Band 24

MORDRED-ZYKLUS

 

Entscheidung auf Mashratan

Finale für die Mordred

 

Nils Hirseland

 

Was bisher geschah

Wir schreiben September 1291 NGZ. Die Galaxis ist in Aufruhr. Perry Rhodan und Imperator Bostich wurden entführt. Das Kristallimperium gibt der Unsterblichenorganisation Camelot und der Liga Freier Terraner die Schuld daran. Doch in Wirklichkeit steckt die Mordred dahinter, um Chaos in der Milchstraße zu stiften.

Auch Reginald Bull und Monkey befinden sich in Gefangenschaft. Sie sind Geiseln der Dorgonen, doch der Mausbiber Gucky und der Wissenschaftler Jan Scorbit konnten sich unbemerkt auf das dorgonische Adlerraumschiff schleichen.

Derweil entsenden die Terraner, Cameloter, Saggittonen und Arkoniden insgesamt 226 Raumschiffe in das Mashritun-System. Sie vermuten, dass Oberst Kerkum, der illustre Beherrscher der Wüstenwelt, mit der Mordred paktiert. Es ist die einzige Hoffnung, Rhodan und Bostich zu finden, bevor ein Krieg in der Milchstraße ausbricht. So kommt es zur ENTSCHEIDUNG ÜBER MASHRATAN …

Hauptpersonen

Cauthon Despair – Der Silberne Ritter muss die Seiten wählen.

Perry Rhodan – Der Unsterbliche wird entführt.

Aurec – Der Saggittone steckt mit Rhodan in Schwierigkeiten.

Wirsal Cell – Der Cameloter gibt ein Geheimnis preis.

Oberst Ibrahim el Kerkum – Der Herrscher über Mashratan.

Sanna Breen – Die LFT-Assistentin versucht Despair zu bekehren.

Rosan Orbanashol-Nordment – Die Halbarkonidin ist zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.

Homer G. Adams – Das Finanzgenie muss Überzeugungsarbeit leisten.

 

 

 

1. Rhifa Hun

Perry Rhodan schien überrascht, doch er ließ es sich kaum anmerken. Bostich hingegen wirkte fast gleichgültig. Rosan Orbanashol, Sanna Breen und Sam allerdings starrten schockiert auf Wirsal Cell.

»Ich bin Rhifa Hun«, wiederholte mein alter Mentor und Lehrer an der Raumakademie von Port Arthur.

»All die Jahre…«, murmelte Rhodan.

»All die Jahre. All die Jahre«, äffte Wirsal Cell Rhodan nach. Perry machte einen Schritt in Cells Richtung.

Ein kurzes Lächeln huschte über die Lippen Cells, ehe er eilig ein paar Schritte zurück machte. Ich deaktivierte die Energiebarriere an der Schwelle der Zelle, damit mein Anführer ungehindert hindurch schritt.

»Ja, all die Jahre deine Visage ertragen, war furchtbar. Deine selbstgefällige Art, deine selbstverliebten Zellaktivatorfreunde. Diese dilettantische Führung Camelots.«

Cell verzog verächtlich die Mundwinkel.

»Es kostete viel Überwindung, diese Scharade über so viele Jahre hinweg aufrecht zu erhalten. Doch es war auch auf gewisse Weise amüsant. Der große Perry Rhodan wurde getäuscht. Doch deine Größe hast du schon vor mehr als tausend Jahren verloren. Du bist eine Schande.«

»In dem stimmen wir überein«, mischte sich Bostich ein. »Vielleicht wäre eine Allianz von Vorteil?«

Cell lachte schallend. Er wirkte, wie ein entfesselter Wahnsinniger in diesem Moment. Dann fing er an zu Husten und beugte sich nach vorne. Mit seinen Armen stützte er sich auf den Knien ab und atmete mehrmals tief durch. Als er wieder in gerader Position stand, wischte er sich die Augen trocken.

»Ein guter Witz, Imperator. Ich wollte Euch doch schon einmal ermorden. Es wird keine Allianz geben. Das Kristallimperium, Camelot und die Liga Freier Terraner werden untergehen. Ich habe in den Dorgonen und…«

Cell hielt inne.

»Und?«, hakte Rhodan nach.

»Und Mächten, die jenseits eurer Vorstellungskraft liegen, meine Verbündeten. Mit ihrer Hilfe werde ich die Terraner, Arkoniden und alle Lemurerabkömmlinge zu einer intergalaktischen Macht vereinen. Im ganzen Universum wird man vom neuen Solaren Imperium sprechen.«

Cell machte eine ausschweifende Geste.

»Oh, ich bin ein schlechter Gastgeber«, stellte Cell fest und blickte zu Despair. »Sagen Sie doch was, Cauthon! Unsere Gäste haben bestimmt Hunger und Durst und den Wunsch nach bequemeren Sitzplätzen.«

Ich ging nicht darauf ein.

»Die Dorgonen erwarten uns im Mashritun-System. Seamus hat uns mitgeteilt, dass Reginald Bull und Monkey in seinem Gewahrsam sind«, sagte ich stattdessen.

»Ah, Mashratan. Dort wird sich alles entscheiden. Sehr gut. Natürlich werden die LFT'ler und Cameloter auf Mashratan als erstes suchen. Eine brenzlige Situation dort. Und wir werden das Feuer des Krieges über die Milchstraße dort entfachen.«

Cell drehte sich um und ging ein paar Schritte. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und legte kurz seine Hand auf meine Schulter.

»Cauthon Despair, bringen Sie Rhodan und Bostich in den Kontrollraum«, flüsterte Cell.

»Wie Ihr wünscht, Herr. Was geschieht mit den anderen?«

»Der Imperator darf sich noch etwas ausruhen. Der Somer soll in der Zelle versauern. Und…«

Wirsal Cell blickte zur Halbarkonidin Rosan Orbanashol-Nordment. Er lächelte überlegen.

»Oberst Kerkum wird sich über sein Geschenk freuen. Bringt sie nach Mashratan.«

Cell drehte sich um und verließ schnellen Schrittes den Gefängnistrakt. Ich wartete einige Momente, analysierte den Ausdruck in den Gesichtern. Perry Rhodan war innerlich in Aufruhr. Sein Gesicht war angespannt und er ging in der Zelle auf und ab. Der arkonidische Imperator saß ruhig und würdevoll auf der Pritsche. Das war verständlich. Während Rhodan der Verrat tief treffen musste, war es Bostich wohl gleichgültig, da er ohnehin keine hohe Meinung über Camelot hatte. Sanna Breen lehnte an der Wand und blickte zu mir. Versuchte sie mich zu analysieren? Sie war wunderschön. Ihr Blick verunsicherte mich ein wenig. Warum wollte Wirsal Cell, dass auch sie mit in den Kontrollraum kam? Was hatte mein Herr und Meister mit der Assistentin des LFT-Kommissars Cistolo Khan vor?

Ein wenig Mitleid empfand ich mit Rosan Orbanashol-Nordment. Sie war zu einer bezaubernden Frau herangewachsen. Ob die Dinge um mich anders verlaufen wären, wenn der Kontakt zu Rosan niemals abgebrochen wäre? Oder war es seit jeher meine Bestimmung? Als sich Wirsal Cell mir zu erkennen gegeben hatte, war auch ich zutiefst überrascht gewesen. Lange hatte auch ich gerätselt, wer sich hinter Rhifa Hun verbarg. Eigentlich hatte ich vermutet, dass Kerkum eine Charade gespielt hatte und sich sowohl als Rhifa Hun und Nummer Drei ausgegeben hatte, doch es ergab nun vieles einen Sinn.

Wirsal Cell hatte von Anfang an gewollt, dass ich mich der Mordred anschließe. Deshalb hatte er mich während meiner Ausbildung gefördert. Angeblich hätte er mein Potenzial und meinen großen Charakter erkannt, so waren seine Worte gewesen. Nach Rhodans Verrat an mir und meinen schweren Verletzungen hatte Wirsal Cell mich nicht fallen gelassen. Nun, es musste in der Tat meine Bestimmung sein. So hatte es auch Cau Thon ausgedrückt.

Nun war die Mordred fast an ihrem Ziel. Wenngleich der Blutzoll viel zu hoch war. Des Nachts plagten mich Albträume von der Vernichtung Sverigors. Wahrlich, die Korrektheitsbehörde war ein Feind der Menschheit gewesen, doch nicht alle zwei Milliarden Lebewesen. Sie zu töten, war ein Verbrechen gewesen. Die Zerstörung dieses Planeten hatte große Zweifel in mir geweckt. War das der Weg, den ich gehen wollte? War es mein Wille, ein neues Solares Imperium auf den Gebeinen unschuldiger Leichen zu gründen? Bei allen politischen Problemen der heutigen Zeit, bei der offenkundigen Unfähigkeit Perry Rhodans und seiner relativ unsterblichen Gefährten, bei allen Differenzen der Lemurerabkömmlinge untereinander, war die Mordred wirklich die Zukunft? Es war ja nicht nur die Mordred, sondern das Kaiserreich Dorgon. Die Milchstraße würde zu einer relativ autarken Provinz Dorgons werden. Waren die derzeit herrschenden Mächte erst einmal ausreichend geschwächt, würden die Dorgonen mit einer Invasionsflotte einfallen, den restlichen Widerstand ausmerzen und Wirsal Cell als Statthalter inthronisieren. Letztlich waren wir dann Vasallen der Dorgonen. Mir gefiel das nicht. Ich zwang mich, nicht mehr daran zu denken. Stattdessen winkte ich die Wachen herbei, die ihre Waffen zückten und auf die Gefangenen hielten.

»Ihr habt die Anordnungen von Wirsal Cell gehört. Rhodan und Breen kommen mit mir. Misses Orbanashol wird sich auf ihren Abtransport vorbereiten. Und Sam und der Imperator dürfen in der Zelle tun, was immer ihnen beliebt.«

Ich zog mein Caritschwert und hielt es in Rhodans Richtung. Rhodan verstand, machte einen Bogen um das ausgestreckte Schwert und folgte den Wachen. Zögerlich setzte sich auch Sanna Breen in Bewegung.

*

Unser Weg führte uns ins Zentrum der VERDUN. Bei herkömmlichen Kugelraumern befand sich dort die Zentrale. Diese war jedoch versetzt eine Etage über dem Kontrollzentrum von Wirsal Cell, welches er ironisch als »Zentrum der Macht« bezeichnete. Cells Kommandozentrale war eine Kugel von 50 Metern Durchmesser mit interner Energieversorgung, eigener Syntronik, einem eigenen Antrieb und Schutzschirm. So gesehen war es ein Miniaturraumschiff in der gigantischen VERDUN. Der Korridor zum einzigen Eingang wurde von einem Dutzend treuer Soldaten gesichert, die selbst mich kontrollierten. Nach erfolgreicher Durchsuchung setzten wir den Weg durch einen dreißig Meter langen Korridor fort. Wie die meisten Gänge war dieser in einem schlichten, metallischen grau gehalten.

»Was passiert nun mit uns? Werden wir zum Vergnügen Cells hingerichtet?«, fragte Sanna Breen mit trotziger Stimme.

Ich blickte in ihre smaragdgrünen Augen. Sie war eine Schönheit.

»Wir werden sehen«, gab ich als Antwort. Dann erreichten wir die Zentrale. Der große Raum war zehn mal zehn Meter groß. In der Mitte stand ein rundes Pult mit Konsolen.

Der Anführer der Mordred setzte sich dort hin, breitete die Arme über die Kontrollen aus und kicherte leise.

»Es dürstet dich nach mehr Informationen, richtig?«

Eine Antwort Rhodans auf die Frage erübrigte sich. Rhodans Haltung und Mimik sprach Bände. Er sah Wirsal Cell entschlossen aus seinen wasserblauen Augen an. Despair schmunzelte. Da stand Rhodan nun. Perry Rhodan, 2.943 Jahre alt und doch offensichtlich immer wieder aufs Neue verletzt von dem Verrat aus den eigenen Reihen.

Wirsal Cell lehnte sich zurück.

»Die Idee der Mordred ist in den 70er Jahren entstanden. Ein Mittelsmann kontaktierte mich und sprach von einer Allianz mit den Dorgonen. Nach Jahren der Vorbereitung stieß ein enttäuschter und entstellter Cauthon Despair zu uns. Aus ihm wurde mein treuester Paladin. Der Silberne Ritter.«

Sanna Breen warf einen Blick auf mich. Ich stand ungerührt neben dem Schaltpult und umklammerte den Knauf seines Caritschwertes.

»Es gab genügend desillusionierte Terraner und Kolonisten für die Mordred. Sie kamen aus dem Militär, der Polizei, Arbeitslose, Opfer der Gesellschaft und sogar einflussreiche Wirtschaftsmagnaten, die uns die finanziellen Mittel zur Verfügung stellten. Nach der Wahl Paola Daschmagans befürchteten viele einen Linksruck und konspirierten gegen die Ordnung. So baute ich meine »Nummern« auf.

Im Jahre 1285 ging es dann richtig los.«

Ich wusste, worauf Cell anspielte. Die Entführung der LONDON.

»Wir stellten Söldner und finanzielle Mittel den Kindern der Materiequelle zur Verfügung«, erklärte ich. »Anschließend nahm die Entführung ihren eigenen Lauf.«

»Amüsant, nicht?«, warf Cell ein. »Oh, und auch die Entführung der LONDON II wurde von uns unterstützt. Wir gaben Prothon da Mindros, was er benötigte, versorgten ihn mit Informationen und verschafften ihm genügend Zeit, um nicht vom Kristallimperium verfolgt zu werden.«

»Aber wieso?«, fragte Sanna Breen.

Wirsal Cell zuckte mit den Schultern.

»Wieso nicht? Wir haben uns die Rosinen aus dem Kuchen gepickt. Hier und da ein paar Terroranschläge destabilisierten die Gesellschaft. Auf der LONDON hatten wir außerdem die Aussicht, Rhodan loszuwerden. Der Plan sah jedoch vor, erst ab 1290 aktiv in Erscheinung zu treten. Die Entführung der LONDON II war die Ouvertüre. Alles lief auf die Vernichtung Camelots hinaus. Ich bin nicht töricht, Perry Rhodan. Fallen die Unsterblichen, kann die Milchstraße, wie eine reife Frucht gepflückt werden.«

Wirsal Cell war über 30 Jahre lang ein Vertrauter Rhodans gewesen. Auch wenn sie ihren Streit nach meinem tragischen Schicksal 1283 NGZ gehabt hatten, so hatte Cell wohl stets Rhodans Vertrauen genossen. Rhodan wusste um die politische Vorgeschichte Cells. Als Senator im Galaktikum hatte er sich immer für ein starkes, moderates Terra ausgesprochen und Rhodan ständig ermuntert, ein neues Solares Imperium zu gründen. Rhodan war so naiv gewesen.

»Wann?«, quetschte Rhodan nur hervor.

»Hm? Oh, wann ich den Entschluss fasste? Nun, als du mir irgendwann sagtest, dass es nie wieder ein Solares Imperium geben würde. Da wusste ich, dass du deinen Zenit überschritten hattest. Zuerst ließ ich nur die alten Kontakte wieder aufleben. Gleichgesinnte für ein starkes Terra. Doch als dieser Fremde dann auftauchte und mir die Allianz mit Dorgon vorschlug, da kam alles von selbst. Woher er von meinem Argwohn wusste, keine Ahnung. Ich schätze, er hatte uns lange zuvor beobachtet.«

»Wer ist dieser Fremde? Ein Dorgone?«

»Er hat sich mir niemals mit Namen vorgestellt und war in eine Kutte gehüllt. Ich habe nicht einmal sein Gesicht gesehen. Das hat mich beeindruckt. So kam ich auf die Idee, die Kunstfigur Rhifa Hun zu erschaffen. Bis heute weiß, bis auf uns in diesem Raum und im Inhaftierungsblock, niemand wer der Anführer der Mordred ist.«

»Und das soll ich glauben?«, fragte Rhodan ungläubig.

Cell seufzte und tippte etwas auf dem Touchpad seiner Kontrolle ein.

»Perry Rhodan, es ist nun bedeutungslos, was du denkst, glaubst oder willst. Du wirst als Geschenk den Dorgonen übergeben. Die schleifen gerne ihre besiegten Gegner in ihrer Hauptstadt in Ketten durch die Straßen. Ich werde derweil bei einem Glas Champagner den Bau eines neuen Imperium Alphas in Terrania beobachten.«

Mit einem Grinsen drehte sich Cell um und konzentrierte sich auf die Anzeigen. Damit war das Gespräch wohl beendet.

 

 

 

2. Über Mashratan

Aurec sprang von seinem bequemen Kontursessel auf, als er das Gedränge an Raumschiffen im Orbit von Mashratan erkannte. Raumer des Kristallimperiums, der Liga Freier Terraner, der Saggittonen, die mashratische Heimatflotte – zugegeben eine recht winzige Streitmacht – und einige Raumschiffe der Cameloter tummelten sich über dem Wüstenplaneten.

Insgesamt waren es 226 Raumschiffe. 23 Camelotische, 12 Saggittonische, 33 Liga-Raumer und 158 arkonidische Raumschiffe.

Jeder hoffte vermutlich auf ein Lebenszeichen von Perry Rhodan und Imperator Bostich. Auch den Arkoniden musste klar sein, dass die Mordred dahinter steckte. Sonst wären sie nicht hier. Ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war, wusste der Saggittone nicht.

»Kanzler, das LFT-Raumschiff NORTH CAROLINA und die TAKVORIAN nehmen Kontakt auf.«

»Beide durchstellen«, sagte Aurec knapp und setzte sich wieder.

Zu seiner linken erschien das Hologramm von Joak Cascal. Rechts daneben baute sich die lebensgroße Holografie des Terraners Henry Portland auf. In seiner blauen Uniform wirkte der Kommandant mittleren Alters würdevoll.

»Was unternehmen wir nun? Durchkämmen wir den Wüstenplaneten?«, wollte Cascal wissen.

»Wird das nicht Konsequenzen mit sich bringen?«, fragte Aurec. Der Saggittone wollte sich nicht unbedingt in die Politik der Milchstraße einmischen, noch als Fremdherrscher auftreten. Natürlich war es logisch, Mashratan unter die Lupe zu nehmen. Doch es war eine autarke Welt.

»Nun, Oberst Kerkum wird sicherlich Beschwerde beim Galaktikum einreichen«, warf Portland ein.

»Dann soll dieser Faschingsdabrifa das ruhig tun«, fand Cascal.

»Wir werden Kerkum einen Besuch abstatten. Die TAKVORIAN soll bitte einen unauffälligen aber kampfstarken Kreuzer bereitstellen. Wir drei gehen hinunter.«

Cascal bestätigte.

»Wo ist eigentlich Homer G. Adams? Habt ihr ihn nicht beim Flug in das System aufgenommen?«, wollte der Saggittone wissen.

Cascal grinste.

»Mister Adams ist derzeit mit einer anderen Geheimoperation beschäftigt. Der Kreuzer ist übrigens bereit und beladen. Wenn der Herr Kanzler sich an Bord der TAKVORIAN bemühen würde, könnten wir loslegen.«

Aurec grinste und bestätigte. Dann beendete er die Verbindung, um sich vorzubereiten. Nachdem seine Ausrüstung gepackt war, instruierte er den Kommandanten Waskoch und dessen Stellvertreter Serakan. Sie mussten vorsichtig vorgehen. Eine falsche Aktion konnte eine Raumschlacht verursachen, welche die gesamte Milchstraße in einen Krieg stürzen könnte.

*

Aurec bekam allein schon beim Anblick der ockerfarbigen Wohnsilos der Stadt Vhrataalis, der endlosen Wüste und den spärlichen Flüssen und Seen das Gefühl, es sei brütend heiß. Das Thermometer verriet eine Außentemperatur von 53 Grad Celsius im Schatten.

Doch nicht nur die extremen Wetterbedingungen beunruhigten Aurec. Der Kreuzer flog über eine ganze Armee an Shiftpanzern hinweg, die in Reih und Glied offenbar einsatzbereit versammelt waren.

»Den Inspekteuren des Galaktikums muss eine Menge entgangen sein«, sagte der LFT-Raumschiffkommandant und Diplomat wider Willen, Henry »Flak« Portland, der sich mit Aurec und Joak Cascal in dem Besprechungsraum befand.

»Vermutlich hat man Kerkum die Panzer gestattet, damit er Käfer jagen kann«, vermutete Cascal zynisch.

Der 200 Meter durchmessende Kreuzer der PROTOS-Klasse steuerte auf den ihm zugewiesenen Landeplatz auf dem Palast-Raumhafen. Sie landeten direkt neben einem 200 Meter durchmessenden Kugelraumer der DOR-KATI-Klasse. Eine arkonidische Delegation war zu erwarten gewesen. Aurec wandte sich an Joak Cascal, der zuvor eine Visite der Mannschaftsquartiere durchgeführt hatte.

»Wie sieht es unten aus?«

»Ganz schön voll.«

»Ist das Paket ausgeliefert?«, wollte Aurec wissen.

»Aye, Sir! Sicher und unbemerkt bereits kurz nach Eintritt in die Atmosphäre abgeschickt.«

Aurec hoffte, dass Homer G. Adams Plan von Erfolg gekrönt war. Es war riskant für ihn und seine beiden Begleiter, doch eine durchaus erfolgversprechende Idee, wollten sie nicht den Soldaten Kerkums in die Arme laufen. Der Kugelraumer setzte sanft auf. Die drei ließen sich mit dem Antigrav durch die Öffnung schweben und landeten sanft auf dem Boden. Kaum waren sie aus dem Wirkungsfeld des Antigravs ausgetreten, spürte Aurec auch schon die brütende Hitze dieses Planeten. Eine Reihe lindgrün uniformierter Soldaten erwartete sie.

»Ad Astra, Terraner«, schallte donnernd über den Landeplatz. Die mashratische 1. Vhratokapelle legte sich mächtig ins Zeug, fand Cascal, der diesem Empfang durchaus etwas abgewinnen konnte. Im Gegensatz wohl zur arkonidischen Delegation, die einige Minuten früher angekommen war und sich bereits im Palast befand.

Ein kurzer Blickwechsel mit Henry Portland verriet Cascal, das der LFT-Kommandant dieses Musikstück zwar mochte, er sich aber nicht ganz wohl fühlte bei dem ganzen Brimborium.

Ali Urban Judäa Kerkum, der zweite aber einflussreichste Sohn des Oberst empfing die beiden und nach einem kurzen Austausch von Floskeln wurden sie in den Palast geleitet.

Dort trafen sie auf den fast zwei Meter großen Geheimdienstschef Sargor da Progeron. Zwei Naats und zwei arkonidische Orbtons bildeten den Begleitschutz des Cel'Mascanten. Aurec kam sich nun etwas schutzlos vor, denn sowohl er, Cascal als auch Portland hatten ihr Sicherheitspersonal in dem Raumschiff gelassen. Sie wollten es zuerst auf diplomatischem Wege versuchen.

Die Delegation durchschritt die Säulen der Eingangshalle des Palastes. Vor ihnen lag eine große Halle mit Skulpturen, Gemälden und Hologrammen der Kerkumfamilie. Danach führte sie der Weg eine Treppe hoch in einen großen Saal mit flauschigem, weißschwarz gestreiftem Teppich, einer langen Couchreihe, ausgestopften Tieren, einer Waffensammlung und einer unübersehbaren Bar.

Dort stand der Faschingsdabrifa in einer lindgrünen Phantasieuniform und hielt freudig ein Sturmgewehr in die Höhe.

*

Ein heiseres Lachen verriet die Entzückung von Oberst Kerkum über sein neues Multifunktionsgewehr. Stolz präsentierte er es den Gästen von Terra, Arkon und Phoenix.

Der Oberst in seiner lindgrünen Uniform erklärte detailliert die Waffe. Die Anwesenden schwiegen, während er freudig über den Mehrfachmodus des Sturmgewehrs sprach.

Henry »Flak« Portland repräsentierte die LFT, Joak Cascal die Organisation Camelot, Aurec die Saggittonen und Sargor da Progeron höchstpersönlich das Kristallimperium Arkon. Der untersetzte, zwei Meter große Cel'Mascant der Tu-Ra-Cel musterte Kerkum abfällig.

»Sturmgewehre interessieren mich nicht, Oberst! Wo ist der göttliche Imperator?«

»Und wo steckt Perry Rhodan?«, hakte Cascal nach.

Kerkum breitete die Arme aus und blickte seine Gäste unschuldig an.

»Gott, gesegnet sei er, ist mein Zeuge. Ich weiß es nicht.«

Nun betrat auch eine Frau den Audienzsaal. Sie war in den schwarzen Energieschleier gehüllt. Mehr als die Umrisse der Person war nicht zu erkennen.

»Deaktiviere den Yeshi-Hihab. Es könnte sich auch ein Assassine dahinter verbergen«, forderte da Progeron.

»Das ist nur meine Tochter Yasmin Dorothea Maria el Kerkum. Es wäre Sünde und Strafe, sie vor euren geifernden und lüsternen Blicken bloßzustellen.«

Da Progeron aktivierte das Interkom.

»Mascant Kraschyn, die 18. Raumlandedivision soll sich bereit halten.«

Kerkum blickte den Cel'Mascant misstrauisch an.

Nun setzte sich Sargor da Progeron gelassen auf die breite Couch. Das Leder des Sofas gab unter dem wuchtigen Körper des Zweimetermannes knirschend nach.

»Wenn der Oberst nicht kooperiert, werden wir eben Mashratan besetzen. Also, sag deiner Brut, sie soll sich zu erkennen geben. Wir Arkoniden legen keinen Wert auf barbarische Brauchtümer.«

Yasmin Dorothea Maria el Kerkum deaktivierte das Energiefeld. Zu Tage kam eine schöne, dunkelhäutige Frau mit leuchtenden braungrünen Augen. Sie trug ein braunrotes Kleid mit vielen Schleiern und war mit reichlich Schmuck eingedeckt.

»Schande, wer so etwas verstecken will«, meinte da Progeron in einem Anfall von Heiterkeit. Doch die gute Laune war sehr schnell verflogen, als er sich wieder an Oberst Kerkum wandte.

»Wo ist Bostich? Macht mit Rhodan, was ihr wollt. Ich will meinen Imperator.«

Yasmin Dorothea Maria el Kerkum bat Aurec, Cascal und Portland ebenfalls Platz zu nehmen. Nun setzten sich auch Oberst Kerkum und sein Sohn Ali.

»Wir versichern, dass die mashratische Regierung nichts damit zu tun hat. Vielmehr sieht es doch nach dem Handwerk von Rhodan selbst aus«, meinte der Sohn des Oberst gelassen.

»Heuchler!«, warf Cascal dazwischen. »Wir wissen genau, dass Mashratan mit den Dorgonen und der Mordred alliiert ist. Vermutlich ist Ihr Klan der Drahtzieher der Terrororganisation.«

Kerkum sprang auf und schlug sich auf die Brust.

»Bei der Ehre der Solaren Flotte. Mensch, Cascal, von Soldat zu Soldat.«

»Sie sind kein Soldat. Sie sind eine Witzfigur.«

Aurec räusperte sich laut und legte seine Hand kurz auf Cascals Unterarm. Er stand auf, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Yasmin Dorothea Maria el Kerkum machte ihm schöne Augen. Doch dafür hatte der Saggittone jetzt keine Zeit. Er ignorierte die Tochter Kerkums einfach.

»So kommen wir zu keiner Lösung. Oberst, du…«

Kerkum lümmelte sich inzwischen auf einem breiten Sofa und steckte ungeniert die Hand in die Hose, um seine Edelteile zu kratzen. Aurec musste Cascals Einschätzung recht geben. Nachdem Kerkum fertig war, klatschte er in die Hände. Musik ertönte. Eine mashratische Band betrat den Audienzsaal. Sie spielten auf Flöten und Trommeln. Um sie herum tanzten leicht bekleidete Konkubinen – Sklavinnen, denn einer Mashratin war solch offenherziges Auftreten bekanntermaßen streng verboten.

»Feiern wir den heutigen Tag«, sprach Kerkum und erhob sich wieder. Er schwang die Hüften und umtanzte eine blauhäutige Schönheit mit grünen Haaren.

»Was gibt es bitte heute zu feiern?«, fragte Aurec genervt und drehte sich weg, als eine Sklavin ihn antanzte.

Die beiden Naats stapften unruhig auf ihrer Stelle und blickten fragend zu Sargor da Progeron. Der hochgewachsene Arkonide erhob sich mit regungsloser Mimik.

»Kerkum, du disqualifizierst dich als ernsthafter Gesprächspartner. Es ist besiegelt, arkonidische Sicherheitstruppen werden Mashratan besetzen und durchforsten.« Er wandte sich an Portland, Cascal und Aurec. »Ich rate euch, nicht zu intervenieren, andernfalls sieht das Kristallimperium das als Kriegsakt.«

Portland hob die Hand.

»Wir sollten kooperieren. Sargor da Progeron, du bist ein intelligenter Arkonide. Camelot steckt nicht hinter der Entführung. Gemeinsam finden wir Rhodan und Bostich vermutlich schneller.«

»Mir widerstrebt eine Allianz mit den Terranern.«

Der Arkonide schien mit sich zu ringen. Aurec musterte ihn und verstand erneut nicht diese tiefe Zwietracht unter den Menschen. Arkoniden und Terraner waren Brüder und doch waren sie so weit voneinander entfernt.

»Ich bin Saggittone. Widerstrebt dir auch eine Allianz mit mir?«

Da Progeron verzog die Mundwinkel.

»Selbstverständlich, denn dein Volk ist ein Freund Rhodans. Der verblichene Attakus Orbanashol hatte keine guten Worte über die Terranerfreunde aus Saggittor gefunden.«

»Welch eine Überraschung«, erwiderte Aurec leicht gereizt.

Das ratternde Lachen Kerkums riss Aurec und da Progeron aus ihrer Konversation.

»Herrlich, wie zerstritten alle sind. Nun denn, meine Herren von Terra und Gos'Ranton. Ihr dürft gerne als Gäste auf Mashratan verweilen. Solltet ihr jedoch mit bewaffneten Truppen den Boden berühren, wird euch die glorreiche Solare Armee Mashratans ins Weltall zurückpusten.«

Die Musikanten hörten auf zu spielen und zogen plötzlich Energiestrahler. Die Sklavinnen zückten Messer aus ihren Stiefeln und hielten sie den zwei arkonidischen Orbtons an die Kehle. Ehe die Naats eingriffen, rief Sargor da Progeron sie zurück. Offenbar fürchtete er um sein eigenes Leben.

Der Oberst winkte ab. Er gab ein grunzendes Geräusch von sich, ehe er seine Uniform zurecht rückte und sich von einer Sklavin sein Multifunktionsgewehr überreichen ließ.

Kerkum spuckte auf den Boden.

»Seht euch doch nur an. Eine Schande. Früher haben wir den Meistern der Insel getrotzt, die Uleb bezwungen, die Takerer aus der Galaxis geworfen, den Schwarm überstanden und 120 Jahre lang dem Konzil Widerstand geboten. Und nun? Verweichlicht sind wir alle. Die Arkoniden strecken ihre gierigen Griffel nach einem Sonnensystem nach dem anderen aus, während die LFT aus einem Club selbstverliebter, geldgieriger Traditionshasser besteht. Ohne Perry Rhodans Zellaktivatorträger hätte schon Goedda uns alle vernichtet. Doch Rhodan selbst ist auch schwach. Er spielt nur den Feuerwehrmann, wenn es mal passt. Wir müssen auch ohne Rhodan stark sein. Mit mir, Oberst Ibrahim David Gregor el Kerkum, wird es das nicht mehr geben.«

Kerkum schlug sich auf die Brust. Er nahm die Sonnenbrille ab, damit jeder in seine braunen, entschlossenen Augen blickte.

»Es ist noch Zeit, sich mir anzuschließen. Ich strecke die Hand in Freundschaft aus.«

Er untermauerte diese Aussage, indem er tatsächlich die linke Hand ausstreckte. Doch niemand ergriff sie. Aurec fragte sich, ob Kerkum nun endlich sein wahres Ich zeigte und das aussprach, was jeder bereits vermutete. Dass er der Anführer der Mordred war.

»Die Mordred und die Dorgonen lassen Rhodan und Bostich nicht mehr gehen. Wir müssen uns jetzt verbünden. Mit mir als neuen Großadministrator des Vereinten Imperiums.«

Das hatte Aurec nun nicht erwartet.

»Sie sind völlig verrückt, Oberst Kerkum«, sprach Joak Cascal allen aus der Seele. Doch diplomatisch war das nicht. Der Herrscher von Mashratan wurde wütend. Plötzlich schrie er und prügelte auf die blauhäutige Tänzerin ein.

Aurec griff ein und riss Kerkum zurück. Die Energiegewehre der Wachen richteten sich auf den Saggittonen.

»Wie soll jemand, der wehrlose Frauen verprügelt, Regent über das Imperium der Milchstraße sein?«, fragte Aurec.

Kerkum starrte ihn an. Aurec versuchte den wirren Blick des Wüstendiktators zu interpretieren. Vergeblich. Plötzlich fing Kerkum an zu lachen. Aurec ließ ihn los und ging zwei Schritte zurück.

»Mutig und weise, Saggittone«, sagte Kerkum anerkennend.

»Ich habe nun genug. Meine Geduld ist am Ende!«

Kerkum wedelte mit dem Zeigefinger vor der Nase von Sargor da Progeron.

»Geduld ist auch nicht meine Stärke, edler Cel'Mascant. Folgt mir alle. Ich möchte euch etwas zeigen.«

Kerkum lief die Treppe zum Dach hoch. Dabei übersprang er immer eine Stufe. Er wirkte wie ein kleines Kind, das seinen Eltern oder Freunden das neueste Geschenk zeigen wollte.

Die rote und gelbe Sonne brannten über ihren Köpfen. Die Luft war heiß und stickig. Ein laues Lüftchen wehte, verschaffte jedoch kaum Kühlung. Aurec blickte über das Palastgebäude, sah die Shiftpanzer und unzählige Soldaten. Dahinter lag Vhrataalis, die Hauptstadt Mashratans. Die weißen und ockerfarbenen Wohnsilos sahen von weitem beinahe gleich aus. Zu Aurecs linken erstreckte sich der große Vhratokomplex. Moscheen, Synagogen, Kirchen und Minarette symbolisierten die bekanntesten religiösen Bauwerke der terranischen Geschichte.

»Wendet euren Blick gen Süden«, bat der Oberst ruhig.

Dort befand sich eine Wüste. Doch im nächsten Moment verschwand der Sand in den Tiefen. An seiner statt fuhren mächtige Geschütztürme hoch. Es waren eher kleine Berge. Aurec schätzte den Durchmesser des Sockels einer einzelnen Geschützstellung auf etwa 200 Meter. Darauf befand sich dann die eigentliche Kanone, ein linsenförmiger Multiprojektorkopf von vielleicht 150 Metern Durchmesser und 50 Metern Höhe.

Doch nicht nur im Süden fuhren diese Feueranlagen aus dem Erdreich hervor. Überall stiegen solche Geschütztürme empor. So weit das Auge reichte standen die gigantischen Kanonenstellungen.

»Wir haben 7.000 Transformgeschützstellungen auf Mashratan und 5.000 weitere auf Mashritun 3 und 4«, erklärte Kerkum amüsiert. »Natürlich auch entsprechende Paratronschutzschirme. Wir besitzen zwar keine wahre Flotte, aber hervorragende Abwehrmöglichkeiten. Jedes Transformgeschütz hat eine Sprengkraft zwischen 3.000 und 5.000 Gigatonnen TNT. Die Reichweite beträgt 25 Millionen Kilometer.«

Nun blickte er Sargor da Progeron an.

»Das solltet Ihr in Erwägung ziehen, sofern Ihr immer noch einen Angriff auf Mashratan plant.«

Kerkum wandte sich ab. Er betätigte einen Schalter auf seinem Armband. Unweit von ihnen öffnete sich eine Luke. Eine Vierlingsflak stieg empor.

»Das ist mein Stolz. Ich bin ein Meisterschütze. Schicken Sie doch Ihre Raumschiffe, Cel'Mascant. Wir werden ihnen einen warmen Empfang bereiten.«

Kerkum setzte sich an die Kontrollen. Er stieß einen entzückten Seufzer aus, drehte die Mütze zurück und fuhr die Waffe hoch.

»Übrigens, wir haben natürlich auch Hyperfunkstörsender im ganzen System installiert. Es wird nicht so einfach sein, Verstärkung herbei zu rufen.«

Kerkum lachte noch einmal und feuerte dann mit der FLAK in die Luft. Dabei lachte er nun schrill auf. Wummernd donnerten die Salven in die Luft und detonierten. Aurec blickte seine Begleiter an. Jetzt dämmerte es offenbar jedem. Das Mashritun-System war für die terranischen, camelotischen, saggittonischen und arkonidischen Einheiten zu einer gigantischen Falle geworden.

»Nun, wir gehen dann mal«, meinte Cascal.

Doch die mashratischen Soldaten erhoben sofort die Waffen. Aurec war nun klar, dass sie Gefangene des Oberst waren.

 

3. Geschenk für Kerkum

Rosan Orbanashol-Nordment hasste Mashratan. Sie hatte keine guten Erinnerungen an diesen Planeten mit seiner rückständigen Bevölkerung, die es offenbar auch noch bevorzugte in diesem Dasein zu leben. Als kleines Kind war sie von pädophilien Mashraten zusammen mit Cauthon Despair entführt worden. Es war dem Mausbiber Gucky zu verdanken gewesen, dass sie schadlos dieses Abenteuer überstanden hatte.

Vor knapp einem Jahr war sie auch bei ihrem zweiten Besuch entführt und von den Dorgonen in der Wüste ausgesetzt worden. Mit etwas Diplomatie war es ihr immerhin gelungen, einen moderaten und korrupten Vhratopriester eines Dorfes zu überzeugen, sie nach Vhrataalis zu bringen, wo sie der LFT ausgehändigt worden war.

Nun war sie erneut entführt und befand sich im Palast von Oberst Kerkum.

Rosan befand sich im Frauentrakt. Nur weiblichen Mashratinnen und Sklavinnen war hier der Zutritt gewährt. Allerdings musste Rosan Überlegungen zu einem Ausbruch schnell ad acta legen, denn muskelbepackte Amazonen bewachten ihre Suite. Sie gehörten wohl zu Kerkums Leibgarde.

Zwei Sklavinnen brachten Rosan ein Kleid. Sie betrachtete es. Im Grunde genommen bestand es aus einem Bikini mit Bändern und Schleiern.

Sie war den Stoff auf den Boden.

»Das ziehe ich nicht an. Da bevorzuge ich ja noch eine Yeshi-Hihab.«

»Es wäre unklug, meinen Vater zu provozieren«, sagte eine andere Frau. Sie betrat nun die Gemächer. Rosan erkannte Yasmin Dorothea Maria el Kerkum sofort, auch wenn es mehr als 15 Jahre her war, dass sie die Tochter Kerkums das letzte Mal gesehen hatte. Sie hatte sich kaum verändert und war immer noch eine Schönheit. Aber sie wirkte immer noch so kalt wie früher.

»Ich sterbe sowieso. Was kümmert mich da das Gemüt deines irrsinnigen Erzeugers?«

Yasmin Dorothea Maria el Kerkum holte plötzlich aus und schlug Rosan mit der Handfläche ins Gesicht. Die Halbarkonidin atmete tief durch, ballte die Hand zur Faust und verpasste Kerkum eins auf die Nase. Schreiend purzelte die Mashratin nach hinten und fiel auf den Hosenboden.

»Ich bin kein kleines Kind mehr!«

Die Wachfrauen beobachten das Geschehen argwöhnisch, griffen jedoch nicht ein. Offenbar hielten sie wenig von der Tochter des Despoten. Wütend und weniger würdevoll erhob sich die Kerkum zeternd. Rosan hob die Faust erneut und es wirkte. Die Kerkum machte kehrt und verließ das Quartier.

Das war zwar ein KO-Sieg in der ersten Runde für Rosan, doch sie war noch immer gefangen. Sie ging auf den Balkon. Die Sonnen brannten heiß und grell. Rosan hielt sich die Hand unter die Stirn. Die mächtigen Transformgeschütztürme ragten in die Höhe. Sie ahnte, dass Mashraten damit nichts Gutes im Schilde führten. Und doch keimte sogleich Hoffnung in ihr auf, als ihr klar wurde, dass diese Abwehrstellungen vermutlich nur hochgefahren wurden, um Camelot und die LFT von einem möglichen Angriff abzuhalten. Das bedeutete, dass Wyll, Bull, Aurec und Cascal vermutlich im Mashritun-System waren.

Die Situation erschien doch nicht so ganz aussichtslos zu sein. Allerdings fragte sich Rosan, was Kerkum von ihr wollte. Sie hatte eine unschöne Vorahnung und hoffte, dass ihre Retter rechtzeitig eintreffen würden.

*

Drei Stunden waren vergangen. Rosan hatte darauf verzichtet, es sich bequemer zu machen und ihr Outfit den Temperaturen anzupassen. Darauf wartete Kerkum doch nur. Endlich kamen zwei der Amazonen in ihren Raum und gaben ihr zu verstehen, sie solle mitkommen. Die Halbterranerin hatte das lange Warten satt.

Sie folgte den Wachfrauen. Am Ende des Frauentrakts bekam sie eine Yeshi-Hihab übergeben. Sie legte den Gürtel an und aktivierte das schwarze Energiefeld, welches sie völlig unkenntlich machte.

»Mir fällt eine Last vom Herzen. Die armen mashratischen Männer wären bei meinem Anblick ja völlig verrückt geworden«, scherzte Rosan, doch die Wachfrauen blickten sie nur grimmig an.

»Ihr zwei müsst aber eigentlich keine tragen. Da kommt kein Mann auf dumme Gedanken«, fügte sie schnippisch hinzu.

Die beiden Frauen schwiegen weiterhin. Sie konnte sie wohl nicht provozieren.

Rosan wurde zu den Privatgemächern Kerkums gebracht. Vielmehr direkt in sein Schlafzimmer. Das Bett dominierte den gesamten Raum. Es maß wohl vier mal vier Meter. Ein Tigerfell lag als Decke darauf. Doch Rosan beunruhigten die Utensilien daneben. Ketten hingen von der Decke, an einer Art Pranger hingen fein säuberlich geputzt mehrere Peitschen, Klemmen, Schrauben und Zangen.

Rosan wusste nun mehr über die Vorlieben des Oberst, als es gut tat. Die Wachfrauen versperrten ihr den Weg. Das war zu erwarten. Nun huschte das Anzeichen eines Lächelns über die Lippen der beiden Amazonen. Das war pure Schadenfreude. Rosan zwang sich zu einem Lächeln und setzte sich auf das Bett mit dem Tigerfell.

Wann wohl der große Tiger kommen würde, fragte sie sich. Kerkum ließ nicht lange auf sich warten. Er trug einen braunen Seidenmantel, der jedoch kaum verschlossen war. Seine Brusthaare züngelten aus der Öffnung hervor. Das Haar war wirr. Wie so oft trug er seine Designerbrille. In den Händen hielt er zwei Gläser und einen plophosischen Champagner.

»Hello Kitty«, schnurrte er über die Lippen.

Rosan wurde ganz anders.

»Guten Abend, Oberst Kerkum!«

Kerkum legte sich auf das Bett neben Rosan. Die Halbarkonidin fand heraus, dass er nichts unter seinem Bademantel trug. Auch eine Tatsache, die sie eigentlich nicht wissen wollte. Kerkum füllte die Gläser mit dem teuren Gesöff und gab Rosan ein Glas.

»Ihr seid der perfekte Beweis für die Schönheit beider Völker: Arkoniden und Terraner gehören zusammen.«

»Danke sehr für das Kompliment. Cheers.«

Rosan stieß mit ihm an. Sie musste sich etwas einfallen lassen. Jedenfalls durfte sie nicht aufgeben.

»Lass mich dir meinen mashratischen Bullen zeigen.«

Rosan spuckte den Champagner wieder aus und sprang auf.

»Viel später vielleicht. Sie können mir jetzt nicht erklären, wieso mich die Mordred an Sie ausgeliefert hat?«

Kerkum lachte und fuhr mit einem Finger über das Tigerfell.

»Ich mag weiche Pussys.«

Rosan verdrehte die Augen. So ein Spruch musste ja kommen. Rosan sah sich im Raum um. Sie seufzte. Dann fixierte sie mit ihren feuerroten Augen die Flasche Champagner. Sie ging zurück zum Bett, warf das Glas weg und nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche. Das brauchte sie jetzt auch.

»Also gut, Ihr macht mich ganz scharf, Oberst. Soviel männliche Autorität.«

Sie packte seine Hände und drückte sie an ihre Brüste. Kerkum grunzte verzückt und fing an, daran zu kneten. Im nächsten Moment schubste Rosan ihn weg.

Kerkum blickte sie verwundert an.

»Hast du dir das auch verdient? Haben wir uns das verdient oder müssen wir erst vorm großen Vhrato gezüchtigt werden.«

Rosan öffnete ihre Uniform ein wenig und brachte ihre Brüste etwas mehr zur Geltung. Kerkum gab weitere Brunftgeräusche von sich. Rosan schlenderte so erotisch wie es ging zum Pranger. Mit unschuldiger Geste nahm sie eine Peitsche und leckte daran. Kerkum hüpfte gluckernd vom Bett auf. Langsam ging er auf Rosan zu. Dann hielt er inne. Er blickte zu den Wachfrauen und machte eine abfällige Geste.

»Verschwindet!«

»Oh, Oberst. Ihr habt mich erobert. Mein Leben liegt in euren Händen. Ich bin Ihre willige Sklavin.«

Sie presste sich an ihn und schleckte mit der Zunge über sein beharrtes Gesicht. Sie unterdrückte den kalten Schauer, der ihr dabei über den Rücken fuhr.

»Soll ich dir etwas verraten? Jede Frau träumt davon, von einem sexy Schurken vernascht zu werden.«

Kerkum lachte. Er nahm eine der Peitschen und prüfte die Festigkeit. Rosan drückte Kerkum sanft herum und rieb sich an ihm. Sie spürte seinen Bullen und musste sich zusammen reißen. Sie stieg auf die Fußstützen des Prangers. Sein Gesicht war nun an ihrer Brust. Die schlabberige Zunge an ihrem Busen. Rosan stöhnte auf, legte seine Arme langsam hoch, hielt seine Hände hoch.

»Oh ja«, hauchte sie.

Dann hatte sie die Fesseln erreicht und legte sie um Kerkums Handgelenke. So schnell es ging sprang sie runter, nahm ein weiteres Utensil seiner Liebesspiele und stopfte es ihm in den Mund. Kerkum rüttelte an den Ketten, doch die Fesseln saßen fest. Sie nahm den Gürtel seines Morgenmantels und band ihn um seinen Mund, damit er die kleine Kugel nicht ausspucken konnte. Dann griff sie nach einem Tuch und wischte sich seinen Speichel von dem Busen. Wieder überkam sie ein kalter Schauer. Sie zog die Kombination wieder hoch und suchte nach brauchbaren Waffen. Sie fand in der Kommode gegenüber einen Nadlerstrahler.

Nun wandte sie sich an den Oberst.

»Tja, sieht so aus als wäre die Fütterungszeit für dein mashratisches Kälbchen ausgefallen.«

Rosan aktivierte den Türöffner. Die Wachfrauen waren zu ihrer Erleichterung weg. Sie aktivierte den Yeshi-Hihab und war vorerst dem illustren Kerkum entkommen. Doch wo sollte sie jetzt hin?

 

4. Vhratopriester

Homer G. Adams war mit dem Verlauf ihrer geheimen Mission zufrieden. Die beiden TLD-Agenten Stewart Landry und Will Dean hatten ihren verwegenen Plan durchgesetzt. Mit einem improvisierten Tarnfeld war der Gleiter aus dem Kugelraumer gestartet, während sich dieser auf dem Landeanflug auf Vhrataalis befunden hatte. Der Gleiter selbst machte von Außen nicht viel her, um nicht aufzufallen. So waren die drei Terraner unbemerkt auf Mashratan gelandet und steuerten ihr Ziel in der Einöde der Wüstenlandschaft an.

Karge, ockerfarbige Felsen reihten sich in der schroffen Wüste aneinander. Hier und da waren verdorrte Büsche und Bäume zu sehen. Ansonsten passierten sie keine Oase, keine Siedlung und bekamen nicht einmal einen der gigantischen Wüstenskorpione zu sehen.

Nach endlosen vier Stunden – sie flogen mit gedrosselter Geschwindigkeit, um nicht aufzufallen – erreichten sie das abgelegene Hauptdorf der Provinz. Adams musste sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass dieser Planet seit dem 22. Jahrhundert besiedelt war. Nichts deutete in diesen entlegenen Regionen darauf hin. Die Mashraten lebten teilweise noch wie zu Zeit vor Perry Rhodan.

Sie deaktivierten das Tarnfeld, vermummten sich und fuhren langsam den Weg zum Tempel des Vhrato hin. Bisher verlief alles nach Plan. Adams, Landry und Dean stiegen aus. Als sie die Pforte zum Tempel überschritten, legten sie die mashratischen Kleider ab. Landry und Dean sahen sich misstrauisch um, während Adams Blick auf dem Vorsteher ruhte.

»Bringe uns zum Priester«, forderte Adams und drückte dem Mann ein paar Galax in die Hand. Das wirkte. Er eilte in die Kapelle und als er wieder kam, winkte er die drei herbei.

Sie betraten das Gotteshaus. Dort erwartete sie der Vhratopriester. Der Vorsteher stellte ihn als Mahmud Benjamin del Concetti vor. Concetti trug ein weiß-rotes Gewand. Sein grobes Gesicht in dunklem Teint war von einem grauen, langen Bart bedeckt. Auf dem Kopf trug er eine Art Häkelmütze.

»Grüß Gott«, meinte Will Dean.

Adams räusperte sich.

»Segen über Gott und seine Kinder«, sprach Concetti. »Was vermag ich für euch zu tun, Fremde?«

»Schöne Grüße vom Kardinal von Terrania City. Er bedankt sich für deine Hilfe vor einigen Monaten, als du Rosan Orbanashol-Nordment gehen ließest.«

Ein feines Lächeln umspielte die trockenen Lippen des Priesters.

»Gott hat es mit Galax vergolten.«

»Wohl eher ich«, meinte Adams, der das Geld für den Bau einer neuen Kapelle zur Verfügung stellte, wie Rosan es einst mit Concetti ausgehandelt hatte, um nach Vhrataalis gebracht zu werden. Adams sah sich um. »Wann wird denn mit dem Bau begonnen?«

»Oh, schon bald, schon bald«, meinte Concetti, der sich das Geld vermutlich in die eigene Tasche gesteckt hatte.

»Nun denn, du sagtest zu Miss Orbanashol-Nordment, dass Mashratan Erleuchtung brauche. Wir sehen das genauso«, sagte Adams. »Wir wünschen die drei Hohepriester zu sprechen.«

Concetti faltete die Hände vor seinen dicken Bauch.

»Das ist schwierig. Ihr seid Fremde, ja vermutlich sogar Ungläubige.«

»Ich wurde getauft«, stellte Landry nüchtern fest.

»Ja, ich hatte auch Kommunion während des Opferfestes«, meinte Dean.

»Du verwechselst da etwas«, korrigierte Landry.

Dean winkte ab.

Adams zückte ein paar Geldkarten aus seiner Tasche.

»Macht uns das zu Gläubigen?«

Der Vhratopriester begutachtete die Geldkarten. Auf jeder der fünf Karten waren eine Million Galax gespeichert.

»Die Erleichterung um irdisches Hab und Gut bringt euch Gott einen Schritt näher«, sprach Mahmud Benjamin del Concetti. »Ich werde eine Audienz bei den drei Heiligen vereinbaren. Doch verratet mir, zu welchem Zweck?«

»Wir wollen euch retten«, sagte Landry knapp.

Del Concetti lachte laut.

»Ihr uns? Wie kommt ihr zu dieser lächerlichen Idee?«

»Seht die Nachrichten, blickt in den Himmel. Ein Krieg steht bevor. Einen Krieg den Mashratan nur verlieren kann.«

Del Concetti wusste nicht, worauf Landry hinaus wollte. Adams erinnerte seine Begleiter daran, dass die Kommunikation auf Mashratan langsamer verlief. Vermutlich wusste der Hohepriester gar nichts davon. Adams klärte ihn jedoch rasch auf.

»Unser Oberst arbeitet mit Terroristen zusammen? Er versündigt sich gegen Gott, gesegnet sei der Herr! Ja, Mashratan braucht Erleuchtung. Ich werde euch begleiten. Wir brechen sofort auf!«

 

5. Die Schöne und das Biest

Ich analysierte die Stärke der potenziellen Feinde. 23 Raumschiffe aus Camelot, 33 Kreuzer der Liga Freier Terraner, 12 saggittonische Scheibenraumschiffe und dazu 158 arkonidische Schlachtschiffe. Die gefährlichsten Schiffe waren die SAGRITON, die zwei Raumer der ZHYM'RANTON-Klasse und die TAKVORIAN. Die Terraner wiesen zehn Raumschiffe der 500 Meter ODIN-Klasse, zehn 200-Meter-Raumer der PROTOS-Klasse und zehn 100-Meter-Kreuzer der CERES-Klasse auf. Armselig für die LFT. Camelot war auch nicht viel besser. Zehn Schiffe der 500 Meter durchmessenden ODIN-Klasse und neun Kreuzer der 200-Meter-Klasse INVINCIBLE. Die Saggittonen boten neben der mächtigen SAGRITON immerhin elf weitere charakteristische Scheibenraumschiffe mit 1.200 Metern Durchmesser auf. Die Arkoniden waren quantitativ und qualitativ am stärksten vertreten. Zwei Raumschiffe der ZHYM'RANTON-Klasse, mit 1.500 Metern Durchmesser die größten Kugelraumer in der Milchstraße – neben der VERDUN. 26 KOBAN-Schlachtkreuzer mit 800 Metern Durchmesser, 50 Schiffe der TERMON-Klasse mit 500 Metern und 30 Kreuzer der DOR-KATI-Klasse. Doch insgesamt war die kleine Flotte unterlegen. Dank der 12.000 Transformgeschütze waren wir überlegen. Der feindliche Verband kam mit allen Beibooten bestenfalls auf 7.000 Transformgeschütze mit weniger Reichweite und Sprengkraft.

Die Geschützstellungen waren neben Mashratan auch auf den Nachbarwelten Mashritun 3 und Mashritun 4 stationiert. Das erschwerte den feindlichen Verbänden ein Manöver. Ihr einziger Ausweichpunkt war in den Leerraum.

Die VERDUN wartete noch am Rand des Sonnensystems auf die Ankunft des dorgonischen Adlerraumschiffes HESOPHIA. Erst dann würden wir uns Mashratan auf 10 Millionen Kilometer nähern und wären damit im Schutz der Transformgeschützstellungen.

Die VERDUN war stark genug, um mit einem Großteil der Raumschiffe auch allein fertig zu werden. Allerdings durfte ich die Kampfkraft der SAGRITON und ZHYM'RANTON nicht unterschätzen. Ich wandte den Blick von den Kontrollen ab. Wirsal Cell saß in seiner Schaltkontrollzentrale und beobachtete ebenfalls die Bewegungen der feindlichen Raumschiffe. Perry Rhodan und Sanna Breen saßen schweigend auf den Formenergiestühlen und starrten vor sich hin.

Cell missachtete sie einfach. Mein alter Mentor und Freund Wirsal Cell war also Rhifa Hun. Er war schon Chef der Mordred gewesen, als er mein Ausbilder gewesen war. Cell hatte immer wieder betont, dass er mich sowieso für die Mordred rekrutieren wollte.

Ich fragte mich, ob er mich damals nicht gegen Perry Rhodan aufgehetzt hatte? Immerhin war er es gewesen, der mir von dem geheimnisvollen Mord an meinen Eltern erzählt hatte. Als Chefausbilder der Raumakademie hätte er vielleicht auch Zantra überzeugen können, auf Camelot zu bleiben. Und wieso hatte er mir künstliche Körperteile und Knochen implantieren lassen, statt einen Heilprozess mit Zellplasma einzuleiten? Noch immer schmerzte mein Körper, denn das neue Gewebe und das Terkonitknochengerüst verliehen mir zwar Stärke, doch sie bereiteten mir auch Schmerzen und Unwohlsein. Mein Gesicht war entstellt und die Ärzte schienen alles andere wichtiger zu finden, als mir wieder ein normales Aussehen zu verleihen. Ich konnte auch schlecht zu einem Mediziner auf Terra oder Arkon gehen. Ich war auf die Mediziner der Mordred angewiesen, die mir immer wieder mit Bedauern erklärten, es würden ohnehin Narben und Wunden zurückbleiben, da man immer wieder neu operieren müsste. Entsprach dies der Wahrheit?

Sanna Breen kam zu mir. Wirsal Cell beachtete sie nicht. Er war damit beschäftigt, beschäftigt zu wirken, um Rhodan wie einen dummen Schuljungen aussehen zu lassen.

»Das ist also der große Sieg der Mordred. Was folgt nun? Werden wir alle hingerichtet?«

»Möglich«, antwortete ich und vermied es, in die smaragdgrünen Augen der Terranerin zu blicken.

»Und dann befreit die Mordred die Galaxis von allem unwerten Leben, meuchelt mal schnell ein paar Billionen Wesen, damit nur noch die waschechten Terraner deinem neuen Halbgott Wirsal Cell folgen?«

Ich atmete tief durch und dachte an die zwei Milliarden Opfer auf Sverigor. Und auch an die vielen gefallenen Cameloter in den Büros. Ihr Blut klebte an meinen Händen. Wofür? Damit Wirsal Cell und Oberst Kerkum über die Galaxis herrschen konnten? Sie waren keine würdigen Regenten. Die Aussicht eine Kolonie des fernen Sternenreiches Dorgon zu werden, stimmte mich auch nicht froh.

Ob die Cameloter noch in Besitz der Konstruktionspläne und des codierten Hyperfunksignals der VERDUN waren? Wenn ja, so genügte eine Information von mir, um die VERDUN zu stoppen. Dabei war sie ein so schönes, mächtiges Raumschiff. Ja, sie hatte es verdient, in einem Atemzug mit der CREST und der MARCO POLO genannt zu werden.

Ihre Besatzung arbeitete hervorragend und gewissenhaft. Doch folgten wir alle dem falschen Propheten? Seit Monaten plagte ich mich mit diesen Fragen herum.

»Offenbar willst du mir nicht antworten«, flüsterte Sanna Breen enttäuscht.

»Die Antwort wird dir nicht gefallen.«

Sie kniff die Augen zusammen und sah mich wütend an. Ein Anblick der mich das fürchten lehrte. Zumindest für einen kurzen Moment. Doch was sollte ich ihr sagen? Was verlangte Sanna Breen von mir, diese Profilerin der LFT, die meinte, mich bekehren zu müssen. Vermutlich hatte sie sich doch nur einen Karrieresprung erhofft, wenn sie den Psychopathen Despair zur Strecke bringen würde.

»Ich bin ein großes Mädchen. Ich vertrage die Wahrheit. Ich habe doch recht, der Zausel da hinten und der irre Oberst gründen ein neues Imperium. Wie lange hält das wohl?«

Sanna sprach immer noch leise. Sie wollte wohl nicht, dass Wirsal Cell etwas mitbekam. Die Terranerin war nicht nur wunderschön, sie war auch hoch intelligent.

»Ich…«

Mehr brachte ich nicht hervor. Ich tippte wahllos auf dem Display herum, damit ich den Eindruck erweckte, ich tat etwas.

»Du startest eine Applikation und beendest sie wieder. Sehr sinnvoll«, kommentierte Sanna. Ihre Miene erhellte sich wieder.

»Was ist dein Lieblingsessen?«

»Was?«, stieß ich hervor.

Wie kam sie in dieser Situation jetzt auf so eine Frage?

»Nun komm schon, raus damit. Ich liebe Spaghetti Bolognese mit reichlich geriebenem Käse. Und du?«

Ich war völlig perplex, denn genau das war auch meine Leibspeise. Doch vermutlich wusste sie das als Profilerin. So antwortete ich: »Katzenhirngulasch.«

Sanna lachte los.

»Touché! Doch im Ernst, ich habe Hunger und zufällig liebe ich Spaghetti wirklich. Also, ist der Todgeweihten noch eine Henkersmahlzeit vergönnt?«

Ich blickte zu Wirsal Cell hinüber. Der hob seinen Kopf und sah mich mitleidig an.

»Ich habe jedes Wort mitgehört. Im gesamten Raum befinden sich Abhöreinrichtungen. Gewähren Sie Miss Breen doch ihren Wunsch, Cauthon.«

Ich war überrascht. Sanna hakte sich bei meinem Arm ein. Ich war nun noch irritierter. Sanft löste sie sich wieder von mir. Wir gingen zum Antigrav.

»Ach ja«, warf Cell noch ein. »Genießen Sie das Mahl, Miss Breen. Im Anschluss wird Cauthon Sie wieder hierher bringen und mit seinem Schwert enthaupten. Bon Appetit!«

*

Sanna Breen stocherte in ihren Spaghetti herum und vermischte sie immer wieder mit der Bolognese-Soße und dem Käse. Sie wickelte ein paar Spaghetti um die Gabel und reichte sie mir.

»Auch einen Happen?«

»Dazu müsste ich meinen Helm abnehmen. Das werde ich nicht tun. Mein Angesicht würde dich abschrecken.«

Sie warf die Gabel wieder ins Essen.

»Schlimmer als Alaska Saedelaere früher kann es wohl nicht sein.«

»Nein, aber ich werde nicht in einer öffentlichen Kantine meinen Helm abnehmen. Ich bin eine Respektsperson für die Soldaten der Mordred.«

»Gehen wir in deine Kabine und zeige mir dein Gesicht.«

»Nein, Sanna! Nun iss deine Spaghetti.«

»Damit du mich nachher köpfen kannst?«

Das konnte ich nicht tun. Doch was würde Rhifa Hun… Wirsal Cell dazu sagen? Es war mir gleich. Sanna Breen faszinierte mich. Ihre Direktheit, ihre Offenheit und die Aufmerksamkeit, die sie mir zeigte, berührten mich.

»Wir werden sehen.«

Sannas Augen funkelten seltsam. Ich konnte ihren Blick nicht deuten. War das Hoffnung oder gar der Anflug von Bestätigung. Sie schien damit zu rechnen, dass ich sie nicht einen Kopf kürzer machen würde. Woher nahm sie diese Gewissheit.

»Das Essen schmeckt ein wenig besser. Die Wunden in deinem Gesicht und an deinem Körper könnten doch geheilt werden. Wieso… geißelst du dich selbst damit? Gefällst du dir in der Rolle des Silbernen Ritters mit der Maske?«

»Du bist nicht meine Psychiaterin«, erwiderte ich schroff.

»Aber eine Freundin.«

»Ich habe keine Freunde.«

»Nicht mal Kerkum und Cell?«

Sanna Breen war schlagfertig. Doch sie lockte mich damit nicht aus der Reserve. Wieso wollte sie meine Freundin sein? Doch nur, um meine Schwächen ausnutzen. Dabei musste sie nicht einmal mehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Mehr und mehr zweifelte ich an der Kompetenz von Wirsal Cell. Möglich, dass wir heute einen Sieg davon tragen werden. Doch dann waren wir den Dorgonen ausgeliefert. Wir würden nicht frei sein. Sie würden uns überrennen. Womit sollten wir uns denn verteidigen? Mit Kerkums großen Worten?

Hätte ich nicht vorher daran denken sollen? Vermutlich, aber ich war vom Hass verblendet. Außerdem hatte Cell immer wieder die Pläne geändert. Zuerst sollten die Dorgonen unsere Alliierten sein, nun unsere Besatzer. Die Vernichtung Sverigors war auf seinen Befehl hin geschehen. All diese Planänderungen.

Sanna nuckelte an einer Ladung der Nudeln und beobachtete mich eindringlich, wie ich mit gesenktem Kopf auf den Tisch starrte. Zumindest musste sie das vermuten.

»Ob deine Eltern die Mordred gut heißen würden?«

Ich verkrampfte innerlich. Alles zog sich zusammen. Wie konnte sie es wagen über meine Eltern zu sprechen?

»Sie sind tot.«

»Das stimmt. Und es tut mir für sie und für dich leid. Aus dir wäre ein ganz anderer Mensch geworden.«

»Ein bedeutungsloser Raumfahrer oder Wissenschaftler im Dienste von Camelot.«

»Vielleicht auch ein Held, ein neuer Stern am Horizont der Galaxis.«

»Spar dir deine Einschmeichelungen, Sanna Breen!«

»Es gibt immer wieder Zeiten, in denen Chaos regiert, Wesen mit extremen Ideologien Kriege schüren und die Gesellschaft der Milchstraße auf den Abgrund driftet. Wir leben in so einer Epoche und ich bin froh, dass meine Familie und ich Camelot zugehörig sind. Denn der Weg Perry Rhodans ist weise und gerecht gewählt«, sagte Sanna.

»Du bist keine Cameloterin«, erwiderte ich genervt.

»Der Spruch ist nicht von mir.«

»Sondern?«

»Von Ivan Despair im Jahre 1261 NGZ.«

Von meinem Vater? Sanna Breen hatte wahrlich ihre Hausaufgaben gemacht. Ich schloss die Augen, atmete tief durch. Dann erhob ich mich.

»Seine Treue hat ihn in den Tod geführt«, antwortete ich. »Nun steh auf. Eine Hinrichtung wartet auf dich.«

Sanna erhob sich ohne Widerworte. Wir verließen unter den ängstlichen und neugierigen Blicken der Soldaten die Kantine. Kurz bevor wir in den Antigrav stiegen, sagte Breen: »Wohin wird deine Nibelungentreue dich führen?«

*

Ich war verunsichert. Es war ein Gefühl, welches ich lange verdrängt hatte, da es mich an meine verweichlichte Zeit als Kind erinnerte. Als junger Spund hatte ich nur geweint und mich schikanieren lassen. Als Raumfahrtkadett hatte ich Tränen über die nicht erwiderte Liebe zu dieser Zantra Solynger vergossen.

Doch seitdem ich der Silberne Ritter war, existierten diese Gefühle für mich nicht mehr. Bis heute. Das wurde mir schmerzlich bewusst. Den Zweifel trug ich seit Sverigor in mir – doch die Verunsicherung war heute erst richtig zu Tage getreten. Eine ängstliche Verunsicherung, Furcht davor, einen Fehler zu begehen, verunsichert darüber, welche Entscheidungen ich treffen sollte.

»Du bist nicht das Ungeheuer. Du bist Cauthon Despair, Sohn von Ivan und Selina Despair. Eltern, die dich liebten und viel zu früh starben. Doch es ist nicht zu spät. Sage dich von Cell los«, sprach Breen eindringlich.

Bevor ich antwortete, erreichten wir das Deck. Wachen nahmen uns in Empfang und eskortierten uns den Korridor entlang zum Kommandoraum Wirsal Cells.

Dieser blickte uns an.

»Ah, ich hoffe, es hat Ihnen gemundet, Miss Breen. Mit vollem Magen stirbt es sich besser, so sagt man.«

Cell zuckte mit den Schultern und kicherte.

»Ich werde es nicht erfahren. Aber Sie schon.«

Wir gingen zum Pult. Perry Rhodan stand auf, doch sofort stellten sich zwei Soldaten neben ihn. Einer richtete einen Nadlerstrahler auf Rhodan.

Sanna stand nun vor dem Pult, hinter dem Wirsal Cell thronte. Ich stellte mich neben die Terranerin.

»Walte deines Amtes, Henker von Camelot!«

Ich musste nicht lange überlegen.

»Nein!«

»Achso«, murmelte Wirsal Cell und tippte mit den Fingern auf der Konsole. »Sie hat dich also bezirzt, dir den Kopf verdreht.« Cell untermalte seine Worte mit einer Geste, indem er den Finger in Kopfnähe im Kreis drehte.

»Das war zu erwarten gewesen. Ich wusste es die ganze Zeit, dass du sie nicht umbringen kannst. Du bist immer noch der Jammerlappen von der Raumfahrtakademie.«

Das saß! Ich war kein Jammerlappen. Ich wurde wütend. Doch Cell wollte mich nur provozieren.

Nun äffte er mich wohl auch noch nach. Mit weinerlicher Stimme rief er: »Wo ist meine Zantra? Ich kann ohne sie nicht leben. Wieso ist Perry so gemein zu mir. Niemand hat mich lieb!«

Sollte ich ihn töten? Nein, ich ließ die Demütigung über mich ergehen. Im Grunde genommen lag Cell sogar richtig. Ich versagte jetzt. Sanna Breen war eine Feindin der Mordred. Aber ich konnte sie nicht töten.

In diesem Moment betrat Admiral Kenneth Kolley die Zentral Rhifa Huns. Der Admiral salutierte.

»Rhifa Hun, die HESOPHIA ist da.«

»Nun gut. Wir verschieben Ihre Hinrichtung, Miss Breen. Despair, machen Sie sich nützlich und zählen die Transformgeschütze. Ich habe derzeit keine Verwendung für Sie.«

Wie bitte? Was sagte er da? Er behandelte mich wie den letzten Volltrottel. Das durfte er sich nicht anmaßen. Cell las irgendetwas auf einem Monitor. Ich wartete. Dann seufzte er.

»Puh, kommt euch das auch so voll hier vor?«

Ich verstand. Zusammen mit Admiral Kolley, dem es anzusehen war, dass es ihm schrecklich peinlich war, verließ ich Cells Kommandozentrale.

»Admiral, begeben wir uns in die echte Kommandozentrale. Wir müssen die bevorstehende Schlacht koordinieren.«

Mehr blieb mir nicht zu tun. Vielleicht wurde ich wenigstens dort gebraucht.

 

6. HESOPHIA

Die beiden wohlgeformten, künstlichen Hügel erhoben sich gleichmäßig mit dem Atem der betörenden Dorgonin Leslezia. Jan Scorbit betrachtete die schlafende Konkubine Seamus. Das Narkosemittel wirkte noch immer und es war das Beste für die Dame. Jan empfand in diesem Moment das tiefe Gefühl von Zufriedenheit.

»Wie lange willst du noch auf ihre Brüste starren?«, fragte Gucky keck und stupste Scorbit an. Dieser räusperte sich nur und wandte sich ab. Er ging zurück in den Wohnbereich und überprüfte die Verbindung zwischen seiner tragbaren Positronik und dem Rechner Leslezias. Bedauerlicherweise war es ihm nicht gelungen, in das Raumschiffnetzwerk einzudringen. Die Dorgonin hatte keine Berechtigung dazu. So blieben ihnen nur jene Daten auf ihrem Rechner.

Während der Kopiervorgang noch lief, stöberte Jan in den Ordnern und Dateien Leslezias. Rezepte, ausführliche Abhandlungen über Pediküre und Maniküre, Datenblätter über Bäder, Körperpflege, Frisuren, Schuhe, Kleider und all solche Dinge.

»Wir haben das Mashritun-System erreicht«, sagte Gucky, der vermutlich die Gedanken eines Offiziers und gar Seamus gelesen hatte. Der Ilt lag nun auch gemütlich auf dem Sofa, die Füßchen auf dem Tisch. »Ahhh«, machte er nur.

»Was?«

»Perry und die anderen befinden sich auf der VERDUN. Wie vermutet, die Mordred steckt dahinter. Die HESOPHIA trifft sich mit der VERDUN.«

»Kannst du Perry und die anderen nicht einfach rausteleportieren?«

»Ne«, machte Gucky und winkte ab. »Die haben bestimmt Parafallen. Im Gegensatz zu den Dorgonen kennt Despair meinen Ruf.«

Jan schwieg und konzentrierte sich wieder auf die Daten. Er hatte schon einiges über die dorgonische Zivilisation in Erfahrung gebracht. Sie erinnerte ihn frappierend an das alte Römische Imperium aus der Antike. Wäre Rom niemals untergegangen und hätte die Raumfahrt entdeckt, vermutlich wären die Terraner heute wie die Dorgonen. Doch es gab auch Hinweise auf eine Verbindung mit den altägyptischen Göttern. Denise Joorn würde ihre Freude über die paar Erkenntnisse haben. Es waren hauptsächlich Namen und Begriffe einer eher in Vergessenheit geratenen Religion von Göttern aus der Galaxis Chepri. Zwei jedoch wiesen starke Ähnlichkeit mit den auf Terra bekannten Gottheiten Horus und Anubis auf. Der Hauptgott der Dorgonen schien der gleichnamige DORGON zu sein, der wohl einst den Dorgonen den Weg ins All gewiesen hatte.

Allerdings bekam er keine Informationen über die HESOPHIA. Nur ein Lageplan gab ihnen Hinweise, wo sich welche Einrichtungen befanden. Denn diese waren mit dem Vermerk versehen: Zutritt verboten. Gucky prägte sich die Karte ein. Der Mausbiber musste wissen, wohin er teleportieren sollte.

»Also gut, wir gehen auf Sightseeingtour«, sagte Gucky, packte die Hand von Jan Scorbit, der eilig seine Positronik umklammerte, dann befanden sie sich bereits ganz woanders auf der HESOPHIA.

Zuerst starrte Jan auf eine rotbraune Wand aus einer ihm unbekannten Metalllegierung. Er drehte sich um. Sie befanden sich in einem verzweigten Raum mit jeder Menge Rohren und Leitungen.

»Und?«, fragte Gucky gespannt.

Jan zuckte mit den Schultern.

»Keine Ahnung. Das kann ein Knotenpunkt für Energieleitungen sein. Können genauso gut die Abwasserleitungen sein.«

»Meine feine Nase sagt mir, dass das ausgeschlossen ist.«

Jan aktivierte die Positronik. Vielleicht konnte das Analyseprogramm ihnen aufschlussreiche Hinweise liefern. Scorbit verzichtete auf eine Syntronik. Das war ihm viel zu unsicher, denn die Ablagerung im Hyperraum hätte wohlmöglich von den Dorgonen messbar sein können. Auch war das Risiko höher, die Verbindung zu unterbrechen, als bei einem geschlossenen Rechnersystem.

»Die sekundäre Energieversorgung verläuft hier… und… das Abwasser, verläuft durch diese Rohre. Es fließt in ein Sammelbecken knapp hundert Meter von hier und wird anschließend recycelt.«

Jan betonte die Worte mit gewisser Heiterkeit. Gucky schwieg und war offenbar eingeschnappt. Er zeigte den Lageplan über sein Pikopad an. Dann schaltete er ihn aus.

»Die IVANHOE hat das System erreicht. Und auf Mashratan sitzen Aurec, Cascal, Rosan und Henry Portland fest, während Homer mit zwei TLD-Agenten versucht, die Vhratopriester zu bestechen. Oh und Oberst Kerkum hängt am SM-Pranger. Nun ja…«

Jan war irritiert über diese ganzen Informationen.

»Was ist mit der VERDUN?«

»Da kann ich nicht viel lesen. Nur Fetzen. Einige Mordred-Agenten sind mentalstabilisiert. Despair natürlich auch. Außerdem setzen sie Parablocker ein. Sagte ja, die sind besser vorbereitet.«

Der Mausbiber seufzte und schien sich über seinen eigenen Misserfolg am meisten zu ärgern. Jan kam eine Idee: »Bei den Dorgonen scheint das nicht der Fall zu sein. Am besten, du stöberst noch etwas in deren Gedanken und so findest du schon heraus, wo sich die Hauptenergieversorgung befindet.«

Gucky blickte den Terraner mit seinen großen, braunen Augen an und lächelte. Dabei blitzte der große, weiße Nagezahn auf. Gucky tätschelte Jan am Bauch.

»Manchmal hast du ja auch gute Ideen. Wir kehren zurück in das Zimmer der kleinen Schnecke. Seamus wird sich jetzt auf die VERDUN begeben. Mit etwas Glück bringt er Rhodan und die anderen hierher, dann können wir losschlagen.«

Gucky nahm Jan bei der Hand, ehe er etwas erwiderte. Nach einem kurzen »Plopp« befanden sie sich wieder in Leslezias Kabine.

»Und wie sollen wir zuschlagen? Gut, wir könnten die Energieversorgung kappen und damit Verwirrung stiften. Aber wir sind keine Armee«, warf Jan nun ein.

»Pah«, machte Gucky nur und streckte die Brust raus. »Ich bin der Alleszugleichtöter, der Retter des Universums, der Big Boss Ilt, der beste Mohrrübeneintopfkoch des Multiversums. Mir fällt schon was ein.«

Jan setzte sich seufzend auf das Sofa.

»Hoffentlich…«

 

8. Das Treffen

Nachdem ich die Vorkehrungen für den Beginn der Schlacht im Mashritun-System getroffen hatte, kehrte ich zum »Zentrum der Macht« zurück. Zuvor nahm ich den dorgonischen Legaten Seamus in Empfang, der mit einem Dutzend Prettosgardisten aus dem Transmittertorbogen schritt. Die Prettosgardisten waren wohl die gefährlichste Eliteeinheit der Dorgonen. Sie waren die Leibgarde des Kaisers und seiner wichtigsten Politiker. Admiral Kolley informierte mich, ehe ich Seamus begrüßte, dass Bostich zu Cell gebracht wurde. Vermutlich wollte der Dorgone seine Beute begutachten. Seamus war von mittlerer Statur. Er war in eine rote Toga gehüllt, doch unter dem Gewand schimmerte ein goldener Brustpanzer. Er öffnete die Toga und funktionierte sie zu einem Umhang um. In der rotgoldenen Uniform machte er auch mehr her, als in dem Morgenmantel. An der Brust erkannte ich den Domadler, jenes Symbol, welches wie eine Mischung aus einem Flugsaurier und einem Adler aussah. Sein dunkles, drahtiges Haar trug er kurz. Seine braunen Augen funkelten, als er mich erblickte.

»Ah, der edle Ritter im schimmernden Silber. Sei gegrüßt, Cauthon Despair.«

»Legat Seamus, Rhifa Hun erwartet dich bereits.«

Seamus lachte knapp.

»Lassen wir die Geheimnistuerei. Ich kenne die Identität Rhifa Huns vom ersten Tag an. Schließlich hat er mit mir verhandelt. Ich vermute, er hat sich auch den Gefangenen zu erkennen gegeben?«

»Das ist korrekt«, sagte ich.

»Wohl an, führe mich zu deinem Meister.«

*

Henry Portland blickte schweigend auf den Raumhafen. Der terranische und arkonidische Raumer hatten einen Schutzschirm um sich gespannt. Um sie herum standen mashratische Artillerie und Soldaten. Doch Kerkum hatte das Feuer nicht eröffnet. Das wäre auch nicht ratsam gewesen, denn die beiden Kreuzer besaßen genügend Feuerkraft, um den ganzen Palast zu vernichten. Es war eine Pattsituation.

Donnernd sprangen die altmodischen Türen, die noch richtig mit Scharnieren an der Wand befestigt waren und manuell geöffnet werden mussten, auf und klatschten an die Wand. Oberst Ibrahim Gregor David el Kerkum war offenbar in schlechter Laune. Aurec, Cascal, Portland und da Progeron blickten den Wüstendiktator erwartungsvoll an. Dieser schnaufte kurz, ballte die Fäuste und gewann langsam wieder seine Fassung.

»Stimmt was nicht?«, wollte Aurec wissen.

Kerkum hob den Arm.

»Bei Gott, gesegnet sei er, gelobe ich, dieses Weibsbild Rosan Orbanashol-Nordment grausam und langsam hinzurichten.«

Rosan befand sich demnach auf Mashratan. Das bedeutete im Umkehrschluss, dass Kerkum an der Entführung beteiligt gewesen war. Kerkum eilte nun schnurstracks auf die Bar zu, griff entschlossen zu einer Flasche Vurguzz und füllte das grüne Raumfahrergetränk mit dem hohen Alkoholanteil in ein breites Glas. Er drehte sich wieder um, lehnte sich an dem Tresen und nahm einen großen Schluck. Dabei lief ihm etwas der grünen Flüssigkeit aus dem Mundwinkel wieder heraus. Er wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und starrte grimmig zu Aurec und den anderen. Der Saggittone schlenderte gemütlich zur Bar und stellte sich neben Kerkum. In aller Seelenruhe nahm er ein sauberes Glas aus der Vitrine und schenkte es sich mit dem Vurguzz voll.

Er leerte das Glas mit einem Schluck und ließ sich das Brennen in der Kehle und im Bauch nicht anmerken. Im Gegenteil, Aurec grinste Kerkum schelmisch an.

»Das Lachen wird Ihnen bald vergehen, Saggittone!«

»Vielleicht. Jedenfalls ist mir nun klar, dass Sie zur Mordred gehören. Sonst wäre Rosan nicht hier. Hören Sie doch auf mit der Charade und lassen uns an Ihrem genialen Plan teilhaben.«

Kerkum lachte kurz und nahm die Flasche Vurguzz mit sich. Er ging durch den Raum und gestikulierte ausschweifend, während er erklärte: »Ich bin die Nummer Drei der Mordred. Rhodan und die anderen befinden sich auf der VERDUN, die in diesen Minuten auf die HESOPHIA, dem dorgonischen Adlerraumer, trifft. Die haben übrigens Bull und Monkey. Ihr seht, euer Schicksal ist besiegelt.«

Kerkum nahm einen herzhaften Schluck aus der Pulle und stieß danach leicht auf.

»Wir vernichten die 226 Raumschiffe, töten alle Unwichtigen und schicken Rhodan und Bostich nach Dorgon.« Kerkum hielt inne, drehte mit der anderen Hand seine Mütze nach hinten und deutete dann auf Aurec. »Du bist ja auch ein Staatschef. Du wirst auch in Ketten den Dorgonen mitgegeben werden.«

»Hinreißend«, kommentierte Aurec.

»Mit Hilfe der Dorgonen wird die Milchstraße unterworfen. Dann wird ein neues Solares Imperium gegründet. Wirsal Cell wird der Großadministrator.«

»Wirsal Cell?«, riefen Aurec und Cascal gleichzeitig.

»Unterbrecht mich nicht! Ja, Wirsal Cell. Wer sonst. Ach…«

Kerkum schien nachzudenken. Dann grinste er vor sich hin.

»Natürlich wissen Sie das ja nicht, meine Herren. Rhifa Hun ist Wirsal Cell. Er ist der Anführer der Mordred und hat euch so viele Jahre lang gelinkt. Nun ja, er wird Großadministrator und ich Solarmarschall. Damit ist die Zukunft der Milchstraße unter der Führung der Menschheit gesichert.«

Kerkum hob die Flasche und prostete reihum den anderen zu. Aurec spürte Cascals Blick auf sich ruhen. Der Veteran aus dem Solaren Imperium hatte recht behalten. Aurec hatte sich geirrt. Wirsal Cell war ein Verräter und kein integrer Verbündeter. Er hatte sie wirklich all die Zeit an der Nase herumgeführt.

*

Seamus ließ sich alle Zeit der Welt, als er Wirsal Cells »Zentrum der Macht« betrat und mit ehrlicher Arroganz und Abfälligkeit Perry Rhodan, Imperator Bostich und Sanna Breen musterte.

»Und wer ist das jetzt?«, fragte Bostich genervt und ohne jegliche Furcht oder Sorge zu zeigen.

»Ich vermute Seamus, der Dorgone«, sagte Rhodan. Es war eine Feststellung und keine Frage. Ich wusste, dass Seamus kurzen Kontakt zur IVANHOE hatte. Vermutlich hatte Rhodan daraus die richtige Schlussfolgerung gezogen.

»Legat des mächtigen Kaisers Thesasian, Beherrscher des Sternenimperiums Dorgon«, ergänzte Seamus kühl. Er musterte Sanna. In seinen Augen las ich Lust. Schon schmunzelte Seamus, fasste Sanna an das Kinn und betrachtete sie wie eine Ware.

»Du wirst eine prächtige Konkubine abgeben.«

»Reizend. Lieber heirate ich Cauthon«, kam die prompte Antwort.

Seamus zog seine Hand zurück, nur um sie eine Sekunde später Sanna ins Gesicht zu schlagen. Breen wankte und wandte sich ab. Seamus holte erneut aus, da packte ich seinen Arm. Wütend riss ich ihn herum.

»Es ist genug!«

Seamus blickte mich mit einer Mischung aus Erstaunen, Unverständnis und auch Furcht an. Ich ließ seinen Arm los. Der Dorgone nahm wieder Haltung an und blickte zu Wirsal Cell. Dieser machte eine ahnungslose Geste und schien meine Maßregelung sogar ein wenig zu genießen. Niemand konnte diesen Legaten wirklich leiden. Doch er war ein notwendiger Verbündeter.

Seamus wandte sich Rhodan und Bostich zu.

»Ihr werdet zusammen mit euren Freunden Bull und Aurec«

»Die sind nicht meine Freunde«, korrigierte Bostich und verschränkte die Arme vor der Brust. Hochmütig hielt er dem Blick des Dorgonen stand.

»Wenn du Barbar mich noch einmal unterbrichst, entmanne ich dich.«

»Barbar?«, rief Bostich pikiert.

»Tja, nun weißt du, wie wir uns immer fühlen«, erwiderte Rhodan mit einem feinen Lächeln. Selbst mich überkam ein kurzer Anfall von Heiterkeit. Rhodan war schlagfertig und Bostich ebenso. Damit hatte der Legat zu kämpfen, dessen Gesicht eine rötliche Färbung annahm.

»Eure Witzeleien werden euch schon vergehen, wenn ihr halbnackt in einem rostigen Käfig durch die Straßen Doms gezogen werdet, ehe ihr die einhundert Stufen zum Jusilusturm empor geschliffen werdet, um vor dem Kaiser im Staube zu kriechen.«

»Markige Worte, Dorgone! Ich lasse dich nackt durch die Slums von Ashmen ziehen. Dort ist es reichlich kalt und die Leute können sicher etwas zum lachen gebrauchen.«

Nun lachte auch Wirsal Cell und applaudierte.

»Herrlich, siehst du Seamus, ich habe nicht zuviel versprochen. Der heimliche Herrscher Perry Rhodan und der mächtigste Staatsführer Bostich überbieten selbst deine dorgonische Überheblichkeit.«

Seamus wandte sich von den Gefangenen ab. Er musterte mich abfällig und ging zu Wirsal Cell.

»Nun, es wird Zeit, dass wir ihnen eine Lektion erteilen. Wir greifen jetzt an.«

Nun war es Seamus, der grinste. Er aktivierte ein kleines Interkomgerät und erteilte auf dorgonisch den Befehl zur Attacke. Ich ging zu den Kontrollen und informierte Admiral Kolley über den Beginn der Schlacht. Wirsal Cell sendete ein entsprechendes Signal an Mashratan. Die VERDUN und HESOPHIA bewegten sich am Rand der Reichweite der mashratischen, planetaren Kanonen. So waren wir noch in Sicherheit und hatten etwas mehr Feuerreichweite. Wir suchten uns einen arkonidischen Verband von dreizehn DOR-KATI Kreuzern aus.

Dem ersten Beschuss hielt der kleine Verband stand. Und prompt gingen sie in die Falle. Die DOR-KATI Kreuzer verfügten über eine geringere Reichweite von knapp 10 Millionen Kilometern. Wir zogen uns zurück, so dass jene Transformgeschütze mit knapp 25 Millionen Kilometern Reichweite aus Mashratan ihr Feuer eröffnen konnten. Ich ließ ihnen den Vortritt, während die HESOPHIA bereits zwei arkonidische Kreuzer vernichtet hatte.

»Kolley, abwarten. Überlassen wir Mashratan die Freude.«

*

»Nun, meine Herren, demonstriere ich Ihnen die Feuerkraft unserer Transformgeschützstellungen«, sagte Kerkum und grinste. Er setzte sich auf die Couch und öffnete seinen tragbaren Rechner. Dieser baute sich automatisch auf und zeigte auf einem dreidimensionalen Hologramm die Position von elf DOR-KATI-Kreuzern.

Kerkum betätige die Zielsuche und drückte dann den Feuerknopf. Draußen donnerte es kurz auf, der Boden erzitterte, während wenige Sekunden später alle arkonidischen Raumschiffe im Feuerhagel von 7.000 Transformgeschützen vergingen.

»Ja! Ja! Ja!«, schrie Kerkum und hüpfte vor Freude auf dem Hosenboden herum.

Aurec verfolgte mit Besorgnis den weiteren Kampfverlauf. Zwar hielten sich die anderen Raumschiffe nun aus dem Feuerradius Mashratans, doch die VERDUN und HESOPHIA machten Jagd auf einzelne Verbände. Sie fokussierten sich auf fünf ODIN-Kreuzer Camelots. Trotz Feuerunterstützung der Saggittonen, vergingen drei der 500 Meter Raumer im Transformfeuer der beiden großen Schlachtschiffe. Aurec registrierte, dass die SAGRITON zusammen mit den anderen elf Schiffen in Formation auf die HESOPHIA und VERDUN zuhielt. Das veranlasste diese sich näher nach Mashratan zu begeben. Aurec biss sich auf die Lippe, doch Waskoch und Serakan ließen sich nicht aus der Reserve locken. Er atmete auf, als der Verband wieder abdrehte und sich in geschlossener Formation zu den restlichen Schiffen Camelots und der LFT positionierte. Die SAGRITON, TAKVORIAN und IVANHOE bildeten nun den Kern der alliierten Streitmacht. Die Arkoniden hingegen verharrten einige hunderttausend Kilometer davon entfernt und schienen unschlüssig zu sein.

Kerkum ließ den Rechner abbauen und stand auf.

»So, das war es fürs erste. Dein Abtransport wird in Kürze erfolgen, Aurec. Für die anderen drei lasse ich mir einen schönen Tod einfallen.«

Mit diesen Worten verabschiedete sich Kerkum und verließ den Raum. Die Zeit lief ihnen langsam davon.

»Wir müssen handeln«, sagte Cascal.

»Bald«, versprach Aurec.

Eine Frau in einer Yeshi-Hihab betrat das Zimmer. Sie trug ein Tablett mit Erfrischungen und Obst.

»Draußen stehen vier Wachen. Doch bald nicht mehr, wenn mein Tablettencocktail wirkt«, flüsterte die Frau, während sie jedem Getränke reichte. Aurec verstand sofort. Rosan! Cascal wollte etwas sagen, doch Rosan macht nur »Pscht!«.

Er hielt inne, während Portland und da Progeron schweigend ein Glas Saft nahmen. Aurec hatte gehofft, dass sie irgendwie Rhodan von hier aus befreien konnten, doch das wurde nichts. Sie mussten versuchen, die Transformgeschützstellungen zu deaktivieren. Wenn Aurec nur wüsste, wie weit Adams war…

 

9. Die Vhratopriesterschaft

Vor Homer G. Adams ragten vier mächtige Säulen empor, je zwei zu einer Seite. An den Spitzen befanden sich verschiedene Symbole. Das Kreuz für das Christentum, der Halbmond für den Islam, der Davidstern für das Judentum und zwei sich kreuzende Schwertlanzen aus dem arkonidischen Vretatoukult.

Mahmud Benjamin del Concetti deutete auf ein großes Gebäude. Es war eine Mischung aus einem Kristalldom und einer Kathedrale. Der Tempel beherbergte aber auch muslimische und jüdische Architektur. Es sah wirklich aus, wie ein Palast Gottes, der die großen terranischen und arkonidischen Religionen miteinander vereinte.

Als sie den Eingang erreichten, traten ihnen Menschen in schlichten, braunen Kutten entgegen. Concetti identifizierte die beiden Terraner. Der Eintritt wurde ihnen gewährt.

Ein kleinwüchsiger, dicker Mann mit Halbglatze eilte auf sie zu. Er war ein Sonnenpriester und führte sie durch die Säle.

Sie erreichten die Hallen der Heroen, welche die archaischen Helden aus der Vehraátosage der Lemurer, Tefroder, Arkoniden und Akonen zeigte. Für jede theologische Variation gab es eine Halle. Zuletzt durchschritten sie die lemurische Halle der Heroen.

Nun durchquerten sie die Halle der Propheten. Adams blieb verwundert stehen, als er eine Statue von Perry Rhodan sah. Daneben stand Atlan. Beide Statuen waren aus einem weißen Gesteinsblock geschlagen, der an Marmor erinnerte. Abseits davon stand die Statue einer Frau, in der er das Abbild Mirona Thetins erkannte. Diese war aus einem tiefschwarzen Material gearbeitet. Im Gegensatz zu ihm und Atlan war die Gestalt der Tefroderin nur leicht bekleidet. Dean stieß einen Pfiff aus. Landry kommentierte das mit einem genervten Seufzer.

El Concetti verbeugte sich vor der schwarzen Statue und ging weiter. Kopfschüttelnd riss Adams sich von dem Anblick der Statue los und folgte del Concetti. Er fragte sich, wie viele Räume noch vor ihnen lagen. Die Antwort kam prompt, denn nun befanden sie sich im wohl heiligsten Bereich dieses Tempels.

Abbilder von Heiligen aus den terranischen Religionen standen zur linken und rechten Seite, ebenso wie die Insignien der verschiedenen Mythologien. Vor ihm thronten drei ältere Männer mit Rauschebärten. Sie waren in weiße, grüne und rote Gewänder gehüllt. Das Licht war gedämpft und es war überraschend kühl. Der Gesang von feinen Stimmen hallte sanft durch den dunklen aber prunkvoll eingerichteten Raum.

Adams wusste, dass er vor den höchsten Würdenträgern der mashratischen Religion stand.

»Tragt Euer Anliegen vor, meine Kinder«, sagte der Grüne.

»Kerkum paktiert mit Terroristen. Er ist Teil der gefürchteten Mordred. Wenn ihr ihn weiter unterstützt, führt ihr Mashratan in den Untergang«, sprach Adams und sah die drei Würdenträger entschlossen an.

Die drei schwiegen. Adams holte den nächsten Trumpf aus seinem Ärmel. Er legte einen Datenträger auf den Tisch.

»Das ist eine Botschaft des Kardinals von Terrania City. Und nicht nur er ermahnt euch zur Vernunft. Mir ist klar, dass der Kardinal aufgrund seines Viererglaubens euer heiligster Vertreter ist, doch auch der Papst, Rabbiner Jakob und Ayatollah Iman Kalif Chater Abdulla Fahat senden ihre besorgten Grüße nach Mashratan. Ob Anhänger des Christentums, des Judentumes, des Islam oder Vhratos. Sie alle sagen das selbe: Wendet euch von Kerkum ab.«

Der Rote nahm den Datenträger und verband ihn mit dem Rechner auf ihrem Tisch. Schweigend sahen die drei Hohepriester die Appelle der mächtigsten Theologen Terras an. Nachdem die Aufzeichnungen zu ende waren, erhob sich der Weiße.

»Ihr sprecht weise Worte, Homer G. Adams. Doch Ihr seid nicht der einzige Freund Mashratans.«

Aus dem Dunkel einer Ecke trat eine gewichtige Gestalt hervor. Adams war überrascht, ja sogar schockiert. Das weiße Haar des fettleibigen Mannes war wirr und ungewaschen. Er trug eine edle, blütenweiße, arkonidische Uniform. Hinter ihm trat ein weiteres Wesen in einer Yeshi-Hihab hervor. Demnach musste es eine Frau sein.

»Uwahn Jenmuhs. Was zum Teufel?«, stieß Will Dean aus.

»Ich darf doch sehr bitten, junger Mann«, tadelte der Grüne. »Hier wird nicht geflucht!«

»Tschuldigung, Euer Ehren.«

Jenmuhs lachte schallend.

»Auch dem Kristallimperium ist die Macht der Vhratoschaft deutlich bewusst. Wir haben bereits über eine goldene Ära nach Kerkum unter dem Schutz des Kristallimperiums gesprochen.«

Das überraschte Adams wenig. Uwahn Jenmuhs war ein mächtiger arkonidischer Adliger mit großen politischen Ambitionen. Er bewunderte die Arkoniden in diesem Moment sogar. Während Sargor da Progeron, wie Aurec, Cascal und Portland, sich mit Kerkum herumschlugen, schickten sie Jenmuhs als stille Reserve, um eine Revolte anzuzetteln. Nichts anderes hatte Adams vorgehabt.

»Demnach haben wir den Segen der Hohepriesterschaft?«, fragte nun Adams.

»Die Wege Gottes sind unergründlich, mein Sohn! Doch uns haben bereits die Argumente des gläubigen Uwahn Jenmuhs überzeugt. Wir rechnen jedoch ebenso mit wohlwollenden finanziellen Unterstützungen seitens der LFT und der TAXIT.«

»Die sei Euch gewährt, Euer Heiligkeit. Wenn ihr drei euch von Kerkum öffentlich distanziert, dann verliert er die Unterstützung in der Bevölkerung. Zumindest für eine Weile wird Chaos herrschen und das reicht uns aus«, erklärte Adams.

»Wieso? Habt ihr in eurem Kreuzer eine Armee gehortet?«, fragte Jenmuhs spöttisch.

»Hm, keine Armee, aber hervorragende Spezialisten und Eliteeinheiten«, antwortete Stewart Landry.

»So wie wir«, erwiderte Jenmuhs.

Adams unterdrückte ein Lächeln. Damit waren beide Kreuzer randvoll mit Eliteeinheiten Arkons, Terras und Camelots. Das musste ausreichen, um Kerkums Palast einzunehmen.

»Wir wünschen kein unnötiges Blutvergießen«, sprach der Rote.

»Ich versichere euch, wir auch nicht. Wir müssen aber Kerkum und seine Getreuen stoppen, um die Transformgeschützstellungen zu deaktivieren«, sagte Will Dean.

»Das ist akzeptabel. Wir werden eine Ansprache an die Bevölkerung vorbereiten. Doch nicht viele besitzen Kommunikations- und Unterhaltungsgeräte. Priester del Concetti, trete vor.«

Der Dorfpriester tat, wie ihm befohlen. Er kniete nieder.

»Kehre in dein Dorf zurück und verkündete unsere frohe Botschaft, auf dass sie sich über den ganzen Planeten verbreiten möge. Rufe die heiligen Krieger herbei. Kerkum hat Gott verraten und ist des Teufels. Wir exkommunizieren ihn mit sofortiger Wirkung.«

»Wie Ihr wünscht, Eure Heiligkeiten!«

Heilige Krieger? Adams blickte fragend zu Jenmuhs. Der dickbäuchige Arkonide schien diesen Moment der Überlegenheit zu genießen.

»Wir haben uns schon seit Monaten vorbereitet. Das Kristallimperium schläft nie. Wir wussten aus erstklassiger Quelle, dass Kerkum zur Mordred gehört. Es gibt immer eine Opposition. Die auf Mashratan besteht zwar aus primitiven Schlächtern, aber der Zweck heiligt die Mittel.«

Adams sah das nicht so. Was nützte es, eine Diktatur durch die andere auszutauschen. Mashratan hatte jedoch keine große Chance. Das Kristallimperium würde sich Mashratan einverleiben. Welchen Widerstand konnten die schon leisten?

»Welcher Quelle?«, fragte Dean misstrauisch.

»Der zuverlässigsten überhaupt«, sagte Jenmuhs und deutete mit dem Finger auf sich selbst. »Ich war die Nummer Vier der Mordred.«

Dean zog seinen Strahler. Landry gebot ihm, Ruhe zu bewahren. Adams war überrascht. Weniger über die Tatsache, dass der machtgierige Jenmuhs sich einer Verbrecherorganisation anschloss, eher darüber, dass er als Doppelagent fungierte. Doch auch wenn Jenmuhs offenbar nun auf Seiten des Kristallimperiums stand, so war er in Adams Augen eine mehr als suspekte Person.

»Sie haben den Tod Ihres eigenen Bruders in Kauf genommen«, stellte Landry mit einem bitteren Lächeln fest. »Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Mordred Prothon da Mindros unterstützt hat.«

Jenmuhs wurde ernst.

»Wie kann eine Essoya es wagen, solche Anschuldigungen in den Raum zu stellen. Ich wurde nicht über diese Operation informiert. Und genau dieses Ereignis hat mich dazu bewogen, Rache an der Mordred zu nehmen.«

»Ihr Bruder war ein Penner!«, erwiderte Landry gelassen.

Jenmuhs lachte hysterisch auf. Er nickte eifrig.

»Oh ja, das war er wirklich. Aber er war mein Bruder. Das ist der Unterschied.«

»Es gibt weitere Verräter in den Reihen der Mordred«, ergänzte Will Dean. »Wir haben diesen…« er kramte einen Datenträger aus seiner Hemdtasche und zeigte sie den Anwesenden. »Wir haben diesen Datenträger von einer Kartanin namens Sha-Hir-R'yar erhalten. Angeblich wurde sie von Despair geschickt. Was sich darauf befindet wissen wir nicht. Wir konnten ihn nicht entschlüsseln.«

Jenmuhs kicherte laut. Er umfasste mit seinen Händen den Gürtel vor seinem mächtigen Bauch. Zufrieden blickte er die beiden an.

»Despair ist in der Tat unsicher. Doch die Hybris aus einer Terranerin und einer Kartanin ist meine Assistentin. Zeig dich, Kätzchen.«

Die Frau deaktivierte die Yeshi-Hihab. Zum Vorschein kam ein Wesen, welches Homer an Dao-Lin-H'ay erinnerte. Das Katzenwesen wirkte einen Hauch menschlicher als herkömmliche Kartanin, doch Adams würde sie definitiv der Spezies der Feliden zuordnen. Will Dean starrte Sha-Hir-R'yar verdutzt an.

»Warum habt ihr uns nicht viel früher geholfen?«, wollte Adams schließlich wissen.

»Der Weise schweigt, wenn ihm nur leere Worte zur Verfügung stehen. Rhifa Hun hatte auch Geheimnisse vor mir. Ich kannte lange Zeit nicht einmal seine wahre Identität. Jetzt ist die Stunde gekommen. Wir haben die VERDUN und die Dorgonen im Orbit. Kerkum befindet sich auf Mashratan. Wie heißt es bei euch Terranern. Wir können alle Fliegen mit einer Klappe schlagen.«

Der Boden erzitterte leicht. Gläser vibrierten in dem Saal. Was war das? Adams nahm ein dumpfes Grollen von außen wahr.

»Die Transformgeschütze feuern. Die Schlacht hat begonnen. Kerkum sein wahres Gesicht gezeigt«, lautete die Schlussfolgerung von Stewart Landry. Es wurde höchste Zeit, dass sie etwas taten. Vermutlich saßen Aurec, Cascal und Portland in der Patsche.

»Was verbirgt sich auf dem Datenträger«, wollte Dean wissen.

»Alles hat seinen Preis«, entgegnete Jenmuhs.

»Was wollt Ihr, Jenmuhs?«, wollte Adams wissen.

»Nun, das Kristallimperium wünscht keine zukünftige Einmischung in unsere Beziehungen zum Mashritun-System. Die TAXIT wird sich fein heraushalten. Terranisch gesprochen, ein Gentlemen-Agreement, dass weder Camelot noch die LFT Anspruch auf das Mashritun-System erhebt.«

Adams war sich nicht sicher, ob so eine Zusage überhaupt Gültigkeit hatte. Er gehörte nicht zur LFT und daher war sein Wort nicht bindend. Sicher, er konnte sich für die TAXIT verbürgen, deren Chef er war. Doch es widerstrebte ihm zutiefst. Adams musste an Sverigor denken. Die RANTON war dem Namen nach ein arkonidisches Schlachtschiff. Wenn Jenmuhs mit der Zerstörung Sverigors etwas zu tun hatte, war er ein Massenmörder. Er durfte mit solchen Leuten keine Geschäfte machen.

»Und Sverigor?«, fragte der Terraner schließlich.

Jenmuhs blieb unbeeindruckt.

»Ich habe alles versucht, um die Vernichtung zu verhindern. Selbst Despair war dagegen. Rhifa Hun und die Dorgonen tragen die Verantwortung. Ebenfalls die Nummer Neun, Eron da Quartermagin, der jedoch bereist exekutiert wurde. Die RANTON wurde mit ihrer gesamten Besatzung bei einem Fluchtversuch vernichtet. Die Mörder sind bestraft. Wegen des Versagens meiner eigenen Person, nichts gegen die Zerstörung der Welt ausrichten zu können, werde ich noch viele schlaflose Nächte haben.«

Rührend. Adams glaubte ihm kein Wort. Doch er konnte ihm hier und jetzt nichts nachweisen. Wenn die RANTON vernichtet war, waren alle Zeugen tot, die möglicherweise Jenmuhs in Verbindung mit dem Abwurf der Arkonbomben in Verbindung hätten bringen können.

»Was befindet sich auf dem Datenträger? Ich muss die Ware schon kennen, bevor ich solche Zusagen treffe«, sagte Adams.

Jenmuhs kicherte. Ächzend setzte er sich auf einen Besucherstuhl, der knarrte, als er sich hernieder ließ. Die Hohepriester verfolgten schweigend das Gespräch.

»Immer noch ganz der Geschäftsmann, hm? Also gut, auf dem Datenträger befinden sich die Konstruktionspläne der VERDUN. Und viel wichtiger: Rhifa Hun hat eine codierte Hyperkomnachricht programmiert. Wird diese via Hyperkom an die VERDUN gesendet, deaktivieren sich die Schutzschirme. Es war eine Absicherung, sollte etwas schiefgehen und Rhifa Hun müsste von außerhalb eingreifen. Despair wusste als einziger davon. Als er mein Kätzchen den Datenträger übergab und sie eine Sicherungskopie für mich anfertigte, wurde ich misstrauisch und es gelang mir die Cheffrierung zu dekodieren. Zu dem Zeitpunkt wurde mir auch klar, dass die Mordred das Kristallimperium vernichten wollte. So rettete ich – zugegeben mit Hilfe Ihres Agenten Deans und des Somers Sam – das Leben von Imperator Bostich. Bei weiteren Recherchen wurde mir klar, dass Rhifa Hun Wirsal Cell ist.«

»Cell?«, rief Adams entgeistert.

»Oh, stimmt, das wissen sie ja nicht. Ja, es ist Cell. Nun, hätte er sich damit begnügt, Camelot und die LFT zu vernichten, wären wir Verbündete geblieben, doch da er Statthalter der gesamten Milchstraße werden will und diese von den Dorgonen zur Provinz gemacht werden soll, liefen unsere Interessen in entgegen gesetzte Richtungen. Arkoniden zuerst. Für Arkons Macht und Glorie!«

Jenmuhs schlug sich mit der Faust auf die Brust und schien sich als echter Patriot zu fühlen. Adams musste erst einmal die Nachricht verdauen, dass Wirsal Cell hinter allem steckte. Er hatte recht gehabt. Hätte er doch nur konsequenter gehandelt. Vielleicht hätte er Cell schon früher zur Strecke bringen können.

»Warum nutzen Sie nicht den Code, wenn Sie ihn kennen?«, fragte Landry.

»Hm, es ist ein Geschenk an euch. Außerdem müssen wir koordiniert vorgehen. Die VERDUN darf nicht vernichtet werden, solange der Imperator an Bord ist. Und ihr wollt ja euren Rhodan zurück. Wohl oder übel, wir müssen alliieren.«

»Und wenn wir nicht auf Ihren Handel eingehen? Lassen Sie Bostich dann sterben?«

Jenmuhs schwieg. Adams schmunzelte nun. Jenmuhs hätte ihm nicht sagen sollen, dass er die Daten bereits kannte. Würde er ihnen diese nicht zur Verfügung stellen, würde er als Verräter dastehen.

»Nun?«, hakte Adams nach.

Stöhnend erhob sich Jenmuhs. Sein ohnehin fahles Gesicht war nun noch blasser. Er nickte der ruhigen Sha-Hir-R'yar zu. Sie nahm einen zweiten Datenträger und übergab ihn Will Dean.

»Hier befinden sich die unkodierten Dateien«, sagte sie mit leiser, heiserer Stimme. »Bedenkt, wenn ihr das Signal sendet, habt ihr nur einen kurzen Spielraum, ehe die Schutzschirme neu hochgefahren werden.«

Adams verstand. Sie durften diesen Trumpf nicht leichtfertig ausspielen. Der weiße Hohepriester räusperte sich und stand auf. »Wir werden nun unsere Ansprache aus einem sicheren Versteck halten. Ihr solltet gehen, denn Kerkums Soldaten werden dann vermutlich bald hier anrücken. Gehet mit Gott, gesegnet sei er überall und jederzeit.«

Die drei alten Würdenträger verließen die Halle. Wohin sie gingen, wusste Adams nicht und er wollte es auch nicht wissen. Vermutlich begann nun ein Bürgerkrieg auf Mashratan. Am Ende würde trotzdem das Kristallimperium davon profitieren.

Ihre Wege trennten sich nun. Die Gruppe erreichte den Transmitter. Landry sendete einen Code an den Kreuzer auf dem Palastraumhafen, um eine stabile Transmitterverbindung zu gewährleisten.

»Und wie kommt ihr von diesem schönen Fleckchen?«, wollte Dean von Jenmuhs und Shahira wissen.

»Es befindet sich eine Tu'Ra'Cel Basis in der Wüste. Sie versorgt die Rebellen mit Waffen. Dorthin gehe ich nun und warte die Entwicklung ab. Mein Kätzchen wird euch begleiten. Sie ist eine gute Kämpferin.«

Sha-Hir-R'yar schnurrte leise. Adams war nicht ganz wohl dabei. Auch Landry und Dean wechselten einen vielsagenden Blick. Konnte man der Felidin trauen? Vermutlich nicht, doch im Moment waren sie Verbündete. Adams stimmte schließlich zu.

*

Homer G. Adams, Stewart Landry, Will Dean und Sha-Hir-R'yar wurden von Sandal Tolk in Empfang genommen.

»Willkommen im Trojanischen Pferd.«

Vor ihnen standen einige übel drein schauende Männer und Frauen, die liebevoll ihre Strahler und Gewehre putzten und überprüften. Die Söldner Sam Tyler und Chris Japar hatten Dean und Sam bereits auf der BASIS geholfen. Dazu kamen der kräftige Oxtorner Shan Mogul und der terranische Spezialist Frank DeBoer. Sie hatten den Oberbefehl über die 650 Soldaten, Agenten und Söldner, die im Bauch des PROTOS-Kreuzers auf ihren Einsatz warteten.

Tolk informierte Adams über die aktuelle Lage. Aurec und die anderen waren im Palast gefangen. Unterstützung von außerhalb war nicht zu erwarten, da sich kein Raumschiff in die Feuerreichweite der 7.000 Transformgeschütze wagte.

»Wir warten ab. Es brodelt auf Mashratan. In Kürze wird es zu einer Eruption kommen.«

Tolk schüttelte den Kopf.

»Immer sprichst du in Rätseln. Doch wenn es bedeutet, dass meine Männer und ich bald in den Kampf ziehen, ist es gut.«

 

9. Revolte

Gotteskinder von Mashratan. Geheiligt sind die Gläubigen und Frommen unter Euch. Eine schwere Zeit bricht über unsere Gemeinde an. Unser einst so geschätzter Herrscher, Oberst Kerkum, ist abtrünnig geworden. Er hat sich blasphemisch von Gott losgesagt und einen Pakt mit einer teuflischen, satanistischen Organisation namens Mordred geschlossen.

Sie besteht aus Ungläubigen. Sie morden, sie vergewaltigen, sie lästern Gott und verschmähen den Glauben an den Propheten Vhrato. Sie wollen unsere Tempel und Gotteshäuser zerstören, sie wollen eure Kinder fressen, sie wollen, dass eure Frauen als halbnackte Sexobjekte öffentlich zur Schau gestellt werden, sie wollen Euer Brot, Euer Vieh, Eure Seelen.

Wir, die Hohepriesterschaft Mashratans, exkommunizieren Oberst Kerkum und seine Familie. Mögen Sie und all jene, die ihnen dienen, in der Hölle schmoren.

Ein aufrechter Gläubiger erhebt sich nun, nimmt seine Waffe und bekämpft Kerkums Bande und seine satanischen Vasallen. Kämpft für Euren Glauben, für Eure Freiheit und Eure Familien. Erhebt Euch für Mashratan. Es ist Gottes Wille. Führt den heiligen Krieg der Kriege und zeigt kein Erbarmen. Auge um Auge, Zahn um Zahn.

In den Krieg! Möge Gott mit Euch sein.

Amen!

 

Aurec blickte Joak Cascal verwundert an. Es musste nun helle Aufregung bei Kerkum und seiner Familie herrschen.

»Der Plan von Adams hat funktioniert«, meinte Cascal.

»Wir werden sehen, ob er uns wirklich hilft«, sagte Portland skeptisch.

Der Raumschiffkommandant der Liga Freier Terraner warf einen Blick aus dem Fenster. Aurec musste nicht selbst dorthin gehen, um zu wissen, dass Portland die beiden Kreuzer beobachtete. Portland zog eine Augenbraue hoch und deutete den anderen an, ans Fenster zu gehen. Aurec sah nun, dass sich Truppen und gepanzerte Shifts auf die Kirchenanlage zu bewegten. Kerkum wollte seine Widersacher schnell besiegen. Vereinzelt stieg über der Skyline von Vhrataalis Rauch auf. Es war schwer zu sagen, ob die Revolution Früchte tragen würde. In den nächsten Stunden würde sich zeigen, ob sich die Mashraten Kerkum oder ihrer Religion stärker verpflichtet fühlten.

Die Tür öffnete sich. Ein Gestalt in Energiegewand betrat den Raum. Schnell erlosch die Yeshi-Hihab und das schöne Gesicht Rosan Orbanashols war zu sehen. Sie trug fünf Strahler, vielmehr versuchte sie, diese nicht fallen zu lassen. Eiligst ließ sie die Waffen auf die Couch prasseln.

»Die Wachen schlafen. Ich hoffe, sie wachen auch irgendwann wieder auf «, sagte Rosan.

Aurec war von der Frau fasziniert. Nicht nur, dass es ihr gelungen war, sich von Kerkum zu befreien und unentdeckt zu bleiben. Nein, sie hatte es auch geschafft aus Medizin offenbar einen wirkungsvollen Schlafcocktail für die Wachen zu mixen und machte sich trotzdem Sorgen um den Gesundheitszustand ihrer Feinde. Sie hatte allen Grund diese Welt zu verachten. Vermutlich tat sie das auch. Doch selbst wenn man etwas oder jemand verachtet, so ist es ein langer Weg, diesen Wesen auch den Tod zu wünschen oder gar zu bringen. Aurec fand, das war eine wichtige Eigenschaft, die Menschen – egal ob Saggittonen oder Arkoniden und Terraner – ausmachte. Immer bestrebt, besser zu sein, als sein Feind. Nicht in der derselben Sprache zu antworten. Viele Völker besaßen eine zweifelhafte Doppelmoral. Aurec nahm seinen Nadlerstrahler und entsicherte ihn. Auch Rosan aktivierte ihre Waffe. Da Progeron, Cascal und Portland waren ebenso bereit.

»Jetzt müssen wir nur noch unsere Kreuzer informieren«, sagte Cascal und blickte zu Sargor da Progeron. »Ich nehme an, Sie haben auch ein paar Soldaten im Bauch Ihrer Stahlbestie.«

Der über zwei Meter große Hüne zeigte den Ansatz eines Lächelns.

»200 Elitesoldaten, 300 Kralasenen, 200 Naats und 200 Dagorista.«

»Die müssen ja ganz schön zusammen rücken auf dem 200 Meter Kahn«, erwiderte Cascal unbeeindruckt.

»Diese Kämpfer kennen keinen Komfort. Während ihr Terraner noch Muttis Pausenbrot einpackt, waten die arkonidischen Truppen bereits im Blut des Feindes.«

Portland schmunzelte, während Cascal offenbar pikiert schwieg. Rosan zeigte derweil stolz ein Interkomgerät. Portland nahm es und stellte den Kode ein. Dann begab er sich an das Fenster.

»Falscher Hase an echten Okrill: Sind handlungsfähig. Der Okrill soll niesen.«

Verwundert blickten da Progeron und Rosan den Terraner an, der ohne die Mine zu verziehen antwortete: »Ein spezieller Kodebefehl.«

Dann reichte er dem Cel'Mascant das Interkom.

»Gähnender Kjörk and emsigen Coumarg. Angriff.«

Da Progeron gab das Interkom zurück. »Wir verwendeten schon solche Kodebefehle, als ihr euch noch von Ast zu Ast geschwungen habt.«

*

Der terranische Kreuzer reagierte sofort. Er sendete eine Druckwelle aus, welche die mashratischen Soldaten von den Füßen als auch von ihren Stellungen an den Kanonen riss. Aurec öffnete das Fenster. Sie waren weit genug entfernt, um in Sicherheit zu sein. Das hoffte er zumindest. Die Arkoniden gingen nicht so rücksichtsvoll vor. Der DOR-KATI Kreuzer eröffnete mit seinen vier Drilllings-Desintegrator-Impulsgeschützen das Feuer. Erbarmungslos wurden die ersten Reihen nieder gemäht oder vergingen im grünlichen Desintegratorstrahl, bis nichts mehr von ihnen übrig blieb.

»Euer Okrill niest, unser Coumarg sticht zu«, kommentierte Sargor da Progeron das Szenario. Aurec schreckte um, als er Lärm aus dem Korridor hörte. Zwei Wachen stürmten hinein. Ehe sie reagieren konnten, wurden sie von den Paralysestrahlen erwischt und fielen zu Boden.

»Wir müssen nicht unnötig töten«, meinte Aurec.

Sie waren in dem Raum nicht mehr sicher. Der Saggittone warf einen letzten Blick auf den Raumhafen. Die mashratischen Wachen waren vernichtet oder flohen. Nun öffneten sich die beiden Schleusen. Aus dem Antigravstrahl schwebten die ersten arkonidischen und terranischen Soldaten. Einige feuerten bereits, bevor sie den Boden erreichten. Die beiden Kreuzer gaben ihnen Feuerschutz. Das Gebäude vor dem Palast krachte brennend zusammen. Der Sturm auf Kerkums Palast hatte begonnen.

»Jetzt müssen wir schnell handeln«, sagte Cascal und deutete auf die Shiftpanzerdivision unweit von dem Palast. Während der Großteil der Panzer bereits nach Vhrataalis und zu den Tempeln ausgerückt war, um die Aufständischen zu bekämpfen, setzte sich nun der Rest in Richtung Palast in Bewegung.

Unablässig feuerten jedoch die Transformgeschütze, sobald sich ein Raumschiff in Reichweite befand.

»Wir brauchen die Kontrolle über die Geschütze. 7.000 Transformkanonen zu vernichten, dauert zu lange«, sagte Aurec.

»Kerkum trug einen Rechner bei sich«, erinnerte Portland.

Genau das schwebte Aurec auch vor. Sie mussten Kerkum finden.

Ein lautes Knallen ließ Aurecs Aufmerksamkeit wieder auf den Korridor richten. Es blitzte draußen. Cascal warf das Sofa um. Es bot eine gute Deckung. Rosan verschanzte sich hinter der Bar, während Portland und da Progeron an der Schwelle zum Balkon Deckung suchten. Aurec sah sich kurz um, dann sprang er auch hinter die Couch. Schreie und Schüsse hallten draußen umher. Aurec richtete den Strahler auf den Eingang. Er atmete ruhig und gleichmäßig. Es war nicht die erste Kampfsituation in seinem Leben und doch konnte es die letzte sein, wenn er nicht aufpasste oder SAGGITTORA seinen Lebensfaden zu ende gesponnen hatte.

Es wurde ruhig. Dann öffnete sich die Tür. Aurec wollte schon feuern, doch der mashratische Soldat war bereits getroffen. Schwankend bewegte er sich in den Raum. Blut floss aus dem Mund und dem Torso. Röchelnd sank er auf die Knie und fiel vorne über. Da blieb er regungslos liegen. Dann betraten zwei weitere Männer den Raum, die Aurec als »Freunde« identifizierte.

»Der hatte einen theatralischen Fall«, resümierte der eine, hagere Terraner mit den wenigen Haaren.

»Naja, ich fand es einen einfallsreichen Abgang«, antwortete der schwergewichtige Mehandor mit dem langen, roten Bart und den zu einem Zopf zusammen geflochtenen roten Haaren.

Cascal erhob sich und senkte den Strahler.

»Sam Tyler und Japar.«

Tyler grüßte knapp. Die beiden Söldner waren kompromisslose und wenig sympathische Gestalten. Ihnen folgten Sandal Tolk, ein großer tätowierter Oxtorner und ein eher unscheinbar wirkender Terraner.

Tolk und Cascal gaben sich die Hände.

»Das lief doch alles glatt«, meinte Cascal.

Nun betraten auch Kralasenen und arkonidische Truppen den Raum.

»Wird langsam voll hier. Wir sollten Kerkum suchen«, schlug Rosan Orbanashol-Nordment vor.

Japar lachte laut. Auch Tyler musste schmunzeln. Rosan blickte die beiden verständnislos an.

»Seit wann geben Frauen Kommandos?«, fragte Japar.

Rosan trat vor den beleibten Söldner.

»Das muss sich eine arkonidische Adlige wohl kaum von einem Parias sagen lassen.«

Aurec wusste nicht, was ein Parias war. Der Springer baute sich vor Rosan auf, wobei sein runder Bauch besonders zur Geltung kam. Rosan stand unbeeindruckt davor.

»Die Bezeichnung Springer passt wohl nicht mehr zu dir. Das setzt eine gewisse Beweglichkeit voraus«, kommentierte Rosan gelassen und musterte dabei den Bauch.

Tyler schmunzelte und legte seine Hand freundschaftlich auf Japars Schulter.

»Die hat Haare auf den Zähnen. Sie hat aber recht. Suchen wir Kerkum.«

Tyler und der Mehandor verließen den Raum. Aurec warf einen Blick auf Cascal.

»Was sind das denn für Typen?«

Cascal zuckte mit den Schultern.

»Kenne sie nicht privat. Harte Söldner. Genau die richtigen für den Job.«

Rosan klärte Aurec derweil auf, was Parias waren. So waren es verstoßende Mehandor, die schwere Verbrechen begangen hatten. Aurec zweifelte daran, ob man solche Leute wirklich benötigte. Die Gruppe verließ den Raum. Im Untergeschoss waren erneut Kämpfe ausgebrochen. Rosan aktivierte ihren Pikopad. Sie wählte den ersten mashratischen Trivid-Sender aus. Dort erschien auch schon die Fratze Kerkums. Er schlug auf den Tisch.

»Die haben alle Drogen genommen. LFT-Drogen. Schon die kleinsten Kinder. Nicht ich bin der Verräter. Die sind es! Die Pfaffen haben sich verkauft und an Gott versündigt. Sagt euch los von ihren Worten. Ich bleibe und kämpfe. Entweder siege ich oder ich sterbe!«

Kerkum donnerte mit der Faust dreimal auf den Tisch. Dann sah er eine Zeitlang verstohlen in die Kamera, ehe das Programm wechselte und unter pompöser Fanfare eine Dokumentation über ihn selbst über den Äther geschickt wurde.

»Das Studio muss im Palast sein«, vermutete Aurec.

Der Palast war weiträumig gebaut. Sie versuchten die nächste obere Etage zu erreichen, doch stießen sie dabei auf schweren Widerstand. Aurec warf sich zu Boden, als Energieblitze nur knapp an ihm vorbei schnellten. Er robbte sich hinter eine Wand. Die Arkoniden waren weniger besorgt um ihr eigenes Leben und stellten sich dem Feuer.

»Angriff«, brüllte der tätowierte Oxtorner und rannte voran. Offenbar war er in seiner Ehre gekränkt. Tolk feuerte Detonationspfeile in Richtung der Mashraten. Eine Explosion jagte die nächste. Die Arkoniden und Terraner stürmten voran. Gegen diese Entschlossenheit waren die Mashraten offenbar machtlos.

Der Trakt teilte sich nun in mehrere Korridore und Treppen auf. Sie verteilten sich. Der Saggittone wandte sich an Portland und Rosan.

»Es wäre gut, wenn ihr zum Kreuzer zurückkehrt. Dieser Hauskampf ist nichts für euch. Nicht einmal für mich.« Der Kanzler atmete tief durch und versuchte sein Unbehagen zu unterdrücken. Natürlich war es nicht der erste Kampf gewesen, doch das Tempo, die Rücksichtslosigkeit und Brutalität, wie dieser geführt wurde, erschrak und verunsicherte ihn.

»Adams befindet sich ebenfalls im Kreuzer«, sagte Will Dean, der sie zusammen mit Stewart Landry erreichte. Aurec war froh, die beiden Agenten zu sehen.

»Wir finden den Weg«, meinte Portland.

Rosan blieb noch stehen. Sie drückte Aurec einen Kuss auf die Wange.

»Viel Glück und sei vorsichtig!«

Aurec nickte nur und zwang sich gequält zu lächeln. Er blickte Portland und Rosan Orbanashol-Nordment hinterher, dann folgte er Landry und Dean. Nach einigen Metern trafen sie auf Cascal, Tolk, Shan Mogul, Frank DeBoer, Sam Tyler und Japar. Mit dieser illustren Truppe konnte hoffentlich nichts schiefgehen. Sie wählten einen anderen Korridor, als die Arkoniden und anderen Truppen.

Aurec hielt inne. Eine kleine Einheit hatte inzwischen das Sendestudio gefunden und meldete es weiter. Eilig rannten alle dorthin. Aurec war völlig außer Puste, da wurde schon wieder gefeuert. Nach einem kurzen Gefecht, kehrte Ruhe ein. Viel war von dem Studio nicht mehr übrig. Tolk kam schon wieder aus dem Raum.

»Kerkum ist nicht hier.«

Aurec hielt inne. Ihm kam eine Idee. Wenn er Kerkum wäre, würde er sich an dem Ort verstecken, an dem man am wenigsten nach ihm suchen würde.

»Wir müssen in den Frauentrakt«, schlug Aurec vor.

Tyler verzog die Miene.

»Kleiner Quickie für den Saggittonenprinz?«

»Idiot«, knurrte Aurec. »Kerkum kann sich mit einer Yeshi-Hihab tarnen und dort Zeit gewinnen.«

*

Im Südflügel des Palastes war es ruhig. Hier befand sich der Frauentrakt, der Männern verwehrt war. Sie würden nun dieses Tabu brechen müssen. Am Eingang standen zwei Wachen, die die Gruppe verunsichert anblickten. Tyler zog seine Waffe und feuerte zwei Schüsse ab, welche direkt in den Kopf der beiden Mashraten gingen. Leblos fielen sie zu Boden.

»Erspart uns Diskussionen.«

Japar kicherte über die Aussage seines Kumpels. Aurec hatte nun genug. Er packte Tyler am Kragen und drückte ihn gegen die Wand.

»Für dich ist Morden ja offenbar ein großer Spaß. Mich widert das an. Wenn du noch einmal jemanden grundlos erschießt, dann lasse ich dich verhaften.«

Tyler musterte Aurec mit seinen kleinen Augen und wirkte alles andere als eingeschüchtert.

»Tolk, wenn du deinem Freund nicht sagst, er soll mich los lassen, prügele ich ihn zum Krüppel.«

Tolk stellte sich neben Aurec und Tyler.

»Dann töte ich dich und Japar«, kam die ruhige Antwort des Barbaren von Exota-Alpha.

Nun wirkte Tyler tatsächlich verunsichert. Er breitete die Arme aus und grinste.

»Okay, dann machen wir es auf deine Art, Gönner!«

Aurec ließ den Terraner los, der ihn so maßlos anekelte. Ohne weiter darauf einzugehen, ging er weiter. Dort trafen sie auf eine Yeshi-Hihab Frau. Zumindest vermuteten sie, dass es sich um eine Frau handelt. Tyler zog schon wieder die Waffe.

»Energiefeld ausschalten«, forderte er.

»Tun Sie, was der Mann sagt. Sofort«, rief Cascal bedrohlich.

Alle richteten die Waffe auf die Frau. Diese drehte sich kreischend um und lief los.

Tyler zielte.

»Nein!«, rief Aurec.

Tyler schoss.

Die Energieverhüllung blitzte und erlosch, während die Frau schreiend zu Boden fiel.

»Ich hab nur ins Bein geschossen«, sagte Tyler gelassen und ging zu ihr. Er packte die Frau.

»So, Schlampe, wo ist Kerkum? Komm schon, du kleine Nutte sprichst doch Interkosmo, oder bist du dazu auch zu blöd? Wo ist Oberst Kerkum?«

Die Frau stammelte ein unverständliches Kauderwelsch vor sich hin. Landry und Dean zogen Tyler weniger sanft von der Frau weg. Der Typ war eine tickende Zeitbombe.

»Also gut, Tyler und Japar bewachen den Eingang des Traktes. Der Rest schwärmt aus und durchsucht so rücksichtsvoll wie möglich die Frauenräume.«

Tyler und Japar zogen davon. Unüberhörbar murmelte Tyler noch das Wort »Arschloch«, ehe der Terraner und der Mehandor um die Ecke gingen und dort hoffentlich keinen Schaden mehr anrichten würden.

Vor ihnen kam nun eine ganze Horde an Frauen an. Sie trugen spärliche Bikinis und… Aurec glaubte, nicht richtig zu sehen. Sie trugen Strahler und Gewehre bei sich.

»Kerkums private Dominagruppe?«, fragte Cascal.

»Wohl eher seine Leibwache«, meinte Landry.

Shan Mogul stellte sich schützend vor die Gruppe. Der Oxtorner würde dem Beschuss deutlich länger standhalten. Eine Frau fing an zu schreien, dann feuerten sie auch schon. Aurec fragte sich, ob diese Ballerei denn nie aufhören würde? Sie suchten Deckung, doch Shan Mogul rannte bereits auf die Frauen zu. Wie Bowlingfiguren purzelten sie zur Seite. Der Umweltangepaßte kannte kein Pardon. Etwas, was in der saggittonischen Gesellschaft undenkbar war. Kein Saggittone würde eine Frau verprügeln oder töten, selbst wenn sie ihn angriff. Er würde Alternativen suchen und vielleicht als allerletzte Konsequenz physische Gewalt anwenden. Shan Mogul schien solcherlei Bedenken nicht zu kennen. Mit tödlicher Präzision schaltete er eine Gegnerin nach der anderen aus, bis es still wurde.

Aurec nahm einen anderen Weg. Er wollte nicht über die Leichenberge von Kerkums weibliche Leibgarde treten. In einem Nebenraum fand er die Tochter Kerkums. Sie lag auf einem Bett und atmete nicht mehr. Landry kam hinzu, fühlte ihren Puls und aktivierte einen medizinischen Scanner.

»Gift«, flüsterte er.

»Sie sah wohl keinen Ausweg mehr«, sprach Aurec mit Bedauern.

Er hoffte, dass dieses Massaker bald vorbei sein würde. Übelkeit überkam ihn. Doch er riss sich zusammen. Der ganze Palast roch nach Tod. Draußen donnerten die Kanonen unablässig. Bevor sie Kerkum nicht fanden, würde das Töten kein Ende nehmen.

 

10. Am Scheideweg

Beunruhigt registrierte ich die Revolte auf Mashratan. Noch funktionierten die Transformgeschütze. Doch wie lange noch? Wir mussten handeln. Sofort.

»Rhifa Hun, es gibt Probleme.«

Wirsal Cell starrte mich entgeistert an. Ebenso der dorgonische Legat Seamus. Cell blickte auf seine Konsole und schien nun auch zu begreifen, was auf Mashratan vor sich ging.

»Klappt es nicht mit der Galaxisherrschaft?«, fragte Rhodan provozierend.

»Nun«, sagte Wirsal Cell, um gleich wieder zu schweigen. Dann winkte er Seamus zu sich und schien ihm auf dem Display die aktuelle Entwicklung zu zeigen. Der Dorgone war alles andere als amüsiert. Genervt wandte er sich ab.

»Wir vernichten jetzt die gegnerische Flotte. Die VERDUN und HESOPHIA reichen aus, um sie in die Reichweite der Geschütze Mashratans zu drängen. Wenn die Flotte vernichtet ist, zerschlagen wir die Rebellen auf dem Planeten.«

»Ihr habt verloren und solltet es erkennen. Die Dorgonen müssen nicht unsere Feinde sein. Wieso unterstützt ihr wahnsinnige Terroristen, anstatt friedlich mit uns zu verhandeln?«

»Weil ihr Primaten seid, weil die Milchstraße die dorgonische Zivilisation braucht. Friedliche Verhandlungen sind keine Option, Rhodan. Spare dir deine Worte. Sie sind umsonst!«

Ich wollte mir den Streit nicht mehr anhören. Abseits von ihnen befand sich eine zweite Kontrollkonsole. Dort stellte ich eine Verbindung mit Admiral Kolley her.

»Alle Beiboote ausschleusen. Wir greifen an. Versuchen Sie, die feindliche Schiffe in den Feuerradius der Transformkanonen zu locken.«

Kolley bestätigte. Innerhalb weniger Minuten waren die Kreuzer ausgeschleust und begannen ihren Angriff. Ich selbst übernahm die Kontrolle über die taktische Konsole. Meine Befehle wurden direkt an die zuständigen Abteilungen für Navigation, Funk, Ortung und natürlich die Waffenleitzentrale übertragen. Die VERDUN beschleunigte und feuerte mit ihren einhundert Transformgeschützen auf den Pulk an camelotischen, saggittonischen und terranischen Raumern. Ich konzentrierte mich zuerst auf die kleinen Kreuzer und vertraute auf die Stärke unserer Schutzschirme. Mit voller Feuerkraft schoss die VERDUN auf zwei PROTOS-Kreuzer Camelots. Die Schutzschirmstaffeln wurden innerhalb weniger Sekunden zerstört. Dazu waren die Kreuzer einfach zu klein. Beide vergingen. Ich nahm nun zwei INVINCIBLE-Kreuzer in die Zielerfassung und vernichtete sie innerhalb kürzester Zeit. Die Raumer verteilten sich. Die kleineren zogen sich zurück, während die größeren das Feuer auf die VERDUN intensivierten. Ein leichtes Beben ließ den Beschuss erahnen.

»Die HESOPHIA soll uns unterstützen«, forderte ich in Richtung Seamus gewandt. Seamus gab den Befehl weiter. Ein weiterer LFT-Kreuzer verging nun im Feuer der VERDUN. Schon war die HESOPHIA da und zerstörte innerhalb einer Minute einen zweiten Schlachtkreuzer der ODIN-Klasse. Allmählich verschwanden die Raumschiffe aus unserer Feuerreichweite. Sie suchten ihr Heil in der Flucht. Die Beiboote meldeten Verluste im Kampf gegen die arkonidischen Raumer. Ich befahl eine Neuformierung zusammen mit der VERDUN. Auf dem Weg zum Verband, wurden zwei weitere INVINCIBLE-Kreuzer zerstört. Sie hatten sich nicht rechtzeitig retten können. Der VERDUN-Verband wurde von arkonidischen Raumern verfolgt. Diese eitlen Narren. Sie waren in Feuerreichweite. Ich befahl den Beschuss aus allen verfügbaren Transformgeschützen. Die zwanzig Schlachtschiffe der TERMON-Klasse hielten dem Inferno nicht lange stand. Ein 500 Meter Raumer nach dem anderen erlosch in einer gewaltigen, grellen Explosion. Ein Dutzend zog sich zurück, doch nur vier von ihnen entkamen, da die HESOPHIA nun auch in den Kampf eingriff und der VERDUN-Verband sich ebenfalls neu formierte und die Transformgeschütze sprechen ließ.

Die Arkoniden hatten sich eine blutige Nase geholt, genauso wie die Cameloter und Terraner. Einzig die Saggittonen hatten die Schlacht unbeschadet überstanden. Wie stark waren sie wirklich? Uns lagen nicht genügend Informationen vor. Die SAGRITON war ebenbürtig. Sie war nicht nur größer als die VERDUN, sie besaß Beiboote und an der Seitenlinie starke, transformähnliche Geschütze. Ich gab den Befehl, den Angriff fortzuführen.

Unser Pulk bewegte sich auf den arkonidischen Verband zu. Doch diese wichen aus. Die Kreuzer der DOR-KATI und der TERMON-Klasse bewegten sich außerhalb unserer Reichweite, während die 800-Meter Schiffe der KOBAN-Klasse und die ZHYM'RANTON sich in kurze Feuergefechte mit uns einließen. Sie fokussierten sich dabei auch auf unsere schwächeren Beiboote und zerstören drei Schiffe.

Allerdings bezahlten sie dabei einen hohen Blutzoll. Ehe sie unsere drei Schiffe zerstört hatten, waren zwei KOBAN-Schlachtschiffe vernichtet und drei weitere schwer beschädigt. Nachdem sich alle in die Tiefe des Weltraums zwischen Mashratan und Mashritun-6 geflüchtet hatten, beendete ich den Angriff.

*

»Eure Schiffchen sind keine Herausforderung«, sagte Wirsal Cell sichtlich entspannt.

Perry Rhodan wirkte keineswegs verunsichert. Er wechselte einen Blick mit Imperator Bostich. Gelassen setzte er sich auf das Pult und sah Wirsal Cell beinahe mitleidig an.

»Ihr könnt dieses Katz und Maus Spiel nicht ewig weiter betreiben. Wenn es Tumulte auf Mashratan gibt, bedeutet dass, das meine Leute dort sind. Sie werden nicht verlieren.«

Woher nahm Rhodan nur diese Selbstsicherheit? Dieses Vertrauen in seine Freunde? Bostich wirkte ungehalten.

»Deine Leute? Was ist mit meinen? Bestimmt metzeln meine Kralasenen in diesem Moment die mashratischen Affen nieder!«

Rhodan stand auf und schnellte auf Bostich zu.

»Dein Übermut nervt.«

Bostich starrte Rhodan offenbar überrascht an. Doch der Zellaktivatorträger hörte nicht auf. Er schubste Bostich. Wirsal Cell lachte laut auf. Bostich schubste zurück.

»Ich lasse mich nicht von einem Primaten betatschen.«

»Das sagte schon Thora. Sie wurde eines besseren belehrt.«

»Das ist ja widerlich, Rhodan!«

Die beiden stritten weiter, plusterten sich wie Gockel auf und gingen argwöhnisch durch den Raum. Plötzlich holte Bostich aus, doch Rhodan duckte sich ab. Sollte ich eingreifen? Aber wieso denn? Dieses Gezänk war amüsant. Rhodan und Bostich rangelten. Sanna wollte schlichten, doch sie hatte keine Chance.

»Trennt diese Wichte voneinander«, befahl Seamus entnervt. Zwei der vier Prettosgardisten in diesem Raum eilten zu ihnen, da drehte sich Rhodan um und donnerte dem ersten die Faust ins Gesicht. Sanna Breen schaltete sofort und trat mit einem wuchtigen Kick dem anderen Dorgonen gegen den Kopf. Benommen fiel dieser zu Boden. Bostich eilte zu Seamus und packte ihn. Rhodan rang noch mit dem anderen, während sich Sanna den Strahler des bewusstlosen Dorgonen schnappte. Doch die anderen beiden Gardisten hatten bereits ihre Strahler gezogen und zielten auf Sanna. Sie würde nicht rechtzeitig das Feuer erwidern.

Nein!

Ich zog blitzartig mein Schwert. Ohne nachzudenken wirbelte ich herum und enthauptete die beiden Prettosgardisten mit einem Hieb. Zuerst fielen die Köpfe platschend auf den Boden, gefolgt von dem restlichen Körper.

»Despair!«, schrie Cell aufgebracht.

Ich ging zu Sanna. Sie blickte mich ratlos an. Zitternd hielt sie den Strahler auf mich gerichtet, doch sie brachte es nicht fertig, auf mich zu feuern. Ich schlug ihn ihr aus der Hand. Mit dem Fuß kickte ich die Waffe auf die andere Seite des Raumes. Ich packte Rhodan am Nacken und riss ihn von dem Prettosgardisten los. Rhodan löste sich aus meinem Griff und schlug zu. Er stieß einen dumpfen Schrei aus, hielt sich die Hand und wich mit einem guten Reflex meiner Faust aus.

Doch dem Griff meiner Pranke konnte er nicht mehr entkommen. Meine Hand umklammerte Rhodans Hals. Er rang nach Luft. Langsam hob ich ihn hoch.

»Keine Exkursionen mehr. Imperator, lassen Sie Seamus los. Sonst sind Sie der nächste.«

Die beiden Prettosgardisten hatten sich inzwischen erholt. Sie nahmen ihre Strahler und richteten sie auf Sanna und Bostich.

»Niemand wird erschossen«, sagte ich entschlossen. Dann ließ ich Rhodan los, der nach Luft ringend auf die Knie sank. Bostich trat von Seamus zurück.

Niemand wagte es auch nur ein Wort zu sprechen oder all zu laut zu atmen. Wirsal Cell blickte mich verblüfft an. Seamus nahm einen Strahler und betrachtete ihn.

»Du hast zwei meiner Elitesoldaten geköpft. Offenbar ist sich der Ritter nicht im Klaren, auf welche Seite er gehört. Alles wegen dieser Frau dort?«

Seamus betrachtete Sanna äußerst verächtlich. Dann wandte er sich wieder an Cell.

»Ich erwarte Genugtuung!«

Rhifa Hun wanderte um das Pult herum. Er sah mich an. Sein vorwurfsvoller Blick bereitete mir ein schlechtes Gewissen. Doch ich hätte Sanna nicht einfach sterben lassen können. Das musste Wirsal Cell verstehen.

Schließlich sagte er: »Später. Wir haben Wichtigeres zu tun. Wir müssen uns um Mashratan kümmern.«

 

11. Der Sturz des Adlers

Jan Scorbit und Gucky beobachteten beunruhigt die Kämpfe. Jan war es gelungen, die Ortung des Pikosyn so abzuschirmen, dass die Dorgonen diese hoffentlich nicht nach verfolgen konnten. Gucky erlebte die Schlacht bedeutend intensiver, denn er las die Gedanken von tausenden Raumfahrern, die verzweifelt kämpften und starben. Der Mausbiber wirkte erschöpft und gereizt. Sein sprichwörtlicher Humor war in diesen Momenten verflogen.

»Es wird Zeit, dass wir diesen Wahnsinn stoppen. Hast du alle Informationen, die wir brauchen?«

»Ja«, sagte der terranische Wissenschaftler ernst. »Wir wissen nun, wo sich die primäre als auch die Notenergieversorgung befinden.« Weitere Analysen und ein Ausschlussverfahren sowie Guckys telepathische Spionage ließen Scorbit nun klar und deutlich die Energieversorgung lokalisieren.

»Wenn wir an bestimmten Punkten die Versorgungsleitungen kappen, werden einige Systeme ausfallen. Bewaffnung, Defensive, Rollfelder, Ortung. Dann müssen wir hier schnell weg.«

»Und wie?«, wollte der Ilt wissen.

»Das weiß ich nicht.«

»Prima… den Transmitter können wir wohl nicht bedienen?«

»Dazu müsste ich mir die Kontrollen ansehen. Wenn es mir gelingt, das Signal eines Gegentransmitters anzuwählen, müsste es gehen. Ich kenne die dorgonischen Zahlen- und Schriftzeichen.«

»Sehr vage. Aber besser als nichts.«

Gucky nahm seinen Rucksack und kramte eine der Zeitbomben hervor.

»Machen wir uns ans Werk!«

*

Während Gucky und Jan Scorbit an den strategisch wichtigen Knotenpunkten der Energieversorgung die Bomben anbrachten, informierte Gucky immer wieder über die Ereignisse. Auf Mashratan wurde gekämpft. Aurec und die anderen waren frei und suchten Oberst Kerkum. Diesen konnte Gucky jedoch nicht lokalisieren. Er musste mentalstabilisiert sein. Ebenso war es ihm weiterhin nicht möglich, Gedanken auf der VERDUN zu lesen. Zwar fühlte er die Anwesenheit der Personen, doch es waren nur diffuse Lebenszeichen für ihn, die er zwar ihm bekannte Leute zuordnen konnte, mehr jedoch nicht.

Nachdem sie nun alle Bomben gelegt hatten, teleportierten sie in die dorgonische Waffenkammer und nahmen so viele Strahler, wie es ihnen möglich war. Die Technik der Handfeuerwaffen war simpel. Jedoch gab es ein Problem: Sie besaßen eine Schutzvorrichtung. Jan Scorbit probierte etwas herum. Keine der Waffen ließ sich aktivieren. Dabei fiel ihm der Sensor am Knauf auf. Dieser Sensor schien die DNS des Waffenträgers zu überprüfen. Vermutlich waren alle Waffen so eingestellt, dass sie nur bei Dorgonen funktionierten. Scorbit unterrichtete Gucky darüber.

»Hm, wir können schlecht den Dorgonen die Hände abhacken. Kannst du den Sensor deaktivieren?«

Scorbit schraubte eine Waffe auf und entfernte den Sensor. Doch es funktionierte nicht. So machte er sich an die nächste. Gucky lief ungeduldig im Raum umher. Jan störte das, doch er ließ es sich nicht anmerken. Er benötigte sieben Waffen, ehe er den richtigen Weg fand, um den Sensor zu deaktivieren und den Strahler dabei nicht unbrauchbar zu machen. Nun fuhr der Rechner der Waffe hoch. Jan zielte zum anderen Ende des Raumes. Ein Energiestrahl löste sich und zerschmolz beinahe die Wand.

»Ups. Ich glaube hier kann man die Feuerkraft regulieren.«

Er versuchte es erneut und der Strahl wurde abgeschwächt. Eilig machten er und Gucky sich daran, die Waffen zu modifizieren. Mehr als ein Dutzend konnten sie sowieso nicht tragen. Dann sprangen sie in den Inhaftierungstrakt. Gucky zündete die erste Bombe, welche eben diese Etage traf. Die interne Ortung und die Energieversorgung für Fesselfelder und Energiebarrieren waren deaktiviert.

Gucky schnellte hervor, während Jan zurück blieb und versuchte, keine der Waffen fallen zu lassen. Telekinetisch schubste Gucky die dorgonischen Wachen gegen die Wand. Er packte sie und teleportierte sie in einen anderen Bereich der HESOPHIA. Gucky musste schnell diesen Vorgang dreimal wiederholen, dann waren die Wachen weg.

Nur zögerlich trat Reginald Bull aus der nun offenen Zelle hervor.

»Du hast dir Zeit gelassen«, meinte Bull trocken.

»War klar, dass du meckern musst. Danke Gucky, das hast du toll gemacht. Danke Jan, super, dass du das technisch hinbekommen hast. Ihr zwei seid die Besten – das wäre ja mal eine Begrüßung gewesen«, meckerte Gucky, während Jan die Waffen verteilte. Immer mehr der 58 Raumfahrer kamen nun aus den Zellen. Darunter auch Wyll Nordment und Monkey.

»Wie sieht euer Plan aus?«, fragte der Oxtorner mit seiner tiefen Stimme.

Gucky zeigte die Fernsteuerung für die Bomben und drückte auf den Knopf. Die HESOPHIA wurde erschüttert. Das Licht flackerte. Ein Ruck ging erneut durch das Adlerraumschiff. Einige wurden von den Beinen gerissen.

»Und jetzt zum Transmitter!«

*

»Ich verlange sofort eine Genugtuung«, brüllte Seamus aufgebracht. Er fuchtelte mit dem Strahler umher. Dann richtete er ihn auf Sanna Breen.

»Nein«, rief ich und stellte mich vor sie.

»Wie kann dieser Narr es nur wagen? Er setzt die Allianz zwischen Dorgon und der Mordred wegen einer unbedeutenden Frau aufs Spiel? Bei allen Göttern, Despair, ich schenke dir 1.000 traumhafte dorgonische Konkubinen.«

»Sanna Breen ist einzigartig«, antwortete ich und bemerkte ein leicht beeindrucktes Schmunzeln bei ihr.

»Nun gut«, sagte Seamus und schoss.

Ich spürte einen brennenden Schmerz an der Hüfte. Der Energiestrahl hatte mich an der rechten Seite getroffen. Ich sank auf die Knie. Seamus feuerte ein zweites Mal und traf diesmal meine linke Schulter. Ich kippte nach hinten. Sanna Breen beugte sich über mich. Sanft berührte sie mich und doch war sie hilflos. Sie konnte meine Wunden nicht versorgen.

»Halte durch«, flüsterte sie.

»Das ist also die große dorgonische Zivilisation? Bisher habe ich nur eines von den Dorgonen kennen gelernt: Brutalität. Nicht einmal die Arkoniden waren so rücksichtslos in ihrer arrogantesten Epoche.«

»Schweig, Primat. Ich habe genug von euch Milchstraßengesindel. Cell, ich nehme jetzt Rhodan und Bostich auf die HESOPHIA und kehre nach Dorgon zurück. Du wirst das Problem hier schon lösen.«

»Aber…«, stammelte Cell. »Das war gegen die Vereinbarung. Ich brauche die dorgonische Hilfe.«

Seamus wandte sich ab. Einer der Prettosgardisten trat mit besorgter Miene auf ihn zu. Ich rappelte mich ein wenig auf. Sanna stützte mich. Ich konnte kaum stehen, so sehr schmerzte die Seite.

»Die HESOPHIA ist in Schwierigkeiten«, meldete der dorgonische Centrus.

»Was hat das zu bedeuten?«

Seamus blickte sich ängstlich um. Ich ging an meine Kontrolleinheit. Sanna half mir dabei. Plötzlich stand auch Perry Rhodan neben mir. Ich tippte etwas auf dem Display ein. Die HESOPHIA hatte gestoppt. Die Sensoren zeigten einen rapiden Energieverlust und Explosionen im Inneren an.

»Die HESOPHIA ist manövrierunfähig«, bestätigte der Prettosgardist. »Offenbar Sabotage.«

»Sabotage?«, rief Seamus. »Oh, dieses Milchstraßengesindel!«

Er blickte zu uns.

»Was habt ihr getan?«

»Ich sagte doch, ihr werdet verlieren«, antwortete Perry Rhodan entschlossen. »Es scheint, als haben unsere Verbände mitbekommen, dass die HESOPHIA wehrlos ist.«

*

Sie bahnten sich den Weg zum Transmitterraum. Die Dorgonen waren in heller Aufregung. Erst im Korridor zum Transmitter begegnete ihnen bewaffnetes Personal, welches jedoch von Monkey und Gucky ausgeschaltet wurde. Jan stellte sich an die Konsole. Das sah alles so fremd aus, aber dort waren Zahlen und ein Eingabefeld. Vielleicht war es ja für die Empfangsstation. Gucky sendete den vereinbarten Code an die IVANHOE.

»Jeamour hat mir gedanklich bestätigt, dass der Transmitter bereit ist«, sagte der Mausbiber.

Jan hoffte, er hatte die richtige Reihenfolge eingegeben. Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Der Transmitter leuchtete vor ihm. Er blickte zu Gucky. »Wenn du meine Gedanken in ein paar Sekunden noch lesen kannst, hat es funktioniert. Wenn nicht, dann…«

Dann rannte Jan schon los, schloss die Augen und lief in den Transmitter. Wenige Momente später rannte er weiter und stieß dabei mit Xavier Jeamour zusammen.

»Tschuldigung, Sir«

Jan dachte intensiv daran, dass er jetzt auf der IVANHOE war. Nun traten auch die Raumfahrer der FREYJA aus dem Torbogen. Zuletzt Bully, Gucky, Monkey und Wyll Nordment.

»Willkommen an Bord, Sir!«, grüßte Xavier Jeamour.

»Wurde auch Zeit«, grummelte Bull. »Wie ist die Lage?«

Wir haben die HESOPHIA eingekreist. Auf Mashratan wird gekämpft. Wir haben Meldung von Homer G. Adams erhalten. Demnach befinden sich die Entführten auf der VERDUN.«

Doktor Jennifer Taylor eilte in den Transmitterraum und begann mit der Versorgung der Offiziere. Sie musterte Bullys Schramme über der Stirn.

»Da reicht ein Pflaster«, meinte sie ruhig.

»Wie führsorglich du bist, Frau Doktor«, erwiderte Bull.

Taylor sprühte Ektoplast auf seine Wunde und kümmerte sich um die nächsten Patienten. Bull stemmte die Arme in die Hüfte.

»Wir müssen Perry da raus hauen!«

Bull wirkte entschlossen. Jan war von der Persönlichkeit Reginald Bulls fasziniert. Der untersetzte, kantige Terraner mit den roten Haaren war ein Mann der ersten Stunde der Dritten Macht. Er und Perry Rhodan hatten den Kontakt mit den Arkoniden hergestellt. Bull war eine Legende und Jan Scorbit kam nicht umher, ihn zu bewundern.

Es war für ihn schwer zu begreifen, dass er gemeinsam mit Reginald Bull und Gucky dieses Abenteuer bestritt. Automatisch folgte er Bully, Nordment, Monkey, Gucky und Jeamour zur Kommandozentrale der IVANHOE. Nordment erkundigte sich natürlich nach seiner Frau Rosan. Mit sichtlicher Erleichterung erfuhr er, dass Rosan bei Aurec und den anderen auf Mashratan war.

»Was machen wir mit dem Adler?«, fragte der Erste Offizier, James Fraces, als die Gruppe die Zentrale betrat.

»Kapern«, schlug Bull vor. »Oder habt ihr genügend Informationen über die Dorgonen gesammelt?« Nun blickte Bull Gucky und Scorbit an.

»Äh«, machte Jan verlegen.

»Mal abgesehen davon, dass wir die knapp 3.000 Dorgonen nicht grundlos über den Jordan jagen, lieber Bully, nein, wir haben die Sprache entziffert, etwas über die Kultur sowie Maniküre und Pediküre gelernt.«

»Kein Wunder, dass ihr solange für die Befreiung gebraucht habt, wenn ihr dort einen Wellnessurlaub gemacht habt. Nein, wir jagen sie nicht grundlos in die Luft. Funkverbindung herstellen. Du erlaubst?«

Bull blickte Jeamour an.

»Natürlich, die Brücke gehört dir.«

Bully stellte sich vor die Kamera.

»Hier spricht Reginald Bull. Ich stelle den Dorgonen ein Ultimatum. Wir akzeptieren eure Kapitulation in den nächsten fünf Minuten.«

*

Jeder im »Zentrum der Macht« Rhifa Huns bekam das Ultimatum von Reginald Bull mit. Seamus starrte fassungslos durch den Raum. Er sank auf einen Sessel aus Formenergie.

»Petronus wird darauf eingehen. Ein Adlerraumschiff in den Hände von Primaten…«

Seamus schien am Boden zerstört.

»Es ist alles verloren.«

Dann schien ihn den Mut der Verzweiflung zu packen. Er erhob sich und ging zu Wirsal Cell. Seamus packte ihn an den Schultern.

»Wir haben noch die Geiseln. Wir müssen nach Dorgon fliehen. Die VERDUN mit mir.«

»Flucht im Augenblick des Triumphes?«, fragte Cell überrascht.

»Welcher Triumph, du Narr!«

Seamus riss sich los. Er hob seinen rechten Arm. Dort befand sich ein langer Armreif, der ein Computer war. Seamus machte eine Eingabe.

»Lebe Wohl, HESOPHIA!«

*

»Hier spricht Dux Petronus, Kommandant der HESOPHIA. Wir kapitulieren und hoffen auf eine gerechte Behandlung«, lautete die Antwort der HESOPHIA.

»Die garantiere ich dir und deinen Raumfahrern, Dux«, versprach Bull. Doch plötzlich erlosch das Bild des untersetzten Dorgonen. Jan Scorbit starrte auf die Außenanzeige. Die HESOPHIA explodierte. Zuerst das Mittelteil, dann die Flügel, zuletzt der Kopf. Alles verging in einer supernovaähnlichen Explosion. Alle Dorgonen waren tot.

»Das war kein Raumschiff. Kein Beschuss erfolgte«, meldete Lorif.

»Selbstzerstörung? Aber wieso? Die haben sich doch ergeben!«

Bull verstand es nicht. Ich ebenso so wenig. Doch Gucky wusste offenbar die Antwort: »Seamus.«

*

Dieser wahnsinnige Dorgone zerstörte sein eigenes Raumschiff und schickte seine gesamte Crew in den Tod. Die HESOPHIA war vernichtet. Nichts war mehr von ihr übrig. Seamus hatte einen Selbstzerstörungsimpuls gesendet und damit das Schicksal des Adlerraumschiffes besiegelt.

Der Schmerz an der Hüfte und in der Schulter raubte mir beinahe die Sinne. Kraftlos drohte ich einzuknicken, Sanna konnte meine Last auch nicht halten, doch ich riss mich schnell wieder zusammen. Ich durfte keine Schwäche zeigen. Weder gegenüber Cell, noch Rhodan oder den Dorgonen. Ich war der Silberne Ritter!

»Nun, wann brechen wir auf?«, fragte Seamus.

»Aufbrechen?«, wiederholte Cell irritiert.

»Nach Dorgon! Wir gruppieren uns neu und kehren mit einer Invasionsflotte zurück. Mit Rhodan und Bostich haben wir die mächtigsten Männer der Milchstraße.«

Cell starrte ins Leere. Für ihn musste eine Welt zusammen brechen. Er hatte sich kurz vor dem Sieg gewähnt. Nun war alles vorbei. Es war so unnötig gewesen. Wir hätten die HESPOPHIA beschützen können. Doch das mangelnde Vertrauen in die Mordred, hatte Seamus zu dieser Wahnsinnstat verleitet. Doch nun lief alles aus dem Ruder. Wenn es Aurec und den anderen auf Mashratan gelang, Kerkum zu besiegen und die Transformgeschütze zu vernichten, mussten wir in der Tat fliehen. Die Geiseln waren dann unser letzter Trumpf.

»Nehmt Kurs auf Mashratan. Wir kommen dem Obersten zu Hilfe«, befahl Cell. Er fluchte laut, da er nicht die Verbindung zur Kommandozentrale hergestellt hatte. Wütend hämmerte er auf der Konsole herum, ehe die audiovisuelle Kommunikation mit Admiral Kolley zustande kam. Jedoch erschien Soram Tohmar, der Erste Offizier zuerst als kleines, dreidimensionales Abbild auf der Konsole Cells.

»Verplempern Sie nicht meine Zeit, wo ist Kolley?«, herrschte Cell ihn an. Es war offensichtlich, dass Cell nervös war. Auch Rhodan, Bostich und Sanna merkten dies.

Nun endlich erschien die Spielfiguren kleine Holografie des Admirals vor dem wütenden Cell.

»Kurs nach Mashratan. Wir helfen Kerkum. Beeilung!«

»Ja, Sir«, erwiderte Kolley nüchtern, wie immer. So leicht ließ den Admiral nichts aus der Ruhe bringen. Ich lehnte mich an die Wand, versuchte mit den Schmerzen klarzukommen. Schmerz war ich gewöhnt, doch diese waren intensiver. Die Wunden waren immerhin kauterisiert. Es tat dennoch nicht weniger weh, verminderte jedoch einen zu hohen Blutverlust.

Rhodan ging zur mir. Er wechselte einen kurzen Blick mit Sanna. Dann sagte er: »Hast du dich eigentlich jemals gefragt, ob der Feuerbefehl 1283 auf Mashratan nicht von mir gekommen sein könnte?«

 

12. Kampf um Mashratan

Aurec folgte den Feuergeräuschen. Die Gruppe um Tolk, Cascal, Landry und den anderen war unweit vor ihm. Plötzlich stürmten von der Seite mashratische Wachen heran. Aurec schoss. Will Dean hinter ihm unterstützte ihn umgehend. Der Saggittone erkannte Kerkums Sohn, Ali Judäa Kerkum. Dieser setzte sich ab und eilte in einen anderen Korridor.

Aurec rannte in einen Nebenkorridor. Er hegte die Hoffnung, dass dieser zum anderen mit Kerkum folgte. Der Saggittone hörte Schritte hinter sich. Kurz blickte er sich um und sah einen Mann in schwarzer Montur mit schütterem Haar. Tyler. Ihm folgte der Springer Japar. Der Korridor nahm eine Biegung. Hörte Aurec auch Schritte und lautes Atmen von vorne? Er hielt den Strahler im Anschlag. Da war auch schon Kerkum. Aurec schoss nicht, sondern lief direkt in Kerkum und versetzte ihm dabei einen Kinnhaken. Tyler und Japar packten den Sohn des Obersts. Japar hielt ihn fest, während Tyler ihm einen Schlag in den Bauch versetzte.

»Aufhören«, sagte Aurec ernst und blickte zu Kerkum. »Wo ist dein Vater?«

Kerkum spuckte Aurec ins Gesicht und grinste.

»Gebt auf. Mein Vater mobilisiert in diesem Moment eine neue Solare Flotte. Moderne Raumschiffe der GALAXIS-Klasse, zehntausende davon, befinden sich auf dem Weg nach Mashratan!«

Aurec glaubte das nicht. Es hatte keinen Sinn. Der würde nicht reden. Aurec gab Tyler und Japar einen Wink.

»Bringt ihn zum Kreuzer.«

»Na komm schon, Sissy«, meinte Tyler drückte Kerkum den Strahler an den Kopf. Dieser ging nun ohne Widerstand zu leisten mit.

Der Interkom summte auf. Es war Homer G. Adams.

»Die HESOPHIA wurde zerstört. Bull, Gucky, Nordment, Monkey und alle anderen sind sicher an Bord der IVANHOE.«

Aurec ging weiter, während er Adams Worte lauschte. Das waren gute Nachrichten. Wieder waren ein paar Freunde gerettet. Dennoch schwebten Perry Rhodan, Sam und Sanna Breen in direkter Gefahr. Sie von der VERDUN zu befreien, war unmöglich.

»Eine Spur von Kerkum?«, wollte Aurec wissen.

»Negativ.«

Aurec musste weiter suchen. Er eilte hinaus auf den Balkon. Ihm fiel auf, dass die Fassade hinauf zu Kerkums pompöser Terrasse fensterlos war. Was befand sich darin? Aurec kletterte die Notleiter hoch. Sollte alle Technik ausfallen im Falle eines Brandes, waren solche Hilfsmittel dazu gedacht, zu entkommen. Endlich erreichte er die Terrasse auf dem Dach. Vor ihm befand sich die geschlossene Luke zu Kerkums Flugabwehrkanone. Aurec suchte nach einer Möglichkeit, sie zu öffnen. Vergeblich. Er blickte sich um und ging in Richtung des Pools. Von dort hatte er einen hervorragenden Überblick auf Vhrataalis. Die Stadt stand in einigen Vierteln in Flammen. Dichter schwarzer Rauch zog über die Skyline. Auch das Kirchenviertel, welches direkt an den Palast grenzte, brannte lichterloh. Schüsse hallten ihm aus weiter Ferne entgegen.

Der Krieg hatte Mashratan überzogen. Ein Bürgerkrieg, der sicher nicht zu Ende war, wenn LFT, Arkon und Camelot abzogen. Das war vermutlich nur der Anfang. Plötzlich hörte Aurec ihm eher weniger vertraute Musikgeräusche. Es klang wie eine sogenannte terranische E-Gitarre. Aurec erkannte eine Melodie und Gesang.

Well, I stand up next to a mountain

And I chop it down with the edge of my hand

Yeah

Ein Zischen und ein Surren ließen ihn sich langsam umdrehen. Die Flugabwehrkanone fuhr aus ihrem Depot hoch. An der Steuerung saß Kerkum. Links neben Kerkum stand ein Musikplayer. In der rechten Hand hielt Kerkum eine Flasche Vurguzz.

Kerkum richtete die FLAK auf Aurec. Dieser kam sich nun ziemlich unbewaffnet vor. Was sollte er mit seinem Strahler schon ausrichten.

»Können wir nicht reden?«

»Reden? Aha? Pah! Jetzt will er reden. Hast du gehört, reden will er. Mit uns!« Kerkum schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck aus der Pulle.

Aurec nutzte die kurze Unaufmerksamkeit von Kerkum und rannte um die Ecke hinter das Dachhaus. Aurec warf sich auf den Boden, als er das Donnern der FLAK vernahm. Als die Energiesalven über ihn einschlugen, dachte Aurec, sein Leben sei vorbei. Putz und Steine prasselten hinunter. Es wurde unerträglich heiß. Aurec krabbelte weiter und weiter, während Kerkum die halbe Etage in Schutt und Asche legte. Aurec sah die Notleiter und robbte sich dorthin. Er kletterte wieder eine Etage tiefer, rannte auf dem Balkon zu jener Stelle, an der er hochgeklettert war. Aurec hangelte sich an der Leiter hoch. Vor ihm spie das metallische Ungetüm seine tödliche Ladung in entgegengesetzter Richtung aus. Kerkum thronte auf dem Schemel, lachte und wurde von dem Rückstoß der FLAK immer wieder durchgeschüttelt. Aurec packte den Despoten und riss ihn runter. Kerkum schrie bellend. Er biss Aurec in den Arm. Der Saggittone ließ kurz los. Die Zeit nutzte Kerkum, um ins Innere des Gebäudes zu rennen. Aurec folgte. Er bekam Kerkum an den Beinen zu packen. Beide rangen miteinander. Der Wüstendespot kratzte, biss und trampelte wie ein Irrer. Dann riss er sich los. Er streifte sein Oberteil ab, spannte die Muskeln und Glieder und stieß ein komisches Geräusch aus. Dann stürzte er sich auf Aurec, der seine Mühe hatte, Kerkum von sich zu halten. Der Oberst war kräftiger, als Aurec vermutete. Kerkum trat gegen Aurecs Knie, dann eilte er zu einem Wandschrank voller Waffen. Irre grinsend hob er die Granate hoch, doch ehe er sie auf Aurec werfen konnte, hatte der Saggittone ihn gepackt und warf die Granate in die andere Ecke. Aurec sprang hinter eine kleine Trennwand, da explodierte sie schon. Plötzlich zitterte der ganze Boden. Aurec lugte hinter der Wand hervor und sah einige Möbelstücke in die Tiefe fallen, dann war es auch schon zu spät.

Die gesamte Decke stürzte ein und sie fielen eine Etage tiefer.

*

Aurec fand sich in der verwüsteten Waffenkammer wieder. Alle Knochen taten weh. Immerhin hatte er den Sturz überlebt. Ein heiseres Lachen weckte ihn aus seiner Benommenheit.

Oberst Kerkum!

Aurec rappelte sich auf.

Kerkum griff nach einem Säbel und salutierte vor Aurec. Der Saggittone suchte den Boden ab und fand einen Krummsäbel. Er hob ihn auf und erwiderte die terranische Ehrenbezeugung.

»Oh Solares Imperium, wo bist du nur geblieben? Der Glanz deiner Raumschiffe ist verblasst. Das wärmende Feuer der zerstörerischen Energieentladungen der mächtigen Superschlachtschiffe ist einer eisigen Kälte der Streichholzkanönchen gewichen. Oh, Rhodan, was hast du nur getan, du Verräter an der Menschheit.«

Der Oberst stand halbnackt vor ihm. Seine Uniform zerrissen, blutig und doch hielt sich Kerkum auf den Beinen und schwang mit seinem Säbel vor der Nase des Saggittonen. Aurec wich zurück und hob den eigenen Säbel in der rechten Hand.

»Ergeben Sie sich, Kerkum!«

»Wäre ich doch früher geboren worden. ES hätte mir eine Zelldusche gegeben, ja einen individuell abgestimmten Zellaktivator hätte ich erhalten.«

Kerkum schüttelte traurig den Kopf.

»Perry Rhodan ist nicht mehr der, der er war. Wäre es nicht Zeit für einen neuen Rhodan?« Kerkum lachte gackernd. »Einen Perry Rhodan Neo?«

»Neuauflagen werden überschätzt. Mir gefällt das Original sehr gut«, antwortete Aurec und stellte sich auf eine baldige Attacke des Obersten ein. Kerkum machte ein röhrendes Geräusch. Er zog Speichel hoch und spuckte ihn aus.

»Nein! Rhodan hat ausgedient. Sein erster Fehler war der Kampf gegen die Meister der Insel. Wäre ich an seiner und Atlans Stelle gewesen, hätte ich Mirona ordentlich vernascht und sie zu meinem Weib gemacht. Wir hätten über zwei Galaxien geherrscht.«

Aurec kommentierte die Träumereien des Despoten nicht weiter. Plötzlich die erste Attacke Kerkums. Aurec parierte, stieß Kerkum zurück und holte selbst zu einem Hieb mit dem Krummsäbel aus, den wiederum Kerkum abfing. Der Kampf ging hin und her. Aurec war bedacht, nicht über die Trümmer zu stolpern.

»Ihr alle seid schon tot«, schrie Kerkum mit zitternder Stimme. »Dann werde ich über die Milchstraße herrschen. Es ist die Rettung für die Galaxis!«

Aurec ließ ihn reden. Der Saggittone konzentrierte sich auf das Duell und nicht auf das Geschwafel seines Kontrahenten. Er beobachtete jede Bewegung des Oberst, dessen Mimik ihm schon längst entglitten war. Kerkum holte aus, Aurec drehte sich zur Seite, glaubte den Windzug der Klinge an seinen Rücken zu spüren. Der Saggittone drehte sich um die eigene Achse und stach zu. Der Säbel bohrte sich in die rechte Schulter des Wüstendespoten. Kerkum schrie auf und ließ sein Schwert fallen. Aurec zog das Schwert heraus. Kerkum sank auf die Knie. Er atmete schwer und hielt sich an die Wunde.

»Töte mich, du Hurensohn! Na los!«

»Heute sind genug Menschen gestorben«, antwortete Aurec und senkte das Schwert. »Es ist vorbei, Kerkum. Geben Sie mir die Kontrolleinheit der Transformgeschütze.«

Kerkum spuckte auf den Boden. Ein Speichelfaden blieb dabei an seiner Lippe hängen. Er lachte.

»Wieso sollte ich? Du wirst mich ja nicht töten. Elender Gutmensch. Du bist schwach!«

Aurec vernahm das Donnern der Transformgeschütze. Immer wieder feuerten die Schützen, sobald sie ein Raumschiff in Reichweite vermuteten. Erst wenn diese Waffen schwiegen, war der Kampf auf Mashratan gewonnen und sie konnten sich um die VERDUN kümmern.

»Aufstehen«, forderte Aurec.

Kerkum folgte dem Befehl. Sie verließen den Raum, suchten eine Treppe und gingen in die nächste Etage hinauf. Aurec kehrte mit Kerkum zu dessen Flugabwehrkanone zurück. Kerkum wurde nervös. Aurec kramte in einer Seitenablage neben dem Schützensitz den Rechner hervor.

»Das ist ja das gute Ding. Ihre letzte Chance, Oberst.«

»Nein, Ihre letzte Chance!«

Aurec informierte über Interkom, dass er Kerkum und den Rechner gefunden hatte. Er brauchte nun einen Wissenschaftler zu Dekodierung. Es dauerte nicht lange, dann tauchten auch schon Joak Cascal, Sandal Tolk, Sam Tyler und Japar auf. Cascal sah sich den Rechner an.

»Passwort?«, fragte er an Kerkum gewandt.

»Arschloch«, kam die Antwort.

»Echt jetzt? Ist Ihnen das eingefallen, als Sie in den Spiegel schauten«, erwiderte Cascal. Nun kamen auch Landry und Will Dean hinzu. Beide waren durchaus Spezialisten, was das Hacken von Rechnern anging. Zumindest wussten sie, welche Werkzeuge sie dazu anwenden mussten.

»Unsere Wissenschaftler sind auf die TAKVORIAN und IVANHOE«, meinte Tolk.

»Kann Gucky sie nicht hier her teleportieren?«, fragte Aurec.

»Nein«, sagte Cascal, während er das emsige Treiben von Dean und Landry beobachtete. »Die Distanz ist mit fast 25 Millionen Kilometern auch für ihn zu groß.«

Tyler lud seine Waffe durch und richtete sie auf Kerkum.

»Du hast es gehört, Wüstenratte. Ich zähle bis drei.«

»Tyler!«, rief Aurec entsetzt. Kerkum war ein Kriegsgefangener.

»Eins.«

Tyler bluffte doch nur, oder?

»Zwei.«

Warum unternahm keiner was? Aurec selbst blieb wie angewurzelt stehen. Er glaubte nicht daran, dass Tyler wirklich abdrücken würde. Vielleicht aber Kerkum.

»Drei.«

Kerkum erhob sich.

»Es gibt ein altes Sprichwort: Heute leben, Morgen kämpfen. Das Passwort ist …« Kerkum druckste rum. Tyler drückte die Mündung seines Strahlers an Kerkums Stirn.

»Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, Wüstenratte!«

Kerkum räusperte sich.

»Das Passwort ist mirona_das_luder_2400.«

Tyler rümpfte die Nase und blickte verständnislos die anderen an. Joak Cascal fing an zu lachen.

»Was? Ich habe mein edelstes Refry Mirona getauft«, sagte Kerkum gereizt.

Aurec wollte sich nicht ausmalen, wieso er ein schafsähnliches Wesen mit sechs Beinen nach der Meisterin der Insel Mirona Thetin benannte und wieso er das in Kombination mit dem Wort Luder als Passwort verwendete. Viel wichtiger war, dass es funktionierte. Landry und Dean bekamen Zugang auf die Kontrollen der Transformgeschütze. Von hier aus wurden Befehle an die Schützen weitergegeben.

»Wir können auch die Komplettsteuerung übernehmen«, erklärte Landry. »Soll ich sie deaktivieren?«

»Wartet mal«, rief Dean. »Wir haben doch den Hyperfunkcode von Jenmuhs und Despair. Dieser deaktiviert die Schutzschirme der VERDUN. Und sie ist in Reichweite der Transformgeschütze.«

Der Afroterraner stand auf.

»Wenn wir die Geschütze jetzt deaktivieren, bekommt die VERDUN das mit.«

Cascal grinste.

»Ich glaube, ich weiß, worauf Sie hinaus wollen, Mister Dean. Ein kluger Plan. Könnte klappen.«

»Das will ich doch hoffen.«

»Und was wird aus Rhodan? Wir können die VERDUN nicht zerstören«, warf Aurec ein.

»Das ist auch nicht die Idee, Sir«, erwiderte Dean. »Wir koordinieren uns mit den anderen Raumschiffen. Wenn wir den Hyperfunkkontakt senden, haben wir eine gewisse Zeitspanne. Die VERDUN kann nicht alle Raumschiffe und Geschützstellungen auf einmal vernichten, zumal die Crew in heller Aufregung sein wird. Wir vernichten die Transformgeschütze, Antrieb am Ringwulst und Paratronkonverter. Und dann…« Dean machte eine Pause und setzte ein schelmisches Grinsen auf die Lippen. »Kapern wir den Pott!«

 

13. Sturm auf die VERDUN

»Die haben ja nicht mehr alle Tassen im Schrank«, grummelte Reginald Bull, nachdem er den codierten Funkspruch von Mashratan erhalten hatte. Auch Jan Scorbit fand diesen Plan sehr gewagt.

Bully kratzte sich an dem stoppeligen Hinterkopf und pfiff durch die Gegend. Er drehte sich um und wandte sich an den Oxtorner Irwan Dove.

»Distanz zur VERDUN?«

»Sie befindet sich 20 Millionen Kilometer von uns entfernt und bewegt sich auf den Orbit Mashratans zu.«

»Sollen wir folgen, Sir? Wir könnten uns bis auf zehn Millionen Kilometer der Welt nähern, ohne in die Reichweite der VERDUN zu geraten«, fragte der Posbi Lorif. Bull musterte den Roboter mit seinen großen, roten Augen.

»Nein, dann wäre die VERDUN gewarnt, wenn Mashratan nicht auf uns ballert. Ich brauche eine Koordinierung mit allen verfügbaren Einheiten, eine Analyse der VERDUN und ihrer Schwachstellen.«

Bull blickte Jan Scorbit an. Der Wissenschaftler zeigte unschuldig mit dem Finger auf sich. Bull bewegte den Kopf ruckartig nach links.

»Na los, Junge! Hilf unserem Posbi-Freund.«

Scorbit nickte eilig und setzte sich mit Irwan Dove und Lorif zusammen. Nun galt es die Truppenstärke zu analysieren. Sie besaßen nach den Gefechten noch 162 kampffähige Raumschiffe.

»Mashratan überspielt uns die relevanten Daten«, meldete Lorif. Scorbit sah sich die Übertragung an. Der codierte Hyperfunkspruch, welcher angeblich die Schutzschirme der VERDUN deaktivierte, die Befehlscodes für die Transformgeschützstellungen auf Mashratan und die Konstruktionspläne der VERDUN.

»Ich schreibe eine neue Routine für die Transformgeschütze auf Mashratan. Ich wähle Ziele an der Oberfläche der VERDUN aus. Offensivbewaffnung, Defensivbewaffnung, Antrieb.«

»Achte auf die Dosierung der Geschütze. Wenn die VERDUN ohne Schutzschirm ist, könnten 7.000 Kanonen sie auch vernichten«, mahnte Dove.

»Selbstverständlich achte ich auf die Feuerkraft der Geschütze«, gab Lorif pikiert zurück. Sein Plasmazusatz musste wohl eingeschnappt sein.

Jan setzte sich derweil daran, einen der neuesten codierten Funksprüche zur Koordinierung noch einmal zu überarbeiten. Die VERDUN musste wohl alle Codes Camelots kennen, wenn dieser Wirsal Cell die Nummer Eins war. Das Datenpaket aus Mashratan war nach neuester LFT-Chiffrierung versendet worden. Die NORTH CAROLINA hatte über ein geschlossenes Netzwerk, welches heute nur zwischen den Raumern der LFT, Camelots und Saggittor installiert wurde, die Dechiffrierung übermittelt. Parallel war Monkey aufgebrochen, um die Arkoniden einzuweihen und ihnen persönlich bei der Installation dieses Subnetzwerkes zu helfen. Funksprüche wären in diesem Moment noch zu gefährlich gewesen. Der Feind hörte und las unter Umständen mit.

»Wir setzen am besten Raumtorpedos ein«, schlug Dove vor. »Wir müssen außerhalb der Reichweite der VERDUN bleiben. Torpedos mit Desintegratorbombenköpfen wären effektiv.«

»Sie sollten zentral von der IVANHOE gesteuert werden«, meinte Lorif.

»Aye«, bestätigte Dove.

Langsam erarbeitete die Gruppe einen ausgeklügelten Plan.

»Mit den Torpedos und Geschützen auf Mashratan vernichten wir die Transformlafetten, andere Geschütze, Projektionsköpfe für den Metagravantrieb, Hangars und die Hypertropf-Zapfer. Weiter könnten die GRAVITRAV-Speicherringe, die sich irgendwo unter der Hülle rund um den Kugelkörper ziehen, ebenfalls ad acta gelegt werden. Auch Paratron- und HÜ-Schirme haben Projektionsköpfe, die aus der Hülle herausragen«, rekapitulierte der Oxtorner und nickte, so als wolle er sich selbst sagen, der Plan sei gut.

»Wenn der Beschuss erfolgreich war, beginnt die Kaperung. Während das Enterkommando von Mashratan aus startet, müssen wir uns um die Beiboote der VERDUN kümmern«, schloss er die Ausführung des Plans.

Sie unterrichteten Reginald Bull, Xavier Jeamour und Gucky darüber.

»Gewagt, aber gut. Es hängt alles davon ab, ob dieser Code auch wirklich funktioniert«, so Bull. »Wenn nicht, wird die VERDUN vermutlich Mashratan dem Erdboden gleich machen und wir können aus der ersten Reihe zuschauen.«

»Haben wir eine andere Wahl, Dicker?«, fragte Gucky.

Reginald Bull seufzte und presste die Lippen zusammen. Er schwieg. Das war eine klare Antwort in diesem Fall.

*

Ich dachte immer wieder über Rhodans Worte nach. Was meinte er damit? Ich war stets davon ausgegangen, dass Rhodan den Befehl zur Bombardierung Mashratans damals gegeben hatte, bei dem ich so entsetzlich entstellt worden war.

Die VERDUN erreichte den Orbit von Mashratan.

»Das letzte Mal, als wir gemeinsam diesen Planeten ansteuerten, schrieben wir das Jahr 1283. Damals wähnte ich dich als Freund«, sagte Rhodan mit hörbarem Bedauern.

Cell lachte nur verächtlich.

»Ein Umstand, der es mir ermöglicht hatte, meinen Plan umzusetzen.«

»Der Angriff auf das Camelotbüro war von Mordred und Kerkum durchgeführt worden?«

»Ich dachte, du bist ein Schnellmerker, Rhodan.«

Cell blickte Rhodan nicht einmal an. Er war damit beschäftigt, eine Analyse der Kämpfe auf dem Wüstenplaneten durchzuführen. Der Schmerz ließ inzwischen ein wenig nach, nachdem ein Medoroboter mich notdürftig versorgte. Surrend schwebte der Roboter aus dem Saal. Die beiden Prettosgardisten standen um Seamus herum, der seit der Zerstörung der HESOPHIA apathisch wirkte.

»Wie hast du es geschafft, die Steuerung der camelotischen Raumschiffe zu übernehmen?«

»Das war leicht. Ich hatte ja Zugang zu allen Systemen und entwickelte ungehindert einen Trojaner, der automatisch den Feuerbefehl erteilte, die Logbücher manipuliert und…«

Cell stockte.

Was? Er war für den Angriff verantwortlich! Wirsal Cell starrte mich entsetzt an.

»Dass du dabei zu Schaden kommen würdest, war nicht geplant…«

Cell hatte meinen möglichen Tod geflissentlich in Kauf genommen. Ich war für mein Leben lang entstellt und gekennzeichnet. All die Schmerzen, die ich zu ertragen hatte. Seelische und physische Pein. All das hatte ich meinem Gönner und Mentor zu verdanken. Wirsal Cell war für meine Verwandlung zum Silbernen Ritter verantwortlich. Nicht Perry Rhodan.

Bevor ich etwas erwiderte, meldete sich Admiral Kolley über die interne Komleitung.

»Sir, Reginald Bull auf der IVANHOE wünscht Sie zu sprechen. Er möchte verhandeln.«

»Oh«, machte Cell verzückt und kicherte leise. »Nun, dann lassen wir den Dicken mal nicht warten.«

Cell setzte sich vergnügt in seinen Sessel und faltete die Hände vor seinen Bauch.

Reginald Bulls Hologramm erschien lebensgroß.

»Wie geht es dir, Alter?«, fragte er in Rhodans Richtung.

»Ich hatte schon einmal bessere Gastgeber«, antwortete Perry.

»Also gut, Cell, du elender Verräter. Ich gebe dir fünf Minuten Zeit für die bedingungslose Kapitulation, sonst trete ich dir in deinen faltigen Arsch!«

Cell lachte.

»Du verkennst wohl die Situation. Ihr dürft innerhalb von fünf Minuten kapitulieren, sonst werde ich den Somer Sam töten. Anschließend Sanna Breen.« Cell blickte zu mir. »Und alle, die versuchen, mich daran zu hindern.«

Ich registrierte, dass sich die IVANHOE auf uns zu bewegte. Sie war beinahe in Feuerreichweite. Was bezweckte sie damit?

»Wie du willst«, meinte Bull. »Du hattest die Chance.«

Plötzlich gingen alle 162 noch kampftauglichen Raumschiffe auf eine kurze Transition und materialisierten gerade an der Grenze zu unserer Feuerreichweite. Jedes der Raumschiffe feuerte mit Raumtorpedos auf uns. Die Torpedos würden niemals unseren Schutzschirm durchbrechen. Plötzlich schrillte der Alarm auf. Was war nun? Admiral Kolley meldete sich, die Schutzschirme wurden deaktiviert.

»Was? Wieso?«, brüllte Cell und tippte hastig Befehle in die Konsole.

Es dämmerte mir sofort, dass sie Cells Hyperfunkcode gesendet hatten. Sie hatten ihn entschlüsselt. Ich war beeindruckt und schockiert zugleich. Aber war es nicht das, was ich im Grunde genommen wollte? Sie stoppten die Mordred. Tief in meinem Inneren hatte ich das schon vor Monaten gewollt. Sonst hätte ich Shahira niemals den Code übergeben.

Die VERDUN wurde getroffen. Wieder und wieder. Alles bebte und wackelte. Ich hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Sanna fiel zu Boden, wie auch alle anderen. Nur ich stand noch. Wirsal Cell saß in seinem Stuhl und schrie wütend Befehle, die niemand hörte oder befolgte. Die taktische Analyse ergab, dass die ersten Treffer von Mashratan kamen. Die Transformgeschütze feuerten auf uns! Auf uns!

Kerkum hatte uns verraten. Oder er war tot.

Nun trafen die Raumtorpedos auf uns. Eine Erschütterung nach der anderen fuhr ächzend und donnernd durch den Stahlkoloss. Die Treffer waren wohl koordiniert und überraschten uns völlig. Ehe wir die Schutzschirme wieder aktivieren konnten, waren die Projektoren vernichtet. Der kurze Angriff war verheerend. Alle 100 Transformgeschütze sowie sämtliche Geschützstellen der MVH-Kanonen waren getroffen. Auch die Schutzschirm- und Metagravprojektoren, die Hangars brannten.

Das war das Ende der VERDUN. Wir hatten verloren. Es war völlig sinnlos, den Kampf weiterzuführen. Ich wandte mich an Cell.

»Es ist vorbei. Wir müssen kapitulieren.«

»Du dummer Bastard«, brüllte Cell. »Du verweichlichter Narr hättest auf Mashratan krepieren sollen. Du bist zu nichts nütze. Alles Versager. Alle!«

Cell vergrub das Gesicht zwischen den Händen.

Rhodan, Bostich und Sanna Breen unternahmen noch keinen Fluchtversuch. Die Prettosgardisten waren auf der Hut und ließen die drei keinen Moment aus den Augen. Nicht einmal, als sie während der Detonationen gestürzt waren. Was sollte ich nun tun?

Kolley meldete sich wieder.

»Sir, wir sind manövrierunfähig. Kaperraumschiffe nehmen Kurs auf uns.«

»Halten Sie bis zum letzten Mann«, befahl Cell kraftlos.

*

Die Operation war ein voller Erfolg. Die VERDUN war schwer getroffen und trieb im Orbit von Mashratan. Aurec befand sich derweil zusammen mit Cascal, Tolk, Tyler, Landry, Dean und den anderen Soldaten an Bord des Kreuzers und nahm Kurs auf die VERDUN.

Immer mehr Raumschiffe der Saggittonen, LFT, Camelots und des Kristallimperiums materialisierten um die VERDUN herum. Kleine Beiboote begannen ihren Flug auf den 3.500 Meter durchmessenden Giganten, der nun völlig wehrlos im All schwebte.

»Okay, die haben mindestens 5.000 Soldaten dort an Bord. Das wird kein Zuckerschlecken«, stimmte Cascal auf die bevorstehende Schlacht an Bord der VERDUN an.

»Wieso? Genug für jeden«, erwiderte Tyler.

Die IVANHOE und TAKVORIAN kreuzten nahe der VERDUN und begannen mit dem Narkosebeschuss durch die Hyperschallkanone. Dann steuerte ihr Schiff in einen der intakten Hangars.

»Raus, raus, raus!«, brüllte Cascal.

In unmittelbarer Nähe wurden sie bereits von Kampfrobotern erwartet. Die finale Schlacht um die VERDUN begann. Rechts neben Aurec detonierte eine Granate. Ein weiteres Beiboot landete. Zwei brüllende Oxtorner liefen hinaus und schossen eine Gruppe Kampfroboter nieder. Trotz der klobigen Seruns erkannte Aurec, dass es sich um Monkey und Irwan Dove handelte. Die Kampfroboter wurden einer nach dem anderen zerstört. Doch es kamen neue hinzu. Die Mordred-Soldaten, die nicht von den Narkosestrahlen erfasst wurden, blockierten ebenso den Ausgang des Hangars.

Eine Gruppe schnitt sich durch die Decke. Mit Antigravs schwebten sie in die nächste Ebene. Aurec folgte ihnen.

»Wir müssen dort lang zu den Inhaftierungsblocks.«

Plötzlich richtete Tyler die Waffe auf Aurec. Instinktiv rührte sich Aurec nicht, als der Schuss knapp an ihm vorbei ging. Er drehte sich um und blickte in das zerfetzte Gesicht eines Menschen im Kampfanzug der Mordred. Der Mann fiel rücklings zu Boden.

»Du schuldest mir was, Gönner«, sagte Tyler mit einem Hauch von einem Lächeln und setzte den Weg fort. Der Widerstand war in diesem Bereich nicht so groß, offenbar konzentrierten sich die feindlichen Soldaten auf den Hangar.

Im Inhaftierungsblock jedoch wurden sie mit einem Energiehagel aus dem anderen Ende des Korridors empfangen.

»Die haben uns festgenagelt. Wir brauchen die drei Großen«, rief Cascal ins Interkom. Einige Minuten später erreichten Monkey, Irwan Dove und Shan Mogul die Gruppe. Die Oxtorner waren widerstandsfähiger. So stürmten sie einfach durch den Korridor. Nachdem die Schutzschirme ihrer Seruns zusammen brachen, hatten sie die feindliche Gruppe erreichte, prügelten auf sie ein und schossen sie nieder. Diese umweltangepassten Terraner waren wahre Kampfmaschinen.

»Vorwärts«, rief Cascal.

Die anderen folgen. Aurec zögerte kurz, dann rannte auch er los. Er stolperte beinahe über die Leichen und Verwundeten der Mordred.

»Vorsicht, von links«, rief Tolk.

Shan Mogul drehte sich um, lud seine Waffe, die Aurec nicht einmal hätte hochheben können, und feuerte. Mit einem dumpfen Stakkato hämmerten die Energie- und Projektilgeschosse abwechselnd in Richtung der anstürmenden Mordred-Soldaten. Sie vergingen in einem scheußlichen Bild im Feuerhagel. Blut und Körperteile spritzen und flogen durch die Gegend. Shan Mogul schrie vergnügt vor sich hin, während er in ekstatischer Vernichtungslaune immer weiter feuerte.

»Ja! Nehmt das ihr Bastarde!«

Glücklich und zufrieden atmete der oxtornische Agent durch.

»So eine geile Wumme«, murmelte er und streichelte liebevoll über das Gewehr. Aus der anderen Richtung kamen zwei weitere Soldaten. Sandal Tolk spannte seinen Bogen. Ehe Aurec auch nur ansatzweise reagierte, hatte sich ein Pfeil bereits durch die Kehle des ersten Angreifers gebohrt. Der andere ließ die Waffe fallen und wollte weglaufen, doch da war schon Sam Tyler zur Stelle und schlug auf den Kerl ein. Japar kam von der Seite, packte den Soldaten am Kopf und drehte diesen knackend um 180 Grad herum.

Aurec hatte genug. Er kam sich reichlich nutzlos vor bei dieser Gewaltorgie. Er suchte die Zellen ab. In einer wurde er fündig. In der Ecke sah er den Ornithoiden in seinem blauen Gefieder.

»Sam!«, rief Aurec glücklich.

Der Somer erhob sich und ging ruhig auf die Energiewand zu. Aurec deaktivierte die Sperre.

»Ich bin angenehm berührt, dich wiederzusehen«, sagte Sam mit seiner sonoren Stimme. »Perry Rhodan und die anderen befinden sich vermutlich in der Kommandozentrale.«

»Dann ist das unser nächstes Ziel«, sagte Aurec entschlossen.

 

14. Das Ende der VERDUN

Die Energiespeicher im Zentrum der VERDUN funktionierten noch. Ich gab den Befehl, die Decks um die Kommandozentrale und dem »Zentrum der Macht« in einem Radius von 300 Metern abzuschirmen. Das verschaffte uns Zeit. Doch für was? Warum tat ich überhaupt noch etwas für Wirsal Cell, der mich verraten hatte? Vielleicht aus eigenem Überlebenswillen, aus naiver Loyalität?

»Was machen wir jetzt? Wir sind gefangen, wie eine hesophische Kanzilla in einem Archananetz«, sagte Seamus. Offenbar waren das beides Insekten. Ich wusste mit dem Vergleich wenig anzufangen.

»Nun, wir werden doch deinen Plan verfolgen und uns nach Dorgon absetzen«, entschied Cell. »Die VERDUN ist nicht mehr manövrierfähig. Die internen Energiespeicher reichen nicht für den Metagravflug aus. Allerdings ist meine Raumkapsel flugtüchtig. Ich habe genügend Kontakte, die uns bis zum Sternenportal bringen. Mit Rhodan und Bostich als Geiseln, haben wir zur Not auch ein Druckmittel.«

Ich wusste, was das bedeutete. Die Kapsel »Zentrum der Macht« konnte nicht so einfach aus dem Gefüge der VERDUN starten. Die VERDUN würde massiven Schaden nehmen. Sie war als Notkapsel gedacht. Stark genug bei einer Explosion mit dem integrierten Schutzschirm so lange stand zu halten, bis sie im freien Weltraum war.

»Wir sollten kapitulieren. Die Männer und Frauen auf der VERDUN sind tapfer. Wir sollten sie nicht opfern«, sagte ich eindringlich.

Cell wurde wütend.

»Ich habe deine ständigen Einwände satt. Die Besatzungsmitglieder leben nur, um mir zu dienen. So sterben wie es sich für gute Soldaten gehört.«

Cell nahm seinen Nadlerstrahler und schoss ins Bein von Sanna. Sie fiel schreiend zu Boden. Nein, nicht Sanna. Ich beugte mich schützend über sie. Sie quälte ein Lächeln über die Lippen.

»Wir beide sind wohl reif für einen Kuraufenthalt, wenn das hier vorbei ist.«

»Noch ein falsches Wort, Despair und ich töte deine Flamme«, drohte Cell. »Wie kann man nur alles wegen einer Frau aufs Spiel setzen?«

»Vielleicht ist dein Plan fehlgeschlagen, aus Cauthon Despair ein gefühlloses Monster zu machen. Er hat Gefühle, er hat ein Gewissen. Es war nur tief vergraben.«

Cell blickte Rhodan wütend an. Dann wirkte er im nächsten Moment wieder gelassen.

»Nun, dann ist er überflüssig.«

Ich war überflüssig? Das war also seine Ansicht.

»So wie die VERDUN. Wer nicht stark genug ist, zu gewinnen, hat den Tod verdient.«

*

»Endstation. Die haben den Kern im Umkreis von 300 Metern mit einem Schutzschirm abgeriegelt«, meldete Cascal und setzte sich auf eine metallische Kiste.

Die Kämpfe auf der VERDUN dauerten noch an. Die Truppen der Mordred lauerten beinahe überall. Aber sie spielten eine mögliche Überlegenheit nicht mehr genug aus. Inzwischen waren über den Brückenkopf im Hangar mehr als viertausend Soldaten und Kampfroboter des Kristallimperiums eingetroffen. Dazu noch knapp eintausend Truppen der Terraner, Cameloter und Saggittonen. Die VERDUN war auf Dauer nicht mehr von der Mordred zu halten. Die Schutzschirme zu durchbrechen, war jedoch ein schwieriges Unterfangen. Sie mussten stärkere Geschütze erst einmal an Bord bringen. Das konnte Stunden dauern. Die Alarmsirenen heulten laut auf. Was hatte das zu bedeuten?

*

Wirsal Cell hatte es tatsächlich getan. Er aktivierte die Selbstzerstörung der VERDUN. In fünf Minuten würden die eingebauten Sprengvorrichtungen, die überall im Raumschiff verteilt waren, detonieren und das Raumschiff destabilisieren.

»Stoppe diesen Wahnsinn«, forderte Rhodan.

»Ich gehe doch als Sieger vom Platz, Rhodan. Deine Leute werden mit der VERDUN untergehen. Sie werden sterben. Und ihr werdet Sklaven der Dorgonen!«

*

»Weg, weg, weg!«, rief Cascal.

Die Truppen rannten zurück in den Hangar. Einige Soldaten, besonders die Arkoniden, nahmen die Aufforderung nicht ganz ernst und zogen sich erst zögerlich zurück. Aurec schnellte mit dem Jetpack seines Raumanzuges durch den Korridor. Das Navigieren mit dem Raumanzug stellte für ihn keine große Herausforderung dar. Im Gegenteil, diesmal hatte er die Nase vorn, während Tyler und die anderen mit ihren nervösen Zeigefingern am Abzug folgten.

Sie erreichten den Hangar. Die Kreuzer bereiteten schon den Notstart vor. Erst als Aurec und die anderen im Raumschiff waren, welches drei Minuten nach Ertönen der Sirenen nun die VERDUN verließ, dachte Aurec an Rhodan. Er blickte zu Sam. Sollte der Somer der einzige sein, den sie hatten befreien können?

Nein! Aurec glaubte nicht daran. Perry Rhodan lebte. Und es würde ihm irgendwie gelingen, sich zu befreien. Es musste einfach so sein.

*

Zuerst spürte ich nur ein leichtes Beben, dann wurde es immer stärker. Wirsal Cell ignorierte die verzweifelten Hilferufe von Admiral Kenneth Kolley. Sie waren des Todes. Alle auf der VERDUN waren des Todes.

Stück für Stück fraß sich die Welle der Vernichtung von Innen nach Außen durch. Der Kernbereich war noch durch den Schutzschirm gesichert. Cell setzte sich wieder an seine Konsole und initiierte die Abkoppelung des 50 Meter durchmessenden Moduls. Langsam riss es sich aus der Verankerung. Cell aktivierte den eigenen Schutzschirm, dann schaltete er jenen um den Kern ab. Ich hörte die Schreie der Besatzungsmitglieder in der Kommandozentrale, dann brach die Verbindung ab. Der Atombrand wütete nun auch im Kernbereich. Langsam bewegte sich das Modul Cells aus dem Feuer hinaus. Die Substanz des Stahls war schon so weit geschädigt, dass wir mühelos hindurch flogen. Das Modul verließ die VERDUN und beschleunigte eine Sekunde, bevor mein gewaltiges Raumschiff in einer großen, grellen Explosion mit all seinen Besatzungsmitgliedern verging.

Das mächtigste Raumschiff der Milchstraße existierte nicht mehr.

 

15. Despairs Entscheidung

Während wohl alle damit beschäftigt waren, sich vor der explodierenden VERDUN zu retten, war es Cell mit seinem 50-Meter-Raumschiff tatsächlich gelungen, offenbar unbemerkt den Orbit von Mashratan zu verlassen. Ich blickte zu Perry Rhodan, Bostich und Sanna Breen. Sollte uns tatsächlich die Flucht gelingen, dann war ihr Schicksal besiegelt.

Wirsal Cell erhob sich und lächelte erleichtert, als er Seamus freundschaftlich auf die Schulter klopfte.

»Wir werden nach Fornax fliegen. Dort habe ich loyale Verbündete bei den Überschweren. Sie werden uns ein Fernraumschiff zur Verfügung stellen, mit dem wir das Sternenportal erreichen«, erklärte Rhifa Hun.

»Gut«, kam die knappe Antwort von Seamus. Für ihn musste wohl eine Welt zusammen brechen. Doch ich war der festen Überzeugung, dass solch ein Machtmensch, sich von der Niederlage erholen würde. Sicher würde es ihm gelingen, nicht in Ungnade bei seinem Kaiser zu fallen.

Nun blickte Cell zu mir.

»Cauthon, ich gebe dir eine letzte Chance. Töte die Kleine auf der Stelle.«

Ich sah zu Sanna und zog mein Schwert.

»Die Mordred ist dein zuhause!«, beschwor Cell mich. »Wir sind deine Familie! Ich bin deine Familie.«

Familie? Cell? Nein, er hatte mein Leben auf Camelot zerstört. Er hatte mich dem Bombenhagel auf Mashratan ausgesetzt. Von Anfang an wurde ich von meinem Ausbilder manipuliert. Er war nie der Mentor und Freund gewesen, als der er sich ausgegeben hatte. Cell war eine Art Frankenstein, der mit mir sein Monster erschaffen hatte. Eine hasserfüllte Bestie, ein Werkzeug in seinen Händen. Ich richtete das Schwert auf Sanna Breen.

»Steh auf«, forderte ich sie auf.

»Nicht, Cauthon! Du musst das nicht tun. Du bist Cell zu nichts verpflichtet«, rief Rhodan.

Sanna stand unter Mühe und sicherlich großen Schmerzen in ihrem Oberschenkel auf. Sie humpelte zu Perry. Links von ihnen standen die beiden Prettosgardisten.

»Töte das Weib!«, befahl Cell. »Dann werden wir in Dorgon neue Kräfte schöpfen, um unseren Plan zu vollenden. Wir werden ein neues Solares Imperium erschaffen.«

Cell war offenbar noch immer davon überzeugt, eines Tages der Beherrscher der Milchstraße zu werden. Ich drehte mich in seine Richtung, dann wandte ich mich wieder den mir gegenüber stehenden Personen zu. Ich blickte in Sanna Breens smaragdgrüne Augen. Dort stand keinerlei Angst. Sie fürchtete mich nicht. Sie kannte mich offensichtlich besser.

Dann stach ich zu.

*

Der Dorgone starrte mich entsetzt an. Breen nahm seine Waffe, während Rhodan dem anderen Prettosgardisten einen Schlag versetzte. Sie rangen miteinander. Seamus wollte eingreifen, doch er blieb ratlos vor den beiden kämpfenden stehen. Rhodan verpasste dem Dorgonen zwei Faustschläge ins Gesicht. Der Dorgone blieb benommen liegen. Rhodan nahm die Waffe, da feuerte schon Wirsal Cell auf ihn. Perry warf sich nach links. Der zweite Schuss verfehlte ihn und traf Seamus.

Cell hielt inne.

Der dorgonische Legat starrte Wirsal Cell verwirrt an. Er ging zu ihm.

»Du Pri… Primat«, stotterte Seamus mit zitternder Stimme.

»Weg… bleib weg«, rief Cell und schoss wieder und wieder. Kurz bevor Seamus das Pult erreichte, brach er leblos zusammen. Cell starrte ihn an. Ich nutzte die Chance und humpelte auf ihn zu. Cell reagierte nun, doch ich war dicht genug an ihm. Ehe er die Waffe gänzlich auf mich richtete, durchbohrte ich Wirsal Cell mit meinem Schwert. Er schrie auf, ließ den Strahler fallen und breitete die Arme aus. Ich zog das Schwert aus seiner Brust. Blut floss aus seinem Mund. Cell blickte uns fassungslos aus gläsernen Augen an. Er röchelte, seufzte und setzte sich auf seinen Stuhl.

Der Mund war weit offen. Er hustete und spuckte Blut. Das unnatürliche Gurgeln zeugte vom Ende des Mannes.

Ehe Wirsal Cell noch ein Wort herausbrachte, knallte er mit dem Kopf auf seine Konsole und blieb regungslos liegen.

Wirsal Cell alias Rhifa Hun war tot. Die Mordred existierte nicht mehr.

Der Prettosgardist sprang auf, nahm sein Kurzschwert und stach sich damit ins Herz. Auch er war tot. Der Freitod erschien ihm ehrenvoller als die Gefangenschaft. Sollte ich seinem Beispiel folgen?

»Erschieß ihn, Rhodan«, forderte Bostich.

Perry senkte den Strahler.

»Nein. Cauthon hat uns gerettet. Bei allen Verbrechen, die er begangen hat, sind wir ihm dafür zu Dank verpflichtet. Doch das wird dich nicht vor einer Strafe bewahren.«

Das war mir klar. Ich blickte zu Sanna.

»Ich habe mich nicht in dir getäuscht, Cauthon. Du bist kein Ungeheuer. In dir steckt viel Gutes.«

Ich warf das Schwert auf den Boden. Sanna ging zu mir. Sie strich über das Visier.

»Du hast die richtige Entscheidung getroffen.«

Perry Rhodan ging an das Pult. Er schob Cells Leiche beiseite, die platschend auf den Boden fiel. Rhodan deaktivierte den Antrieb. Wir befanden uns 130 Millionen Kilometer von Mashratan entfernt. Er schaltete das Interkomgerät ein und meldete: »Hier spricht Perry Rhodan. Wirsal Cell ist tot. Die Mordred ist besiegt.«

»Perry? Alter?«, schnarrte es aus dem Audiogerät.

Rhodan schmunzelte.

»Bully, mein Dicker. Bitte hole uns ab. Ich übermittle dir die Koordinaten. Der Horror ist überstanden.«

 

16. Das Schicksal des Oberst

Homer G. Adams vernahm mit Freude und Genugtuung die Meldung über den Sieg. Die Explosion der VERDUN war von Mashratan aus zu beobachten gewesen. Inzwischen war Ruhe eingekehrt. Die arkonidischen Raumschiffe waren gelandet und hatten eine ganze Division an Schutztruppen abgeladen. Die Anhänger Kerkums waren besiegt und hatten sich in die Wüste zurückgezogen. Der Oberst selbst war mit seinem Sohn gefangen genommen worden und der Hohepriesterschaft des Vhrato übergeben worden.

Adams befand sich auf dem Kathedralenplatz im Zentrum von Vhrataalis. Der eigentliche Kirchensitz stand noch immer in Flammen. So hatten die drei Hohepriester die altehrwürdige Kathedrale gebaut. Der mehr als dreihundert Meter hohe Bau mit seinen spitzen Türmen war in den Anfängen der Kolonialisierung errichtet worden.

Eine Menschenmenge war auf dem Platz versammelt. Auf einer Empore thronten die drei Hohepriester. Neben ihnen befand sich Priester Mahmud del Concetti. Eine schmale Brücke führte zu einem etwa vier mal vier Meter großen Podest. Es war wohl eher das Schafott. Dort standen Oberst Ibrahim el Kerkum und sein Sohn Ali Judäa.

Uwahn Jenmuhs gesellte sich neben Adams. Er hielt eine Tüte Kartoffelchips in der Hand. Das laute Kauen empfand Adams als unpassend für den Moment.

»Von hier aus haben wir eine gute Aussicht«, meinte der Arkonide schmatzend.

Adams war das zuwider.

»Wir können das verhindern. Rede mit den Hohepriestern. Das ist unmenschlich.«

Jenmuhs kicherte.

»Wir respektieren die kulturellen Bräuche und Justiz der Mashraten. Vorerst zumindest.«

»Hm«, machte Adams. Er blickte sich um. »Wo ist deine Felidin abgeblieben?«

»Oh, ich fürchte, sie ist tot. Nach der Explosion der VERDUN hat sie niemand mehr gesehen. Schade…«

»Mein Beileid.«

»Mhm«, gab Jenmuhs nur von sich und griff in die Chips Tüte.

»Kinder Mashratans. Gottes Krieger haben obsiegt. Der Dämon ist gefallen«, hallte es über die Lautsprecher. Der weiße Hohepriester sprach offenbar, da er als einziger von allen stand.

»Der Verräter soll auf ewig in der Hölle schmoren. So wie Judas seit Jahrtausenden in der Hölle schmort. Wir lassen Milde mit seinem Sohn walten. Doch nach den uralten Gesetzen, wird er gezüchtigt, auf dass er niemals mehr Lügen sprechen kann, auf dass er niemals mehr Lügen schreiben darf, auf dass seine Augen niemals mehr Zwietracht sehen. Walte deines Amtes.«

Die Vollstrecker drückten den schreienden Ali Judäa el Kerkum zu Boden. Der Hohepriester del Concetti stand neben dem Hauptvollstrecker. Dieser zog mit einer Zange die Zunge des Kerkumsohnes heraus. Ein anderer schnitt ihm diese mit einer Schere ab. Das war unvorstellbar grausam. Adams wandte den Blick ab.

»Chips?«, fragte Jenmuhs, der das sichtlich genoss.

Als nächstes wurden Kerkum beide Hände abgeschlagen und die Augen ausgestochen. Das war die Milde der Vhratopriesterschaft Mashratans. Zwei Wachen schliffen den winselnden Kerkum über die Brücke. Die Masse johlte und applaudierte.

»Nun zum Satan selbst. Du hast Gott verraten. Du hast Mashratan verraten. Wir verurteilen dich wegen Blasphemie, Sodomie, Nekrophilie, Mordes, Lug und Betrug und Satanismus. Du sollst langsam und qualvoll auf traditionelle Weise in die Hölle geschickt werden. Beginnt damit«, sprach der weiße Hohepriester.

Kerkum wehrte sich, war aber viel zu schwach. Er rief etwas, doch Adams verstand es nur schwer.

»Kommt zur Vernunft«, glaubte er zu hören. »Die hetzten uns gegeneinander auf. Ich bin doch Mashratan. Ich bin der Oberst. Ich…«

Den Rest verstand Adams nicht.

Sie rissen Kerkum die Hose vom Leib. Dann setzten sie ihn auf einen Schemel, in dessen Mitte eine Öffnung war. Die Vollstrecker hielten den Oberst an den Armen fest und drückten ihn hinunter. Dann fing Kerkum plötzlich an zu schreien. Quälendes Winseln und Gekreische hallte über den Platz. Einige der Zuschauer fingen an zu Jubeln. Wie konnten sie nur? Bei all den Verbrechen, die Kerkum begangen hatte, doch das war zutiefst verwerflich. Langsam stieg Kerkum zappelnd empor. Nun erkannte Adams den dicken, silbernen Pfahl, der in Kerkums Rektum steckte und ihn auf grausame Art in die Höhe schob. Kerkum schrie und schrie. Langsam musste sich der Pfahl durch den Körper des Mannes bohren.

Doch damit war die Qual noch nicht vorbei. Offenbar war der Pfahl in eine brennbare Flüssigkeit getaucht worden. Einer der Vollstrecker zündete ihn an. Das Feuer fraß sich hoch und erreichte Kerkum. Unter tosendem Beifall der Zuseher fing der Oberst Feuer und brüllte noch mehr. Seine Beine brannten, doch der Oberkörper noch nicht. Es dauerte endlos lange, ehe der gesamte Körper in Flammen stand.

Adams wandte sich ab.

»Die Show ist noch nicht vorbei«, sagte Jenmuhs.

»Für mich schon. Ich hoffe, ich werde diesen Planeten nie wieder betreten müssen.«

Homer G. Adams verließ den Ort des Grauens. Er wurde etwas abseits von Rosan Orbanashol, Wyll Nordment und Henry Portland erwartet. Sie standen vor einem Gleiter.

»Ich hasse Mashratan«, sagte Rosan traurig.

»Es ist eine Welt, die wir nicht verstehen. Und das ist auch gut so«, erwiderte Adams und stieg in den Gleiter. Die furchtbaren Bilder vom Tod Kerkums würden ihn wohl noch lange verfolgen.

 

Epilog – Blick nach Dorgon

Es war vorbei. Die Mordred war besiegt und die Milchstraße staunte nicht schlecht, als bekannt wurde, dass der Cameloter Wirsal Cell, immerhin ein ehemaliger Senator des Galaktikums, der Anführer der Terrororganisation war. Noch mehr überraschte die Tatsache, dass Cauthon Despair offenbar Perry Rhodan gerettet hatte. Niemand wusste, wie es mit dem Silbernen Ritter weitergehen würde, doch in der ganzen Milchstraße hatte dieser geheimnisvolle, tragische Silberne Ritter seine Fans und Befürworter.

Die galaktische Öffentlichkeit hatte von der Entführung Rhodans und Bostich sowie der dramatischen Stunden auf und über Mashratan erst erfahren, als die Krise bereits abgewendet war. Es gab viele strahlende Sieger – besonders das Kristallimperium ließ sich feiern. Imperator Bostich wurde als Bezwinger der Mordred gefeiert. Es hieß, er habe Rhifa Hun persönlich getötet und die VERDUN vernichtet. Ich wusste, dass es sich dabei nur um Propaganda handelte. Auch der arkonidische Adlige Uwahn Jenmuhs ließ sich als Doppelagent feiern und berichtete stolz darüber, wie er im Auftrage des Kristallimperiums die Mordred an der Nase herumgeführt hatte.

Hier und da gab es auch heldenhafte Berichte über einige Männer und Frauen der Liga Freier Terraner. Doch vor allem die Cameloter hielten sich bedeckt. Ich wusste natürlich deutlich mehr.

Das Schicksal Cauthon Despairs war ungewiss. Er wurde verhaftet und vorerst auf der IVANHOE inhaftiert. Vermutlich würde er in Mirkandol vor Gericht gestellt werden. Seine Beteiligung an der Vernichtung Sverigors und diverser Angriffe auf Camelotniederlassungen machten Despair nicht gerade zu einer vertrauenerweckenden Figur, auch wenn er Rhodans Leben gerettet hatte. Despair war ein tragischer Charakter. Dennoch: Er war ein Schwerverbrecher.

Die Gefahr war für die Milchstraße vorerst gebannt. Doch schon umtrieben die Zellaktivatorträger und den Saggittonen Aurec neue Sorgen. Denn die Mordred war nur der Handlanger eines weitaus mächtigeren Feindes: Dem Sternenreich Dorgon. Wir wussten anhand der Ermittlungen von Gucky und Jan Scorbit, dass Dorgon der Galaxie M100 entsprach, welche im Virgo-Cluster lag. Wir wussten auch, dass die Dorgonen offenbar eine Invasion in die Milchstraße planten.

Die Gefahr war also längst nicht gebannt. Doch ich war mir sicher, dass Perry Rhodan schon bald geeignete Maßnahmen treffen würde. Rhodans Blick war nun auf M100 gerichtet.

 

Aus den Chroniken, Jaaron Jargon

22. September 1291 NGZ

ENDE

 

 

Die Mordred ist besiegt. Doch die Gefahr durch die Dorgonen ist immer noch präsent. Deshalb wird eine kleine Expeditionsflotte in Richtung M100 aufbrechen. Es ist der AUFBRUCH ins UNGEWISSE. So lautet auch der Titel von Band 25, welcher von Ralf König und Dominik Hauber geschrieben wurde.

 

 

 

 

Kommentar

Der Mordred-Zyklus ist vorbei. In den Grundlagen war er natürlich ähnlich, wie das Original aus dem Jahre 1999. Doch wir haben in der Special-Edition mehr Inhalt und Details reingeschrieben.

So zum Beispiel die Welt Mashratan mit ihrem irren Diktator Oberst Kerkum, der nun nicht mehr unter den Lebenden weilt. Da wir Mashratan in Band 2 schon einführten, war es nur logisch, bis Heft 24 diese Geschichte fortzuführen und zu einem Abschluss zu bringen.

Mashratan zeigt auf, dass es im 13. Jahrhundert NGZ innergalaktisch nicht unbedingt gut bestellt ist. Die Bildung der Machtblöcke LFT, Kristallimperium und Forum Raglund, der Zwist untereinander und die Nachwirkungen der Monos-Ära haben in dieser Zeit eben die Entwicklung von extremen Ideologien wie auf Mashratan oder auch Sverigor gefördert.

Wir wollten damit auch verdeutlichen, dass es durchaus Rückschritte gab seit dem Ende der eher friedlichen ersten 430 Jahre NGZ. Wir haben dabei eigentlich auch konsequent die Ideen aus der Erstauflage fortgeführt.

Neben einigen innergalaktischen Abgründen haben wir den Dorgonen auf der HESOPHIA auch mehr Anteile in den Storys gegeben, um damit den nächsten Zyklus »M100« einzuläuten. Doch nicht nur das. Wir haben auch bereits die ersten Hinweise auf den »Osiris«-Zyklus ab Band 50 gegeben und eine Verknüpfung zwischen den späteren Ereignissen und den Dorgonen hergestellt.

Alles in allem hoffe ich natürlich, dass der neue Mordred-Zyklus den Lesern gefällt. Wir haben uns viel Mühe gegeben und immerhin zwei Jahre daran geschrieben.

Nun geht es mit den Heften 25 – 32 nach M100 Dorgon. Auch hier wird es Veränderung gegenüber den alten Romanen geben. Die dorgonische Kultur, Gesellschaft, ja die Zivilisation allgemein wird viel detaillierter beschrieben werden. Wir gehen mehr auf die große Stadt Dom mit ihren Sehenswürdigkeiten und Schauplätzen ein, schreiben mehr über die Struktur und den Aufbau der Galaxis und über die Völker.

Abschließend möchte ich ganz besonders Jürgen Freier, Jürgen Seel, Gaby Hylla, Roland Wolf, Lothar Bauer und Raimund Peter für ihre Hilfe und ihr Engagement danken. Sie haben als Autoren, Lektoren, Layouter und Zeichner es erst möglich gemacht, dass die Special-Edition veröffentlicht wurde.

Nils Hirseland

 

 

 

GLOSSAR

Wirsal Cell / Rhifa Hun

Wirsal Cell ist der Anführer der Mordred, Rhifa Hun. Erst kurz vor seinem Tod gab er seine Identität preis. Während der ganzen Terrorzeit der Mordred agierte Wirsal Cell als Vertrauter der Zellaktivatorträger auf Camelot.

Wirsal Cell ist 1196 NGZ auf Olymp als Sohn reicher Unternehmer geboren worden. Er hat eine gute Ausbildung in der LFT-Raumflotte genossen und im Jahre 1233 NGZ beschlossen, in die Politik zu gehen.

Cell, ein Anhänger des Solaren Imperiums, ist zu einem Senator im Galaktikum geworden. Die Dekadenz und der Bürokratismus in der Milchstraße haben ihn jedoch dazu veranlasst, sich von der politischen Bühne zu verabschieden und sich 1261 NGZ der Unsterblichenorganisation Camelot anzuschließen.

Dort hat er seit 1263 NGZ das Amt des Chefausbilders inne. Zu seinen Aufgaben gehört es vor allem, ein Ausbildungssystem für die Jugend auf die Beine zu stellen, die den Ansprüchen der Geheimorganisation gerecht wird. Neben dieser Tätigkeit gehört Cell zu den Beratern von Perry Rhodan. Aufgrund seiner galaktischen Kontakte, unterstützt er Rhodan, wenn es darum geht, Treffen mit Administrationen von Planeten und Sonnensystemen zu arrangieren.

1272 NGZ – 1282 NGZ

Wirsal Cell ist enttäuscht über Perry Rhodans Verhalten. Er erhoffte sich einen starken Rhodan, der aus Camelot eine Art neue Dritte Macht machen würde. Doch Rhodans Passivität zwingt Cell um Umdenken. Er sucht galaxisweit Gleichgesinnte und Gönner. Er findet Anhänger in der »Terra-Loge«, der Willem Shorne, Dennis Harder und Oberst Kerkum angehören. Diese unterhalten Kontakte zu dem arkonidischen Gegenstück, deren mächtigste Vertreter Spector Orbanashol und die beiden Jenmuhs-Brüder sind.

Die Bündnisse erhoffen sich eine starke Menschheit und fürchten, dass durch den kalten Krieg zwischen der LFT und dem Kristallimperium Extraterrestrier Überwasser bekommen. Zunächst beschränkt sich die Zusammenarbeit auf dem finanziellen Sektor und Unterstützung von patriotischen Gruppierungen.

1274 NGZ sucht Cau Thon Wirsal Cell auf und schlägt ihm vor, eine Separatistenorganisation zu gründen, um die Milchstraße zu schwächen. Ebenfalls legt er Cell Nahe, sich um den jungen Cauthon Despair zu kümmern.

In den folgenden Jahren beginnt Cell den langsamen Aufbau der Mordred. Er selbst tritt jedoch auch vor seinen Leuten der »Terra-Loge« nur als Rhifa Hun – der Nummer Eins der Mordred auf, um sein Doppelspiel aufrecht halten zu können.

Ende der 70er Jahre stellt Cau Thon den Kontakt zu den Dorgonen her, die Rhifa Hun technologisch unterstützen. Nun beginnt der militärische Ausbau. Rhifa Hun rekrutiert Oberst Kerkum, Dennis Harder und Uwahn Jenmuhs als Führungskräfte für die Mordred.

1282 NGZ

Wirsal Cell leitet die Raumfahrtakademie und bildet Cauthon Despairs Jahrgang aus und erweist sich als Freund und Mentor des jungen Despairs. Ende Dezember des Jahres beichtet Cell dem jungen Rekruten, dass ihm die wahren Umstände des Todes seiner Eltern verschwiegen wurden. Natürlich gehört das zum Plan, um Despair von Rhodan zu entfremden.

1283 – 1290 NGZ

Cell begleitete Rhodan und Despair auf der FREYJA ins Mashritun-System. Dort wurde er Zeuge des Bombenangriffs und vermeintlichen Todes von Despair. Cell war es, der die Syntronik sabotierte und somit den Feuerbefehl initiierte, um damit Despair endgültig zur Mordred zu bringen.

Es kam  zum Bruch zwischen Wirsal Cell und Perry Rhodan. Cell hatte Perry die Schuld an Despairs tot gegeben und war von seinem Posten zurück getreten. Bis 1288 NGZ war er mit Inspektionsreisen zu diversen Camelotbüros beauftragt, sorgte für Sicherheitsverbesserungen und dergleichen. Es kam 1288 NGZ auch wieder zur Aussöhnung mit Rhodan. Seither arbeitete Cell als Berater für die Raumfahrtakademie.

Die Zeit nutzte Cell, um die Mordred zu festigen und die Terroranschläge auf die LONDON I und LONDON II vorzubereiten. Dass dabei auch stille Verbündete sterben, nimmt er in Kauf. Cell sieht sogar einen Vorteil darin, die Arkoniden zu schwächen.

1290 NGZ

Während der Mordred-Krise wird Cell als Berater an der Seite von Aurec und Homer G. Adams eingesetzt. Cell schaltet sich in die Ermittlungen ein und begleitet Aurec auch nach Sverigor.

So kann er Dennis Harder mittels einer Nanowespe töten, als dieser mit seiner Enttarnung droht. Die gewünschten Erfolge bleiben jedoch aus und als Perry Rhodan Ende 1290 NGZ zurückkehrt, kann Cell ihn nicht töten. Durch die Mission von Sam und Will Dean werden viele Mordred-Agenten enttarnt und Cell geht mit seiner Organisation bis August 1291 in die Defensive. Die Mordred bröckelt. In einer – allerdings gut durchdachten – Verzweiflungstat, kann Cell Rhodan und Bostich entführen und nach Mashratan verschleppen. Doch als sich Uwahn Jenmuhs und Cauthon Despair gegen Rhifa Hun stellen, ist sein Schicksal besiegelt. Er stirbt durch die Hand des Silbernen Ritters.

Steckbrief

Geboren: 27.05.1196 NGZ

Gestorben: 1291 NGZ

Geburtsort: Olymp

Rasse: Olymper (Mensch)

Größe: 1,79 Meter

Gewicht: 89 Kilogramm

Augenfarbe: Grau

Haarfarbe: Grauweiß

Mordred

Die Mordred war eine Terrororganisation, die ab 1285 NGZ mit ihrem ersten Anschlag auf das Luxusraumschiff LONDON einen sechsjährigen Kampf gegen die Unsterblichenorganisation Camelot führte. Ziel der Separatisten war eine Schwächung der Organisation Camelot, des Kristallimperiums und der LFT, um dorgonischen Invasionstruppen eine einfache Eroberung zu ermöglichen. Rhifa Hun alias Wirsal Cell glaubte, er würde dann als Großadministrator über die Milchstraße herrschen können.

Die Gründungsjahre

Wirsal Cell war der Erfinder der Mordred. Aus einer Unzufriedenheit gegenüber Perry Rhodans Passivität und der Ohnmächtigkeit der LFT und des Kristallimperiums für stabile Verhältnisse in der Milchstraße zu sorgen, entstanden eine terranische und arkonidische Loge von Anhängern der Lemurer. Zuerst waren es konservative Unternehmer und Politiker als auch der Herrscher der Welt Mashratan, Oberst Kerkum, die eine geheime finanzielle und militärische Allianz bildeten.

Nachdem der Sohn des Chaos, Cau Thon, Mitte der 70er Jahre des 13. Jahrhunderts NGZ Wirsal Cell aufsuchte und ihm die Idee zur Mordred gab, wurde die Mordred langsam und unauffällig aufgebaut. Cell suchte als geheimnisvoller Rhifa Hun weitere Verbündete. In den folgenden Jahren stellte Cau Thon den Kontakt mit den Dorgonen her, die die Mordred technologisch versorgten. So war der Bau von Großschlachtschiffen wie die VERDUN möglich.

Rhifa Hun führte 1283 NGZ eine Hierarchie ein:

·         Rhifa Hun (Wirsal Cell) als Anführer.

·         Die Nummer Zwei war der Silberne Ritter Cauthon Despair

·         Die Nummer Drei Oberst Kerkum.

·         Nummer Vier Uwahn Jenmuhs (jedoch war das nur Kerkum und Cell bekannt).

·         Nummer Fünf der Akone Argon tan Lasal.

·         Nummer 6: Horach (Mehandor)

·         Nummer 7: Dennis Harder (Terraner)

·         Nummer 8: Ben Trayir (Ertruser)

·         Nummer 9: Eron da Quartermagin (Arkonide)

·         Nummer 10: Oran Tazun (Ara)

Das Jahr 1283 NGZ markiert so gesehen den tatsächlichen, großangelegten Aufbau der Mordred. Zwei Jahre lang wird auf den Welten Dermos, Dejabay und Mashratan Festungsanlagen gebaut. Die Schlachtschiffe VERDUN, RANTON und TOBRUK werden fertiggestellt.

Die erste aktive Phase fand 1285 NGZ statt. Cauthon Despair rekrutierte die »Kinder der Materiequelle« und setzte Mordred-Agenten zur Verstärkung ein. So steckte die Mordred hinter dem Plan, die LONDON zu entführen.

Obwohl die Pläne vereitelt wurden, spielte die Vernichtung der LONDON durch Rodrom der Mordred in die Karten. Erstaunlich war, dass Unterstützer der Mordred, wie Spector und Thorina Orbanashol dabei ihr Leben verloren.

1290 NGZ

Fünf Jahre später folgte die LONDON II das Schicksal ihres Vorgängerschiffes. Wieder war die Mordred beteiligt an der Aktion und verhalf durch Informationen dem Mascanten Prothon da Mindros dabei, seine Mission beinahe zum Erfolg zu bringen. Erneut starben Sympathisanten der »Lemurer«-Ideologie dabei, wie z.B. Hajun Jenmuhs. Vermutlich war dies auch der Knackpunkt, wieso sich Uwahn Jenmuhs schließlich gegen die Mordred wendete.

Kurz darauf folgten Angriffe auf Camelot-Niederlassungen auf Plophos, Zalit, Imart, Olymp, Gatas und anderen Welten. Die Mordred erklärte der Unsterblichenorganisation Camelot offiziell den Krieg.

Die Mordred vernichtete unter dem Befehl von Nummer Vier und auf Geheiß von Rhifa Hun die Welt Sverigor mit zwei Milliarden Lebewesen, um die Ausbreitung eines Virus zu verhindern, der die gesamte menschliche Zivilisation hätte ausrotten können.

Der Somer Sam und der TLD-Agent Will Dean vereiteln eine Allianz zwischen dem Kristallimperium und der Mordred, indem sie ein Mordkomplott gegen Bostich aufdecken. Sie gelangen an weitere wichtige Informationen und können somit viele Mordred-Agenten enttarnen.

1291 NGZ

Die Mordred versucht durch den Unternehmer Marius Dorn einen Syntronik-Virus in der Galaxis zu verteilen. Der Versuch scheitert dank des TLD-Agenten Stewart Landry.

Im August / September entführt Rhifa Hun Perry Rhodan und Bostich und bringt sie auf die VERDUN. Über Mashratan kommt es zum Finale. Das dorgonische Adlerraumschiff HESOPHIA wird vernichtet und ein Putsch auf Mashratan führt zum Ende von Oberst Kerkum. Der LFT, Camelot und den Arkoniden gelingt es, dank der Hilfe von Uwahn Jenmuhs, den Schutzschirm der VERDUN zu deaktivieren und sie zu kapern. Wirsal Cell vernichtet die VERDUN und flieht mit seiner Raumkapsel. Dort wird er von Cauthon Despair getötet, der sich damit auf die Seite von Perry Rhodan stellt. Der Tod Wirsal Cells markiert das Ende der Mordred.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2015

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— Special-Edition Band 24, veröffentlicht am 12.06.2015

Titelillustration: Raimund PeterInnenillustration: Roland Wolf

Lektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel