Band 48

Osiris-Zyklus

 

Durch die Wüste

Denise Joorn auf der Spur der altägyptischen Götter

 

Nils Hirseland

 

Was bisher geschah

Das Jahr 1298 NGZ ist ereignisreich für Cartwheel. Die Unabhängigkeit von den Heimatgalaxien wurde erreicht. Gleich darauf wütete ein jülziischer Supermutant auf Paxus, der von Gucky gestoppt wurde. Der Marquês erhielt einen Zellaktivator und verkaufte seine Seele an MODROR. Eine neue Allianz bildet sich – der Bund der Vier. Sie wollen aus Cartwheel ein Imperium in den Diensten der finsteren Entität MODROR machen.

In der Milchstraße hingegen buddelt eine Archäologin namens Denise Joorn seit Jahren vergeblich nach Artefakten. Sie sucht nach einer Verbindung zwischen dem alten pharaonischen Zeitalter, den Dorgonen und der Milchstraße. Doch sieben Jahre nach den spektakulären Funden auf Mashratan und Seshur und trotz einer Studienreise nach M100 Dorgon, steht Denise Joorn mit leeren Händen da. Doch sie gibt nicht auf und kehrt nach Seshur zurück und sucht sich DURCH DIE WÜSTE …

Hauptpersonen

Denise Joorn – Die attraktive Archäologin forscht weiter auf dem Planeten Seshur.

Johannes van Kehm – Joorns ehemaliger Mentor.

Kawai Muhalla – Ein undurchsichtiger Ägyptologe und Politiker.

 

 

 

Eine Warnung

Alles, was du meinem Grab antust, soll auch deinem Besitz angetan werden. Ich bin ein großer Priester und Lehrer, reich an Wissen und geheimen Sprüchen und Magie. Jeden, der mein Grab unrein betritt, nach Verzehr der Abscheulichkeiten, die edle Ach-Seelen verabscheuen, oder die sich selbst nicht reinigen, wie es sich für eine edle Ach ziemt, werde ich wie eine Gans fassen und ihn beim Anblick von Geistern auf Erden mit Furcht erfüllen, so dass er sich vor einer edlen Ach ängstigt… Aber jedem, der mein Grab rein betritt und es friedvoll betrachtet, werde ich im Westen, im Reich des großen Gottes, ein Beschützer sein.

Grabfluch, Altes Reich, Ägypten vor etwa 7.500 Jahren

 

 

Seshur, 20. September 1298 NGZ

Jeder Schritt durch den Sand fiel ihr schwer. Das war jedoch kein Wunder, denn sie war bereits viele Tage unterwegs, bis sie nun die Stadt Araeche erreichte. Es war eine kleine Stadt mit etwa zehntausend Einwohnern, meist Nomaden oder Händler, die sich hier niedergelassen hatten, weil sie auf ein gutes Geschäft hofften.

Die schlichten, weißen und ockerfarbigen Häuser waren eckig mit einem flachen Dach, auf dem Wäsche und Kisten standen.

Mit Erleichterung stellte sie fest, dass der Sand härter geworden war und sogar einem steinigen Weg gewichen war. Bedächtig betrat die Frau die kleine Stadt. Die Hauptstraße war voll mit Ständen und Basaren, aber auch Soldaten und Bettlern.

Der Planet Seshur war ein armer Planet. Abseits des galaktischen Handels war die ehemalige Kolonie Arkons völlig auf sich allein gestellt. Sie beherrschten nicht die Raumfahrt und bekriegten sich untereinander.

Im September des Jahres 1291 NGZ hatte Seshur auf sich aufmerksam gemacht. Drei Besatzungsmitglieder der IVANHOE, das legendäre Trio Mathew Wallace, Lorif und Irwan Dove, hatten auf diesem Planeten ein goldenes Zepter gefunden. Das besondere an diesem Zepter war die Tatsache, dass es das Ankh-Symbol darstellte, einem Symbol aus der Kultur der pharaonischen Ägypter.

Dieser Fund hatte für viel Aufsehen bei den Wissenschaftlern in der ganzen Galaxis gesorgt. Die Ägypter, die ihre Blüte vor knapp 8.000 bis 5.000 Jahren auf Terra gehabt hatten, waren niemals im Stande gewesen, ihren Planeten zu verlassen. Sie hatten keine Technik, geschweige denn die Raumfahrt, besessen.

Wie also war das Ankh-Zepter nach Seshur gekommen? Doch man fand noch mehr heraus: Das Zepter war weitaus älter als 8.000 Jahre. Es war mindestens 10.000, wenn nicht sogar 15.000 Jahre alt. Damit konnte es nicht von terranischen Touristen stammen, die vielleicht das Zepter auf Seshur verloren hatten. Denise Joorn war damals zu Rate gezogen worden. Sie hatte die IVANHOE begleitet und in der Ruinenstadt Hascherut weitere Hinweise entdeckt. Die Hieroglyphen und der Aufbau der Tempel ähnelten stark der Bauweise aus dem pharaonischen Zeitalter. Sie hatte eine Mumie aus der einstürzenden Stadt retten können. Diese lag nun seit Jahren in der Obhut von »renommierten« Ägyptologen, Biologen, Forensikern und Archäologen. Doch für Denise war damit erst einmal die Forschung gelaufen.

Doch Seshur war nicht der einzige Planet gewesen, auf dem Relikte entdeckt worden waren. Auch auf der Wüstenwelt Mashratan hatten die Dorgonen 1290 NGZ offenbar weitere Relikte gefunden, die jedoch lange unter Verschluss gehalten wurden. Das war auch nicht weiter verwunderlich. Der Konflikt mit den Herrschern Dorgons war erst 1293 NGZ beigelegt worden. Ein Jahr später war Denise nach M100 gereist und hatte dort ein ganzes Jahr verbracht. Sie hatte mehr über die alte Religion der Dorgonen gelernt. Es gab definitiv eine Verbindung zwischen dem pharaonischen Glauben und einer alten, teilweise verlorenen dorgonischen Theologie.

So hieß es in der dorgonischen Lehre, dass vor vielen Äonen, noch lange bevor Domulus zum Dorgonis Protector wurde – welches ebenfalls ein Mysterium für sich war – die Götter der Insel Chepri nach Dorgon kamen und ihre Lehre von der Ordnung und des Chaos verkündeten. Doch die Götter verließen Dorgon wieder recht schnell, um zu einer anderen Sterneninsel zu reisen. In den frühen dorgonischen Kulturen hatte diese Religion die wichtigste Stellung. Die Ägonen verehrten ein Udjat – das Auge des Horus und glaubten, Chepri war der Sitz der Götter. Doch sie waren von dem finsteren Teufel Sethophia verjagt worden. Denise fand hier Ähnlichkeiten mit Seth, dem verschlagenen und negativen Bruder des Osiris. Erst der Prophet Dorgon – oder war es gar der DORGON? – löste einen neuen Glauben aus, der langsam jenen der Ägonen auf ihrem Planeten ablöste. Dazu kam noch, dass die Ägonen in die Bedeutungslosigkeit durch einen Krieg gegen die eher heidnischen Sulviten verfallen waren. Dann war die Besatzung durch die Charkos gekommen. Zwar hatte sich der Glauben noch gehalten, da die Dorgonen generell eine Vielgötterei praktizierten, doch die Chepri-Götter hatten fortan eine untergeordnete Rolle eingenommen.

Denise hatte in den dorgonischen Archiven Parallelen mit Anubis, Horus, Isis, Seth und Osiris gefunden. Zwar trugen die dorgonischen Götter andere Namen, doch ihre Abbilder waren unverwechselbar. All das hatte sich vor vielleicht 120.000 Jahren zugetragen.

Wie passte das mit den Erinnerungen Atlans zusammen? Schließlich galt der Arkonide als Starthelfer für die altägyptische Zivilisation. Hatte es noch andere Außerirdische gegeben, von denen Atlan vielleicht gar nichts wusste?

Dank Julian Tifflor war es Denise Joorn möglich gewesen, mit Kaiser Uleman zu sprechen. Der Monarch hatte ihr die Erlaubnis erteilt, soviel nachzuforschen, wie nur möglich. Doch leider waren alle Aufzeichnungen über den Fund auf Mashratan verloren gegangen, als die HESOPHIA damals über Mashratan vernichtet worden war. Offenbar hatte das dorgonische Adlerraumschiff keine Berichte über die alten Artefakte ins Reich geschickt. So wusste Denise auch nur das, was sie einst auf dem Datenträger der Kerkums gesehen hatte. Die Hieroglyphen waren entziffert worden. Sie waren eine Mischung aus den terranischen Hieroglyphen, einer unbekannten Sprache und Altägonisch aus Dorgon.

Es waren Gebetssprüche, Lobpreisungen an Amun oder Ra, der Lehre, eines Tages nach Chepri zurückzukehren und der Buße vor Amun, den man enttäuscht hatte. Jedenfalls war es ganz eindeutig, dass es somit eine Verbindung zwischen Dorgon und der Milchstraße gab, die lange bevor Cau Thon beide Galaxien gegeneinander aufhetzte, existierte.

Als Denise Joorn Ende 1295 NGZ nach Terra zurückgekehrt war, war sie regelrecht abserviert worden. Sie wäre zu unerfahren, hatte die Begründung gelautet. Der Vorsitzende der Terranischen Altertumsforschung, Kawai Muhalla, hatte ihr nahe gelegt, ein sechs Semester langes Studium abzulegen, um den Doktortitel der Archäologie des Terrania City Instituts zu bekommen. Dann dürfte sie auch bei den Forschungen mitmachen. Als ob nicht der Doktortitel aus Oxford reichen würde? Aber für Muhalla war die englische Universität nicht angesehen genug. Ein bedeutender Oxford-Titel sei ähnlich antik, wie Joorns Ausgrabungsstücke, hatte Muhalla gesagt.

Abfällig hatte Muhalla sie als Hobbyarchäologin bezeichnet, der es an dem ersten Willen fehlen würde, diese Berufung zu leben. Eine Frechheit. Seitdem sie als junges Mädchen sich dem Wissenschaftler Johannes van Kehm angeschlossen hatte, hatte Denise alles versucht, um in der Archäologie Fuß zu fassen.

Sie war 1283 NGZ im zarten Alter von 20 Jahren einem langweiligen, viel zu behüteten Leben auf Olymp entkommen, als ihre Eltern sie mit einem schnöden Sohn eines Unternehmers verheiraten wollten. In Johannes van Kehm hatte sie damals einen Mentor gefunden. Doch van Kehm war bei einer Expedition gestorben und so hatte Denise 1285 ein fünfjähriges Studium in England begonnen. Dort hatte sie auch ihre Freundin Jenny Taylor kennengelernt, die zu dem Zeitpunkt Medizin studiert hatte. Jenny hatte damals immer von Camelot geschwärmt und war dann auch irgendwann nicht mehr zur Universität gekommen. Erst einige Monate später hatte sie sich bei Denise gemeldet und ihr versichert, dass es ihr gut ginge. Später hatte Taylor Joorn kontaktiert, um ihr über den Datenträger von Mashratan zu berichten. Dadurch war Denises Leidenschaft – die Ägyptologie – wieder geweckt worden. Woher sie die hatte, wusste sie nicht genau. Es lag halt in ihr. Ob es nun uralte Filme, Besuche in Ägypten oder Johannes van Kehm war, der die gleiche Passion mit ihr teilte, es mussten wohl alle Komponenten zugleich sein, die Denise zu einem Fan der pharaonischen Zeit machte. Und das in einer Epoche, in der man glaubte, eigentlich alles entdeckt zu haben.

Nach Atlans Erinnerungen über seine Zeit in Ägypten und der Entdeckung von Laires Auge unter der Chufu-Pyramide in Gizeh, glaubte man, der Antike das letzte Geheimnis entlockt zu haben. Doch Denise glaubte nicht daran und inzwischen fühlte sie sich bestätigt.

Nach ihrem Studium in Oxford hatte es ihr jedoch oft an Gelegenheiten gefehlt, ihre Tätigkeit in der Praxis auszuüben. Denn die Forschung musste auch finanziert werden. So war sie schließlich über Umwege an den reichen Industriemagnaten Marius Dorn geraten, der als Sponsor aufgetreten war. Doch schnell hatte sich dieser als Agent der Mordred entpuppt und sie hatte zusammen mit dem smarten TLD-Agenten Stewart Landry ein gefährliches Abenteuer erlebt. Danach war sie sofort zur IVANHOE abberufen worden, da ihre Freundin Jenny Taylor dort als Bordärztin tätig war und Denise als Expertin vorgeschlagen hatte.

Eigentlich war es in dieser Zeit steil bergauf gegangen mit ihrer Karriere, doch schnell war der Absturz gekommen, als ihre Fürsprecher Abenteuer in Dorgon erlebten und Denise sich mit den bornierten Altertumsverwaltern auf Terra hatte herumschlagen müssen.

Alle Versuche der Terranerin, dennoch an den Ausgrabungen bei Hascherut teilzunehmen, waren vereitelt worden. So hatte sie sich entschlossen, auf eigene Faust weiter zu machen.

Zuerst war sie nach Mashratan geflogen. Sie erinnerte sich mit Schaudern an diese Zeit. Zweimal war sie von Mashraten entführt worden, die ihr an die Wäsche wollten. Doch sie hatte sich befreien können. Mashratan war ein verlorener Planet. Auch das Ende des Kerkum-Regimes hatte kaum etwas verändert. Die Wüstenwelt war in einem Bürgerkrieg versunken und das hatte die Untersuchungen erschwert. Viermal war Joorn dort gewesen in einer Zeitspanne von 14 Monaten. Und sie hatte nichts gefunden.

Doch sie gab nicht auf. Vielleicht gab es noch etwas auf Seshur, was andere übersehen hatten.

Nach einer langen Vorbereitung und demütigender Bettelei bei ihren Eltern war sie endlich in der Lage, selbst Grabungen durchzuführen.

Deshalb war sie auch wieder nach sieben Jahren nach Seshur zurückgekehrt. Die Stadt Araeche war ihr erstes Ziel.

Seit den sieben Jahren hatte sich einiges auf Seshur getan. Durch diese Funde wurden viele Wissenschaftler, aber auch Touristen angelockt. Diese brachten viel Geld mit. Doch davon hatten nur die sowieso schon reichen Händler etwas. Die armen Bauern und Bettler litten weiterhin.

Denise Joorn lief durch die Hauptstraße und sah sich um. Die 50 Grad im Schatten machten ihr gewaltig zu schaffen. Sie trug braune Stiefel, die ihr bis zu den Waden gingen, eine eng anliegende, kurze Hose und ein körperbetontes, blaues Oberteil, welches völlig durchgeschwitzt war. An ihrer Hüfte hingen an einem Gürtel alle möglichen Werkzeuge und auch zwei Multifunktionsstrahler. Sie konnte nie wissen, was sie hier erwarten würde. Hinter ihr schwebte ein kleiner, kugelförmiger Roboter, der ihr Gepäck trug. Denise hatte ihm den Namen Herodot gegeben, in Anlehnung an den griechischen Geschichtsschreiber.

Ihre blauschwarzen Haare hatte sie zum einem Zopf zusammengebunden. Sie waren ebenfalls nass vom Schweiß, der von der Haut der Terranerin rann. Am liebsten hätte sie einen SERUN getragen, doch die Archäologin wollte nicht auffallen. Aber als sie die Blicke der Männer registrierte, die auf ihr durchgeschwitztes Oberteil starrten, merkte sie, dass sie bereits sehr stark auffiel. Widerwillig kramte sie einen Poncho hervor und streifte ihn über. Sonderlich angenehm war das nicht, da die Hitze noch unerträglicher wurde, doch so geiferten ihr wenigstens keine Seshuren nach.

Der Anblick der vielen Humanoiden war nicht sonderlich angenehm. Viele waren unterernährt und völlig verwahrlost. Joorn wunderte es, dass die UGPA – die United Galactic Planet Alliance – nichts dagegen unternahm. Die Hilfsorganisation hatte bereits seit der Wiederaufbauzeit nach der Monosdiktatur geholfen, wo es nur ging. Aber man konnte nicht überall sein.

Ein Mann hielt sie an ihrem Poncho fest. »Eine milde Gabe, Herrin. Ihr seht aus wie eine reiche Terranerin; gebt mir etwas!«, forderte der alte zahnlose Greis auf Seshurisch.

Joorn hatte die Sprache gelernt und benötigte nicht einmal einen Translator. Sie verzog das Gesicht und zeigte Mitleid mit dem Einheimischen. Sie schenkte ihm ein paar Galax. Joorn hoffte, dass er in der Lage war, die Noten bei der nächsten Bank umzutauschen.

Dann ging sie weiter. Ihr Ziel war der Händler Abaresi. Dort wollte sie sich einen Gleiter und das nötige Equipment für ihre Ausgrabungen kaufen.

Die in Boscyksville auf Olymp aufgewachsene Terranerin hätte sich vor sieben Jahren niemals träumen lassen, dass sie an einer Entdeckung von unglaublichen Ausmaßen beteiligt sein würde.

Joorn glaubte fest daran, dass auf Seshur ein Geheimnis lag, welches die gesamte terranische Geschichte revolutionieren würde. Und sie würde alles tun, um das zu beweisen.

Nach etwa vierzig Minuten hatte Denise Joorn endlich den Händler Abaresi erreicht. Ihr war die araesische Innenstadt nicht sonderlich geheuer. Jedoch wusste sie sich ausreichend zur Wehr zu setzen.

Das Geschäft von Abaresi erinnerte an einen alten orientalischen Teppichhändler. Überall lagen und hingen gemusterte Aufleger. Langsam schritt Joorn in das große Lehmhaus.

Sofort rannte ihr Abaresi entgegen. Er war klein und hager. Sein Gesicht war vernarbt, ein Auge fehlte ihm und die Stoppeln seines Bartes ragten in alle Richtungen. Sein fauliger Atem ließ Joorn die Nase rümpfen.

Abaresi war nur ein »terranischer Name«. Wie fast alle Seshuren hatte er einen unaussprechlichen Namen. Seiner war Abrschrjkkarschyy.

»Ah, Greka Joorn, es freut mich, Sie zu sehen«, versuchter er ihr zu schmeicheln. Greka war die seshurische Bezeichnung für Fräulein oder Miss.

Joorn erwiderte die Begrüßung mit einem aufgesetzten Lächeln und kam schnell auf den Punkt ihres Besuches.

»Ihr habt etwas für mich?«, wollte sie wissen.

Abaresi fing an zu lachen. Es klang wie das Rattern einer alten Projektilwaffe. Dann verstummte er plötzlich und lief zu einem Schrank. Joorn hatte derweil mit den Fliegen und Mücken zu kämpfen, welche auf Seshur die Größe von Schwalben hatten. Der Stich einer seshurischen Mücke konnte daher gefährlich werden. Allerdings war einer vogelgroßen Mücke auch leichter auszuweichen.

Als er wiederkam, hielt er einen Gegenstand in der Hand, der von einem Tuch bedeckt war. Vielsagend sah Abaresi seine Kundin an, die eine Augenbraue hochzog und ihn erwartungsvoll anblickte.

Dann zog Abaresi grinsend das Tuch von dem Gegenstand und genoss die Überraschung in Denise Joorns Gesicht.

»Das ist Horus«, stellte sie verblüfft fest.

Abaresi hielt eine Statue des Falkengottes Horus in der Hand. Die dreiundzwanzig Zentimeter hohe Statue war aus purem Howalgonium. Das war der erste Schock. Der zweite war, dass dieser Horus sich in Kleidung und Schmuck von seinem altägyptischen Gegenstück unterschied. Er hielt zwar Krummstab und Geißel in der Hand, doch über seinem Haupt schwebte eine Pyramide. Sie war am Rücken mit einem schier unsichtbaren kleinen Stab aus unbekanntem Material befestigt. So wirkte es wirklich, als würde sie schwerelos über dem Kopf des Horus schweben. Auch seine Bekleidung war anders. Fast sein ganzer Körper war mit einem zweiteiligen Anzug bedeckt. An seiner Hüfte befand sich ein Gürtel mit einem Schwerthalter und einem anderen Halter, der fast wie der Halter für eine Pistole oder einen Strahler aussah.

Joorn begutachtete die Statue genau und befahl Herodot einen genauen Scan des Artefaktes zu machen. Der erste Eindruck des Quarzes hatte sie nicht getäuscht. Fünfdimensionale Schwingungen gingen von der Statue aus. Sie war zweifelsfrei aus Howalgonium. Doch die Seshuren konnten Howalgonium gar nicht kennen. Dieses wertvolle Material konnte nur einem Volk bekannt sein, dass die Hypertechnik beherrschte.

Joorn grübelte eine Weile darüber nach, ob die Arkoniden vielleicht das Howalgonium gebracht hatten. Laut Aufzeichnungen hatten die imperialen Arkoniden Seshur vor etwa 8.000 Jahren, also um etwa 3.000 vor Christus alter terranischer Zeitrechnung erobert. Manchmal verfluchte Denise die Neue Galaktische Zeitrechnung, denn damit musste sie noch mehr Zeiten umrechnen. Und die junge Archäologin war in Kopfrechnen nicht die Stärkste. Darum war sie ganz froh, dass sie Herodot dabei hatte.

»Herodot, bitte analysiere, wie alt die Statue ist«, bat Denise ihren Begleiter.

Doch bevor dieser seinen Scan durchgeführt hatte, bedeckte Abaresi die Statue wieder mit seinem Tuch und stellte sie in einen Behälter.

»Erst zahlen, dann analysieren«, sagte er knapp.

Joorn verdrehte die Augen. Widerwillig nahm sie ihre Chipkarte. Der Händler schüttelte den Kopf und gab ihr zu verstehen, dass er Bargeld haben wollte.

»Wie viel?«, wollte sie wissen.

»Sagen wir 20.000 Galax für diesen einmaligen Fund und 80.000 Galax für Ihr Equipment, welches auf dem Hof steht. Ein Auto, jede Menge Proviant, ein Zelt mit der nötigen Koch- und Sanitärausrüstung, Benzin und ein paar Maschinengewehre.«

Joorn sah den windigen Händler böse an. 100.000 Galax waren etwas viel für den Müll, den er ihr auf den Hof gestellt hatte. Einzig und allein die Statue war ihren Preis wert. Und noch viel mehr. Für diese Statue waren 100.000 Galax gar nichts. Also bezahlte Joorn den Preis. Freudestrahlend brachte Abaresi die Statue zur neuen Besitzerin. Denise seufzte, denn sie würde bald ihren strengen Vater wieder um Geld anpumpen müssen. Er würde ihr wieder Vorwürfe machen. Doch die Statue des Horus war es vermutlich wert.

Anschließend geleitete er sie zu ihrer Ausrüstung. Der Wagen sah alles andere als gut aus. Es gab keine Gleiter auf dieser Welt. Die Seshuren hatten noch nicht einmal die Atomtechnologie kennen gelernt und in vielen Ländern gab es noch nicht einmal Elektrizität. Seshur war weit davon entfernt, ein geeinter Planet zu werden, der sich der Raumfahrt widmen würde.

Seit die Arkoniden mit dem Zerfall des Vereinten Imperiums auch von Seshur abgezogen waren, verwahrloste der Planet mehr und mehr. Das war der Preis für die Freiheit der Seshuren, die viele Jahrhunderte einen erbitterten Krieg gegen die Kolonialmacht geführt hatten.

Joorn verabschiedete sich von Abaresi und hoffte, ihn niemals wiedersehen zu müssen. Mit viel Mühe sprang der Wagen an. Er klapperte an allen Stellen und Denise Joorn musste sich erst einmal an die Getriebeart des Wagens gewöhnen. Plötzlich blieb er ruckartig stehen und der Motor ging aus.

Verwundert blickte Joorn Herodot an, der ihr erklärte, dass sie erst das Kupplungspedal treten musste, bevor sie den Gang einlegte.

Nach einigen Minuten hatte sich Joorn daran gewöhnt und verließ den Hof des Händlers Abaresi. In ihrem Gepäck hatte sie die Horus-Statue. Ein Fund von unschätzbarem Wert.

 

Die Wüste Gossis, zwei Tage später

Es dauerte eine Weile, dann hatte Denise Joorn den Standort erreicht, wo Abaresi angeblich die Statue gefunden hatte. Die Analyse von Herodot hatte ergeben, dass die Horus-Statue 14.915 Jahre alt war. Das bedeutete, dass sie ungefähr 10.000 vor Christus angefertigt wurde – 7.000 Jahre, bevor der Götterkult der Pharaonen in Memphis, Heliopolis, Dendera, Elephantine oder Hermopolis entwickelt worden war.

Damit gab es zwei elementare Rätsel für Joorn zu lösen. Warum war die Statue aus Howalgonium? Sie stammte aus einer Zeit, in der die Arkoniden noch nicht Seshur besetzt gehalten hatten. Wie kamen sie dann also an das Howalgonium? Und wer hatte diese Statue überhaupt angefertigt? Welchen Zusammenhang gab es mit der Erde? Stammte die Statue aus Dorgon? Doch in den dorgonischen Archiven hatte sie keine Aufzeichnungen über eine Expedition in die Milchstraße gefunden. Vielmehr hatte erst Cau Thon die Dorgonen auf die Existenz der Milchstraße aufmerksam gemacht.

Joorn bekam Kopfschmerzen vom Nachdenken. Die gesamte Ägyptologie wurde auf den Kopf gestellt. Jahrtausend alte Forschung seit dem Ägyptologie-Boom im 19. Jahrhundert schien über den Haufen geworfen worden zu sein.

Joorn fragte sich, ob die Ägyptologen, die bereits seit Jahren auf Seshur Grabungen durchführten, mehr wussten. Aber warum wurde es dann nicht bekannt gemacht? Anscheinend wusste Joorn mehr als sie.

Es war inzwischen Nacht. Seit zwei Tagen war sie unterwegs, quer durch die Wüste Gossis. Nun hatte sie die Ruinen einer Stadt entdeckt. Es war jedoch nichts Ägyptisches an ihnen. Die Lehmhäuser waren seshurischer Bauart.

Hier hatte er die Statue gefunden?

Joorn war müde und ließ sich auf den inzwischen kalten Sand fallen. Für einen Moment schloss sie die Augen. Plötzlich spürte sie ein Kribbeln am Bein. Langsam öffnete sie die Lider und starrte auf einen acht Zentimeter großen Käfer. Das gefährliche an diesem seshurischen Wüstenkäfer war sein Stachel. Sein Gift tötete innerhalb von wenigen Stunden. Joorn tastete mit ihrer linken Hand langsam zum Desintegrator, während der Käfer bereits auf ihrem Schenkel krabbelte. Blitzartig zog sie die Waffe aus dem Halfter und schoss.

Mit Erleichterung registrierte sie, dass an ihr noch alles dran war und der Käfer nicht mehr existierte. Schnell stand sie auf und beschloss, lieber das Lager aufzubauen.

Aus ihrem Rucksack holte sie zwei Antigravprojektoren, die sie in den Boden rammte. Das Zelt wurde auf einer zwei mal zwei Meter durchmessenden Stahlplatte aufgeschlagen. Die Antigravprojektoren hoben es einen Meter über den Erdboden. So war Joorn vor giftigen Insekten, Arachnoiden und Schlangen sicher.

Im Dunkeln hatte sie wenige Möglichkeiten, etwas in der Stadt zu finden, also fasste sie den Entschluss, erst einmal zu schlafen.

Herodot hielt die ganze Nacht über Wache.

*

»Aufwachen, Denise. Die ersten Sonnenstrahlen erhellen den Himmel«, weckte der Roboter seine Herrin.

Denise war wenig begeistert und zog demonstrativ die Bettdecke hoch. Herodot war dieses Benehmen gewohnt und wusste, wie er Joorn motivieren konnte. Der Geruch von frischem Kaffee und aufgebackenen Brötchen ließen die Terranerin sofort aufmerksam werden.

»Ich habe Frühstück gemacht«, erklärte die Kugel aus Metall.

Damit zauberte er ein Lächeln auf die Lippen von Denise Joorn.

»Danke«, sagte sie knapp und machte sich über die Mahlzeit her.

Wenige Minuten später stand sie in voller Montur vor der Ruinenstadt. Sie wies Herodot an, die Region nach Howalgonium abzusuchen. In der Tat wurde er fündig. Etwa fünfhundert Meter von ihnen entfernt, drei Meter tief im Boden, konnte er Howalgonium orten.

Denise kämpfte sich durch den Sand und den Schutt der Jahrtausende alten Lehmhütten der Seshuren. Dann begann sie zu graben. Sie aktivierte den Antigravprojektor und hob den Sand hoch. So grub sie sich langsam voran. Dabei stieß sie auf einige Skelette und Totenschädel von Seshuren. Sie schenkte ihnen keine weitere Beachtung, denn es waren nicht sie, nach denen sie suchte.

Dann endlich! Plötzlich konnte sie keinen Sand mehr herausheben. Joorn deaktivierte den Antigrav und blickte in das Loch. Fasziniert starrte sie auf den leuchtenden Quarz mit den Symbolen.

»Das muss ein Eingang sein«, erklärte Joorn erstaunt und sprang hinunter.

»Autsch!«, hörte Herodot seine Herrin fluchen. Den drei Meter tiefen Sprung hatte die Archäologin wohl etwas unterschätzt.

Doch schnell wichen den Verwünschungen Jubelrufe. »Inschriften!«

»Welcher Art? Demotisch?«, erkundigte sich Herodot.

»Nein, Hieroglyphen aus dem Alten Reich«, murmelte Joorn. »Zumindest in einer gewissen Art. Ich versuche, das mal zu übersetzen.«

Sie machte mit einem Pinsel die Plattform aus Howalgonium sauber. Herodot untersuchte derweil den Untergrund. Er meldete, dass sich Hohlräume unter der Platte befanden. Es war also anscheinend der Eingang zu einer Katakombe.

Joorn machte sich in diesen Sekunden keine Gedanken darum. Zuerst galt es den Text zu übersetzen.

Auf der Platte stand geschrieben:

Gezeugt von Geb, geboren von Nut, liegt hier der Eingang zum heiligen Tempel der Göttin Nephthys, Schwester des Osiris und Seth, Schwester der Isis und Gemahlin des Seth. Jedem mit reinem Herzen sei der Pfad offen, jeder mit Gier und Hass in seinem Herzen sei des Todes.

»Sehr einladend«, bemerkte Denise.

»Was machen wir nun?«

»Ganz einfach. Wir gehen rein«, beantwortete Joorn die Frage des Roboters. Sie tastete nach einem Mechanismus. Erschrocken wich sie zurück, als sie etwas freilegte, was sie kaum glauben konnte.

Ein Schaltmechanismus! Aber kein gewöhnlicher aus prähistorischen Zeiten, sondern ein mit roten und grünen Lämpchen leuchtender Schalter.

Denise schluckte hörbar.

»Technik. Elektrizität!«, staunte sie.

Herodot machte sich sofort daran, den Schaltkreis zu analysieren. »Es ist erstaunlich. Ein mit Batterie betriebener elektrischer Schaltkreis, jedoch mit einer Energiequelle, die mir gänzlich unbekannt ist. Sie funktioniert nach 15.000 Jahren immer noch.«

»Kann ich ein paar Knöpfe drücken?«, wollte Denise wissen, doch der Roboter verneinte. Zuerst wollte er die Funktion der Schalter herausfinden, bevor man etwas betätigte. Die Gefahr in eine Falle zu laufen, war zu hoch.

Joorn akzeptierte die Entscheidung ihres weisen Roboters. Nicht umsonst hatte sie ihn Herodot getauft. Sofort musste sie an die Worte des griechischen Gelehrten denken, die er vor vielen Jahrtausenden über das alte Ägypten verloren hatte:

Jetzt werde ich über Ägypten sprechen, weil es sehr viele Wunder enthält und vor allen Ländern Werke darbietet, die man kaum beschreiben kann.

Was hätte Herodot wohl über Seshur gesagt? Wie es aussah, war Seshur die Wiege des ägyptischen Götterkultes. Hier hatte anscheinend alles seinen Anfang genommen. Stammte gar das Volk der Ägypter von Seshur? Wenn Joorn das beweisen konnte, war ihr ein Platz in den Geschichtsbüchern gesichert.

Herodot unterbrach ihre Gedanken. »Da kommt jemand. Fünf Gleiter bewegen sich direkt auf uns zu.«

»Was?«

Joorn schaltete schnell. Sie begrub die Tür wieder mit Sand. So schnell es ging, rannte sie mit Herodot wieder zu ihrem kleinen Lager. Von weitem konnte sie bereits die Gleiter sehen. Sie nahm ein paar Werkzeuge und legte sie so, als würde sie ein paar Untersuchungen bei den Lehmhäusern durchführen.

Als die Gleiter ankamen, tat sie überrascht. Ein paar einheimische Seshuren stiegen aus. Gefolgt von Terranern, die grimmig drein blickten, Springern und Überschweren. Als sie jedoch den gut gekleideten Terraner mit dem Stock aus dem Gleiter aussteigen sah, wurde Joorn bleich.

»Denise, mein Kind. Wir haben uns lange nicht gesehen«, sagte der Mann im grauen Anzug freundlich. Jedoch lag ein zynischer Unterton in seiner Stimme.

»Van Kehm…«

Johannes van Kehm, Denises ehemaliger Mentor, der angeblich bei einer Forschungsexpedition ums Leben gekommen war, stand vor ihr. Im wahrsten Sinne des Wortes fühlte sich Joorn so, als wäre sie einem Geist begegnet.

Sie war sichtlich um Fassung bemüht.

»Was führt Sie denn hier her, Denise?«, fragte van Kehm jovial.

Der 174 Zentimeter große Holländer lächelte sie an. Es war ein hinterhältiges, unehrliches Lächeln. Anscheinend wusste er, dass Joorn hier war.

Kehm war schlank, hatte keine Haare und trug eine runde Technikbrille, die ihn bei den Ausgrabungen immer wieder weitergeholfen hatte, da sie die Sicht im Dunkeln verbesserte und Daten anzeigte. Er war, wie eh und je, akkurat und gepflegt gekleidet. Dreizehn Jahre war es nun her. Da stand er plötzlich quicklebendig vor ihr.

»Ich… ich…«, stammelte Joorn, »ich mache hier Ausgrabungen. Mich interessiert die Kultur der Seshuren.«

»Aber, aber, meine Liebe. Sie buddeln doch nicht etwa nach Hinweisen einer Parallelität zwischen dem alten Ägypten auf der Mutter Erde und Seshur?«

Joorn fühlte sich wie ein Schulmädchen, das dabei ertappt wurde, abgeschrieben zu haben. Van Kehm war über ihre Aktivitäten informiert.

»Und wenn schon. Was spielt das für eine Rolle?«, verteidigte sie sich.

Van Kehm trat grinsend an sie heran. Joorn wünschte, dass er endlich mit diesem dämlichen Lächeln aufhören würde.

»Kawai Muhalla persönlich hat Ihnen doch untersagt, eigene Ausgrabungen zu machen. Das Geheimnis von Seshur wurde in die Hände fähiger Archäologen gelegt. Muhalla selbst hat mich zum leitenden Wissenschaftler auf Seshur ernannt.«

Joorn fühlte sich, als hätte ihr jemand ins Gesicht geschlagen. Ausgerechnet van Kehm, dessen einzige Motivation Ruhm und Geld war, sollte eines der größten Geheimnisse der Menschheit lösen? Dieser Gedanke war Joorn zutiefst zuwider.

Die alten Erinnerungen kamen wieder hoch. Bei ihrer letzten gemeinsamen Expedition hatten sie sich zerstritten, als Denise herausgefunden hatte, dass van Kehm von diversen Planeten, Artefakte einfach gestohlen hatte, um sie teuer an Museen zu verschachern. Die Bewohner der Welten hatten nichts von ihren Schätzen gehabt. Denise hatte ihn damals zur Rede gestellt, doch van Kehm hatte sie als »naives Mädchen« tituliert und war dann zu einem Fundort gereist. Dort hatte es einen Aufstand gegeben und die Forschungseinrichtung war in Flammen aufgegangen. Damals hatte sie gedacht, er wäre tot. Doch er lebte und schien sich nicht verändert zu haben.

»Meine Gratulation. Nun lassen Sie mich meine Arbeit machen«, forderte Denise barsch.

Van Kehm schüttelte den Kopf. »Aber nicht hier. Ich allein habe die Genehmigung in der Wüste Gossis, wie auch in Hascherut. Es tut mir Leid, meine Liebe. Aber Sie müssen wohl oder übel ihre Koffer packen.«

Jetzt reichte es Joorn. Sie stürmte auf van Kehm los und packte ihn am Kragen. Bevor sie etwas sagen konnte, spürte sie den kalten Lauf eines Nadlergewehrs in ihrem Nacken.

»Tun Sie keine unüberlegten Sachen«, riet ihr van Kehm.

Joorn ließ ihn los und ging ein paar Schritte zurück. Dann wies sie Herodot an, die Sachen zu packen.

»Ich werde Beschwerde bei Muhalla einlegen«, drohte sie.

»Tun Sie sich keinen Zwang an. Er ist sogar auf Seshur. Sie können ihn im terranischen Konsulat der Hauptstadt Thorena finden. Und nun: Verlassen Sie meine Ausgrabungsstätte!«

Wütend packte Joorn alles zusammen. Jeder Schritt wurde von den Leuten van Kehms bewacht.

Glücklicherweise hatte Herodot die Horus-Statue rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Niemand hatte sie entdeckt. Nach fünfzehn Minuten brach die junge Archäologin auf. Doch sie schwor sich, so bald wie möglich wieder in die Wüste Gossis zurückzukehren.

Sie hatte dort noch einiges zu erledigen.

 

Thorena, zwei Tage später

48 Stunden hatten nicht ausgereicht, um Denise Joorn abzuregen. Mehrmals hatte sie versucht, eine Funkverbindung zu Kawai Muhalla herzustellen, doch seine Assistenten wimmelten sie immer wieder ab.

Endlich erreichte Joorn die Hauptstadt Thorena. Eigentlich verdiente dieser Haufen Lehm nicht den Titel Hauptstadt. Nur einige wenige prachtvolle Gebäude ragten aus dem Regierungsviertel. Die meisten Viertel waren aber von Armut geprägt. Kleine, heruntergekommene Baracken, in denen Seshuren mit traurigen Augen saßen.

Joorn versuchte für eine Weile nicht über die Armut von Seshur nachzudenken, sondern das terranische Konsulat zu finden. Nach einer Weile hatte sie auch Glück. Die Flagge der Liga Freier Terraner wehte hoch über den Häusern. Man konnte das Gebäude gar nicht verfehlen. Mit einer Vollbremsung kam Joorns Auto kurz vor dem Tor zum Stehen.

Zwei Sicherheitsbeamte stürmten mit gezogener Waffe der Archäologin entgegen.

»Wer sind Sie? Was wollen Sie?«, rief einer der Soldaten. Der hagere Mann mit dem Schnurrbart blickte die Terranerin ernst an.

Joorn lächelte schwach. »Ich will mit Kawai Muhalla sprechen. Meine Name ist Denise Joorn. Es geht um die Ausgrabungen bei Hascherut, die ich zusammen mit der IVANHOE vor Jahren begonnen habe.«

Der Leutnant war immer noch misstrauisch und verlangte Joorns ID-Ausweis. Der Rechner bestätigte die Identität und man ließ sie passieren. Herodot sollte jedoch im Wagen warten. Joorn nahm ihren Rucksack mit der Horus-Statue und betrat das Gebäude.

Sie blieb in der luxuriösen Halle stehen und suchte nach einem Empfang. Einige Leute musterten Joorn abfällig. Sie blickte sich selbst an und musste lächeln. Joorns Haare hingen wirr herab, die Hosen und das Oberteil waren sandig und die Stiefel hinterließen dreckige Fußspuren im Foyer.

Dann entdeckte sie eine Empfangsdame, die ziemlich genervt einige Interkom-Nachrichten beantwortete. Die Frau im mittleren Alter war keine Schönheit, aber auch nicht hässlich. Sie sah nichtssagend aus.

»Bitte?«, fragte sie unhöflich.

»Denise Joorn. Ich möchte mit Kawai Muhalla sprechen.«

Die Sekretärin betätigte ein paar Knöpfe.

»Syntronik sagt nein«, erwiderte sie und hustete.

»Bitte? Wenn Sie nicht wollen, dass ich Ihnen die Tastatur in den Hintern ramme, stellen Sie die Verbindung her«, drohte Joorn.

Die Frau musterte die Archäologin abfällig, räusperte sich und kam dem Wunsch schließlich doch nach.

Auf dem Bildschirm erschien das feiste Gesicht von Muhalla. Sie trug ihm das Gesuch vor. Joorn blickte die Empfangsdame ungeduldig an und tippte nervös mit den Fingern auf den Tresen.

»Sagen Sie Miss Joorn, dass sie hier nicht willkommen ist«, hörte Denise Muhalla sagen.

Die Sekretärin beendete die Verbindung und blickte Joorn gelangweilt an. »Muhalla sagt nein.«

»Wo kann ich ihn finden?«, gab Joorn nicht auf.

»Sind Sie schwer von Begriff?«

Joorn schlug wütend auf den Tresen. Dann beugte sie sich mit einem gefährlichen Grinsen auf den Lippen vor und flüsterte zu der Sekretärin: »Wenn Sie nicht wollen, dass ich das mit der Tastatur mache, dann sagen Sie mir, in welchem Stockwerk er sich befindet.«

Die Assistentin überlegte einige Sekunden.

So entschloss sie sich, lieber Joorn zu antworten. »Dritter Stock, Zimmer 70-85!«

»Danke«, verabschiedete Joorn sich zynisch und konnte sich das Lachen kaum verkneifen. Doch die Wut auf Muhalla war größer. Sie hastete die Treppen hoch und verzichtete auf den Antigrav. Kaum im dritten Stock angekommen, stellten sich ihr zwei übel aussehende Sicherheitsbeamte in den Weg.

Joorn überlegte nicht lange und versetzte den in schwarz gekleideten Leuten einige Tritte in den Magen und in empfindlichere Gegenden. Jetzt zahlten sich ihre vielen Dagor- und Karatekurse aus.

Bevor die Wachen wieder zu sich kamen, rannte sie weiter und trat eine Tür auf, auf der »Muhalla« stand.

Entsetzt stand der Oberste Ägyptologe auf. Muhalla war von der Statur her schlank, jedoch sein Gesicht war unnatürlich aufgedunsen. Er hatte schwarze Haare und einen schwarzen Schnurrbart. Seine dunklen Augen strahlten geheimnisvoll.

»Miss Joorn. Das Wort NEIN scheint in Ihrem Vokabular nicht vertreten zu sein!«

Denise lächelte gelangweilt und ließ sich auf einen Sessel fallen. Muhalla trat an sie heran und aktivierte einen Formenergieprojektor. Dann setzte er sich auf den soeben erschaffenen Sitzplatz.

»Wie sind Sie an meinen Wachen vorbei gekommen?«

»Nun ja, ihre Wächter konnten mit meinem Temperament nicht ganz mithalten.«

Muhalla verzog das Gesicht zu einer resignierenden Grimasse. Dann wurde er wieder gelöster und bot Joorn etwas zu trinken an. Die Terranerin lehnte nicht ab.

»Nun erklären Sie mir bitte den Grund ihres Überfalls.«

»Warum haben Sie van Kehm die Ausgrabungserlaubnis erteilt? Er ist nur hinter Geld her. Das Wissen kommt bei ihm erst an zweiter Stelle.«

»Das klingt nach dem Frust einer abgelegten Assistentin«, meinte Muhalla gelangweilt.

»Quatsch. Bis vor kurzem dachte ich, er sei tot. Er hat keinen Respekt vor den Toten und ihren Hinterlassenschaften!«

Kawai Muhalla lehnte sich zurück. Plötzlich stürmten ein paar Wachen mit gezogener Waffe herein. Muhalla winkte ab und gab ihnen zu verstehen, dass Joorn sein Gast war. Widerwillig verließen die Sicherheitsleute den Raum.

Muhalla nippte an seinem Tee und verbrannte sich die Lippen. Er ließ sich jedoch davon nichts anmerken, sondern stellte den Tee auf den Tisch und gab ein paar Stücke Zucker dazu.

Joorn musterte derweil das Büro. Statuen von Horus, Osiris, Isis, Amun und Anubis zierten die Tische und Schränke. An den Wänden hingen Gemälde der Büste der Nofretete und der Totenmaske des Tut-Anch-Amun.

Muhalla war durch und durch ein Archäologe. Er hatte sehr gute Kontakte zum Wissenschaftsministerium der Liga Freier Terraner und war der angesehenste Bürger Ägyptens. Doch in Joorns Augen hatte er einen großen Fehler. Er war zu altmodisch. Muhalla sah die große Zeit der Ägyptologie vom 19. bis zum 35. Jahrhundert. Er war der Auffassung, dass man alles entdeckt hatte und sich nun auf die Lebensweise der alten Ägypter konzentrieren sollte. Er war nicht offen für Innovationen und neue Entdeckungen.

Sie lag mit Muhalla nun schon seit Jahren im Clinch. Er hatte sogar die Echtheit des Ankh-Symbols bezweifelt.

Aber jetzt konnte er es wohl nicht mehr leugnen, denn das Interesse war gestiegen und Denise Joorn hatte einen neuen Beweis mit der Horus-Statue.

Sie packte die Statue aus und stellte sie auf den Tisch. Daneben legte sie einen Datenspeicher mit den Ergebnissen der Analyse. Muhalla steckte den Speicher in eine Öffnung seiner Positronik.

Mit starrer Miene las er die Ergebnisse. Dann nahm er die Statue in die Hand und musterte sie eindringlich. »Woher haben Sie die?«

»Aus der Wüste Gossis.«

»Weiß sonst noch jemand davon?«

»Ja, einige«, log Joorn, denn außer ihr und Herodot wusste nur Abaresi, der Händler, etwas davon. Doch sie wollte sicher gehen.

»Das ist sicherlich eine Fälschung. Was soll an dieser Statue schon echt sein? Das sieht aus wie ein Horus in einem Raumanzug. So ein Schwachsinn!«, erklärte Muhalla und stellte die Statue wütend auf den Boden.

»Laut den Analysen ist die Statue 15.000 Jahre alt und besteht aus Howalgonium. Es kann gar keine Fälschung sein, da es vor der Zeit der Ägypter hergestellt wurde. Seshur scheint die Wiege der pharaonischen Kultur gewesen zu sein. Oder gar eine Verbindung zwischen Dorgon und dem pharaonischen Zeitalter.«, meinte Joorn. Sie konnte kaum selbst glauben, was sie da erzählte, doch es musste so sein.

»Tatsächlich? Sagten Sie nicht, dass die Ägonen vor 120.000 Jahren existierten? Was haben ihre Götter denn 100.000 Jahre gemacht? Ich bin sowieso nicht von Ihren Recherchen in M100 überzeugt. Ich denke, es handelt sich dabei nur um einen Zufall.«

»Zufall? Die Ähnlichkeiten sind frappierend. Vielleicht stammen die Götter aus Dorgon und sind irgendwann in die Milchstraße umgesiedelt. Doch das können wir nur durch Forschung herausfinden. Vielleicht finden wir noch ältere Artefakte.«

»Wie dem auch sei. Sie haben keine Erlaubnis, auf Seshur zu graben. Sie haben sich strafbar gemacht. Ich beschlagnahme die Statue und rate Ihnen, den Planeten sofort zu verlassen, wenn Sie sich nicht noch mehr in Unannehmlichkeiten bringen wollen.«

Joorn konnte nicht verstehen, warum Muhalla so engstirnig war. Da lag einer der größten Funde der Geschichte vor ihm und er kam ihr mit solchen banalen Anschuldigungen.

»Was ist aus dem Ankh-Symbol und der Mumie von Hascherut geworden?« wollte Joorn wissen.

»Das geht Sie mit Verlaub gar nichts an. Aber wenn Sie es wissen wollen: Das Ankh-Symbol wurde gestohlen und die Mumie war eine Fälschung. Sie war gerade einmal 2.000 Jahre alt. Sicherlich ein historischer Fund, es besteht aber keine Verbindung zur Erde.« Muhalla nahm einen Schluck von seinem Tee. Joorn starrte ihn entgeistert an. Das roch nach einer Vertuschung. Das Ankh-Symbol, welches Mathew Wallace, Lorif und Irwan Dove vor sieben Jahren auf Seshur gefunden hatten und ein eindeutiger Beweis für eine Verbindung zur Erde gewesen war, war verschwunden.

»Sie versuchen, der Öffentlichkeit eine Sensation zu verheimlichen«, stellte Denise bitter fest.

Muhalla winkte ab. »Miss Joorn, Sie sehen Gespenster. Die Ägyptologie ist nicht mehr das, was es noch zu Zeiten war, über die wir jetzt Ausgrabungen machen. Nach dem Fund der Säulen der Ewigkeit und den Zeitberichten von Atlan, die uns halfen die Sprache der alten Ägypter zu verstehen und mehr über die Dynastie Null in Erfahrung zu bringen, gibt es keine Geheimnisse mehr. Jetzt ist es an der Zeit zu forschen, wie die Ägypter gelebt haben, wer die Menschen hinter den Götterkönigen waren. Die Zeiten der sensationellen Entdeckungen sind lange vorbei.«

Joorn war angewidert von der Arroganz des Ägypters.

»Ich kann Sie aber beruhigen, Miss Joorn. Johannes van Kehm, ein Mann, den ich sehr schätze, ist gerade damit beschäftigt, in den Ruinen von Hascherut und in der Wüste Gossis nach Spuren zu suchen. Sollten wir etwas finden, werden Sie es sicherlich in den Wissenschaftsnachrichten nachlesen können.

Ihre Anwesenheit ist jedoch nicht länger von Nöten. Verlassen Sie Seshur so schnell es geht, bevor ich Anzeige erstatte.«

»Sie sind krank, Muhalla!«

Der Ägyptologe lachte kalt. »Wissen Sie, was die Seshuren mit Frauen machen, die das Gesetz brechen? Sie werden in einer Baracke auf ein Bett gefesselt. Jeder darf sich an ihr vergehen, bis sie ihre Schuld gesühnt hat. Wir wollen doch nicht, dass Ihnen das auch passiert… Obwohl es sicherlich ein Vergnügen für die Männer wäre.«

Joorn lächelte schwach. »Machen Sie sich keine Hoffnungen, lieber Kawai. Die Männer, auf die ich stehe, müssen schon mindestens 5.000 Jahre alt sein und Schimmelpilz haben.«

Joorn nahm den heißen Tee und schüttete ihn Muhalla ins Gesicht, dann nahm sie die Statue und lief aus dem Raum. Zwei der Wachen blockierten ihr den Weg, doch Joorn warf die schwere Statue ihnen entgegen und lenkte sie so kurz ab. Mit gezielten Tritten gegen die Brust und Stirn konnte sie ihre beiden Kontrahenten ausschalten.

Dann sprang sie in den Antigrav und »tauchte« hinab. Nach nur wenigen Sekunden hatte sie das Erdgeschoss erreicht und rannte aus dem Gebäude. Sie sprang in das Auto. Der verdutzte Sicherheitsmann wusste gar nicht, wie ihm geschah.

Mit aufheulendem Motor brauste der Wagen los. Herodot schwebte zur rechten Seite von Joorn. »Es lief wohl nicht sonderlich gut?«

»Muhalla hat etwas zu verbergen. Ich weiß nur noch nicht was. Wir müssen auf eigene Faust weitergraben«, erklärte sie.

»Ist das nicht ziemlich gefährlich?«

Joorn lachte. »Ja, aber das ist doch gerade das Besondere!«

 

Seshur, 10. Oktober 1298 NGZ

Denise Joorn war für einige Tage untergetaucht. Muhalla und van Kehm waren sicher wachsam und riegelten die Fundorte weiträumig ab. Es war also angebracht, für einige Tage Ruhe zu bewahren und zu beobachten.

Joorn hatte sich ein Zimmer in einem heruntergekommenen Hotel gemietet. Denn dort würde sie bestimmt niemand finden.

Eines ihrer Ziele war es, mit einem langjährigen Freund Kontakt aufzunehmen. Der französische Archäologe war ebenfalls an den Ausgrabungen bei Hascherut beteiligt. Doch Joorn wollte ihn jetzt noch nicht kontaktieren. Sie befürchtete, dass er in Gefahr war, wenn er mit ihr gesehen wurde.

Deshalb wollte sie zuerst nach weiteren Beweisen suchen. Die ganze Forschung glich einem Verwirrspiel.

In der Nacht zum 11. Oktober 1298 NGZ fuhr sie mit dem Benzin angetriebenem primitivem Vehikel in die Wüste Gossis.

Die Fahrt schaffte sie diesmal an einem Tag. Der Wagen war dementsprechend überhitzt und aus allen Öffnungen strömte heißer Dampf. Die Hälfte ihrer Trinkvorräte schüttete sie in den Kühler.

Doch Joorn war am Ziel. Unweit von ihr entfernt, befand sich ein Lager von van Kehms Leuten. Es war etwa 700 Meter von dem kleinen Dorf entfernt, welches Joorn entdeckt hatte. Niemand befand sich dort. Erleichtert stellte Joorn fest, dass man den Eingang zu den unterirdischen Katakomben noch nicht gefunden hatte.

Langsam schlich sich Joorn an das Lager heran. Von einem Hügel aus beobachtete sie die Aktivitäten mit einem Fernglas. Die eingebaute Ortung in dem Hilfsmittel gab ihr aufschlussreiche Informationen über van Kehms Niederlassung. Insgesamt 77 Lebewesen waren dort. Etwa die Hälfte Seshuren, der Rest Terraner, Springer, Überschwere oder Topsider.

Ein lautes Grollen erschreckte Denise. Sie sah gen Himmel und erkannte einen stark gepanzerten Gleiter, der auf das Lager zuflog. Die Wesen im Lager schienen nicht überrascht zu sein. Sie stellten sich zum Empfang auf und Joorn erkannte auch van Kehm, der sich langsam auf das Landefeld zu bewegte, wo der Gleiter in diesem Moment landete.

Joorn beobachtete, wie Kawai Muhalla ausstieg. Bedauerlich, dass sie nicht verstehen konnte, worüber sich die beiden unterhielten.

Joorn wollte näher heran, da spürte sie plötzlich den kalten Lauf eines Gewehres an ihren Schulterblättern.

»Dabry dabry, jachre reu rez!«, sagte der Seshure in seiner Heimatsprache hinter ihr. Das bedeutete so viel wie: »Steh langsam auf!«

Joorn folgte dem Befehl und drehte sich langsam um. Der Kämpfer stand vermummt vor ihr und fuchtelte mit der Waffe.

»Soll ich jetzt Angst haben?«, fragte Joorn selbstsicher.

Dazu hatte sie auch jeden Grund, denn hinter dem Seshuren kam Herodot angeflogen und rammte den Wächter mit aller Härte. Joorn schnappte sich sofort die Waffe und trat dem Seshuren in den Bauch. Anschließend fesselte sie ihn und nahm seine Kleidung.

»Jetzt will ich Mäuschen spielen«, sagte Joorn zu Herodot und befahl dem Roboter, hier Wache zu halten.

Joorn schlich ins Lager und beobachtete, wie van Kehm Kawai Muhalla zu einem großen Container führte.

Sie folgte dem Pulk an Leuten und hoffte, sich so unauffällig wie möglich zu benehmen. So gut es ging, lauschte sie den Worten van Kehms.

»Wir haben in Gossis bereits erstaunliche Funde gemacht, die interessanter sind als die Königsmumie in Hascherut«, erklärte er.

Kawai Muhalla hörte ihm schweigend zu. Er wurde von dem niederländischen Wissenschaftler zum Container geführt, der just in diesem Moment geöffnet wurde.

Sowohl Muhalla als auch Denise Joorn staunten nicht schlecht, als sie die große Statue der Isis sahen. Sie war etwa vier Meter breit und zwei Meter hoch. Isis hockte auf dem Boden und breitete die Schwingen aus. Ein typisches Bild der Schwestergemahlin des Osiris.

Isis war eine der Hauptgöttinnen des alten Ägyptens gewesen. Ihre Beliebtheit war so groß, dass sie sogar während der Römerzeit noch verehrt wurde.

Sie gehörte zu den ältesten Göttern und ihren terranischen Ursprung fand man in der sogenannten Enneade von Onu, einer uralten, nicht mehr existierenden, Siedlung etwa zehn Kilometer von Kairo entfernt. Sie war besser unter dem Namen Heliopolis bekannt.

Nach dieser Kultstätte war der oberste Gott Atum-Re, also der Sonnengott. Re erschuf sich selbst und erschuf dann Schu und Tefnut, seine Kinder, die in dem alten Glauben der Ägypter die beiden Aspekte der Luft darstellten. Diese gebaren dann Nut und Geb, die Himmel und Erde darstellten. Deren Kinder waren dann Osiris, Seth, Isis und Nephthys. Osiris und Isis zeugten Horus.

Damit waren die wichtigsten Götter im alten Ägypten neben Anubis, Ptah und Apophis in diesem Schöpfungsmythos enthalten. Es gab viele Schöpfungsmythen im alten Ägypten und ebenso viele verschiedene Götter. Nur wenige wurden aber über die drei Jahrtausende der ägyptischen Reiche hinweg angebetet. Isis gehörte zu ihnen.

Muhalla lief zur großen Statue und berührte sie voller Respekt. Sichtlich um Fassung ringend blickte er Johannes van Kehm an, der über beide Wangen strahlte.

»Was ist Ihnen dieser Fund wert, Muhalla?«

Der Araber war immer noch verwundert. »50 Millionen Galax biete ich Ihnen für den Fund und Ihr Stillschweigen«, erklärte er wieder gefasst.

Van Kehm nickte. »Wenn das so weiter geht, kann ich bald den ganzen Planeten kaufen«, scherzte er amüsiert.

Kawai Muhalla fand diesen Ausspruch wenig lustig. Er wurde sehr ernst. »Niemand darf von diesem Fund erfahren. Ihre Ausgrabungen werden nicht mehr lange andauern. Das Kultur- und Wissenschaftsministerium stellt mir unangenehme Fragen, warum wir nicht vorankommen.

Ich werde ihnen bald erklären, dass es auf Seshur nichts gibt und die Funde reine Fälschungen gewesen sind. Dann wird das Kapitel abgeschlossen und wir werden alles der Wüste zurückgeben, wo es hingehört.«

Van Kehm schien nicht sehr erfreut über diese Nachricht zu sein. Langsam und bedrohlich humpelte er mit seinem Stock auf Muhalla zu. Van Kehm hatte seit dieser Revolte ein steifes Bein. Es war zu spät behandelt worden und er hatte abgelehnt, sich ein neues einsetzen zu lassen.

»Warum wollen Sie diese Sensation vertuschen? Wir können die Geschichte neu schreiben. Alles deutet darauf hin, dass die ägyptische Zivilisation hier seinen Ursprung genommen hat. Nicht einmal Atlan wusste das. Hier können wir die Frage nach den Göttern beantworten und uns einen Platz in der terranischen Geschichte sichern. Warum sollen wir das wegwerfen?«

Muhalla wurde wütend. Doch seine Worte sprach er ruhig und sehr ernst aus: »Weil Sie damit eine große Katastrophe für die Menschheit heraufbeschwören würden. Sie glauben Ägypten zu kennen? Darüber lache ich nur! Tun Sie, was ich Ihnen sage, damit Sie Ihr Geld verdienen.«

Van Kehm schwieg.

»Ach ja, und achten Sie darauf, dass diese Schnüfflerin nicht wieder auftaucht. Töten Sie sie falls nötig!«, befahl Muhalla, bevor er ging.

Zwei seiner Leute hoben die Isis-Statue mit einem Antigrav an und brachten sie zu seinem Gleiter.

Nach wenigen Minuten war der Gleiter im Dunkel der Nacht verschwunden. Van Kehm lief unruhig auf und ab. Sein Assistent, der grobschlächtige Mehandor Barlibus, bemerkte, dass sein Chef nicht gut gelaunt war.

»Was bedrückt Sie, Sir? Das sieht doch nach einem guten Geschäft aus.«

Van Kehm lachte bitter. »Ja, sicher. Doch es gibt Dinge, die sind mehr wert als Geld. Ein Platz in der Geschichte der Menschheit wäre mir sicher, wenn ich damit an die Öffentlichkeit treten würde.«

»Aber Muhalla würde das nie zulassen. Er würde Sie töten«, gab Barlibus zu bedenken.

»Ja… ja! Wenn wir ihm nicht zuvorkommen«, murmelte van Kehm und humpelte zurück zu seinem Zelt.

*

Denise Joorn machte sich unterdessen auf den Weg zu der Eingangstür, die sie wieder verschüttet hatte. Mit einer kleinen Lampe leuchtete sie sich den Weg. So unauffällig wie möglich wollte sie in die Katakomben vordringen.

Endlich hatte sie den Platz gefunden. Sie buddelte den Eingang frei und studierte die elektronische Schaltung. Die roten und grünen Knöpfe blinkten. Nach über zehntausend Jahren waren sie immer noch aktiv.

An der Seite der Schaltung fiel ihr erst jetzt ein kleines dreieckiges Loch auf. Joorn überlegte eine Weile, dann fiel ihr die kleine Pyramide über dem Kopf der Horus-Statue ein. Sie funkte Herodot an und bat ihn, ihr die Statue zu bringen. Der Roboter schlich sich an den Wachen vorbei und war nach drei Minuten bei Denise Joorn. Sie brach die Pyramide vom Horuskopf ab und steckte sie in die Öffnung. Die roten und grünen Knöpfe leuchteten nicht mehr abwechselnd, sondern gleichzeitig.

Joorn triumphierte schon, als sie ein Knacken des Tores hörte. Plötzlich klappte der Boden nach unten und Denise fiel unsanft etwa fünf Meter in die Tiefe. Mit einem dumpfen Aufschlag und einem unterdrückten Schrei fiel Joorn zu Boden. Sie hatte sich die Schulter gestaucht, biss jedoch die Zähne zusammen.

Benommen rappelte sie sich auf und schaltete eine Lampe an. Ein Schrei des Entsetzens hallte durch die dunklen Gänge, als sie bemerkte, dass sie inmitten von Knochen saß. Schnell erhob sie sich und schwenkte den Lichtspender durch den Raum.

»Denise! Alles in Ordnung?«, fragte Herodot.

»Ja, alles bestens«, antwortete sie. »Ich stehe wohl gerade in einem Massengrab.«

»Uh«, machte sie, als sie die Horus-Statue aus einem Haufen Totenschädel heraussuchen musste. Dann lief sie langsam weiter. Herodot beschloss, am Eingang Wache zu halten, als sich plötzlich die Tür wieder schloss.

»Verdammt!«, rief Joorn.

Sie nahm sofort Kontakt mit Herodot auf und bat ihn, mit Hilfe der kleinen Pyramide die Tür erneut zu öffnen, doch er hatte die Pyramide nicht mehr. Eine ungute Vorahnung beschlich Denise. Sie durchsuchte den Boden und fand die Pyramide. Sie musste abgefallen sein, als die Tür umklappte.

»Prächtig! Kehre wieder zum Auto zurück. Ich versuche, einen anderen Ausgang zu finden.«

Nachdem Herodot bestätigte, beendete Denise die Funkverbindung und lief langsam den dunklen Gang entlang.

An den kahlen, grauen Wänden waren Halter für Fackeln angebracht. In einigen dieser Halter steckten sogar ausgebrannte Holzfackeln.

Der Gang teilte sich nach etwa dreihundert Metern auf. Die Anlage musste riesig sein. Denise aktivierte den Orter und suchte nach Hinweisen. Eilig ließ sie das Gerät fallen, zog ein Messer und stach damit gegen die Wand. In letzter Sekunde hatte sie die Anzeige eines giftigen Reptils auf dem Display des Orters gesehen.

Langsam schritt sie weiter und entschied sich für den rechten Gang. Wieder lief sie mehrere hundert Meter, bevor sich der Weg aufteilte.

»Das kann ja noch heiter werden…«

 

In den Katakomben

Schon über 50 Minuten irrte Joorn durch die Gänge, ohne etwas gefunden zu haben. Es kam ihr beinahe so vor, als ginge sie im Kreis.

Da kam ihr die Idee, mit Herodots Hilfe aus dem Labyrinth zu kommen. Sie wollte ihn anfunken, doch er meldete sich nicht.

Irgendetwas stimmt nicht, dachte Joorn.

Sie war also auf sich allein gestellt. Die gestauchte Schulter schmerzte und das Gewicht der Horus-Statue beschwerte ihren Weg.

Joorn machte eine kleine Pause und lehnte sich an eine Wand. Die Wand war feucht und Denise spürte einen Luftzug in ihrem Nacken. Sie sprang auf und nahm den Multifunktionsstrahler. Die Archäologin schoss auf die Wand, die sofort auseinander brach. Dahinter befand sich ein Hohlraum. Wasser plätscherte von oben herab. Joorn untersuchte den ganzen Raum und entdeckte einen unterirdischen See. Der Wind kam aus einem kleinen Loch, doch die Wand war zu dick, um sie zu durchbrechen.

Das Wasser war nicht still, sondern floss in das Innere der Höhle. Joorn folgte dem Strom. Einige hundert Meter war das auch möglich, dann stieß sie auf ein Boot aus Schilf und eine Steintafel, auf der in Hieroglyphen geschrieben stand:

Wer reinen Herzens und voller Mut ist, der möge den Schritt in die Tiefe, in die Unterwelt wagen. Denn hier ruht die Göttin des Todes, der Unterwelt. Die Frau des Seth, Mutter des Anubis, Schwester der Isis und des Osiris. Hier wacht Nephthys in ihrem Grabe und wartet auf ihr Schicksal. Wer das Ankh der relativen Unsterblichkeit mit sich bringt, dem droht keine Gefahr. Wer der Gier wegen kommt, wird von den Dienern des Anubis gerichtet werden.

Joorn dachte an die Inschriften auf der Eingangstür. Diese waren ähnlich einladend, aber nicht so aufschlussreich. Anscheinend befand sie sich in einem Tempel der Nephthys. Womöglich sogar in einem symbolischen Grab.

Faszinierend war auch die Tatsache, dass Anubis als Sohn der Nephthys beschrieben wurde. Der Legende nach war Anubis zuerst der Gott der Toten, bis er von Osiris als Gott der Unterwelt ein wenig in den Hintergrund gedrängt wurde. Zu dieser Zeit entwickelte sich auch der Glaube, dass Anubis der Sohn von Nephthys war. Der Vater war allerdings nicht ihr Brudergemahl Seth, sondern ihr anderer Bruder Osiris. Isis half ihrer Schwester sogar, Anubis aufzuziehen.

Joorn dachte ungewollt an eine Seifenoper, die solche Beziehungskisten nicht besser hätte inszenieren können, doch steckte ein Kern Wahrheit dahinter? Die Götter waren keine reine Erfindung der alten Ägypter gewesen. Auch schien die Entwicklung in Heliopolis, Memphis oder Elephantine nicht zufällig geschehen zu sein. Von all den Göttern wurde bereits hier gesprochen.

Die ganze Angelegenheit wurde immer verworrener. Denise wollte endlich Antworten auf ihre vielen Fragen und stieg in das Boot. Wie alt es wohl war? Ob es ihr Gewicht überhaupt noch aushielt?

Sie musste es versuchen! Ein Paddel lag im Boot. Sie stieß sich von der Kante ab und ruderte den Flussverlauf entlang. Sie wurde automatisch schneller, denn die Strömung nahm zu. Ein lautes Rauschen ließ Joorn hochschrecken.

Ein Wasserfall!, schoss es ihr durch den Kopf.

Mit aller Macht versuchte sie gegen den Strom zu rudern, doch sie wurde mitgerissen. Der Wasserfall fiel zu Joorns Glück nur sechs Meter in die Tiefe. Das Boot zerschellte und Denise konnte gerade so noch auftauchen und sich an einem Stein festhalte. Mit aller Kraft schwamm sie zum unterirdischen Ufer.

Erst jetzt bemerkte sie, dass sie ihren Rucksack mit der Horus-Statue und ihrer Nahrung verloren hatte. Sie hatte an ihrem Gürtel nur eine Feldflasche, Nahrungspillen, das Ortungsgerät, das Interkomgerät, eine Energiefackel und ihre zwei Strahler befestigt.

Vor Joorn öffnete sich ein großes Tor. Grelles Licht blendete die Terranerin. Als sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, ging sie weiter.

Der Raum war mindestens zehn Meter hoch und dreißig Meter breit. Die Wände waren gleich lang. An jeder Seite befand sich ein großes Tor. In der Mitte der Halle war ein Podium. Joorn ging dorthin. Sie pustete den Staub von der Konsole. Ungewollt löste sie einen Impuls aus und grüne Symbole leuchteten auf der Apparatur.

Joorn drückte auf ein paar der altägyptischen Symbole und mit einem lauten Grollen wurden einige Planeten in der Mitte des Raumes projiziert. Ein ganzes System baute sich vor Joorn auf. Sie erkannte es sofort. Es war das System von Seshur.

Mit weit geöffnetem Mund blickte sie fasziniert auf das Schauspiel. In der Mitte befand sich die Sonne und alle Welten, wie auch Seshur, kreisten um sie herum.

Joorn sah sich die Konsole genauer an. Sie drückte ein Symbol, das sie nicht genau zuordnen konnte. Das System verkleinerte sich und sie erkannte den Sektor der Galaxis. Als sie auf den anderen Schalter drückte, wurde wieder auf das System gezoomt. Schnell machte sie sich mit dem Rest vertraut.

Sie war anscheinend in einer Kartenhalle. Joorn begriff noch nicht so ganz, dass das Volk der Seshuren die Raumfahrt beherrscht hatte. Aber so musste es ja sein, wenn sie ihren Glauben und ihr Wissen auf die Erde mitnahmen. Zumindest zum Teil.

Joorn suchte die Erde heraus, die auch genau katalogisiert war. Zu ihrem großen Erstaunen wurde der Asteroidengürtel als »Zeutgürtel« bezeichnet. Anscheinend wussten die Erbauer sehr viel über die Milchstraße.

Joorn wollte noch mehr herausfinden. Sie verließ auf der Karte die Milchstraße und staunte über die Genauigkeit der Beschreibungen. Andromeda wurde als Galaxis der Meister der Insel bezeichnet, bei den Magellan'schen Wolken fand sie einen Hinweis auf die Erste Schwingungsmacht.

»Wer zum Teufel waren die Konstrukteure dieser Holokarte?«, fragte sich Joorn laut. Es war unfassbar, was sie hier las.

Sie zoomte noch weiter weg. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie das Sternenportal 5,6 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt entdeckte. Auf der rechten Seite erschien ein kleiner Text.

Der Weg nach Benben – der alten Heimat Chepri – und Udjat, dem Auge des Re.

Joorn brauchte eine kleine Pause. Langsam war ihr das alles zu viel. Benben war in der ägyptischen Mythologie so viel wie der Urhügel, die Entstehung allen Lebens. Dort wo Re, Ptah, Amun oder wer auch immer, denn es variierte von Sage zu Sage, aus dem Chaos das Leben schuf.

Chepri oder Chepre war eine Gottheit, ein Skarabäus, der symbolisch für den Lauf der Sonne stand.

Udjat, das Auge des Re, war ein weiteres Symbol der alten Ägypter. Allerdings wurde es dort meistens als Auge des Horus bezeichnet. Wissenschaftler hatten schon oft überlegt, ob Laire damit etwas zu tun hatte. Aber hier wurde Udjat als das Auge des Re bezeichnet.

Joorn erinnerte sich an andere alte Mythen, die sich um das Udjat rankten. Eine von ihnen erzählte auch vom Auge des Re, der es ins Meer sandte um seine verloren gegangenen Kinder zu suchen. Dieses Auge des Re wurde unter anderem zur Kobra, die das Haupt des Gottes und die Krone der Pharaonen zierte.

Was immer die Konstrukteure mit Udjat meinten, es befand sich auf dem Weg nach Benben. Und Benben oder Chepri musste eine Galaxis sein, die man über das Sternenportal erreichen konnte. Also doch M100? War Chepri oder Benben in Wirklichkeit Dorgon? Aber wieso wurde in der Legende der Ägonen dann davon geschrieben, dass die Götter ihre Galaxis verlassen mussten, weil Sethophia sie offenbar besiegt hatte? War noch eine dritte Galaxis im Spiel? Doch über welches Volk sinnierte Denise überhaupt? Die Seshuren jedenfalls nicht. Sie war offenbar einer unbekannten, hochstehenden Kultur auf der Spur. Ein Schauer fuhr ihr über den Rücken. Diese Erkenntnis war gewaltig und kaum zu glauben.

Bevor Joorn tiefgreifender über diese neuen Erkenntnisse nachdenken konnte, wurde sie von einem lauten Krachen gestört. Sie deaktivierte die Schaltung und lief zum Eingang. Am oberen Wasserfall tauchten ein paar Gestalten auf, die mit einem Antigrav sich langsam herab ließen.

Es waren van Kehms Leute!

Fluchend rannte Joorn wieder in die große Halle und überlegte, in welchen der drei Gänge sie laufen sollte. Sie entschied sich für den linken. Energieleuchten waren im Abstand von zwei Metern an den Wänden befestigt.

Während sie lief, überlegte sie, was wohl Kawai Muhalla zu diesem Tempel sagen würde. Oder wusste er schon davon? Was versuchte er zu verheimlichen? Etwa gerade diese aufregende Sensation?

Joorn verstand seine Beweggründe nicht. Sie musste am besten mit dem Kultur- und Wissenschaftsminister selbst Kontakt aufnehmen. Oder noch eine Etage höher mit Perry Rhodan.

»Halt!«, hörte sie eine Stimme hinter sich. Energieschüsse zischten knapp an ihrem Kopf vorbei.

Joorn rannte schneller und wurde von drei Seshuren verfolgt. Plötzlich klappte der Boden weg. Joorn sprang geistesgegenwärtig über die Falle, doch zwei Soldaten fielen hinein. Sie fanden sofort ihren Tod, denn in der Grube befanden sich Spieße.

Der dritte Seshure sprang auch über den Abgrund. Joorn warf ihn mit einem Beinfeger zu Boden und trat seine Waffe weg.

Plötzlich erzitterte der Boden. Die beiden Kämpfenden blickten zum Eingang, der plötzlich dunkel wurde. Ein großer Kugelstein rollte direkt auf sie zu. Schreiend lief der Seshure tiefer in den Gang hinein.

Joorn erkannte, dass eine dicke Wurzel beim Abgrund aus der Wand ragte. Sie nahm Anlauf und sprang dort heran. Der Stein rollte über den Abgrund und erreichte Denise nicht. Mühevoll, denn die angeknackste Schulter schmerzte immer noch, zog sich die Terranerin hoch und folgte den Spuren des Steins, der dumpf gegen eine Wand aufschlug. Damit legte er einen neuen Gang frei.

Langsam kam in Joorn das Gefühl auf, dass sie in eine bestimmte Richtung gelenkt wurde. Die Fallen hatten alle ihre besondere Funktion. Wer klug genug war, sie zu überstehen, dem wurde der neue Weg gewiesen.

Vorbei an der Steinkugel betrat Joorn nun eine neue Halle. Sie war gänzlich leer, doch sofort öffnete sich eine Tür. Langsam ging Joorn dort hinein und vor ihr standen vier überlebensgroße Statuen der Nephthys. Sie waren aus Gold. Nephthys hatte beide Arme ausgebreitet.

Nephthys wurde als menschliche Frau dargestellt. Sie stand erhaben in diesem Raum, ihr Haar charakteristisch in der altägyptischen Frisur. Nephthys war die Göttin der Toten und der Geburt. Sie war bedeutend.

Joorn sah sich in dem Raum um. Überall standen Gefäße und Gegenstände aus Gold. Dann entdeckte sie die Tür in der Nordwand. Dort war nochmals Nephthys abgebildet und es stand dort geschrieben: »Hier ruht Nephthys und wartet auf ihren Erlöser, der ihr das Ankh der relativen Unsterblichkeit bringt. Er sei willkommen, alle anderen sind des Todes!«

Joorn wollte es nicht glauben, aber stand sie vor dem Grab der Nephthys? Umgehend wollte sie diese Frage lösen. Sie suchte nach der Öffnung der Tür.

*

Johannes van Kehm hatte sich auf den Weg gemacht, Joorn zu fangen. Er war im Kartenraum und versuchte die Inschriften zu entziffern. Einer der Leute kam entsetzt zu ihm.

»Herr, wir haben drei Männer im linken Gang verloren. Da sind fürchterliche Fallen«, berichtete der Seshure ängstlich.

»Da muss Sie sein. Schickt mehr Leute da hinein!«, befahl van Kehm.

In dem Moment kam Barlibus. Er hatte Herodot in einem Fesselfeld gefangen. Ebenfalls hatten seine Leute die Horus-Statue in dem See gefunden.

Van Kehm war sehr begeistert.

»Nun, Roboter, sage uns, wo deine Meisterin ist.«

Herodot schwieg.

Barlibus wurde ungeduldig. Er verstärkte das Fesselfeld. »Rede, du Blechbüchse«, brüllte er laut.

Doch der Roboter schwieg weiter. Wütend deaktivierte der Springer das Fesselfeld und schoss auf Herodot. Der Roboter zersprang in seine Einzelteile.

»Das war unklug«, maßregelte van Kehm seinen Assistenten.

Der Springer grunzte unzufrieden und lief dann in den linken Gang. Er dachte nur an die hohe Belohnung für die Ergreifung Joorns.

Van Kehm folgte ihm in gebührendem Abstand. Er wollte in keine der Fallen tappen, wie es einige der Seshuren getan hatten.

 

Das Grab der Nephthys

Die Tür war nicht manuell zu öffnen. Doch ein Schalter an der Seite machte Denise Joorn den Weg frei. Vor ihr lag eine fünfzehn mal fünfzehn Meter große Halle.

In der Mitte stand ein goldener Sarkophag. Dahinter eine Statue der Nephthys. Ihre ausgebreiteten Arme schienen etwas zu projizieren. Es leuchtete blau über dem gesamten Sarg.

Denise blickte sich um. Alle Wände waren mit Schriftzeichen verziert. Überall standen Statuen der Götter. Anubis, Isis, Osiris und Horus. Auch eine lebensgroße Statue des Seth stand in einer Ecke. Sie wirkte unheimlich auf Joorn. Seth war eine Mischung aus einem Menschen und einem Vogel. Die Statue wirkte bedrohlich. Denise verstand, wieso Nephthys keine Kinder mit dem zeugen wollte. Obgleich sie sich schon fragte, ob es einen wahren Kern nun gab. Wie in Osiris Namen – und der war ja offenbar dran beteiligt – kam dann ein Wesen dabei heraus, welches zur Hälfte Schakal und zur anderen Hälfte Mensch war? Und dessen Halbbruder Horus ein Falkenmensch war. Zumindest der Legende nach. Denise schüttelte den Gedanken ab.

Joorn betrachtete das blaue Feld genauer. Sie nahm ihre Fackel und warf sie dagegen. Sofort wurde sie desintegriert.

Denise wanderte im Raum umher. Es musste irgendetwas geben, womit sie den Schutzschirm deaktivieren konnte.

Ihr fiel ein Blitzen hinter der Seth-Statue auf. Joorn nahm den Strahler und schoss auf den Sockel Seths. Mit einem lauten Donnern sackte das Artefakt zusammen.

Dahinter befand sich eine Schalttafel. Von weitem hörte die Archäologin bereits die Stimme von van Kehm. Er war nicht mehr weit entfernt.

Ein kalter Schauer jagte Denise über den Rücken. Es war ziemlich kühl in der Gruft, die Luft war stickig und ihr ganzer Körper war nach dem Sturz ins Wasser immer noch durchnässt. Das hinderte sie jedoch nicht daran, ihre Aufgabe weiter durchzuführen.

Sie versuchte die Zeichen zu studieren, jedoch waren sie teilweise zu fremdartig. Auf gut Glück tippte sie ein paar Tasten.

»Aufhören!«, rief Barlibus und schoss auf Denise. Diese drückte noch ein paar Knöpfe und plötzlich passierte etwas Unfassbares.

 

Die Anubis-Wächter

»Was zur Hölle ist das?«, schrie Barlibus.

Irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein. Die Wände der Grabkammer schienen zu verschwimmen, die Grenzen zwischen Illusion und tatsächlicher Materie dahin zu schwinden. Wo sich zuvor noch harter, fester Stein befunden hatte, war nun eine undefinierbare, pulsierende und spiegelnde Masse. Auf allen vier Seiten begann sich der Stoff nun zu etwas Konkretem zu formen. Eine rundliche Ballung schälte sich jeweils heraus, die rasend schnell um sich selbst rotierte.

Schockiert zog Denise Joorn ihre Hände zurück, mit denen sie vor wenigen Momenten einige Schalter gedrückt hatte. Ihr war nicht bewusst, was sie ausgelöst hatte, doch sie hatte nicht das Gefühl, dass es etwas Gutes war.

Die irisierenden Masseballungen wurden matt; die Wand sah wieder aus wie zuvor, doch etwas hatte sich verändert.

Vier schakalköpfige, überlebensgroße Gestalten standen zu allen Seiten. Ihre Konturen waren noch nicht gänzlich fest, doch man konnte bereits erkennen, was das Endprodukt sein würde.

Der Totengott Anubis mal vier…

Joorn fuhr herum, als sie die Entladung eines neuartigen Thermostrahlers hinter sich hörte. Geistesgegenwärtig sprang Denise Joorn mit einer Rolle auf den Boden und wich so dem tödlichen Strahl aus. Sie fixierte den Angreifer, sprang akrobatisch mit einem Kick gegen seine Brust und entwaffnete ihn.

Jedoch standen gleich fünf andere Faktoten von van Kehm ihr gegenüber. Denise war schockiert, angewidert und zu zornig, um überhaupt etwas zu sagen. In ihr brodelte es.

»Was zum Teufel soll das eigentlich werden, van Kehm?«, schrie sie schließlich.

Der terranische Archäologe war gerade dabei, ihre Rivalität auf eine neue Stufe zu bringen. Bisher war es eine unfaire, aber relativ gewaltlose Auseinandersetzung gewesen. Diese Barriere schien nun gefallen zu sein.

Die Arme hinter dem Rücken verschränkt, betrat van Kehm die Grabkammer. Seine Arroganz spiegelte sich sowohl in seinem äußeren Erscheinungsbild als auch in seinem Gebaren wieder. Mit einem überheblichen Lächeln im Gesicht blickte er seine einstige Schülerin an. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber mit einem Mal wich sein überlegener Gesichtsausdruck einer Mischung aus Erstaunen und Furcht.

Die Anubis-Figuren bewegten sich…

Wenige Sekunden später brach die Hölle los. Einige der Männer van Kehms waren durch die zunächst ziellos scheinenden Bewegungen der Schakalköpfigen nervös geworden und hatten das Feuer auf sie eröffnet.

Das war keine sonderlich gute Idee, wie sich sogleich herausstellen sollte. Die Ebenbilder des ägyptischen Totengotts hatten nun ein Ziel, und dass sie nicht sonderlich guter Stimmung waren – falls man davon bei offensichtlich künstlichen Kreaturen überhaupt sprechen konnte – hatte eigentlich niemand ernsthaft bezweifelt.

Dasjenige der Anubis-Wesen, das sich am nächsten am Eingang befand, stürmte unvermittelt los und überrannte einen der Männer van Kehms förmlich. Mit einem einzigen Schlag seiner gewaltigen Pranke schickte es ihn ins Reich der Träume. Einer der Gefährten des Unglückseligen sprang das Monster an und klammerte sich an ihm fest, mit seinen Fäusten auf es einprügelnd. Fatalerweise verließen Körper und Schädel die Gruft nicht mehr in einem Stück. Der Anubis-Kämpfer öffnete das Maul und schnappte zu. Aus dem abgetrennten Rumpf schoss das Blut in Strömen, der abgetrennte Kopf rollte über den Boden den anderen Männern entgegen.

Heillose Verwirrung bestimmte das Bild in den folgenden Momenten. Von überall kamen die Schüsse aus Niederenergiewaffen, die anderen Wächter – oder welche Funktion sie auch immer erfüllten – mischten sich ein. Menschen riefen, schrien, liefen.

Mehr oder weniger hilflos hatte Joorn die Entwicklung beobachtet. Sie musste eine Alarmvorrichtung aktiviert haben, anders konnte sie sich das Geschehene nicht erklären. Trotz allem war sie aber erfahren genug, um die Lage nun nüchtern analysieren zu können.

Vielleicht war das die einzige Gelegenheit…

Denise wandte sich dem Sarkophag zu, der immer noch unter einem Schutzschirm lag. Zu nahe konnte sie nicht heran, doch es reichte aus, um die Texte auf dem Sarkophag lesen zu können.

Sie wollte die nun im Prinzip günstige Konstellation nutzen, um die Inschrift zu entziffern. Hastig überflog sie die Hieroglyphen. Es waren einige Schriftzeichen dabei, die ihr gänzlich unbekannt waren. Entweder waren sie später hinzugefügt worden oder sie repräsentierten eine andere alte Sprache.

Sie ließ ihre Augen weiterwandern und blieb plötzlich an einer Stelle hängen.

Konnte es wahr sein?

Zitternd vor Aufregung betrachtete sie die Lettern erneut. Es war kein Zweifel möglich.

Nphtys stand dort geschrieben. Also tatsächlich! Es war wahr!

Nphtys war das Äquivalent von Nephthys – und diese galt als Tochter der ägyptischen Schöpfungsgötter Nut und Geb, von denen laut der Legende von Heliopolis vieles ausging. Der Gott Atum, der gleichgesetzt mit dem Sonnengott Ré war, hatte Tefnut und Schu als Luft und Wasser geboren. Nut und Geb waren dessen Kinder und symbolisierten Himmel und Erde. Sie gebaren vier Kinder.

Nephthys war eine der Kinder, sie war die Tochter von Geb und Nut, Schwester von Isis, Osiris, Schwestergemahlin von Seth und Mutter von Anubis.

Es hieß, dass die Verbindung von Seth und Nephthys kinderlos blieb. Deswegen schlüpfte sie in die Gestalt ihrer Schwester Isis und zeugte mit Osiris ihren Sohn Anubis. Aus Furcht vor dem Zorn Seths versteckte sie ihn und Isis half ihr dabei, Anubis groß zu ziehen. Nach der Ermordung von Osiris durch ihren Gemahl Seth half Nephthys ihrer Schwester, die Körperteile des Osiris zu suchen und ihren Sohn Horus vor Seth zu schützen.

In diesem Osiris-Mythos wurden Nephthys folgende Worte zugeschrieben:

Ich bin gekommen, dich von hinten zu schützen, mein Bruder Osiris, König, Herr der zwei Länder Neb-Kheperu-Re. Ich habe deinen Kopf auf deinem Nacken befestigt; Anubis hat deine Glieder für dich eingesammelt. Er hat die Gesundheit deiner Glieder wiederhergestellt. Er hat alles Übel ausgelöscht. Er hat bewirkt, dass alle Sorge verschwindet. Du wirst nicht verfallen.

Die beiden Göttinnen Isis und Nephthys wurden oft gemeinsam als Weihen dargestellt, die die Toten beschützen. Zusammen mit den Göttinnen Neith und Selket umfassten sie die vier Ecken eines Sarkophags. Nephthys wurde jedoch oft als dunkle Seite der Isis bezeichnet. Sie galt als die Beschützerin des Horus-Sohnes Hapi.

Falls sich in diesem Grab tatsächlich ihre Knochen befinden sollten, so ließ sich die Tragweite dieser Entdeckung noch gar nicht in allen Konsequenzen abschätzen. Jedenfalls würde dies die Existenz der antiken ägyptischen »Götter« beweisen und der terranischen Geschichte eine völlig neue Erkenntnis bringen.

Ein Stampfen, das den Boden förmlich erschütterte, erinnerte Joorn daran, dass sie nicht allein war. Die meisten der anderen waren Panik erfüllt aus der Grabkammer geflohen; Joorn verstand sie, doch sie verwünschte sie gleichzeitig innerlich, denn aus den Katakomben wieder herauszufinden, war schwer genug, doch ohne ihre Führung und von scheinbaren Manifestationen eines antiken Totengotts durch die Gewölbe gehetzt, schien es nahezu unmöglich.

Einer der Anubis-Kämpfer war allein zurückgeblieben, wohl, um reinen Tisch zu machen. Er schien keinen Unterschied zwischen van Kehms Leuten und Denise Joorn zu machen.

Wie sollten diese Wesen auch zwischen den beiden Parteien differenzieren können? Und selbst wenn sie dazu in der Lage wären, wäre immer noch nicht geklärt, weshalb das überhaupt in ihrem Interesse sein sollte: Ihr Ziel war augenscheinlich die Verteidigung der Grabkammer und Beseitigung aller Eindringlinge.

Der Schakalköpfige kam näher und drängte Denise in eine Ecke. Joorn erblickte eine kleine Nische in einer Seitenwand, erkannte ihre Chance und nutzte sie sogleich. Die kleine Vertiefung als Absprungpunkt benutzend, machte sie einen Satz, der sie an der Anubis-Kopie vorbeibrachte und einen Schritt näher in Richtung Tür.

Der Wächter drehte sich um und stampfte auf Denise zu.

Von übermächtiger Angst durchdrungen, griff sie nach ihren Strahlern und feuerte auf den Anubis. Ladehemmung! Irgendwie musste der Energiespeicher beschädigt sein. Sie wechselte auf Projektil Modus um und feuerte. Bereits während sie es tat, erkannte sie die Sinnlosigkeit ihrer Handlung: Auch bei Dauerfeuer zuckte er nur leicht, die Kugeln prallten ab und sie konnte ihn nicht abschütteln.

Sie verfluchte sich insgeheim, dass sie den größten Teil der Ausrüstung außerhalb der Pyramide zurück gelassen hatte.

Denise Joorn machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus der Krypta. Sie wollte weg, weg von diesen fürchterlichen Wesen! Im Halbdunkel des Vorraums der Grabkammer stürzte sie beinahe über die Leiche eines der Männer van Kehms. Ihr wurde übel. Sie wurde nach wie vor verfolgt, wie sie mit einem raschen Blick über die Schulter feststellte. Gehetzt lief sie weiter. Auf dem Weg, den sie beim Hereinkommen genommen hatten, hatten die Wächter eine Spur der Vernichtung hinterlassen: Verwundete, Leichenteile und Ausrüstungsteile lagen weit verstreut auf dem Boden.

Instinktiv bog Denise nach links ab, als sie auf dem ursprünglichen Pfad verzweifelte Schreie hörte. Sie rannte durch eine Halle voller Götterstatuen. Hätte sie mehr Zeit gehabt, hätte sie sie liebend gern auf Material, Alter und mögliche Herkunft analysiert, doch das war nicht der richtige Augenblick. Es galt nun zunächst einmal, ihre eigene Haut zu retten.

Hektisch wandte sie sich um, nur um erkennen zu müssen, dass ihr der Verfolger immer dichter auf den Leib rückte. Der Weg beschrieb einen Bogen und lief beinahe in der Gegenrichtung weiter. Es war nicht der Weg, den sie gekommen war. Das war auch ziemlich unmöglich, denn sie konnte nicht den Wasserfall rauf schwimmen. Sie musste den Weg nehmen, den van Kehms Leute genommen hatten. Doch den kannte sie nicht.

Zusätzlich dazu, dass der Gang immer beschwerlicher wurde – die Wände schienen immer dichter zusammenzurücken –, machte ihr die Beleuchtung zu schaffen. Es waren keine Energiefackeln an den Wänden und außer einer kleinen Lampe hatte sie nichts dabei, um für etwas Licht zu sorgen.

Auf Ausrüstungsgegenstände, wie die sogenannten Tageslichtbrillen, hatte sie verzichtet. Erstens hielt sie es nicht für nötig und zweitens widersprach es einfach ihrer Forschermentalität. Sie war davon schon oft von Kollegen verlacht worden, doch sie hatte ihre Prinzipien. Sie sah diese nun allerdings durchaus in Frage gestellt.

Denise entdeckte einen Hohlraum in der Wand und schob sich blitzschnell hinein. Sie hielt den Atem an und betete, dass ihr Jäger ihr pochendes Herz nicht hören würde. Ihre Taktik ging auf: Er ging an ihr vorüber, ohne sie zu bemerken. Denise verschwendete keine Zeit, denn er würde innerhalb von Sekunden merken, dass sie ihn herein gelegt hatte. Sie schlich einige Meter zurück bis zu einer Kreuzung und wählte aufs Geratewohl eine Richtung. Jedoch nur wenige Sekunden später musste sie erkennen, dass sie mit dieser Taktik nichts erreichen würde. Die Schritte des Verfolgers waren schon wieder hinter ihr zu hören.

Möglicherweise war sie in der Lage, noch drei- oder viermal einen Haken zu schlagen, den Anubis-Kämpfer auszutricksen, doch irgendwann würde sie ermüden und ihm schließlich zum Opfer fallen.

Verdammt, nein, das werde ich nicht!

Die Beine wurden ihr zunehmend schwerer, und sie fasste einen Entschluss. Irgendwie musste sie sich den Verfolger vom Hals schaffen, und wenn sie ihn nicht abhängen konnte, dann musste es eben auf andere Weise geschehen.

Denise betrat eine weitere, rundlich angelegte Halle. Zu allen vier Seiten befanden sich Ausgänge, und darüber hinaus verlief am Rand entlang eine Art Rampe, ein Aufgang. Joorn rannte ihn hinauf und bückte sich hinter einige Statuen, die sich in etwa drei Metern Höhe über dem ebenen Terrain befanden. Joorn hielt sich jetzt genau oberhalb von dem Eingang auf, durch den sie hereingekommen war. Der Schakalkopf musste jeden Moment nachfolgen.

Erst jetzt realisierte Denise, dass die Isis-Statue, hinter die sie sich geduckt hatte, mit dem Sockel nicht am Boden befestigt war. Sie versuchte, sie zu bewegen, schaffte es jedoch nur millimeterweise.

Der Jäger war da. Er stand nun unter ihr und blickte sich um, offenbar unsicher, wohin er sich wenden sollte.

Jetzt oder nie!

Denise lehnte sich mit dem Rücken gegen die Statue und drückte mit ganzer Kraft. Das Standbild geriet ins Schwanken und kippte schließlich nach unten. Es traf das Abbild des Totengotts mit voller Wucht am Kopf. Das war offensichtlich selbst für ihn zu viel, und er wurde zu Boden gedrückt, wo er regungslos verharrte.

Erleichtert lief Denise zu ihm hinunter. Sie agierte vorsichtig, da sie sich verständlicherweise immer noch nicht ganz sicher war, ob ihre Tat ausreichend gewesen war. Doch nach kurzer Begutachtung war sie sich sicher: Dieses Wesen war tot, kaputt oder deaktiviert – oder alles gleichzeitig, je nachdem, wie man es klassifizierte.

Joorn beugte sich über den Schädel und runzelte die Stirn. Sie sah mechanische Bauteile, die mit organischen Komponenten verknüpft waren. Damit war endgültig klar, dass es sich hier um künstliche Kreaturen handelte.

Sie bemerkte ein rötliches, pulsierendes Licht auf Brusthöhe. Mit großer Wahrscheinlichkeit war dieses Leuchten durch ihre Aktion ausgelöst worden, denn wenn es vorher schon geblinkt hätte, so hätte sie es bemerken müssen. Daraus schloss sie, dass es sich möglicherweise um ein Kommunikationssignal handelte, vermutlich an die anderen Wächter. Diese Erkenntnis verursachte großes Unwohlsein in ihr.

Ich muss hier so schnell wie möglich weg, schoss es ihr durch den Kopf. Diese Bestien machen sonst Hackfleisch aus mir.

*

Schon seit Stunden irrte sie relativ ziellos durch die Katakomben und entwickelte eine regelrechte Paranoia. Das war aber unter den gegebenen Umständen durchaus nachvollziehbar: Sie war zwar auf keinen der Kämpfer mehr gestoßen, doch sie war immer wieder von Abwehrmechanismen und Fallen überrascht worden. Einmal hatte sie etwa versucht, einen Raum zu betreten, doch die Steinplatten auf dem Boden waren nicht alle fest. Sie brach ein und konnte sich gerade noch mit einer Hand am Rand festhalten. Die Falle war einfach konstruiert, aber dennoch in ihrer Wirksamkeit unbestreitbar tödlich: Ihr Absturz hätte nach schätzungsweise zehn Metern in einer Grube mit senkrecht aufgestellten, spitz zulaufenden Holzpfeilern geendet.

Ein anderes Mal war sie in einen Raum geraten, dessen Tür sich nach Eintreten selbständig schloss und sich auch so einfach nicht mehr öffnen ließ. Der Raum enthielt tausende von kleinen, hungrigen und beißwütigen Giftschlangen. Immerhin war es ihr gelungen, einen der Strahler wieder funktionstüchtig zu machen, so dass sie die garstigen Reptilien zerstrahlen konnte.

Beinahe unmittelbar, nachdem sie dieses Problem gelöst hatte, wurde sie um Haaresbreite wie eine Salami in Scheiben geschnitten: Aus der Wand kamen scharfe Klingen herausgeschossen, eine erwischte sie noch leicht an der Hüfte. Sonst war sie keinen größeren Schwierigkeiten begegnet, wenn man von der wahrscheinlich mehrere Tonnen schweren Steinkugel absah, die sie fast überrollte und vor der sie sich nur durch einen Hechtsprung in Sicherheit bringen konnte.

Schließlich hatte sie erkannt, dass die Atemluft besser wurde. Es musste also in der Nähe einen Ausgang geben. Nach einigen Minuten hatte sie ihn gefunden und befand sich außerhalb des Gebäudes.

Sie wusste nicht, wo sie war. Sie musste vielleicht einige Kilometer in den Katakomben herum geirrt sein. Ein Funkspruch an Herodot blieb ohne Antwort. Van Kehms Leute hatten ihn sicherlich vernichtet.

Eine Spur ihrer Leute war nirgendwo zu entdecken. Sie würde also versuchen müssen, das nächste Dorf zu Fuß zu erreichen. Dazwischen lag lediglich die glühende Hitze der Wüste…

 

Der Killer

Johannes van Kehm runzelte die Stirn. Soeben war ihm von einem Mitarbeiter die Nachricht überbracht worden, dass die restlichen Überlebenden seiner Leute – etwa zwei Dutzend hatten den Tod gefunden – geflohen waren. Angeblich liebten sie das Abenteuer, doch in van Kehms Augen waren sie Angsthasen. Einer der Männer hatte gesagt, er sei schon Söldner in den unmenschlichsten stellaren Konflikten gewesen, aber mit Göttern wolle er sich besser nicht anlegen.

Barlibus und ein paar andere Getreue blieben da. Meist Kopfgeldjäger und Männer, die mit Göttern und Mythen wenig anfangen konnten. Nur mit dem Galax.

Van Kehm hatte diese Entwicklung allerdings vorausgesehen. Als sie vor einigen Stunden aus den Gewölben des antiken Gebäudes zurückgekehrt waren, hatte er sofort einige Gespräche geführt. Die Konversation mit der wichtigsten Person hatte er unterdessen mit einem Mittelsmann gehabt.

Er wusste, dass Denise Joorn noch am Leben war. Doch mit dieser Tatsache musste er sich nicht notwendigerweise abfinden. Er hatte nämlich einen Profi engagiert, der das ändern würde: Torkan.

Dieser Mann verrichtete vornehmlich auf Lepso, Stiftermann III und auch der BASIS seine Arbeit, hatte allerdings auch schon Ermordungen für unangenehme Personen auf Terra und Arkon durchgeführt. Van Kehm vermutete indes, dass noch einige Tötungen mehr auf sein Konto gingen, von denen nichts bekannt war.

Torkan war berüchtigt und stand auf den Fahndungslisten des Terranischen Liga-Dienstes ganz oben. Er trug immer eine Maske, um nicht erkannt zu werden. Es hieß aber, er stammte von Mashratan und hatte zu Kerkums Geheimdienst gehört.

Im alltäglichen Leben waren damit die Chancen, entdeckt zu werden, nahezu null, denn immer wenn der TLD eine heiße Spur verfolgte, roch Torkan den Braten kurz vor dem Zugriff und machte sich aus dem Staub.

Van Kehm lehnte sich in seinen Sessel zurück. Dieses mobile Hauptquartier in der Wüste war ganz nach seinem Geschmack: Stilvoll, gut ausgerüstet und mit einem Paratronschirm umgeben. Damit waren sie vor optischer Entdeckung geschützt.

Barlibus signalisierte ihm, dass sein Besucher angekommen war.

»Herein!«, befahl er.

Von schweren Schritten angekündigt, betrat Torkan den Raum. Von seinem Aussehen her konnte man lediglich sagen, dass er humanoid war: Er trug eine grünblaue Ganzkörperpanzerung, die im Übrigen mit getrockneten Blutspritzern übersät war, wenn man genau hinschaute. Die Maske war vor das Gesicht gebunden, der kahle Hinterkopf war zu sehen. Eine grünliche, schuppige Haut wurde erkennbar.

»Ich habe gehört, du hast einen Auftrag für mich«, begann Torkan mit dumpfer Stimme, ohne die obligatorischen Grußformeln auszutauschen.

Van Kehm bemerkte es, deutete es aber positiv. Dieser Kerl war ein Mann der Tat.

»Das ist richtig«, entgegnete der Forscher. »Ich möchte, dass Sie jemanden für mich umbringen.«

»Ich gratuliere dir zu deiner Wahl. Du hättest keinen Besseren finden können«, sagte Torkan.

Van Kehm spürte, dass der Mann unter der Maske grinste. Ihm war nicht ganz wohl bei seiner Anwesenheit, aber er würde glücklicherweise für ihn arbeiten. Andernfalls… Nun, er hätte ihn nicht gerne zum Feind.

Van Kehm schüttelte die Gedanken ab und begann, Torkan in die Details einzuweihen.

»Das hier ist das… Objekt.«

Er aktivierte mit einem Knopfdruck ein Hologramm, das eine etwa dreißig Zentimeter große Projektion von Denise Joorn zeigte.

»Ich biete dir eine Million Galax für ihren Kopf. Töte sie, auf welche Weise auch immer.«

»Ich akzeptiere«, erklärte Torkan.

Er reichte van Kehm die Hand und wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber doch nochmals zurück.

»Solltest du die klassische Präsentation des Kopfes auf dem Silbertablett wünschen, so bekomme ich allerdings einen Zuschlag.«

»Nun, das wird nicht nötig sein. Danke für das Angebot«, antwortete der Holländer süffisant. »Das einzige, was mir wichtig ist, ist ihr Dahinscheiden. Sie soll mir nicht mehr dazwischen pfuschen können. Ob sie ionisiert, desintegriert, verbrannt, erschossen, gehängt, ertränkt oder vergiftet wird, ist mir grundsätzlich egal. Sie soll nur tot sein – und mein Name nicht damit in Verbindung gebracht werden…«

 

In der Wüste Gossis

Wasser!

Denise Joorn kniete im heißen Wüstensand und ließ sich die letzten Tropfen aus ihrer Trinkflasche in den Mund laufen. Dann war die Flasche leer, und sie warf sie frustriert weg. Das hieß, sie wollte sie wegwerfen, doch ihr fehlte die Kraft dazu. Sie plumpste ihr einfach vor die Füße.

Eigentlich hätte sie die Siedlung Abakazaar, die sie angepeilt hatte, schon längst erreichen müssen, aber in einem Sandsturm, der zwar nicht besonders heftig war, dafür aber eine Viertelstunde dauerte, hatte sie die Orientierung mehr oder weniger verloren. Sie war sich nun überhaupt nicht mehr sicher, und da es schon seit Stunden bergauf zu gehen schien, konnte sie auch nicht sicher erkennen, ob sich das Städtchen vielleicht am Horizont verbarg.

Getrockneter Schweiß ließ ihre Kleidung auf der Haut kleben. Ihr Wille war noch lange nicht gebrochen, doch die Frage war, wie lange ihr Körper noch mitspielen würde.

Abakazaar war eine kleine Kolonie, die seit einigen Wochen größtenteils von Archäologen bewohnt war, die aber nicht unbedingt etwas mit ihr zu tun hatten.

Plötzlich kam sie an einem ausgedörrten Baum vorbei, der ihr sehr bekannt vorgekommen war. Diesen Baum hatte sie auf dem Weg zum Einstieg der Gruft gestreift. Sie rannte so schnell sie noch konnte und erreichte nach vierzig Minuten die Ruinenhäuser aus Lehm. Unweit davon stand ihr Automobil, jedoch ausgeraubt und demoliert.

Die Überreste Herodots lagen im Sand verstreut. Denise musste sich die Tränen zurückhalten, denn der Roboter war ihr ein guter Freund gewesen.

»Das wirst du mir heimzahlen«, knurrte Denise laut.

Viel hatten sie nicht da gelassen. Viel hatte Joorn auch nicht mehr. Die Horus-Statue war weg, sie hatte nur noch einen Thermostrahler, kaum Nahrung und kein Wasser. Immerhin funktionierte das Auto noch – mehr oder weniger.

Sie startete und machte sich auf den Weg zur Siedlung Abakazaar, die in anderer Richtung nur wenige Stunden entfernt war.

 

Abakazaar

Ein flüchtiger Blick auf ihr Chronometer verriet Denise Joorn, dass es inzwischen der 13. Oktober 1298 NGZ war. Morgen hatte sie Geburtstag. Es würde wohl eine sehr stille Feier werden.

Sie hatte endlich die Siedlung erreicht. Als Stadt konnte man Abakazaar nicht bezeichnen, denn etwa zwanzig Häuser und knapp einhundert Seshuren bildeten diese Oase in der Wüste.

Viel interessanter war das Wissenschaftlercamp am anderen Ende der Ansiedlung. Etwa vierzig Wissenschaftler und ihre Assistenten gruben nach einem alten Relikt. Nach seshurischen Aufzeichnungen war genau bei Abakazaar etwas Besonderes, Gewaltiges und Unvorstellbares.

Das hatte natürlich viele Wissenschaftler angelockt und Kawai Muhalla hatte ihnen gestattet zu graben. Der Mann hatte mehr Macht, als es Joorn lieb war. Vor allem, da er anscheinend mit Johannes van Kehm etwas vertuschen wollte.

Ob die Wissenschaftler hier ähnlich ignorant waren, würde sich noch herausstellen.

Einer auf jeden Fall nicht, dachte Denise mit einem Schmunzeln.

Sie wanderte durch das kleine Dorf und erreichte das Camp. Eine Wache stand am Eingang. Der Ertruser hatte nicht einmal eine Waffe, war allerdings gut gebaut und sicherlich ein großes Hindernis. Er blickte Denise grimmig an.

Joorn war jedoch nicht sonderlich eingeschüchtert. Nicht nachdem, was sie mit den Anubis-Androiden erlebt hatte.

»Ich möchte mit Jean-Yves Priou sprechen«, sagte sie knapp und ziemlich schroff. Eigentlich wollte sie einen anderen Tonfall wählen, doch sie war einfach zu erschöpft und gereizt. Sie war hundemüde, durstig und hungrig.

»Und warum?«, wollte der Umwelt angepasste Kolonist wissen.

»Ich bin eine gute Freundin von ihm, wenn du verstehst, was ich meine«, erwiderte sie mit einem Lächeln und Augenzwinkern. Sie hoffte, ihn so überzeugen zu können.

»Du denkst wohl, du hättest einen dummen Dscherro vor dir, Mädchen. Ich will den Grund wissen!«, grunzte der Ertruser grimmig und tappte unruhig mit dem Fuß.

»Also gut, Dicker!«, rief sie entnervt. »Ich bin Denise Joorn, eine Archäologin, die von Anubis-Androiden und idiotischen Schatzjägern quer durch die Wüste Gossis gejagt wurde!«

Der Ertruser verzog keine Miene. Dann sagte er: »Warum hast du das nicht gleich gesagt, komm nur herein.«

Der Hüne gewährte Denise Einlass und grinste breit. Denise sah ihn verwundert an und verstand die Welt nicht mehr. Sie war keine zwei Minuten in dem Lager, da kam ihr auch schon Jean-Yves Priou entgegen. Der leicht untersetzte Terraner aus Frankreich trug sein braunes Haar wirr und eine Kombination aus schwarzer Hose und einem roten Hemd. Am Gürtel hingen allerlei Werkzeuge.

Mit einem herzlichen Lächeln lief er auf Denise zu und begrüßte sie freundlich. »Denise, was bin ich froh, dich hier zu sehen. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, seitdem ich gehört hatte, dass du wieder auf eigene Faust ausgraben willst.«

Denise winkte ab. »Ich würde ja lieber mit euch forschen, doch Kawai Muhalla mag mich nicht sonderlich. Ich bin ihm wohl zu neugierig«, sagte sie zynisch.

»Ah, ich verstehe. Wir haben auch große Schwierigkeiten mit Muhalla. Seitdem van Kehm sein Günstling ist, dürfen wir kaum mehr irgendwo graben. Ich und mein Team haben Glück, dass wir den Vertrag für diesen Abschnitt schon sehr früh abgeschlossen haben und er auch noch eine Weile läuft.«

Ein lautes Knurren veranlasste Priou herzlich zu lachen.

»Du scheinst Hunger zu haben, kleine Denise.«

Denise lächelte. Jean-Yves Priou war ein alter Freund ihres Vaters gewesen und hatte sich oft ihrer angenommen, wenn es mal bei den Ausgrabungen brenzlig wurde. Sie kannte ihn schon von klein auf und nannte ihn auch »Onkel Jean-Yves«.

»Ja, ich könnte ein ganzes Kamel verdrücken«, gestand Joorn.

»Naja, mit Kamelen können wir nicht dienen, aber neben unserem Camp ist eine McDonald's-Filiale«, erklärte Priou beiläufig. »Die werden immer schneller mit ihren Ketten. Kaum ist Seshur etwas bekannter geworden, wird eine Fastfoodkette errichtet. In der Hauptstadt steht ein Burger King…«

Denise schüttelte den Kopf. »Naja, wenn ihr nichts Besseres habt, dann gebe ich mich meinem Magen geschlagen. Es gibt viel zu erzählen, Onkel Jean-Yves.«

Der Terraner nahm Denise in den Arm und drückte sie fest. Dann liefen sie zum besagten Restaurant und schlugen sich den Bauch voll.     

 

Vertuschungen

Denise berichtete von ihren Erlebnissen. Von dem Fund der Horus-Statue aus Howalgonium, dem unerfreulichen Gespräch mit Kawai Muhalla, der Begegnung mit Johannes van Kehm und der Isis-Statue, die der Öffentlichkeit vorenthalten werden sollte und letztlich von dem Tempel der Nephthys mit all seinen Geheimnissen.

Jean-Yves brauchte eine Weile, um die neuen Erkenntnisse zu verarbeiten. Was sie ihm erzählte, klang zu unglaublich. Anubis-Androiden, das Grab der Nephthys, einer Göttin des alten Ägyptens. Eine Sternenkarte, die bis nach Cartwheel reichte und fremde Technologien. All das warf die Thesen aller Ägyptologen der letzten dreitausend Jahre über den Haufen.

Im 20. bis 22. Jahrhundert rankten sich viele Thesen um die alten Ägypter. Wissenschaftler wie von Däniken oder Gatenbrink waren dabei besonders durch ihre für die Wissenschaft wahnwitzigen Theorien bekannt.

So hatte Erich von Däniken immer behauptet, Außerirdische hätten die Altägypter beeinflusst. Dafür war er stets belächelt worden. Im Nachhinein hatte er recht, denn zumindest Atlan und Akonen hatten die Altägypter beeinflusst. Und vermutlich steckte noch viel mehr dahinter.

Nach dem Fund der »Säulen der Ewigkeit« wurde die Stele im Jahre 2168 von Sir Harys Kavanagh ausgegraben. Auf ihr war das Gesetz des altägyptischen Gottkönigs Menes, der sich später Narmer genannt hatte. Menes-Narmer galt als Reichseiniger des alten Ober- und Unterägypten, was damals Kemet genannt wurde.

Viel später hatte sich herausgestellt, dass Atlan zu dieser Zeit in Ägypten gewesen war. Er hatte Menes-Narmer positiv beeinflusst und ihm bei dem geholfen, was der oberägyptische Horden Führer Skorpion I. begonnen hatte. Atlan hatte damals unter dem Namen Ré-Anhetes-Atlan gelebt und galt als Freund des Gottkönigs.

Nach den Erzählungen Atlans viele Jahrhunderte später sahen die Ägyptologen die letzten Geheimnisse geklärt. Man schrieb den Götterkult um Ré, Anubis und Osiris entweder Zufällen, Atlan oder schiffbrüchigen Akonen, die ebenfalls um diese Zeit in Ägypten ihr Unwesen getrieben hatten, zu.

Auf jeden Fall sah man keine Geheimnisse mehr darin und war auch felsenfest davon überzeugt, dass es diese Götter nicht wirklich gegeben hatte. Denise Joorn hatte jetzt vielleicht den Gegenbeweis entdeckt.

Vielleicht wollten deshalb Kawai Muhalla und Johannes van Kehm den Fund geheim halten. Aber was hatten sie davon? Warum wollten sie die zweifelhafte Ehre von längst toten Forschern aufrechterhalten? Warum dieser Zwang, das Geheimnis zu schützen?

Hätte man schon damals so gehandelt und den arabischen Einwohnern in Ägypten im Mittelalter Terras geglaubt, so wären die Pyramiden in Gizeh von Mohammed selbst gebaut worden und nicht von Chufu, Chepren oder Menkaure.

Die Wissenschaft musste sich weiterentwickeln, und es gab kein schlimmeres Armutszeugnis eines Forschers, als eindeutige Hinweise zu ignorieren.

Was hatte Muhalla zu befürchten? Warum mischte van Kehm bei der Sache mit? Er war doch auf solche Funde und die damit verbundene Publicity aus.

Joorn verstand nicht den Sinn dieser Vertuschung, während sie ihr Terra-Aqua trank. Jean-Yves stopfte sich einige Hamburger genüsslich nacheinander in den Mund und trank ein einheimisches Bier.

»Wenigstens etwas terranische Zivilisation in dieser Einöde«, meinte er freudig und deutete auf die Speisen.

Joorn verdrehte amüsiert die Augen. »Wie kommst du mit den Ausgrabungen voran?«, erkundigte sie sich.

Priou hatte den Mund voll und gestikulierte wild mit den Händen und schüttelte den Kopf, solange er nichts sagen konnte, ohne den Inhalt in seinem Mund zu verlieren. Als er herunter geschluckt hatte, erklärte er, was passiert war: »Wir werden auch sabotiert, wo es nur geht. Bei Hascherut dürfen wir nicht graben, wie ich schon erwähnte. Und hier gibt es nur Sand und Hinterlassenschaften von seshurischen Kulturen, die uns im Moment wenig interessieren.

Es ist ein Kreuz mit Muhalla und van Kehm. Ich bin ja im Forschungsausschuss von Terra, wie du weißt. Angeblich ist die Mumie, die du gefunden hast, nur 2000 Jahre alt und das Ankh-Symbol wurde von terranischen Touristen nach Seshur gebracht. Beide Funde wurden jedoch bei einem Brand vernichtet. Seitdem keine neuen Funde! Jedes Mal, wenn wir irgendwo nahe dran sind, das spüre ich, kommt van Kehm und verbietet uns weitere Ausgrabungen!«

In der Stimme von Priou lag viel Frust, aber auch Resignation. Denise spürte das und legte ihre Hand auf seinen Unterarm.

»Onkel Jean-Yves. Jetzt bin ich hier. Gemeinsam können wir Muhalla und van Kehm gewaltig in den Ar…«

»Kindchen, ich habe dir nicht solche Sprüche beigebracht«, unterbrach er lachend Denise und stand auf.

»Ich habe aber eine Überraschung für dich! Ein Kollege, auch aus Frankreich, hat etwa 250 Kilometer südöstlich von hier, nahe der Siedlung Karanz, einen interessanten Fund gemacht, über den er allerdings noch nicht sprechen will. Er bat mich, dorthin zu fahren, aber ich denke, dass du das besser machen solltest, während ich hier versuche, van Kehm und Muhalla auf mich zu lenken.«

Joorn lächelte über den Einsatzwillen von Jean-Yves. Sie stimmte zu. Er gab ihr die genauen Koordinaten des Camps und Denise machte sich am nächsten Tag, nach einer Mütze voll Schlaf und einer Dusche, auf den Weg nach Karanz. Allein… so dachte sie zumindest.

Kaum war der Gleiter von Denise Joorn aus dem Lager, brauste auch schon ein zweiter Gleiter hinterher. In dem zweiten Gefährt saß ein maskierter Mann. Er hatte einen Auftrag, Denise Joorn töten!

 

Der Pharao von Seshur

Denise Joorn erreichte am 29. Oktober 1298 NGZ die Siedlung Karanz. Auch dort war eine Station von Wissenschaftlern. Den Seshuren in Karanz erging es auch nicht anders als auf dem Rest des Planeten. Die Armut war grenzenlos und die Menschen lebten wie im terranischen Mittelalter. Es gab keine sozialen Absicherungen, nicht genügend Arbeitsplätze und Menschenrechte waren hier auch noch nicht bekannt.

Denise wurde freundlich von den Wissenschaftlern empfangen. Jaques Allargoté war Prious Freund. Der Frankokanadier war hoch gewachsen, hager und trug einen Oberlippenbart. Da er Denise bereits aus Erzählungen kannte, vertraute er ihr sofort.

»Kommen Sie mit, Miss Joorn. Ich habe da etwas, was Sie begeistern wird«, erklärte der Wissenschaftler hektisch.

Er packte Denise bei der Hand und brachte sie in einen Raum. Dort befand sich eine Steintafel mit Hieroglyphen. Darauf stand geschrieben:

Ich bin Herhatep, der Gottkönig von Seshur. Mein Wort ist Gesetz, mein Wort ist die Macht. Ich, Günstling des Osiris und des Seth, habe von trauriger Kunde erfahren, die ich der Nachwelt mitteilen will. Horus, Sohn des Osiris, kam zu mir in einer göttlichen Vision und erklärte, dass sein Vater von Seth verraten und irdisch ermordet wurde.

Er war in tiefer Trauer und sagte, dass die Zukunft seines und meines Volkes ungewiss sei, da es nun zum Kampfe zwischen ihm und seinem Onkel, dem mächtigen und finsteren Seth, kommen würde.

Ich schreibe dies aus großer Verzweiflung und Trauer um Osiris, den König der Könige, der Äonen im goldenen Zeitalter Kemet beherrscht hat. Mein Volk ist schwach und kann sich nicht mit den neuen Errungenschaften zurecht finden.

Unser aller Schicksal ist ungewiss. Der einzige Trost war die Aussage von Horus, dass sein Vater eines Tages mit Sicherheit auferstehen wird.

Ich werde es nicht erleben in meinem irdischen Dasein. Erst wenn ich im Jenseits bin und Anubis mein Herz mit einer Feder aufwiegt und ich in die Sonnenbarke mit Ré gehen kann. Dann wird mir Osiris nahe sein.

Denise grübelte über diese Worte, die anscheinend von einem seshurischen Pharao stammten. Was er hier beschrieb, schien der Anfang des Osiris-Mythos zu sein. In Gedanken ließ Denise den gesamten Mythos ablaufen, wie er von ägyptischen Priestern, den Männern und Frauen im ägyptischen Volke und dem griechischen Geschichtsschreiber Plutarch vorgetragen wurde.

 

Der Osiris Mythos

Vor Tausenden von Jahren wurde Osiris König über ganz Ägypten und zeigte den Menschen den Ackerbau und kultivierte sie. Seth aber war eifersüchtig auf seinen Bruder und stellte ihm eine List. Er maß heimlich den Körper des Osiris aus und fertigte eine reich verzierte Lade nach seinen Körpermaßen her.

Auf einem Fest versprach er demjenigen, der in die Lade passte, ihm diese zu schenken. Als Osiris sich in sie hineinlegte, klappte Seth den Deckel zu und warf die Lade in den Nil.

Isis, Gemahlin und Schwester des Osiris, machte sich verzweifelt auf die Suche nach ihrem Geliebten und erfuhr schließlich, dass die Lade in einem bewucherten Baum steckte. Der König von Byblos aber kam ihr zuvor und ließ den Stamm, aus Bewunderung an seiner Größe, als Pfeiler seines Palastes verwenden.

Isis hörte davon und machte sich auf nach Byblos. Der König war sehr angetan von ihr, und machte sie zu der Amme seines Kindes. Isis ernährte das Kind, indem sie ihre Finger in seinem Mund steckte. Nachts aber verbrannte sie das Sterbliche seines Körpers und flog als Schwalbe klagend um den Pfeiler. Die Königin sah erschrocken, wie ihr Kind brannte und gab Isis nun den Pfeiler.

Sie befreite den Sarg aus dem Stamm und zeugte mit der Leiche einen Sohn – Horus.

Seth entdeckte den Sarg und zerriss wütend den Körper von Osiris und zerstreute seine Einzelteile über ganz Ägypten. Isis sammelte seine Körperteile ein und setzte sie wieder zusammen.

Das war der Osiris-Mythos, doch es ging weiter. Der Kampf zwischen Osiris' Sohn Horus und Osiris' Bruder Seth um die Thronfolge:

Als Horus erwachsen geworden war, beschloss er Anspruch auf den ägyptischen Thron zu erheben, denn immerhin war er der legitime Sohn vom früheren Herrscher Osiris, der nur durch Seths Machthunger getötet wurde. Aber da hieß es erst, seinen Onkel Seth vom Thron zu stoßen, und so wandte er sich an ein Tribunal, dem die wichtigsten Götter unter dem Vorsitz des Sonnengottes Re angehörten. Horus' Großvater Schu und der Weisheitsgott Thot unterstützten ihn in seinem Vorhaben. Isis glaubte ihren Sohn schon sicher auf dem Thron Ägyptens zu sehen und schickte den Nordwind in die Unterwelt, um Osiris die gute Nachricht zu überbringen.

Aber Ré war sich nicht sicher, ob Horus der richtige Herrscher wäre. Er ist zwar der Nachfolger seines Vaters Osiris, aber Seths Herrschaft war immerhin durch seine Macht und Stärke berechtigt.

Seth schlug vor, den Streit außerhalb des Gerichtssaales bei einer Kraftprobe zu entscheiden. Thot stellte aber schnell die Ordnung wieder her und nun geschah die nächsten 80 Jahre gar nichts. Als die Geduld des Gerichtes zu Ende war, fragte man die Göttin Neith um Rat. Sie stellte sich mit der Begründung der Erbfolge auf Horus' Seite, schlug aber gleichzeitig vor, Seth durch die beiden Töchter des Ré, Anat und Astarte, zu entschädigen.

Das Gericht war einverstanden, aber Ré war da ganz anderer Meinung. Er nannte Horus einen Schwächling, der keine Autorität zum König hätte. Daraufhin machte ein unbedeutender Gott sich lustig über Ré, sodass er beleidigt abzog. Seiner Tochter Hathor gelang es aber, ihn zurückzuholen, indem sie sich vor ihm auszog und seine Freude über ihre Schönheit weckte.

Nun brachten Seth und Horus noch mal ihre Thronansprüche vor. Seth war der Meinung, dass er genau der Richtige wäre, weil er so stark und mächtig war, die große Apophisschlange jeden Tag zu besiegen und somit das Chaos zu verhindern. Horus unterstrich noch mal seine Legitimität als rechtmäßiger Nachfolger seines Vaters Osiris. Isis schaltete sich zu Gunsten ihres Sohnes Horus ein, was Seth so sehr erzürnte, dass er drohte, jeden Tag einen Gott zu töten und kein Gericht anzuerkennen, dem Isis angehörte. Deswegen verlegte Ré den Gerichtshof auf eine abgelegene Insel und befahl den Fährmann Nemty niemanden, der Isis auch nur ein wenig ähnelte, auf die Insel zu lassen.

Isis wollte unbedingt auf die Insel und verwandelte sich in eine alte Frau, steckte einen goldenen Ring um den Finger und nahm eine Schüssel Mehl unter dem Arm. So bestückt machte sie sich auf zur Fähre und bat Nemty, sie auf die Insel zu bringen, der sich aber strikt weigerte. Isis flehte ihn an und sagte, sie müsse dringend einem jungen Hirten etwas zu essen bringen. Letztendlich ließ sich Nemty doch überzeugen und forderte als Gegenleistung den goldenen Ring.

Auf der Insel angekommen, wartete Isis, bis die Götter bei ihren Verhandlungen eine Pause einlegten, verwandelte sich in eine schöne Frau und näherte sich in ihrer neuen Gestalt Seth, der auch sofort Gefallen an ihr fand. Isis gab sich als Witwe aus, deren Sohn von einem Fremden bedroht wurde, der ihm die väterliche Herde wegnehmen und ihn aus dem väterlichen Haus vertreiben wollte. Seth war empört über das Verhalten des Fremden und stellte sich auf die Seite des Sohnes. In diesem Moment verwandelte sich Isis in ein Sperberweibchen und flog zum nächsten Baum, wo sie Seth vorwarf, sein eigenes Verhalten gegenüber Horus und Osiris verurteilt zu haben. Unter Tränen berichtete Seth Ré, was vorgefallen war. Der Sonnengott empfand aber kein großes Mitleid mit ihm. Dem Fährmann Nemty wurden zur Strafe die vorderen Glieder seiner Beine abgerissen und er schwor, sich nie wieder vom Gold verleiten zu lassen.

Das Gericht wurde in die westliche Wüste verlegt, wo die Götter Horus als rechtmäßigen Thronfolger bestätigten. Seth erhob Einspruch gegen das Urteil und forderte Horus auf, in einem Wettkampf seine Kraft zu beweisen.

Seth schlug vor, dass sich beide in Nilpferde verwandeln und drei Monate unter Wasser aushalten sollen. Wer eher auftauchen würde, würde den Thronanspruch verlieren. Horus war einverstanden. Nach einer Weile sorgte sich Isis so sehr um ihren Sohn, dass sie eine Harpune anfertigte. Unglücklicherweise wurde Horus aber mit der ersten Harpune getroffen, die sie aber sofort durch Zauberkraft entfernte. Der zweite Wurf traf dann endlich Seth, der Isis darum bat, ihn zu verschonen. Immerhin waren die beiden Bruder und Schwester. Isis empfand Mitleid mit Seth und entfernte die Harpune. Das erzürnte Horus so sehr, dass er aus dem Nil auftauchte und ihr den Kopf abschlug, den er mit in die Berge nahm. Isis' Leichnam verwandelte sich in eine Statue aus Feuerstein. Als Ré von dieser Tat erfuhr, schwor er, dass er Horus finden und ihn für seine Tat bestrafen würde.

Eines Tages entdeckte Seth den schlafenden Horus in einer Oase, riss ihm die Augen aus und begrub sie in den Bergen, wo sie sich in Lotusblüten verwandelten. Seth hielt ihn für tot und verschwieg Ré bei seiner Rückkehr, Horus gefunden zu haben. Währenddessen fand die Göttin Hathor den weinenden Horus in den Bergen. Sie benetzte seine Augen mit Gazellenmilch und gab ihm durch Zauberkraft sein Augenlicht wieder (In einer anderen Version stahl Seth das linke Auge des Horus, das den Mond verkörperte. Auch hier wurde das Auge wieder geheilt. In beiden Varianten wird das Auge nur in der Einzahl erwähnt. Durch die Heilung gewann es an Stärke und war deswegen als »Auge des Horus« oder »Udjat-Auge« als Schutzamulett sehr populär.)

Isis kehrte bald darauf wieder ins Leben zurück.

Thot überredete eines Tages Ré, einen schmeichelnden Brief an Osiris in die Unterwelt zu schicken, um ihn um seinen Rat zu fragen. Osiris war entsetzt, dass man seinem Sohn so übel mitspielte. War er, Osiris, nicht derjenige, der die Götter mit Weizen und Gerste ernährte? Hatte deswegen nicht sein Sohn Anspruch auf den Thron? Ré aber behauptete, es gäbe auch Gerste und Weizen ohne ihn. Osiris wiederum unterstrich seine Macht dadurch, dass alle früher oder später in sein Totenreich einkehren müssten. Die Götter stimmten Osiris zu und dann waren sich alle einig, dass Horus der rechtmäßige Nachfolger seines Vaters war. Seth wurde von Isis gefesselt vor Gericht gebracht, und er gab auf Grund der misslichen Lage zu, dass der Thron Horus gehören würde. Seth erhielt als Entschädigung von Ré einen Platz im Himmel, wo er sich als Donnergott am Gewitter erfreuen konnte.

 

Geheimnisse der Götter

Denise grübelte über diesen Mythos nach. Was war wahr und was erfunden? Was wurde wirklich überliefert und was wurde hinzugedichtet? In welchem Zusammenhang stand das mit Seshur?

Anscheinend stand alles in einem sehr großen Zusammenhang. War hier der Ursprung der Götter? Wer waren sie? Raumfahrer? Seshuren, die nach Terra kamen? Oder war das nur eine Zwischenstation. Noch immer passte Dorgon nicht so recht ins Bild. Doch dass es Götter dort gegeben hatte, die frappierende Ähnlichkeit zu den pharaonischen Göttern hatten, das stand für Denise Joorn fest. Existierte eine Verbindung, so war der Götterkult bereits über 100.000 Jahre alt. Und er war von M100 Dorgon über das Sternenportal zur Milchstraße gekommen. Oder irrte sie sich? Hatte sie irgendetwas übersehen? Denise war anhand der Tragweite dieser Entdeckung ein wenig verunsichert.

»Wir müssen wieder zurück zum Nepthys-Tempel. Dort werden unsere Fragen beantwortet«, meinte Joorn.

Als sie merkte, das Allargoté sie verständnislos ansah, erklärte sie ihm, was sie in dem Tempel gefunden hatte.

Allargoté wusste nicht, ob er ihr Glauben schenken sollte. Die Geschichte klang sehr phantastisch, doch der Fund des Steins von Herhatep war es auch. Wenn man genau die Zeilen las und darüber nachdachte, so musste man zu dem Schluss kommen, dass es eine große Kultur auf Seshur gegeben hatte, die genauso wie die Kultur des pharaonischen Ägyptens gewesen war. Es gab also ein pharaonisches Seshur mit denselben Göttern, Mythen und Bräuchen. Nur war diese Kultur um mindestens 4.000 bis 5.000 Jahre älter.

»Das Alter des Steins von Herhatep schätzen wir nach ersten Untersuchungen auf etwa 15.000 Jahre. Es könnte also im selben Alter wie die Horus-Statue sein, die du von dem Händler bekommen hast«, vermutete Allargoté.

Denise stimmte dem zu.

Was sie an dem Stein des Herhatep nachdenklich stimmte, war die Tatsache, dass der Osiris-Mythos hier anscheinend seinen Ursprung genommen hatte. Was wäre das für eine Sensation? Es wäre der Beweis für die Existenz einer Götterkultur, die in ihrer Form einmalig auf der Erde gewesen war. Die Götter des alten Ägypten gehörten zu den ältesten Religionen auf der Erde, die in ihrer Dauer nur vom Christen- und Judentum überboten worden war. Zwar war die Religion der Ägypter in den letzten Jahrtausenden immer mehr in Vergessenheit geraten und auch nicht mehr praktiziert worden, doch dieser Fund war eine Sensation!

Er hätte nur noch mit dem Hinweis auf Gott selbst oder seine Erzengel überboten werden können. Die Existenz, der Beweis, dass diese Wesen tatsächlich einmal gelebt hatten und die Geschicke der Erde beeinflussten, würde die gesamte Geschichte erneut auf den Kopf stellen.

Archäologisch gesehen machte Denise Joorn die größte Entdeckung seit der Expedition des Nullzeitdeformators 200.000 Jahre in die Vergangenheit. Damals hatte man herausgefunden, dass die Takerer bereits vor 200.000 Jahren auf Lemur gewesen waren. Einflüsse von Außerirdischen waren keine Seltenheit auf Terra. Takerer, Haluter, Akonen, Arkoniden – vor allem Atlan – und natürlich ES!

Wer waren Osiris, Nepthys, Horus und Anubis? Dorgonen? Oder waren sie Akonen? Denise erinnerte sich an die Schilderungen Atlans aus dem Jahre 3561, die natürlich festgehalten worden waren. Demnach war Atlan ins alte Ägypten aufgebrochen, weil dort der Absturz eines Raumschiffes beobachtet worden war. Als Ré-Anhetes-Atlan hatte der Zellaktivatorträger einem hohen Offizier des Königs Menes das Leben gerettet, und dazu natürlich die arkonidische Technik benutzt.

Die altägyptischen Ärzte waren zwar bis weit über die Grenzen hinaus berühmt für ihre Heilkunst gewesen, denn ihr Wissen und ihre Erfolge waren weitaus größer als die der fremdländischen Ärzte gewesen, doch natürlich hatten sie sich nicht mit der Technik der Arkoniden messen können, und ihr Wissen über den Menschen war sehr lückenhaft gewesen.

Heute ist so einiges über die Heilkunst der ägyptischen Ärzte bekannt, auch dank des medizinischen Papyrus von Ebers, der irgendwann nach 1800 v. Chr. entstanden sein musste. Er war eine Art Leitfaden für Ärzte, denn in ihm waren Untersuchungsregeln, Diagnosen, Therapien und Heilungsaussichten vermerkt gewesen. Daneben beinhaltete er auch magische Texte, denn die Unterstützung der Götter konnte man immer gebrauchen, und kurze Einweisungen in die Anatomie.

In diesem Bereich hakte es aber bei den Heilern des alten Ägypten, denn für sie war das Sezieren von toten Menschen religiös höchst verwerflich gewesen. Damit konnten sich die Einbalsamierer befassen, die allgemein als unrein galten und daher in der Beliebtheitsskala des Volkes nicht besonders hoch standen.

Deswegen übte man wahrscheinlich, wenn überhaupt, an Tieren – wenn sie nicht gerade einem Gott geweiht waren – die Anatomie des Menschen, was, wie man sich sicher vorstellen konnte, nicht besonders erfolgreich war.

Manche Papyri belegten, dass die alten Ägypter nicht die Speiseröhre von der Luftröhre, geschweige denn zwischen Arterien und Venen unterscheiden konnten. Auch am Blutkreislauf haperte es. Sie wussten zwar, dass der Puls etwas mit dem Herzen zu tun hatte, aber ihrem Verständnis nach war der Puls für die Atemluft zuständig und das Herz Sitz des Denkens und Fühlens. Das Herz war außerdem nach Meinung der ägyptischen Ärzte mit anderen Teilen des Körpers durch ein Kanalsystem verbunden, durch das Luft, Blut, Exkremente und männliche Samen zirkulierten.

Wenn man von diesen Schwächen absah, hatten die alten Ägypter im Vergleich zu anderen Kulturen aber schon sehr gute Heilkünste gehabt. Sie hatten Knochenbrüche geschient und sogar schon eine Art Gipsverband angelegt. Außerdem hatten sie offene Wunden zugenäht, sehr erfolgreich Schultern und Unterkiefer eingerenkt und Zahnbrücken angelegt. Bei zwei ägyptischen Mumien hatten Röntgenologen Zähne entdeckt, die mit Golddraht verbunden worden waren. In späterer Zeit waren Zahnlöcher mit »Abgeriebenem vom Mühlenstein«, Ocker und Honig, gefüllt worden.

Man vermutete sogar, dass es im alten Ägypten auch schon Gehirnoperationen gegeben hatte. Obwohl dies in keinem medizinischen Papyrus erwähnt wurde, fand man Mumien, bei denen eine Trepanation durchgeführt worden war.

Atlan war ihnen jedoch weit überlegen gewesen und hatte den sterbenden Menes gerettet, woraus sich eine große Freundschaft entwickelt hatte, die mit dem Ehelichen von dessen Schwester Nefer-Maryt und in den Säulen der Ewigkeit den Höhepunkt gefunden hatte.

Atlan hatte damals jedoch große Probleme mit der Priesterschaft des Anubis gehabt. Wie sich herausstellte, waren die Priester des Anubis von gestrandeten Akonen infiltriert worden. Ihre Anführer waren allerdings durch die Hand von Atlan gestorben und auch ihr Hyperfunksender war vernichtet worden. Ob nun der gesamte Götterkult auf den Akonen beruhte, war Denise unklar.

Aus den Schilderungen von Atlan hatte seine damalige Gefährtin, die Prinzessin Nefer-Maryt, geschlossen, dass der schakalköpfige Anubis aus einem Abbild eines Wolfes entstanden war. Das hatte Atlan an eine Karawane erinnert, die er Jahrhunderte davor in das Land geschickt hatte, und die ein Medaillon mit einem Wolf bei sich getragen hatte.

Stammte Anubis, der Totengott, von Atlan ab?

Nein!, zischte es durch Denise Joorns Gedanken.

Diese These war eindeutig widerlegt! Die Anubis-Androiden hatten bewiesen, dass zumindest Atlan nichts damit zu tun gehabt hatte. Aber auch die Akonen konnten es nicht gewesen sein. Wie hätten sie denn Jahrtausende vor ihrer Notlandung auf Terra hier auf Seshur eine Kultur errichten können? Dazu gab es immer noch die unbekannte Komponente der Ägonen, einem der Urvölker der Dorgonen. Was war in den etwa 100.000 Jahren zwischen der Erwähnung der dorgonischen Götter und der unbekannten Kultur auf Seshur und Mashratan geschehen?

Es lag ein Schluss nahe: Es war ein anderes, uns unbekanntes Volk. Denise ballte die Fäuste. Was sie hier entdeckt hatte, ließ sie erschaudern. Ihr Hirn wurde von den unzähligen Fragen zermartert. Sie wollte Antworten!

Und diese gab es nur im Tempel von Nepthys. Sie musste den Sarkophag öffnen.

Zurück zu den Anubiswächtern? Nein!, schoss es ihr durch den Kopf.

Doch sie hatte keine andere Wahl. Denise bat Allargoté mitzukommen. Der junge Wissenschaftler willigte ein und konnte ein Dutzend seiner Männer ebenfalls davon überzeugen, zum verborgenen Tempel aufzubrechen.

Die Reise begann erneut…

 

Torkan, der Jäger

Warten! Lauern! Warten und Lauern auf die Beute. Blitzschnell, leise und präzise zuschlagen!

Das waren die Gedanken in Torkans Kopf. Er beobachtete das Camp bei Karanz schon seit Tagen. Denise Joorn hatte den Peilsender in ihrem Auto nicht bemerkt. So konnte ihr Torkan jederzeit folgen. Anscheinend planten die Wissenschaftler eine Expedition mit Joorn. Torkan sah darin ein neues Geschäft.

Er setzte sich mit van Kehm in Verbindung. Dazu benutzte er nur ein Interkomsprechgerät. Er drückte ein paar Tasten und eine akustische Verbindung wurde nach wenigen Sekunden aufgebaut. Er hörte die Stimme van Kehms. Ohne ihn zu begrüßen, begann er sofort mit dem Geschäftlichen: »Hier sind dreizehn Wissenschaftler, die mit Denise Joorn aufbrechen. Soll ich sie auch töten?«

»Wie viel wollen Sie dafür?«, fragte van Kehm.

»20.000 pro Kopf«, teilte der Killer emotionslos mit.

»Einverstanden!«

Van Kehm beendete die Verbindung.

Torkan war von diesem Geschäft angetan. Er verließ seinen Posten und kehrte zu seinem Zelt zurück. Schnell hatte er sein Lager zusammengeräumt und in seinen Gleiter eingeladen. Das schmale Fortbewegungsmittel machte bis zu 700 Stundenkilometer. Das Modell war ein Einsitzer und meist für Sportrennen gedacht. Torkan hatte seinen Motorgleiter verändert. An den Seiten befanden sich je eine Thermokanone und eine Rakete mit Sprengköpfen von bis zu 30 Tonnen TNT Sprengkraft.

Zudem verfügte das Vehikel über einen Ortungsschutz, ein ausgeprägtes Ortungssystem und einen Individualschutzschirm. Hinter dem Sitz war ein kleiner Ablageplatz für das Waffenarsenal des Kopfgeldjägers. Von Stahlmessern, Projektilwaffen über Energiewaffen, Vibrationsschwerter zu biologisch-chemischen Waffen besaß der Killer alles, was er brauchte, um ein anderes Intelligenzwesen zu töten.

Jetzt war Denise Joorn an der Reihe. Er folgte ihr und ihren Begleitern durch die Wüste Gossis, bis sie den alten Einstieg entdeckt hatten. Der neue Eingang, der von van Kehms Leuten geschaffen wurde, war bewacht.

Allerdings nur von sehr wenig Leuten. Van Kehm war mit seinem Team zu Jean-Yves Priou aufgebrochen, da dieser verlautete, das Grab des Osiris gefunden zu haben. Das war ein Ablenkungsmanöver von Jean-Yves. Doch Denise Joorn ahnte nicht, dass van Kehm dies wusste und alles ein abgekartetes Spiel mit Torkan war.

*

Die fünfzehn Forscher schlugen ihre Zelte bei dem Eingang zum Tempel der Nephthys auf. Sie wollten morgen früh mit der Erkundung der Katakomben beginnen.

Doch das würden sie nicht mehr schaffen. Sobald es dunkel war, würde Torkan zuschlagen. Und er wollte seinen Auftrag fehlerfrei erledigen.

Die Hitze war unerträglich. Dier Mitglieder der Expedition vergossen Unmengen an Schweiß beim Aufbau des kleinen Lagers. Denise Joorn beobachtete die Umgebung. Die Hügel boten einen idealen Platz für Verfolger, die unerkannt bleiben wollten. Denise wusste das nur zu gut, denn vor nicht allzu vielen Tagen war sie eine Verfolgerin gewesen und konnte von einem dieser Hügel van Kehm und Muhalla beobachten.

Jaques Allargoté trat an Denise heran. »Wir haben das Lager soweit aufgeschlagen. Ich lasse zwei Leute patrouillieren«, erklärte er.

»Wie sieht es mit der Ortung aus?«

Allargoté breitete die Arme aus. »Die reicht nur für einen Umkreis von 500 Metern, um wilde Tiere zu entdecken. Wir sind halt Forscher und keine Soldaten.«

Denise nickte schwach. Wohl war ihr nicht dabei. Sie misstraute Johannes van Kehm gewaltig. Irgendein Ass im Ärmel hatte er bestimmt noch.

Die Sonne senkte sich und es wurde merklich kühler. Das Jaulen von Wüstenwölfen und das Rascheln von Reptilien und Insekten, die durch die schroffe Landschaft krochen, war zu hören. Denise begab sich in ihr kleines Zelt und kuschelte sich in den Schlafsack. Sie stellte eine Sonde auf, die giftige Tiere lokalisieren und paralysieren sollte.

Die Zeiten, wo Wissenschaftler und ihre Assistenten an giftigen Tieren starben, waren längst vorbei. Die Technik hatte die Archäologie um einiges einfacher gemacht. Aber manchmal gefiel das Denise gar nicht. Obwohl sie sich dieses Mal nicht beschweren konnte. Sie hatte mehr Abenteuer, als es ihr lieb war.

*

Es war Nacht. Der Mond leuchtete hell über das Land. Die Sterne funkelten und keine einzige Wolke war am Himmel.

Keine ideale Nacht für Torkan, denn er hätte Regen und eine dichte Wolkendecke bevorzugt. Trotzdem sammelte er seine Waffen und machte sich auf den Weg.

Langsam schlich er sich an das Camp heran, bis er 700 Meter davon entfernt war. Aus Erfahrung wusste er, dass sie über begrenzte Ortung zum Schutz vor wilden oder giftigen Tieren verfügten. Torkan wollte nicht in diese Falle gehen. Er aktivierte einen Störsender, der die Frequenz des Orters manipulierte. Niemand würde sein Heranschleichen bemerken.

In dem Gehirn von Torkan arbeitete es. Seine Gedanken kreisten um das »Wie«. Wie sollte er am besten die fünfzehn Gegner töten?

Kreativität war jetzt gefragt. Deshalb liebte er diesen Job. Wenn man ein Killer war, musste man mit Begeisterung dabei sein und kein Gewissen besitzen, sonst würde einen das Gewissen auffressen. Torkan besaß keines. Es gab nur eine Person in seinem Leben. Das war er selbst. Geld war ihm einzig und allein wichtig, denn davon konnte er sich alles leisten. Frauen, Raumschiffe, Villen. Alles, was sein Herz begehrte!

Außerdem war er ein leidenschaftlicher Jäger und sah die Jagd seiner Opfer als eine Art Wettbewerb an. Wie Jäger die Tiere jagten, so wollte er ein Intelligenzwesen – oder wie in diesem Fall auch mehrere Intelligenzwesen – zur Strecke bringen.

Erlegen war eher das richtige Wort.

Nur zwei Wachen waren postiert. Sie saßen an einem Lagerfeuer und tranken Kaffee. Torkan war der festen Überzeugung, dass er ein leichtes Spiel mit ihnen haben würde.

Er kroch durch den Sand, bis er nur noch 20 Meter von den beiden entfernt war. In den anderen Zelten brannte kein Licht mehr. Sie schliefen! Die beiden Wissenschaftler trugen nicht einmal Waffen.

Wie langweilig, sinnierte der Killer.

Er nahm die erste Waffe aus seiner Tasche. Bis auf sieben Meter kroch er heran. Keiner bemerkte ihn. Dann legte er eine kugelförmige Apparatur in den Sand und robbte zurück.

Hinter einem Stein suchte Torkan Deckung. Seine Augen funkelten voller stiller Freude über seinen ersten Angriff.

Mit einem Knopfdruck auf sein Armband aktivierte er die Waffe. Im Umkreis von zehn Metern wurde ein künstliches Feld erstellt, welches auch die beiden Wissenschaftler einhüllte. Wenige Sekunden später wurde aus der Sphäre ein undurchdringliches Feld mit Akustikschutz. Die beiden Wissenschaftler pochten gegen die unsichtbare Barriere, doch niemand hörte sie. Sie waren gefangen. Mit einem zweiten Knopfdruck entzog das Feld die gesamte Luft der Sphäre und die beiden erstickten grausam.

Die ersten beiden waren somit lautlos getötet worden. Torkan deaktivierte den Vakuumisator und konnte nun gefahrlos das Camp betreten.

Seine nächste Waffe bestand aus kleinen Robotspinnen. Er hatte leider nur fünf von ihnen. Er programmierte sie so, dass sie in fünf Zelte liefen und dort den schlafenden Wissenschaftlern ein giftiges Serum verabreichen sollten, dass innerhalb von Sekunden tötete.

Torkan lehnte sich an den Ortungsmast und blickte auf die Uhr. Nach neunundvierzig Sekunden kehrten die fünf Spinnen wieder zurück. Mit Hilfe eines Individualabtasters informierte sich Torkan über den Erfolg der Mission.

Sieben tot und keiner hat etwas gemerkt, lobte er sich selbst.

Er holte aus seiner Tasche die nächsten Giftinjektionen heraus und rüstete die Spinnen damit aus, doch plötzlich trat einer der Wissenschaftler aus dem Zelt.

Die Wachablösung! Du Narr! Warum hast du nicht daran gedacht!

Hastig nahm Torkan seine dritte Waffe. Eine Waffe mit einem organischen Plasma als Munition. In Bruchteilen von Sekunden schoss er das Bioplasma in das Gesicht des Wissenschaftlers. Es handelte sich dabei um ein organisches Meereswesen, am ehesten zu vergleichen mit einem terranischen Blutegel.

Es drang sofort in die Haut des Terraners ein und saugte ihn aus. Ein kurzer und verzweifelter Kampf, dann brach er stumm zusammen. Doch das dumpfe Aufschlagen weckte einige. Torkan verfluchte sich selbst. Nun musste er alles auf eine Karte setzen.

Er schnappte ein paar Thermaldetonatoren und warf sie auf die Zelte. Eine Explosion jagte die andere. Schreiende menschliche Fackeln stürmten heraus und wollten ihr Leben retten, doch sie wurden von dem Energiegewehr des Killers empfangen, das gnadenlos jeden niederstreckte.

Torkan zählte sogar die Opfer mit. Jetzt waren es elf. Plötzlich verließ keiner mehr das Zelt. Vier fehlten. Plötzlich schossen Energiestrahlen direkt an ihm vorbei.

Jemand wehrte sich! Torkan empfand das als willkommene Abwechslung. Bestimmt war es Denise Joorn.

Er warf sich in den Sand und feuerte mit allem, was er hatte. Er stellte sein Thermogewehr auf Selbstautomatik und lokalisierte derweil die letzten vier Überlebenden. Während das Thermogewehr weiter feuerte, schlich er sich von hinten heran. Drei Männer und eine Frau saßen hinter dem Zelt. Die Frau feuerte.

Torkan holte die nächste Wunderwaffe aus seinem Rucksack. Ein war ein kleiner Roboter, der sich in beliebig viele kleine Raketen aufteilen konnte. Bevor er jedoch diesen Roboter aktivieren konnte, hatte Joorn ihn bemerkt und schoss!

Denise Joorn drehte sich blitzschnell um und feuerte auf den Killer, der sich zu Boden warf. Sofort erwiderte er das Feuer und streckte einen der Wissenschaftler nieder. Es waren nur noch zwei neben Joorn. Allargoté rannte mit dem anderen Forscher in das Zelt. Joorn schoss immer wieder auf den Killer, dem nichts weiter als der Rückzug blieb.

Joorn rannte hinterher. Doch Torkan aktivierte bereits seine nächsten Waffen. Zwei Kugelroboter flogen aus seinem Motorgleiter und sausten auf Allargoté und seinen Begleiter zu.

»Abschießen!«, brüllte Joorn.

Der Frankokanadier reagierte sofort und vernichtete eine Sonde, die zweite allerdings explodierte fünf Meter vor ihm und riss ihn mit in den Tod. Zu spät begriff Joorn, dass es sich dabei um fliegende Sprengsätze handelte.

Nun war sie allein! Hastig rannte sie vor Torkan weg. Ihre einzige Chance bestand nur noch in dem Tempel der Nepthys. So schnell sie ihre Beine trugen, lief sie zum Eingang, durchschoss die Falltür mit ihrem Thermostrahler und sprang hinein.

Keuchend rannte sie die langen Gänge entlang. Sie hatte eine Chance. Die Anubis-Wächter! Sie könnten Torkan sicher erledigen. Oder auch umgekehrt. Joorn war damit ein Problem auf jeden Fall los.

 

Finale in Nepthys Tempel

Bis jetzt schien Torkan nicht zu wissen, wo sich Denise befand. Anscheinend machten auch die Anubis-Androiden keine Anstalten sie zu suchen.

Sie näherte sich dem unterirdischen Fluss. Plötzlich hörte sie hinter sich Schritte. Der Killer war nahe. Sie wusste noch nicht einmal, was er von ihr wollte. Wer hatte ihn geschickt? Bestimmt war es van Kehm! Der ging über Leichen.

Denise sprang in den Fluss und hielt sich an einem Stein fest. Sie nahm von ihrem Gürtel eine Atemmaske mit Sauerstoff für zehn Minuten. Diese wurden bei Ausgrabungen verwendet, denn oft konnten geöffnete Grabkammern giftige Bakterien in der Luft enthalten.

Mit der Maske tauchte sie unter und wartete. Nichts passierte. Ungeduldig starrte Joorn auf ihr Chronometer. Nach sieben Minuten entschloss sie sich aufzutauchen. Als sie aus dem Wasser stieg, stand Torkan vor ihr. Sie glaubte hinter der Maske ein überhebliches Lächeln zu sehen. Joorn wollte zu ihren Waffen greifen, doch Torkan trat sie unsanft ins Wasser zurück.

Sofort tauchte sie unter und versuchte den Schüssen auszuweichen. Ihre einzige Hoffnung war der Wasserfall. Mit der Maske hatte sie noch Sauerstoff für etwa zwei Minuten. Sie ließ sich treiben und fiel hinab. Der Aufschlag war unsanft, doch sie verlor nicht die Besinnung.

Langsam ließ sie sich von der Strömung treiben. Torkan nahm hoffentlich an, dass sie tot war. Der Sauerstoff reichte nur noch für neunzig Sekunden. Solange trieb sie im Wasser. Dann riss sie sich die Maske vom Gesicht und tauchte auf. Ein flüchtiger Blick nach oben verriet ihr, dass Torkan sich mit einem Antigrav-Aggregat herunterließ. Während dessen feuerte er bereits auf Joorn. Er hatte wohl nur darauf gewartet.

Sie sprang aus dem Wasser und rannte in die beleuchteten Gänge. Torkan folgte ihr. Bedauerlicherweise war er sehr schnell. Das lag aber hauptsächlich an seinem Antigrav-Aggregat. Sie rannte in die große Halle, doch da lauerten ihr bereits die drei Anubis-Androiden auf.

»Nicht schießen!«, schrie Denise auf Altägyptisch.

Die Anubiswächter reagierten! Das Unglaubliche passierte. Denise zitterte vor Angst. Vor ihr drei monströse Androiden, hinter ihr ein gefährlicher Killer.

»Ich bin Denise Joorn. Ich komme von der Erde… aus Romet und Kemet.«

Der eine Wächter wurde hellhörig. Mit lautem Stampfen lief er auf sie zu und blieb erst einen Meter vor ihr stehen.

»Kemet?«, fragte er auf Altägyptisch. Dann fragte er etwas in einer Sprache, die Denise nicht verstand. Sie hatte Bruchstücke des bekannten Altägyptischen. Auf jeden Fall kannte er den Begriff »Kemet«, der für schwarze Erde stand. So nannten die Altägypter damals ihr Land am Nil.

Die Wache musterte sie eindringlich. Denise überlegte sich, was sie jetzt tun sollte. Was sollte sie sagen? Das übliche am besten!

»Ich bin friedlich! Ich bin eine Forscherin und suche die heilige Göttin Nephthys«, sagte sie im gebrochenen Altägyptisch.

»Bist du von Horus geschickt?«, fragte der Anubis-Androide sehr zur Überraschung der Terranerin. Sie glaubte, sich verhört zu haben.

»Nei… nein. Mir ist Horus leider nie begegnet. Ich bin eine Altertumsforscherin. Wie kommt es, dass ihr seit über zehntausend Jahren hier unten seid? Was habt ihr mit der Erde zu tun?«, sprudelte es aus Joorn heraus. Sie biss sich auf die Lippen. Durch diese unkontrollierte Fragerei konnte sie sich alles verderben.

Der Anubis-Wächter schwieg. Denise war ratlos. Was konnte sie tun? Jedenfalls wollte er sie nicht mehr töten.

»Führt mich bitte zu Nephthys. Ich möchte mit ihr reden!«

Der Anubis-Androide verbeugte sich leicht. Die anderen beiden stellten sich links und rechts neben Denise und richteten ihre speerartigen Energiewaffen auf sie. Der Anführer der drei ging los und deutete Denise an, mitzukommen.

Eskortiert von den beiden anderen gelangten sie in die Grabkammer von Nephthys. Der Anubis-Wächter ging zu einem Schaltpult und drückte ein paar Knöpfe. Denise versuchte sich die Reihenfolge zu merken.

Der Schutzschirm erlosch.

»Bist du gekommen, um den Spender des Ewigen Lebens an die Göttin Nephthys zurückzubringen?«, fragte nun der Androide.

Denise war sprachlos. Sie schüttelte wie in Trance den Kopf. Der Androide wusste mit dieser Geste etwas anzufangen.

»Was willst du dann hier?«, fragte er. Sie glaubte Resignation und Wut in seiner Stimme zu hören. Doch das war unmöglich. Er war eine künstliche Intelligenz ohne Gefühle. Zumindest nicht im Kopf, soweit Denise den zerstörten Anubis-Wächter analysieren konnte.

»Ich… ich… bin auf der Suche nach Antworten«, versuchte sie zu erklären, doch da traf den linken Wächter ein Energieschuss. Drei weitere folgten und vernichteten den Androiden. Denise sprang sofort in Deckung.

Die anderen beiden Anubiswächter eröffneten das Feuer. Energieblitze zuckten fast überall durch den Raum. Joorn entschloss, die Lage erst einmal zu beobachten. Plötzlich explodierte einer der Wächter. Dem letzten wurden die Beine abgeschossen.

Aus dem Nebel sah Joorn Torkan auf den Wächter zu schnellen. Der Killer zog eine Waffe und zerschoss den Kopf der Anubis-Kopie.

Dann brach er selbst zusammen. Denise sprang auf und trat ihm die Waffe aus der Hand. Torkan war zu schwach, um sich zu wehren. Er war am Bein und an der Brust verletzt.

Denise Joorn hatte wenig Mitgefühl mit dieser Bestie. Er hatte vierzehn Menschen innerhalb von fünf Minuten ausradiert. Er verdiente kein Mitleid!

Zuerst entwaffnete sie ihn vollständig. Fast überall hatte er kleine Waffen versteckt. Torkan war ein wandelndes Waffenarsenal. Dann legte sie ihm die Waffe an die Brust.

»Wer ist dein Auftraggeber?«, wollte sie wissen.

Torkan atmete schwer. Denise wusste nicht, ob das nur Maskerade war oder er wirklich am Sterben war.

Sie erhöhte den Druck auf die Brust. Torkan zuckte zusammen.

»Wer?«, schrie Denise wütend.

»Töte mich und du wirst es nie erfahren«, antwortete Torkan provozierend.

»Doch, spätestens, wenn er es erneut versucht. Es war van Kehm, richtig?«

Torkan schwieg.

Denise wusste nicht, was sie mit dem Killer machen sollte. Sie untersuchte seine Wunde. Es sah nicht gut aus. Plötzlich packte Torkan die Terranerin an den Haaren und zog sie zu sich. Mit der anderen Hand zog er ein Messer aus seinem Stiefel. Mit alle Kraft versuchte sich Denise gegen den drohenden Tod zu wehren. Irgendwie gelang es ihr, ihren Ellenbogen in seine Genitalien zu rammen. Keuchend ließ er sie los, gerade lang genug für Joorn, um sich loszureißen. Doch kurz danach packte er sie erneut. Beide rangen miteinander.

Torkan drückte die Klinge an die Brust von Denise. Er lachte kurz, keuchte aber auch vor Anstrengung und Schmerzen. Joorn trat ihm in die Seite, direkt auf seine Wunde. Schreiend ließ er los. Mit einer Rückwärtsrolle brachte sich Joorn in Sicherheit.

Torkan rappelte sich auf und humpelte auf Joorn zu, die die Speerwaffe eines der vernichteten Anubis-Androiden nahm und auf den einzigen Knopf drückte. Ein gewaltiger Energiestrahl zuckte aus dem Speer und brannte ein Fußball-großes Loch in den Torso des Killers.

Für einen Moment verharrte Torkan in einer überraschten Pose, dann brach er leblos zusammen. Joorn war geschockt über die Durchschlagskraft der Energiewaffe. Doch die Waffe hatte ihr das Leben gerettet.

Der Killer war tot. Van Kehms Plan war fehlgeschlagen, doch um welchen Preis? Vierzehn Wissenschaftler hatten den Tod gefunden. Voller Abscheu blickte Denise Joorn die Leiche von Torkan an.

Dann konzentrierte sie sich auf das Grab der Nephthys. Ein kalter Schauer lief Denise Joorn über den Rücken. Langsam und bedächtig, fast schon ehrfürchtig, trat sie näher an den Sarkophag heran.

Der Schutzschirm war erloschen, doch jede Menge Instrumente waren mit der letzten Ruhestätte verbunden. Displays und Schalter blinkten in allen möglichen Farben. Mit Hilfe des Speergewehres schob sie den Granitblock zur Seite. Darunter befand sich der eigentliche Sarg. Er war in Joorns Augen wunderschön. Der Sarg schien ergonomisch an den Körper von Nephthys angepasst zu sein.

Allerdings umhüllte ein seltsames Feld den Sarg. Denise Joorn konnte den genauen Ursprung nicht feststellen. Sie widmete sich den Sprüchen auf dem Granitsarkophag und versuchte so etwas über das seltsame Feld herauszufinden.

Viel Neues verrieten die Inschriften nicht. Nephthys, die Gemahlin des Seth, Schwester von Osiris und Isis, Mutter von Anubis, wurde gepriesen. Huldigungen auf die Göttin, aber auch Warnungen an Eindringlinge konnte Joorn nachlesen.

Das Feld um den goldenen Sarg konnte sie schwer bestimmen. Es schimmerte bläulich. Sie konnte nirgendwo einen Ursprung des Energiefeldes ausmachen. Dann stieß sie auf eine sehr interessante Zeile. Dort stand geschrieben:

Hier ruht Nephthys, Gemahlin des Seth, Mutter des Anubis und Schwester der Isis und des Osiris. Hier ruht die göttliche Herrin Seshurs in Erwartung auf ihre Wiedererweckung. Spreche die heiligen Worte und bringe Nephthys in das Leben zurück.

Tue dies, wenn du erleuchtet bist und ihr das ewige Leben bringst. Wenn sie dank dir wieder auf Atum-Rés Erde wandeln wird, in Jugend und Blüte, gefeit gegen das Gift und den Tod des Alterns, dann wirst du in die Pyramide des Ptah aufgehen und ein Teil des großen Kemet werden.

Unterlasse es aber, wenn du ein Grabschänder bist, denn dann wirst du den Zorn des Seth zu spüren bekommen! Anubis wird sich an dir rächen und dein Herz heraus reißen. Der Fluch des Osiris wird auf dir lasten und dich und deine Nächsten heimsuchen!

Denise wurde bei dieser Inschrift etwas mulmig. Doch sie riss sich zusammen. Welche Worte musste sie sprechen? Was war damit gemeint?

Joorn durchsuchte den Raum nach irgendwelchen Hinweisen. Sie war nahe dran es herauszufinden, doch plötzlich…

ENDE

 

 

Denise Joorn ist einer großen Sache auf der Spur, die die gesamte Erdgeschichte in neuem Licht erscheinen lassen wir.

Mehr darüber in Band 49 von Tobias Schäfer und Aki Alexandra Nofftz.

 

 

 

DORGON-Kommentar

Terranische Geschichte: Das Land Kemet

Kemet war der Name, den die alten Ägypter ihr Land gegeben haben. Kemet heißt so viel wie »schwarzes Land« und hat seinen Namen von den Nilüberschwemmungen, die das Land mit fruchtbarem schwarzem Nilschlamm bedeckten. Dieser grüne Streifen machte nur 3% aus. 97% waren und sind auch heute noch unbewohnbare Wüste. Der heutige Name Ägypten wurde von den Griechen übernommen, die das Land am Nil Aigyptos nannten.

Die Pharaonische Geschichte Ägyptens wird in vier große Zeitepochen unterteilt:

Das Alte Reich (2707 bis 2170 v. Chr.) – die Zeit der großen Pyramiden.

Das Neue Reich (1550 bis 1069 v. Chr.) – die Zeit der großen Baumeister.

Die Spätzeit (715 bis 332 v. Chr.) – Perser regierten über Ägypten.

Nach jeder Epoche folgte eine Zeit des Chaos, in dem Ägypten zweigeteilt war. Diese Zeiten werden als Zwischenzeiten bezeichnet. Es gibt die

Zwischenzeit (2170 bis 2019 v. Chr.)

Zwischenzeit (1794/93 bis 1550 v. Chr.)

Zwischenzeit (1070/69 bis 714 v. Chr.)

Die Geschichte des Pharaonischen Ägyptens beginnt mit der Prädynastischen Zeit, die etwa 150 Jahre anhält und auf der die Frühzeit (3032 bis 2707 v. Chr.) folgt. In den beiden Epochen entwickelte sich Ägypten langsam zur Hochkultur.

Der erste Pharao war Aha (oder auch Menes) (um 3032 bis 3000 v. Chr.), der die Teile Ober- und Unterägyptens vereint hat. Alle Epochen wurden noch in Dynastien unterteilt. Mit dem Tod des letzten Nachfolgers einer Sippe endete eine Dynastie. Insgesamt 31. Dynastien herrschten fast 3000 Jahre lang. Mit der Spätzeit endet die Unterteilung in Dynastien.

Die Geschichte des Pharaonischen Ägyptens endet mit der Zeit der Griechischen Herrscher (332 bis 30 v. Chr.). Im Jahre 30 v. Chr. wurde Ägypten als Provinz Teil des Römischen Reiches. Die berühmte Königin und Griechin Kleopatra VII. war die letzte Königin auf dem Pharaonenthron.

Björn Habben

 

 

 

GLOSSAR

Johannes van Kehm

Geboren: 1205 NGZ

Geburtsort: Niederlande, Terra

Größe: 1,74 m

Gewicht: 67 kg

Augenfarbe: braun

Haarfarbe: keine

Bemerkungen: Schlank, Glatze, trägt stets einen grauen Anzug, habgierig, besserwisserisch, arrogant, verschlagen.

Johannes van Kehm ist ein anerkannter Archäologe. Je länger sein Ruhm andauert, desto mehr ist er vom rechten Pfad abgekommen. Immer mehr profitierte van Kehm vom illegalen Handel mit Artefakten. Zunächst nimmt er sich der jungen Denise Joorn an und lehrt sie die Grundregeln der Archäologie. Als Denise jedoch ihren Meister in Tatkraft, Intelligenz und Tugend übertrumpft, wendet sich van Kehm von ihr ab. Während eines Streits werden sie überfallen. Denise ist im Glauben, van Kehm wäre gestorben, doch er hat überlebt und sich mit den marodierenden Gangstern verständigt.

Van Kehm wittert eine Sensation als er von den altägyptischen Funden auf Mashratan und Seshur hört. So beginnt er selbst nach dem Geheimnis zu forschen.

Atlan und Ägypten

Der Arkonide Atlan war während seines Aufenthalts auf der Erde mehrmals im pharaonischen Ägypten.

3884 v.Chr. geleitet Atlan eine Karawane zum Nil-Delta und gibt hier vielleicht Starthilfe bei der Besiedelung.

Zwischen 2869 und 2815 v.Chr. sucht Atlan mehrmals Ägypten auf und hilft dem Pharao Menes bei der Vollendung der Reichseinigung. Atlan hilft den Ägyptern beim Ackerbau und beeinflusst positiv die Gesellschaft. Ebenfalls wehrt er einen Invasionsversuch von gestrandeten Akonen ab, die durch Beeinflussung der Anubis-Priesterschaft versuchen, ihre Macht auszudehnen. Atlan hat in dieser Zeit auch ein Verhältnis zu der Schwester von Pharao Menes, Nefer-Meryt. Nach einigen Jahren kehrt Atlan in seine Tiefseekuppel zurück und bereut die Entscheidung, Nefer-Meryt zurückgelassen zu haben. Sie stirbt früh. Atlan kehrt am Lebensende des Meni-Narmer zurück und hilft dessen Sohn für einige Monate.

Er führt im Jahre 1989 v.Chr. eine ägyptische Karawane nach China.

Um 1970 v.Chr. kehrt Atlan nach Ägypten zurück und hilft dem Pharao Amenemhet, Gründer der 12. Dynastie, gegen Schmuggler.

Zwischen 1921 und 1918 v.Chr. hilft Atlan auch Amenemhet, dem II. und kämpft gegen einen Wanderer-Androiden.

In den Jahren 1589 und 1588 v.Chr. – in der zweiten Zwischenzeit – findet Atlan heraus, dass die Herrschaft der Heka Chasut (Hyksos) in Wirklichkeit von zwei entflohenen Wesen von Wanderer hervorgerufen wird, die eine Art Spiel daraus machen.

980 v. Chr. Kann Atlan eine gefährliche Wolke aus dem Weltraum abwehren, die bereits teilweise Ägypten bedeckt.

Anubis

Der schakalköpfige Gott Anubis gehört zu den bekanntesten Gottheiten des antiken, pharaonischen Ägyptens. Er gilt als der Gott der Toten bzw. der Totenriten. Der Legende nach, war Anubis ein Sohn des Osiris und dessen Schwester Nephthys – somit auch der Bruder des Horus.

Auszug aus der Wikipedia:

In der Mythologie soll Anubis eines der vier Kinder des Gottes Re sein. Laut einer späteren Fassung des Osirismythos ist er der Sohn des Osiris und seiner Schwester Nephthys. Seit dem Alten Reich gelten Hesat als seine Mutter und Kebehut als seine Tochter.

Nachdem Osiris von seinem Bruder Seth zerstückelt und auf der ganzen Welt verteilt worden war, sammelte Anubis gemeinsam mit Isis alle Teile wieder ein. Danach soll es ihm gelungen sein, Osiris wieder zusammenzusetzen, indem er ihn mumifizierte. So hat Anubis, dem Mythos nach, die erste Mumifizierung an einer Leiche vorgenommen. Für Osiris vollzog er dann die Totenriten, die zum Vorbild aller Bestattungszeremonien wurden.

Nephthys

Nephthys ist eine Göttin aus der antiken, pharaonischen Zeit Ägyptens. Sie wird als Gottheit der Geburt und des Todes dargestellt.

Auszug aus der Wikipedia:

Über das ursprüngliche Wesen der Nephthys ist nichts bekannt. In der Neunheit von Heliopolis ist sie die Tochter von Nut und Geb und Schwester von Osiris, Seth und Isis. Sie war aber auch die Gattin des Seth, wobei aus dieser Verbindung keine Kinder hervorgingen. Dem Osiris-Mythos zufolge wünschte sie sich ein Kind von Osiris und dieser zeugte mit ihr das Kind Anubis.

Nephthys galt, wie ihre Schwester Isis, als Totengöttin. Sie half Isis beim Auffinden des zerstückelten Leichnam des Osiris sowie bei dessen Einbalsamierung. Beide trauerten über dem Toten in Gestalt von Milanen. Sie begleitete die Toten ins Jenseits und trauerte um sie. Einem verstorbenen König riet man, dass er vor den Locken der Nephthys fliehen solle. Sie symbolisierten Mumienbinden. Diese sind zwar erforderlich, gelten im Jenseits aber auch als Hindernis. Sie gilt auch als die Göttin der Magie und der Weissagung.

Zusammen mit Isis, Neith und Selket ist sie eine der vier Schutzgöttinnen der Horussöhne. Sie beschützt die Kanope des Hapi, in der die Lunge des Verstorbenen aufbewahrt wird.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e.V.  —  Copyright © 1999-2015

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e.V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 48, veröffentlicht am 27.11.2015 —

Titelillustration: Lothar BauerInnenillustration: Gaby Hylla

Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel