Band 45

Cartwheel-Zyklus

 

Rijon der Supermutant

Mausbiber Gucky gegen den Blues Rijon

 

Nils Hirseland & Roman Schleifer

 

Was bisher geschah

Wir schreiben April des Jahres 1298 NGZ. Cartwheel ist nach drei Jahren zu einer relativ stabilen Gesellschaft von über 50 Völkern herangewachsen. Seit der Entführung der BAMBUS durch die Dscherro und der Vernichtung der Welt Xamour durch Rodroms SONNENHAMMER ist Ruhe eingekehrt. Eine Zeit, in der die Völker zueinander finden und sich in ihre neue Heimat einleben.

Cauthon Despair ist zurückgekehrt und hat sich von MODROR losgesagt. Die Entität bietet Frieden an, solange sich die Cartwheeler nicht in seine Belange einmischen. So wurde im März 1298 NGZ nach einer Volksabstimmung die Unabhängigkeit von Cartwheel gegenüber den Heimatgalaxien der Völker beschlossen. Überschattet wird dies jedoch durch den Rachefeldzug von RIJON, der SUPERMUTANT…

Hauptpersonen

Rijon – Der Supermutant nimmt Rache.

Gucky – Der Mausbiber stellt sich dem Blues-Mutanten.

Peter Richtete – Der tollpatschige nUSO-Agent wird seinem Ruf gerecht.

Jeanne Blanc, Wolf Lane und Brad Callos – Das neue Mutantenkorps im Einsatz.

 

 

 

 

Prolog

In jenen Apriltagen des Jahres 1298 NGZ herrschte eine besondere Stimmung auf den Welten der Sterneninsel Cartwheel. Die Unabhängigkeitserklärung brachte den Bürgern mehr Selbstvertrauen. Fortan war der Terrablock nicht mehr eine Kolonie der LFT, sondern eine autarke Republik. So würde es auch allen anderen Spezies ergehen, sofern ihr Vertrag von den Machthabern in den Heimatgalaxien ratifiziert werden würden. Zu diesem Zweck war vor wenigen Tagen die IVANHOE in diplomatischer Mission aufgebrochen. Zusammen mit den Statthaltern der Kolonien in Cartwheel würden sie die entsprechenden Dokumente für den Paxus-Rat einholen. Ob nun wirklich jeder diese Unabhängigkeitserklärung absegnen würde, war nicht gewiss. Doch da Perry Rhodan für die LFT als Vorbild voran gegangen war, würden vermutlich die meisten Regenten folgen.

Doch nicht nur die Unabhängigkeitserklärung sorgte für Gesprächsstoff. Die Rückkehr von Cauthon Despair war noch nicht lange her. Dann die überraschende Adoption der vier Siniestro-Kinder und zuletzt die Zerstörung eines dubiosen Forschungslabors, in dem ethisch abscheuliche Verbrechen begangen wurden.

Nicht nur, dass unter Michael Shornes Anweisung illegale Genexperimente, Klonen und Manipulationen an Körper und Geist von Entführten begangen wurde, nein, daraus waren auch diverse arme Geschöpfe entstanden, die nun Mutanten waren. Nicht jeder schien diesen grausamen Eingriff an seiner eigenen Natur gut überwunden zu haben.

Denn die skrupellosen Wissenschaftler hatten einen Frankenstein erschaffen. Das Monster wandte sich gegen die Erschaffer und offenbar gegen ganz Cartwheel.

Rijon, der Supermutant. Dieses Wesen, auf der einen Seite ein bedauernswertes, kleines, unschuldiges Kind, welches gequält und missbraucht wurde, auf der anderen Seite ein gefährlicher Mutant, der seine Kräfte zur Vernichtung einsetze.

Die ersten Suchaktionen nach Rijon und seiner »Brut« – drei Chimären mit übersinnlichen Fähigkeiten – waren bisher erfolglos verlaufen.

Die Angst vor dem unberechenbaren Jülziisch-Mutanten wuchs von Tag zu Tag.

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon, 05. April 1298 NGZ

1. Die de la Siniestros

Wütend stapfte der Marquês Don Philippe Alfonso Jaime de la Siniestro in das Arbeitszimmer seiner Kinder. Stephanie war damit beschäftigt einige Reden für ihren Vater zu schreiben und brütete über die Gästeliste einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Sie sah sich die Hologramme der Gäste an und selektierte nach Aussehen und Vermögen der Honoratioren.

Peter de la Siniestro kauerte in einem Sessel aus Formenergie und hielt in der rechten Hand einen kleinen Rechner und in der linken Hand eine Reiterpeitsche. Wie üblich trug er eine Uniform aus den präatomaren Zeiten Terras.

Er erinnerte öfters an einen Roi Danton, der ebenfalls die Angewohnheit hatte, sich wie ein französischer Edelmann aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert zu kleiden.

»Kinder!«, rief der Marquês aufgebracht.

»Was denn, Vater?«, fragte Stephanie. Sie machte ein unschuldiges Gesicht und in der Tat war sie sich offenbar keiner Schuld bewusst.

Nach der Fassung ringend stützte sich der Marquês an dem Schreibtisch ab und suchte einen Platz. Die Büropositronik projizierte sofort einen Formenergiesessel an die Stelle, an der der Marquês von Siniestro stand. Augenblick ließ er sich in den Sessel fallen.

»Was ist los, Vater?«, wiederholte Stephanie ihre Frage.

Der Marquês sah sie streng an. »Das fragst du noch?«

Die Tochter des Marquês lächelte gequält. Sie blickte fragend ihren Bruder an, der einen eher desinteressierten Eindruck machte. Er studierte lieber ein Datenblatt auf seiner Tabletronik. Der alte Spanier erkannte Konstruktionspläne eines Kugelraumers.

»Peter es wäre doch sehr schön, wenn ich deine ungeteilte Aufmerksamkeit genießen könnte«, fauchte der Marquês ungehalten.

Sofort legte Peter den Rechner zur Seite und schaute gespannt den Administrator des Terrablocks an.

»Uthe Scorbit hat mich eben aufgesucht. Kannst du dir vielleicht denken, was sie wollte, Steph?«, begann der alte Spanier.

Stephanie schien auf diese Frage gefasst zu sein. Vermutlich hatte sie sich darauf vorbereitet. Don Philippe war gespannt auf ihre Erklärung. Stephanie wusste nicht, dass er mit Sonden sie hatte beobachten lassen, da er seinen noch so jungen, neuen Kindern kein volles Vertrauen schenkte. Sie schienen sich allzu schnell an die Macht zu gewöhnen, die ihnen eigentlich gar keiner verliehen hatte.

»Ja, Vater. Ich kann es mir denken. Ich habe den BAMBUS-Fonds gestrichen. Du hast mir Vollmachten gegeben. Dieser Fonds ist zu nichts mehr nütze. Zwei Jahre für etwas zahlen, wofür wir nicht verantwortlich sind, ist genug.

Wir brauchen das Geld für wichtigere Dinge«, erklärte sie kaltschnäuzig. Sie war offenbar von ihrer Aktion überzeugt und glaubte nicht, dass ihr Vater ihr widersprechen würde.

»Ach ja? Zum Beispiel für den Bau eines 5000-Meter-Superschlachtschiffes?«

Stephanie blickte zu Peter. Der kleine Terraner schien in seinem Sessel zu versinken, als er die strengen Augen seines Vaters bemerkte. Dann nahm er allen Mut zusammen, stand auf und schwang hochtrabend die Reiterpeitsche.

»Vater, der Terrablock muss Stärke symbolisieren. Der Bau eines 5000-Meter-Schlachtschiffes ist genau der richtige Schachzug. Damit haben wir ein Symbol welches im selben Atemzug mit der SOL oder der BASIS genannt werden kann. Niemand wird mehr anzweifeln können, dass wir die stärkste militärische Macht in Cartwheel sind! Niemand!«

Bei den letzten Worten überschlug sich seine Stimme. Der Marquês hingegen kauerte unbeeindruckt in seinem Sessel und musterte seine beiden Ableger mit einem unmerklichen Kopfschütteln.

Mühevoll stand er auf und ging ein paar Schritte. »Wir leben hier in einer Demokratie. Ich bin dem Volk und dem Parlament Rechenschaft schuldig. Es fällt einfach nicht in euer Gebiet, solche Aufträge zu erteilen. Ihr habt das weder mit dem Finanzminister, noch mit dem zuständigen Minister abgesprochen.«

Die beiden schwiegen. Der Marquês blickte sie mit trüben Augen an. Vielleicht hatten sie es gut gemeint und zu seiner Zeit wäre auch nichts auszusetzen gewesen an diesen Entscheidungen. Doch seitdem es Demokratie gab, musste man Rücksicht nehmen. Der Marquês war kein Alleinherrscher. Er wurde kontrolliert und musste sich verantworten.

»Ich konnte Uthe Scorbit noch einmal beruhigen. Sie wird nicht vor der Regierungsfraktion sprechen. Der Fonds läuft natürlich weiter«, berichtete der alte Spanier.

»Was?«, schrie Stephanie. Aufgebracht hüpfte sie vor ihm her. »Wie kannst du mir das antun? Ich bin deine Tochter! Es habe es nur gut gemeint. Du darfst mich jetzt nicht vor dieser Zicke bloßstellen!«

Der Marquês schüttelte den Kopf. »Ich bin es dem Volk schuldig. Das Volk hat kein Verständnis für solche Entscheidungen. Ebenfalls ist sie von dir nicht rechtskräftig, denn du hast keine Befugnis!«

Diese klaren Worte ließen Stephanie de la Siniestro verstummen. Bockig wie ein kleines Kind setzte sie sich auf ihren Sessel und schwieg.

Der Marquês wandte sich Peter zu. Der junge Terraner zitterte. Innerlich brodelte es wohl in ihm. Peter schien große Angst zu haben, dass sein Vater ihm die PETER DER GROSSE wegnehmen würde. Anders konnte sich der alte Spanier das Verhalten seines neuen, jungen Sohnes nicht erklären. Nun wirkte er etwas versöhnlicher.

»Ich habe mit Cascal gesprochen. An sich ist er von der Idee eines 5000-Meter-Schlachtschiffes begeistert…«

»Dann wird die PETER DER GROSSE doch gebaut werden?«, fiel ihm Peter ins Wort. »Ich liebe dich Vater. Ich verspreche dir, einen würdigen Kommandanten abzugeben…«

»…aber der Bau muss erst einmal abgesegnet werden. Wir müssen den Finanzminister kontaktieren und die Regierung stimmt ab. So sind die Gesetze. Ein Kostenvoranschlag muss ausgearbeitet werden und daraus ein Antrag. Dieser wird dann vom Parlament in Cartwheel verabschiedet. So ist der Lauf der Dinge. Das kann Wochen oder Monate dauern. Das Projekt ist vorher erst einmal auf Eis gelegt.«

Peter lief rot an. Tränen strömten über sein Gesicht. Dann fing er laut an zu kreischen. Er riss sich an den Haaren und schrie wie am Spieß.

»Ich hasse dich! Ich hasse euch alle!«, keifte er und rannte aus dem Zimmer.

Halb IMPERIUM ALPHA musste seinen Wutanfall mitbekommen haben. Aus allen Zimmern strömten verwunderte Mitarbeiter und blickten dem schreienden Peter de la Siniestro hinterher. Der alte Spanier hob die Tabletronik auf und blickte sich das Datenblatt der Raumschiffe an. Peter hatte die Schiffsklasse als »Allerhöchste« bezeichnet. Der Administrator verzog das Gesicht. Das klang ziemlich einfältig.

El Supremo!

Das würde ein würdiger Name für eine Raumschiffklasse dieser Größe sein.

Der Marquês verspürte plötzlich einen starken Schmerz in der linken Brust. Für einen Moment hielt er inne. Er zitterte, schwitzte und versuchte, sich davon nichts anmerken zu lassen. Dann blickte er Stephanie an.

»Macht bitte so etwas nie wieder. Ihr tut mir damit keinen Gefallen.«

*

Am nächsten Morgen betrat Stephanie mit einem Lächeln den Frühstücksraum in der Villa des Marquês auf der Nachbarwelt von Mankind Siniestro. Noch würde es dauern, bis das neue Zuhause fertiggestellt sein würde. Aufgrund des Familienzuwachses hatte de la Siniestro den Bau eines Schlosses in Auftrag gegeben. Es sollte die genaue Kopie des Madrider Königsschlosses sein.

Nur Brettany und der Marquês selbst saßen am Frühstückstisch. Orlando befand sich in Redhorse Point und Peter zog es vor, auf seinem Zimmer zu speisen. Er war beleidigt und zutiefst verletzt über die Streichung seiner PETER DER GROSSE.

»Du bist ja so gut gelaunt, Schwesterherz. Gibt es Neuigkeiten?«, erkundigte sich Brettany.

Stephanie verzog das Gesicht zu einem gezwungenen Lächeln.

»Aber ja, Schwesterlein!« Sie wandte sich ihrem Vater zu. »Ich habe mir deine Worte zu Herzen genommen. Es tut mir leid, was ich und Peter für einen Mist gebaut haben. Wir wollten doch nur etwas tun, um dich zu beeindrucken«, erklärte sie und blickte den Marquês treuherzig an.

Lange konnte er ihr auch nicht mehr böse sein. Er vergab ihr schnell und drückte sie fest. Dann wollte er wissen, was Stephanie für Neuigkeiten hatte.

»Nun, ich habe mir gedacht, dass wir einen Kindertag in IMPERIUM ALPHA machen. Die Kinder und Eltern können sich über unsere Politik und die Männer und Frauen dahinter informieren. So beweisen wir mehr Volksnähe. Ich würde das auch alles organisieren.«

Der Marquês war von der Idee beeindruckt. Er willigte sofort ein. Niemand in der Regierung würde etwas dagegen haben.

Eine Rundführung von Kindern durch IMPERIUM ALPHA mit Spielen, Essen und Trinken würde in der Öffentlichkeit sehr gut wirken.

»Das ist eine herzensgute Idee von dir, Stephanie«, lobte sie auch ihre Schwester Brettany.

»Nun, immerhin verdienen wir ja was daran. Ich dachte, dass wir Eintritt für die Eltern nehmen. Außerdem können wir ja einiges durch Fanartikel einnehmen.«

Brettany verzog das Gesicht. »Aber, Steph! Wir sollten das alles kostenlos anbieten. Die Kleinen auszubeuten wäre nicht angebracht.«

»Was verstehst du denn schon davon, du dumme Nuss!«, herrschte Stephanie ihre kleine Schwester an, die sich diesmal allerdings widersetzte.

»Ich bin nicht so dumm, wie du denkst. Außerdem streiche ich keine Fonds für Hilfsbedürftige!«

»Ruhe jetzt, Kinder!«, beendete der Marquês die Kontroverse. »Dieser Kindertag findet statt. Das fällt aber in den Zuständigkeitsbereich der Sozialbeauftragten. Also hat Uthe Scorbit die Gesamtleitung. Stephanie wird den Tagesablauf planen und auch durch den Tag führen. Brettany wird sich um die Betreuung der Kinder kümmern. Klärt den Rest mit der Scorbit ab!«

Er musterte Stephanie. Sie dachte vermutlich gerade mit Abscheu an Uthe Scorbit. Doch sie sagte: »Aber natürlich Vater. Das ist auch eine einmalige Gelegenheit, um mich mit ihr zu versöhnen.«

*

Und so geschah es auch, dass sich Uthe Scorbit mit Stephanie de la Siniestro und ihrer Schwester Brettany einigte. Die Organisatoren planten am 18. Mai 1298 NGZ den Kindertag in IMPERIUM ALPHA durchzuführen.

Stephanie wurde mit dem Marketing und der Präsentation beauftragt. Brettany sollte die Betreuung der Kinder und das Programm in den Pausen übernehmen. Gerüchten zur Folge soll sie ihre gehässige Schwester deshalb als Pausenclown bezeichnet haben, doch diese Aussagen sind unbestätigt.

Uthe Scorbit übernahm die Organisation und die Gesamtleitung. Während man kräftig die Werbetrommel rührte, kümmerte sich der Mausbiber Gucky um die drei Mutanten aus Michael Shornes Genlabor.

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon, 9. April 1298 NGZ

2. Das neue Mutantenkorps

Die drei Mutanten saßen in einem spartanisch eingerichteten Raum. Dort warteten sie seit fast zwei Stunden auf das Erscheinen ihres neuen Chefs.

Jeder ging auf seine Art und Weise mit dieser nervigen Warterei um. Hank »Wulf« Lane, der stämmige Ex-Wrestler, wanderte unruhig durch den Raum. Der Terraner war das, was man wohl am besten als Wolfsmenschen bezeichnete. Er wirkte wie ein Wesen aus einem uralten Horrorstreifen. Das Gesicht menschlich und doch waren Mund und Nase zur charakteristischen Wolfsschnauze geformt. Auf dem Körper war dichtes Fell gewachsen. Wulfs Fähigkeiten waren ein ausgeprägter Instinkt, erhöhte Kräfte und Regenerationsfähigkeiten.

Vor seiner Wandlung war er ein berühmter Wrestler gewesen. Bei GalacticMania 1781 hatte er jedoch seinen Kampf gegen den Top-Star »The Asteroid« verloren, weil dieser eben besser bei den jüngeren Fans ankam, als Lane. Nach einer Serie von Niederlagen und schlechten Storylines hatte es Lane von Galaxy Wrestling Entertainment zur Xtreme Galactic Wrestling Association gezogen. Promoter und Chef Michael Shorne hatte Lane mit vielen Galax gelockt. Doch nach zwei Championtiteln war der Erfolg schon zu Ende. Hank hatte sich verletzt und war einige Monate ausgefallen. Nach seiner Rückkehr war er nur noch in der sogenannten Midcard eingesetzt worden. Neue, lächerliche Gimmicks hatten ihm den Rest gegeben und nachdem die GWE ihn nicht mehr zurückwollte, hatte er seine Laufbahn beendet. Shorne hatte ihn als Sicherheitsmann angeheuert. Dort hatte Lane im Genlabor gearbeitet und war auf die dubiosen Machenschaften aufmerksam geworden.

Als er sich an die Polizei wenden wollte, hatten die Wissenschaftler ihn schon überwältig und an ihm monatelang Genexperimente durchgeführt.

Versuche die aus ihm das machten, was er nun war. Eine Chimäre, ein Fabelwesen. Ein Freak!

Je mehr Hank drüber nachdachte, desto wütender wurde er. Unbewusst ballte er die Fäuste zusammen. Die Mundwinkel zuckten unkontrolliert.

Jeanne Blanc bemerkte die Veränderungen und legte behutsam eine Hand auf seine Schulter. Wütend und brüllend verschaffte sich Lane Platz. Dabei schob er Jeanne unsanft von sich weg. Bevor sie allerdings stürzte, stützte sie sich telekinetisch ab.

»Ganz ruhig!«, ermahnte Brad Callos den Wolfsmenschen.

Callos war Teleporter. Aus dem Gleitermechaniker im Dienste von SHORNE INDUSTRY war nun ein Mutant geworden, nachdem er und seine Familie grundlos von Shornes Leuten entführt und in das Forschungslabor gebracht worden waren. Seine Familie hatte dabei den Tod gefunden.

Er musterte die hübsche Französin Jeanne Blanc. Sie war hoch gewachsen, hatte rotes Haar und hellbraune Augen. Sie war empathisch veranlagt und Telekinetin.

Sie hatte beiden ihre Geschichte schon erzählt. So war sie vorher Sekretärin gewesen und dabei zufällig auf Geheimaufzeichnungen der Genfabrik gestoßen. Das hatte man schnell herausbekommen und sie als Versuchsobjekt missbraucht.

Das verband die drei unfreiwilligen Mutanten. Callos und Blanc konnten es noch als Gabe ansehen, doch für Wulf Lane war es ein Fluch. Er sah sich selbst als Monster. Und so benahm er sich auch. Er starrte Callos wütend an, als er den Wolfsmenschen zur Vernunft gerufen hatte.

»Lass sie in Ruhe!«, forderte Brad Callos.

Lane wurde noch wütender. Was bildete sich dieser kleine Wicht eigentlich ein? Vermutlich war er scharf auf die Französin. Er packte Callos am Hals und nahm ihn in den Sleeperhold, einen professionellen Würgegriff, den er noch aus Zeiten des Wrestlings kannte.

»Aufhören!«, brüllte Jeanne.

»Aus, Hulk Hogan! Vorbei! Bist disqualifiziert!«, hörten sie eine piepsige Stimme im Hintergrund. Callos teleportierte einfach aus dem Griff und Hank blickte wütend und überrascht zugleich in die Richtung des kleinen Wesens.

Da stand es vor ihnen. Gerade mal einen Meter und ein paar Zentimeter groß. Breitbeinig, die Hände in die Hüften gestemmt und breit grinsend. Dabei wippte es mit dem Schweif hin und her und entblößte den großen, weißen Nagezahn.

Vor ihnen stand Gucky, der Mausbiber! Der größte Mutant in der Geschichte der Milchstraße. Gucky besaß die Fähigkeiten der Teleportation, Telekinese und Telepathie. Er war seit knapp 3.000 Jahren Perry Rhodans treuer Freund und Gefährte.

Eine lebende Legende stand vor ihnen. Doch Gucky machte gar nicht diesen ehrfürchtigen Einruck. Mit watschelnden Schritten trottete er auf die drei zu und blieb vor Hank »Wulf« Lane stehen.

»So, du bist also der Bret Hart des Mutantenkorps?«, fragte Gucky neckisch.

»Wer soll ich sein?«, erkundigte sich Wulf Lane irritiert.

»Man, kennst du nicht mal den besten Wrestler, den es gab? Na ja, gut, war etwas vor deiner Zeit, denn er lebte im 20. Jahrhundert. Damals hat das noch Spaß gemacht zuzuschauen, aber heute?! Nein, auch nicht mehr das Wahre…«

Wulf blickte den Ilt sprachlos an und verzog die Wolfsschnauze. Er entblößte seine Dolchspitzen Zähne und knurrte unbehaglich.

»Ruhig jetzt, sonst kriegst du kein Leckerli!«, schimpfte Gucky und fuchtelte mit dem Zeigefinger hin und her.

Dann wandte er sich den anderen beiden zu.

»Und die hübsche Rothaarige ist Jeanne Blanc, nehme ich einmal an. Dann muss ja der andere Brad Callos sein. Ich begrüße euch alle drei in meinem Team«, sprach Gucky. Dann teleportierte er auf einen Tisch und erklärte hochtrabend: »Ich bin ab sofort euer Meister! Ich bin euer Ausbilder und habe die Aufgabe aus euch waschechte Mutanten zu machen. Ihr sollt das Fundament des Insel-Mutantenkorps bilden.«

Gucky sagte ihnen nichts Neues. Schon im Gespräch mit dem Leiter des cartwheelschen Terranischen Liga Dienstes, Will Dean, wurde ihnen mitgeteilt, dass man gerne ihre Fähigkeiten nutzen wollte. Keiner der drei hatte etwas dagegen. Jeder von ihnen wusste, dass für sie ein neues Leben begann und sie lernen mussten mit den neuen Fähigkeiten, den Vor- und Nachteilen umgehen zu können.

Für Lane waren die Zeiten als Wrestler ein für alle Mal vorbei. Das gleiche galt für die Kauffrau Jeanne Blanc und den Gleitermechaniker Brad Callos. Ihr gewöhnliches Leben war vorbei. Nun wurden sie in einen höheren Kreis aufgenommen. In eine Gruppe, die für ihre Heldentaten und Abenteuer bekannt war.

*

Gucky war der letzte echte Mutant. Nach dem Tod von Ras Tschubai und Fellmer Lloyd vor mehr als einhundert Jahren und dem Ableben der Vandemar-Zwillinge in der Goedda-Krise gab es kein Mutantenkorps mehr.

Die Monochrom-Mutanten und Benjameen von Jacinta waren die ersten neuen Mutanten gewesen, doch bis jetzt waren sie nichts, um ein neues Mutantenkorps zu gründen. Ausgerechnet diese drei sollten nun in die großen Fußstapfen der Legenden John Marshall, Betty Toufry, den Woolverzwillingen, Ribald Corello, Tako Kakutta sowie Ras Tschubai und Fellmer Lloyd treten?

Für jeden der drei war das eine enorme Verantwortung. Immerhin bekamen sie so das Gefühl gebraucht zu werden. Ihr Leben war nicht sinnlos und die Verbrechen an ihnen selbst konnten sie nutzen, um Gutes zu tun. Sie wurden in diese Situation gedrängt, doch es gab nun kein zurück mehr.

Gucky schwieg eine Weile und beobachtete die drei Menschen. Natürlich konnte er ihre Gedanken lesen und stellte fest, dass jeder sich auf seine Art und Weise mit den neuen Begebenheiten auseinander setzte. Hunderte von Fragen schossen durch ihre Köpfe, Ängste und Hoffnungen. Und viel Vertrauen in Guckys Person. Sie hofften, dass er ihnen weiterhelfen konnte.

Gucky selbst war sich sicher, dass sie die richtige Sorte von Menschen für ein neues Mutantenkorps waren. Hank »Wulf« Lane war der größte Unsicherheitsfaktor, da er ungestüm und voller Zorn war. Gucky würde mit ihm einen Haufen Arbeit haben. Aber auch Brad Callos schien für einige Schwierigkeiten gut zu sein. Er konnte Lane nicht sonderlich leiden und war sehr auf seine Zuneigung zu Jeanne Blanc fixiert. Jeanne selbst mochte Brad, aber für sie zählte im Moment nur eines; sie wollte ihr Leben wieder unter Kontrolle bringen und eine gute Mutantin werden.

Löbliche Einstellung!, dachte Gucky.

Dann klatschte der Ilt in die Hände.

»Also gut, Leute. Sonderoffizier Guck wird euch erst einmal eure neuen Unterkünfte zeigen. Folgt mir!«

Gucky teleportierte aus dem Raum. Er tat dies absichtlich. Die drei Mutanten sollten ihn finden und selbst folgen. Das erforderte Zusammenarbeit. Jeanne konnte Gucky espern und Callos konnte die drei zu ihm bringen.

Nach etwa zwei Minuten materialisierten die drei Mutanten neben Gucky. Sie standen auf einem breiten Balkon, der sich um das gesamte dreißigste Stockwerk von IMPERIUM ALPHA erstreckte. Es war eine Verbindung zu den Wohnungen der Mitarbeiter von IMPERIUM ALPHA. Der dreißigste bis vierzigste Stock dienten ausschließlich als Quartiere für Mitarbeiter, Politiker und Gäste.

Deshalb waren sie auch besonders prunkvoll verziert. Der Balkon war zehn Meter breit und bot sogar Sitzgelegenheiten und viel Botanik. Die Bewohner konnten so auch in IMPERIUM ALPHA selbst spazieren gehen. Der starke Wind, der in dieser Höhe nur natürlich war, wurde von Filtern neutralisiert.

»Das ist euer neues Zuhause!«

»Schick«, bemerkte Callos.

Sie gingen einige Meter weit, dann hielt Gucky am Eingang eines Appartements an. Er zückte eine ID-Karte und drückte sie Hank »Wulf« Lane in die Hand.

»Das ist dein neues Reich«, erklärte Gucky. »Eine hundert Quadratmeter große Vierzimmerwohnung mit einer Wohnsyntronik, Sauna, Fitnessraum und Whirlpool. Natürlich alles auf Staatskosten, denn als Azubis verdient ihr ja nicht so viel…«

Hank nahm wortlos die Karte an sich und schob sie in den Schlitz der Kontrollanlage. Dann stellte er sich direkt vor sie und die Netzhaut seines Auges wurde gescannt. Die Tür öffnete sich und der Syntron sprach mit einer sanften, weiblichen Stimme: »Willkommen, lieber Hank. Das ist dein neues Zuhause.«

Fragend blickte er Gucky an.

»Sie beißt nicht. Kannst ruhig hinein gehen. Ich hole euch morgen um Punkt 4 Uhr Morgens ab. Wir beginnen mit dem Konditionstraining. Als Mutanten müsst ihr Topfit sein.«

»So wie du, Dicker?!«, knurrte der Wolfsmensch zynisch und tickte mit seinem Finger auf Guckys Bauchansatz.

Der Ilt räusperte sich.

»Beurteilst du mich nach meinem Äußeren?«

»Ja.«

Mit einem breiten Grinsen hob Gucky den Kanadier telekinetisch hoch und ließ ihn durch seine neue Wohnung schweben. Lane war bei dieser »Führung« durch sein Appartement nicht sonderlich wohl. Gucky genoss es hingegen sehr. Zum Abschluss ließ er ihn in den Whirlpool fallen und schloss telekinetisch die Tür.

Der Mausbiber hatte Hank eine Lektion erteilt. Die erste von vielen. Nun wandte er sich Callos und Blanc zu. Ihre Appartements lagen gleich nebenan.

»Also, morgen früh um 4 Uhr! Geht lieber früh schlafen. Ich lege Wert auf Pünktlichkeit!«, sagte Gucky zum Abschluss und teleportierte davon.

*

Am nächsten Morgen gingen die drei Mutanten bei einer eisigen Kälte auf dem Balkon umher. Hank war nervös. Er gehörte nicht zu den geduldigen Menschen.

»4:30 Uhr! Was soll das? Was für ein Spiel treibt der mit uns?«, knurrte der Wolfsmensch ungehalten.

Jeanne fröstelte und Brad war nahe dran, wieder einzuschlafen.

Plötzlich war Gucky da. Der Mausbiber sah alles andere als gut aus. Das Fell war zerzaust und stand in allen Richtungen ab. In der linken Hand hielt Gucky eine Tasse mit heißem Kaffee. In der rechten hielt er ein Brötchen mit Honig. Die goldgelbe, flüssige Nahrung tropfte auf den Boden, da Gucky das Brötchen sehr schräg hielt. Die Augen waren trübe, der Mund halb geöffnet.

»Moin.«

Die drei wussten mit diesem altterranischen Ausdruck wenig anzufangen, nahmen aber an, es handelte sich dabei um eine Begrüßung.

»Warum kommst du so spät?«, erkundigte sich Jeanne.

»Oh, ich befand mich in einer geheimen Mission. Ich darf euch leider nichts erzählen, doch sie dauerte etwas länger, als ich erwartet hatte«, ergab sich der Ilt in offenkundige Ausflüchte.

»Also, dann mal los. Drei Runden um die Etage«, befahl Gucky.

Die anderen sahen ihn verständnislos an.

»Das ist das Aufwärmtraining, bevor wir richtig loslegen.«

Mürrisch liefen die drei los. Brad Callos fragte sich, warum er als Teleporter Langlauf üben musste.

Gucky nutzte die Gelegenheit, um genüsslich sein Frühstück zu sich zu nehmen. Er teleportierte schnell zu sich nach Hause und nahm eine Flasche Orangensaft und eine Kanne Kaffee, sowie ein paar Äpfel, geschnittener Paprika und Mohrrüben mit.

Er rechnete sich aus, dass sie pro Runde etwa zehn bis fünfzehn Minuten brauchen würden, da sie pro Runde knapp 3.600 Meter zurücklegen mussten. Das Hauptgebäude von IMPERIUM ALPHA war ein gigantischer Klotz. Jede Seite hatte eine Länge von 900 Metern. Der gesamte Komplex war 500 Meter hoch. Sie hatten also eine ganze Menge zu laufen. Zeit genug für den Mausbiber, um sein Frühstück in aller Ruhe zu genießen.

Nach zwölf Minuten kam Hank Lane an Gucky vorbei. Grimmig blickte er den Mausbiber an, der ihn höflich zuwinkte.

»Weiter so!«, rief Gucky und schob sich einen Apfel in den Mund.

Drei Minuten später liefen Brad Callos und Jeanne Blanc an Gucky vorbei. Ächzend und keuchend musterten sie den Ilt, der sie triezte.

»Der spachtelt sein Frühstück und wir rackern uns ab«, murmelte Brad völlig außer Atem.

»Wenn das Training so weitergeht, suche ich mir einen anderen Job«, antwortete Jeanne keuchend.

Nach der zweiten Runde hatte Gucky ein Einsehen und beendete den Langlauf. Völlig erschöpft sanken die drei auf den Boden.

»Na ja, ihr habt immerhin fast acht Kilometer zurückgelegt. Das ist nicht übel für den Anfang«, erklärte der Mausbiber.

»Warum bist du nicht mitgelaufen? Als leuchtendes Vorbild?«, erkundigte sich Brad Callos sarkastisch.

»Ich habe mir beim gestrigen Einsatz eine Zerrung zugezogen. Der Arzt hat gesagt…«

»Schon gut«, sagten alle drei gleichzeitig.

Gucky wurde augenblicklich wieder ernst. Er wanderte um die drei herum, dann setzte er sich auch auf den Boden. »Es gehört nicht nur das körperliche Training dazu, sondern auch das Mentale. Ihr müsst psychisch stark ein, um den Gefahren trotzen zu können.«

»Das sind wir!«

Brad Callos legte sehr viel Selbstbewusstsein in seine Stimme.

Gucky spürte, dass alle drei aber große Furcht vor der Zukunft hatten. Furcht vor dem Versagen, Furcht vor dem Ungewissen.

»Ich spüre eure Furcht«, sprach Gucky hochtrabend.

»Was hat das denn damit zu tun?«, wollte Jeanne wissen.

Gucky stand auf und machte eine umfassende Geste. »Einfach alles! Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass und Hass zu unsäglichem Leid«, erklärte der Mausbiber bedeutungsvoll.

Die anderen waren aber wenig beeindruckt.

»Ich glaube, du bist im falschen Film«, meinte Callos.

Gucky räusperte sich. »Mag sein! Dennoch sind die Worte weise.«

Er lief mit den Armen auf dem Rücken verschränkt im Kreis umher und suchte nach den passenden Worten.

»Fakt ist, dass ihr trotzdem nur wenig Furcht zeigen dürft. Ihr dürft keine Angst haben, zu versagen. Diese Angst würde euch in einer Gefahrensituation selbst paralysieren. Eure Angst vor einem Gegner darf auch nicht zu groß werden.«

»Aber sie darf auch nicht in Selbstgefälligkeit entarten?«, forschte Jeanne nach.

»Richtig! Überheblichkeit ist ein schweres Laster«, erklärte der Ilt. »Nicht nur im Kampf gegen Verbrecher, sondern auch im Umgang mit den Normalsterblichen. Ich bin Mutant und Unsterblicher. Ich habe trotzdem nicht das Recht andere so zu behandeln, als sei ich ihnen überlegen.«

»Und wie war das mit dem Dauerlauf?«, fragte Lane und grinste zum ersten Mal.

»Das war ein Scherz. Daran müsst ihr euch gewöhnen«, erwiderte der Ilt mit einem Schmunzeln.

Die vier erhoben sich wieder. Jeanne lief zur Brüstung des Balkons und blickte über Mankind. Noch war es dunkel. Doch am Horizont konnte sie bereits die ersten rötlichen Sonnenstrahlen entdecken.

»Ein Sonnenaufgang aus dieser Höhe muss wundervoll sein.«

»Morgen wirst du ihn sehen. Ich schlage nämlich vor, dass wir uns nicht vor 9 Uhr treffen sollten…«, schlug Gucky vor.

»Ach, braucht da jemand trotz Zellaktivator mehr Schlaf?«, fragte Callos neckisch.

Gucky murmelte etwas Unverständliches, dann goss er jedem eine Tasse Kaffee aus der Kanne, die er mitgebracht hatte, ein.

»Wir werden heute noch unser Büro beziehen«, erläuterte der Mausbiber seinen drei Schülern. »Dort werdet ihr auch mit speziellen Anzügen und Waffen ausgerüstet werden. Ihr werdet Hypnoschulungen bekommen und mentalstabilisiert werden.«

»Und wann wird es unseren ersten Einsatz geben?«, wollte Lane wissen. Er war anscheinend sehr heiß darauf, in einen Einsatz zu gehen.

»Das steht in den Sternen«, flüsterte Gucky.

Gemeinsam betrachteten sie den wundervollen Sonnenaufgang aus der dreißigsten Etage des IMPERIUM ALPHA Komplexes.

 

3. Der Michael-Shorne-Prozess

Die Ausbildung der Mutanten verlief in den ersten Wochen sehr gut. Es gab zwar immer wieder Reibereien zwischen Hank Lane und Brad Callos, doch Gucky konnte die beiden Streithähne gut unter Kontrolle halten.

Jeanne Blanc machte die besten Fortschritte. Gucky überlegte, sie zur Stellvertreterin des Insel-Mutantenkorps zu machen. Irgendwann musste er wieder in die Milchstraße und dann brauchte er jemanden, der das Mutantenkorps führen konnte. Doch bis dahin würde noch einige Zeit vergehen.

Unterdessen begann am 21. April der Prozess gegen Michael Shorne. Eine lange Anklageliste wurde verlesen und Michael Shorne wurde wegen Verstoß gegen das Grundgesetz, Paragraph 115 »Klonen«, Entführung, Anstiftung zum Mord, Korruption und Konspiration gegen die Regierung angeklagt.

Es gab so gut wie keine Entlastungszeugen. Die Aussagen von gekauften Zeugen, die alles dem Leiter des Genlabors von Michael Shorne in die Schuhe schieben wollten, verpufften, als der TLD einige andere Genlabore von Shorne gestürmt hatte und sich dort ähnliche Dinge zugetragen hatten.

Der Fund der Joak Cascal- und Marquês von Siniestro-Klone und die Zeugenaussagen von Hank »Wulf« Lane, Brad Callos und Jeanne Blanc rissen der Verteidigung den Boden unter den Füßen weg.

Experten rechneten mit einem sehr harten Urteil. Das Klonen von Menschen war seit Jahrtausenden verboten und es gab außer in der Monos-Zeit keine Hinweise auf Regelbrüche.

Obwohl Michael Shorne der mächtigste Unternehmer in Cartwheel war und viele Arbeitsplätze an SHORNE INDUSTRY hingen, wollte man keine Gnade zeigen. Das Gericht zog sich für zwei Tage zur Beratung zurück. Am 27. April wollten sie ein Urteil fällen…

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon, 25. April 1298 NGZ

Der einst so mächtige Multimilliardär kauerte in der Ecke seiner Zelle und starrte an die Wand. Alles war verloren! Er wollte zu viel und hatte alles verloren.

Vor Rückschlägen hatte er nie Angst gehabt. Schon seine Verwicklungen auf Mashraten, der Untergang der LONDON II oder die Solder-Brant-Affäre in Cartwheel hatten ihn nicht umgeworfen. Immer wieder war er an die Spitze zurückgekommen, doch diesmal war er zu tief gefallen. Diesmal konnte er nicht wieder hochklettern.

Shorne drohte lebenslängliche Haft. Die Enteignung seines Besitzes, der Verkauf von SHORNE INDUSTRY. Michael Shorne war nur noch ein Häufchen Elend.

Voll Selbstmitleid und Depressionen starrte er an die Wand seiner Zelle. Minute für Minute, Stunde für Stunde, Tag für Tag.

Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Niemand konnte ihm helfen. Seine Untergebenen besaßen nicht die Macht. Nor'Citel machte keinen Finger krumm für ihn und das obwohl er es war, der das Produzieren seiner Klonarmee vorangetrieben hatte. Wie viel Millionen Soldaten mochten wohl in den unterirdischen Katakomben von New Paricza ausgebildet werden? Hundert Millionen?

Vielleicht sollte er Nor'Citel erpressen? Es bestand die Möglichkeit, dass Nor'Citel unter keinen Umständen das Geheimnis preisgeben wollte. Er sollte Shorne herausholen, sonst würde er auspacken!

Für einen kurzen Moment lachte Shorne. Er sah einen Hoffnungsschimmer. Doch das Lächeln erstarb. Nor'Citel würde Shorne eher umbringen. Der Überschwere besaß kein Gewissen und war noch skrupelloser als Shorne selbst. Michael konnte nicht verstehen, wie der dumme, feiste Siddus solch einen Aufstieg machen konnte.

Nor'Citel schuldete Shorne noch einiges, aber wie sollte er ihn daran erinnern? Nein, die Lage war hoffnungslos.

Der Marquês! schoss es Shorne durch den Kopf. Die Kinder des Marquês sind mein Trumpf!

Er verlangte, seinen Anwalt sprechen zu dürfen. Dieser Wunsch wurde ihm sofort gewährt. Die Angeklagten im 13. Jahrhundert NGZ hatten wesentlich mehr Rechte als zu früheren Zeiten. Sie durften sich sogar teilweise frei bewegen, mussten aber einen Sender mit sich tragen, damit sie jederzeit lokalisiert werden konnten. Manchmal wurden sie auch von Robotern begleitet, die auf sie aufpassten.

Der persönliche Wachroboter von Michael Shorne kam in die Zelle und stellte das Interkomgerät auf den Tisch. Michael sprach mit seinem Anwalt und bat ihn, sofort zu ihm zu kommen. Dann schickte er den Roboter weg und schrieb eine Nachricht.

Der Anwalt von Shorne war ein dickbäuchiger Terraner mit schlohweißen, fettigen Haaren. Er war sehr bekannt und schon lange auf der Gehaltsliste von Michael Shorne.

»Jakk, schön Sie zu sehen«, grüßte Shorne ihn und drückte ihm dabei unbemerkt einen Zettel in die Hand.

Der Anwalt bemerkte das und steckte ihn sofort in die Hosentasche.

Sie diskutierten über einige belanglose Dinge und Shorne wünschte, dass Jakk Harlord seinen Stellvertreter Thomas Zchmitt, der inzwischen auch in Cartwheel war, um die Geschäfte dort zu leiten, ausdrücklich von ihm persönlich Grüße übermittelte.

Natürlich war das ein Wink mit dem Zaunpfahl. Michael Shorne hatte Thomas Zchmitt eine Nachricht geschrieben, er solle die Beweise für das Genmaterial des Marquês sichern. Entweder er würde Shorne aus dem Gefängnis helfen oder jeder würde das Geheimnis seiner Kinder erfahren.

Das war Shornes letzter Strohhalm. Wenn auch der Marquês ihm nicht weiterhelfen konnte, konnte es niemand mehr.

Und davor hatte Michael Shorne Angst! Angst, alles zu verlieren. Seine Macht, sein Vermögen, seine Firma und sein Ansehen. Nun war er ein Niemand. Ein Sträfling.

Das Leben hatte jeglichen Sinn verloren, wenn das eintreten sollte. Thomas Zchmitt musste erfolgreich sein. Er musste einfach!

*

Jakk Harlord befand sich auf dem Weg in einen Nachtclub. Es war 23.12 Uhr am Abend des 25. Aprils 1298 NGZ. Mehrmals las er sich die Nachricht von Michael Shorne an Thomas Zchmitt durch. Er brauchte eine Weile, um die Informationen zu verdauen.

Achtlos rempelte er einen Passanten an, versteckte den Zettel in der Hosentasche, entschuldigte sich hastig und lief weiter.

Die Kinder des Marquês – Klone!

Diese Tatsache war eine Sensation. Michael Shorne hatte aus Genmaterial von Don Philippe de la Siniestro vier Kinder produziert. Damit waren die Klone illegale Geschöpfe. Der Marquês hatte das Volk angelogen!

Welche politischen Konsequenzen das für den Terrablock hatte, war nicht vorauszusehen. Shorne wollte den Marquês erpressen. Er sollte ihm aus dem Gefängnis helfen, dann würde das Geheimnis behütet bleiben.

Thomas Zchmitt sollte die Beweise sicherstellen.

Jakk Harlord fuhr sich mit der Hand durch sein fettiges Haar und blieb stehen. Er blickte sich misstrauisch um. Er befand sich in keinem guten Viertel von New Terrania. Hier wohnten und arbeiteten meist die gescheiterten Existenzen, die sich durch die Umsiedlung nach Cartwheel mehr erhofft, ihre Träume aber nicht verwirklichen konnten.

Prostitution, Drogen und Waffenhandel bestimmten hier das Bild. Doch hier gab es einen etwas exquisiteren Nachtclub, denn Jakk Harlord öfters einmal besuchte. Seine Frau konnte ihm nicht das geben, was er wollte.

Wie soll sie auch bei ihren 120 Kilogramm, dachte er grimmig.

Hier konnte er seine Befriedigung zu einem guten Preis holen. Geld hatte er mehr als genug als Staranwalt von SHORNE INDUSTRY und anderen Wirtschaftsimperien in Cartwheel. Heute war so ein Tag, an dem er die Zuwendung einer Frau und eine Flasche Vurguzz brauchte, um die eben erhaltenen Informationen zu verarbeiten.

Thomas Zchmitt war auf einer Geschäftsreise und nicht zu erreichen. Er würde erst morgen Früh wieder im Büro sein. Harlord konnte nichts tun außer sich seinem Privatleben zu widmen.

Seiner Frau sagte er, dass er noch wichtige Arbeiten im Fall Shorne zu erledigen hatte. Zweifelsfrei eine Lüge, doch es war nicht seine erste in dieser Ehe.

Er lief ein paar Schritte weiter, bis er vor dem Nachtclub stand. Die laute, elektronische Musik war bis auf die Straße zu hören.

Grimmige Türsteher sorgten dafür, dass nur eine bestimmte Klientel das Etablissement betrat. Harlord kannten sie bereits.

An der Garderobe wurde er von einer Frau begrüßt. Sie trug einen Körper betonten Netzanzug, nur die Intimbereiche wurden spärlich verdeckt. Ihr verbrauchtes Gesicht wurde durch das dicke Make-up kaschiert. Ihre roten Haare standen wie eine Löwenmähne von ihrem Kopf. Sie grüßte Harlord freundlich und wollte die Jacke nehmen. Er gab sie ab und vergewisserte sich mehrmals, dass der Zettel in seiner Hosentasche war.

Dann ging er in das Lokal. Die Inneinrichtung war luxuriös. Die Wände waren rot, die Möbel rotschwarz. Getränkebars standen an jeder Ecke. In der Mitte schwebte auf einer Antigravscheibe ein Käfig, in dem zwei exotische Tänzerinnen sich dem Rhythmus der Musik hingaben.

Jakk suchte sich einen Platz und bestellte einen doppelten Vurguzz. In einem Zug leerte es das Getränk, dann forderte er seine Mätresse.

*

Charly Gheddy und Ian feierten ausgelassen in dem Nachtclub »Dreieck«.

»Was für Frauen. Dieser Nachtclub könnte mein Stammclub werden«, sagte Charly zu seinem Bruder, der eher einen gelangweilten Eindruck machte.

Sein Augenmerk fiel auf die neuen Besucher. Es waren drei. Ein Mann und zwei Frauen. Der Mann trug ein halb offenes, weißes Hemd, Pluderhosen und ausgelatschte Schuhe. Die Frau rechts neben ihm war sehr aufgedonnert. Sie hatte grünblonde Haare und trug eine enge, körperbetonte Kombination. Die Frau links neben ihm faszinierte Ian. Sie hatte lange, blonde Haare, die ihr bis zu den Schulterblättern hingen. Ihr Gesicht war engelsgleich, ihr Körper ein Traum. Ihre vollen Brüste kamen durch das weiße, bauch- und rückenfreie Oberteil sehr zu Geltung. Um ihre Hüften war ein kurzer schwarzer Rock gespannt. Ein goldener Gürtel verlieh der Erscheinung einen eleganten Touch. Die kniehohen, schwarzen Stiefel rundeten das erotische Bild der Besucherin ab.

Die drei bewegten sich auf sie zu. Charly bemerkte, dass sein Bruder von der kleinen Blondine fasziniert war.

»Soll ich sie uns herholen?«

Bevor Ian etwas sagen konnte, machte er sich bereits auf dem Weg. Die Kellnerin kam mit einer Flasche Vurguzz an. Er schnappte sich das Getränk und vier Gläser.

Er wandte sich den drei neuen Besuchern zu.

»Guten Tag, die Damen und der Herr«, begrüßte er sie freudig. »Ich nehme an, Sie sind zum ersten Mal hier? Solche Schönheiten wären mir aufgefallen.«

Die beiden Frauen waren von dem Kompliment angetan. Der Mann hingegen wirkte eher missmutig.

»Was willst du von uns?«, fragte er genervt.

»Oh, Verzeihung, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Charly Gheddy. Das ist mein Bruder Ian.« Er zeigte in die Richtung ihres Platzes. »Ich bin Co-Geschäftsführer des führenden Raumschiffunternehmens BOHMAR INC.«

Das entsprach natürlich nicht der Wahrheit, oder noch nicht der Wahrheit, wovon Charly überzeugt war.

Sofort waren die beiden Frauen angetan.

»Es freut mich, dich kennenzulernen. Mein Name ist Anya Guuze«, erklärte die Schönheit, auf die Ian ein Auge geworfen hatte. Ihre beiden Freunde stellte sie als Krizan Bulrich und Sylke Stabum vor.

Sylke warf sich sofort um die Hüften von Charly und nahm einen großen Schluck aus der Flasche.

»Ich bin heute hier, um zu feiern und eine heiße Nacht zu erleben. Kannst du mir dabei helfen, Süßer?«, säuselte sie ihm ins Ohr.

Charly grinste über beide Wangen. »Oh, ich denke, da wird sich etwas machen lassen.«

Die vier gingen an den Tisch von Charly. Er stellte seine neuen Freunde Ian vor. Der Hüne begrüßte besonders Anya freundlich.

»Du bist schön wie eine Puppe«, stellte er wie in Trance fest. Aus seinem Mund klang das aber eher bedrohlich als schmeichelnd.

Anya bekam eine Gänsehaut beim Anblick dieses Mannes.

»Danke«, stammelte sie unsicher.

Charly bemerkte das und ergriff sofort das Wort. »Seit ihr auch Geschäftsleute?«

Anya lachte. »Nein, wir sind beim Militär. Wir sind alles Rekruten. Mein Verlobter Krizan ist bei der Infanterie. Sylke und ich machen eine Ausbildung als Brückenpersonal auf einem Schulungsschiff. Wir waren sogar für zwei Monate auf der IVANHOE.«

Verlobter, schoss es Ian durch den Kopf. Er sah in Krizan Bulrich einen Kontrahenten. Je mehr er Anya zuhörte, desto mehr mochte er dieses Wesen. Er wollte es besitzen! Sie war schön und intelligent. Genau die richtige Frau für ihn. Sein Engelchen.

Doch Bulrich störte…

…noch.

»Wie interessant. Sie haben bestimmt den Männern ordentlich den Kopf verdreht«, schmeichelte Charly. »Ich habe selten solche schönen Frauen beim Militär gesehen.«

Er legte seinen Arm um Sylke. Ihre Signale verstand er deutlich. Für Charly und Sylke würde die Nacht noch sehr lange dauern.

Die Feier ging lange und die fünf tranken reichlich Vurguzz. Ian stand auf um sich zu entleeren.

Die Toiletten waren überfüllt und er entschloss sich, im Hinterhof sein Geschäft zu verrichten. Er war nicht der einzige. Ein alter Mann mit weißen Haaren stand ebenfalls dort. Als er bemerkte, dass Ian da war, lief er eilig an ihm vorbei. Dabei rempelte er ihn an und fiel beinahe zu Boden.

Ian hielt ihn fest. »Ganz ruhig, Alter.«

Jakk Harlord sagte nichts und lief einfach weiter. Ian bemerkte, dass er etwas verloren hatte. Ein Zettel. Voller Neugier las er den Text und staunte nicht schlecht. Er hatte die Anweisungen von Shorne an Thomas Zchmitt gefunden.

Was dort geschrieben stand, war sehr brisantes Material. Sie konnten es sicherlich irgendwie für sich verwenden.

»Hey, Sie da! Das gehört mir!«, rief Jakk Harlord.

Er war zurückgekommen. Ian Gheddy steckte den Zettel ein. Jetzt war es an der Zeit für schnelle Entscheidungen. Sicher wussten nicht viele von dem Geheimnis. Je weniger davon wussten, desto besser.

Charly nahm das Vibrationsmesser aus seiner linken Jackentasche und versteckte es hinter dem Rücken.

»Oh, natürlich. Sie können es gerne wiederhaben«, erklärte er freundlich.

Als Harlord vor ihm stand, rammte er das Messer in den Bauch des Anwalts. Mit der anderen Hand hielt er den Mund von Harlord zu. Der Mann starb binnen weniger Sekunden. Ian war geübt darin, ein Leben schnell zu beenden.

Er packte die Leichte und legte ihn in einen Abfallkonverter. Leider konnte er ihn nicht aktivieren. Dazu benötigte er eine Codekarte, doch sicherlich würden die Reinigungskräfte das am Ende der Arbeitsnacht machen.

Niemand würde die Leiche finden. Zufrieden ging Ian wieder in den Nachtclub. Charly und Sylke waren nicht mehr dort. Stattdessen saßen nur noch Anya und Krizan dort und küssten sich innig.

Ian wurde zornig. Wie konnte es dieses Luder wagen, es mit einem anderen Mann zu treiben?

Sie war sein Besitz! Zumindest seiner Ansicht nach. Mühevoll riss er sich zusammen und fragte die beiden, wo Charly sei.

»Oh, er und Sylke haben ein Zimmer gemietet. Sie wollen etwas ungestört sein«, erklärte Anya kichernd.

»Dann werde ich gehen.«

»Nein!« Anya legte ihre Hand auf Ians Arm.

Ein Gefühl der Lust und Begierde stieg in ihm hoch.

»Bleibe doch. Zu zweit ist es langweilig«, meinte Anya Guuze und schaute ihren Verlobten an. Sie erwartete eine Zustimmung.

»Na, wenn du meinst«, sagte der Zähne knirschend.

Ian war umgestimmt und setzte sich hin. Er musste sowieso auf Charly warten, um ihm die Neuigkeiten zu berichten.

Mit diesen Informationen konnten sie den Marquês von Siniestro erpressen. Doch sie brauchten vorher Beweise. Diese mussten sie schnell sicherstellen. Shorne hatte genau aufgeschrieben, wo sie sich befanden. Sie waren in einer alten Positronik abgespeichert, einem Stand-Alone-Rechner ohne Verbindung zur Außenwelt, der in einem Nebenarchiv des Hauptgebäudes stand. Shorne hatte den Weg und die Zugangsdaten auf den Zettel gekritzelt. Er musste verzweifelt sein.

Zu dumm, dass sie soeben von seinem unzuverlässigen Anwalt vertan wurde, dachte Ian mit einem inneren Lächeln.

Doch er musste jetzt schnell handeln. So sehr ihn Anya auch faszinierte. Er musste jetzt an sich und Charly denken. Wider Willen verabschiedete er sich von den beiden und erklärte, er müsste geschäftlich für ein paar Stunden etwas erledigen.

*

Ein lautes Stöhnen drang durch den Raum. Sie schrie ihre Lust mit voller Kehle heraus. Ihre Schenkel pressten sich an seine Hüften, ihre Arme umschlangen seinen Oberkörper. Ihre Finger fuhren über seinen Rücken und krallten sich in seiner Haut fest.

Mit jeder Bewegung wurde sie lauter. Sie wälzten sich im Bett und er drehte sie herum. Ihre Hände streichelten seinen Oberkörper, während sie in Ekstase ihr Becken kreiste. Seine Hände massierten ihre Brüste. Lustvoll keuchend senkte sie ihren Oberkörper auf den seinen. Er spürte ihre harten Brustwarzen.

Da ging plötzlich die Tür auf.

»Charly, komm wir haben dafür jetzt keine Zeit!«, rief Ian und machte das Licht an.

Schreiend suchte Sylke die Bettdecke und verhüllte damit ihren verschwitzten Körper.

Charly blickte Ian verständnislos an. »Was soll das, Brüderchen?«

Ian trat näher und setzte sich an den Bettrand. Sylke wusste nicht, was sie machen sollte. Sie wirkte ausnahmsweise sogar verlegen.

»Ich habe euch schließlich Zeit gelassen. Langsam müsstet ihr doch fertig sein«, erklärte Ian mit einem undefinierbaren Grinsen.

»Sind wir aber noch nicht«, erwiderte Charly eingeschnappt.

Ian winkte einen Servo herbei. »Ich habe dir Frühstück bringen lassen, Bruderherz.«

Charlys Laune besserte sich zusehends. Genüsslich trank er den Kaffee. Sylke wurde gar nicht mehr von den beiden beachtet.

»Dann kann ich ja gehen. Oder wollen wir zu dritt weitermachen?« Lüstern schmiegte sie sich an Charly.

»Ein anderes Mal. Hau ab«, sagte Ian düster. Er nahm die Anziehsachen von Sylke und warf sie auf das Bett.

Wütend schnappte sie sich ihre Kombination und wollte den Raum verlassen, doch Charly hielt sie fest. »Schatz, wir sehen uns heute Abend. Wir gehen essen und sind ganz ungestört.«

Sofort war Sylke Stabum wieder versöhnlich gestimmt. Sie gaben sich einen intensiven Abschiedskuss, bevor Sylke das Zimmer verließ.

»Sie ist eine Sextransformbombe!«

»Und ich habe uns gerade unsere lebenslange Rente gesichert.« Ian Gheddy holte aus seiner Tasche den Zettel von Shorne und gab ihm seinen Bruder.

Charly las aufmerksam das Schriftstück durch. »Ist das…?«

»Ja, Bruderherz. Ich war heute Nacht bei SHORNE INDUSTRY eingebrochen. Es war nicht einfach, aber ich habe die Genmuster und Genproben von den vier Klonkindern. Eindeutige Beweise, die niemand widerlegen könnte.«

*

Michael Shorne wurde am 27. April 1298 Neuer Galaktischer Zeitrechnung zu 20 Jahren Haft in dem Galaxisgefängnis Paxus verurteilt. Dort kamen gehobene Sträflinge hin. Des Weiteren wurde Michael Shorne lebenslänglich die Handelskonzession entzogen und er wurde zu einer Geldstrafe von 10 Billionen Galax verurteilt. Um ein Teil dieser hohen Strafe abzubezahlen, wurden seine Aktien bei SHORNE INDUSTRY zum freien Verkauf angeboten. Ein weiterer Teil wurde von seinem großen Privatvermögen genommen.

Drei Parteien teilten sich SHORNE INDUSTRY auf. Ausgerechnet das Trio Katschmarek, Roehk und Niesewitz konnte 25 Prozent erwerben. Sie konnten das mit dem Geld der Versicherung der BAMBUS finanzieren. 40 Prozent sicherte sich der arkonidische Unternehmer Ryc da Flayr, ein Arkonide mittleren Alters, stolz und verschlagen. Er gehörte zu den Leuten, die mit einer fast schon bewundernswerten Raffinesse immer wieder ihre Ziele erreichen konnten. Flayr hatte sich zum Ziel gesetzt, sich ein lebendes Denkmal zu setzen. Ein Beitrag dazu sollte die totale wirtschaftliche Macht in Cartwheel sein.

Die restlichen 30 Prozent hielt Thomas Zchmitt noch in seinen Händen.

Politisch tat sich bis Mitte Mai 1298 NGZ wenig. Perry Rhodan reiste durch die Galaxis und besuchte die Staatsoberhäupter. Alle warteten gespannt auf die Rückmeldungen der Staatsoberhäupter aus den Galaxien. In IMPERIUM ALPHA bereitete man den Wohltätigkeitstag für die Kinder am 18. Mai vor. Der Marquês war stolz auf seine beiden Töchter, die Hand in Hand sehr gut mit Uthe Scorbit zusammenarbeiteten, um diesen Tag zu organisieren. Sein Sohn Orlando bekam für diesen Tag auch frei, so dass er alle Kinder um sich hatte.

Die USO in Cartwheel entsandte übrigens den »Spitzenagenten Peter Richettéu«, um das Kinderfest in IMPERIUM ALPHA zu schützen. Richettéu wurde von der USO in der Milchstraße abgestellt. Jan Scorbit hatte akute Probleme mit Führungspersönlichkeiten, da der Wegfall von Tyler und Japar immer noch Löcher hinterließ.

Aus den Chroniken Cartwheels, Jaaron Jargon, 18. Mai 1298 NGZ

4. Das Fest der Kinder

Uthe Scorbit und Brettany de la Siniestro saßen gemütlich an einem Tisch und tranken eine Tasse Kaffee.

»Deine Schwester ist wie ausgewechselt. Sie führt bestimmt etwas im Schilde«, vermutete Uthe Scorbit.

Brettany lachte herzlich. »Manchmal kann sie auch ganz nett sein. Vielleicht hat sie doch Kinder ganz lieb.«

Uthe schüttelte den Kopf. Sie glaubte nicht so ganz daran. In den letzten drei Monaten hatte sich Stephanie de la Siniestro in einem anderen Licht präsentiert.

»Guten Morgen, die Damen«, hörten sie eine vertraute Stimme.

»Orly!«, jubilierte Brettany und begrüßte ihren Bruder mit einer Umarmung. Orlando de la Siniestro gab Uthe galant einen Kuss auf die Hand.

»Wie ist Redhorse Point?«, erkundigte sich Brettany.

»Sehr anstrengend. Es wäre leichter, wenn wir nicht so einen furchtbaren Ausbilder namens Benington hätten.«

Uthe musste schmunzeln. »Mein Mann diente auch unter ihm. Er ist wohl sehr widerlich.«

»Das ist noch untertrieben!«, gestand Orly.

Er entschuldigte sich bei den Damen und begab sich zu seinem Vater. Uthe blickte Orlando eine Weile hinterher. Er war ein sehr attraktiver Mann, fand sie. Uthe ermahnte sich selbst. Sie war mit Remus verheiratet. Und das glücklich.

Ein Poltern ließ sie aufschrecken. Ungläubig blickte sie zu einem Mann in einem altertümlichen Regenmantel und einem seltsamen Schlapphut. Er war in einen Eimer getreten und gestolpert. Dabei hatte er versucht, Halt zu finden und einige Kabel, die lose herumlagen und für die spätere Sonderbeleuchtung sorgen sollten, heruntergerissen und sich in ihnen verheddert.

Brettany und Uthe sahen sich verständnislos an und rannten zu dem Mann. Es dauerte eine Weile, bis sie ihn ausgewickelt hatten.

Räuspernd und mit wilden Gestiken richtete er sich auf. »Danke, meine Herren, aber ich hätte diese unbedeutende Krise auch selbst gemeistert.«

»Wer sind Sie?«, wollte Uthe wissen, während Brettany nur amüsiert kicherte.

»Wer sind Sie denn?«, stellte der Mann mit dem Schnauzer die Gegenfrage.

»Ich bin Uthe Scorbit, die Sozialbeauftragte des Terrablocks!«

»Oh, Gnädigste! Ich bitte um Verzeihung.« Der Mann verbeugte sich und wollte ihre Hand küssen, doch dabei traf er mit seinem Kopf ihre Brust.

Uthe fiel keuchend nach hinten. Sichtlich um Fassung bemüht, rappelte sie sich wieder auf. Der Mann versuchte ihr dabei zu helfen, machte alles jedoch noch schlimmer.

»Wer sind Sie?«, herrschte Uthe ihn an.

Der Mann stand stramm und stellte sich vor: »Ich bin Peter Richettéu, Geheimagent der United Stars Organisation of Cartwheel. Ich bin in geheimer Mission hier und bitte Sie, mich nicht zu verraten.«

»Das haben ja wohl eher Sie gemacht«, stellte Uthe nüchtern fest.

»Wie belieben?«

»Na, Sie haben sich doch eben vorgestellt und verraten. Und ihr Auftreten war alles andere als unauffällig.«

»Ach so, ja. Alles nur Tarnung.«

»Sie spielen als nur den Trottel? Geniale Verkleidung«, meinte Brettany de la Siniestro amüsiert.

Richettéu räusperte sich erneut. »Ich muss nun an die Arbeit. Ich bin hier, um auf Unauffälliges zu achten und Auffälliges zu missachten.«

Sofort machte sich Richettéu auf den Weg. Er lief zielstrebig auf einen Wandschrank zu, öffnete die Tür und verschwand.

Uthe und Brettany blickten ihm entgeistert hinterher. Nach etwa einer Minute kam er wieder heraus und ging zu den beiden Frauen.

»Ihr Architekt hat mit Verlaub gesagt eine Vollmeise. Die Tür führt in eine Sackgasse mit lauter Gerümpel.«

»Das ist die Abstellkammer«, erklärte Scorbit.

»Nur eine kühne Behauptung«, hüstelte Richettéu.

Brettany führte ihn zur Rezeption. Sollten die sich mit ihm herumschlagen.

Als er endlich den richtigen Weg zu der Etage des TLD gefunden hatte, mussten Uthe und Brettany loslachen.

»Was hatte sich Jan nur dabei gedacht, diesen Typen zu uns zu schicken? Der ist ja völlig durch den Wind«, amüsierte sich Uthe.

*

Um Punkt 9:00 Uhr öffneten sich Tor und Tür für die Kinder. Ein reger Andrang war bereits nach wenigen Minuten zu verzeichnen. Terranische, arkonidische, jülziische, galornische, akonische, saggittonische und dorgonische Kinder bildeten die Masse, doch von so ziemlich jeder Spezies waren welche vertreten.

Brettany und Uthe begrüßten Kinder und Eltern. Stephanie begann mit den Führungen.

Ein kleiner Bluesjunge machte einen besonders interessierten Eindruck. Er wandte sich an Brettany und fragte: »Hier sind alle Regierungsmitglieder? Hier läuft alles zusammen?«

Brettany war erfreut über den aufgeweckten Kleinen. »Aber ja. Das ist das Herz des Terrablocks. Mit über dreißigtausend Mitarbeitern ist IMPERIUM ALPHA der größte Komplex in New Terrania.«

»Mhm«, machte der kleine Gataser. »Wenn hier was passiert, liegt also der gesamte Terrablock lahm. Ganz schön gefährlich, oder?«

Das Lächeln von Brettany erstarb. Sie musste dem Jungen recht geben. Aber kein sehr schönes Thema, wie sie fand.

»Na gut, dann schaue ich mich hier noch etwas um«, verabschiedete sich der Jülziisch.

Brettany rief ihn zurück. »Bist du denn alleine hier? Wo sind denn deine Mama und dein Papa?«

»Tot!«

*

Der Marquês de la Siniestro verfolgte mit Genugtuung die Feierlichkeit. Der Tag der offenen Tür für Kinder aus Cartwheel stieß bei den Medien und der Bevölkerung auf positive Resonanz. Wieder einmal stand der Marquês mit seiner Familie im Interesse der Galaxis. Seine Beliebtheit wuchs von Tag zu Tag.

Es gab sogar vereinzelte Stimmen, die ihn für den Generalsekretär von Paxus vorschlugen. Doch der alte Spanier wollte es sich nicht anmaßen, dem Somer Sam den Posten streitig zu machen. Auch wenn ihn diese Aufgabe und die damit verbundene Machtposition äußerst stark reizte.

Diabolo trat an den Marquês heran. »Sir, hier sind zwei illustre Gestalten, die Sie zu sprechen wünschen«, begann der Posbi in einem seltsamen Unterton. Das Wesen konnte die Stimmlage durchaus verändern. Diabolo tat das sogar mit Absicht, um menschlicher zu wirken und gewisse Stimmungen verbal wiedergeben zu können.

»Was für Gestalten?«, fragte der Marquês barsch.

»Charley und Ian Gheddy. Großneffen der Braunhauers. Sie sagen, sie hätten mit Ihnen etwas über Ihre vier Kinder zu besprechen, was sehr geheim wäre.«

Der Marquês zuckte zusammen. Aus Diabolos Stimme hörte er Besorgnis. Nach einer kurzen Überlegung ließ der Marquês die beiden zu sich rufen.

Charly, in einem weißen Anzug gekleidet, war freundlich und höflich, während der schwarz tragende Ian düster und feindselig wirkte. Charly begrüßte den Marquês freudig und schüttelte ihm die Hand. Ian hingegen nickte nur grimmig.

»Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«

»Na ja, ein Scheck auf Lebenszeit und unsere Mutter heiraten«, entgegnete Charly höchst amüsiert.

Der Marquês glaubte, die beiden würden spinnen. Doch schnell legte Charly ihm einige Kopien der Genmuster seiner Kinder vor. Aus diesen Unterlagen wurde ersichtlich, dass sie geklont wurden. Zudem hatte er Akten über die vier Klone aus SHORNE INDUSTRY mitgebracht.

Fassungslos blickte der alte Spanier auf die Dokumente. Ein Hustenanfall überkam ihn. Diabolo stützte den Marquês und half ihn, sich zu setzen.

Keuchend fragte er: »Was verlangt ihr Penner?«

Charly grinste. »Nun, eine Villa, eine monatliche Überweisung und Sie als Stiefvater.«

Der Marquês glaubte, er sei in einem schlechten Film. »Das kann wohl kaum Ihr ernst sein, Señor. Ich kenne nicht einmal Ihre Mutter. Über das Erpressungsgeld können wir allerdings verhandeln. Wären 50.000 Galax pro Kopf in Ordnung für Ihr Stillschweigen?«

Charly schüttelte den Kopf. »Das Geld und die Heirat meiner Mutter. Wir würden gerne zur Familie gehören. Das hat einige Vorteile, mit dem Herrscher des Terrablocks verwandt zu sein. Seht doch, Ihr seid alt und schwach, hässlich und runzelig.«

Der Marquês zuckte bei diesen Bemerkungen zusammen.

»Nun, in Ihrem Alter bekommt man keine knackige Frau mehr ab. Deshalb sollten sie nehmen, was man Ihnen anbietet. Falls nicht… falls nicht, werden diese Informationen demnächst an die Presse gehen und Ihr Ruf sowie der Ihrer Kinder ist erledigt. Sie haben die Wahl! Adios!«

Charly und Ian verließen den Raum und ließen einen nachdenklichen Marquês zurück.

*

Die vier Mutanten beobachteten den bunten Trubel mit den Kindern. Jeanne war sichtlich angetan von den Kleinen und Brad fühlte sich an seinen Sohn erinnert. Gucky spielte den Pausenclown und brachte viele Kinderherzen zum strahlen. Alles in allem ein sehr gelungener Tag.

Brettany und Uthe standen beieinander und machten eine kurze Pause.

»Da ist wieder dieser aufgeweckte Jülziischjunge«, meinte Brett und deutete in seine Richtung. Irgendwie war ihr der Blue nicht geheuer.

»Wo denn?«, fragte Uthe.

An der Stelle, wo der Bluesjunge war, stand keiner mehr.

»Aber eben war er doch noch da…«

*

Peter Richettéu schlenderte durch die Räume. Er glaubte, dass nichts seinem wachsamen Auge entgehen könnte.

In einem Raum stand ein Bluesjunge. Er bemerkte Richettéu sofort und stoppte seine Aktivitäten.

»Nanu, mein Kleiner. Was machst du denn hier?«

»Den beiden Leuten ist schlecht geworden und ich wollte diesen frischen Duft in die Klimaanlage verteilen, damit sie wieder aufwachen«, erklärte der Junge infantil.

Richettéu lachte herzhaft. »Du bist aber ein lieber kleiner Kerl. Moment ich helfe dir.«

Er nahm den sehr großen Behälter, ließ in allerdings fallen. Schreiend wich der Blue aus und teleportierte weg.

Richettéu wusste nicht, was passiert war. Er lief heraus. Irritiert blickte er sich um. Plötzlich schrillten die Sirenen hoch.

Der Syntron meldete »Giftgasalarm«. Umgehend materialisierten Gucky und die anderen in dem Raum.

»Richettéu! Was haben sie angestellt. Das ist ein Behälter mit Nervengift!«, rief Gucky.

»Nerven…?«

Richettéu fiel in Ohnmacht.

Hank rüttelte ihn wieder wach.

»Warum haben Sie das getan?«

»Ich wollte doch bloß dem kleinen Bluejungen helfen…«, stammelte Richettéu.

»Rijon!«, stellte Gucky entsetzt fest.

Sofort wurde Alarm für ganz IMPERIUM ALPHA gegeben. Wachleute brachten die Kinder in Sicherheit, während Gucky mit Wulf Lane und Brad Callos mit Jeanne Blanc jeden Raum absuchten.

In einem Raum wurden sie auch fündig. Dort befand sich Jevvrus. Das Wesen, eine Mischung aus einem Dscherro, einem Topsider und einem Dumfries, grunzte laut und rannte sofort auf Wulf Lane zu. Das mächtige Wesen warf ihn zu Boden.

Sicherheitskräfte rannten an und wollten auf Jevvrus schießen. Gucky machte sich bereit einzugreifen.

Plötzlich erschienen auch Rijon und Torytan. Das Fledermauswesen stieß einen gellenden Schrei aus und tötete damit einige Wachleute, deren Gehirn förmlich implodierte. Orlando de la Siniestro kam ebenfalls angerannt und zog sein Vibratorschwert, welches eigentlich nur zur Zierde bei seiner Ausgehuniform gedacht war. Während Hank noch damit kämpfte, wieder aufzustehen, warf sich Orly in den Kampf und verletzte Jevvrus. Doch das mächtige Wesen warf Orlando gegen die Wand. Bewusstlos brach er zusammen.

Jevvrus floh aus dem Raum. Er stieg aus dem Fenster und kletterte die Wand entlang hoch. Rijon teleportierte eine Etage weiter herunter und löste ein Erdbeben aus. Gucky eilte hinterher und schubste den Bluejungen telekinetisch an die Wand. Doch Rijon teleportierte weg.

Jevvrus kletterte immer höher. Wulf versuchte ihn einzuholen. Dann stieg Jevvrus in ein Fenster. Wulf kletterte hinterher. Die beiden bekämpften sich mit allem was sie hatten.

Plötzlich erschien eine graue Gestalt. Sie war ein Humanoide, etwa 180 Zentimeter groß. Aber völlig in grau. Keine Mund- oder Nasenöffnungen, keine Augen. Nichts. Ein graues, konturloses Schemen! Es griff Jevvrus an und ermöglichte Hank die nötige Verschnaufpause. Mit einem Dropkick, einer Wrestling Aktion bei der er mit geschlossenen Beinen auf den Gegner sprang, drückte er Jevvrus aus dem Fenster. Sein Schicksal war besiegelt, denn das Wesen fiel 300 Meter in die Tiefe.

Jede Hilfe kam zu spät. Bevor sich Wulf bei dem Schemen bedanken konnte, war es verschwunden.

Hank erklärte Gucky den Vorfall. Der Ilt war sehr verwundert. Doch immerhin hatte dieses ominöse Schemen bewirkt, dass sie einen Gegner weniger hatten.

Jeanne half unterdessen Orlando wieder hoch. Der junge de la Siniestro wirkte sichtlich benommen.

»Jevvrus ist tot«, stellte er erleichtert fest.

»Woher weißt du das? Du warst doch bewusstlos.«

Jeanne sah ihn fragend an. Doch Orly konnte diese Frage auch nicht richtig beantworten. Er wusste es einfach. Er wusste genau, dass Jevvrus in den Tod gestürzt war. Doch woher, konnte er nicht beantworten.

Über Interkom bekam Gucky eine Nachricht: »Eine Raumfähre wurde vom Raumhafen gestohlen. Es gab über siebzig Tote. Augenzeugen berichten von drei Kreaturen, darunter ein kleiner Blue, die den Frachter gewaltsam an sich gebracht hatten. Wir nehmen die Verfolgung auf.«

Gucky wusste augenblicklich, dass es sich dabei um Rijon handelte. »Wir müssen sofort hinterher. Doch wo kriegen wir so schnell ein Raumschiff her?«

Ein Räuspern machte die vier auf jemanden aufmerksam. Es war Richettéu. »Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass meine persönliche Space-Jet auf dem Landehafen von IMPERIUM ALPHA steht…«

Gucky verlor keine Sekunde. Er schnappte Richettéu und teleportierte mit ihm in die Space-Jet. Sofort folgten auch die anderen drei Mutanten und Orlando.

Brad Callos übernahm die Steuerung der USO-Space-Jet. Mit einem Alarmstart raste sie vom Raumhafen IMPERIUM ALPHA los.

»Ich habe den gestohlenen Frachter in der Ortung. Er verlässt den Orbit«, meldete Jeanne.

»Funkt an Will Dean, dass wir uns darum kümmern. Die anderen sollen sich raushalten«, befahl Gucky.

Der Frachter ging in den Hyperraum. Sofort folgte die Space-Jet ihm. Den modernen Halbraumspürern konnten sie nicht entkommen. Nach etwa dreißig Minuten fiel das Schiff wieder in den Normalraum zurück.

»Paxus«, stellte Orlando fest.

Das war also ihr Ziel.

 

5. Duell der Mutanten

Callos steuerte die Space-Jet von Richettéu direkt auf den Raumhafen. Auch der Frachter hielt darauf zu.

»Hört den TLD-Funkverkehr ab. Ich will wissen, was Rijon unternimmt«, befahl Gucky.

Der Frachter hatte seinen Paratronschutzschirm zweifach gestaffelt und war so undurchdringlich für den Ilt oder Callos.

Der Frachter landete nicht auf dem Raumhafen. Das war auch nicht zu erwarten. Er flog einige Schleifen. Plötzlich näherten sich Abfangjäger der Paxusgarde. Die Funksprüche waren eindeutig. Man wollte den Frachter zur Landung zwingen oder abschießen.

»Wir müssen den Schutzschirm knacken und rein springen«, murmelte Gucky, der konzentriert die Kontrollen ablas.

Die Abfangjäger begannen mit dem Feuer, doch schon schnell wichen sie vom Kurs ab.

»Sie stürzen ab!«, schrie Jeanne.

»Nein, sie werden hinunter geschleudert«, erklärte Gucky. Er nahm alle Kraft zusammen und hielt den telekinetischen Angriff Rijons mit denselben Mitteln entgegen.

»Feuert!«, rief der Mausbiber.

Das ließ sich Hank Lane, der am Feuerpult saß, nicht zweimal sagen. Sofort schoss er auf den Frachter, der vergeblich versuchte, den Strahlen auszuweichen. Weder Rijon, Kylaka noch Torytan schienen gute Navigatoren zu sein.

»Ich bekomme gerade eine Alarmmeldung über Funk rein«, erklärte Orlando de la Siniestro. »Es ist das Staatsgefängnis von Paxus. Sie melden einen Einbruch. Im Zellentrakt B, wo die neuen wichtigen Sträflinge untergebracht sind, gab es eine Explosion. Vorher wurde ein Blue gesichtet.«

»Das ist Rijon!«, vermutete Jeanne. »Doch was wollte er da?«

Sie beantwortete nach wenigen Sekunden ihre Frage selbst. »Shorne! Er hat Shorne getötet. Er war schließlich für alles verantwortlich.«

Rijon war also tatsächlich in das Gefängnis eingebrochen und hatte eine Feuer oder eine Explosion ausgelöst. War damit Michael Shorne tot? Noch konnte man keine Bestätigung oder ein Dementi erhalten. Die Löscharbeiten dauerten an und man sprach bereits von vielen Toten.

Rijon scheute kein Gräuel. Dieser kleine Junge – ein Kind – kannte nicht den Unterschied zwischen Gut und Böse. Er war gekränkt, weil man ihm alles genommen hatte, was er geliebt hatte. Bedauerlich, dass er über Fähigkeiten verfügte, die eine ganze Stadt verwüsten konnten. Und er schien von diesen Gebrauch zu machen.

»Der Frachter kreist weiter durch die Stadt. Er macht das sehr gut. Ein Abschießen würde ein Massaker auf den Boden verursachen«, berichtete Orlando de la Siniestro.

Gucky wurde die Angelegenheit langsam zu dumm. Doch was konnte er schon ändern? Nicht viel. Plötzlich tauchten Rijon und Torytan auf dem Paxus-Parlamentsturm auf. Space-Copter und Abfangjäger kreisten darüber und wurden wie von Geisterhand auf den Boden geschleudert. Die telekinetische Begabung von Rijon war außerordentlich.

Der CASSADO-Tower begann zu erzittern.

»Oh, mein Gott. Rijon lässt den CASSADO-Tower einstürzen!«, rief Jeanne in heller Aufregung.

Gucky verlor keine Sekunde. »Ich halte ihn auf.«

Plötzlich wurde auch die Space-Jet von einer Strukturerschütterung erfasst. Peter Richettéu hielt sich an Gucky fest. Just in dem Augenblick sprang der Ilt auf den Paxus-Parlamentsturm. Sofort stieß er Torytan und Rijon telekinetisch zu Boden.

Das Fledermauswesen sprang schreiend hoch und umkreiste Richettéu. Rijon schleuderte eine Strukturwelle gegen Gucky. Der Ilt brach benommen zusammen.

»Sterbt! Sterbt alle! Ihr habt Mami und Papi getötet. «, schrie der Blue. Tränen strömten aus seinen beiden Augenpaaren. Er war voller Hass und Zorn. Aber auch Verzweiflung und unendlichem Schmerz. Er wollte den CASSADO-Tower einstürzen lassen, doch ein Schutzschirm sicherte ihn nun. Wütend kreischte Rijon auf.

*

Peter Richettéu lief vor Torytan weg. »Sie sind verhaftet, Sir! Ich warne Sie. Ich beherrsche Dagor!«, rief der USO-Agent mehr ängstlich als fordernd.

Rijon visierte die Space-Jet an und ließ sie erschüttern. Das Raumschiff geriet ins Straucheln und musste einen Crash auf dem breiten Turmdach machen. Orlando de la Siniestro war bewusstlos. Jeanne verletzt. Callos kümmerte sich um sie, während Lane sich um Orly kümmerte.

Torytan setzte vor Richettéu auf. Seine Zähne blitzten gefährlich. Seine Krallen waren messerscharf. Richettéu nahm seinen Thermostrahler und zielte auf den Chimären, doch sein Schuss ging kläglich vorbei.

»Ich ergebe mich!«, rief er und riss die Arme hoch. Er warf die Waffe weit weg.

Dabei löste sich ein Schuss, der eine Funkantenne traf und durchtrennte. Die schwere Antenne fiel mit einem lauten Knacken herunter – direkt auf Torytan. Der Chimäre warf sich schreiend zur Seite, doch sein rechter Flügel wurde zerquetscht. Voller Schmerzen rollte er sich weiter.

»Warten Sie. Ich helfe Ihnen. Obwohl Sie ein Verbrecher sind«, meinte Richettéu.

Er lief zu dem Verwundeten Torytan, der sich aufrappelte und hin und her schwankte. Mit einem Vorwärtssprung wollte er sichergehen, nicht von der Kante zu fallen. Peter Richettéu stolperte allerdings und rammte seinen Schädel in den Magen von Torytan, der nach hinten fiel. Da sein Flügel zerquetscht war, konnte er nicht mehr fliegen und rutschte ab. Verzweifelt versuchte er sich festzuhalten, doch er verlor den Halt und fiel in den Tod.

Richettéu starrte dem fallenden Torytan hinterher. Rijon bemerkte den Tod von seinem Gefährten erst jetzt. Wütend wollte er Richettéu von dem Dach schubsen, doch Gucky griff ein und sprang auf den Bluejungen. Die beiden rangen miteinander. Der Frachter stand plötzlich über dem Dach und feuerte auf die Space-Jet.

Doch die Abfangjäger schossen ihrerseits. Rijon stieß Gucky weg und schubste Richettéu telekinetisch vom Dach. Der USO-Agent fiel schreiend zu Boden und kullerte über den Rand, doch er konnte sich festhalten. Plötzlich tauchte wieder das graue Schemen auf. Es zog Richettéu hoch und half dann Gucky.

Es wurde eng um Rijon und Kylaka. Der Bluesjunge stieß mit einem gewaltigen Strukturschock die Gegner von sich. Dann teleportierte er in den Frachter, dessen Schutzschilde schon aufflackerten. Gucky sah die Chance gekommen und wollte folgen.

Bruchteile von Sekunden bevor er los teleportierte, spürte er eine Berührung. Wer war es? Etwas klammerte sich an ihm fest. Zu spät! Er war auf das Schiff gesprungen. Und mit ihm der Fremde.

*

Plopp.

Gucky materialisierte, esperte und lauschte.

Die Besatzung des Kleinraumers verhielt sich normal. Keiner schreckte in Gedanken hoch, keiner griff nach der Waffe oder hieb auf einen Alarmsensor.

Gut so, dachte er und roch Lebkuchengeruch. Ohne sich umzudrehen oder zu espern kannte er den Grund, der ihn mehr Kraft bei der Teleportation als üblich gekostet hatte.

»Was machst du hier?«, fragte er den Mann mit dem altmodischen Schnurrbart verärgert. Peter Richettéu musste ihn Sekundenbruchteile vor dem Sprung berührt haben.

»Du hast mich mitgenommen«, antwortete der nUso-Agent.

Abstreiten auch noch!

Der Mausbiber blickte sich um. Kisten stapelten sich neben drei bis zur Decke reichenden Regalen, in denen technisches Gerät lag. Er glaubte, Dämpfer für die mechanischen Aufhängungen und Resonatoren für die Boostersysteme zu erkennen. Unabhängig von dem Lebkuchengeruch, nach dem Richettéus Aftershave stank, roch die Luft muffig – typisch Lager, das nur alle heiligen Zeiten betreten wurde.

Gucky rieb sich die Hände. Besser hätten sie es nicht treffen können.

»Eigentlich solltest du mich zurückbringen«, sagte Peter und trat zum Regal.

»Vorsicht!«, rief Gucky und sah, wie Peter mit dem Unterschenkel gegen eine der Kisten stieß, das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte.

Gucky verdrehte die Augen.

Klackton! Walty Klackton! Endlich fiel ihm ein, an wen ihn der Agent erinnerte.

»Der war schlimmer«, murmelte er. »Viel schlimmer.«

»Wie?«, fragte Peter und rappelte sich auf.

Gucky machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du bleibst. Das Risiko zweier Sprünge ist mir zu groß. Mich wundert, dass Rijon nicht schon den Ersten bemerkt hat.

»Aber…«

Der Mausbiber spürte Ärger aufkeimen. Menschen wie Peter Richettéu brachten ihn innerhalb kürzester Zeit, auf die Palme.

Du bist älter, erfahrener, sagte er sich gedanklich.

»Diskussion beendet!« Gucky suchte sich ein Plätzchen. Er hatte keine Ahnung, wie lange der Flug dauern würde.

»Ist Shorne an Bord?«

Gucky nickte.

»Wir müssen ihn befreien!«, rief Peter und kam auf Gucky zu. Dabei streifte er mit der Schulter an einer über das Regal hinaus stehenden Stange. Sie schob einen Frequenzwandler über den Rand.

Im letzten Moment fing Gucky ihn mit seinen telekinetischen Kräften auf und setzte ihn sanft auf den Boden.

»Peter«, sagte er händeringend. »Pass auf, wo du hintrittst. Du kennst deine seltsame Begabung.«

»Ich habe sie im Griff.«

Genau, dachte der Mausbiber. »Verhalte dich ruhig und nutze die Zeit für ein Schläfchen.«

»Es ist zehn Uhr Vormittags!«

»Im Einsatz weißt du nie, wann du Zeit für eine Ruhepause hast.« Gucky zeigte seinen Nagezahn. »Was bringen sie euch bei der nUSO heutzutage eigentlich bei?«

»Soll ich dir einen Überblick über den Ausbildungsbildungsplan geben?«

»Bloß nicht!« Gucky hob entsetzt die Arme. »Mach Platz und gib Ruhe!« Demonstrativ schloss der Mausbiber die Augen.

Er hörte Peters Schritte, dann ein Schneppern, dann einen Fluch und danach war es bis auf das Wummern der Triebwerksaggregate im Nebenraum endlich still.

Fragte sich nur wie lange.

*

»In fünfzehn Minuten endet der Linearflug«, zirpte Kylaka.

Rijon zuckte zusammen. Während er mit dem vorderen Augenpaar auf das Armband blickte, sah er mit dem hinteren Augenpaar, wie Kylaka durch die Medostation ging und neben ihn trat.

Die Uhr auf seinem Handgelenk zeigte 11:30. War er wirklich eine Stunde vor dem Mörder seiner Schwester gestanden? Die achtschwänzige Kreatur der Zeitlosigkeit musste sich ihm bemächtigt haben.

»Wie lange noch bis zum Austritt?«

Kylaka kräuselte ihren Nasenflaum. »Vierzehn Minuten.«

»Das hättest du mir auch über Interkom sagen können«, antwortete er.

Sie legte die Hand auf seine Schulter. »Du solltest ihn der Justiz übergeben.«

»Niemals!«, rief er und schüttelte ihre Hand ab. »Shorne hat meine Familie ermordet.«

»Sein Tod bringt sie dir nicht zurück. Außerdem«, sie kratzte sich an der kleinen, halbkreisförmigen Stelle unterhalb des Halses, an der ihr Pelz leicht grünlich schimmerte, »fühle ich, dass du ebenfalls schwankst.«

In Momenten wie diesen war sie ihm unheimlich. Woher wusste sie von seinen Gedanken? Er hatte niemanden von seinem stummen Kampf erzählt. Ein Teil von ihm wollte den Mörder sofort zur Rechenschaft ziehen, der andere Teil wollte ihn langsam und qualvoll dahinsiechen sehen. Und der dritte Teil, jener Teil, den er am besten versteckte, riet ihm, den Mörder einer gesellschaftlichen Strafe zu unterwerfen.

»Sie werden ihn freisprechen«, sagte er. »Die Gesetze der Liga wurden von der grauen Kreatur der Schwammigkeit geschrieben. Irgendein Winkeladvokat wird eine Gesetzeslücke finden und den Mord an meiner Familie als Unfall darstellen.« Er ballte die Fäuste. »Sie verdienen Rache.«

Kylaka zirpte zustimmend. »Rache ist eine Frage der Ansicht. Modifikation der Persönlichkeit ist unangenehmer als ein zelebrierter Tod.«

Rijon schwieg. Er wusste, dass Michael Shorne jedes Wort hörte. Die Betäubung hatte seinen Körper, nicht aber seinen Geist ausgeschaltet. Erneut stellte er fest, wie hässlich diese Tsi-yhü’iitschyn – Bleichhäutigen ohne Pelz – waren. Und sie stanken schlimmer als jede Kirüzukmü-Alge.

Als er und Trützky Shorne zum ersten Mal begegnet waren, hatten sie noch gescherzt, dass er wie die Kloake von Opiy, dem Industrieviertel von Poyp stank.

Schlagartig stand er in dem Labor, in dem dieser von der schwarzen Kreatur des Sadismus beseelte Mensch seine galaktikerverachtenden Experimente durchgeführt hatte. Sein Gestank hing in der Luft, obwohl er abwesend war. Rijon glaubte sogar, noch einen Hauch der mentalen Essenz des Terraners wahrzunehmen.

»Trützky!«, zirpte er. Endlich hatte er sie gefunden. Endlich konnte er sie befreien.

Er lief zur Liege, auf der seine Schwester lag und erschrak.

Ihr Gesichtspelz, einst fein und flauschig war an mehreren Stellen versengt und weggebrannt. Der Körperpelz war mit der Haut Großteils vom Körper gezogen. Rijon sah Muskeln, Sehnen und einige der inneren Organe. Das untere Kniegelenk des linken Beins fehlte.

Ihm wurde übel und er erbrach sich. Gelber Schleim platschte zu Boden und spritzte ihm auf die Beine. Der Gestank ließ ihn ein zweites Mal würgen. Diesmal rutschten drei der fünf Ylü-Raupen, die er gefrühstückt hatte, aus seinem Magen zu Boden. Zwei von ihnen lebten noch. Ihre dunkelroten Körper zuckten. Vergeblich versuchten sie, über den Schleim zu kriechen.

Keuchend richtete sich Rijon auf und wischte sich das Erbrochene aus dem Fell. Ein weiteres Mal glitt sein Blick über seine Schwester.

Shorne hatte sie zu einem Ersatzteillager degradiert.

»Ri… Rijon«, flüsterte sie. Das Sprechen fiel ihr sichtlich schwer.

Vorsichtig nahm er ihre Hand und tastete sich behutsam in ihren Geist.

Sie spürte ihn. Rijon, hilf mir, dachte sie.

Einem Wasserfall gleich schlugen ihre Gedanken über ihn zusammen. Er fühlte, wie das Vibratormesser in ihren Bauch schnitt, fühlte, wie ihr Unterarmknochen brach, fühlte, wie ihr Fleisch brannte.

Es reckte ihn erneut. Diesmal jedoch zwang er seinen Mageninhalt nach unten und konzentrierte sich auf seine Schwester.

»Trützky«, murmelte er. »Meine kleine Trützky.«

Hilf mir! Tötete mich!

Rijon verstand sie. Ihr Geist war erfüllt von Schmerzen, da Shorne auf Schmerzmittel verzichtet hatte.

Bitte, großer Bruder, erlöse mich.

Sogar ihre Gedanken waren schwach. Rijon blickte auf die Sensoren, die Körpertemperatur, Blutdruck und andere medizinische Werte maßen. Zwei Schläuche führten zu einer Herz-Lungen-Maschine.

Shorne wollte sie um jeden Preis am Leben erhalten. Vermutlich zeichnete die Syntronik ihre Schmerzen auf und er zog daraus irgendwelche Schlüsse für seine Experimente.

Rijon schloss das hinter Augenpaar und ballte die Fäuste. Seine Augen wurden feucht, als er den Entschluss fasste. Mit seinen telekinetischen Kräften riss er die Schläuche entzwei. Das Messgerät stieß einen schrillen Ton von sich.

Trützky lächelte in Gedanken. Danke, hauchte sie.

»Dieser Terraner tötet dich nicht«, antwortete er. Erneut aktivierte er seine telekinetische Paragabe. Er weinte, als er ihre Lungen zusammendrückte. Trützky jubilierte gedanklich. Wenn sie schon sterben sollte, dann durch die Macht ihres Bruders. Sie röchelte. Ihr Brustkorb hob sich ein letztes Mal, um danach zu verharren. Ihr Herz schlug noch zwei Mal und versagte.

Sie sandte ihm einen letzten Gruß, dann versiegten ihre Gedanken.

Trützky, rief er und brüllte seinen Schmerz und seine Wut in die Welt hinaus. Rijon erinnerte sich nur mehr an die nächsten Minuten. Er hatte ihre Hand gehalten, hatte sie angefleht, zurückzukommen. Das Geräusch des sich öffnenden Schottes hatte ihn die Augen öffnen lassen. Er schleuderte die Medikerin, die den Raum betreten hatte, gegen die Wand und brach ihr das Genick. Seine Gedanken tosten. Er wollte Rache. Er musste diesen verfluchten Terraner finden. Blindlings hatte er telepathisch herumgestochert, bis er Shorne lokalisiert hatte. Die siebenzüngige Kreatur der Unbeherrschtheit übernahm über ihn das Kommando. Er prügelte auf Shorne ein, brach ihm die Knöcheln, die Handgelenke, stocherte in seinem Magen, presste seinen Lungen zusammen und riss ihm die Haut auf.

Kurz bevor Michael Shorne, das terranische Monster, sein Leben aushauchte, hielt er inne. So einfach durfte er diesen Mörder nicht davon kommen lassen. Ihn innerhalb von sieben Minuten zu töten, wäre eine Gnade gewesen, die sich der Terraner nicht verdient hatte. Rijon teleportierte mit Shorne in den kleinen Raumer und flog mit ihm und Kylaka zu seiner Geheimstation. Dort würde Shorne jede Minute mehrfach bereuen, die er Trützky gefoltert hatte. Und die tropfende Kreatur der Ironie würde dabei zusehen, wenn Rijon all die Kräfte die Shorne in ihm freigelegt hatte, anwendete.

Hass brandete in ihn auf. Er öffnete sein vorderes Augenpaar und sah den Mörder seiner Schwester. Das Gewebe um Nase und Augen hatte sich blau verfärbt. Rijon erinnerte sich daran, dass er Shorne gegen mehrere Konsolen geschleudert hatte. Getrocknetes Blut klebte am Hals.

»Seine Persönlichkeit zu modifizieren«, griff Rijon Kylakas letzten Satz auf, »ist für mich keine Genugtuung. Ihm wird die Erinnerung an seine Taten gelöscht und er erhält ein neues Leben. Was soll daran Strafe sein?« Er hob den linken Arm um seinen Worte zu unterstreichen. »Ja, wenn er jeden Tag aufs Neue von seinen Taten entsetzt und angewidert wäre … das wäre eine Option. Aber diese humanistische Variante der Terraner, einem Verbrecher eine neue Identität zu verpassen und alles ist gesühnt – damit kann ich mich nicht anfreunde. Das ist Schwachsinn.«

Er kontrollierte das Fesselfeld, in dem Michael Shorne hing, drehte sich um und verließ wortlos die Kabine. Er hatte diesen Abschaum bereits zu lang angesehen.

*

Ein Scheppern weckte Gucky. Sofort esperte er und. öffnete erleichtert die Augen. Richettéu verursachte den Lärm. Der Agent leuchtete mit seinem Armbandkom in eine der Kisten, die vor dem Regal stand und kramte mit der Hand darin. Der Lebkuchengeruch seines Aftershaves schwebte noch immer im Raum. Gucky verdrängte die Weihnachtsbaum-Assoziation. Verärgert hörte er den Refrain dieses fürchterlichen Liedes, dass seit eintausend Jahren zwei Monate lang auf- und abgespielt wurde.

»Was suchst du?«, fragte er ihn.

»Waffen.«

Gucky blickte kurz zur Decke. »Peter, wir befinden uns in dem Lager neben den Triebwerken.«

Richettéu hielt inne und drehte den Kopf zu ihm. »Und?«

»Triebwerkslager«, wiederholte Gucky und dehnte das Wort.

Der Terraner zog ein längliches Gerät aus der Kiste, das etwa den Durchmesser eines Arms hatte.

»Was willst du damit?« Gucky seufzte. Vielleicht hätte er den nUSO-Agenten doch zurück zum Frachter teleportieren sollen. »Rijons Paragaben zurückschlagen?«

»Als ob das ginge.« Richettéu lachte auf und ging ein paar Schritte auf Gucky zu. »Warum… äh… warum setzt du Rijon nicht außer Gefecht?«

»Er soll uns zu seinem Geheimversteck fliegen.«

»Du willst nach der Landung zuschlagen«, sagte der Agent mehr zu sich als zu Gucky. »Willst du ihn töten?«

»Rijon ist acht Jahre alt!«

»Das beantwortet nicht meine Frage.«

Der Mausbiber stieß einen Fluch aus. »Rijon wurde von Shorne seiner Kindheit beraubt. Nicht nur, dass er über Nacht lernen musste, mit Paragaben umzugehen, hat ihn Shorne aus seiner Umgebung gerissen. Er hat Rijons Familie ausgerottet. Wie würdest du als Erwachsener damit umgehen?« Gucky merkte, dass er lauter geworden war. »Wir müssen mit Rijon reden, ihn zur Vernunft bringen und ihm seine Kindheit zurückgeben. Unabhängig davon hat er wie jeder das Anrecht auf ein Verfahren vor einem LFT-Gericht.«

»Ich dachte ja nur…«

»Denk nicht!«, unterbrach ihn Gucky. »Leg diese nutzlose Waffe aus der Hand, setz dich in die andere Ecke des Raumes und meditiere!«

»Ich…«

Telekinetisch presste ihm Gucky die Lippen zusammen. Richettéu mümmelte vier, fünf Wörter und schwieg.

»Versprichst du mir, zu schweigen, sobald ich dich loslasse?«

Der Agent nickte.

»Schwöre!«

Richettéu hob den rechten Arm. Gucky löste seinen telekinetischen Griff um die Lippen des Terraners. Wortlos trottete er zur anderen Seite des Raumes und ließ sich dort nieder. Gucky sah darüber hinweg, dass er weiterhin die Stange in Händen hielt. Er schloss die Augen und hoffte, dass ihm noch Zeit für ein weiteres Schläfchen blieb.

*

»Austritt in einer Minute!«, zirpte Kylaka.

Rijon blickte in das von grauen Schlieren durchzogene Panoramahologramm, das der dreidimensionalen Wiedergabe des Sonnensystems weichen würde. Das vor sieben Monaten entdeckte System war als Rückzugsstützpunkt perfekt. Abseits der galaktischen Routen war eine zufällige Entdeckung unwahrscheinlich. Falls sich doch ein Raumer in das System verirren sollte, würde er ihren Stützpunkt nicht entdecken. Rijon hatte die neueste Abschirmtechnik eingesetzt, um auf der Welt Artosun seine Ruhe zu haben.

Die rote Riesensonne flammte im Hologramm auf. Sie wies weder im Normal- noch im Hyperspektrum Auffälligkeiten auf. Keiner der acht Planeten trug Leben. Nur der fünfte Planet fiel aus der Reihe. Vor siebzehn Monaten war er von einer Gruppe Terraner besiedelt worden, um der technisierten Welt ihrer Väter den Rücken zu kehren. Im ersten Reflex hatte Rijon sie vom Planeten entfernen wollen. Ein Gespräch mit Kylaka hatte seine Meinung geändert. Die Gruppe, die nach irgendwelchen Religionsgrundsätzen lebte, war die perfekte Tarnung für seinen Stützpunktplaneten. Die Menschen glaubten, dass der Planet allein ihnen gehörte und würden das auch jedem zufällig auftauchenden Raumfahrer sagen. Besiedelte Welten waren nach Liga-Recht für Prospektoren tabu. Da die Hormonen – oder nannten sie sich Mormonen? – keinen Kontakt zur Milchstraßenzivilisation wünschten, würde jedes Raumschiff nach ein paar belanglosen Grußworten wieder abrauschen.

Die hell singende Kreatur des Glücks war Rijon hold gewesen. Besser als mit diesen religiösen Spinnern hätte er es nicht treffen können. Sie verzichten auf Hochtechnologie. Ihr Raumschiff hatten sie nach der Landung in die Sonne fliegen lassen, damit sie komplett von aktueller Technik abgeschnitten waren.

»Rückstürz!«

Die Stimme der Syntronik, die wie jene seiner Schwester klang, spülte den mühsam unterdrückten Schmerz zurück in sein Bewusstsein.

Michael Shorne hatte ihn gezwungen, seine eigene Schwester zu töten!

Er ballte die Fäuste. Nie wieder würde er mit den Fingern über den samtenen Kopfflaum seiner Schwester streichen. Nie wieder ihren vertraute Nähe spüren. Nie wieder ihr Lachen hören.

Rijon richtete sich im Sessel auf. Bald würde er Trützky rächen.

*

Gucky schreckte hoch. Trotz seines Dösens war er mit seiner telepathischen Paragabe auf der Lauer gelegen und hatte auf eine bestimmte Stimmung gewartet.

»Wir landen«, sagte er und erhob sich. Erneut quälte der Lebkuchengeruch seine Nase.

»Woher…?«

Gucky lachte. »Ich schipperte ein paar Monate länger im All herum als du. Daher kenne ich das Geräusch aktivierter und arbeitender Prallfeldgeneratoren.«

Der Agent sprang direkt von der Hocke in den Stand und lief zum Mausbiber. Gucky verbreitete den Radius seiner telepathischen Kraft. Auf dem Planeten lebten Menschen. Zwei von ihnen unterhielten sich darüber, welche Jahreszeit sich am besten für den Anbau von Gerste eignete. Er forschte tiefer und fand keinen Hinweis, dass sie zu Rijons Leuten gehörten.

Guckys Nagezahn blitzte auf. Zwei Landwirte waren für ihn, den Hobbygärtner und Mohrrüben-Züchter sicher kompetente Gesprächspartner.

»Auf geht’s!«, sagte er zu Richettéu, sprang und hörte ihn schreien. Gucky war dreißig Meter nach rechts aus dem Raumer teleportiert und damit acht Kilometer über dem Boden. Richettéu ruderte mit den Armen und trieb von ihm weg. Der Wind stürmte in seinen Mund und blähte ihm die Wangen auf. Sie flatterten.

»Mach es mir nach!«, brüllte Gucky. Er drehte sich, legte die Arme an den Körper und raste kopfüber Richtung Boden. Nach zwei Herzschlägen verschwand der Terraner aus seinem Blickfeld. Von oben sah Gucky, dass die Landwirte ihre Felder nicht in Vierecken, sondern trapezförmig anlegten. Der violette Fluss, der sich durch die Landschaft schlängelte, diente ihnen als Zustrom für ihre Bewässerungsgräben. Einen Teil der Ernte hatten sie bereits eingebracht und mit dem Umackern begonnen. Südöstlich schmiegte sich ein Dorf farblich in die Weiden, Wälder und Äcker.

Gucky drehte sich auf den Rücken und betrachtete seine Fellhaare, die durch den Fallwind in den Himmel zeigten. Weit über ihm zappelte Richettéu. Damit würde er seinen Fall nie stabilisieren. Offenbar stand freier Fall nicht mehr auf dem Programm der USO-Ausbildung. Er beschloss, mit Monkey über Ergänzungen zur »Höllenwoche« zu sprechen, sobald er diesen Einsatz beendet hatte.

Er teleportierte unter den Terraner, stellte ihn telekinetisch ruhig und zog ihn zu sich.

»Was wärt ihr Terraner ohne mich?«, rief er.

»Bring uns runter!«

Gucky ließ den Nagezahn aufblitzen und sprang in Richtung der Farmhäuser. Sie landeten am Rande eines der noch nicht geernteten Felder.

»Bist du völlig durchgedreht?!«, brüllte Richettéu und wankte.

Sofort verschloss ihm Gucky den Mund. »Was regst du dich auf?«, fragte er ihn. »Früher haben die Leute dafür bezahlt. Aber damals waren sie noch nicht so verweichlicht wie heute.«

Ein spitzer Schrei ließ Gucky zusammenzucken. Er drehte den Kopf und teleportierte, Richettéu im Schlepptau. Sie materialisierten vor einer Baumreihe. Ein knapp achtjähriges Mädchen, das ihre schwarzen Haare zu Zöpfen gebunden hatte, hing in einer der Baumkronen. Der Ast, auf dem sie bislang gestanden haben musste, war abgebrochen. Verzweifelt strampelte sie mit den Beinen.

»Woran erinnert mich das?«, fragte Gucky und stabilisierte sie telekinetisch.

Irritiert schrie das Mädchen noch lauter.

»Bleib ruhig«, rief ihr Gucky zu. »Wir helfen dir.«

Das Mädchen versuchte, mit ihren Beinen gegen seine Paragabe anzukommen. Gucky teleportierte auf ihre Augenhöhe.

Als sie ihn sah, riss sie die Augen auf und ließ den Ast los, an den sie sich geklammert hatte. Wie ein Stein sackte sie einen halben Meter abwärts, bevor sie Gucky mit seinen Paragaben auffing. Langsam schwebte er mit ihr zurück zum Boden.

»Tamara! Tamara!«

Sich überschlagende Stimmen drangen von links an Guckys Ohr. Zwei Männer und zwei Frauen liefen zu ihnen.

»So viel zu unserer Tarnung.« Richettéu trat nach einem Stein.

Keuchend blieben die Terraner vor ihnen stehen.

»Gucky?«, fragte ihn der Mann mit dem rothaarigen Vollbart. »Wie… ich meine, was machst du hier?«

Die blonde Frau schubste ihn beiseite und kniete neben dem bewusstlosen Mädchen. »Tamara, mein Schatz, alles in Ordnung?« Sie streichelte über ihre Wangen.

»Der Ast, auf dem sie gestanden hat, ist abgebrochen«, erklärte Richettéu. »Aber wir haben sie gerettet.«

»Wir?« Gucky räusperte sich und blickte zu dem Agenten. Sein Blick ging starr geradeaus. Er wirkte entrückt. Gucky drehte den Kopf und erkannte den Grund. Richettéu versank gerade in den grünen Augen der Schwarzhaarigen, die die ältere Schwester von Tamara sein musste. Sie lächelte und fuhr sich verlegen durch die langen, glänzenden Haare.

Der Agent wiederum wirkte wie eingefroren. Gucky drängte sich der Vergleich mit dem Kaninchen vor der Schlange auf. Zugegeben, eine äußerst hübsche Schlange. Er ertappte sich dabei, sich vorzustellen, dass sie ihn im Nacken kraulte.

»Bevor wir alle Wurzeln schlagen«, durchbrach er die schwülstige Situation, »das ist Peter. Wie heißt ihr?«

»Claudia.« Immer noch hatte sie nur Augen für Richettéu.

»Freut mich, eine schöne Frau zu treffen«, antwortete Gucky, um ihr zu zeigen, dass er charmant sein konnte.

»Danke, dass du Tamara gerettet hast«, sagte der Vollbärtige und trat zwischen Claudia und Richettéu.

»Wozu nennt man mich den Retter des Universums?«, fragte Gucky und lachte. »Wir sind auf einer Erkundungsmission und benötigen einen… hm… Stützpunkt.«

»Mein Haus ist euer Haus.«

»Ich halte nichts von irdischen Besitztümern«, antwortete Gucky und zeigte seinen Nagezahn. »Dennoch nehmen wir dein Angebot dankend an.«

»Mama, ich habe Gucky gesehen«, sagte Tamara.

Alle drehten sich zu ihr um. Sie hatte dieselbe Augenfarbe wie ihre Schwester. Als die Kleine den Ilt erblickte, streckte sie die Arme aus. »Gucky!«

Ihre Mutter musste sie festhalten, sonst hätte sie sich auf ihn gestürzt. »Ja, ich bin es höchstpersönlich«, sagte Gucky und zwinkerte ihr zu.

»Kannst du gehen?«, fragte sie ihre Mutter.

»Klar!« Tamara stand auf.

Der Vollbärtige zeigte zu einem der Farmhäuser, die knapp zweihundert Meter von den Bäumen erbaut worden waren.

»Ich bin Uwe. Das ist Nils«, er deutete auf den knapp fünfzehnjährigen Mann mit blonden, schulterlangen Haaren, »und meine Frau heißt Brigitte.«

»Ich habe mich noch nicht vorgestellt«, sagte Richettéu und blickte wieder nur Claudia an.

Gucky verdrehte die Augen. Sollte er anmerken, dass er den Vornamen des Agenten schon genannt hatte?

Richettéu trat zu Claudia und hielt ihr die Hand hin. »Peter.«

Sie reichten sich die Hänge. Selbst Gucky fühlte, dass es zwischen den beiden knisterte.

»Können wir jetzt gehen?«, fragte er, um zu verhindern, dass sie sich spontan küssten.

Gemeinsam gingen sie über einen ausgetrampelten Pfad zu den Farmhäusern. Mohnblumen standen ihnen Spalier. Gucky sah, wie Richettéu zufällig Claudias Hand berührte.

Das konnte ja noch heiter werden.

*

Gucky drehte den Wasserhahn der Spüle ab, trank einen Schluck und stellte das Glas auf der Küchenplatte ab. Er tippte auf das Display seines Armbandchronometers und aktivierte die Uhrzeitanzeige. Während es auf (?) dämmerte, ging in Terrania die Sonne auf. Er drückte auf ein Symbol und las die hiesige Uhrzeit ab. Der Blues orientierte sich sicher nach den Zeiten des Viertels, in dem er in seiner Kindheit gewohnt hatte.

Guckys Erfahrung sagte ihm, dass die meisten Lebewesen versuchten, auf anderen Planeten ihr vertrautes Umfeld zu erhalten. Sie siedelten in ähnlichen Breitengraden oder Klimazonen wie auf ihrem Heimatplaneten. Rijon war sicher keine Ausnahme. Der Ilt konzentrierte sich und breitete langsam seinen Geist über den Planeten aus. Während seines Sturzflugs hatte er gesehen, dass Rijons Kleinraumer Richtung Westen geflogen war. Daher suchte er dort zuerst. Er streifte die Träume von zwei Jägern, touchierte Träume von Tieren und verharrte. Michael Shornes lag unter einem Fesselfeld und suchte nach Möglichkeiten, aus seiner misslichen Lage zu entkommen. Gucky tastete weiter. In Summe schliefen sieben Lebewesen in der Station. Einer arbeitete an einem Syntronikprogramm, ein anderer wunderte sich über den guten Geschmack seines arkonidischen Putenbratens.

Gucky schmunzelte. Meist waren die Gedanken der Menschen profan. Er nippte an dem leicht eisenhaltig schmeckenden Wasser und teleportierte.

Der Wind riss ihn fast um.

»Brr.« Gucky blickte sich um. Rund um ihn reckten sich Nadelbäume in die Höhe, deren Äste von einer gelben Eisschicht überzogen waren. Es knirschte und knarzte. Unwillkürlich zog Gucky den Kopf ein und ging ein paar Schritte auf das Ufer des vereisten Sees zu. In der Mitte befand sich eine große, frei Fläche. Dort hatte Rijons Raumer bei der Rückkehr auf den Planeten das Eis verdampft, um durch das Wasser zum Eingang seiner Station zu kommen.

Gucky nieste und wischte sich die Schneeflocken aus dem Gesicht. Er esperte. Die beiden Männer von zuvor waren wach, die anderen schliefen. Rijons Bewusstsein war am aktivsten. Vermutlich träumte er schlecht.

Blieb die Frage, wie die Stationssyntronik auf sein Eindringen reagierte.

Er sprang und kehrte im Hangar aus dem Hyperraum zurück. Selbstleuchtende Notausgangsschilder wiesen ihm den Weg zum Ausgang. Links von ihm wartete ein Antigravkran auf seinen Einsatz und dahinter ruhte die Space-Jet. Leichter Schwefelgeruch lag in der Luft – woher auch immer.

Die Stationssyntronik störte sich nicht an seinem Erscheinen. Keine Alarmsirene heulte auf und keiner der Schlafenden schreckte aus den Träumen. Offenbar hatte Rijon sie nicht über die Anzahl seiner Mitarbeiter instruiert.

Gucky zuckte mit den Schultern.

Typischer Anfängerfehler, dachte er und scannte mit seinem Multifunktionsarmband die Station. Die Spezialminiatursyntronik aus der Tiefen des TLD-Towers lieferte ihm binnen zwölf Sekunden eine Aufrisszeichnung des unterirdischen Gebäudes.

Hangar samt Werkstatt, Schlafräume, Aufenthaltsräume, Medostation mit angrenzendem Labortrakt und ein Syntronikraum bildeten die Form eines terranischen ›U‹.

Vorsichtig taste Gucky nach Rijons Bewusstsein. Obwohl es ihn bereits im Raumschiff gereizt hatte, hatte er sich dort zurückgehalten. Er musste Richettéu und ihn selbst aus der paranormalen Wahrnehmung Rijons ausblenden. Im Kleinraumer war nicht die Zeit für Experimente gewesen. Das konnte er hier nachholen.

Rijons Paragaben waren selbst im Schlaf latent aktiv. Gucky wunderte sich, dass der Blues überhaupt schlief und nichts demolierte. Sein Teleporter- und Telekinetiksinn umgaben ihn kranzförmig und zackten immer wieder aus.

Shorne war ebenfalls leicht zu orten. Wut, Zorn und Verzweiflung sorgten für eine starke Gehirnaktivität. Sollte er ihn aus dem Fesselfeld befreien?

Gucky entschied sich dagegen. Ohne ein Raumschiff saßen sie auf dem Planeten fest. Gucky hätte sich, Shorne und Richettéu zwar telepathisch abschirmen können, doch ein Individualimpulsscanner hätte sie prompt aufgespürt.

Nein, er musste Rijon entweder zur Vernunft bringen oder außer Gefecht setzen. Zu dumm, dass er keinen Kombistrahler mitgenommen hatte. Dann hätte er jetzt in den Schlafraum des Blues springen und ihn paralysieren können. Wo war die Waffenkammer dieser Station?

Der Ilt blickte zum Raumschiff. Dort musste sich eine Waffe finden lassen. Andererseits wollte er Rijon mit Worten überzeugen. Ihn vorher zu betäuben, war keine Grundlage für Vertrauen. Gucky kratzte sich am Oberarm. Trat er einfach so vor den Blues, würde er ihn sofort angreifen. Wäre er jedoch seiner Paragaben beraubt…

Verärgert schlug er mit dem Schwanz zweimal auf den Boden. Warum hatte er nicht gleich daran gedacht?

Er watschelte zum nächsten Terminal und verband sein Armbandkom mit dem Stationsrechner. Vier Sekunden später pfiff er und teleportierte ins Lager.

*

Peter Richettéu saß auf der Terrasse und starrte in die Nacht. Seine Finger, in denen er das halbvolle Wodkaglas hielt, wurden langsam kalt. Er stellte das Glas auf die Holzdielen, vergrub die Hand in seiner Hosentasche und blickte zum Linken der zwei Vollmonde. Im Gegensatz zu seinem Himmelspartner war er vernarbter. Einer der Krater zog sich quer über die nördliche Hälfte der Kugel. Obwohl Peter wusste, dass der Mond unbesiedelt war, hätten manche dunkle Flecken als Städte durchgehen können.

Das Licht der Trabanten strahlte so hell, dass Peter den Kopf drehen musste, um die ersten Sterne zu sehen. Dafür warfen die Bäume selbst in der Nacht noch Schatten über den Boden und sorgten für eine seltsame Stimmung. Alles wirkte eingefroren.

Wie meine Gefühle, dachte er.

Seine Gedanken eilten in die Vergangenheit und er sah ihr Gesicht vor sich, eingerahmt von brünetten Haaren. Ihre rehbraunen Augen funkelten ihn an und sie schien nur für ihn zu lächeln. Er roch ihr herbsüßes Parfum, schmeckte ihre Lippen und ihre Brustwarzen. Sein Herz schlug schneller.

Trotz all der Jahre schaffte sie es immer noch, ein Feuerwerk der Gefühle auszulösen. Er streckte die Hand nach ihr aus, wollte ihre Wangen streicheln, sie küssen.

Richettéu ballte die Fäuste. Ein Schatten schob sich zwischen ihn und die Frau. Wut und Hass meldeten sich zurück. Er sah sich den Impulsstrahler entsichern und anlegen. Der Mann rückte in den Zielsucher. Der rote Punkt zeigte auf seine linke Brust. Der Finger strich über den Abzug, drückte leicht dagegen.

Peter riss die Augen auf. »Es reicht!«, schimpfte er. »Es ist vorbei, also quäle dich nicht.«

Er presste die Zunge gegen den Gaumen und entspannte sich binnen Sekunden. Er hatte aus der Situation gelernt und würde eine bestimmte Grenze erst nach reiflicher Überlegung überschreiten.

Augenblicklich sah er Claudias Gesicht. In der Dämmerung leuchten ihre Augen grünlich. Nachdem er ihr gesagt hatte, dass ihn diese Veränderung faszinierte, hatte sie ihn angelächelt. Sofort hatte sich sein Herzschlag beschleunigt. Ein Windstoß hatte ihre Haare hochgewirbelt und nach hinten geworfen.

Peter fühlte es. In seinem Inneren waren die Ketten geschmolzen, die er um sein Herz gelegt hatte.

»Diesmal ist es anders«, murmelte er. In der Vergangenheit hatte er geliebt, aber er hatte dieses blinde Vertrauen vermisst. Bei Claudia konnte er seine Maske ablegen und einfach er selbst ein. Er wusste, dass er sich in ihren Armen geborgen fühlen würde.

Er stellte sich vor, ihre Lippen zu berühren, sie sanft zu küssen und dabei alles zu vergessen.

Ja, es hatte zwischen ihnen geknistert. Und doch hatte er sich zurückgehalten, wollte warten.

Ein schepperndes Geräusch riss Richettéu aus seinem Traum.

Rijon!, dachte er, sprang aus dem Sessel und warf sich auf den Eindringling. Peter prallte auf den anderen Körper und spürte das Fell des Blues. Noch im Fallen zielte Peter auf den empfindlichen Kopf des Mutanten und schlug zu.

Rijon schrie auf, dann krachten sie zu Boden. Peter klammerte sich in Rijons Fell und holte aus. Ein unsichtbares Hindernis bremste seine Faust. Etwas hob ihn hoch und schleuderte ihn durch die Luft. Peter prallte gegen die Hauswand und rutschte an ihr abwärts. Er stöhnte.

»Du Idiot!«, piepste eine Stimme.

Irritiert blickte Peter auf den Körper, der sich langsam aufrichtete und erschrak.

»Mein Nagezahn!«, rief Gucky erbost und fummelte an seinem einzigen Zahn.

Peter schluckte. »Es tut…«

Er verstummte, als Gucky sich näherte. »Irgendwann, irgendwann werde ich dich…« Die weiteren Worte gingen in einem undeutlichen Gemurmel unter.

Ächzend erhob sich Peter. Erst jetzt sah er das Fellbüschel in seiner Hand. Rasch steckte er die Haare in seine Hosentasche. Hoffentlich bemerkte Gucky die kleine kahle Stelle auf der Brust nicht sofort.

»Wo warst du?«, fragte Peter, um den Ilt abzulenken.

»In Rijons geklauter Station.«

»Geklaut?«

Gucky nickte. »Die Station wurde von einer fremden Zivilisation erbaut. Den Biotopen und dem Aufbau nach waren es Amphibienwesen.« Gucky kicherte. »Eigentlich ist es pervers. Da bauen Amphibienwesen eine Station unterhalb eines Bergsees und statten sie mit Biotopen aus.«

»Stammt die Station von den mysteriösen Frühbewohnern Cartwheels?«

»Vermutlich. Die Schrift auf den Tonscherben, die Ben Strout auf San Ivanhoe gefunden hat, ähneln den fast schon verblassten Schriftzeichen in der Station.«

»Die Archäologen wird es freuen«, meinte Richettéu und erschrak gedanklich. Gucky kratzte sich wenige Zentimeter unterhalb der kahlen Stelle.

»Was sind das für Bauteile?«, wechselte er rasch das Thema und hob eines der zwölf Teile hoch.

»Wie gut kennst du dich mit Parafallen aus?«, antwortete der Ilt mit einer Gegenfrage.

»Puh… das ist lange her«, stapelte Peter tief.

»Quatsch!« Der Mausbiber winkte ab. »Du hast ein Technikdiplom, also kannst du mit diesen Bauteilen eine Parafalle zusammenbauen.« Gucky tippte auf sein Armbandkom. Peters Kom vibrierte.

»Hier ist der Bauplan«, sagte der Ilt und übertrug ihn auf Peters Armbandkom. »Während du schwülstigen Gedanken nachgehangen bist, habe ich gearbeitet.«

Peter rief die holografische Aufrisszeichnung der Parafalle auf und warf einen Blick auf die Bauteile. »Müsste klappen.«

»Erzähl mir etwas Neues, Genie.« Gucky grinste ihn an. »Außerdem habe ich die Robotstation besucht.«

»Robotstation?«

»Während du in Claudias Augen versunken bist, hat mir Uwe von der terranischen Robotstation erzählt.« Gucky watschelte zu dem Sessel, in dem Peter zuvor gesessen hatte, hob das Glas hoch und schnüffelte daran.

»Wodka. Igitt!« Er stellte das Glas ab. »Offenbar gab es ein Kommunikationsdefizit zwischen zwei terranischen Verwaltungsbehörden. Die eine hat den Siedlern den Planeten zur Verfügung gestellt, die andere hatte die Welt für einen Notfallstützpunkt vorgesehen. Jedenfalls wurde der Bau der Station beendet, obwohl der Planet bereits den terranischen Siedlern gehörte. Und von dieser Station habe ich einen gerafften Funkspruch nach Paxus abgestrahlt.« Er rieb sich die Hände. »Verstärkung ist auf dem Weg!«

»Und jetzt?«

»Werde ich noch einmal in Rijons Versteck herumstöbern.« Der Ilt teleportierte und schwebte Auge in Auge mit Richettéu. Drohend hielt er ihm die Faust unter die Nase. »Und falls du mich bei der Rückkehr angreifst, Gnade dir ES!«

*

Gucky materialisierte erneut in dem Hangar und zuckte zusammen. Rijon war wach und Michael Shorne schrie gedanklich um Hilfe. Sofort blockte er Shornes Impulse ab. Langsam öffnete er seinen telepathischen Sinn und empfing die Schmerzwellen gedämpfter.

Rijons Hass leuchtete stark. Hätte ihn ein Terraner gebeten, die Intensität auf einer Skala von eins bis zehn auszudrücken, Gucky hätte sie mit zehn beziffert. Selten hatte der Ilt bei einem Lebewesen derart intensive Wut und Zorn erlebt.

»Er ist noch ein Kind!«, murmelte Gucky und dachte daran, was der Blues mit seinen acht Jahren erlebt hatte. Seine Eltern und seine Geschwister waren von Shorne ermordet worden. Gucky überprüfte seine Abschirmung und sprang in einen Nebenraum der Medostation. Er blinzelte in die Helligkeit.

»Schrei, Michael, schrei!«, hörte er die helle Stimme des Blues. Bei manchen Wörtern wirkte sein Interkosmos wie Gesang.

Gucky schlich zum offenen Schott und lugte in den Hauptraum.

Michael Shornes nackter Körper bäumte sich auf. Viel Bewegungsspielraum ließ ihm das Fesselfeld nicht. Eine Brustwarze war versengt, von der anderen lief Blut auf die Liege. Die Fußsohle des linken Beins war verkrustet. Blaurote Flecken schimmerten auf Oberschenkel und Bauch. Die Nase war geknickt.

Rijon umrundete Shornes Liege, blieb beim rechten Knie stehen und stach hinein.

Shorne schrie auf.

»Ich wette, das kannst du lauter!«

Das Vibratormesser hörte zu surren auf und steckte stumm im Knie des Terraners.

Gucky fühlte, wie Rijon mit seinen telekinetischen Kräften Shornes Hoden ergriff und zudrückte.

Shorne stöhnte.

Der Ilt schüttelte sich. Ob der Blues wusste, welchen Körperteil er gerade quetschte.

Als hätte Rijon Guckys Gedanken vernommen, kroch er telekinetisch durchs Shornes Oberkörper und stoppte beim Hals. Er tastete Luft-, Speiseröhre und Adamsapfel ab. Rijon entschied sich für die Luftröhre und drückte sie zusammen.

Shorne japste. Sein Mund öffnete und schloss sich. Er schnappte nach Luft und riss die Augen auf.

»Bald, bald«, flüsterte Rijon, »bald wirst du sterben.« Er zirpte ein Lachen. »Doch dafür ist es zu früh!« Er ließ von ihm ab und Shorne beruhigte sich. »Ich will, dass du wie Trützky leidest.«

»W… w… wer… ist…?«

Rijons hinteres Augenpaar schloss sich. Telekinetisch prügelte er auf Shorne ein. Unter der Haut bildeten sich neue Blutergüsse. Shorne wurde ohnmächtig.

»Sicher nicht!«, schrie der Blues. Er leerte Shorne einen Kübel Wasser ins Gesicht und holte den Terraner aus der Bewusstlosigkeit.

»Wie hast du immer gesagt?« Der Blues zwinkerte mit einem seiner vorderen Augen. »Übung macht den Meister.«

Gucky spürte, wie Rijon Shornes Lungenflügel telekinetisch abtastete. Lungengefäße, Adern, Lungenbläschen. Er veränderte die Struktur eines Lungengefäßes und verschloss es. Rijon simulierte eine Lungenembolie, bei der ein Blutgerinnsel aus einer der großen Venen des Beckens mit dem Blutstrom in die Lunge strömte und das Gefäß verstopfte.

Erneut bäumte sich Shorne auf. Seine Lippen verfärbten sich blau. Die Pupillen wanderten unter den geschlossenen Augenlidern.

Rijons Genugtuung war fast greifbar. Sollte er einschreiten und sich auf einen Kampf mit dem Blues einlassen? Der Achtjährige war sehr stark. Gucky war sich nicht sicher, wer ein Duell gewinnen würde. Und da Rijon bislang gnadenlos alle Angreifer getötet hatte, würde es ein Kampf auf Leben und Tod werden.

Shorne röchelte und drohte an dem simulierten Blutgerinnsel zu sterben. Rijon ließ von ihm ab und Shorne begann, normal zu atmen.

Wortlos verschwand Rijon.

Gucky warf einen letzten Blick auf Shorne und teleportierte zurück zu Richettéu. Der Agent musste die Parafalle noch heute Nacht fertigstellen!

*

Gucky materialisierte.

Panik erfasste ihn. Seine parapsychischen Gaben waren verschwunden und er war bewegungslos.

Der Sprung war ohne zusätzliche Kraftanstrengung oder Hindernisse verlaufen. Auch der Zielort stimmte. Er stand im Wohnzimmer der Blockhütte, die ihnen die Siedler zugeteilt hatten. Das fast schon zu grelle Licht der beiden Monde drängte sich in den Raum und zog eine Schneise entlang des Holztisches.

»Peter?«

Stille.

Der Lebkuchengeruch durchtränkte die Luft, also konnte der Agent nicht weit sein. Von links drang das Geräusch einer Dusche an sein Ohr.

Er rief erneut. Wieder keine Reaktion. Gucky fluchte. Der Agent duschte und hörte seine Rufe nicht. Also hieß es zu warten, bis Richettéu mit der Säuberung seines Körpers fertig war.

Mangels anderer Alternativen betrachtete er das Gerät, das auf dem Tisch stand. Werkzeug lag herum. Die Außenverkleidung fehlte. Drähte ragten seitlich heraus. Das war typisch. Der Agent hatte zwar die Parafalle zusammengesetzt, aber offenbar fehlerhaft. Der Ilt sah sich bereits Baupläne wälzen und das Ding selbst zusammenzubauen.

Stöhngeräusche unterbrachen seine Überlegungen.

»Gott, er wird doch nicht…« Gucky wollte sich die Ohren zuhalten, aber seine Arme verweigerten ihm den Dienst. Krampfhaft versuchte er an etwas anderes zu denken, doch das lauter werdende Stöhnen hinderte ihn daran. Es steigerte sich, ein weiblicher Name fiel, dann war es still.

Minuten später schob sich die Tür zum Wohnzimmer auf. Richettéu betrat mit einem Handtuch um die Hüften den Raum und erstarrte.

»Gucky! Hast du…?«

»Schalt das Ding aus!«

Mit drei Schritten war der Agent beim Tisch. Er griff hinein, werkte darin, drehte die Parafalle, fingerte an mehreren Drähten.

»Warum beunruhigt mich dein Wirken?«, fragte Gucky.

Richettéu stoppte und wandte sich zu Gucky. »Ich habe es gleich.« Mit der Zange in der Hand pendelte er zwischen zwei Drähten. »Blau oder rot?«

»Willst du mich verarschen?« Gucky wurde wütend. Dieser Idiot schaffte es noch, die Wirkung der Parafalle zu vergrößern und ihn ohnmächtig werden zu lassen, statt ihn zu befreien. »Konzentrier dich!«

Schweißperlen bildeten sich auf Richettéus Stirn. Gucky fragte sich, wie dieser Mann jemals die Ausbildung zum nUso-Agenten hatte abschließen können.

Der Terraner verharrte über dem roten Draht. Ein verzweifelter Blick zu Gucky folgte, dann glitt seine Hand zum blauen Draht und zwickte ihn durch.

Erleichtert seufzte Gucky. Endlich konnte er sich bewegen. »Danke«, sagte er und stutzte. Ein dumpfer Druck entstand in seinem Hinterkopf. »Ich…« Der Druck wurde stärker. Er strauchelte. Etwas explodierte in seinem Kopf und breitete sich in seinem Körper aus. Er zuckte, fiel zu Boden und schrie.

*

Richettéus Gedanken rasten. Der blaue Draht war definitiv der falsche gewesen. Sein Blick pendelte zwischen den am Boden wälzenden Ilt und der Parafalle hin und her. Sollte er den Roten auch noch durchtrennen?

Unschlüssig sah er auf die Zange in seinen Händen. Der Ilt schrie immer lauter und höher. Er musste etwas tun! In seiner Verzweiflung drosch er mit der Zange gegen die Parafalle. Das Gerät rutschte vor, schob sich über die Tischkante und stieß die Sessellehne an, bevor es stehen blieb. Das brachte Peter auf eine Idee.

Er umrundete den Tisch, nahm den Sessel und ließ ihn auf die Parafalle niedersausen. Der Sessel knirschte. Holz splitterte. Die Parafalle verbog sich.

Gucky schrie weiter. Sein Körper zuckte. Die Finger ballten sich zu Fäusten und öffneten sich.

Peter holte aus und schlug mit aller Wucht zu. Der Sessel zerbrach. Eines der Beine bohrte sich durch die Verschalung. Es zischte und Gucky wimmerte. Peter ließ die Überbleibsel des Sessels los und stürzte auf Gucky. Der Ilt wimmerte leise.

»Alles in Ordnung.«

Gucky verstummte, drehte sich auf den Rücken und schlug die Augen auf. Seine dünnen Arme schossen vor und legten sich an Peters Hals. Krallen bohrten sich ins Fleisch.

»Du… du… du…«

Peter wich zurück und zog den Mausbiber hoch. »Aua«, brüllte er, weil die Krallen zu schmerzen begannen. Instinktiv schlug er mit der Faust gegen Guckys Kopf. Der Ilt erschlaffte und fiel zu Boden.

Irritiert schüttelte Peter den Kopf. Hatte der Ilt, der Pate für das Lieblingsplüschtier terranischer Kinder, wirklich soeben versucht, ihn mit den Krallen zu ermorden?

Traurig blickte Peter auf den ohnmächtigen Mausbiber und seufzte. Mit dem Universum ging es steil bergab. Nicht einmal auf Gucky konnte man sich verlassen.

*

Peter nagte an der Unterlippe. Guckys Bewusstlosigkeit dauerte bereits sieben Stunden. Sein Fausthieb gegen den Kopf genügte dafür nicht. Der Mausbiber kurierte sich immer noch von den Strapazen der Parafalle. Die Parafalle, die er zwar zusammengebaut hatte, aber nicht abschalten konnte.

Warum mussten solche Fehler immer ihm passieren?

Er verzog die Lippen. Sein Leben war geprägt vom Dualismus. Einerseits zeichnete er sich durch herausragende theoretische wissenschaftliche Leistungen aus, anderseits durch seine Tollpatschigkeit im Alltag. Er verstand seinen Spitznamen »Chaosbruder« nur zu gut. Jeder Versuch, seine Ungeschicklichkeit abzustreifen war im Sande verlaufen. In Stunden wie diesen drängte sich ihm der Vergleich mit einem Bumerang auf.

Und er verstand alle, denen er damit auf die Nerven ging. Dass sich sogar Gucky in seiner Gegenwart um Gelassenheit bemühen musste, traf ihn jedoch hart.

Zum Glück hatte er bislang jeden noch so verzwickten Kriminalfall mit einer Leichtigkeit gelöst, die sogar den TLD-Chef Residor Noviel staunen ließ. Es war der einzige Grund, warum er damals nicht vor den TLD-Tower gesetzt worden war. Dennoch hatte er sich als Außenseiter gefühlt.

Das änderte sich im Jahr 1295 NGZ. nUSO-Agenten waren auf ihn zugekommen und er hatte die Chance ergriffen und war Monkeys Organisation beigetreten. Dort gab es genügend Galaktiker, die von der Norm abwichen. Endlich war er einer unter vielen gewesen und hatte sich wohlgefühlt.

Obwohl er es geschafft hatte, dem Chef der nUSO den letzten Nerv zu rauben.

Er lächelte.

Es gab nicht viele Menschen, die den »Roboter« schreiend erlebt hatten. Vermutlich war das einer der Gründe, warum er als Ersatz für Tyler und Japar zur Insel Cartwheel abkommandiert worden war.

Vorsichtig nahm er das feuchte Tuch von Guckys Stirn und tauchte es in das kalte Wasser neben sich. Er wand es aus und legte es auf die Stirn des Ilts zurück.

Es klopfte an der Tür. Peter drehte den Kopf und lächelte.

»Wie geht es dem Patienten?«, fragte Claudia und erwiderte sein Lächeln. Sie trat zu ihm und blickte zu Gucky hinab.

»Unverändert«, antwortete Peter.

Claudia legte ihm die Finger an die verkrustete Wunde am Hals. »Wie geht’s deiner Verletzung?« Sanft strichen ihre Fingerkuppen über die Stellen, an denen sich Guckys Krallen in seine Haut gebohrt hatten.

»Das sind nur Kratzer.«

Claudia streichelte weiter seine Haut. Ihre Hand glitt in den Nacken und sie stellte sich hinter ihn. Langsam massierten ihre Finger seine Muskulatur.

Peter schloss die Augen und entspannte sich. Er ließ es geschehen, ließ sich treiben.

»Hast du gerade geschnurrt oder war das Gucky?«, fragte sie ihn.

»Das war ich.« Er hob das Kinn und berührte mit dem Hinterkopf ihre Brüste. Ihre Finger glitten am Hals nach vor und unter sein T-Shirt. Zielstrebig fuhr sie zu seinen Brustwarzen.

»Ah!« Die Erregung packte ihn und ließ ihn an Dinge denken, die in einigen Sonnensystemen der Milchstraße verboten waren. Er öffnete die Augen. Ihr Gesicht befand sich über seinen. Sie kam näher und ihre Lippen berührten sich.

Sie schmeckte nach mehr. Nach viel mehr.

Ihre Zungen tanzten stumm und leidenschaftlich, während ihre Finger seine Brustwarzen zusammenpressten. Sie drehte daran. Peter zuckte und stöhnte, doch sie dämmte den Laut mit ihren Lippen.

»Boah, seid ihr ekelig!«

Peter und Claudia zuckten auseinander.

Gucky streckte sich und setzte sich im Bett auf. Peter fühlte sich ertappt, wie damals als ihn seine Mutter im Keller schmusend mit seiner ersten Freundin erwischt hatte. »Gucky, es tut mir leid.«

Gucky blickte Claudia an. »Du solltest vorsichtiger mit den Nägeln sein.« Er deutete auf Peters Hals.

Peter räusperte sich. »Das warst du.«

Der Ilt legte den Kopf schief. »Kann nicht sein.« Er ging zum Fenster, öffnete es und blinzelte in die dunkelrote Morgensonne. Er schnupperte.

Peter roch frisch gemähtes Gras.

»Es wird ein heißer Tag«, sagte Claudia.

»Funktioniert die Parafalle?«

Peter nickte. »Wir können mit ihr jederzeit in den Einsatz gehen.«

»Mit ihr schon, aber nicht mir dir.« Gucky deutete aufs Bett. »Bei den Augenringen hast du sicher die ganze Nacht bei mir gewacht. Hol den Schlaf nach.« Er blickte zu Claudia und dann zu Peter zurück. »Allein!«

*

Jeanne Blanc tippte gegen den Öffnungssensor des Zentraleschotts und gähnte. Drei Stunden Ruhepause waren wohl zu wenig gewesen. Schwärze empfing sie. Orly hatte sogar das Notlicht ausgeschaltet. Vermutlich um den Eindruck zu erzeugen, mitten im Weltall zu schweben. Blanc fröstelte. Ihr schlug dieser Anblick aufs Gemüt.

Orlando drehte sich um. Seine zerzausten Haare ragten in alle Richtungen vom Kopf .

»Schon ein Signal von Gucky?«

Wortlos schüttelte Orlando den Kopf. Ohne ihn hätten sie dem Mausbiber nicht folgen können. Er hatte seine Verbindungen zu Joak Cascal spielen lassen und die Space-Jet organisiert. Dank seiner Pilotenausbildung konnte er den Kleinraumer auch fliegen.

Blanc fragte sich immer noch, warum ausgerechnet sie mit Brad Callos und Wulf den Ilt aufstöbern sollten. Aber der Chef des TLD-Paxus hatte in seiner Hyperfunknachricht keinen Zweifel an seiner Entscheidung gelassen. Die drei Mutanten und Orlando de la Siniestro sollten Gucky folgen. Wohin auch immer es ihn verschlagen hatte.

Bislang haben wir noch nichts erreicht, dachte sie.

»Mist«, sagte sie und plumpste in den Copilotensessel. Orlando wendete sich ihr zu und blickte sie mit seinen blauen Augen an. Etwas daran irritierte sie. Sie prüfte erneut ihre Gefühle. Zweifelsohne war er ein attraktiver Mann und durch seine Art schmolzen neun von zehn Frauen dahin. An ihr prallte seinen »Masche« ab.

Ihr wurden Männer vom Schlage eines Brad Callos zum Verhängnis. Ein Blick in die grünen Augen des Plophosers und ihr Herz schlug schneller. Sie sah ihn in der Mutantenschule auf Paxus vor sich. Groß, breitschultrig, schwarzhaarig und mit Bauchmuskeln, dass sie allein die Vorstellung, mit ihren Fingern darüberzustreichen, elektrisierte.

Dumm nur, dass keiner von ihnen den ersten Schritt wagte. Sie blickte Orlando an, der mit dem rechten Fuß wippte. Er hätte sie längst angesprochen und versucht mit ihr zu flirten. Orly kratzte sich an der Wange und sie erkannte die Gemeinsamkeit von Brad und ihm.

Beide strahlten eine seltsame Mischung aus Traurigkeit und Sehnsucht aus.

Das Piepsen des Funkempfängers ließ sie aufhorchen. In der schwarzen Holomatrix war nichts zu erkennen.

»Da geht wohl einer auf Nummer sicher.« Er hob eine der Augenbrauen. »Die Nachricht ist nach einem Code des Solaren Imperiums verschlüsselt.«

»Gucky!«

»Wo?« Die dunkle Stimme von Brad ließ sie ihren Sessel drehen. Seine grünen Augen musterten sie. Der Blick glitt über ihre Beine, verharrten eine Sekunde auf ihren Brüsten und blieben bei ihrem Gesicht hängen. Obwohl sie saß, wurden ihre Knie weich.

Los! Sprich ihn an!, rief sie sich gedanklich zu.

Er zwinkerte ihr zu und wuchte sich in einen der freien Sitze. »Wulf bleibt in seiner Kabine«, sagte er.

Blanc verstand Wulf. Durch ein Gen-Experiment war der ehemalige Profi-Wrestler schweigsam geworden. Mehr als zwei Sätze sprach er an keinem Tag.

»Dechiffrierung erfolgreich«, meldete sich der Bordsyntron.

Mit einem Sensordruck vergrößerte Orlando das Hologramm. Jetzt konnte Blanc es auch lesen. Es waren Koordinaten und ein paar Worte.

»Gucky!«, rief sie. »Endlich!«

Orlando rief ein Hologramm von Cartwheel auf. Im linken Ast der Spiralgalaxis blinkten die Koordinaten auf.

»Abseits der üblichen Routen.«

Die Galaxis verblasste und ein Sonnensystem überblendete es. Die Syntronik blendete Diagramme und Daten ein.

»Flugzeit zwei Stunden«, murmelte Orlando und richtete sich im Sessel auf.

Blanc blickte auf die Anzeige der Ladekontrolle für die Gravitraf-Speicher. Siebenundachtzig Prozent reichten für fünf dieser Distanzen. Orlandos Finger glitten über die Pilotenkonsole.

Gleich springt die Dusche an, dachte Blanc. Eine Sekunde später hörte sie das an eine dezente Dusche erinnernde Geräusch des arbeitenden Metagrav-Antriebs. In Flugrichtung projizierte der Antrieb einen virtuellen G-Punkt, dessen vorwärts gerichtete Eigenbewegung den Raumer automatisch mitriss und beschleunigte.

Auf Orlandos Pult stieg die Diagrammkurve für die Geschwindigkeit steil an. Der Metagrav-Vortex entstand und riss die Jet in den Hyperraum. Zeitgleich hüllte die Grigoroff-Schicht das Raumschiff ein und schützte es vor unerwünschten Effekten des fünfdimensionalen Raumes.

Blanc drehte sich zu Brad um. »Lust auf eine Partie Schach?« er grinste und erhob sich. Elegant verbeugte er sich in Richtung Schott. »Nach euch, meine Schöne.«

*

»Nervös?«, fragte Gucky, während er an der Spüle sein Glas halb volllaufen ließ.

Richettéu schüttelte den Kopf.

»Du kennst den Plan?«

Richettéu nickte und fasste die Parafalle fester. Diesmal würde er keinen Fehler machen. Diesmal verlief alles streng nach Plan. Gucky leerte das Glas und stellte es auf den Wohnzimmertisch, der mehrfach zerkratzt war. Der Ilt ging zu ihm, berührte ihn an der Hüfte und teleportierte.

Peter roch Schwefel. Mit Mühe unterdrückte er ein Husten. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das dämmrige Licht des Hangars. Etwas zischte und die Umgebung wechselte erneut.

Michael Shorne lag vor ihnen auf einer Liege. Sein nackter Körper war mit Wunden übersät. Einige bluteten leicht. Peter sah keine Messer oder andere Waffen. Der Blues musste Shorne allein mit seiner telekinetischen Kraft malträtiert haben.

Während Gucky an der Medokonsole das Fesselfeld deaktivierte, kniete Peter nieder und stellte die Parafalle auf den felsigen Boden. Fremde Schriftzeichen führten rechts von ihm zur Wand. Interessiert musterte er sie. Gucky hatte ihm erzählt, dass die Forscher der Dorgonen ermittelt hatten, dass die Station von Amphibienwesen errichtet worden war.

Neugier und Jagdfieber packten ihn. Mit dem Zeigefinger fuhr er über das erste Zeichen. Ein durchgestrichenes Trapez, von dem eine Verästelung wegführt. Er musterte die nächsten und versuchte, ein Muster zu finden. Dabei streckte er sich.

»Du hast die Parafalle aktiviert!«

Peter erschrak und drehte sich um. Gucky hatte recht. Der Aktivierungssensor leuchtete grün. Der Kasten vibrierte. Der nicht abgeschirmte Stromwandler summte. Zum Glück litt der Ilt diesmal nicht unter der Wirkung der Falle. Nach dem vorgestrigen Desaster hatte er das Gerät auf Rijons Individualimpulse geeicht.

»Ich bringe Shorne zur Siedlung«, sagte Gucky und verschwand.

Peter biss sich auf die Unterlippe. Es war ein mulmiges Gefühl, allein in der Höhle des Löwens zu sein. Hoffentlich schlief Rijon wirklich, wie Gucky im Farmhaus festgestellt hatte. Mit der rechten Hand vergewisserte er sich, dass der Kombistrahler, den Gucky ihm von der Robotstation mitgebracht hatte, noch im Holster steckte. Die Ladeanzeige war voll.

»Back!«

Peter wirbelte herum und stieß die Parafalle um. Es klang blechern, als der Kasten auf den Boden aufschlug. Der grüne Sensor erlosch.

Guckys vorwurfsvoller Blick schmerzte. »Es tut mir…«

Der Ilt schüttelte den Kopf und teleportierte zu Rijon. Er wollte mit ihm reden, ihn zur Vernunft bringen. Peter kniete nieder und hob die Parafalle hoch. Drei, vier Mal tippte er auf den Aktivierungssensor, dann gab er es auf. Er drehte das Gerät um die Achse. Dumm, dass das Multifunktionswerkzeug auf dem Tisch des Farmhauses lag. Er rüttelte die Parafalle. Etwas schepperte.

Verdammte Tollpatschigkeit, fluchte er und schleuderte die Parafalle durch den Raum.

Er stand auf und blickte sich in der Medostation um. Wie sollte er sich in der Zwischenzeit beschäftigen? Sein Blick fiel auf die fremden Schriftzeichen. Das dritte erinnerte ihn an das lemurische ›a‹ ergänzt um ein Apostroph. Er schritt die Zeichen entlang bis zur Felswand. Die Schrift endete unterhalb seines Kinns. Das letzte Symbol sah aus wie eine Bucht, die das Meer überflutete.

Peter strich mit dem Finger über das Wasser. Erstaunt rubbelte er über den Felsen. Das war kein Stein.

»Hm…«

Schublade um Schublade zog er in seinen Erinnerungen auf. Dieses Gefühl auf den Fingerkuppen… er kannte es.

Mit der zweiten Hand fuhr er über das Zeichen darunter. Verdammt, es lag ihm auf der Zunge. Es fühlte sich an wie… wie…

Der Felsen glitt nach oben. Peter strauchelte und fiel in die Dunkelheit. Er schrie auf.

Hart landete er auf dem Bauch. Er rutschte weiter, dem Gefühl nach abwärts. Hektisch presste er Arme und Beine nach außen, doch sie fuhren ins Leere.

Abrupt endete die Rutsche. Für eine Sekunde hing er in der Luft, dann krachte er ins Wasser.

Prustend tauchte er auf. Licht ging an. Er blinzelte.

»Wer zur roten Kreatur der Todesschlünde bist du?« Die helle Stimme eines Blues ließ ihn den Kopf drehen.

Kylaka, Rijons Gefährtin saß am Ufer des Biotops. Sie sprang auf und rannte von ihm weg.

Peter kraulte in Richtung Ufer. Er brauchte Grund unter seinen Füßen. Ein Energiestrahl, der einen Meter neben ihm durch das Wasser fuhr, stoppte ihn. Er tauchte unter und schwamm in die Gegenrichtung. Nur weg von dieser verrückten Blues.

Hinter und neben ihm zogen weitere Strahlen durch das Wasser. Peter schwamm rascher. Seine Brust verengte sich. Die Luft wurde knapper. Vorsichtig tauchte er auf, schnappte nach frischem Sauerstoff, lugte zum Strand und verschwand wieder unter der Wasseroberfläche.

Die Blues war verschwunden.

Ihm fiel ein, dass sie durch die Genexperimente von Shorne Kiemen hatte. Er musste aus dem Wasser! In diesem Medium war sie ihm überlegen.

Rückstoßprinzip, dachte er und zog den Kombistrahler. Er tauchte auf, drückte die Waffe an die Hüfte und schoss im Thermomodus. Das Wasser verdampfte, aber es wirkte. Einem Torpedo gleich schoss er durch das Wasser.

Der Strand stoppte seine Fahrt. Überrascht riss er die Waffe nach oben. Der Energiestrahl trat aus dem Wasser aus und radierte über die Oberfläche. Der Dampf dehnte sich nach allen Seiten aus. Ein blauer Kopf schälte sich aus dem Wasser.

Kylaka.

Der Energiestrahl durchschnitt den Tellerkopf unterhalb ihres vorderen Augenpaares, trat am Hinterkopf aus und setzte seinen Weg über das Wasser ungehindert fort.

Kylaka riss die Arme hoch und ging unter.

Peter schluckte, starrte in den Dampf und steckte den Kombistrahler zurück in den Holster. Ausnahmsweise war er seiner Tollpatschigkeit dankbar.

*

Ungeduldig zählte Blanc die Sekunden bis zum Austritt aus dem Hyperraum.

Das graue Wabern des Hyperraums verschwand und wich einer Simulation des Sonnensystems. Acht Planeten umkreisten eine rote Sonne. Blanc überflog die Ziffernkolonen. Nur der Fünfte eignete sich für Leben. Das von Gucky ausgesandte Signal kam von dort.

»Die Fernortung liefert kein Anzeichen für eine Zivilisation«, sagte Orlando. Er brachte die Jet erneut in den Hyperraum und ließ das Schiff nahe des Orbits des fünften Planeten in den Normalraum zurückfallen.

Blanc stöhnte. Eine parapsychische Front fegte durch ihr Gehirn. Rasch errichtete sie einen Abwehrblock. Es linderte zwar den Druck, aber das Gefühl der Enge um ihren Kopf blieb.

»Spürt ihr das?« Ihre Hände zitterten. Sie hätte sich die Frage sparen können. Orlandos Finger klammerten sich um die Sessellehnen. Er schwitzte.

Brad keuchte. Er saß verkrampft in seinem Sessel.

»Du brauchst noch ein paar Meter, oder?«, fragte Orlando nach hinten. Das Reden fiel ihm schwer.

»Für ein paar Kilometer bin ich dir dankbar«, antwortete der Teleporter. Sein Körper löste sich auf und materialisierte augenblicklich wieder. »Kombination für den Waffenschrank?«

»Sofort!« Orlando schupfte das Schiff mit Hilfe des Vortex in den Hyperraum. Nachdem sie aus dem fünfdimensionalen Kontinuum ausgetreten waren, zuckte Blanc zusammen. Das Schiff flog bereits in der unteren Atmosphäre. Ein Canyon raste auf sie zu. Sie schluckte und blickte zu Orlando. War er noch in der Lage, die Jet zu steuern?

»Voilà!«, sagte Orlando und erhob sich. Er berührte Brad am Unterarm und sie verschwanden.

Blanc sprang auf. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie war allein in der Zentrale einer Space-Jet, die auf einen Canyon zuraste. »Syntronik!«, rief sie, um wenigstens eine andere Stimme zu hören. »Ist der Autopilot an?«

»Selbstverständlich.«

»Verzögern wir?«

»Selbstverständlich.«

Ziemlich einseitiger Dialog, dachte sie.

»Blanc!«

Sie wirbelte herum und sah… nur Brad.

»Orly ist zusammengebrochen.« Er streckte den Arm aus. Sie ergriff ihn und die Umgebung wechselte.

Orlando lag vor dem geöffneten Waffenschrank. Speichel tropfte aus seinem Mund. Blanc kniete nieder und drehte ihn auf die Seite. »Wir brauchen einen Medoroboter!«, rief sie.

Der Bordsyntron bestätigte.

»Hat das Schiff eine stabile Lage?«, fragte sie.

»Selbstverständlich.«

Sie knurrte. »Wer hat dieses Ding programmiert?«

Brad runzelte die Stirn und legte Orly die Beine übereinander. Das Schott glitt auf und ein Medoroboter schwebte in den Raum. Tentakel mit medizinischen Sensoren fuhren unter das Shirt. Zehn Sekunden verstrichen.

»Der Patient hat einen Schwächeanfall erlitten. Ich bringe ihn in seine Kabine«, sagte der Roboter. Unsichtbare Antigravitationsfelder hoben Orlando an. Vor dem Medorob schwebte er aus dem Raum.

»Hol Wulf?«, sagte Blanc, während sie in den Waffenschrank griff. Sie wählte einen Desintegrator und schnallte sich den Holster auf den rechten Oberschenkel. Als sie sich umdrehte, stand der ehemalige Profi-Wrestler neben Brad. Blanc hatte sich noch immer nicht an den wolfsähnlichen Schädel gewöhnt, der durch Verabreichung von Tiergenen deformiert war. Die schwarzen Haare an den Wangen und am Kinn waren zerzaust. Sie nickte ihm zu und fragte sich, wie glücklich er mit seinem Spitznamen war. Er trat neben sie und entschied sich für einen armlangen Kombistrahler, den er schulterte.

Hank Lane, wie der Ex-Wrestler hieß, nickte ihr zu. Er war nie wortgewaltig gewesen. Seit seiner »Verwandlung« in ein wolfsähnliches Wesen setzte er noch weniger Wörter ein.

»Bring uns in die Zentrale«, bestimmte sie.

Die Jet schwebte über einem Fluss im Canyon, der zuvor bedrohlich rasch auf die zugekommen war. An einem Ufer wühlte ein bärenhaftes Tier im Wasser. Fische sprangen an die Oberfläche und tauchten wieder ein. Der übliche Kreislauf vom Fressen und gefressen werden.

»Syntronik«, sagte Blanc. »Wie weit ist es bis zum…« irritiert hielt sie inne. »Ich…« Sie schüttelte den Kopf. »Orlys Gedankenimpulse haben sich geändert. Es ist, als gäbe es ihn zweimal.«

Wulf blähte die Nasenflügel. Brad neigte den Kopf leicht nach links.

»Ich spinne nicht!«

»Blanc«, antwortete Brad mit sanftem Tonfall, »wie soll er doppelt existieren?«

»Ich schwöre dir, er ist dort«, sie hob den Arm und deutete zuerst zur Kabine, in der Orlando ruhte, und dann nach Osten, »und dort!«

»Syntronik, nimmst du Orlando de la Siniestro zweimal wahr?«

Der Bordrechner verneinte. »Orlando liegt in seiner Kabine.«

»Das beweist nichts.« Sie setzte sich in den Pilotensessel. »Deflektorfeld ist an?«, fragte sie die Syntronik.

»Selbstverständlich.«

»Flieg nach Osten.«

Die Jet schwebte nach oben. Das Ende der Felswände ging in einen Wald über. Hoch über den Baumwipfel flog der Kleinraumer in Richtung der roten Riesensonne, die zur Hälfte über den Horizont geklettert war. Nach dem Wald prägten Wiesen und Felder das Bild.

»Nach links.«

Der Bordrechner setzte ihre ungenaue Flugangabe um. Sie rasten über einen Fluss und eine Herde antilopenähnlicher Tiere.

»Dort!« Blanc sprang auf und zeigte nach vor.

»Was ist das?«, fragte Brad und erhob sich ebenfalls. Er rieb sich die Augen.

Wulf schnaubte.

»Von diesem…«, Blanc suchte nach Worten für den grauen, humanoiden Schemen, der sich über einem abgeernteten Feld im Wind wiegte, »… diesem Ding gehen Orlandos Gedankenimpulse aus.«

Der Schemen löste sich auf.

»Wo ist er hin?«, fragte der Teleporter.

»Zum Ausgangspunkt der parapsychischen Strahlung.« Sie drehte den Kopf nach links. »Ungefähr dreihundert Kilometer nördlich.«

Brad legte ihr die Hand auf die Schulter.

»Warte!«, rief sie. »Syntronik, führe einen Hirnscan bei Orlando durch.«

»Glaubst du, dass…«

Blanc nickte.

»Die Hirnaktivitäten von Orlando de la Siniestro deuten auf die Aktivierung einer parapsychischen Fähigkeit hin.«

»Dieser Mistkerl!«, polterte Brad. »Verschweigt uns seine Gabe!«

Blanc schüttelte den Kopf. »Ich denke, er wusste nichts davon.« Sie zuckte mit den Achseln. »Wie auch immer. Bring uns zum Ausgangspunkt.«

Konsole und Pilotensessel verwandelten sich in eine Weide, die rechts von mehreren Bäumen gesäumt wurde. Blanc hörte Wulf und Brad stöhnen und kniete nieder. Ihr Kopf klemmte in einen Schraubstock. Sie keuchte und verstärkte ihren Abwehrblock. Mühsam schob sie das Gefühl der Enge Millimeter um Millimeter zurück, bis es erträglich wurde.

Sie erhob sich. Fünfzig Meter vor ihnen schwebten Rijon und Gucky in der Luft. Rijon oben, Gucky unten. Unterschiedlich große Erdbrocken drehten sich um sie. Rechts oberhalb »tanzte« der graue Schatten – Orlando.

»Was ist hier passiert?«, fragte Brad und zeigte auf die Furchen im Boden. »Es sieht aus, als hätte ein Haluter die Wiese umgepflügt.«

Blanc grinste. Brad liebte griffige Vergleiche. Vorsichtig tastete Blanc mit ihren parapsychischen Sinnen in Richtung der Mutanten und zuckte zurück. Selbst die Ausläufer rangen ihr Respekt ab. Sie würde selbst nach hundert Jahren Training nur ein Zwanzigstel der Kraft aufbringen können.

»Haltet euch zurück«, sagte sie zu Brad und Wulf. »Rijon tötet euch mit einem Fingerschippen, wenn ihr Gucky helft.«

»So schlimm?«

»Der Hass des Blues verursacht mir Magenschmerzen.«

»Rijon ist stärker, oder?« Wulf trat zu ihr.

Sie nickte.

»Wir müssen Gucky helfen.«

»Wie?«

Wortlos zog der Ex-Wrestler den Kombistrahler nach vorn und legte an. Blanc drückte den Lauf hinab. »Damit erreichst du nichts.«

»Aber…«

»Schaut!«

Blanc drehte den Kopf. Der graue Schatten schwebte zwischen Gucky und Rijon. Das parapsychische Kraftfeld zerfaste rund um Gucky und verdichtete sich zwischen dem Schemen und dem Blues.

Der Körper des Ilts zitterte und stürzte zu Boden, während der Schatten Rijon einhüllte. Ein Blitz fuhr in den Himmel. Unwillkürlich trat Blanc einen Schritt zurück und prallte gegen Brad.

»Ah…« Blanc griff sich an den Kopf. Die Ausläufer des parapsychischen Kampfes wühlten in ihrem Kopf, stülpten ihr Inneres nach außen.

Rote Schlieren waberten durch den Schemen. Es sah aus, als hätte sich die Sonnenstrahlen der aufgegangenen Sonne in ihm gefangen und versuchten auszubrechen. Ein hellrosa Strahl raste in den Himmel und verbreiterte sich.

In Blancs Kopf explodierte eine Supernova und sie fiel in das nasse Gras.

Schlagartig war alles vorbei. Der Druck um ihren Kopf verschwand und sie atmete auf.

Gucky lag mit dem Oberkörper über dem Rand einer der Furchen. Sein Kopf hing abwärts. Blanc tastete telepathisch nach ihm und erschrak. Sie nahm nichts wahr.

Sie sprang auf.

Der Schemen verflüchtigte sich. Rijon war ebenfalls in das Gras gestürzt. Er rieb sich über das Fell am Oberkörper und wimmerte. Es hörte sich nach »Mama« und »Trützky« an.

Sie rannte zu Gucky, zog seinen Oberkörper auf das Gras und fühlte seinen Puls.

»Sag mir, dass Gucky lebt!« Brad kniete sich neben sie.

Blanc nickte. Brad zog einen Notfallmedokit aus einer Tasche seiner Kombination, riss es auf und drückte Gucky einen Scanner an die Brust. »Hol die Jet!«, sagte sie und sah zu, wie sich Brads Körper auflöste.

Ein Blick auf die Anzeige des Medoscanners beruhigte sie. Der Mausbiber war nur erschöpft.

Sie ging zu Rijon, nahm ihn in die Arme und streichelte über das flauschige Fell seines Tellerkopfs.

»Mama?«, zirpte er und öffnete das vordere Augenpaar. Tränen kullerte aus seinen Augen und tropften vom Rand des Kopfes in ihren Schoss.

Der junge Blues tat ihr leid. Nach dem Ausbruch aus Shornes Labortrakt hatte Rijon ebenfalls in ihren Armen geweint und ihr seine traurige Geschichte erzählt. Wie Brad, Wulf und sie war er ein Opfer der Umstände. Sein Körper und sein Geist waren aus Geldgier von Shorne geschunden und malträtiert worden. Für sie war es schwierig genug mit den Dämonen der Vergangenheit umzugehen. Wie musste es erst einem Achtjährigen gehen?

»Lass es raus, dann geht es dir besser«, flüsterte sie.

Rijon schloss die Augen und hörte zu weinen auf. Erleichtert kraulte sie ihm den Hals.

Plötzlich schlug ihr Rijons Hass entgegen. Der Blues verbog ihr die Finger, drückte ihren Oberkörper nach hinten und schleuderte sie von sich weg. Mit ihren telekinetischen Kräften bremste sie den Sturz, landete aber dennoch schmerzvoll auf dem Po.

»Ich töte euch alle!«, schrie Rijon und teleportierte.

»Dazu musst du an mir vorbei!« Guckys Stimme ließ sie den Aufprallschmerz vergessen.

Wulfs Kombistrahler schwebte durch die Luft und landete in Guckys Händen. Er blickte auf die Landeanzeige, nickte und entmaterialisierte.

*

Gucky materialisierte und fror. Seine Atemluft verwandelte sich in weiße Wolken, die der Wind an sich riss und forttrug. Die Kälte kroch zwischen seine Haare und piekste in seine Haut. In seinen Ohren pfiff es. Gucky zog den Kopf ein und stemmte sich gegen den Sturm. Er war dem Blues auf ein Bergplateau gefolgt. Er fröstelte. Überall war Schnee. Knapp fünfzig Meter von ihm entfernt lehnte Rijon an einem Felsen, dessen Innenseite der einzig schwarze Fleck war. Seine Hände zitterten. Der Tellerkopf wackelte. Obwohl sich Rijons Halsmund bewegte, hörte Gucky kein Wort. Im parapsychischen Bereich war es anders. Der Blues kotzte sich die Seele aus dem Leib.

Rijon, lass uns reden, dachte Gucky. Er gab die Hoffnung für eine friedliche Lösung nicht auf. Unser Kampf ist sinnlos. Du willst Rache für den Mord an deiner Familie – ich beschaffe sie dir.

Rijon antwortete nicht verbal. Vor Guckys Füßen schob sich der Schnee zu einer drei Meter großen Kugel zusammen. Der Ilt wich zurück. Die Kugel hob sich und schoss auf ihn zu. Gucky bremste die Kugel telekinetisch. Er wollte sie zum Stillstand bringen, doch der Blues war stärker. Gucky teleportierte auf den Felsen und sah, wie die Kugel nach hundert Metern auf die zugeschneite Erde krachte.

Er hob den Kombistrahler und schoss. Paralysestrahlen trafen den Blues.

Langsam drehte sich Rijon um und kicherte. »Damit kitzelst du mich nur!«

»Rijon, wir…« Gucky hielt inne und blickte zu seinen Füßen. Es knirschte. Risse durchzogen den Schnee, verbreiterten sich und gaben den Felsen frei. Rijon veränderte mit Hilfe seiner Paragabe der Strukturerschütterung die Zusammensetzung des Bergplateaus. Gucky wollte springen, doch Rijon hinderte ihn daran.

»Wie machst du das?,« fragte ihn der Ilt verwundert und fiel in einem Schacht. Panik befiel ihn. Rijon hemmte seine telekinetischen Fähigkeiten. Er spürte, wie ihn der Blues geistig einschnürte. Verzweifelt ruderte er mit den Armen und blickte abwärts. Kein Ende in Sicht. Immer und immer wieder setzte er sowohl Telekinese als auch Teleportation ein. Bis es klappte. Rijons Kraft wurde schwächer und Gucky sprang zurück auf das Bergplateau.

Er orientierte sich.

Rijon lehnte am Felsen. Der Kombistrahler, den Gucky fallen gelassen hatte, lag neben ihm. Rijons hinteres Augenpaar öffnete sich. Eine mentale Angriffswelle schwappte über Gucky zusammen. Er stöhnte und ging in die Knie. Rijons Kräfte waren erneut stärker geworden. Wenn es in dem Tempo weiter ging, würde er in einer halben Stunde Guckys Abwehrblock hinwegfegen. War es das? Würde er so enden? Getötet von einem Achtjährigen?

Gucky ballte die Fäuste. Er musste sich etwas einfallen lassen.

Rijon wankte mit dem Kombistrahler in der Hand auf ihn zu. Immer wieder rutschte er auf dem Schnee aus oder blieb mit einem Fuß in der Schneedecke stecken. Schließlich stand er vor dem Ilt. Er hob den Strahler und schaltete in den Desintegratormodus.

»Nichts wird von dir übrig bleiben«, sagte er. »Nichts!«

Guckys Gedanken rasten. Vielleicht konnte er die Energie des Zellaktivatorchips anzapfen.

Rijon richtete den Strahler auf Guckys Stirn.

Panisch versuchte Gucky zu teleportieren – vergebens.

Er wollte dem Blues den Strahler mit Telekinese aus den Händen reißen – vergebens.

Gucky versuchte, aufzuspringen – vergebens.

Rijon kicherte. »Streng dich nicht an, Ex-Retter des Universums.«

Unsichtbare Fäuste trafen Gucky in Magen und Wangen. Gucky schrie. Rijon lachte. Der Blue drehte die Waffe und griff sie oberhalb der Abstrahlmündung. In Manier eines Baseballspielers holte er aus, verharrte auf Kopfhöhe und zog durch.

Schlagartig änderte sich Guckys Wahrnehmung. Wie in Zeitlupe kroch der Schläger auf ihn zu. Hundert Zentimeter trennten den Strahler von seinem Kopf.

Für einen Siganesen die Welt, für einen Terraner ein Schritt und für Gucky der Rest seines Lebens.

Hundert Zentimeter – Gucky sitzt auf seiner Heimatwelt und albert mit seinen Jugendfreunden herum.

Neunzig Zentimeter – Gucky teleportiert in die Kugel, die seit ein paar Stunden die Landschaft von Tramp verschandelt.

Achtzig Zentimeter – Gucky betritt zum ersten Mal die Erde.

Siebzig Zentimeter - Gucky wird Leutnant des Mutantenkorps.

Sechzig Zentimeter – Gucky veröffentlicht im Blitzlichtgewitter der Fotografen sein erstes Heldenepos.

Fünfzig Zentimeter – Gucky heiratet Iltu.

Vierzig Zentimeter – Gucky streichelt zum ersten Mal über das Kopffell seines Sohnes Jumpy.

Dreißig Zentimeter – Gucky wischt am Grab seiner Frau über sein nasses Wangenfell.

Zwanzig Zentimeter – Gucky erhält einen Zellaktivator.

Zehn Zentimeter – Bully, Perry, Atlan blicken auf sein Grab: Gucky, ein wahrer Freund der Menschheit! Niemals vergessen! RIP!

Ein lautes Lachen mischt sich in Guckys Erinnerungen. Gucky bemerkt, dass der Zellaktivatorchip in seiner Schulter wie wild pumpt. »Komm schon, Kleiner, du kannst mich doch nicht enttäuschen«, hört er eine wohlbekannte Stimme.

Fünf Zentimeter.

Gucky brüllte ein »Nein!«

Irgendwo in seinem Inneren öffnete sich eine Tür zu verborgenen Kräften. Er materialisierte hinter Rijon. Er sah, wie der Strahler mit Normalgeschwindigkeit durch die Luft sauste und die leere Stelle traf, an der er eben noch gekniet hatte.

Gucky schlug mit den Händen und seinen telekinetischen Kräften zugleich zu.

Rijon schrie auf und fiel bäuchlings in den Schnee. Gucky schleuderte den Blues durch die Luft, bis er auf einer der Eisflächen aufprallte. Gucky griff in Rijons Geist und prügelte auf ihn ein. Mit seinen kleinen Fingern suchte der Blue nach Halt, während er über die Ebene schlitterte. Er strampelte und versuchte seinen unfreiwilligen Rutsch aufzuhalten, doch er driftete immer weiter an den Rand des Plateaus. Als sein Unterkörper über der Kante hing, sah es so aus, als bohrten sich seine Finger ins Eis, doch Gucky täuschte sich.

Mit einem Schrei verschwand Rijon von der Ebene.

Gucky kam zu sich. Er realisierte, was geschehen war, sprang zur Kante und blickte darüber hinaus.

Rijon fiel immer noch. Verzweifelt ruderte er mit den Armen.

»Teleportiere!«, brüllte er ihm hinterher.

Ich kann dir nicht helfen, dachte Gucky. Er war zu schwach, um den Blues aufzufangen. Er kroch in Rijons Gedanken. Teleportiere, rief er erneut.

Rijon »hörte« ihn nicht mehr. Im Angesicht des nahenden Todes versagten seine Paragaben. Es war, als hätte er sie vergessen. In Gedanken saß er im Kreise seiner Familie und spielte mit seiner Schwester ein Brettspiel. Sie kicherten.

Gucky zog sich geistig zurück. Er wollte das Erlöschen von Rijons Bewusstsein nicht spüren. Traurig, dass er den Blues nicht hatte retten können, teleportierte er.

*

Der Ilt materialisierte vor den drei Terranern.

»Gucky!«, rief Blanc. Sie stürzte zu ihm, beugte sich hinab und umarmte ihn.

»Schon gut, schon gut«, wehrte er ab.

Die terranische Mutantin drückte ihn noch einmal an sich und trat einen Schritt zurück. »Ist Rijon…?«

Gucky nickte und reichte Wulf den Kombistrahler.

»Was ist mit Shorne?«

»Richettéu und ich haben ihn befreit.«

Blanc verzog die Lippen, Brad blickte zu Boden und Wulf räusperte sich. Da Shorne sie ebenfalls mit Genexperimenten gequält hatte, ahnte Gucky ihre Gedanken. Sie hätten ihn lieber Tod gesehen, als Rijon, der ein Opfer der Umstände war.

»Leute«, Gucky seufzte. »Es ist vorbei.« Er streckte den Arm aus. Blanc, Wulf und Brad ergriffen ihn. Der Ilt teleportierte vor Peter Richettéus Füßen.

Überrascht schrie der Agent auf und sprang rückwärts, stolperte und landete in einer Hecke.

»Gott, Gucky!«

»Endlich hast du die richtige Ansprache gefunden.« Gucky ließ seinen Nagezahn aufblitzen.

Richettéu drückte die Äste nach hinten und rappelte sich auf. Die junge Siedlerin, Claudia, eilte ihm zu Hilfe.

»Brad«, Gucky drehte sich um. »Bring Shorne in die Jet.«

Brad Callos nickte.

»Aktiviere das Fesselfeld und stelle die Syntronik auf höchste Überwachungsstufe«, ergänzte Gucky. »Ich habe keine Lust diesen Mistkerl erneut einzufangen.«

Brad nickte und verschwand.

»Wo ist dein Vater?«, fragte der Ilt die Siedlerin.

»Er sät.«

Gucky holte aus ihren Gedanken die Umgebung und sprang. Er landete in einer frischgezogenen Furche. Uwe saß auf einem Pflugscharen, den ein antilopenähnliches Tier zog. Das Tier blieb stehen, als es Gucky erblickte. Es hob den Kopf, nieste und drehte sich zum Landwirt um. Gucky watschelte zu ihm.

»Ich danke dir für eure Gastfreundschaft.«

Sie reichten sich die Hände.

»Es war uns eine Ehre.« Er verneigte sich leicht.

Gucky zwinkerte ihm zu und sprang wieder vor Richettéus Füße.

Wieder zuckte der Agent zusammen und fiel zu Boden.

»Verdammt!«

»Ich muss mich doch in Erinnerung halten«, feixte der Ilt.

»Woher…?«

»Peter«, sagte Gucky und half dem Terraner auf. »Ich erkenne verliebte Menschen, wenn sie vor mir stehen.«

Richettéu blickte verlegen zu Boden. »Du hast nichts dagegen«, platzte er heraus, »dass ich auf dem Planeten bleibe?«

»Ich?« Gucky lachte. »Was sollte ich dagegen haben?«

Er schnupperte und ging zu Claudia. »Du hast einen guten Einfluss auf ihn. Er hat endlich dieses fürchterliche Lebkuchen-Aftershave abgelegt.«

Claudia lächelte.

»Mach‘s gut, Peter.« Gucky drehte sich zu Blanc und Wulf um. »Los ihr Heldenanwärter.«

Wulf und Blanc legten ihm die Hände auf die Schulter. Ein letztes Mal winkte er Richettéu zu und teleportierte in die Zentrale der Space Jet.

»Syntronik, wie geht es Orlando de la Siniestro?«

»Ich habe ihn in ein künstliches Koma versetzt.«

Vor Gucky und den Terranern entstand ein Hologramm, das den Piloten zeigte. Er lag in einem mit Heilfluid gefüllten Medotank. Sein Körper war mit Brandblasen und Rötungen übersät.

»Erinnert euch das ebenfalls an die Blitze?«, fragte Gucky.

Blanc und Wulf nickten.

»Wie erklärst du dir Orlandos Fähigkeiten?«

Gucky öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Brad materialisierte neben dem Pilotensessel. »Shorne ist sicher verwahrt.«

»Braver Junge«, antwortete der Ilt und kratzte sich am Kinn. »Ich kann euch keine allumfassende Erklärung für Orlandos Mutantengabe bieten. Ich weiß nur, dass seine Paragabe natürlichen Ursprungs ist. Seine Parakräfte verdichten sich in diesem… hm…«

»Para-Zwilling?«, half ihm Blanc aus.

»Bruder«, meinte Brad.

Gucky nickte. »Para-Bruder ist gekauft. Dieser Bruder kann körperlich verletzen und teleportieren. Die Tests in der Akademie von Paxus werden zeigen, ob er seine Begabung steuern kann oder nur instinktiv einsetzt.« Er zuckte mit den Achseln. »Andere Frage.« Er blickte den drei Terranern in die Augen. »Kann einer von euch die Jet fliegen?«

Sie schüttelten den Kopf.

»Nun, dann dürft ihr für den Rest eures Lebens über die Flugkünste des letzten lebenden Ilts des Universums schwärmen.«

Er setzte sich in den Pilotensessel und studierte die Konsole. »Wie ging das gleich noch mal?« Er tippte auf die Anzeige für die Gravitraf-Speicher. Ein Diagramm schoss in die Höhe. Gucky zuckte zurück und räusperte sich.

»Du verarscht uns, oder?«, fragte Brad.

»Pst! Ich muss mich konzentrieren.« Er identifizierte den Geschwindigkeitssensor, den Einstellungssensor für die Feldgeometrie des Grigoroff-Feldes und neun weitere Sensoren.

Er rieb sich die Hände.

»Ich erinnere mich.« Telekinetisch tippte er auf die Sensoren.

Die Energieaggregate fuhren hoch. Die Syntronik, die Guckys Befehls umsetzte, berücksichtigte die Trägheit der mechanischen Geräteteile und verhinderte eine unnötig starke Belastung der Umformer. Ein kurzes, aber heftiges Tosen erklang, dann erstarben die Anlaufgeräusche, weil sie von einem Dämpfungsfeld aufgefangen wurden. Gucky brachte das Schiff aus der Atmosphäre. Im Orbit legte er den Zeigefinger auf den grün leuchtenden Sensor für den Antrieb. Augenblicklich drang ein Grollen an seine Ohren. Es kam vom anspringenden Metagrav-Triebwerk. Die Energien, die in den Gravitraf-Speichern zwischengelagert waren, flossen in die Generatoren. Die Metagrav-Projektoren bauten den virtuellen G-Punkt auf. Der zeitgleich einsetzende Antigrav verwischte eventuell durchkommende Beharrungskräfte. Der Raumer beschleunigte und verschwand im Hyperraum.

»Neun Stunden bis Paxus«, sagte er und drehte den Sessel zu den Terranern.

»Finde ich toll, dass Peter auf dem Planeten geblieben ist«, sagte Blanc und warf Brad einen langen Blick zu.

Obwohl Gucky an Iltu dachte, zeigte er dennoch seinen Nagezahn.

»Was tut man nicht alles aus Liebe!«

ENDE

 

 

Der Supermutant Rijon ist besiegt. Gucky und die neuen Mutanten wollen zukünftig mit einem Mutantenkorps der Insel für mehr Sicherheit sorgen. Derweil steuert Cartwheel auf die politische Unabhängigkeit zu, doch möglicherweise ist es der letzte Triumph de la Siniestros.

Der folgende Roman mit der Nummer 46 stammt von Jens Hirseland. Der Titel lautet:

DAS SCHICKSAL DES SPANIERS

 

 

 

Kommentar

Mutanten, anfangs auch als Para bezeichnet, spielten von Beginn an bei Perry Rhodan eine wichtige Rolle. Es ging alles mit John Marshall los, der als Banker in seiner Mittagspause beim Butterbrot saß, als er plötzlich genau wusste, dass einer der Kunden einen Banküberfall plante.

Marshall war der erste Mutant, der mit Perry Rhodan Kontakt aufnahm. Es folgte Tako Kakutta, als dieser Rhodan vor dem unterirdischen Stollen und der Zündung einer Wasserstoffbombe unterhalb des Landeplatzes der STARDUST warnte. Kakuttas Teleportation erschreckte Reginald Bull regelmäßig.

In der Frühphase der Dritten Macht wurde das Mutantenkorps gegründet. Unter ihnen auch Ras Tschubai, Fellmer Lloyd, Ishi Matsu und viele andere, so auch die Halbmutanten Allan D. Mercant und Homer G. Adams. Ihre erste Bewährungsprobe gab es gegen die IVs.

Nun hat auch Cartwheel ein kleines Mutantenkorps. Hank Lane, Brad Callos, Orlando de la Siniestro und Jeanne Blanc werden von Gucky unterwiesen, um das Erbe der legendären ersten parapsychisch Begabten anzutreten – diesmal in der 500 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxis Cartwheel.

Wir dürfen gespannt sein, ob sie Cartwheel so eine große Hilfe sein werden, wie es einst das Mutantenkorps im Solaren Imperium war.

Nils Hirseland

 

 

GLOSSAR

Peter Richettéu

Geboren: 01.03.1245 NGZ

Geburtsort: Leeds, Terra

Größe: 1,70 Meter

Gewicht: 65 kg

Augenfarbe: braun

Haarfarbe: schwarz

Beschreibung: Schlank, Schnurrbart, schmales Gesicht, adrett gekleidet.

Peter Richettéu wuchs in England auf und wollte schon früh zur Polizei. Deshalb beschloss er im jungen Alter von 18 eine Ausbildung bei Scotland Yard zu machen. Er zeichnete sich einerseits durch hervorragende theoretische Leistungen aus aber auf der anderen Seite fiel er durch ein tollpatschiges Verhalten immer wieder auf. Dennoch konnte er die Ausbildung beenden und wurde Streifenpolizist. Es folgten einige Jahre in den Bundesstaaten Frankreich, Deutschland, Kenia und Japan als Polizist, dann wurde er, nachdem er einen Mordfall mehr oder weniger selbst klärte, zum Inspektor ernannt.

Jedoch wollte ihn sein Vorgesetzter in England loswerden. Wieder kam eine Versetzung. Dieses Mal nach Terrania City. Doch auch dort wollte man ihn nicht. Richettéu konnte seine Fälle lösen, doch die Art und Weise war sehr nervenaufreibend. Schließlich wandte er sich ab und ging in den TLD. Damals noch unter Gia DeMoleon. Oftmals trieb er sie zu einem Wutanfall, da er oft mit seiner tollpatschigen Art den TLD in Verlegenheit brachte. Die Bilanz der Erfolge sprach allerdings für sich.

Es wurde etwas ruhiger um Richettéu, doch im Jahre 1295 NGZ warb die nUSO den Agenten und ehemaligen Polizisten an, der seit drei Jahren nicht mehr vom Nachfolger der Moleon eingesetzt wurde. Richettéu akzeptierte freudig und ist seitdem Bestandteil der nUSO. Doch auch dort fällt er unangenehm auf und geht besonders Monkey sehr auf die Nerven. Deshalb entsendet er Richettéu als Ersatz für Tyler und Japar zur Insel.

Rijon

Rijon war 1298 NGZ ein achtjähriger Gataser.

Damals waren Rijon und seine siebzehn Geschwister die Kinder von einfachen Industriearbeitern. Es war ein einfaches aber glückliches Leben auf der Hauptwelt der Blues, Gatas. Dann folgten sie dem Ruf DORGONs und alles wurde anders. Zuerst lief es noch ganz normal, dann nahm sein Vater eine neue Stelle bei SHORNE INDUSTRY an.

Sie zogen nach Mankind. Plötzlich verschwanden seine Geschwister, sein Vater und zuletzt seine Mutter, seine kleine Schwester und er selbst. Von da an begannen die endlosen Alpträume. Männer in weißen Anzügen mit Masken untersuchten ihn und quälten ihn mit Operationen und Medikamenten. Tag für Tag. Lange lag er in einer Stase und vegetierte vor sich hin. Nur die schönen Erinnerungen an seine Kindheit ließen ihn am Leben. Er ahnte nicht, dass er von SHORNE INDUSTRY zu Versuchszwecken missbraucht wurde. Sie experimentierten an seinem Gehirn und gaben ihm durch Hirnmanipulationen künstliche Eigenschaften eines Mutanten.

In Cartwheel kümmerte er sich um seine kleine Schwester, während seine älteren Geschwister und seine Eltern arbeiten waren. Seine Schwester war Opfer von Shornes Versuchen geworden und nicht mehr zu retten gewesen. Rijon wollte Rache, zerstörte die Forschungsanlage und startete mit drei verbündeten Mutanten einen Feldzug gegen alle.

Doch Gucky stoppte das Kind, wobei Rijon starb.

Insel-Mutantenkorps

Eine im Jahre 1298 NGZ gegründete Eliteeinheit. Sie besteht aus parapsychisch Begabten. Anführer des Mutantenkorps ist der Mausbiber Gucky. Die ersten Mitglieder sind die Telepathin und Telekinetikerin Jeanne Blanc, der Teleporter Brad Callos, Orlando de la Siniestro und Hank Lane.

Charly Gheddy

Alter: 32 Jahre

Geburtsort: Terrania-City

Gewicht: 70 kg

Augenfarbe: Blau

Haarfarbe: Dunkelblond

Beschreibung: Sehr schlank, lange Haare. Ist schlau und verschlagen aber auch faul und ziellos. Charly ist egoistisch und skrupellos. Er liebt nur seinen Bruder Ian.

Charly wird drei Jahre nach seinem Bruder Ian geboren, mit dem er zusammen bei seiner Mutter Dorys Gheddy lebt. Schon in der Schulzeit gelingt es ihm die Mädchenherzen zu erobern und sie für seine Zwecke einzuspannen. Zusammen mit seinem Bruder erpresst er "Schutzgeld" von Mitschülern. Im Gegensatz zu Ian schafft er keine Berufsausbildung. Seinen Lebensunterhalt verdient er dadurch, dass er Frauen aufreißt und sich von ihnen aushalten lässt. Manchmal erleichtert er diese auch um ihre Ersparnisse. Da die Polizei nach ihm fahndet, kommt Charly die Reise zur Insel sehr gelegen und er begleitet seine Mutter und seinen Bruder nach Mankind.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2015

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 45, veröffentlicht am 06.11.2015 —

Titelillustration: Klaus G. SchimanskiLektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel