach all den Abenteuern auf der LONDON, die ihr Leben so sehr verändert hatten und ihre Liebe nicht zu trennen vermochte, ließ Wyll Nordment in den unteren Katakomben sein Leben.

Brutal hatte man ihn in ein spitzes Folterinstrument gerammt. Dort war er verblutet. Rosan musste sich die Tränen zurück halten und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Als sei nicht alles schon schlimm genug, stand plötzlich Michael Shorne vor ihr.

Für einen Moment starrten sich beide an, Rosan blickte dann verlegen zur Seite.

Shorne legte sein arrogantes Grinsen auf. Er hatte sich nicht verändert, trug immer noch die teuersten Anzüge und seine steif nach hinten gekämmte Gelfrisur untermauerte seine aalglatte Erscheinung.

»Rosan, welche Freude«, begann er. »Wir haben uns seit dem Missgeschick mit der LONDON II kaum gesehen. Vielleicht ist es sogar das erste Mal.«

Rosan zwang sich zu lächeln. »Gut möglich, du hast ja vorher die ganze Zeit im Knast gesessen. Wie kommt die plötzliche Amnestie für so einen Verbrecherkönig?«

Sie machte keine Anstalten, ihre Abneigung gegenüber dem Multimilliardär zu unterdrücken.

Shorne überspielte die spitzfindigen Bemerkungen mit seinem souveränen Lächeln. »Beziehungen, meine Teure. Der Emperador persönlich ist der Meinung, dass ich die Wirtschaft kräftig ankurbeln kann. Deshalb bin ich ab sofort neuer Finanzminister. Außerdem wurden Beweise entdeckt, die mich entlasten. Die ganze Sache mit Rijon ist längst vergessen. Neue Wege, neue Imperien, neue Chancen …«

Rosan wurde übel bei dem Gedanken, dass dieser Typ nun auch noch die Geschicke des Quarterium mitbestimmen durfte. Anscheinend hatte Shorne noch irgendetwas in der Hinterhand, was ihm die Freiheit garantiert hatte. Sie verstand de la Siniestro nicht. Rosan hätte diesen Kerl für den Rest seines Lebens in seiner Zelle verrotten lassen.

Sie verabschiedete sich hastig von Shorne und lief zu ihrem Gleiter. Aurec und die anderen hatte sie aus den Augen verloren. Das war vielleicht auch besser so. Auch wenn sie Aurecs Nähe genoss, so war heute nicht der rechte Tag für seine Gesellschaft. Die Erinnerungen an Wyll kamen wieder hoch, die Ungewissheit, wer ihn ermordet hatte. Dann die Ausrufung des Quarteriums. Vor Rosan und all Cartwheelern lag ihrer Meinung nach eine düstere Zukunft.

Das Volk des Quarteriums

 

An diesem Morgen fiel es wohl jedem schwer einfach zur Arbeit zu gehen. Es war kaum möglich sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Zumindest für Ash Berger nicht. Die Gedanken kreisten um die Inthronisierung des Emperador de la Siniestro und der Ausrufung des Quarteriums!

Die Alien-Allianz war so gut wie geschlagen. Ihr Anführer Carjul wurde während der Kämpfe auf Okefenok getötet, wie es offiziellen Presseberichten zufolge hieß.

Von nun an wehte ein anderer Wind für Menschen und Aliens. Die Siegermächte würden ihren Triumph auskosten wollen. Berger betrat die Büroräume. Er blickte auf Sübästyän Lükiky, der eingeschüchtert auf seinem Stuhl kauerte und auf die Wand stierte. Der Apaser wusste auch, dass die Niederlage der Alien-Allianz die Rechte der Extraterrestrier nicht unbedingt verbessern würde.

Mein Gott!, dachte Ash. Wie weit war es schon gekommen, dass ein Intelligenzwesen auf einer terranischen Welt Angst um seine Existenz aufgrund seiner Rasse haben musste. Wie konnte es innerhalb weniger Jahre nur dazu kommen?

Berger verstand das nicht.

William von Romm betrat das Büro. Sein neuer Anzug glänzte. Berger übersah auch nicht die Anstecknadel und die Armbinde mit dem quarterialen Emblem. Die hatte er sich ja schnell besorgt. William von Romm strahlte über beide Wangen. Berger konnte sich vorstellen, dass der gestrige Tag für von Romm ein Feiertag gewesen war.

Nun trafen auch Ace Blacktree und Ylver Nowost ein. Nowost seufzte und stöhnte wie üblich. Als er William sah, musste er loslachen.

»Gehörst du jetzt auch schon zu den verrückten Spinnern? Das ging aber schnell.«

Nowost sprach das aus, was Berger dachte.

William fand das weniger lustig. »Wir sind Bürger des Quarterium. Man kann seine Gesinnung ruhig mit Stolz zeigen. Wir haben schließlich den Unterwesen richtig den Hintern versohlt!«

Er blickte Lükiky an, der verlegen auf den Boden schaute. Dann fing von Romm an laut zu lachen.

»Siehste, dazu sagt er gar nichts mehr. Deine Tellerköpfe kommen jetzt in den Küchenschrank.«

Blacktree lachte herzhaft mit. Lükiky lief hastig auf die Toilette und schloss sich ein. Nowost und Berger blickten ihren Chef vorwurfsvoll an. Doch ein schlechtes Gewissen hatte der bärtige Terraner nicht.

Kurz nach dem Vorfall betrat Vorstandsvorsitzender Dennert das Büro der Abteilung. Auch er trug Binde und Abzeichen. Es war klar, dass die Wirtschaftsbosse sich mit den neuen Mächtigen alliieren würden.

Von Romm begrüßte seinen Chef überfreundlich. »Na, Herr Dennert? Auch gestern gefeiert?«

Dennert lachte und nickte. Dann wurde er wieder ernst. »Leider habe ich schlechte Nachrichten für unser Unternehmen. Der neue Finanzminister Michael Shorne möchte morgen mit mir und vielen anderen Unternehmensleitern sprechen. Es geht wohl um die Rekrutierung fähigen Personals für die quarteriale Armee. Was natürlich einerseits eine Ehre ist, ist für die Terranische Bank aber auch ein Verlust an fähigen Mitarbeitern.«

Von Romm nickte stumm und blickte Berger und Blacktree an. Dann grinste er. »Ihr kommt bestimmt in die Armee. Leute wie euch braucht man dort. Werde euch aber vermissen!«

Ash Berger verstand das nicht so recht. Er wandte sich an Dennert. »Herr Dennert, seit wann kann man einen Menschen zwingen, in die Armee zu gehen? Das ist bei den Terranern seit dreitausend Jahren nicht mehr üblich.«

Der Vorstandsvorsitzende bedachte Berger mit einem strafenden Blick. »Herr Berger, die dekadenten Zeiten sind vorbei. Anscheinend haben Sie nicht begriffen, dass das Quarterium ein von ES und DORGON auserwähltes Imperium sein wird. Es müssen alle notwendigen Mittel ergriffen werden, um die Entitäten und Gott nicht zu enttäuschen. Dazu gehört auch, dass wir eine schlagkräftige Armee haben. Die Wehrpflicht wird natürlich eingeführt werden. Abgesehen davon haben Sie auch die moralische Pflicht, Berger!«

Ash schwieg. Jeder zynische Kommentar hätte ihn wohl noch mehr herein gerissen. Das waren ja herrliche Aussichten. Vielleicht hätte er doch auf Terra bleiben sollen.

Dennert war jedoch noch nicht fertig: »In vier Tagen wird die Terranische Bank eine Mitarbeiterversammlung abhalten. Dort werde ich dann diejenigen informieren. Ebenfalls werde ich mich zur Alien-Frage in unserem Hause äußern.«

Dennert verabschiedete sich und verließ das Büro. Mit vor Stolz geschwellter Brust blickte William von Romm ihm hinterher.

Ash schaute zu Lükiky, der gerade von der Toilette kam. Die Gestik des Blue verriet, dass er das Gespräch mitbekommen hatte. Sowohl Ash als auch er selbst freuten sich nicht auf diese Versammlung! Lükiky hatte sogar Angst.

*

Die Versammlung der Mitarbeiter der Terranischen Bank wurde in großem Prunk zelebriert. Ash wunderte sich nicht mehr darüber, wie schnell doch quarteriale Banner über dem Hauptgebäude der Terranischen Bank wehten. Als Ehrengäste waren Finanzminister Michael Shorne, der Minister für Extraterrestrische Bürger Reinhard Katschmarek, der quarteriale Generalmarschall Toran Ebur und General-Leutnant Alcanar Benington anwesend. Diese hatten sicherlich die Aufgabe für die Armee zu werben und die Rekruten namentlich zu nennen.

Ash erkannte jede Menge Mitarbeiter der Terranischen Bank, die bereits Uniformen trugen. Sie sympathisierten bereits vorher mit dem Bund der Vier und schienen ihre besten Aufstiegschancen nun beim Staat zu sehen. Berger gesellte sich zu Ace Blacktree, William von Romm und Ylver Nowost. Von dem Blue Lükiky war weit und breit nichts zu sehen.

Berger fiel die hochgewachsene Brünette neben von Romm sofort auf. Sie war vielleicht gerade mal zwanzig Jahre alt. An ihrem Namensschild las er Zara Pallagyo ab. Sie war Auszubildende in diesem Hause.

William von Romm stellte Zara Ash vor. »Ich kenne sie schon von klein auf. Sie und ihre Eltern sind Mitglieder in meinem Panzerhistorieverein«, erklärte der bärtige Chef.

Zara wirkte nicht unbedingt freundlich. Ihr Lächeln erschien ihm gequält. Dennoch hatte sie eine interessante Ausstrahlung, trotz ihrer unnahbaren Art.

»Wir hatten das ein oder andere mal via Interkom miteinander zu tun«, antwortete Berger.

Eine pompöse Fanfare leitete den offiziellen Teil der Mitarbeiterversammlung ein. Vorstandsvorsitzender Dennert begrüßte die Mitarbeiter und stellte die Ehrengäste vor. Keiner von den Vieren war Ash sonderlich sympathisch. Ebur war ein arroganter Arkonide und Shorne ein zwielichtiger Geschäftsmann. Von Katschmarek wusste man nicht viel, nur dass er aus einer Zeit kam, in der Demokratie ein Fremdwort war. Benington wirkte herrisch und überheblich.

Nach dem obligatorischen Blabla wurde der Hohenfriedberger Marsch gespielt. Toran Ebur und Alcanar Benington betraten das Rednerpodium.

»Ich begrüße Sie und fühle mich geehrt in dieser historischen Zeit mit Ihnen sprechen zu dürfen«, begann Ebur. Er erntete den frenetischen Applaus der Anwesenden.

»Die Gründung des Quarterium ist Symbol für die Einigkeit der menschlichen Völker in dieser Galaxis. Wir gehen mit gutem Beispiel voran und zeigen unseren Brüdern in der Milchstraße, wie es geht. Wir besinnen uns auf unsere Ahnen – die Lemurer.«

Ebur machte eine Kunstpause, ließ das Gesagte auf die Gäste wirken und registrierte zufrieden, dass er die richtigen Worte gewählt hatte.

»Wir sind von ES und DORGON auserkoren, eine vorbildliche Galaxis zu werden. In Zukunft werden wir brüderlich den Gefahren MODRORs und anderer dunkler Mächte trotzen! Doch dazu benötigt es einer Armee.«

Ash Berger konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Jetzt kam Ebur also auf den Punkt. Er versuchte vorher eine Rechtfertigung für die Einführung der Wehrpflicht zu finden.

»Die Bedrohungen sind allgegenwärtig. Wir müssen sie abwehren. Das erfordert zwar auch unschöne Maßnahmen wie die Einführung einer Wehrpflicht, doch wir sehen keine Alternative. Doch den Soldaten des Quarterium geht es gut! Sie werden gut entlohnt und dienen der Ehre! Es gibt meines Erachtens keinen besseren Beruf als den des Soldaten. Ich habe ihn stets mit Ehre und Stolz ausgeführt! Deshalb kann ich den Rekruten versichern, dass sie keine Angst haben müssen. Insgesamt 1320 Angestellte der Terranischen Bank werden Cartwheel weit eingezogen. Herr Dennert mag jetzt sicherlich seufzen …«

Ebur schaute ihn lächelnd an. Das Publikum musste vereinzelt auch lachen. Berger wäre am liebsten gegangen. Er blickte zu Romm und Blacktree, die gebannt Ebur zuhörten.

Ebur gab nun an Alcanar Benington ab, der die Namen der Rekrutierten aus der Hauptstelle der Bank auf einer Projektion zeigte. Berger und Blacktree gehörten auch dazu. Unter großem Beifall der Anwesenden traten sie nach vorne. Es wurde immer wieder betont, dass es eine Ehre für sie war, dem Quarterium als Elitesoldaten dienen zu dürfen.

Eine Hochachtung, auf die Ash Berger gerne verzichtet hätte. Er war kein Soldat. Doch er hatte keine andere Wahl, wollte er in Cartwheel bleiben. Berger dachte an seine Familie, die hier lebte. Die wären bestimmt nicht froh, wenn er kniff. Die Nachbarn würden sich das Maul über die Bergers zerreißen und leider gehörten seine Eltern zu Leuten, die sich das sehr zu Herzen nahmen. Also musste er wohl oder übel sehen, was die ach so tolle Armee des Quarterium für ihn zu bieten hatte.

Nach dem Aufruf wurde der Marsch des York’schen Korps gespielt. Anschließend erklang die Nationalhymne des Quarterium. Jeder war aufgefordert mitzusingen. Die meisten, wie Berger auch, kannten aber noch nicht einmal den Text.

Nach der Zeremonie erklärte Michael Shorne, dass die Unternehmen, so auch die Terranische Bank, natürlich entschädigt würden. Cartwheel würde es jedoch attraktiver machen, da die offenen Stellen Pilger aus der Milchstraße anlocken würden. Shorne redete alles schön und nahm auch Dennert und seinen Konsorten die Angst. Doch wen kümmerte das Schicksal der Rekruten? Was wenn es zum Krieg gegen irgendjemand kommen würde? Sie starben dann und wer entschädigte sie dafür, dass man sie zwang ihren Kopf für das Quarterium hinzuhalten? Niemand! Aber es war ja eine Ehre …

»Na, Ash, freust du dich?«, fragte Ace strahlend.

»Bin begeistert«, murmelte Berger.

Zum Schluss sprach der Minister für die Extraterrestrier Reinhard Katschmarek. Eine seltsame Person, wie Berger fand. Er wirkte sehr einfach und gewöhnlich. Dennoch traute er ihm nicht. Katschmarek war ein überzeugter Idealist. Das sah man auf den ersten Blick. Seine Aufgabe im Quarterium war ähnlich undurchschaubar, wie er selbst. Er war für die Extraterrestrier im Quarterium verantwortlich. Er sorgte für ihre Rechte und ihre Neuintegrierung in dem neuen Imperium.

»Nach dem Krieg gegen die Alien-Allianz hat es viel Misstrauen gegenüber Aliens gegeben«, begann Katschmarek. »Doch der Emperador strebt ein Cartwheel an, in denen es allen Wesen gut geht. Dennoch haben wir aus den Fehlern von einst gelernt und müssen zwar mit offenen Armen die Aliens begrüßen, doch auch Vorsicht ist geboten. Wir wissen nicht, wer ein Terrorist ist und wer nicht. Dieses gesunde Misstrauen müssen wir solange bewahren, bis sich unsere lieben Alien-Freunde wieder bewährt haben.«

Berger wurde schlecht bei diesem Gefasel. Er versuchte, in der Menge irgendwo seinen Freund Lükiky zu entdecken. Endlich gelang es ihm auch. Der Blue folgte der Rede mit versteinerter Miene.

»Doch Sie fragen sich sicherlich, was das mit Ihrem Unternehmen zu tun hat? Nun, Sie haben zwar über 1.300 Mitarbeiter verloren, dennoch bitte ich Sie vorsichtig bei der Auswahl der Alien-Mitarbeiter zu sein. In jedem kann ein Terrorist schlummern! Deshalb wird die Meldepflicht der Alien-Mitarbeiter verschärft. Sie müssen in besonderen Vierteln von nun an leben und ich bitte Sie, die Terranische Bank, ein Auge auf diese Mitarbeiter zu haben. Eine Stelle ist jederzeit an einen Menschen zu vergeben, wenn sie von einem Alien besetzt wird.«

Ein Raunen ging durch die Menge.

War das wirklich sein Ernst?, dachte Berger. Man behandelt die Aliens wie Wesen zweiter oder gar dritter Klasse. Das ist doch nicht der terranische Geist. Das konnte niemals der Wille von ES oder DORGON sein!

»Wir wollen, dass die Aliens sich ohne uns bewähren und die Wirtschaft in ihren Heimatplaneten wieder auf Vordermann bringen. Die Arbeit macht ihre Gedanken von Unsinn frei! Danach sind sie sicher offener für die Ideologie des Quarterium und werden brauchbare Mitarbeiter und erneut Freunde werden. Dieser Prozess wird eine Weile dauern. Bitte achten Sie auch darauf, dass niemand diesen Prozess stört. Melden Sie jeden Terroristen oder Gesellschaftsfeind an mein Ministerium oder den Geheimdienst. Wir sind immer für Sie da! Danke!«

Tosender Applaus! Berger glaubte nicht, was er da hörte und sah. War er der einzige, dem diese neue Ideologie nicht passte oder trauten sich die anderen nicht? Gab es jemals so etwas schon in der Geschichte der Menschheit? Man konnte doch nicht all die in den vielen Jahrtausenden erworbenen moralischen Werte einfach so über den Haufen werfen für dieses faschistoide System?

Ash Berger erinnerte sich aus dem Geschichtsunterricht an die Zeiten der Kosmischen Hanse, der GAVÖK und dem Galaktikum. Zu dieser Zeit herrschte Frieden und Eintracht zwischen allen Völkern. Bis zur dunklen Zeit des Monos. Danach brach der Zusammenhalt auseinander. Raglund und das Kristallimperium wurden gegründet. In der Milchstraße war das Misstrauen groß. Jedoch nicht in der LFT. Anscheinend hatte der arkonidische Geist auch auf den Terrablock Einfluss genommen.

Dennert war der letzte, der redete. Er bedankte sich bei den Ehrengästen und wünschte den Anwesenden noch schöne Stunden.

Berger und Blacktree gesellten sich wieder zu den anderen. Berger suchte Lükiky, der ausgerechnet bei dieser Zara stand. Das wunderte Ash doch etwas. Er ging zu dem Pulk der Auszubildenden.

»Es wundert mich, dass arische Quarteriale sich mit Jülziisch abgeben«, meinte Ash sarkastisch.

Zara verstand erst nicht, dann bemerkte sie den Zynismus. »Sübby und ich kennen uns von Lehrgängen und als er im Service eingesetzt wurde. Ich verstehe diesen ganzen Rassismus sowieso nicht. Ist ein genauso großes Geheimnis für mich wie die Funktion eines Trivid-Players.«

Berger schaute sie verblüfft an. Er versuchte noch den Sinn ihrer Worte zu erfassen. Es blieb ihm jedoch verborgen.

»Wenigstens eine Vernünftige«, gestand Ash dann diplomatisch und holte sich und Lükiky ein Bier. »Auf was wollen wir trinken? Darauf, dass du Wesen zweiter Klasse bist und ich ehrenvoll ins Gras beißen darf?«

Lükiky musste kurz lachen. »Auf dass wir Freunde bleiben …«

Ash Berger wurde schlagartig ernst. Der Blue hatte verdammt recht. Vielleicht stand jeder von ihnen schon auf der Feindesseite. Doch dieser Irrsinn durfte ihre Freundschaft nicht vernichten. Egal, was passieren würde.

Darauf stießen sie an!

*

Zu lauter Marschmusik wurde der neue Pulk von Rekruten nach Redhorse Point gebracht. Es waren Tausende!

Ash Berger war einer von ihnen. Aus einer Kehle sangen die Soldaten Militärlieder. Hier wurde ihnen sehr schnell der Stumpfsinn des Militärs eingetrichtert.

Sie marschierten mit geschwellter Brust und waren stolz in der neuen Armee zu sein. Ja, das Quarterium würde sie zu Ruhm und Ehre bringen! Sie waren die neue Menschheit.

Eine feine Menschheit, wie Berger fand. Er blickte auf eine Kompanie, die im Stechschritt an ihnen vorbei marschierte. Vor seinem geistigen Auge wanderten Skelette nebenher. Er bildete sich ein, ihre Zukunft zu sehen. Und auch seine Zukunft. Endlose Gefechte, Kämpfe und Schlachten. Tote Kameraden und Gegner. Überall der Geruch des Todes.

Doch alles war ja eine Ehre …

 

Epilog

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon

 

Jener Februar im Jahre 1303 NGZ war der Geburtsmonat des Quarteriums. Emperador Don Philippe de la Siniestro I. nahm sofort die Regierungsgeschäfte auf. Sein Kabinett wurde teilweise umstrukturiert, so dass noch engere Vertraute die Macht übernahmen.

Er legte jedem Volk nahe, sich einzureihen. Doch nicht jedes tat es so. Die Blues, die estartischen Völker und die Thoregon-Allianz, sowie die Linguiden wollten ihre Autarkie behalten. Freiwillig wurde den Republiken Saggittor und Akon ihre Autonomie gewährt. Die Haluter, Cappins und Maahks zogen sich aus Cartwheel zurück.

Von den Millionen Dumfries wurden die meisten nach M 87 geschickt. Man behielt jedoch drei Millionen Kriegsgefangene, die zusammen mit allen Okefenokees in Carjulstadt interniert wurden.

Somit war der Großteil Cartwheels unter der Kontrolle des Quarteriums. Handelsbeziehungen zu den estartischen Völkern, den Blues und den Linguiden wurden abgebrochen. Mit den Thoregon-Völkern handelte man einen Status Quo aus. Nur Akon und Saggittor wurden als separate Staaten akzeptiert.

Im Mai 1303 NGZ begann die Besetzung der Planeten durch die Grautruppen. Quarteriumsfreundliche Regierungen wurden eingesetzt, Störenfriede nach Carjulstadt oder ins Internierungslager Objursha gebracht. Als drittes Internierungslager wurde die Gefängniswelt Davau umfunktioniert.

Dort wurden still und heimlich Feinde des Quarteriums abgeschoben – angeblich zwecks Resozialisierung.

Bis zum Jahre 1305 NGZ festigte sich das neue Imperium. Die militärische Präsenz und die starken Regierungsrepräsentanten sorgten sogar für eine gute Außenpolitik. Es blieb den Heimatgalaxien der Völker in Cartwheel auch nichts anderes übrig.

Kaiser Commanus von Dorgon erneuerte das Bündnis zwischen Cartwheel und Dorgon.

Fortan erklangen die Trommeln und Trompeten der längst verschwundenen Märsche der alten Imperien. Laut defilierend zeigten die Lemurerabkömmlinge, dass sie die Herren in Cartwheel waren. Jeder hatte sich ihnen unterzuordnen.

Ihre Flotte verdoppelte sich bis 1305 NGZ und machte sie zu einer schier unangreifbaren Armee. Die Supremoraumer waren der Höhepunkt terranisch-arkonidischer Technologie. Sie vereinten alle Technologien in einem Schlachtschifftyp.

Für einen alten Schriftsteller wie mich war es entsetzlich, diese Veränderungen in nur wenigen Jahren mitzuerleben. Dieser Wahnsinn wiederholte sich für die Terraner nicht zum ersten Mal. Schon Attila, Adolf Hitler, Iratio Hondro und Imperator Dabrifa formten starke Reiche unter dem Banner der Diktatur und der Waffengewalt.

Jeder von ihnen fiel schließlich, doch sie hinterließen verbrannte Erde und unzählige Tote.

Doch das Quarterium nahm gerade diese Formen an. Ein modernes römisches Imperium. Ein technologisches Drittes Reich. Doch war es so verwunderlich? Der Emperador stammte aus der Zeit des Imperialismus. Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek aus der Zeit des Dritten Reiches. Leticron war schon immer ein totalitärer Herrscher gewesen und Uwahn Jenmuhs vergötterte die Monarchie und die Armee.

Die größte Verbrecherbande des Universums hatte sich gefunden und eine Regierung des Schreckens gebildet.

Noch war es den wenigsten klar. Viele waren euphorisch und erfreuten sich an der neuen Macht. Ohne Neid war anzuerkennen, dass die Wirtschaft des Quarteriums florierte. Doch auf Kosten der Andersartigen, wie die Blues oder auch mein Volk der Linguiden. Jenen, die sich weigerten unter dem Banner des Quarteriums zu marschieren.

Wesensrechtler hatten es hier schwer. Zweifellos gab es noch viele von ihnen. Es gab auch Auswanderer und nicht wenige Terraner, die nach Terra zurückkehrten. Doch für sie kamen andere, denn man lockte sie mit der Stärke des Quarteriums.

In der LFT musste man Angst vor Bostich und dem Kristallimperium haben. Niemand wusste, wann MODROR wieder zuschlagen würde. Das Quarterium bot Arbeit, Sicherheit und Ordnung. Mehr wollte der gemeine Mann nicht.

Die Idealisten suchten sich ihre Parteien aus, gleich ob es die LFT oder das Quarterium waren.

Der bekannteste Abgang des Quarteriums war sicherlich Will Dean. Er verschwand aus Cartwheel. Niemand wusste genau wohin. Zum TLD? Zur USO?

Endlose Paraden zu zackiger Marschmusik waren statt fröhlichen Festen an der Tagesordnung. Stephanie de la Siniestro betrieb ihre Propaganda erfolgreich.

Ein neues »Wir-Gefühl« entstand bei den Lemurerabkömmlingen, wie ich es nur bei der Nation Alashan beobachtet hatte. Wer dagegen war, verschwand in Richtung Milchstraße. Wer bleiben wollte, ging nach Carjulstadt, Davau oder Objursha. Diese drei Namen standen für Schrecken.

Offiziell wurden die Lager jedoch als Resozialisierungseinrichtungen bezeichnet. Kontrollbesucher von Amnesty Galaxy konnten auch nicht das Gegenteil beweisen.

Niemand tat auch etwas gegen die so offensichtliche Bedrohung des Quarteriums. Zwar wurden die drei Handelsstationen SOLARIS STATION, SUN STATION und SOL STATION militärisch durch die LFT und die Posbis verstärkt, doch niemand wollte das mächtige Quarterium provozieren. Und Imperator Bostich war sogar ein glühender Verehrer des Emperador. Er würdigte die Energie und die Zielstrebigkeit des alten Mannes.

Was bleibt mir noch zu sagen? Mein Freund Speaky Mohlburry litt sehr unter den Diktat der Regierung. INSELNET geriet ihm mehr und mehr außer Kontrolle und der Sender drohte von einem seriösen Nachrichten- und Unterhaltungsmedium zu einem Propagandawerkzeug zu werden.

Der Autor dieser Zeilen saß am 24. Januar 1305 NGZ auf seiner sonnigen Veranda seines Landsitzes in New Turin. Meine Nichte war bei ihrem Mann Jonathan Andrews. Dessen Ansehen war alles andere als gut. Die USO galt inzwischen als illegales Spionagenetzwerk.

Mit diesen Worten beende ich die Chronik des Schreckens vorerst. Ich weiß nicht, wie lange ich sie noch schreiben kann, denn Cartwheel steht unter dem Banner eines skrupellosen Regimes.

Die Demokratie hatte verloren. Die Tyrannei gewonnen.

 

 

ENDE

Viel hat sich in den letzten sechs Jahren ereignet. Das Quarterium beherrscht nun Cartwheel. Der Spanier Don Philipe de la Siniestro ist der erste Emperador des neuen Reiches. Die Dorgonen hingegen streben nach mehr Macht. In Band 66 von Ralf König beginnt die INVASION in SIOM SOM.

 

 

 

 

Kommentar

Ein neuer Zyklus: Das Quarterium

Dieser Roman bildet den Auftakt für den fünften DORGON-Zyklus: Das Quarterium. Schon in den ersten Romanen gab es kleine Hinweise auf dieses Imperium. Schon die MORDRED hegte den Willen nach einer geeinten Menschheit ihrer Vorstellungen nach. Es dürfte jedoch jedem klar sein, dass das Quarterium nicht der Nachfolger des Solaren Imperiums oder des Vereinten Imperiums ist. Auch wenn der Militarismus noch zu verzeihen wäre, so ist der Hass gegenüber Nichtmenschlichen nicht zu tolerieren. Die Menschen haben sich zwar in Cartwheel vereint, doch zu welchem Preis? Terraner, Arkoniden, Pariczaner, Mehandor, Ara, Ertruser, Oxtorner, Epsaler und Zaliter halten sich für besser als Extrateresstrier wie Jülziisch, Kartanin oder Topsider.

Einzig Ausnahme scheinen hier die Pelewons und Mooghs zu spielen, die offenbar als elde Spezies betrachtet werden.

Der Weg, den das Quarterium geht ist nicht verwunderlich, denn die Architekten des neuen Sternenreiches sind die Söhne des Chaos und die dienen MODROR.

Es ist eher traurig, dass die Massen sich der Ideologie anschließen. In den folgenden Romanen werden wir das ausführlich analysieren.

Es stellt sich die Frage: Wie lange wird es Frieden geben? Es ist sicher das erklärte Ziel des Quarteriums, ganz Cartwheel zu unterwerfen. Was soll aus den Nichtmenschlichen Völkern werden? Was aus den Saggittonen und Akonen, die sich weigern, dem Quarterium anzuschließen?

Doch egal, was die Führer des Quarteriums und ihre eifrigen Mitläufer wollen – letztlich entscheidet nur MODROR!

Nils Hirseland

 

 

 

GLOSSAR

Quarterium

Das Quarterium wird am 5. Februar 1303 NGZ vom Spanier Don Philippe de la Siniestro ausgerufen. Das Imperium stützt sich auf den Bund der Vier (daher Quarterium – Imperium der Vier) bestehend aus dem Terrablock, dem Arkonblock, Paricza und den vereinten Bestienvölkern der Pelewon und Moogh, sowie aller assoziierten Völker der jeweiligen Blöcke.

Grund für die Entstehung des Quarterium ist der Konflikt zwischen den Nachkommen der Lemurer und den Extraterrestriern in Cartwheel. De la Siniestro begründet die Entstehung des Reiches mit dem Argument, dass nur ein starkes, geeintes Cartwheel überlebensfähig ist.

Nach einem kurzen Krieg gegen die Völker der sog. Alien-Allianz gewinnen die Lemurerabkömmlinge und Bestien die Oberhand und es kommt zur Reichsgründung.

Innerhalb der nächsten zwei Jahre expandiert das Quarterium und unterwirft alle Nationen der sog. Alien-Allianz.

Im Jahre 1305 NGZ beherrscht das Quarterium zwei Drittel Cartwheels. Nur die Republik Saggittor, die akonische Republik und die Thoregon-Allianz behalten ihre Autarkie. Aufgrund der rassistischen Politik des Quarterium beschließen einige Völker, die Insel zu verlassen. Dazu zählen die Haluter, die Maahk, die Cappins, die estartischen Völker und die Dumfries sowie KdZ, die einer Internierung entkommen konnten.

Das Quarterium stellt auch militärisch die größte Macht in Cartwheel dar. Anfang 1305 NGZ beträgt die Größe der quarterialen Raumflotte ca. 345.000 Schlachtschiffe. Davon 150.000 von dem neuen Supremo-Typ.

 

EL CID

Flaggschiff des Quarteriums. Kommandant ist der Quarteriums-Marschall Cauthon Despair.

Beschreibung: Die innere Kugel hat einen Durchmesser von 5.000 Metern. An der Hauptkugel ist ein schmaler, 250 Meter flacher und 1.000 Meter langer Ringwulst angeflanscht. Auf der »hinteren« Seite des Kugelraumers verläuft der flache Ringwulst zu einem lang gezogenen, zylinderförmigen »Schwanz« von 2000 Metern Länge. Unterhalb dieses Zylinderschwanzes befanden sich diverse Hangars.

Insgesamt kommt die EL CID somit auf eine Länge von 8000 Metern und einer Breite von 6.000 Metern.

 

CIP

Die Cartwheel Intelligence Protective, kurz CIP, wird im Jahre 1300 NGZ vom Bund der Vier gegründet. Sie ist fortan für die Sicherheit in Cartwheel zuständig und bildet den Geheimdienst des Bundes. Die CIP wird später in das Quarterium integriert und trägt für die innere Reichssicherheit mit ihren Agenten und der Polizei Verantwortung.

Die CIP ist eine komplexe Organisation mit mehr als dreihunderttausend Mitarbeitern. Dazu zählt allerdings nicht die allgemeine Polizei, die seit 1303 NGZ auch direkt der CIP untersteht und bedingungslos den Befehlen des Geheimdienstes folge leisten muss. Die Struktur der CIP geht sogar in die Politik. Bezirks-Kommandeure »beraten« die jeweiligen Bezirks-Administratoren und Kommissare. Sie ordnen Verhaftungen von Feinden des Quarterium an und verschaffen sich durch die Unterstützung der Politiker völlige Handlungsfreiheit. Sitz der CIP ist auf Paxus.

Die CIP ist der vom Quarterium legitimierte Nachfolger der »galaktischen Polizei« USO. Die USO wird vom Quarterium als terroristisch und illegal bezeichnet. Sie muss fortan ihre Operationen mit der CIP koordinieren und sich unter dem Befehl des quarterialen Geheimdienstes stellen.

Die CIP besitzt 250 Raumschiffe (100-Meter-Kreuzer) für Sonderoperationen und mehr als 5000 Space-Jets, Minor-Globes und Jäger für den Einsatz der Agenten. Bei größeren Einsätzen ist sie legitimiert die regionale Polizei oder gar das Militär in Anspruch zu nehmen.

Es versteht sich was von selbst, dass aufgrund der quarterialen Ideologie kaum Extraterrestrier bei der CIP arbeiten. Wenn, dann sind es opportunistische Wesen, die als Agenten in den extraterrestrischen Widerstand eingeschleust werden.

Leiter der Cartwheel Intelligence Protective ist Werner Niesewitz. Sein Stellvertreter ist der Arkonide Stevan da Reych. Da Reych trägt den Titel eines General-Kommandeurs.

 

Homest, Malica

Geboren am 29.Oktober 1271 NGZ auf Terra. 1,65 Meter groß, 53 Kilogramm schwer, braune Augen, dunkelblonde, schulterlange Haare. Malica Homest ist eine Nachwuchsjournalisten, auf die Janela Mohlburry aufmerksam wird. Als Janela im Jahre 1302 NGZ nach Terra zurückkehrt, um den Posten einer Verlagsleiterin zu übernehmen, schlägt sie Malica ihrem Vater vor, um neue Aufträge zu übernehmen.

Speaky Mohlburry verschafft Malica einen wichtigen Reporterjob bei INSELNET. Jedoch wird sie schnell zum Opfer des harten und skrupellosen Intendanten Guy Pallance. Als sie einige Interviews nicht zu seiner Zufriedenheit fährt, wird sie nur noch für unwichtige Dinge eingesetzt.

Auch Speaky Mohlburry, dessen Einfluss bei INSELNET seit Machtantritt des Quarteriums schwindet, hat sich nicht für sie eingesetzt, da er andere Probleme hatte.

 

Republik Saggittor

Die Republik Saggittor im Jahre 1305 NGZ setzt sich aus 81 kolonisierten Systemen in Cartwheel zusammen. Die Bevölkerung besteht aus den Saggittonen, Holpigon, Varnider, Trötter und Multivon. Zentrum ist die Welt Saggitton. Kanzler ist seit 1302 NGZ wieder Aurec.

Das Militär besteht aus 90.000 Schlachtschiffen. Flaggschiff ist die WORDON. Durch die verheerende Schlacht aus dem Jahre 1298 NGZ im HELL-Sektor ist die Flotte der Saggittonen stark dezimiert.

 

Die USO in Cartwheel

Die USO in Cartwheel im Jahre 1305 NGZ besitzt knapp 5000 einsatzbereite Raumschiffe und hat mehr als eine halbe Million Mitarbeiter und Agenten galaxisweit im Einsatz. Die Schaltzentrale der Geheimorganisation ist der verlassene, ausgehöhlte Mond Quinto. Die USO wird vom Quarterium kaum mehr geduldet und teilweise sogar als Terroristenorganisation angesehen. Die Leitung der USO in Cartwheel teilen sich Jan Scorbit und Rosan Orbanashol-Nordment.

 

Republik Akon

Die Republik Akon im Jahre 1305 NGZ umfasst 17 kolonisierte Systeme in Cartwheel. Im Gegensatz zu dem Ursprungsreich in der Milchstraße regiert Akon auf der Insel eine gewählte Regierung und muss einem Parlament Rechenschaft ablegen. Kanzler der Akonen ist Mirus Traban, ein großer Befürworter von Demokratie und Reformen.

Die Republik Akon versorgt sich weitestgehend selbst oder treibt Handel mit Saggittor und den Völkern aus der Milchstraße. Die autarke Republik steht dem Quarterium nicht unbedingt wohl gesonnen gegenüber.

Das Militär der Republik Akon ist nicht groß. Sie umfasst 25.000 Schlachtschiffe.

Die wichtigsten Welten sind New Sphinx (Sitz der Regierung, Hauptwelt der Republik) und die beiden Wirtschafts- und Industriewelten Foret (im Foretor-System) und Lothor.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2016

Internet: www.proc.org & www.dorgon.net • E-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 66, veröffentlicht am 01.04.2016

Titelillustration: Stefan Lechner und Heiko PoppInnenillustrationen: -

Lektorat: Jürgen FreierDigitale Formate: Christina Hacker