Band 23

MORDRED-ZYKLUS

 

Das Adlerraumschiff

Geheimnisse der Dorgonen

 

Tobias Schäfer & Nils Hirseland

 

Was bisher geschah

Im August 1291 NGZ meldet sich die Terrororganisation Mordred mit einem neuen, gefährlichen Plan zurück, der jedoch von Agenten Camelots und der LFT vereitelt wird.

Es zeigt sich, dass die Mordred trotz einiger Rückschläge und Niederlagen immer noch eine gefährliche Organisation ist. Der Anführer Rhifa Hun plant nun einen finalen Schlag gegen Perry Rhodan.

Derweil verfolgt das camelotische 1.000 Meter durchmessende Raumschiff IVANHOE das fremde Adlerraumschiff der Dorgonen. Über die Dorgonen ist bisher wenig bekannt, jedoch unterstützen sie die Mordred und haben auf Mashratan und dem Planeten Seshur offenbar nach Artefakten gesucht, die Ähnlichkeit zu altägyptischen Hieroglyphen darstellen. Es ist und bleibt DAS GEHEIMNIS DES ADLERRAUMSHIFFS…

 

Hauptpersonen

Perry Rhodan, Rosan Orbanashol-Nordment, Sanna Breen und Sam – Sie befinden sich in diplomatischer Mission.

Cauthon Despair – Der Silberne Ritter soll die Mordred zum finalen Sieg führen.

Denise Joorn – Die Archäologin untersucht die »Stadt der Toten« auf Seshur.

Mathew Wallace, Irwan Dove, Timo Zoltan und Lorif – Die Besatzungsmitglieder der IVANHOE forschen auf Seshur nach.

Petronus – Der Dux ist der Kommandant der HESOPHIA.

Seamus – Der Legat des dorgonischen Kaisers.

Aurec – Der Kanzler der Saggittonen kehrt zur richtigen Zeit zurück.

Oberst Ibrahim el Kerkum – Der Despot von Mashratan.

 

 

 

 

1. Denise Joorn

Ein gewaltiges, kugelförmiges Ungetüm tauchte lautlos in gefährlicher Nähe des Planeten Plophos im Eugual-Solsystem auf. Für Außenstehende Zuschauer musste es so wirken, als wollte die gigantische Kugel die Welt Plophos rammen.

Doch es schien nur so, denn tatsächlich wurde sie in ein scharfes Ausweichmanöver gezwungen und die Geschwindigkeit rapide verringert, so dass von den ehemals zwei Dritteln der Lichtgeschwindigkeit nur eine minimale Restgeschwindigkeit verblieb, die ausreichte, um den Raumer in einer stabilen Kreisbahn um den Planeten zu halten.

»Maschinen stopp!«

Eine freundliche, jedoch befehlsgewohnte Stimme hallte aus den energetischen Lautsprechern, die in den wichtigsten Stationen des Kugelriesen für die Befehlsübermittlung vom Kommandanten zu seinen Ingenieuren und Technikern sorgte. Petrow Alexej schmunzelte über die altertümliche Ausdrucksweise seines Kapitäns und berührte das letzte Segment seines Pultes, das für die ungewöhnliche manuelle Bedienung in Notsituationen vorgesehen war. Ungewöhnlich, da man derzeit die Sprachsteuerung über Syntroniken vorzog.

Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sein Kommandant hatte mal wieder viel riskiert, um zu zeigen, wozu ein fähiger Raumpilot imstande war. Wahrscheinlich saß er nun in seinem Kontursessel und grinste still vor sich hin, während er auf die empörten Anrufe des Raumüberwachungsdienstes wartete. Selbst einem eingefleischten Abenteurer wie Alexej forderten diese Gewaltmanöver jedes Mal eine Unmenge von Flüchen von den oftmals humorvoll geschwungenen Lippen.

Aber was sollte er tun? Er war ja auch nur der Stellvertretende Chefingenieur an Bord der IVANHOE. Und sein werter Vorgesetzter, der Jülziisch Zyrak Wygal, hatte immer wieder gefordert, die Grenzen der IVANHOE auszutesten. So gesehen, befolgte er nur den Befehl des Blue, der gerade Dienstfrei hatte und vermutlich nach einem Glas warmer Milch selig auf der grün karierten Wolke der Kreatur des Traums schlummerte.

Alexej blickte auf und bemerkte seine Maschinencrew von Maschinenraum II mit glänzenden Augen und lautem Gelächter die letzen Feinheiten vollenden. Er musste nun ebenfalls grinsen. Seine Crew war schon ein lustiges Völkchen. Sie besaß Phantasie. Natürlich konnte sie sich ausmalen, wie gerade jetzt ein rot angelaufenes Gesicht über dem Holoprojektor entstand und Aufklärung verlangte.

»Ruhe, Jungs, wir werden gleich hohen Besuch bekommen«, übertönte Petrow den Lärm seiner Leute.

Fast im selben Augenblick glitt das Schott zur Seite und gab dem Kommandanten der IVANHOE, um die es sich bei dem Schiffsriesen handelte, sowie seinem Begleiter Timo Zoltan den Weg in die Maschinenhalle frei.

Alexej salutierte nach alter Manier aus der Zeit des Solaren Imperiums vor Xavier Jeamour, seinem Kommandanten: »Befehl ausgeführt, Maschinen gestoppt, Space-Jet seit drei Stunden startklar«, meldete er mit vor Anstrengung angeschwollenen Halsadern. Jeamour dankte ironisch und folgte dem Ingenieur durch einen Personenschacht in den kleinen Transporthangar, wo die Space-Jet SJ-I-11 im Hangarlicht wie poliert glänzte.

Während er gemütlich auf das Schiffchen von knapp 30 Metern Durchmesser zuging, reflektierte er nochmals die Ereignisse der letzten Zeitspanne. Auf dem Planeten Seshur hatten sie ein merkwürdig an das altterranische Ägypten anmutendes Relikt gefunden und waren nicht in der Lage, sein Vorhandensein zu erklären.

Darum waren sie hier. Auf Plophos befand sich derzeit eine Archäologin, die sich hauptsächlich mit der Ägyptologie befasste, obwohl Ende des dreizehnten Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung eigentlich alle Geheimnisse der alten Ägypter aufgeklärt zu sein schienen. Doch Denise Joorn war fest davon überzeugt, dass noch irgendein Geheimnis auf sie wartete.

»Ich bitte dich, Timo und mich als Pilot zu unterstützen, denn wir haben noch eine Menge Diskussionsarbeit zu erledigen, bis wir dem Einreiseprüfer von Plophos gegenüberstehen«, sagte Jeamour, an Alexej gewandt. »Es wird nicht leicht sein, ihn von der Dringlichkeit unserer Aufgabe zu überzeugen, nachdem die Mordred auf Plophos für Unruhe sorgte. Und außerdem tut dir ein Ausflug in die plophosische Zivilisation vielleicht mal ganz gut.«

»Kein Thema, mach' ich!«

Natürlich würde Petrow ein solches Angebot niemals ausschlagen. Er war immer erfreut über jede Abwechslung, das Abenteuerleben lag ihm im Blut, wie man so schön sagte. Er war russisch-terranischer Abstammung, sein Stammbaum reichte zurück bis zur Schwarmkrise. Was davor lag, war in den Wirren der Verdummung vergessen worden.

*

Sie betrat den klimatisierten Raum und entfernte die Atemmaske, die sie vor dem feinkörnigen Sand schützte, wenn sie sich durch die glühende Wüste zu ihrem Forschungsobjekt begab oder, wie es diesmal der Fall war, zurückkehrte.

Sie war erleichtert, sich wieder ihrer ursprünglichen Aufgabe widmen zu können, nachdem sie zusammen mit dem smarten TLD-Agenten noch vor drei Tagen die Galaxis gerettet hatte. Sie schmunzelte. Es war ein interessantes Gefühl, wenn solch hochtrabende Phrasen tatsächlich stimmten. Wäre diesem Marius Dorn es gelungen, mit seinem Satelliten den KorraVir-Virus zu verteilen, würde schon jetzt die Raumfahrt im Eugual-System lahm liegen. Bevor sie mit Landry diesen Sieg und ihr erstes Abenteuer zusammen mit den legendären Zellaktivatorträgern, denn Gucky hatte ihnen geholfen und schließlich gerettet, ausgiebig feiern konnte, musste sie sich schon auf eine Untersuchung auf einer fremden Welt einrichten.

Im Moment erfreute sich die 172 Zentimeter große Schönheit wieder der wunderbaren ägyptoterranischen Architektur auf der Suche nach unentdeckten Geheimnissen. Soeben kam sie aus der kleinsten der drei Pyramiden zu Gizeh. Allerdings nur virtuell. Sie hatte ein holografisches Programm entwickeln lassen, welches sie in eine künstliche Nachbildung der terranischen Altertümer entführte. Sie wollte etwas vorbereitet sein, wenn die IVANHOE sie abholte.

Nun gönnte sie sich eine Pause.

In ihrem Kühlschrank wartete ein kühles Blondes, auf das sie sich den ganzen Weg lang gefreut hatte. Doch zuvor gedachte sie, eine erfrischende Dusche zu nehmen, um dann bei moderner Musik ihr Bier zu genießen. Rasch entledigte sie sich ihrer Kleider und trat in die kleine Duschzelle des Komplexes.

*

»Kein leichtes Stück Arbeit, was du geleistet hast, Timo!«

Der Kommandant der IVANHOE warf respektvolle Blicke auf den jungen Wissenschaftler, der in einem zweistündigen Verhandlungsmarathon die zuständige Behörde von der Unumgänglichkeit ihres Besuchs überzeugt hatte.

Die beiden Terraner hatten eine Expedition nach Seshur geplant und wollten dort nicht auf die einzige bekannte Ägyptologin mit Abenteurerherz verzichten, wo doch ägyptoide Relikte aufgetaucht waren. Jeamour vermutete eine Verbindung zu den geheimnisvollen Dorgonen, die ebenfalls auf der Welt Mashratan etwas gefunden hatten, was an das alte Ägypten erinnerte. Denise Joorn war bereits damals mit der Auswertung betraut worden. Jedoch hatte sie auch nichts herausgefunden, da die Hieroglyphen auf dem Datenträger von Mashratan zwar teilweise denen aus der alten terranischen Epoche ähnelten, jedoch eben nicht genauso waren und ihr ein Vergleich zur Entzifferung fehlte.

Nun sollte sie auf Seshur weiter forschen. Vielleicht fand sie dort das fehlende Puzzlestück.

Natürlich war dies nicht so einfach in der heutigen Bürokratie, zumal die Sicherheitsvorkehrungen drastisch erhöht worden waren, nachdem die Mordred durch den Industriellen Marius Dorn beinahe einen gefährlichen Syntronikvirus in Umlauf gebracht hätte.

»Danke, aber vergiss meine Erfolge, wenn du mit Denise Joorn sprichst«, wehrte Zoltan ab. »Doktor Taylor sagt, Joorn sei ziemlich eigenwillig und strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Wenn wir ihr die Sache nicht schmackhaft genug machen, wird sie sicher ablehnen, um sich erstmal ihren privaten Forschungen zu widmen.«

»Ich weiß... aber ich glaube, mir ist soeben ein für sie passendes Argument eingefallen...«

Ein ironisches Funkeln stand in Jeamours Augen, als er den Gleiter vor einer mobilen Forschungs- und Wohnkombination zu Boden brachte.

»Ich bin gespannt...«

»Willst du mir deinen Trumpf nicht verraten, Sir?«, fragte Zoltan belustigt. Er konnte sich die Vorgehensweise seines Kommandanten schon vorstellen.

Grinsend aktivierte Jeamour den Melder und wartete.

Schon Sekunden später ertönte die warme, aber genauso energische Stimme einer jungen Frau.

»Wer wagt es, meine verdiente Ruhepause zu stören?«

Jeamour und Zoltan grinsten sich vielsagend an, und Jeamour beeilte sich, die verlangten Auskünfte zu geben: »Xavier Jeamour, Kommandant der IVANHOE und Timo Zoltan, Wissenschaftlicher Offizier der IVANHOE, Madam!«

Die junge Frau schwieg einen Moment lang. Dann öffnete sich die Tür mit einem leisen Klicken. Jeamour grinste schon wieder.

»Na, was hältst du von meinen Überredungskünsten?«

»Warte erstmal ab!«

Timo Zoltan betrat als erster den kleinen Vorraum der Kombi.

»Links halten«, ertönte die Stimme der Frau, die keine andere sein konnte als die von Denise Joorn, aus dem Hintergrund des Gebäudes.

Anscheinend war sie gerade mit etwas wichtigem beschäftigt. Die beiden Terraner richteten sich nach dieser Aufforderung und traten in einen gemütlich eingerichteten Aufenthaltsraum.

Zoltan erblickte sofort die gerade geöffnete Bierflasche auf dem Tischchen.

»Du lässt es dir hier ja richtig gut gehen, wie man unschwer erkennen kann!«

Er warf Jeamour einen ironischen Blick zu.

Nun allmählich kehrte die sprichwörtliche Förmlichkeit und Korrektheit in Xavier Jeamour zurück. Schließlich repräsentierte er in diesem Moment die Organisation Camelot, unter dessen Banner die IVANHOE flog. Allerdings hatte er auch den Segen der Liga Freier Terraner. Jeamour glaubte, dass es ohnehin nur eine Frage der Zeit war, bis Perry Rhodan wieder ein offizielles Amt übernehmen würde. Er rechnete mit der baldigen Kandidatur Rhodans, denn die Wahlen würden im Dezember 1291 stattfinden.

»Das muss ich auch, wenn ich mich von meinem letzten Auftrag erholen will.«

Dumpf klang die Antwort aus einem Hinterzimmer.

Sie wechselten einen raschen Blick. Natürlich konnte Joorn nicht wissen, dass beide eingeweiht waren und über ihre Abenteuer Bescheid wussten. Dass sie ihnen eine ausweichende Antwort gab, deuteten sie als positives Zeichen ihrer Vorsicht.

Als sie eintrat, wussten die beiden, warum sie sich nicht sofort um sie kümmern konnte. Ihr schulterlanges, dunkelblaues Haar war noch nicht vollständig getrocknet und ihre Kleidung sah frisch aus. Anscheinend hatte sie nach einer erfrischenden Dusche noch im Bademantel auf der Couch gelegen und so das Bier genießen wollen, als sie durch den Besuch gestört wurde. Jetzt trug sie weite, schwarze Beinkleider, die nur ihren wohlgeformten Hintern und ihre Hüfte sehr eng umschlossen. Ein bauchfreies Oberteil saß hautnah an ihrem Körper, jedoch entzog sie den Männern diesen Anblick nach wenigen Minuten, indem sie sich ein weites, leichtes Hemd überwarf.

Die angenehme Kühle des klimatisierten Appartements verlangte nach angemessener Bekleidung.

»Setzt euch doch bitte. Ein Bier?«

Angenehm klang ihre Stimme in Zoltans Ohren, doch Jeamour schlug das Angebot aus. Jeamour kam schnell auf den Grund ihres Besuchs zu sprechen.

»Unser letzter Einsatz galt der Verfolgung des geheimnisvollen Raumschiffes der Dorgonen. Du erinnerst dich an den Datenträger von Mashratan?«

»Natürlich.« Ihre Stimme klang plötzlich beherrscht und klar.

»Im Verlauf unserer Arbeit kamen wir mit einem Planeten in Kontakt. Es ist der Planet Seshur tief in der Westside unserer Galaxis. Dort gehen ungewöhnliche Dinge vor sich.«

Er schwieg kurz und beobachtete ihre Reaktion. Scheinbar desinteressiert wartete sie auf weitere Erklärungen.

»Seshur ist ein abgelegener Wüstenplanet mit Primitivintelligenzen, doch die Dorgonen waren dort offenbar vor kurzer Zeit aktiv.«

»Was hat Seshur mit mir zu tun? Was bezweckst du mit diesen Ausführungen?«

Trotz dieser ablehnenden Haltung konnte Jeamour Interesse in ihren Augen erkennen.

»Auf Seshur wurden Erfahrungen gesammelt, die uns dazu bewogen, eine weitere Mission dorthin zu unternehmen«, fuhr Jeamour unbeirrt fort. »Meine Ausführungen sollen dir einen Einblick in die Lage gewähren, denn wir haben den Wunsch, dass du uns begleitest.«

»Eine merkwürdige Bitte, findest du nicht auch? Was hilft dir auf einem derart weit entfernten Planeten eine Ägyptologin? Bisher sehe ich noch keinen Grund, meine Erholungsphase und meine Privatstudien zu unterbrechen.«

Zoltan war von dieser Antwort nicht überrascht, denn bisher hatte Jeamour wirklich noch keine großen Anstrengungen unternommen, um sie zu überzeugen. Er hatte lediglich den Sachverhalt dargestellt. Doch er kannte Jeamour. Jetzt würde er seinen Trumpf zücken.

Jeamour sah aus den Augenwinkeln das Lächeln, das schnell über Zoltans Gesicht glitt. Er sah sich von diesem jungen Mann durchschaut. Doch nun sollte Denise Joorn vor Erstaunen an die Decke springen, wenn er ihr die Details erläuterte.

»Miss Joorn, ich vergaß zu erwähnen, dass auf Seshur ein merkwürdig bekanntes Relikt gefunden wurde...« Er griff in die Brusttasche und entnahm ihr einen kleinen Gegenstand, den er Joorn reichte. »...das dich für einen Einsatz prädestiniert.«

Er weidete sich an ihrem Gesichtsausdruck, als sie das Hologramm aktivierte und die bekannten Daten über Seshur in sich aufnahm. Kaum hatte sie das goldene Symbol als altägyptisches »Zeichen des Lebens« identifiziert, spiegelten sich Erstaunen, Unglauben und dann Unruhe in ihrem Gesicht wider, bis sie aufsprang und anfing, ihre Aufzeichnungen zu durchforsten.

»Das Zeichen des Lebens fand ich auch als Symbol auf dem Datenträger, den ihr mir geschickt habt. Es waren einige markante Symbole vorhanden, die im alten Ägypten auftauchen. Aber viele neue und abgewandelte ebenso. Die Schrift und Texte an sich waren jedoch anders. Daher konnte ich sie nicht übersetzen. Ihr bereitet wirklich eine Expedition nach Seshur vor?«

Jeamour nickte.

»Wir bitten dich, an dem Vorhaben teilzunehmen, denn das ägyptoide Relikt gibt uns unlösbare Rätsel auf, die es gilt, vor Ort zu lösen. Vielleicht hilft es uns, mehr über die Dorgonen und ihre Beweggründe zu erfahren. Wir kennen deine Abenteuerlust und wissen, dass es niemanden außer dir gibt, mit dem wir das Unternehmen starten möchten.«

»Alles klar, wann geht's los?« rief Joorn begeistert.

Nun fiel auch Zoltan in das Lachen ein, wurde jedoch sofort wieder ernst.

»Die ganze Sache ist nicht gefahrlos. Wir müssen dich darauf aufmerksam machen, dass du eventuell in Lebensgefahr geraten könntest«, erklärte er dozierend. »Es ist nicht jedermanns Sache, auf einem Planeten zu sitzen auf dem möglicherweise eine fremde Macht ihr Unwesen treibt, um sich kulturellen Geheimnissen zu widmen!«

Denise Joorn verzog das Gesicht.

»Du kannst ja auf der IVANHOE bleiben«, antwortete sie schnippisch. Zoltan schwieg, während Jeamour die IVANHOE über die baldige Rückkehr informierte.

»Bereitet ein Quartier für Denise Joorn vor«, schloss er sein Interkomspruch ab.

 

2. Rückkehr nach Seshur

Der Kommandant stand vor dem Panoramafenster und betrachtete den gelblich schimmernden Planeten, dem sich die IVANHOE näherte. Wo lag das Geheimnis dieser Kugel verborgen? Neben Jeamour tauchte eine weibliche Gestalt auf. Aus den Augenwinkeln sah er das angespannte Gesicht von Denise Joorn, der terranischen Ägyptologin, deren Abenteurerblut sie immer wieder zu gefährlichen Reisen drängte. Sie machte sich wahrscheinlich nicht weniger Gedanken über Seshur als er – eher noch mehr.

»Woher kommt das Zeichen des Lebens?«, sprach Joorn beider Gedanken aus. »Wieso ist auf diesem abgelegenen Planeten ein ägyptisches Zeichen zu finden? Und wie ist es möglich, dass dieses Relikt zehn Jahrtausende alt ist, also um einiges älter als die ägyptisch-terranische Altkultur der Pharaonen? Was hat das mit den Dorgonen und dem Fund auf Mashratan zu tun?«

Jeamour schwieg. Das herauszufinden war ihre Aufgabe, dazu waren sie hier. Und es lag an Denise, ob diese Aufgabe bewältigt werden konnte.

»Die alten Pharaonen, die Mumien und die Mythologie haben mich als Kind immer fasziniert«, erzählte der Kommandant der IVANHOE und setzte sich auf seinen Sessel. Der Servo brachte ihm einen Pfefferminz-Tee, denn er genüsslich trank.

Als Gentleman bot er natürlich auch Denise Joorn einen Platz und ein Getränk ein, doch sie lehnte dankend ab. Sie stand lieber am Fenster und starrte in die Leere des Hyperraums. Die Terranerin wirkte plötzlich sehr ernst.

»Dieses Thema fasziniert mich immer noch. Wir haben viel herausgefunden, doch noch lange nicht alles. Das Geheimnis ihrer Götter ist niemals gelüftet worden. Welche Kräfte hatten sie? Worher kamen sie? Man hat mich immer wieder ausgelacht, aber ich glaube nicht, dass Atlan oder ein paar Gestrandete Galaktiker allein für das ganze Mysterium verantwortlich sind.«

Jeamour schwieg und trank weiter. Er wusste keine Antwort auf diese Fragen. Anscheinend hatte Denise Joorn es sich zum Ziel gemacht, die Lösung eines Tages zu präsentieren. Schwerfällig drehte er sich um.

»In zwanzig Minuten erreichen wir den Planeten. Sobald wir in den Orbit gegangen sind, schleusen wir die JAYJAY II aus. Die altbewährte Besatzung mit Mathew Wallace, Irwan Dove und Lorif wird an Bord sein, ebenso wie Zoltan und du. Die Crew ist informiert. Setzt euch als erstes mit den Einheimischen in Verbindung und versucht, weitere Informationen zu erlangen. Versucht, die ominöse Todesstadt zu erreichen. Die Berechnungen haben ergeben, dass dort das Geheimnis gelöst werden kann. Richtet euch auf einen längeren Aufenthalt ein und wappnet euch gegen jede mögliche Überraschung. Ich möchte, dass diese Arbeit zu einem Routineeinsatz wird, ohne irgendwelche Gefahren.«

Nach diesen Worten verließ er bis auf weiteres die Zentrale.

Joorn blickte ihm erstaunt nach. Sie erkannte, dass der Kommandant sich Sorgen machte. Sie konnte das nicht nachvollziehen, obwohl auch sie ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend hatte. Nur war sie nicht in der Lage, dieses Gefühl zu deuten.

Denise zuckte mit den Schultern und machte sich auf den Weg in den Hangar, wo sich die Space-Jet JAYJAY II befand. Die anderen Crewmitglieder trudelten auch so langsam ein. Als erstes erschien natürlich Matthew Wallace.

Wallace betrat die kleine Zentrale der Jet. Er war nicht erstaunt, die Stammbesatzung bereits anwesend zu finden. Der erste Offizier, Jasker Qwoch von der Freihandelswelt Olymp, meldete die Jet einsatzklar. Wallace hatte auch nichts anderes erwartet. Sein zweiter Offizier, verantwortlich für Funk und Ortung, Mandine Tatzk sowie der Feuerleitoffizier Alton Klaron stammten ebenso wie Wallace von Terra.

Irwan Dove, der oxtornische Sicherheitschef der IVANHOE, der Posbi Lorif, in der IVANHOE als zweiter Offizier eingesetzt, und Timo Zoltan, der Wissenschaftler, kamen nur wenige Minuten später als Denise Joorn.

Damit war die Besatzung komplett. Kaum eine Minute, nachdem jeder seinen Platz eingenommen hatte, meldete sich der Kommandant und gab den Start frei. Durch das Energiefeld, das ein Austreten der Atmosphäre verhinderte, wurde die Jet geschleudert und begann mit dem Landemanöver, als sie in die äußersten Luftschichten der planetaren Atmosphäre eintrat.

»Wir sollten in der Nähe jener Siedlung landen, wo wir letztes Mal auf Benny getroffen sind«, schlug Dove vor. »Dann können wir diesen geschwätzigen Seshurer am ehesten wiederfinden. Er ist einer der wenigen Einheimischen, die uns nicht so misstrauisch begegnen. Außerdem war er schon in der Todesstadt und ist vielleicht der einzige, der uns dorthin führen kann.«

»Einverstanden.«

Matthew Wallace steuerte die Space Jet gekonnt in den kleinen Talkessel der Oase und landete sie unfern der Siedlung in einer kleinen Höhle.

»Okay, Irwan, Timo und Denise versuchen diesen Benny aufzutreiben, Lorif und ich kümmern uns um die Einheimischen als kleine Einsatztruppe. Ich nehme an, dass sie sich sehr vor der Todesstadt fürchten, sich aber doch von dem wartenden Reichtum locken lassen.«

»Wozu benötigst du noch Einheimische?« erkundigte sich die attraktive Terranerin überrascht. »Ich halte es nicht für notwendig, diese Wesen in eventuelle Gefahren zu bringen.«

»Naja, wir sind immerhin eine sehr kleine Gruppe und könnten vielleicht ihre Hilfe gebrauchen«, fiel Zoltan erklärend ein. »Einheimische haben immer einige Vorteile. Ein unbestreitbarer ist, dass sie sich immer besser auskennen mit Natur und Umwelt als Fremde, die wir hier nun mal sind.«

Diesen Argumenten musste Joorn recht geben, aber es gefiel ihr trotzdem nicht, die Eingeborenen zu gefährden. Doch sie vertraute den erfahrenen Besatzungsmitgliedern der IVANHOE und akzeptierte deren Führungsrolle.

»Gut, dann kann's ja losgehen. Sobald eine Gruppe ihren Auftrag erfüllt hat, setzt sie die andere davon in Kenntnis und kehrt hierher zurück. Mandine, informiere Jeamour von unserem Vorhaben. Jasker, du hast bis auf weiteres das Kommando. Halte die Stellung!«

Wallace sprühte nur so vor Tatendrang. Es schien, als sei diese Mission die richtige Medizin gegen seine Depressionen.

Da die Luft des Planeten atembar war, konnten die Menschen auf ihre Schutzanzüge verzichten, jedoch hatte Wallace vor, die Todesstadt nur in Seruns zu besuchen. Er wollte unnötige Risiken ausschalten und der Mannschaft die größtmöglichen Überlebenschancen bieten.

Sie brachen auf. Die beiden kleinen Gruppen verließen nacheinander die Jet und bewegten sich auf verschiedenen Wegen in Richtung Siedlung. Wallace wusste, dass die andere Gruppe als erstes die Taverne aufsuchen würde und wandte sich seinerseits zum Zentrum des Ortes, wo er mutige und kompetente Einheimische zu finden hoffte.

»Was hältst du davon, wenn wir direkt das Dorfoberhaupt aufsuchen und um seine Unterstützung bitten?«, erkundigte er sich bei Lorif.

»Grundsätzlich wäre dagegen nichts einzuwenden, jedoch ersehe ich aus meinen Speichern, dass du nicht sonderlich begabt in diplomatischen Verhandlungen bist, so dass uns dieser Weg höchstwahrscheinlich direkt in arge Schwierigkeiten...«

»Was fällt dir ein?!«, ereiferte sich Wallace. »Für derartige Frechheiten wurden Offizier früher drakonisch bestraft! Halt also dein Mundwerk etwas besser im Zaum, klar?«

»Ich wollte ja nur andeuten, dass vielleicht...«

»Kein Wort mehr! Du hältst dich gefälligst zurück, bis du gefragt wirst!«

»Aber...«

»Ende der Diskussion!«

Wallace lief in gespieltem Zorn zwei Schritte voraus. Wenn er es ehrlich bedachte, hatte der Posbi gar nicht so unrecht.

Aber dies hier war keine politische Mission, und Wallace schreckte auch sonst nie vor Auseinandersetzungen zurück, ob nun verbal oder mit Waffengewalt.

»Ich verstehe diese Menschen nicht«, murmelte Lorif zu sich selbst und folgte dem Schotten wortlos.

*

Nach einem zwanzigminütigem Marsch durch das staubige Tal erreichten sie die Siedlung, in der die erste alarmierende Entdeckung gemacht wurde. Durch winklige, unbefestigte Gassen bewegte sich das ungleiche Paar, ständig bestrebt, unauffällig das Zentrum zu erreichen. Kaum einen der Einheimischen bekamen sie zu Gesicht, so dass ihnen langsam unheimlich zumute wurde. Es war ja bekannt, dass die Eingeborenen eher scheu waren, wenn Fremde von den Sternen kamen und versuchten, mit ihnen in Kontakt zu treten.

Als Wallace und Lorif den Marktplatz betraten, fühlten sie sich von vielen neugierigen Augen scheu und zurückhaltend beobachtet. Doch nun kümmerten sie sich nicht mehr darum, sondern gingen zielstrebig auf das größte der vorhandenen Bauwerke zu, das sie als Regierungsort erkannten.

Es bestand eigentlich aus wenigen stützenden Holzmasten, deren Zwischenräume teilweise mit rohen Steinbrocken oder schweren Vorhängen ausgefüllt wurden. Das Dach bestand aus verschiedenen Lagen breitfächeriger Blätter, die wohl im Laufe der Zeit immer wieder erneuert worden waren. Vor der großen Öffnung an der dem Marktplatz zugewandten Seite erblickten die beiden verschiedenen Wesen die ersten Einheimischen. Es waren große, kräftig gebaute Männer, mit langen Stoffgewändern einfacher Fertigung bekleidet und mit primitiven Waffen bestückt. Mit ihren Speeren versperrten sie den Ankömmlingen den Zutritt zu dem Gebäude.

»Gewährt uns Einlass«, forderte Wallace die Wachen energisch auf. Dank der Hypnoschulung beherrschte jedes Mitglied der Expedition die Sprache der Seshuren.

»Wer wagt es, unaufgefordert diesen Palast aufzusuchen?«, erkundigte sich eine der Wachen barsch. »Nur Games der Weise bestimmt, wer eingelassen wird!«

»Nun, so meldet ihm, zwei mächtige und reiche Abgesandte eines weit entfernten Reiches ständen vor seinem Tor und seien gezwungen, sich mit den unflätigen Reden einfältiger Wachen herumzuschlagen!«

Lorif blickte den Chef des Unternehmens an, doch dessen herrisches Gehabe schien den Wachposten zu imponieren, denn einer verließ rasch seinen Platz um Meldung zu machen, während der andere ehrfürchtig zu Wallace aufschaute, der noch ein Stück größer war als er. Diesen Männern bedeutete Stolz und Stärke eine Menge. Wallace kannte dieses Verhalten aus der Geschichte Terras und hatte nach logischen Gesichtspunkten gehandelt, als er diesen Weg einschlug. Nun kam es nur noch auf die Reaktion des Herrschers an.

Nach wenigen Minuten erschien der Soldat wieder und beschied den beiden terranischen Abgesandten, ihm zu folgen. Sie durchschritten mehrere Räume, deren rohe Wände mit verzierten Waffen und anderen Symbolen Games' Macht versehen waren.

Dann betraten sie einen hell erleuchteten Raum, größer als alle bisher durchschrittenen. Die Wände waren aus einem Stoff, der sehr kostbar erschien, denn er glänzte merkwürdig und reflektierte bei bestimmtem Auftreffwinkel das Licht, das durch das offene Dach fiel. Am hinteren Ende des Raumes saß ein Eingeborener, in den gleichen Stoff gekleidet, aus dem die Wände bestanden. Er besaß eine hellere Haarfärbung als seine Artgenossen und strahlte eine Autorität aus, der sich Wallace nur schwer entziehen konnte. Nachdem sie sich einige Zeit gemustert hatten, ergriff Games der Weise das Wort.

»Nun, Fremde, ich habe euch Einlass gewährt, da mir meine Leibwache mitteilte, ihr seiet mächtige Fürsten aus weiter Ferne und gekommen, mir zu huldigen!«

Wallace sah überrascht zu Lorif. Da schien der Mann etwas falsch verstanden zu haben.

»Nun, Herr, Euer Ruhm drang bis hinauf zu unserem Reich. Doch nicht nur Euer Ruhm war es, der uns hierher führte, sondern auch das Abenteuer.« Lorif hatte Wallaces Unsicherheit erkannt und das Wort ergriffen.

»Wie meint Ihr das?« Interessiert beugte sich der Herrscher der Eingeborenen vor. »Welches Abenteuer lockte Euch?«

Wallace hatte Lorifs Taktik erkannt und beschloss, den gleichen Stiefel zu fahren. »Herr, Ihr beherrscht ein mutiges Volk. Ihr wisst, dass es unter ihnen einige gibt, die begeistert solche Abenteuer erleben würden, wie wir sie erlebten auf unserer langen Reise.«

»Da habt Ihr vollkommen recht, und ich sehe, dass Ihr unter dem gleichen Bann steht wie die mutigsten Krieger meines Volkes.«

Geschmeichelt betrachtete der Weise die Fremden, die ehrfürchtig vor ihm standen. »Viele meiner Männer leisteten dem Volk mit ihrem Mut hohe Dienste. Doch fanden auch viele den Tod. Welche Abenteuer sucht Ihr?«

»Unser Volk erreichte die Kunde von großen Schätzen, die hinter der großen Wüste liegen. Eine Stadt der Götter beherbergt sie und wartet auf den Mutigen, der sie findet.«

»O Tor!«, rief Games der Weise erschrocken. »Die Stadt des Todes suchet Ihr? Lasst es bleiben, rate ich Euch! Viele tapfere Krieger fanden den Tod, keiner kehrte je zurück! Und wenn es doch jemand schaffte, konnte er nur von dem Grauen berichten, welches dort auf jeden Fremden lauert!«

»Herr, es ist uns ernst! Wir haben den Mut der Götter, die Stärke der wilden Tiere und den Geist aller großen Herrscher! Wir werden zurückkehren und unsere Macht weiter verbreiten und Kunde bringen von den Geheimnissen der Götterstadt! Wollt Ihr Euch uns anschließen, wird Euer Ruhm unsterblich werden und Eure Macht niemals gebrochen. Ihr werdet beim Volk die Stelle eines Halbgottes einnehmen und Euer Reich dem Wohlstand nahe bringen!«

Lorif schien sich in der Rolle des Aufschneiders äußerst wohl zu fühlen. Jedoch musste Wallace zugeben, dass seine Taktik erfolgversprechend war.

 

3. Expedition zur Todesstadt

Ein Wüstenfuchs hätte sich wahrscheinlich gewundert, denn es kam selten genug vor, dass sich jemand in die gefährliche Hitze der Wüste verirrte. Und jetzt waren es gleich sechzehn Wesen, die sich gemeinsam unter der sengenden Hitze beugten. Sechzehn Wesen, aus der Ferne nur als winzige schwarze Punkte in der Einöde der Wüste auszumachen.

Elf dieser Wesen schienen besonders stark unter der Sonneneinstrahlung zu leiden, denn sie schleppten sich mühsam hinter den fünf anderen her, die noch ziemlich elastisch und frisch wirkten. Lag der Grund vielleicht in der merkwürdigen Kleidung begründet, die jene kräftigen Fünf trugen und sich in ihr zum Verwechseln ähnelten? Manchmal hielt eine der merkwürdigen Gestalten an und versuchte, einem der besonders geschwächt erscheinenden Wesen helfend beizustehen. Diese Wesen waren vermummt in lange, bräunliche Gewänder, die auch ihre Gesichter zum Großteil verdeckten und so vor dem feinen Wüstenstaub schützen sollten.

Mit jedem Tag, der auf diese Art verstrich, erlahmten die Bewegungen der Vermummten zusehends. Des Abend fielen sie erschöpft auf ihre kargen Lager, die sie sich aus einzelnen Gepäckstücken erstellten und schliefen einen todesähnlichen Schlaf, aus dem sie wahrscheinlich am nächsten Morgen nicht erwachen würden, wenn sich nicht die Unbetroffenen um sie gekümmert hätten.

»Lange halten sie das nicht mehr aus, Mathew!«

»Ich weiß, aber wir müssen sie weiterhin antreiben, wenn sie die Chance haben wollen, diese Hölle lebend zu verlassen.«

Der mit Mathew angesprochene Mann blickte in die bedrückten Augen seines Gegenübers, einer jungen attraktiven Frau. Sie schien sich ernsthafte Vorwürfe zu machen, weil ihre kleine Gruppe jene elf einheimischen Wesen in diese Situation gebracht hatte.

»Denise, entspann dich ein wenig und schlafe, solange es dir möglich ist. Ich hoffe, dass wir Morgen jenen Ort erreichen, von dem aus nur noch ein Tagesmarsch bis zu unserem vorläufigen Ziel zu bewältigen ist.«

»Wie kommst du darauf?«, fragte Denise Joorn erstaunt, denn sie hatte noch keine Anzeichen bemerkt, die auf ein baldiges Ende der Wüste hindeuteten.

»Benny konnte sich erinnern, dieses kleine Tal durchquert zu haben und zwei Stunden darauf auf jene Säule getroffen zu sein, die den ersten Wegweiser zu der Todesstadt darstellt.«

»Du weißt, auch Benny ist erschöpft wie die Krieger des Games. Vielleicht phantasiert er auch nur!«

»Wir werden sehen...«

*

Am nächsten Morgen brachen sie in aller Frühe auf, um die kühleren Morgenstunden zu nutzen und den seshurischen Kriegern den Marsch zu erleichtern. Mathew Wallace, Denise Joorn, Timo Zoltan und Irwan Dove trugen ihre Seruns, die sie vor allen Umwelteinflüssen schützten. Lorif war dagegen aufgrund seiner Konstruktion sowieso gefeit, obgleich er seine Gelenke und Schnittstellen besonders vor dem Sand schützte.

Die Seshuren jedoch waren der Natur vollständig ausgeliefert. Sie hatten nur ihre Kleidung, die sie nur unzureichend schützen konnte. Jedoch schlugen sie sich tapfer, fast alle Mitglieder der terranischen Expedition wären schon lange zusammengebrochen. Wahrscheinlich hätten nur Lorif und Dove den Weg unbeschadet überstanden. Der Oxtorner war von seinem Heimatplaneten weitaus extremere Bedingungen gewohnt und spürte die Hitze nicht. Manchmal lud er sich einen der Seshuren auf den Rücken und trug ihn so über mehrere Stunden durch die Wüste.

Nach zweieinhalb Stunden war es soweit. Eine steinerne Säule erschien in ihrem Blickfeld und ließ die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Strapazen wieder aufflackern. Die Krieger nahmen ihre letzten Kraftreserven zusammen und legten ein Tempo vor, das ihnen niemand mehr zugetraut hätte. Als sie die sandsteinerne Säule erreichten, stellte sich heraus, dass Benny nur zum Teil korrekte Anweisungen gegeben hatte. Denn in wenigen Kilometern Entfernung war schon die Silhouette einer Stadt zu erkennen, deren starke Wälle sie gegen die Sandmassen stützten. Dort ragten Türme in die Höhe, deren Kuppeln den Teammitgliedern merkwürdig bekannt vorkamen.

Joorn bekam schon jetzt einen ersten Eindruck der Ägyptoidität, an die sie noch nicht hundertprozentig geglaubt hatte. Nun legte sie das Tempo vor. Sie konnte es kaum erwarten die Stadt zu betreten und zu untersuchen. Ihr Wissensdurst verdrängte ihre Vorsicht. Bevor sie jedoch Hals über Kopf in die Stadt stürmen konnte, klang eine kalte Stimme in ihrem Helm auf.

»Halt, Denise! Wir werden nicht einfach in die Stadt eindringen, ohne Vorbereitungen zu treffen!«

»Aber wir sind hier, wir haben alles dabei was wir brauchen! Ich sehe nicht ein, was es da noch zu zögern gibt!«

»Oh, da kann ich dir ne ganze Menge aufzählen«, mischte sich Lorif unbefangen in das Gespräch ein. »Als erstes muss ich darauf aufmerksam machen, dass an dieser Stelle kein Stadttor zu erkennen ist. Gut, wir könnten mit Hilfe der Seruns einfach hineinfliegen, aber was ist mit den Seshuren? Zweitens ist mir aufgefallen, dass organische Wesen, allen voran die Terraner, gerne etwas Nahrung aufnehmen, bevor sie sich in Abenteuer und eventuelle Gefahren begeben. Das muss etwas mit ihrem Energiehaushalt zu tun haben, nehme ich an. Nebenbei wäre das auch eine gute Möglichkeit, sowohl den Seruns als auch den Seshuren eine gewisse Abkühlungsphase zu gewähren. Damit wäre eine Steigerung der Leistungsfähigkeit verbunden, was dazu führen müsste, dass...«

»Es reicht, Lorif!«

Energisch beendete Wallace den Redeschwall des Posbi, der die Gelegenheit genutzt hatte, seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Plappern, nachzugehen.

»Gut, wir werden eine Ruhepause einlegen. Denise, die Seshuren benötigen tatsächlich eine Pause, wenn sie uns nützlich sein sollen. Ich denke, wir sollten uns darum kümmern, dass sie wieder auf die Beine kommen.«

»Da habe ich ein Spezialprogramm zur Wiedererweckung von organischen Wesen entwickelt«, setzte Lorif schon wieder an.

»Mund halten«, fauchte Wallace, von unangenehmen Erinnerungen heimgesucht.

Denise Joorn hatte eingesehen, dass die Seshuren erstmal wieder fit gemacht werden mussten, bevor sie ihr Unternehmen starten konnten. So bemühte sie sich wie die anderen Mitglieder des Teams um die ausgelaugten Körper, verteilte Wasser und wiederbelebende Mittel.

Unterdessen kümmerte sich Wallace um ihre Expedition.

»Pikosyn, ich brauche eine Verbindung zur JAYJAY II!«

»Kommt sofort!«

»Hier JAYJAY II, Mandine Tatzk«, meldete sich der Terrageborene nach wenigen Augenblicken.

»Mandine, hier Wallace. Gib mir mal Jasker, bitte.«

»Alles klar, Chef, Moment!«

Wallace überblickte die kleine Runde, um ihren Zustand festzustellen, während er auf Jasker Qwochs Antwort wartete.

»Ja, Chef, was gibt's?«

»Jasker, wir sind jetzt genau vor den Stadtmauern. Unglaublich, sie sind nach der gleichen Art errichtet wie vergleichbare Relikte auf Terra. Ich schicke dir jetzt alle verfügbaren Daten. Informiere die IVANHOE von unseren Fortschritten! Ich melde mich wieder, wenn was Besonderes passiert. Spätestens in 24 Stunden. Einsatzteam Ende!«

»Alles klar, Ende!«

»Leute, ich denke, wir bauen hier unser letztes Nachtlager auf, bevor wir die Stadt betreten. Hier im Windschatten der Stadtwälle haben wir einen sicheren Ort gefunden. Morgen werden auch die Seshuren wieder fit sein.«

Den Rest des Tages verbrachten sie mit der ersten Analyse der Stadtmauern. Wie sich herausstellte, waren sie mindestens zehntausend Jahre alt.

»Das kann nicht sein!« Denise Joorn war total schockiert. »Diese Stadtmauern erinnern zu stark an vergleichbare Werke der ägyptischen Pharaonenkultur nach Menes I., als dass es ein Zufall sein könnte. Und doch stimmt da was nicht. Die altägyptische Kultur begann ihre Blütezeit mit der langsamen Phase der Reichseinigung vor etwas mehr als 7.900 Jahren!«

»Du meinst, diese Stadtmauern entsprechen bekannten Stücken auf der Erde, sind jedoch mindestens zweitausend Jahre älter?«, erkundigte sich Timo Zoltan verblüfft. Der junge Wissenschaftler verstand gar nichts mehr. »Aber woher kommt diese zeitliche Differenz?«

»Ich finde es verblüffend, dass sich die Wissenschaftler nicht um den wichtigeren Punkt dieser Entdeckung kümmern: Wie konnte es zu dieser Parallelentwicklung der Kulturen kommen?«

Lorif schien die Sache von einer anderen Seite anzugehen.

»Die zeitliche Differenz klärt sich sicherlich selbstständig, wenn erstmal die Herkunft der Kultur als solche erkannt wurde.«

Erstaunt blickten die Wissenschaftler auf. Lorif hatte Recht. Das grundsätzliche Problem war tatsächlich die Verbindung der Kulturen von Terra und Seshur.

»Durch Philosophieren kommen wir nicht weiter«, beendete Wallace die Diskussion. »Morgen werden wir die Stadt genauer untersuchen und sicherlich einige Hinweise finden. Unsere Aufgabe wird sein, die Parallele zu entdecken und ihre Natur zu erklären. Lorif, wärest du so freundlich, die Wache zu übernehmen?«

Sie legten sich hin und versuchten, Ruhe zu finden. Doch das war nach den heutigen Entdeckungen nicht einfach. Vor allem Joorn und Zoltan hingen ihren Gedanken noch lange nach. Sie zermarterten ihr Hirn, um des Rätsels Lösung zu finden. Erst spät in der Nacht vielen sie in einen unruhigen Schlaf, aus dem sie Lorif bei Morgengrauen weckte.

 

4. Die geheimnisvolle Stadt

»Aufstehen, Frühstück ist fertig, Mutter Sonne ruft zum Tageswerk!«

Fluchend richtete sich Wallace auf. Dieser Posbi raubte ihm noch den letzten Nerv!

Nach einem ausgiebigen Frühstück, bestehend aus zwei Konzentratkapseln und einigen Schlucken angereicherten Wassers machte sich die Gruppe auf die Suche nach einem Eingang in die Stadt.

Auch die Seshuren beteiligten sich daran. Sie hatten sich gut erholt und wollten jetzt dieser Todesstadt ihre Schätze entreißen. Bshynshyy, den die Terraner Benny genannt hatten, fand zu seinem geschwätzigen Wesen zurück und plapperte auf Lorif ein, in dem er einen würdigen Partner fand.

Doch schließlich war es Lorif, der einen Eingang entdeckte. Er hatte mit seinen integrierten Ortungsinstrumenten einen Öffnungsmechanismus in einem der Steine entdeckt und mittels seiner technischen Werkzeuge in Gang gesetzt. Dabei hatte er einen punktuell wirkenden Traktorstahl eingesetzt, mit dem er das erste Segment des Mechanismus erfasste und verschob, bis die Kettenreaktion ausgelöst wurde und ein Teil der Mauer zur Seite glitt. Für die Zuschauer wirkte seine Aktion wie das Werk eines Telekineten, der mit Hilfe seiner Willenskraft den gleichen Effekt bewirken konnte.

Denise Joorn konnte es kaum erwarten, in die Stadt einzudringen, aber diesmal gebot ihr Irwan Dove Einhalt.

»Solange wir nicht wissen, wie die Sicherungen beschaffen sind und welche anderweitigen Gefahren dort auf uns lauern, übernehme ich die Spitze. Mir folgen drei Krieger des Games. Denise und Lorif sowie Benny können meinetwegen die zweite Staffel bilden. Timo bleibt als wissenschaftlicher Berater bei unserer Nachhut, die bitte von Mathew geführt und von den restlichen Seshuren gebildet wird.«

Denise Joorn wollte den Serun ablegen, doch Wallace hielt sie davon ab.

»Was soll das?«, wollte er ungläubig wissen.

»Ich bin Archäologin, ich brauche so ein Kram nicht«, erklärte sie stur.

»Oh doch! Hier kann es ziemlich gefährlich werden ohne Schutz des Seruns!«

Denise schüttelte den Kopf.

»Das ist ja gerade der Kitzel«, meinte sie grinsend.

Doch Mathew fand es gar nicht so witzig und befahl ihr als Expeditionsleiter, den Serun anzubehalten. Widerwillig folgte Denise der Anweisung.

Auf Wallaces Stirn war eine steile Falte erschienen, doch er sah ein, dass die Einteilung die größte Sicherheit gewährleistete und darum dem Unternehmen am dienlichsten war. Also fügte er sich in sein Schicksal, ebenso wie Joorn, die ihre Unruhe kaum noch zügeln konnte.

»Okay, verschließt fürs erste die Seruns, damit wir keine bösen Überraschungen erleben. Erst, wenn die Art der Gefahren bestimmt werden kann, entscheide ich, ob es wirklich nötig ist, sich von der Außenwelt abzuschotten.«

Nachdem Wallace die Space Jet-Besatzung neu instruiert hatte, verschwand Dove durch den schmalen Spalt, den Lorif geschaffen hatte. Benny bestimmte die drei Seshuren, die ihm auf dem Fuß folgten. Nun gab es kein Halten mehr für Joorn. Sie lief hastig durch den Spalt und – blieb doch sofort wieder stehen. Überwältigt von dem Anblick, der sich ihr bot, stand sie mit offenem Mund da und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Dove hörte nur ein leises Flüstern, das sich anhörte wie: »Das kann einfach nicht sein...« Es schien so als würde Joorn die Fassung verlieren, die Entsprechungen zum alten Ägypten waren einfach zu stark.

»Lorif, beginne mit der Analyse der nächsten Bauwerke, wir müssen wissen, ob sie das gleiche Alter haben wie die Wälle. Außerdem muss nach Hinweisen gesucht werden, die uns Aufschluss über die Herkunft dieser Kultur geben könnten. Das übernehmen Joorn und ich, Zoltan und Wallace kümmern sich um die umliegenden Gebäude. Außerdem übernehmt bitte die Sicherung, die Eingeborenen werden euch dabei helfen.«

Diese logische Analyse der Lage brachte Joorn zurück in die Gegenwart, sie stürzte sich mit ungeheurem Eifer auf das nächste Gebäude. Dove grinste kurz und holte sie mit einem Schritt ein. Gemeinsam drangen sie in das Haus ein, das ebenso wie die Stadtmauern aus Sandstein gefertigt war.

»Irwan, es ist einfach unglaublich«, wiederholte die Ägyptologin atemlos. »Sowohl Architektur als auch Einrichtung der Zimmer entsprechen absolut der altägyptischen Pharaonenkultur.«

Nachdenklich blickte sich Dove um.

»Es muss doch irgendwie festzustellen sein, ob diese Kultur von diesem Planeten stammt oder ob kosmische Ereignisse hier mitspielen. Dann wäre ein ähnliches Ereignis ungefähr zwei Jahrtausende später für die Kultur auf der Erde verantwortlich. Wir müssen nach Schriften oder anderen Aufzeichnungen suchen. Ich werde die anderen informieren.«

»Alles klar, dann lass uns gleich weiter in die Stadt eindringen, hier am Rand werden wir nichts wichtiges Entdecken können.« Die Terranerin war in ihrem Element. »Mal sehen, was Lorif Neues herausgefunden hat!«

Dove rief über den Pikosyn das Team auf einem freien Platz zusammen und berichtete von ihren Überlegungen. Die Männer waren einverstanden, das Zentrum der Stadt aufzusuchen und die Suche auf Aufzeichnungen zu konzentrieren.

Auch Lorif hatte nichts dagegen einzuwenden, zumal er die Analyse der Stadtmauern auf die Gebäude übertragen konnte. Jedoch war er unabhängig von Dove ebenfalls zu der Ansicht gelangt, im Stadtzentrum nach Aufzeichnungen zu forschen und das Vorhandensein der Stadt als solche einfach hinzunehmen.

Im Zentrum führten sie ihre Durchforschung der Gebäude fort, zunächst jedoch ohne Erfolg. Sie drangen quasi in jedes Haus ein und durchstöberten es bis in die hintersten Winkel, ohne viel mehr als zerfallene Einrichtungsgegenstände und Staubmassen zu finden. Fluchend wollte Dove schon die Suche abbrechen, als ein Schrei erklang. Dove sprang sofort in die Richtung, aus der er den Todesschrei eines Menschen empfangen hatte.

»Denise, ruf Timo und Mathew, hier scheint es doch Gefahren zu geben!«

Mit riesigen Sätzen, die nur ein Oxtorner zu machen im Stande war, sprang er davon. Wieder erklang einer dieser Schreie, die einem durch Mark und Bein gingen und die man nie mehr vergaß. Er kam aus diesem kleinen unscheinbaren Gebäude, an dem sie vorhin vorbeigegangen waren. Dort schienen sich einige der Seshuren zu befinden. Sie mussten etwas Wichtiges entdeckt haben, denn bisher waren sie noch auf keine Falle gestoßen. Dove sprang ins Dunkle und aktivierte seine Aktivortung. Er sah sofort, in welcher Gefahr die Seshuren schwebten.

 

5. Eine halbe Stunde zuvor.

Benny hatte sich allmählich zu seinen Artgenossen gesellt. Er wunderte sich genauso wie die Fremden, dass in der Todesstadt kein Todeshauch lag. Anfangs hatte er die Hilfe der Fremden benutzen wollen, um hierher zu gelangen und reich zu werden. Doch sie schienen sich gar nicht mehr um ihn und seine Artgenossen zu kümmern.

Egal, dachte er zornig bei sich. Wir brauchen sie nicht mehr! Wenn sie nicht nach Schätzen suchen, werde ich das selber machen!

Leise informierte er die Krieger über seine Pläne und stieß auf identische Ansichten. Die Fremden verhielten sich seit Betreten der Stadt sehr egoistisch.

Benny wartete auf eine günstige Gelegenheit, um sich und seine Leute von der Gruppe zu lösen. Zufrieden nahm er wahr, dass sie an diesem flachen Haus vorbei gingen, ohne es zu beachten. Dabei hatte es schon die ganze Zeit seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da es irgendwie einen anderen Baustil hatte als das Gros der Stadt. Hier hoffte er Hinweise auf die großen Schätze zu finden.

»Los!« Auf sein Zeichen verschwanden die Krieger in dem dunklen Eingang. Benny warf noch einen Blick zurück zu den Fremden, die ihr Verschwinden nicht bemerkt hatten, und schlüpfte rasch hinein.

Ihn erwartete eine Hölle. Drei seiner Artgenossen lagen seltsam verkrümmt auf dem sandsteinernen Boden, aus ihren Brüsten ragten die Schäfte mehrerer Pfeile. Sie mussten sofort tot gewesen sein, sonst hätte er ihre Schreie hören müssen. Die anderen Krieger versuchten verzweifelt, in dem kargen Gang Deckung zu finden. Doch das war unmöglich. Immer wieder zuckten Speere aus den Wänden hervor, denen man auf die Dauer nicht ausweichen konnte. Benny sah verzweifelt, wie einer seiner Leute getroffen wurde. Sein Todesschrei hallte unnatürlich laut in Bennys Ohren wider, der sich zuckend am Boden wand und um Hilfe schrie. Ihn hatte gerade eine Schlinge erfasst, die sich nun immer enger um seinen Hals zog und ihm die Luft abzuschnüren drohte.

 

6. Die Stadt des Todes

Mit dem nächsten Krieger, der sein Leben aushauchte, erschien ein riesiger Schatten, der sich in den Gang warf. Lautlos, jedoch rasend schnell und präzise vernichtete er eine Todesmaschine nach der anderen. Sie schienen ihm nichts anhaben zu können, er bewegte sich zwischen den Speeren hindurch, als ob sie gar nicht vorhanden wären. Da erkannte Benny den Fremden, der sich Dove nannte und wohl der gefährlichste der Fremden war. Er stieß ein kraftloses Röcheln aus. Bald würde er seinen Leuten in den Tod folgen. Plötzlich fuhr der Schatten herum und warf sich über den kraftlosen Körper des Seshuren. Ein Pfeil prallte an seinem Körper ab, der sicherlich Bennys Tod besiegelt hätte. Dove erkannte die Gefahr, die Benny durch die Schlinge drohte, und zerriss sie ohne sichtbare Anstrengung. Nun packte er die Überlebenden und schleifte sie ins Freie. Benny verlor das Bewusstsein.

Als er wieder zu sich kam, erschienen gerade der Fremde mit Namen Mathew Wallace und der merkwürdige Fremde, der auch Posbi genannt wurde, jedoch eigentlich Lorif hieß, aus dem flachen Gebäude, das fünfen seiner Krieger das Leben gekostet hatte.

»Es entspricht einem Pfortenbunker unserer Raumhäfen!«

Benny verstand nicht jedes Wort, das die Fremden verwendeten, jedoch bedienten sie sich immerhin seiner Sprache, um ihnen die Informationen zugänglich zu machen.

»Der Gang, den Benny und seine Leute entdeckt haben, führt ziemlich steil in die Tiefe. Dort befindet sich ein weit und kompliziert verzweigtes Katakomben System, in dem es von Fallen nur so wimmelt. Jedoch können uns die Pfeile auf Grund unserer Seruns nichts anhaben, nur Falltüren, Speere und Stricke könnten Überraschungen bedeuten.«

Lorif wollte schon wieder kein Ende in seinen Ausführungen finden, doch diesmal ließ man ihn gewähren, um so viele Informationen wie möglich über das System zu erhalten.

»Meines Erachtens sollte ich mit Irwan und Wallace voraus gehen, falls wir uns entschließen sollten, diese Katakomben aufzusuchen, was ich nicht bezweifle. Ich werde wahrscheinlich die meisten Fallen sofort orten können, während unsere beiden Draufgänger sie schnell und mit der größten Präzision ausschalten könnten.«

»Danke, Lorif. Hol erstmal wieder Luft!«

»Wie du vielleicht noch weißt, Mathew, bin ich in der Lage, ohne Sauerstoffatmosphäre über einen großen Zeitraum hinweg zu existieren...«

»Jaja, schon gut. Denise, was ist mit den Pfeilen?«

»Erstaunliche Waffen. Die Spitzen sind mit einem Gift versehen, das bei menschlichen Wesen sofort den Tod verursacht, auch wenn nur kleine Wunden entstehen sollten. Es ist ein Nervengift, das die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn sofort unterbricht und die Nervenbahnen des Gehirns lahmlegt. Wahrscheinlich stirbt das Opfer nach wenigen Augenblicken an dem Schock, den die plötzliche Bewegungsunfähigkeit und der rasch eintretende Sauerstoffmangel hervorrufen. Unsere Seruns können die Pfeile nicht durchdringen. Die Seshuren jedoch sind aufs Äußerste gefährdet. Kaum erwähnenswert ist wohl die Tatsache, dass dieses Nervengift auch auf Terra bekannt ist und in der ägyptischen Kultur viel verwendet wurde.«

Schweigen beherrschte kurz die Szene. Dann riss sich Wallace zusammen.

»Dann mal los! Wir gehen in der von Lorif vorgeschlagenen Weise vor. Irwan und ich schalten die von Lorif erkannten Fallen aus, Denise und Timo folgen uns direkt. Benny und seine Leute sollten einen Sicherheitsabstand von einigen Metern einhalten, damit sie bei eventuellen Angriffen nicht gefährdet sind... Lorif!«

*

Der Posbi setzte sich in Bewegung, der Abstieg in die Unterwelt begann. Sie kamen relativ rasch vorwärts, das Team Lorif-Wallace-Dove spielte sich immer besser ein, für die Nachfolgenden gab es keine Gefahren. Dank Lorifs Ortungseinrichtungen fanden sie sich immer schnell in den unterirdischen Labyrinthen zurecht, so dass sie am Abend sicher an der Oberfläche ankamen und ihr Nachtlager in einem der Gebäude aufschlagen konnten. Neue Erkenntnisse hatten sie an diesem Tag nicht mehr sammeln können. Damit war Joorn überhaupt nicht einverstanden. Sie ließ es sich nicht nehmen, noch ein wenig in der Stadt herumzustöbern. Mehrere Stunden verbrachte sie mit ihrer forensischen Untersuchung jeden Winkels und jeden Ganges der Stadt. Mitten in ihrer Arbeit wurde sie plötzlich aufgeschreckt.

»Denise, mit deiner unruhigen Sucherei machst du mich total nervös. Ich habe bisher kein Auge zugetan. Was, wenn hier doch noch Gefahren lauern?« Zoltan hatte sich unbemerkt in ihre Nähe begeben.

»Mann, schleich dich das nächste Mal nicht so hinterrücks an, wenn du nicht meinen Tod durch Herzinfarkt riskieren willst!«

»Tschuldigung. Hast du was dagegen, wenn ich mich an den Untersuchungen beteilige?«

»Nein, natürlich nicht. Jede Gesellschaft ist mir willkommen!«

»Schön, dann schlage ich vor, dass wir uns mal jener großen Halle zuwenden. Sieht imposant aus. Vielleicht haben wir Glück, und das Teil war mal was Wichtiges.«

»Da wollte ich sowieso grad mal reinschauen.«

Die beiden machten sich auf den Weg. Sie betraten das Gebäude unbefangen; bisher hatten sie noch nichts gefunden, was ihnen große Hoffnungen auf wichtige Funde gemacht hätte. Umso größere Augen bekamen sie nun, als sie die Wände und Säulen der großen Halle in ihrem Scheinwerferlicht betrachteten.

»Was ist das denn?«, fragte Zoltan erstaunt.

Joorn ging fast in die Luft vor Begeisterung. »Hieroglyphen! Echte altägyptische Hieroglyphen! Schau mal hier: Die Geschichte ihrer alten Götter, der Kriege und der Mythen! Da, das Auge des RA! Die sind anders als jene auf Mashratan.«

»Mein Gott«, rief Zoltan ungläubig aus. »Geht die Parallelität etwa soweit, dass sogar dieselben Götter vorhanden sind wie auf Terra?!«

»Hier«, fuhr Joorn begeistert und unbeeindruckt von Zoltans Worten fort. »Der Sonnengott RA mit seinem Boten, Horus, der als Falke dem Pharao die Verbundenheit zu den Göttern symbolisiert. Und da ist Anubis, der Gott der Toten, der als Hund des Krieges seinem Herrn vorauseilt! Und hier Osiris, der Gott der Unterwelt...«

Joorns Begeisterung war kaum noch zu bremsen. Hier hatten sie die nächste Entsprechung zu Terra gefunden. Zoltan und Joorn analysierten, untersuchten und forschten noch bis spät in die Nacht. Bei Morgengrauen begaben sie sich total erschöpft, aber immer noch begeistert zu ihrem Team und berichteten von ihrem Fund. Ungläubig und erstaunt liefen Wallace, Dove und Lorif zu der angegebenen Stelle und mussten die Berichte der beiden Nachtwanderer bestätigen. Lorif nahm alles in seine Speicher auf und machte sich sofort an die Auswertung. Wahrscheinlich würde er nicht mehr daraus schließen können als Joorn und die anderen Männer, die sich nun wieder in die Katakomben begaben.

*

In den folgenden Tagen ereignete sich nichts Außergewöhnliches. In keiner der entdeckten Kammern fand man mehr als alten Staub und tückische Fallen. Langsam wurde das Team es müde, tagein, tagaus die Unterwelt aufzusuchen und jeden Abend erschöpft zurückzukehren, ohne neue Erfolge verbuchen zu können. Mittlerweile wurden auch die Seshuren um Benny herum wieder nervös. Bisher hatten sie noch nichts von den versprochenen Schätzen gesehen, die sie zu angesehenen Männern in ihrer Siedlung machen würden.

Wallace sah sich gezwungen, eventuell für Ersatz zu sorgen, damit sie nicht mit leeren Händen zurückkehren müssten. Doch auch er resignierte fast vor der Erfolglosigkeit des Unternehmens. Schon wollte er die Expedition beenden, als schließlich einer von Bennys Leuten wieder eine vorwärtstreibende Entdeckung machte. Er lehnte sich erschöpft gegen eine Wand – und verschwand vor den Augen Bennys. Dieser machte sich erschrocken auf den Weg zu Wallace, der sofort das terranische Team alarmierte und schnell den Ort des Geschehens erreichte. Lorif war auch schon anwesend und ließ seine Orter spielen.

»Es handelt sich um eine stinknormale Drehtür ohne jegliche Besonderheiten. Wird auf der einen Seite der Achse Druck auf die Wand ausgeübt, schwingt sie um die Achse herum und gibt den Zugang zu einer Kammer frei. Ich befürchte, der Krieger ist nicht mehr am Leben. Denn sicherlich wird eine so getarnte Tür nichts Unwichtiges schützen, sondern nur eine Grabkammer oder ähnliches...«

Weiter kam er nicht. Mit einem Aufschrei stürzte sich Joorn auf die Wand und verschwand im Innern der Kammer. Man hörte ein leises, dumpfes Ploppen, dann ein Krachen, dann meldete sich die Terranerin über Funk.

»Alle Fallen ausgeschaltet, Grabkammer liegt vor unserem Zugriff frei!«

»Na, dann lasst mal sehen!« Timo Zoltan folgte der Wissenschaftlerin, ebenso wie die noch etwas verblüfft dreinschauenden Sicherheitsleute Dove und Wallace und die letzten vier Krieger der Seshuren.

»Willkommen, Herrschaften!« begrüßte Joorn ihre Leute. »Wie nicht anders zu erwarten war, entspricht diese Kammer jenen auf Terra. Überall die konservierten Lebensmittel für den Weg ins Jenseits, die Kostbarkeiten des Pharao und schließlich der Pharao selbst – mumifiziert!«

»Ich denke, hiermit können wir unseren Auftrag als beendet ansehen. Den Rest erledigen die Geräte auf der IVANHOE, natürlich unter Leitung unserer attraktiven Ägyptologin, versteht sich.«

Wallace hatte Joorns Gedanken vorausgesehen und beschlossen, die Mumie sowie einige andere Relikte zu Untersuchungszwecken zur IVANHOE zu schaffen. Nun konnten auch die Einheimischen glücklich gemacht werden. Sie erhielten soviel der Schätze, wie sie in der Lage waren zu tragen.

Damit und mit den besten Wünschen schickte man sie zu ihrer Siedlung zurück. Man war sicher, dass sie den Weg durch die Wüste noch einmal bestehen konnten, jetzt, da sie vor Euphorie nur so trieften.

Wallace stellte eine Verbindung zur Space Jet her: »Jasker, bring die JAYJAY zu uns herüber! Ich denke, wir haben wichtige Fracht für euch!«

 

7. Mission der Diplomaten

23. August 1291 NGZ

Aus den Chroniken von Jaaron Jargon

 

Ich befand mich in bester Gesellschaft. Perry Rhodan höchstpersönlich, der weise und intelligente Somer Sam, die charmante und reizende Rosan Orbanashol-Nordment sowie die erotische und klevere LFT-Assistentin Sanna Breen saßen mit mir zusammen an einem runden Tisch aus feinem Oressa-Rotholz. Die weiche Oberfläche bestand aus edlem Baronit-Glas.

Unsere Reise auf der TAKVORIAN war von großer Bedeutung, denn sie führte uns in ein neutrales Sonnensystem, in dem es zu einem ersten, geheimen Treffen zwischen Perry Rhodan und dem arkonidischen Imperator Gaumarol da Bostich kommen sollte.

Offiziell verhandelte der Monarch des Kristallimperiums nicht mit »ungesetzlichen Organisationen«, wie Camelot. Solange Rhodan also kein offizielles Amt bekleidete, war ein öffentliches Treffen unter der arkonidischen Würde. Der Imperator war sicherlich schon mit der Duldung eines camelotischen Gesandten im Galaktikum als auch mit dem Hilfsangebot im Kampf gegen MATERIA über seinen Schatten gesprungen. Dennoch hatte Rhodan über Monate den Kontakt gesucht und überraschend hatte Bostich dann doch zugestimmt. Bedingung war jedoch, dass dieses Treffen geheim und auf neutralem Boden stattfinden sollte.

Perry Rhodan hatte nur ein Raumschiff ausgewählt. Er verließ sich dabei auf den Veteranen aus dem Solaren Imperium, Joak Cascal. Einzig die SAGRITON, das Raumschiff der Saggittonen begleitete die TAKVORIAN. Aurec hatte darauf bestanden. Der Kanzler der Saggittonen würde an dem Treffen ebenfalls teilnehmen. Die Arkoniden würden sicherlich mit einer großen Flotte anrücken.

Ziel war das Sonnensystem Bragmardos Star in der Southside der Milchstraße. Auf der Welt Capucinu existierte ein unabhängiges, friedliches Volk von Nachkommen der Lemurer. Die 39.539 Lichtjahre von Sol entfernte Welt galt als autark, abgeschieden, unpolitisch und war somit ideal als Konferenztreffpunkt geeignet.

Wirsal Cell betrat die Kabine. Der rundliche Plophoser mit dem schütteren Haar strahlte eine natürliche Ruhe aus.

»Ich habe soeben ein Kommunique der Arkoniden erhalten. Sie erwarten unsere Ankunft im Bragmardos Star Sonnensystem in zwei Stunden«, berichtete Rhodans Berater aus Camelot.

Rhodan wirkte gelöst. Es war nicht die erste Begegnung mit einem misstrauischen, ja eher feindseligen Herrscher einer anderen Macht. Sam war wie gewohnt ruhig und beherrscht. Sanna Breen hingegen machte einen nervösen Eindruck. Sie war so etwas wie eine offizielle Vertreterin der Liga Freier Terraner. Rosan Orbanashol-Nordment als auch ich waren mit beiden Völkern verbunden, waren wir doch im gewissen Sinne Mischlinge aus Arkoniden und Terranern. Rhodan hoffte, dass wir vielleicht als ein beruhigendes Bindeglied funktionieren könnten.

Für Perry Rhodan stand fest, dass die Milchstraße an einem Strang ziehen musste. Dies durfte nicht nur möglich sein, wenn kosmische Mächte feindselig ihr Unwesen trieben. Die Missgunst zwischen den Völkern der Galaxis war groß – besonders zwischen den Terranern und den Arkoniden. Rhodan wollte das ändern. Er war jedoch nicht so naiv, zu glauben, dass dieses Treffen ernsthafte Fortschritte mit sich bringen würde.

Es sollte ein kleiner Anfang werden.

Auch wenn die Gefahren die THOREGON brachte, scheinbar gebannt waren, so gab es noch die Mordred. Hinter ihr stand das geheimnisvolle Volk der Dorgonen. Niemand wusste um ihr Gefahrenpotenzial. Der Kosmokrat Hismoom hatte von einem Jahrtausend der Kriege gesprochen, welches über die Thoregon-Galaxien fallen würde. Waren diese fremden Dorgonen der Grund für den Beginn dieses möglichen Krieges? Die Zukunft war ungewiss. Doch wann war sie es einmal nicht? Jedenfalls hoffte ich, dass Rhodan zumindest die Milchstraße stabilisieren konnte und Imperator Bostich vernünftig genug war, um die eigene Heimatgalaxis nicht ins Chaos zu stürzen.

*

»Der hat aus seinem Garten ein Raumschiff gemacht«, stellte Joak Cascal zynisch fest, als er zum ersten Mal die THEK-LAKTRAN aus nächster Nähe sah. Der fliegende Palast des Imperators der Arkoniden bildete neben dem 1.500 Meter durchmessenden Kugelraumer ZHYM’RANTON das wichtigste Raumschiff der ARK’IMPERIUM-Flotte, welche die persönliche Raumflotte des Imperators darstellte.

15.000 Eliteeinheiten der Kaiserflotte warteten am Rand des Sonnensystems, während die THEK-LAKTRAN und ZHYM’RANTON Kurs in Richtung TAKVORIAN und SAGRITON nahmen.

»Wenn die wollten, könnten die uns aus dem All fegen«, murmelte Cascal.

Rhodan winkte ab.

»Im direkten Duell würden unsere beiden Raumer den zwei Schiffen wohl überlegen sein.«

»Nicht jedoch den 15.000 Eliteeinheiten«, erwiderte Cascal weiterhin beunruhigt.

»Dann hätten sie es schon getan«, erwiderte Rhodan und konzentrierte sich auf die zwei ankommenden Raumschiffgiganten.

Die THEK-LAKTRAN entsprach keinem bekannten Standardtyp der Arkoniden. Sie war ein spezielles, einmaliges Gebilde. Sie bildete ein Ellipsoid mit einer Länge von 2000 Metern, einer Breite von 900 Metern und einer Dicke von 280 Metern.

Das Ellipsoid war so gekrümmt, dass der Anschein erweckt wurde, als ob die THEK-LAKTRAN aus der Oberfläche eines kleinen Mondes oder einem ähnlichen Himmelskörper erschaffen worden wäre. Auf der Oberfläche des Raumschiffes befand sich der Kristallgarten – eine Art Wald mit Seenlandschaft. Am Rand des Ellipsoids befand sich die eigentliche Palaststadt, welche als Residenz für den Imperator diente.

Die ZHYM’RANTON hatte ein schlichteres Aussehen. Es war ein klassischer arkonidischer Kugelraumer ohne Ringwulst.

Stattdessen waren in Äquatorhöhe zwölf je 200 Meter durchmessende Kreuzer angedockt, zwei weitere befanden sich an den beiden Polen des Tenderschiffes. In gekoppeltem Zustand ähnelten diese Schiffe also Kugeln mit vierzehn überdimensionalen halbrunden Höckern, zwischen denen am Äquator die zwölf runden Segmente der Metagravblöcke aufragten.

»1.700 Personen Stammbesatzung, 700 Arkoniden für die Kreuzer. Der Metagravantrieb hat eine maximale Beschleunigung von 1.000 Kilometern in der Quadratsekunde. Die Offensivbewaffnung besteht aus einem Dutzend Drillings Transformkanonen mit jeweils 3.000 Gigatonnen Sprengkraft und rund 16 MVH-Geschützen. Die Defensivbewaffnung besteht aus einem fünffach gestaffelten Paratronschirm, dreifacher HÜ-Schirm, Virtuellbildner und Prallschirm. Neben den DORKATI-Kreuzern kommen noch zehn 60 Meter Korvetten und 30 Kleinkampfraumer«, erklärte Coreene Quon, die erste Offizierin der TAKVORIAN.

»Wir ziehen nicht in den Krieg«, stellte Rhodan mit leichtem Unterton fest. »Das ist eine Friedensmission. Begrüßen wir den Kristallimperator.«

Es dauerte einige Minuten, ehe das alte, verlebte Gesicht eines Arkoniden auf dem dreidimensionalen Bildschirm erschien.

»Ich bin der Zeremonienmeister. Und ich unterrichte euch, dass Seine millionenäugige, allessehende, alleswissende Erhabenheit, Herrscher über Arkon und die Welten der öden Insel, Seine Imperiale Glorifizienz, Bostich I., Gaumarol da Bostich, Heroe aus dem Geschlecht der Weltältesten, Bostich, Zhdopanthi, von grenzenloser Weisheit und Weitsicht geküsster, in die Mysterien des Dagor Initiierter. Herrscher in der ruhmreichen Reihe der Bostich Ta-Moas des ihm unterstehenden Khasurn, Zhdopanthi im Tussan der Hunderttausend Sonnen, Tai Moas über Thantur Lok, Cerkol und Erbe von den Kristallobelisken von Arbaraith, Begam der Millionenflotten, Bewahrer des Gath-Faehrl, geneigt ist, euch eine Audienz zu gewähren.«

Stille!

Rhodan ließ sich nichts anmerken, während Cascal die Augen verdrehte und Tolk leise seufzte. Rosan schmunzelte leicht. Ihr war diese Formel sicherlich gut bekannt.

»Ich bin Perry Rhodan. Major der US-SpaceForce, Administrator Terras, Großadministrator des Solaren Imperiums, Großadministrator des Vereinten Imperiums, Ritter der Tiefe, Abgesandter von Thoregon und Ehrenmitglied im Perry Rhodan Club. Ich bin geneigt, Bostichs freundliche Neigung zu erwidern.«

Ein leichtes Zucken der Mundwinkel verriet den Beobachtern, dass der Zeremonienmeister wütend über Rhodans offenkundigen Sarkasmus war. Eine raue Stimme im Hintergrund war zu hören. Der Zeremonienmeister trat beiseite und Imperator Bostich, der I. war nun zu sehen.

»Im Gegensatz zu dir, Rhodan, schmücke ich mich nicht mit Ex-Titeln. Nun, hier ist der Imperator des Kristallimperiums. Beginnen wir mit unseren Gesprächen.«

Ein feines Lächeln umspielte die schmalen Lippen des kantigen, militärisch strengen Gesichtes mit den ausgeprägten Wangenknochen, der langen, geraden Nase und dem stechenden Blick aus den roten Augen.

Rhodan blieb gelassen.

»Alles ist vergänglich.«

Bostich schwieg. Sam ergriff die Initiative und wandte sich an den Imperator.

»Verehrter Zhdopanthi, auf dem Planeten Capucinu erwartet ein Dorf verheißungsvoll und voller Euphorie Euer Erscheinen.«

»Das ist mir bekannt, geehrter Somer Sruel Allok Mok. Meine besten Sicherheitskräfte haben das Terrain durchsucht und gesichert. Wir wollen doch nicht auf unerwartete Komplikationen stoßen, nicht wahr?«

Misstrauen schwang in der Stimme von Bostich. Rhodan glaubte, er spielte nur den Argwöhnischen. Bostich war klug genug, um zu wissen, dass Rhodan ihn nicht entführen oder beseitigen wollte.

»Auch die Agenten Camelots und der Liga Freier Terraner haben zu den Sicherheitsvorkehrungen beigetragen. Terraner und Arkoniden Hand in Hand. Das ist ein schöner Anfang«, erwiderte Sam mit seiner dunklen, sonoren Stimme.

»Wie Ihr meint«, lautete die knappe Antwort.

»Gemäß den Vereinbarungen werden die beiden Delegationen mit einem Kleinraumer ihre Raumschiffe verlassen und zum Planeten fliegen. Sicherheitskräfte haben das Areal geräumt und halten einen Abstand von einem Kilometer«, erklärte Rhodan.

»Ich bin mit den Absprachen vertraut, Rhodan. Ich habe sie schließlich vorgeschlagen.«

Bostich zeigte wieder ansatzweise sein überlegenes Lächeln. Rhodan ließ ihn gewähren. Bostich wusste, dass die Arkoniden inzwischen die größte Macht in der Milchstraße waren und er kostete diese Tatsache aus. Insbesondere schien es Bostich ein Vergnügen zu bereiten, sich vor Rhodan zu profilieren.

Rhodan konterte mit einem herzlichen Lächeln.

»In Ordnung, verehrter Imperator. Wir sehen uns dann beim Cappuccino auf Capucinu.«

*

Joak Cascal lief unruhig in der Kommandozentrale der TAKVORIAN umher, während er den Blick stets auf die Monitore hielt, die ihm die Ereignisse im Hangar und im Weltraum zeigten.

Perry Rhodan, Rosan Orbanashol-Nordment, Jaaron Jargon, Sanna Breen, Wirsal Cell und Sam betraten die Space-Jet. Die SAGRITON schleuste derweil eine Fähre mit Aurec an Bord aus. Wenige Momente später verließ ein 30 Meter durchmessender Kreuzer der ZYKLOP-Klasse die THEK-LAKTRAN. Da die TAKVORIAN und THEK-LAKTRAN sich am nächsten waren, begegneten sich die beiden Raumer auch als erstes und hielten Position, um auf die saggittonische Fähre zu warten.

Cascal war nervös, denn Rhodan war so verwundbar in diesem Moment. Ein Schuss reichte und es war um den Zellaktivatorträger geschehen. Reginald Bull hatte das auch bemängelt, deshalb hatte Rhodan ihn gar nicht zur Konferenz mitgenommen. Bostich hatte zudem die Beteiligung von anderen relativ Unsterblichen – insbesondere von Bull, Tifflor, Gucky und dem Oxtorner Monkey – strikt abgelehnt.

Cascal wusste, dass es Strategie war. Julian Tifflor wurde damit vor den Kopf gestoßen. Immerhin war er der Abgesandte Camelots im Galaktikum. Seine Ablehnung bei diesen Verhandlungen war eine persönliche Beleidigung. Gucky und Monkey waren eine potentielle Gefahr für Bostich. Der Arkonide wusste sicherlich, dass Mutanten und Oxtorner immer ein Trumpf für die Terraner gewesen waren.

Bull hätte vermutlich so oder so mit seinem Temperament die Verhandlungen gefährdet.

»Sir?«, meldete sich der Kontrolleur Li Tai verwundert.

»Was?«, fragte Cascal etwas gereizt. Im nächsten Moment bedauerte er seinen Ausrutscher. Schließlich konnte ein Kontrolleur der Syntronikverbindungen nichts für die angespannte Lage.

»Sir, wir haben die Verbindung zum Kreuzer verloren. Die Syntronik hat sich eigenmächtig aus dem Netzwerk abgemeldet.«

Cascal warf einen Blick auf den Monitor. Der Kreuzer änderte den Kurs. Seltsamerweise tat es ihm das Raumschiff der Arkoniden nach.

»Funkverbindung!«, rief Cascal, doch der Kreuzer antwortete nicht. Die beiden Raumschiffe beschleunigten und verschwanden wenige Momente danach im Hyperraum.

Sie waren einfach weg.

»Halbraumspürer aktivieren. Verfolgen!«

Der Ortungsleiter Ali Susbeke erstattete umgehend Bericht: »Unser Halbraumspürer funktioniert nicht. Wir haben einen Virus im System.«

Cascal fühlte sich, als hätte ihm ein Oxtorner einen rechten Haken verpasst. Benommen setzte er sich in den Kommandosessel. Das war eine geplante Aktion.

Nun meldete sich auch die Funkleitoffizierin Sybel Yaciskü zu Wort.

»Die Arkoniden wollen mit uns reden, Sir«

Cascal blies Luft aus.

»Das wird ein heiteres Gespräch…«

 

8. Viele Fragen

Xavier Jeamour sah sich die Aufzeichnungen der Seshur-Expedition an. Zwar schlug auch sein Herz höher, angesichts dieses historischen Rätsels, doch Priorität hatte die Gemeinsamkeit zwischen jenen Funden auf Seshur und denen, die die Dorgonen auf Mashratan gemacht hatten. Welche Verbindung gab es? Offenbar waren die Dorgonen an der pharaonischen Epoche der Menschheit interessiert. Augenscheinlich wussten sie auch mehr darüber, als die Terraner selbst, denn ihre Forschungen hatten auf zwei Welten stattgefunden, die niemals zuvor mit der altägyptischen Zeit in Verbindung gebracht wurden.

Seshur war 1.730 Lichtjahre von Terra entfernt. Mashratan hingegen über 32.000 Lichtjahre. Aber auf allen drei Welten existierten eben jene altägyptischen Artefakte.

Jeamour empfing die blauhaarige Archäologin Denise Joorn in seiner Kapitänskabine. Sie trug einige Aufzeichnungen, einen tragbaren Rechner, einen Stapel Bücher und Kleinkram mit sich, den sie mehr oder weniger geschickt auf Jeamours Schreibtisch niederprassen ließ.

Denise lächelte verlegen.

»Erkläre mir erst einmal deine Thesen. Die gängige Geschichtsschreibung geht ja nun eher davon aus, dass alle Geheimnisse im alten Ägypten gelöst sind«, sagte Jeamour.

Denise winkte ab und setzte sich. Sie tippte etwas auf ihrem Rechner, dann erschienen ein paar Daten mit der Überschrift Die Säulen der Ewigkeit.

»Wir wissen durch Atlans Erzählungen, dass er großen Einfluss auf die pharaonische Kultur hatte. Das ist unbestreitbar. Mit den Säulen der Ewigkeit legte er rund 2.800 Jahre vor Christus den Grundstein für die Reichseinigung. Atlan suchte damals den Pharao Menes auf, der später als Meni-Narmer bekannt wurde und besuchte später auch dessen Sohn. Wir wissen, dass sich Akonen damals als Priester ausgaben und die Ägypter direkt beeinflussten.«

Jeamour war dies bekannt. Atlan hatte im Auftrag von ES maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung diverser antiker Völker.

»Später absolvierte Atlan einige Aufträge für den Pharao Amenemhet und dessen Nachfolger Senwosret und Amenemhet, den II.  Das geschah in der 12. Dynastie, also um 1950 vor Christus. Rund 200 Jahre später schlug sich Atlan mit den Fremdherrschern Haka-Chasut oder auch Hyksos genannt herum, die – wie einige Ägypter – von außerirdischen Parasiten befallen waren. Wir wissen ebenso, dass Atlan zuvor mit einigen Androiden von Wanderer Probleme hatte, die möglicherweise Einfluss auf die altägyptische Kultur hatten.«

»Könnte es sein, dass jene Raumfahrer die ägyptische Mythologie auf die Erde brachten?«

Denise schüttelte trotzig den Kopf.

»Die Historiker nehmen es an. Atlan hatte nach einem Abenteuer in der Stadt Uruk eine Karawane an den Nil geschickt, welche die Weichen für die Hochkultur gestellt hatten. Nachdem König Skorpion mit der Einigung von Ober- und Unterägypten begann, besuchte, wie bereits erwähnt, Atlan die Ägypter. Doch ich glaube nicht daran, dass das alles ist. Atlan ist auf keinen altägyptischen Gott getroffen. Von den Akonen wissen wir, dass sie keine Religion gegründet haben. Ebenso waren weder Seshur noch Mashratan Kolonien der Akonen. Es entsteht etwas Verwirrung, da die Terraner gerne altägyptische Namen für die Planeten der Akonen verwendet haben.«

Jeamour verstand.

»Du schließt also aus, dass jene Artefakte auf Mashratan und Seshur Atlan bekannt sind und im Zusammenhang mit ihm stehen.«

»Ich denke schon.«

Jeamour empfand das als gewagte Theorien. Dennoch stellte sich die Frage, wie pharaonische Artefakte auf die beiden Welten kamen und wieso sich die fremden Dorgonen dafür interessierten? Das sprach für Denise Joorns Theorien, dass auch auf der Erde noch ein uraltes Geheimnis ruhte.

Der Interkom summte auf. Es war Lorif.

»Sir, wir haben die Dorgonen in der Ortung. Sie sind am Rand des Systems aufgetaucht.«

Der Kommandant und die Archäologin wechselten einen kurzen Blick.

»Nun, die wirst du vermutlich nicht fragen können. Aber wir heften uns an ihre Fersen«, sagte er und gab den Befehl, die Verfolgung des Adlerraumschiffes aufzunehmen.

 

9. Die Dorgonen

Seamus genoss die sanfte Massage der jerratischen Konkubine. Der Duft von feinem Zerbenöl drang in seine Nase. Während er auf dem Bauch lag und die Jerratin seinen Rücken mit ihren zierlichen Fingern verwöhnte, galt sein Blick jenen Aufzeichnungen von den primitiven Welten Mashratan und Seshur.

Es waren Hinweise auf leibhaftige Götter. Oder zumindest eine Verbindung zwischen dem allmächtigen Sternenreich Dorgon und dieser Galaxie. Die Informationen waren nützlich, denn sie würden den Kaiser in der Argumentation unterstützen, diese Milchstraße in das Reich einzuverleiben. Wenn es Hinweise auf eine längst vergessene Kultur gab, die den selben Göttern huldige, wie es einst die Dorgonen taten, so war das in der Tat eine Rechtfertigung für eine militärische Operation. Gewissermaßen gehörte diese Galaxie bereits zum Reich. Dorgonische Kultur musste vereint werden und durfte nicht getrennt voneinander existieren.

In uralten Prophezeiungen hieß es, dass die Götter einst aus Chepri ausgewandert waren, als die Mächte des Chaos und der Finsternis dort obsiegt hatten. War die Milchstraße das Ziel jener Götter gewesen, deren Glanz inzwischen in Dorgonen verblasst war? Natürlich wurden sie noch verehrt, doch ihre Glorie wurde mit Dorgon und dem Protector Dorgonis geteilt, ja, hatte sich im Laufe der Jahrtausende miteinander vermischt.

Atumra so hieß der Erschaffer, auch jener Dorgons, des Erlösers. Und ohne ihn war auch der auserwählte Protector Dorgonis nie möglich gewesen. Doch Atumra und die alten Götter des Reiches und der früheren Republik waren für viele nur ein Mythos. Hier nun gab es den Beweis, dass etwas mehr dran sein musste. Wie konnte ein Mythos über Millionen von Lichtjahre in einer anderen Galaxie ebenso existieren?

Während die Funde und Artefakte auf Mashratan deutliche Ähnlichkeit zu jenen uralten Relikten Dorgons aufwiesen, waren die auf Seshur primitiver. Die Bildschrift war einfacher. Es schien so, als hätten die Götter auf einfache und simple Weise versucht, ihr Basiswissen an die vermutlich eher primitive Kultur weiterzugeben.

Seamus wusste, dass auf der Erde ebenfalls Zeugnisse jener Mythologie existierten. Allerdings würde ein einzelnes Adlerraumschiff trotz seiner technologischen Überlegenheit dort nicht operieren können.

Vielleicht reichten die Beweise bereits aus. Er sehnte sich nach der Heimat. Seamus wollte zurück nach Dom, der prächtigen Hauptstadt des Imperiums. Die Luft war auf Dom sauber, das Wasser so klar und wohltuend für die Haut. Er vermisste ein ausgiebiges Bad in der Jusilus-Therme im Regierungsviertel. Vor seinem geistigen Auge baute sich das Großbad auf. Das breite dreieckige Dach war mit roten Ziegeln verziert. Vier Säulen aus hartem Doragit stützten den Eingangsbereich. Das Innere der Therme war Luxus pur. Tropische Pflanzen, künstliche Strände bei warmer Temperatur. Dazu gab es Imbisse und Restaurants. Überall wuselten leicht bekleidete Konkubinen, exotische Schönheit von Dorgon selbst oder Jerrat, umher und servierten den Besuchern Köstlichkeiten. Leise, feine Musik – kein Vergleich zum Geplärre von Nersonos – ließen die Gäste in anderen Welten schweben.

Das Wasser war das Beste in der Galaxis. Es war rein und entsprang der Quelle des Ägois am Berg Sulvit, an dessen Fuße Dom einst gegründet worden war. Feinste Filter modernster dorgonischer Technik machten das Wasser zu einem Genuss für den Körper, gleich ob es still war oder wohlig sprudelte.

Mit Verzücken erinnerte sich Seamus an die ausschweifenden Orgien im Elitenbereich der Therme. Nur die attraktivsten Sklavinnen und Sklaven verwöhnten die Politiker, Adligen und mächtigsten Unternehmer Dorgons. Die Domsauna war berüchtigt für ihre Feiern. Der Duft wurde so aromatisiert, dass er stimulierte und hemmungslos als auch leistungsfähiger machte. Wem die Domsauna zu anrüchig war, der zog sich in die Massagebäder zurück, ließ sich mit den feinsten Ölen der Galaxis einreiben, philosophierte oder sprach über die Politik.

Doch noch war er hier. Millionen von Lichtjahren von der Heimat entfernt. Je eher er diese Mission beendete, desto besser. Die Mordred würde den Dorgonen vermutlich nicht mehr lange nützlich sein. Diese Separatisten hatten bisher auf ganzer Linie versagt. Seamus würde dem Kaiser die Empfehlung geben, die Unterstützung einzustellen. Dorgon musste auf eigene Faust die Milchstraße erobern. Hierbei mussten sie die Zwietracht der führenden Mächte ausnutzen, obgleich die Zusammenarbeit der Völker im Kampf gegen die Kosmische Fabrik MATERIA zeigte, dass sie in der Not zusammen hielten.

Die Militärs sollten sich den Kopf darüber zerbrechen. Als hätte man den Adlerwurm gerufen, eilte der stämmige Dux Petronus in den Raum. Er klatschte in die Hände und gebot damit der Masseuse einfach zu gehen. Welch ein Jammer für Seamus, der sich seufzend abstützte und erhob. Der Dux räusperte sich, als der kaiserliche Legat nackt vor ihm stand. Seamus bemerkte dies mit einem süffisanten Lächeln und zog die Tonga über.

»Sprich«, forderte er den Raumschiffkommandanten der HESOPHIA auf.

»Die Galaktiker scheinen uns zu observieren. Ein Raumschiff befindet sich nahe Seshur. Sie haben Nachforschungen dort angestellt.«

»Interessant. Sie sind klüger als ich annahm.«

»Es sind keine Barbaren, Legat. Die Galaktiker sind den Dorgonen durchaus würdig.«

Seamus verzog angewidert das Gesicht.

»Deine Ansichten sind irritierend, Dux! Ich teile sie nicht.«

Der Dux verneigte sich zackig. Seamus wanderte im Raum umher. Ihm kam eine Idee. Er hob den Zeigefinger und kreiselte mit dem Finger in der Luft.

»Wir werden sehen, wie stark diese Galaktiker sind. Befindet sich das Raumschiff noch im System?«

»Korrekt.«

Seamus schmunzelte.

»Greifen wir es an.«

 

10. Wo sind Rhodan und Bostich?

Es herrschte helle Aufregung im Sonnensystem von Bragmardos Star. Die 15.000 arkonidischen Schlachtraumschiffe der ARK’IMPERION-Flotte kreisten die TAKVORIAN und SAGRITON ein. Immer wieder schnarrte es per audiovisueller Funkbotschaft: »Wo ist der Imperator? Wir fordern die Freilassung des Imperators, sonst werdet ihr vernichtet.«

Aurec erreichte inzwischen die Kommandozentrale der TAKVORIAN. Auf seiner Raumfähre waren keine Komplikationen aufgetreten.

»Ich wiederhole, wir haben nichts mit dem Verschwinden zu tun. Auch Rhodan und seine Begleiter sind fort«, rief Cascal in das Mikrophon und stieß eine Verwünschung aus.

»Die können uns noch hören«, gab Sybel Yaciskü zu Bedenken.

Cascal winkte ab. Er hatte andere Sorgen. Ein unfreundlicher De-Keon'athor und der ebenso unsympathische Zeremonienmeister schienen fest daran zu glauben, dass die Cameloter und LFT an dem Verschwinden die Schuld trugen.

Aurec wandte sich an die Arkoniden.

»Unsere Hyperraumortung funktioniert. Wir haben die beiden Raumer lokalisiert, müssen jedoch die Verfolgung aufnehmen, sonst verlieren wir sie.«

»Seltsam, dass unsere Halbraumspürer nichts orten können«, sagte der De-Keon'athor, welches dem Rang eines Admirals gleich kam misstrauisch.

»Ein Virus! Wir haben einen bei uns entdeckt. Das war eine geplante Aktion«, erklärte Cascal.

»Ausgeschlossen«, fand der Zeremonienmeister.

»Die Zeit drängt. Ich bin Kanzler der Republik Saggittor und kein Taschendieb. Ich verlange, dass die SAGRITON und TAKVORIAN sofort mit ihrer Suche beginnen können. Zieht eure Schiffe ab.«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Vielleicht prüften die Arkoniden, ob tatsächlich ihre Halbraumspürer versagten. Nach einer halben Ewigkeit erschien das rundliche Gesicht des De-Keon'athor wieder auf dem Bildschirm.

»Wir haben tatsächlich einen Virus auf der ZHYM’RANTON und THEK-LAKTRON lokalisiert. Unsere anderen Raumschiffe sind jedoch nicht davon betroffen. Wir orten die beiden Kreuzer in einer Entfernung von 328 Lichtjahren«, gab der Admiral zu.

»Worauf warten wir dann noch?«, wollte Aurec wissen.

Die Arkoniden stimmten zu. Innerhalb weniger Momente sprangen 15.004 Raumschiffe in den Hyperraum auf der Suche nach den zwei mächtigsten Männern der Milchstraße.

 

11. Die Entführten

Plötzlich wurde der Bildschirm schwarz. Die Kontrollen versagten zwar nicht, doch Perry Rhodan hatte keinen Einfluss auf sie. Die Syntronik reagierte weder auf Sprachanfragen noch auf Eingaben über die Displaytastatur.

»Wir ändern den Kurs«, stellte Sam beunruhigt fest.

Rhodan blickte zu seinen Begleitern Wirsal Cell, Jaaron Jargon, Rosan Orbanashol-Nordment, Sanna Breen und Sam. Breen reagierte als erste und öffnete die Abdeckungen zu den Prozessoren, Kabeln und Chips der Syntronik. Sie versuchte sie manuell zu deaktivieren. Das barg ein gewisses Risiko, denn sie konnte dadurch auch die Lebenserhaltungssysteme deaktivieren.

»Der Arkonidenraumer geht auf Parallelkurs«, rief Rosan.

Plötzlich veränderte sich das Umfeld außerhalb der Space-Jet. Sie tauchte in den Hyperraum ein.

Breen ließ von den Kabeln ab. Sie wusste genau, dass es jetzt tödlich gewesen wäre, die Systeme der Space-Jet zu beeinträchtigen.

»Wir wurden entführt. Das war geplant. Jemand hat die Kontrolle über die Space-Jet übernommen«, folgerte Rhodan.

»Und dieser jemand hat offenbar auch Bostichs Raumer entführt«, vermutete die rothaarige, rotäugige Halbterranerin Rosan Orbanashol-Nordment.

Der Flug dauerte eine halbe Stunde, ehe die Space-Jet aus dem Hyperraum fiel und neben dem arkonidischen Raumschiff Position hielt. Durch den Antigrav in der Mitte der Zentrale schwebte plötzlich ein Kampfroboter empor. Seine Bewaffnung war aktiviert. Rhodan überraschte das wenig.

»Ihr befolgt die Befehle. Folgt mir zum Transmitterraum.«

Rhodan warf einen Blick zu Sanna Breen. Sie hatte immerhin eine Grundausbildung als Agentin genossen, wenngleich sie wohl keine Kampferfahrung gesammelt hatte. Rhodan verwarf die kurze Überlegung, den Roboter anzugreifen. Das würde sie auch nicht weiterbringen, denn die Space-Jet befand sich noch immer unter Kontrolle des geheimnisvollen Entführers.

»Tun wir besser, was er sagt«, meinte auch Wirsal Cell.

So folgte die Gruppe den Anweisungen des Kampfroboters und stieg in den Antigrav. Sie schwebten an der zweiten Etage mit den Mannschaftsquartieren vorbei als auch am dritten Deck, auf dem sich der Antrieb befand. In der vierten Etage war Endstation. Dort befanden sich neben dem Hangar mit einem Flugpanzer und den Schutzschirmprojektoren der Transmitterraum.

»Geht durch den Transmitter.«

Rhodan atmete tief durch und ging als erster durch das wabernde Portal. Als erstes erblickte er eine eindrucksvolle Gestalt von 1,92 Meter Größe. Das weiße Haar war halblang und leicht gewellt. Der Arkonide trug eine weiße Paradeuniform mit einem purpurnen Schulterumhang. Stand er nun seinem Entführer gegenüber?

Rhodan kannte diesen Mann.

»Bostich!«

*

»Rhodan«, grüßte der Imperator Arkons knapp und machte Platz, damit auch die anderen durch den Transmitter gehen konnten. Sie befanden sich in einer spärlich beleuchteten Halle.

Nachdem Wirsal Cell als letzter durch den Transmittertorbogen getreten war, erlosch dieser. Das Licht wurde heller. Die Gruppe befand sich in einer fast leeren Lagerhalle. Rhodan vermutete, dass sie sich auf einem anderen Raumschiff befanden. Die Beschaffenheit der metallischen Wände und des Bodens sowie das Fehlen jeglicher Fenster deutete zumindest darauf hin.

»Nun hast du ja erreicht, was du geplant hast«, meinte Rosan Orbanashol in Richtung Bostich. Der Imperator blickte die Halbarkonidin angewidert an.

»Dass ein verschmutzter Bras’cooi-Mischling mich überhaupt anspricht, ist eine Beleidigung.«

Er hielt inne und blickte verwirrt zu Rhodan und dann wieder zu Rosan.

»Ihr vermutet, ich habe euch entführt? Interessant, denn ich wähnte Rhodan als Entführer.«

Rhodan glaubte auch nicht mehr daran, dass Bostich hinter der Aktion steckte. Er vermutete jemand anderes dahinter.

»Wo ist Ihre Delegation, Imperator?«, wollte Sam wissen.

Bostich wirkte gleichgültig.

»Mein Raumschiff machte sich selbständig. Kampfroboter eliminierten meine Berater und Sicherheitsleute. Ich beklage ihren Tod nicht, denn sie waren nicht in der Lage, mich zu beschützen.«

Bostich führte weiter aus, dass der Kampfroboter ihn dann durch einen Transmitter schickte und er hier landete, ehe Rhodan und die anderen dazu kamen.

»Wenn Bostich uns nicht entführt hat, wer dann?«, fragte sich Rosan.

In diesem Moment glitten die Türhälften der Lagerhalle mit einem leisen Grollen zur Seite. Die Silhouette eines hochgewachsenen Mannes wurde erkennbar. Er trug eine silberne Rüstung und marschierte gemessenen Schrittes auf die Entführten zu.

Perry Rhodan fühlte sich bestätigt. Cauthon Despair steckte hinter der Entführung.

»Willkommen an Bord der VERDUN. Seien Sie Gäste der Mordred«, sprach der Silberne Ritter düster.

 

12. Innergalaktische Konflikte

Aurec atmete tief durch, als er die Trümmer der beiden Raumschiffe sah. Serakan, der erste Offizier der SAGRITON und Freund Aurecs, lieferte persönlich die prompte Auswertung der Abtastung.

»Es sind die Beiboote der TAKVORIAN und THEK-LAKTRAN. Sie wurden von Innen heraus gesprengt.«

Aurec nahm Serakans Worte schweigend zur Kenntnis. Er warf einen flüchtigen Blick auf den Kommandanten Waskoch, der damit beschäftigt war, die Verteidigung der SAGRITON aufrecht zu erhalten. Denn Waskoch misstraute den Arkoniden. Die SAGRITON war nicht auf einen Angriff eingestellt, sondern auf Verteidigung und schnelle Flucht. Das gleiche Denken hatte sich auch bei Joak Cascal auf der TAKVORIAN durchgesetzt. Ein Kampf gegen die ARK’IMPERION-Flotte konnten sie nicht gewinnen. Aurec hoffte auf die Vernunft aller Beteiligten.

Ein scheibenförmiger Servierroboter mit einem großen Stielauge und zwei Greifarmen brachte dem Kanzler eine Tasse Bisca. Aurec war dankbar für das Getränk, welches ein Terraner wohl am ehesten als Kaffee bezeichnen würde. Nachdem er einen Schluck genommen hatte, stellte Waskoch eine Verbindung zur THEK-LAKTRAN her.

Diesmal jedoch wurde Aurec von zwei anderen Arkoniden empfangen. Der eine stellte sich als De-Keon'athor Kraschyn vor. Kraschyn musste knapp zwei Meter groß sein. Er war dürr und die Hautfarbe blass. Alles in allem schien er eine gewisse Arroganz auszustrahlen.

Der zweite Mann stellte sich als Uwahn Jenmuhs vor. Er war klein, vielleicht 1,60 Meter, stark übergewichtig. Sein fettiges, weißes Haar hing ihm in der Stirn.

Jenmuhs war Berater vom Zwölferrat, dem Berlen-Tan, und in dessen Geheiß unterwegs. Er hielt ständige Verbindung nach Arkon. Ein drittes, verzerrtes Hologramm wurde zugeschaltet. Es musste wohl über Hyperkomrelais direkt von Arkon stammen.

Ein untersetzter, hochgewachsener Arkonide stellte sich als Sargor da Progeron vor. Aurec wusste, dass er Chef des Geheimdienstes Tu-Ra-Cel war.

»Meine Herren, ich sehe bedeutende arkonidische Vertreter. Der Ernst der Lage ist uns allen bewusst. Die beiden Raumer wurden von Innen vernichtet«, stellte Aurec nüchtern die Fakten vor.

»Hoffentlich ist der Ernst der Lage auch dem Saggittonen und seinen verkommenen Verbündeten bewusst«, sagte Jenmuhs keifend. »Uns ist klar, dass Rhodan dahinter steckt. Du spielst nichts weiter als eine lächerliche Charade, Saggittone. Wir fordern die Freilassung des Imperators, sonst…«

Jenmuhs schwieg echauffiert.

Sargor da Progeron mischte sich ein. Seine Stimme war ruhig, fast schon zu ruhig. Ein kalter, berechnender Unterton schwang darin mit. Darin spiegelte sich vermutlich der Charakter des Arkoniden. Sicherlich eine gute Eigenschaft für einen Geheimdienstchef.

»Unser Gespräch ist ein Zeichen der Höflichkeit. Der Berlen-Tan hat den Welten Phönix und Terra ein Ultimatum von 72 Stunden eingeräumt. Sollte sich der Zhdopanthi Bostich, der I., bis dahin nicht bei uns gemeldet haben, sehen wir die Organisation Camelot und die Liga Freier Terraner als Schuldige an.«

Aurec lag ein Fluch auf den Lippen, doch er blieb ruhig. Das würde sie nicht weiterbringen.

»Ihr wisst, dass Rhodan und die LFT unschuldig sind. Sie sind ebenfalls entführt worden. Ich vermute die Mordred dahinter. Sie wollte von Anfang an die Milchstraße destabilisieren.«

»Blanke Vermutungen«, meinte Kraschyn offenbar gelangweilt.

Da Progeron schien jedoch der Theorie nicht abgeneigt.

»Wir wissen, dass die Mordred es auf den Imperator abgesehen hat. Mir ist auch klar, dass wir es dem TLD und Camelot zu verdanken haben, dass ein Attentat auf Bostich vor einigen Monaten vereitelt wurde. Dennoch, das Ultimatum steht. Findet Bostich innerhalb von drei Tagen, sonst…«

»Sonst?«, wollte der Saggittone wissen.

De-Keon'athor Kraschyn antwortete: »Sonst wird die allmächtige Flotte des Kristallimperiums gegen Terra und Phoenix in den Krieg ziehen!«

*

Aurec hatte nach dem unangenehmen Gespräch sofort Cascal und Tolk zu sich gerufen. Via Hyperfunkverbindung waren Reginald Bull, Gucky, Monkey, Homer G. Adams und Julian Tifflor zugeschaltet.

Tifflor übernahm die Aufgabe, sich mit Cistolo Khan in Verbindung zu setzen.

»Verdammter Trottel«, brummte Bully. »Ich hatte ihn gewarnt. Nun sitzen wir so richtig in der Scheiße!«

»Wir brauchen jetzt konstruktive Lösungsvorschläge«, mahnte der Oxtorner Monkey.

»Wenn die Mordred dahinter steckt, müssen wir sie eben suchen«, meinte der Mausbiber Gucky.

Aurec fühlte sich angesichts der jahrtausendlangen Erfahrung der Zellaktivatorträger wie ein kleiner Schuljunge. Was konnte er schon vorschlagen, woran sie nicht schon längst gedacht hätten? Er versuchte es trotzdem.

»Mashratan«, stieß er hastig aus, damit ihm niemand zuvor kam. »Wenn Kerkum tatsächlich noch Kontakte zur Mordred hat, müssen wir dort unsere Suche beginnen. Ein anderer Platz würde mir jetzt auch nicht einfallen.«

Die anderen dachten darüber nach. Schließlich ergriff Bull das Wort. Der untersetzte Freund Rhodans mit den kurzen, roten Haaren wirkte nun wieder gefasst.

»Aurec hat recht. Mashratan. Alle verfügbaren Einheiten sollen dort hin. Julian, am besten, du verhandelst derweil mit dem Kristallimperium. Homer versucht die LFT von unserer Mithilfe zu überzeugen. Ich begleite Monkey und Gucky. Wir nehmen die IVANHOE, während Aurec mit der SAGRITON und TAKVORIAN dorthin fliegt.«

»Die IVANHOE ist im Einsatz. Wir haben Informationen, dass sie die Dorgonen gefunden haben«, sagte der frischgebackene Zellaktivatorträger Monkey.

Bully donnerte die Faust auf den Tisch.

»Dann geht der Berg eben zum Propheten. Die Dorgonen führen uns vielleicht auch zur Mordred.«

Es war beschlossen. Keiner hatte einen Einwand. Nachdem Bull die Verbindung beendete, stellte auch Aurec die Kommunikation ein und informierte Joak Cascal über die Entscheidungen. Anschließend erteilte der Kanzler Saggittors den Befehl, Kurs auf die Wüstenwelt Mashratan zu nehmen.

 

13. Raubvogel

»Wir bereiten uns auf eure Ankunft in drei Stunden vor«, informierte Xavier Jeamour seinen Vorgesetzten Reginald Bull.

Bull, der Mausbiber Gucky und der Oxtorner Monkey, der in den letzten Monaten immer mehr an Bedeutung in der Organisation Camelot gewonnen hatte, flogen mit einem schnellen Kreuzer zu den Koordinaten der IVANHOE. Der vierte Begleiter war Wyll Nordment. Nichts hatte wohl den Heißsporn davon abhalten können, nach seiner geliebten Ehefrau Rosan zu suchen.

Der Kommandant der IVANHOE wandte sich an den Oxtorner Irwan Dove, der zusammen mit dem Posbi Lorif an den taktischen Kontrollen saß. Sie überwachten den Kurs des dorgonischen Raumschiffes und waren instruiert, sofort Maßnahmen in der Defensiv- und Offensivbewaffnung einzuleiten, sollte das Adlerraumschiff auch nur den Anzeichen eines Angriffs erwecken.

»Status?«

»Das dorgonische Vehikel hält einen konstanten Abstand von 745.490.312,458 Kilometern zu uns. Es passt sich unserer Navigation an«, berichtete Lorif.

Für Jeamour war es damit klar, dass die Dorgonen einerseits die IVANHOE bereits registriert hatten und auf der anderen Seite wohl etwas planten. Sie befanden sich in der Vorbereitung. Der Terraner aus dem Bundesstaat Belgien ging zu seinem Ersten Offizier, James Fraces. Der Bärtige Ire nahm Haltung an.

»Erhöhte Alarmbereitschaft an alle Stationen. Irgendetwas führen die Dorgonen im Schilde. Das sagt mir mein Gespür.«

*

Seamus kuschelte sich in den weichen, bequemen Sessel mit dem roten Stoff. Von hier hatte er einen perfekten Überblick auf die Kommandobrücke. Hinter seinem thronähnlichen Sitzplatz erhob sich majestätisch eine goldene Statue des Domadlers – dem Emblem des Kaiserreiches, dem auch die Bauweise der Adlerraumschiffe nachempfunden war. Der Legat beobachtete Dux Petronus bei dessen Arbeit. Die Mannschaft der Kommandozentrale verrichtete tadellos ihren Dienst. Wie ein präzises Uhrwerk aus der Antike fasste jede ihrer Aktionen ineinander.

Diese Operation war auch nichts weiter als eine Übung. Diese Milchstraßenbewohner hatten einem dorgonischen Adlerraumschiff nichts entgegen zu setzen.

Auch wenn die HESOPHIA nicht über einen Hypertron-Impulser verfügte, so war ihre Kampfkraft und Technologie diesen Minderzivilisierten um Äonen überlegen. Dux Petronus gab ein paar hastige Befehle. Seamus wusste, dass Petronus, der immerhin auf Seamus Anraten vom Präfekten zum Dux befördert worden war, einen großen Respekt vor den Galaktikern hatte. Sicherlich, die jetzt vorherrschenden Wesen konnten auf einige Jahrtausende Raumfahrt zurück blicken. Doch sie waren den Dorgonen noch lange nicht gewachsen.

Dorgon bedeutete Zivilisation.

Dorgon stand für Fortschritt.

Überall, wo eine dorgonische Niederlassung existierte, da war das Kaiserreich. Dort herrschte technologischer, kultureller und zivilisatorischer Fortschritt. Jeder Bürger Dorgons konnte Stolz auf diese Geborgenheit der modernen Gesellschaft sein.

Das war Dorgon – ein Hort der Macht, des Friedens, des Fortschritts, des Wohlstandes.

Wo immer die Insignien des Reiches – der mächtige Domadler – prangerten, dort war ein Bürger Dorgons willkommen. Dort fand er die Annehmlichkeiten der großen dorgonischen Gesellschaft. Selbst hier – viele Millionen Lichtjahre von der Heimat getrennt – bot die HESOPHIA ein Stück Dorgon.

Seit Domulus vor über 90.000 Jahren die Dorgonen geeint und in den Weltraum geführt hatte, seitdem blühte das dorgonische Imperium. Freilich, es hatte auch Niedergänge und Zwischenphasen gegeben. Doch der ewige Planet Dom war seit über 90.000 Jahren die Wiege der Zivilisation für unzählige Generationen.

Seamus war stolz auf die dorgonischen Soldaten, auf die Wissenschaftler, die Architekten und Künstler. Und natürlich auf den Kaiser selbst.

Hail Thesasian!

Thesasian war der größte Kaiser seiner Epoche. Seamus hatte großen Respekt vor ihm. Ein wenig graute es dem Legaten vor dem Nachfolger. Thesasians einziger Sohn Carigul war ein armer Irrer. Es fehlte an würdigen Erben in der thesasianischen Dynastie. Einige sahen in Nersonos, dem Neffen des Imperators, die Zukunft. Seamus hatte Nersonos sogar extra zur Milchstraße mitgenommen. Was hatte Nersonos in dieser Zeit vollbracht? Er hatte die mieseste Prosa im Umkreis von 100 Millionen Lichtjahren verfasst und die Mordred ermutigt, einen ganzen Planeten zu vernichten.

Nein, Nersonos fehlte es an vielem. Vor allem an Weisheit und Taktik. Genauso wie Carigul. Seamus hoffte, dass Thesasian noch lange leben würde. Oder, es würde ihm irgendwann gelingen, vom großen Kaiser adoptiert zu werden. Bei aller gebotenen Bescheidenheit, so wusste Seamus, dass er ein hervorragender Kaiser werden würde.

Seamus war Politiker. Er kannte jene Senatoren und Konsule. Ob es nun der Vertraute des Kaisers Priamus war, der im Hintergrund taktierende Falcus oder der aufstrebende Volcus. Seamus wusste, wie man sie nehmen musste. Seamus behandelte das Militär mit Respekt. Nicht umsonst förderte er Leute wie Petronus und schickte Dux Vesus jedes Jahr eine Flasche besten Wein.

Seamus kannte auch seine Gegner. Besonders die Dynastie des Uleman, die immer wieder eine Republik forderte, war ihm ein Dorn im Auge. Wüssten sie von der geheimen Operation in dieser Galaxie, dann würden sie eine Menge Unruhe in den Senat bringen.

Seamus hatte Thesasian oft geraten, solche unliebsamen Gegenspieler beseitigen zu lassen, doch der Kaiser fürchtete, er würde Märtyrer aus ihnen machen. Zugegeben, er hatte nicht unrecht. Uleman erntete Zuspruch auf Welten, wie Jerrat, jene Kolonien, deren Bürger nicht das vollständige Bürgerprivileg genossen. Möglich, dass man damit entgegen wirken konnte, wenn es Sklaven aus anderen Galaxien gab. Eine Ausbeutung der Milchstraße würde Dorgon nur zum Vorteil gereichen.

Dux Petronus riss den Legaten aus dessen Überlegungen.

»Wir erwarten deine Befehle.«

Seamus beobachtete das galaktische Raumschiff. Er empfand die kugelförmige Bauweise als plump. Mochte sein, dass sie effektiv war, doch ein Adlerraumschiff flößte dem Gegner schon aufgrund seiner Erscheinung größten Respekt ein. Und es symbolisierte das Wappen Dorgons, den Domadler. Zeichen und Symbole waren wichtig für alle Lebensformen. Sie waren eine Orientierung, etwas zum festhalten und identifizieren.

Der Tribunus Laticlavius trat an sie beide heran. Der bärtige Hüne mit der dunklen Haut und den beinahe schwarzen Augen trug den Namen Celvius und war ein tüchtiger stellvertretender Kommandant, der davon träumte, eines Tages ein eigenes Kommando zu führen.

»Wir haben die Funksprüche der IVANHOE endlich entschlüsselt. Demnach erwarten sie die Ankunft hochrangiger Vertreter der Organisation Camelot. Angeblich wurden dieser Perry Rhodan und der Imperator der Arkoniden von der Mordred entführt.«

Seamus sprang auf.

»Wie belieben, Tribunus Laticlavius? Ist ein Irrtum ausgeschlossen?«

»So stand es in der Hyperkomnachricht. Die Cameloter suchen demnach verzweifelt nach den Entführten.«

Seamus setzte sich wieder. Das änderte einiges. Wieso wurde er von der Mordred nicht darüber unterrichtet?

»Wir warten mit dem Angriff. Ich will eine Verbindung zur Mordred. Sofort!«

*

Das Hologramm von Cauthon Despair erschien im Konferenzraum von Seamus.

»Was wünscht Ihr?«, wollte der Silberne Ritter wissen.

»Wieso wurde ich nicht von der Entführung informiert?«

»Rhifa Hun hielt es wohl nicht für notwendig«, lautete die Antwort in ruhigem Tonfall.

Seamus ballte die Fäuste zusammen. Was erlaubte sich dieser Primitivling? Am liebsten hätte er diese Eigenmächtigkeit mit dem Rückflug nach Dorgon bestraft, doch die Gelegenheit war verführerisch. Die beiden mächtigsten Männer der Milchstraße befanden sich in Gewahrsam der Mordred. Seamus überlegte, ob er sie als Trophäen nach Dom mitbringen sollte?

In der großen Siegesparade müssten sie dann in einem Käfig gesperrt die große Allee entlang ziehen, um dort gedemütigt zu werden. Seamus Ansehen würde sich ins grenzenlose steigern. Er wäre der Bezwinger der Heroen einer anderen Galaxie.

Ja, er würde selbst Nersonos erlauben, einen Epos über ihn zu verfassen.

»War das alles?«, fragte Despair offenbar gelangweilt.

Seamus riss sich zusammen.

»Nein. Ich erwarte, dass Rhodan und Bostich mir überstellt werden.«

»Zu welchem Zweck? Wollt Ihr Euch mit fremden Federn schmücken, Dorgone?«

»Deine Impertinenz ist verstörend, Krüppel! Ja, ich werde sie nach Dorgon mitnehmen, während Ihr weiterhin die Galaxie destabilisiert. Ich nehme an, dass ist das Ziel der Mordred?«

»Korrekt«, antwortete Despair knapp.

Seamus musste lachen. Er freute sich diebisch. Wie damals in der Rhetoricum Scientia, als sein ärgster Konkurrent um den Titel des besten Akademikers des Jahrgangs bei einem Gleiterunfall gestorben war. Manchmal waren es solch glückliche Wendungen, die das Leben in eine völlig neue Richtung lenkten.

»Wenn sich die LFT und das Kristallimperium bekriegen, wird es Milliarden Tote geben. Ihre Flotten werden sich vielleicht aufreiben. Oder das Kristallimperium gewinnt eben. Wie auch immer, sie sind geschwächt und werden sich gegen eine dorgonische Invasion nicht wehren können. Besonders, wenn es ihnen an den klügsten Köpfen fehlt.«

»Unterschätzen Sie die Galaktiker nicht. Auch ohne Rhodan und Bostich gibt es beherzte und gefährliche Kontrahenten. Reginald Bull, Gucky, Julian Tifflor um nur einige zu nennen.«

Seamus winkte ab. Er wusste, dass sie sich auf dem Weg zur IVANHOE befanden. Er hatte die entschlüsselte Hyperkombotschaft gesehen. Bull, Gucky und Monkey waren drei Zellaktivatorträger, die bald tot sein würden.

»Darum kümmere ich mich im Moment. Im Anschluss erwarte ich ein Treffen.«

»Nun gut, ich werde…«

»Ja, ich weiß, neue Instruktion bei Rhifa Hun einholen. Wieso rede ich überhaupt mit dir, du schillernder Equester?«

Bevor Despair antwortete, beendete Seamus die Verbindung. Er rief Petronus zu sich und teilte ihm seine Entscheidung mit.

»Sobald das zweite Raumschiff eintrifft, greifen wir an. Bis dahin verwirren wir sie ein wenig. Setze das STF ein.«

 

14. Raubvogel und Krallen

Alexej Petrow verschlang schmatzend den heißen Eintopf. Zyrak Wygal beobachtete seinen Ingenieurskollegen mit Unverständnis. Aber so waren die Terraner eben. Immer hastig und eilig und im Übermaßen.

»Was ist denn? Wer gut arbeitet, der soll auch essen, sagt ein russisches Sprichwort. Oder hast du auch Hunger? Möchtest du was von meinem Eintopf?«

Der Jülziisch schüttelte sich.

»Danke, danke. Ich verspeise nachher lieber einen Muurt-Wurm-Burger mit pikanter Sauce.«

Bevor Petrow etwas erwiderte, schrillten die Alarmsirenen auf. Hastig eilte Wygal zur Kommunikationskonsole und sah das breite Gesicht des Sicherheitschefs Irwan Dove auf dem Display.

»Die Dorgonen bewegen sich auf uns zu. Alarmstufe rot«, lautete die knappe Information, dann beendete Dove die Verbindung bereits. Petrow und Wygal wechselten einen kurzen, vielsagenden Blick miteinander. Dazu musste sich der Jülziisch nicht einmal umdrehen, da er mit seinem hinteren Augenpaar den Ingenieur ansah.

Sofort wurde auf der taktischen Konsole die Position des dorgonischen Raumschiffes angezeigt. Es näherte sich mit hoher Geschwindigkeit. Wygal überprüfte die Einsatzbereitschaft des Antriebes, bereitete alles für einen Notsprung und Ausweichmanöver vor. Die Speicher waren voll aufgeladen, die Schutzschirmstaffeln gespannt.

Letzte Checks der Systeme wurden durchgeführt. Da verschwand plötzlich das Adlerraumschiff bei einer Position von 871.000 Kilometern von der IVANHOE entfernt. Es war plötzlich weg.

Wygal wartete auf Befehle aus der Kommandozentrale. Doch nichts geschah. Waren die Dorgonen in den Hyperraum eingetaucht? Wygal führte Messungen durch. Nichts deutete darauf hin.

Wo war das Adlerraumschiff?

*

Jeamour lief unruhig durch die Kommandozentrale. Das Adlerraumschiff war verschwunden. Fragend blickte der Terraner belgischer Abstammung zu seinem Wissenschaftlerstab. Timo Zoltan sah ratlos zurück. Aus dem starren Gesicht des Posbis Lorif konnte Jeamour natürlich keine Regung erkennen.

»Wir orten keine Hyperraumsignaturen. Sofern die Dorgonen keine Modifikation vorgenommen haben, die unsere Ortung neutralisiert, dürften sie sich nicht im Überlichtflug befinden«, vermutete Lorif.

»Sie haben sich einfach in Luft aufgelöst. Natürlich ist das unmöglich, aber wir brauchen Zeit, um eine fundierte Analyse aufzustellen«, sagte Zoltan.

Jeamour gefiel das nicht. Sie hatten keine Zeit. Wie sollte er nur Reginald Bull das plötzliche Verschwinden der Dorgonen erklären? Jeder klammerte sich daran, dass die Dorgonen etwas über die Entführung von Perry Rhodan und Bostich wussten.

*

Die Minuten verstrichen. Das Adlerraumschiff war inzwischen seit mehr als einer Stunde verschwunden. Die Ankunft der FREYJA und CELTIC wurde angekündigt.

Jeamour und sein Erster Offizier James Fraces wurden bei diesen Namen hellhörig. Während Jeamour das Kommando auf der FREYJA innehatte, war Fraces der Erste Offizier des Kreuzers CELTIC gewesen, ehe sie gemeinsam zur IVANHOE gewechselt waren.

Die FREYJA und CELTIC galten als schnellste Kreuzer in der kleinen Flotte der Unsterblichenorganisation.

»Distanz 1,7 Milliarden Kilometer«, meldete Lorif.

»So unpräzise?«, warf Jeamour scherzhaft ein. Lorif erwiderte nichts darauf.

Die beiden Kreuzer näherten sich mit konstanter Geschwindigkeit. Wyll Nordment kontaktierte die IVANHOE über eine audiovisuelle Verbindung.

»Ich mahne zur Vorsicht. Wir wissen nicht, wo die Dorgonen sind«, sagte Jeamour eindringlich. Dann wandte er sich via Interkom an Zyrak Wygal.

»Ich möchte dich im Transmitterraum sehen. Höchste Alarmstufe.«

Jeamour hatte da ein ganz mieses Gefühl.

*

Seamus betrachtete mit Genugtuung das Schauspiel. Diese einfältigen Galaktiker wussten ganz offensichtlich nicht, dass sich die HESOPHIA nur 871.000 Kilometer von ihnen befand. Wieder einmal bewährte sich das Semi-Transit-Feld gegen eine unterlegene Spezies.

»Dux, tue deine Pflicht.«

Petronus erteilte Befehle an die Kommandobesatzung. Das Adlerraumschiff verließ das Semi-Transit-Feld und war nun feuerbereit. Zuerst eröffnete die HESOPHIA den Beschuss auf diese IVANHOE. Während diese primitiven Terraner vermutlich mit Gegenmaßnahmen beschäftigt waren, nahm die HESOPHIA Kurs auf die beiden kleineren Kreuzer. Sie nahm die Verfolgung auf. Das feindliche Raumschiff trug den Namen CELTIC. Er sagte Seamus nichts. Das Adlerraumschiff war schneller und hüllte die CELTIC in eine Feuerblase ein, in der sie schließlich nach kurzem, heftigem Beschuss verging.

Die IVANHOE eröffnete nun ihrerseits das Feuer auf die HESOPHIA. Seamus blickte erwartungsvoll zu Dux Petronus. Natürlich kannte er die Antwort bereits. Der Angriff des terranischen Raumvehikels würde sie in keine Gefahr bringen.

Doch die HESOPHIA wurde unsanft durchgeschüttelt. Seamus verlor beinahe den Halt, sein Glas Wein fiel von dem Beistelltisch. Kein Servoroboter hatte es aufgefangen. So ging es zu Bruch. Diese nutzlosen Servierroboter waren auch zu nichts zu gebrauchen. Und auch so unempfänglich für Strafen. Wäre das einer jerratischen Dienerin passiert, so hätte er sie zumindest mit einer Elektropeitsche bestrafen können.

Dux Petronus brüllte hastig einige Befehle zu seinem Navigator. Die HESOPHIA flog Ausweichmanöver.

»Dux, hältst du das nicht für etwas ängstlich?«, fragte Seamus.

»Legat, ich bin der militärische Befehlshaber. Schweige jetzt!«

Seamus war erbost über diese rüde Rechtfertigung. Doch er beschloss nun zu schweigen. Er hoffte nur, dass dieser Raumkampf weniger bewegt von statten gehen würde.

*

»Verwundete im Transmitterraum«, gellte es über das Interkom. Doktor Jennifer Taylor bestätigte kurz und instruierte ihr Team, welches aus dreizehn Medizinern und zwanzig Medorobotern bestand. Dann ging es auch schon los. Sie eilten in den großen Transmitterraum. Kurz hielt Jenny Taylor inne, als sie die über 300 Besatzungsmitglieder der CELTIC sah. Viele von ihnen lagen auf dem Boden, hatten Verbrennungen, bluteten.

»An die Arbeit«, rief Taylor und eilte selbst auch bereits los. Es galt schnell zu handeln. Zyrak Wygal eilte zu ihr.

»Bei der grauen Kreatur des Zeitdrucks, ihr müsst euch beeilen. Die Evakuierung der FREYJA wird vermutlich gleich beginnen«, drängte der Jülziisch.

Jenny sah den tellerköpfigen Maschinenchef entgeistert an.

»Du vermutest, sie wird zerstört?«

»Na was denn sonst?«

»Da sind doch Bull, Monkey und Gucky drauf.«

»Tja, sofern die drei nicht plötzlich einen Superschutzschirm aus ihrem Hintern zaubern, wird das der FREYJA wohl auch nicht helfen. Ich muss wieder an die Arbeit«, meinte der Blue und zog los, während er laut den Namen von Alexej Petrow rief.

Jenny machte sich sofort an die Arbeit. Sie wies die Mediziner und Roboter an, die Leichtverletzten in die Korridore zu bringen, um Platz zu schaffen.

Nun wurde die IVANHOE durchgeschüttelt. Jenny setzte gerade an, einem verwundeten Imarter eine Spritze zu verabreichen, doch durch ein kurzes Beben ließ sie die Spritze fallen. Sie fragte sich, welches Raumschiff mehr in Gefahr war. Die FREYJA oder die IVANHOE?

*

Xavier Jeamour atmete tief durch, nachdem er die Meldung erhielt, dass fast alle Crewmitglieder der CELTIC durch den Transmitter gerettet wurden. Die rechtzeitige Evakuierung der FREYJA stand nun bevor. Sie war ein altes Raumschiff der ODIN-Klasse und würde auf Dauer nicht gegen das dorgonische Adlerraumschiff standhalten. Jeamour wusste nicht einmal, ob die IVANHOE dem Adlerraumschiff gewachsen war.

Immer wieder feuerte die IVANHOE auf die Dorgonen, während James Fraces ein Ausweichmanöver nach dem anderen flog. Sie wollten die Dorgonen ablenken und von der FREYJA fernhalten.

»Erzielt unser Beschuss irgendeine Wirkung?«, wollte der Kommandant wissen.

»Minimal, Sir! Der dorgonische Schutzschirm erholt sich innerhalb weniger Sekunden.«

»Hm«, machte der Terraner aus Belgien nur. Sie wussten gar nichts über die fremde Technologie. Immerhin war ihnen nun bekannt, dass sie über ein exzellentes Tarnfeld verfügten. Lorif vermutete, dass dieser Ortungsschutz das Raumschiff in eine Art Hyperraumblase hob, um somit der Ortung zu entgehen. Jedoch schien dieses Feld keinen Beschuss zu erlauben, denn sonst hätten die Dorgonen aus der Tarnung heraus gefeuert.

»Sir, das Adlerraumschiff eröffnet das Feuer auf die FREYJA.«

Jeamour stockte der Atem. Hastig wählte er mit dem Zeigefinger den Sender am Touchpad aus, der die Ereignisse im Transmitterraum zeigte. Er tippte nun zweimal auf einen virtuellen Schalter darüber. Das Bild auf dem Display an seiner Sesselarmatur teilte sich in zwei Bereiche. Die eine Szene zeigte die Crewmitglieder der FREYJA. Einer nach dem anderen stieg aus dem Transmitter. Das andere Bild übermittelte den Kampf zwischen dem Adlerraumschiff und dem Camelotraumer. Es war ein ungleiches Gefecht.

Die FREYJA wurde schwer getroffen. Der Schutzschirm flackerte. Die IVANHOE flog immer wieder Manöver dazwischen.

Zeit! Nur um Zeit ging es! Jeamour wollte der Evakuierung so viel Zeit wie möglich einräumen. Doch zu welchem Zweck fragte er sich? War die IVANHOE sicherer?

Endlich ließ das Adlerraumschiff von der FREYJA ab und konzentrierte sich auf die IVANHOE. Ein konzentrierter Beschuss auf eine Stelle des Schutzschirmes ließ diesen in einer Strukturlücke kollabieren.

»Stelle verstärken«, kommandierte der Erste Offizier James Fraces.

Plötzlich schoss ein kleiner, gebündelter Energiestrahl durch die Zentrale. Er durchbohrte das Besatzungsmitglied Tareny Maligaba knapp unter dem Schlüsselbein. Der Strahl selbst durchmaß nur wenige Zentimeter. Es war beinahe wie ein chirurgisches Werkzeug. In seiner Panik beging Maligaba den tödlichsten Fehler. Er wollte aus dem Strahl treten, doch dabei wurde er seitwärts aufgeschlitzt und fiel bewusstlos zu Boden.

»Medizinischer Notfall«, sprach Lorif in das Bordinterkom.

Der Strahl schwenkte leicht nach links und durchschnitt eine Konsole. Hier und da zuckten Blitze umher, kleine Explosionen erschütterten die Systeme, dann erlosch dieser unheimliche Energiestrahl.

»Wir haben die Strukturlücke geschlossen«, meldete Fraces.

Nur wenige Momente später betrat Doktor Jennifer Taylor die Kommandozentrale. Ihre blauen Augen weiteten sich kurz, als sie die Ausmaße erkannte.

Tareny Maligaba lag auf dem Boden. Taylor beugte sich über ihn und führte Untersuchungen durch. Ein runder Medoroboter mit zwei Greifarmen schwirrte an ihr vorbei.

Während Taylor und der Medoroboter mit Reanimierungsversuchen beschäftigt waren, wandte sich Fraces an den Kommandanten.

»Sir, die Dorgonen setzen zum nächsten Angriff an.«

»Energie für die Schutzschirme verstärken. Wir müssen der FREYJA mehr Zeit verschaffen.«

Fraces schüttelte den Kopf und biss sich auf die Lippe.

»Was nutzt uns das? Wir können nicht fliehen vor dem Adlerraumschiff, denn wir erhoffen uns, dass es zu Rhodan und Bostich führt.«

»Ich verstehe die Einwände«, sagte Jeamour freundlich. Er konnte in der Tat den terranischen Iren sehr gut verstehen. Doch sie mussten jetzt erst einmal ohne große Voraussicht handeln.

»Es gibt ein altes terranisches Sprichwort: Kommt Zeit, kommt Rat.«

»Tempus ipsum affert consilium heißt es in der Originalsprache Latein, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf«, schaltete sich Lorif in das Gespräch ein. Fraces seufzte nur.

Mit steinerner Mine erhob sich Jennifer Taylor und blickte traurig in die Runde.

»Er ist tot, Xavier Jeamour«

Tareny Maligaba war tot. Getötet von einem fokussierten Energiestrahl der Dorgonen. Jeamour bedauerte den Verlust des ersten Crewmitgliedes der IVANHOE, welches in einem Kampfeinsatz sein Leben gelassen hatte. Jeamour war abgeklärt genug, um zu wissen, dass es nicht der letzte Todesfall an Bord des Raumschiffes sein würde, doch niemals durfte der Tod eines Intelligenzwesen zu etwas normalem werden.

Tareny Maligaba war ein Mensch gewesen. Er hatte Gefühle gehabt, er hatte Hobbys gehabt, Träume gehabt, sicherlich Freunde, vielleicht eine Familie.

Jeamour war betrübt darüber, dass er so wenig von Maligaba wusste. Er war ein unauffälliges Allround-Talent auf der Brücke gewesen. Ob nun als stellvertretender Navigator, Funker, an der Ortung oder an den Waffen- und Kontrollsystemen – er hatte ruhig und gewissenhaft seinen Dienst verrichtet.

Tareny Maligaba war jeden Tag einfach dagewesen.

Jetzt war er für immer fort.

Nun war Tareny Maligaba aus dem afrikanischen Bundesstaat Swasiland tot.

Jeamour würde niemals die Chance erhalten, ihn kennen zu lernen, mit ihm zu reden, zu philosophieren oder ein Späßchen zu machen. Aus und vorbei.

Und mehr Gedanken der Trauer durfte sich der Kommandant nicht gönnen. Er drückte sich an der Lehne seines Kommandantensessels ab und stand auf.

»Wir betrauern den Tod dieses Crewmitgliedes. Doch jetzt müssen wir uns auf die Dorgonen konzentrieren. Stellt mir eine Verbindung mit der FREYJA her.«

Das kantige Gesicht Reginald Bulls erschien.

»Wird langsam eng hier. Wir sollten zusehen, dass wir Land gewinnen.«

»Wie lange wird die Evakuierung noch dauern?«, fragte Jeamour sowohl an Bull gewandt als auch über Interkom an den Chefingenieur Zyrak Wygal.

Plötzlich fiel die Verbindung zur FREYJA aus. Über die Außenbordkameras sah Jeamour, wie die FREYJA in eine gewaltige Feuerblase gehüllt wurde. Als das Inferno erlosch, setzten die Dorgonen erneut ihren fokussierten Energiestrahl ein, der wie ein chirurgisches Messer seine Operation an der FREYJA durchführte. Jeamour kommandierte die IVANHOE in Richtung der FREYJA, doch es schien bereits zu spät, denn Zyrak Wygal meldete den Zusammenbruch der Transmitterverbindung.

Es war geradezu unheimlich. Die Dorgonen fummelten mit diesem Energieskalpell an wichtigen Einrichtungen eines Raumschiffes herum. Sie zerstörten das Schiff nicht. Das wiederum bedeutete, sie wollten Gefangene haben.

 

15. Im festen Griff der Dorgonen

Seamus genoss diese Demonstration dorgonischer Macht. Diese einfältigen Galaktiker waren nun bestimmt verängstigt und stellten sich viele Fragen. Einige von ihnen vermochten die dorgonische Technologie verteufeln oder gar heimlich bewundern.

Jedenfalls würden sie Angesichts der dorgonischen Überlegenheit staunen. Schmerzlich würde ihnen nun ihre Niederlage bewusst sein. Dabei hatten sie niemals eine Chance gehabt. Es war so wie eine hesophische Sechsflügelfliege in einem geschlossenen Raum. Man spielte mit diesem Ärgernis. Sie glaubte, sie könne entkommen, doch am Ende wurde sie zerquetscht. Zumindest wenn man sich auf die herkömmliche Weise auf Fliegenjagd begab. Es gab welche, die desintegrierten das Insekt lieber.

Der Traktorstrahl der HESOPHIA hielt das galaktische Raumschiff fest in seinem Griff. Der Transonator hatte sein Werk vollbracht, den Transmitter deaktiviert und die Energieversorgung für den Schutzschirm lahm gelegt. Dux Petronus selbst hatte sich an die Kontrolle des Transonators gesetzt und wirkte auch ziemlich stolz über seine gelungene »Operation«.

Seamus richtete sich die Haare und erhob sich von seinem Sessel. Er räusperte sich und gab anschließend ein Zeichen zum Kommunikationscentrus.

Nun wurde sein Abbild via Hologramm auf das galaktische Raumschiff projiziert.

»Bürger der Milchstraße, ihr befindet euch nun in Gefangenschaft des Kaiserreiches Dorgon. Ein dorgonischer Stoßtrupp wird euer Raumvehikel kapern. Ich erwarte keine Gegenwehr. Andernfalls wird das Raumschiff sofort vernichtet.«

Seamus schnippte mit dem Finger. Der hagere Centrus beendete die Verbindung. Nun machte sich Dux Petronus ans Werk und instruierte die Kapermannschaft.

Nach wenigen Zeiteinheiten waren sie bereit. Seamus verfolgte die Aktion mit einer nur mäßigen Neugier. Interessanter fand er den Obstteller vor sich. Welche Frucht sollte er genießen? Trauben aus dem Vilicustal des Planeten Jerrat oder einen herzhaften, blauen Klestusbaum-Apfel von den Hängen des Domberges?

Er entschied sich für beides, während das Beiboot die HESOPHIA verließ und auf das Raumschiff der Milchstraßenwesen steuerte. Petronus informierte den Legaten, dass die Cameloter bedingungslos kapitulierten. Seamus überraschte das wenig. Widerstand war völlig sinnlos. Seine Gedanken schweiften zu seiner Konkubine Leslezia. Auch sie hatte lernen müssen, dass Gegenwehr doch völlig zwecklos war. Das feine Ding wollte ihre Liebeskünste nicht so einsetzen, wie es Seamus gewollt hatte. Letztlich hatte der Legat doch seinen Willen und damit vollen Genuss bekommen. Nicht mit Gewalt hatte er das erreicht. Nein, Seamus verabscheute Gewalt auf gewisse Art und Weise. Doch die Drohung damit war ein probates Mittel, um an sein Ziel zu gelangen.

Seamus verstand sowieso nicht, wieso sich Leslezia so zierte. Sie war die Hauptgeliebte des Legaten des Kaisers. Es fehlte ihr an nichts auf der HESOPHIA. Dann schmunzelte er. Natürlich, sie war eine Frau. Zickigkeit gehörte zu den weiblichen Eigenschaften. Außerdem konnte sie nirgends ihren Schmuck und ihre teuren Kleider präsentieren. Jeder Soldat an Bord wäre auf ganz andere Gedanken gekommen, wenn sie mit einem seidenen Hauch von nichts durch die Korridore flaniert wäre. Sie langweilte sich vermutlich. Nun, immerhin gab Seamus ihr die Hoffnung, nach der Rückkehr nach Dorgon, in den edelsten Kreisen zu verkehren. Ob er sein Wort halten würde, stand noch nicht fest. Es gab so viele hübsche Frauen. Abgesehen von ihrem Körper, ihrer herrlichen Naivität und ihren Liebeskünsten, war Leslezia eher eine gewöhnliche Dorgonin. Seamus hätte lieber in die Kaiserfamilie eingeheiratet, doch es gab kaum weibliche Verwandte des Kaisers im heiratsfähigen Alter.

Die Zeit verstrich. Seamus gähnte echauffiert und lutschte danach an einer Traube. Das Beiboot war inzwischen an dem Kugelraumer angedockt. Petronus wirkte gelassen. Alles verlief demnach nach Plan. Seamus legte sich auf seine Bahre und streckte sich. Was machte eigentlich das andere Raumschiff? Er warf einen Blick auf die Ortung. Es verharrte in 312.000 Kilometern Entfernung. Seamus grinste über diese feigen Galaktiker. Sie sahen lieber zu, wie ihre Artgenossen inhaftiert wurden, statt heldenhaft alles zu riskieren. Auf der anderen Seite war es vernünftig. Sie hatten dazu gelernt. Widerstand war sinnlos.

»Die Truppen haben den Transmitter repariert. Es befinden sich noch 58 Besatzungsmitglieder an Bord der FREYJA«, berichtete Petronus.

»Gut, gut! Bringt sie mit dem Transmitter auf die HESOPHIA. Die Stammeshäuptlinge zu mir dann.«

Der Dux verneigte sich und gab die Order weiter. Über einen Wandbildschirm verfolgt Seamus die Ankunft der Gefangenen. Kurz flimmerte die Luft. Seamus rieb sich die Augen. Entweder war er übermüdet oder die Übertragung war fehlerhaft. Jedenfalls war das Flimmern nun wieder weg. Ein stämmiger Rothaariger, ein kahlköpfiger Hüne und ein schlanker Schönling wurden in die Zentral eskortiert.

Seamus erhob sich seufzend.

»Nun denn, ihr seid offenbar Häuptlinge?«

»Ich bin Reginald Bull, du Saftarsch!«

Seamus ignorierte diese peinliche Impertinenz.

»Und jene dort?«

Sie wurden als Monkey und Wyll Nordment vorgestellt. Von Bull hatte Seamus immerhin schon gehört. Die anderen waren ihm gänzlich unbekannt. Sie waren unwichtig.

»Wie dem auch sei. In meiner grenzenlosen Gnade gewähre ich eurem zweiten Raumschiff den freien Abzug. Ihr hingegen seid meine Beute.«

»Mit wem haben wir überhaupt das Vergnügen? Bist du hier ein hohes Tier oder nur der geltungssüchtige Kloputzer von Etage 27?«

Seamus atmete tief durch. Dieser Reginald Bull hatte ein loses Mundwerk. Seamus Blick fuhr durch die Kommandozentrale. Einige Offizier bissen sich auf die Lippen, um nicht loszulachen.

»Ich bin Seamus, der Legat des dorgonischen Kaisers Thesasian! Ich bin euer Bezwinger, Barbaren!«

Bull seufzte.

»Seid ihr mit den Arkoniden verwandt?«

»Euch wird das Lachen noch vergehen, wenn ihr in Energieketten halb nackt durch die Alleen Doms geschleppt werdet. Schafft sie weg und dann Kurs nach Mashratan!«

Die drei aufsässigen Galaktiker wurden aus der Zentrale geführt. Seamus ärgerte sich noch über die Frechheit Reginald Bulls, als die HESOPHIA längst im Hyperraum flog.

 

16. Mausbiber auf Abwegen

Gucky lobte sich selbst für seinen präzise getimten Teleportersprung. Kaum waren sie durch den Transmitter gegangen und auf der HESOPHIA angekommen, so war er auch schon losgesprungen. Genauer gesagt hatte er zweimal springen müssen. Der erste Sprung war auf der FREYJA gewesen. Aus ihrem Versteck war er bis auf einen Schritt vor den Transmitter teleportiert, den die Dorgonen wieder repariert hatten. Dann war er zusammen mit seinem Begleiter hindurch gegangen, um Sekunden später irgendwo auf das dorgonische Raumschiff zu teleportieren. Es war gewagt gewesen, doch heikle Missionen waren die Spezialität des Retters des Universums.

Wenn alles nach Plan verlaufen war, befanden sich nun die 58 restlichen Besatzungsmitglieder FREYJA an Bord der HESOPHIA. Das dorgonische Adlerraumschiff nahm Kurs nach Mashratan. Die Gedanken der Besatzung waren ein offenes Buch für Gucky. Offenbar kannten sie keine Mutanten in ihrer Galaxie. Das war ein enormer Vorteil. Die Selbstsicherheit der Dorgonen war ein weiterer Pluspunkt für den Ilt. Sie hatten ganz offensichtlich nicht in Betracht gezogen, dass ein Mutant an Bord der FREYJA sein könnte.

Für diese Fahrlässigkeit würden sie noch die Zeche zahlen. Gucky blickte zu seinem Begleiter Jan Scorbit. Der Wissenschaftler mit Grundausbildung im Militär und als Agent war der ideale Sidekick für ihn in dieser Mission. Jeder Held brauchte einen getreuen, pfiffigen Verbündeten.

Sherlock Holmes hatte Watson.

C-3PO hatte R2D2.

Der Doktor hatte Sarah-Jane, Rose, Amy oder diese oder jene.

Und Phantomias hatte Daniel Düsentrieb.

Jan Scorbit war ein am 02. Juni 1266 NGZ in Terrania City geborener Terraner im Dienste der Unsterblichenorganisation Camelot. Er war der Zwillingsbruder von Remus Scorbit und Neffe des hoch dekorierten LFT-Kommandanten Henry "Flak" Portland.

Sowohl er als auch sein Bruder waren in Terrania City aufgewachsen. Während Remus früh geheiratet hatte, hatte sich Jan auf eine militärwissenschaftliche Ausbildung in der Raumfahrt konzentriert.

Allerdings war er in der LFT nicht zufrieden gewesen und schließlich zur Organisation Camelot gewechselt, wo er – während er eine lange Ausbildung zum Wissenschaftler im Bereich Physik, Chemie und Kosmologie begonnen hatte – hauptsächlich auf kleineren Raumschiffen und in der Verwaltung eingesetzt worden war. Wie viele camelotischen Raumfahrer war er dabei auch in den Genuss einer Militär- und Spionageausbildung gekommen. Schließlich waren verdeckte Ermittlungen eines der Kerngeschäfte Camelots. Scorbit wusste also wie man einen Thermostrahler hielt und bediente.

Allerdings benötigte der braunhaarige, braunäugige, hochgewachsene Terraner mit dem modischen Bart eine Aufheiterung. Sein Bruder Remus und seine Schwägerin Uthe waren seit einigen Monaten verschwunden. Sie waren zusammen mit dem Linienraumschiff THEBEN spurlos verschwunden.

Das beschäftigte Scorbit sehr. Gucky wusste nicht, was er ihm dazu sagen sollte. Hoffnung bestand immer, sofern man nicht das Wrack der THEBEN fand. Und immerhin waren Remus und Uthe schon einmal in ein Abenteuer verstrickt gewesen. Sie waren Passagiere an Bord der LONDON II gewesen. Durch ihre Flucht war es erst möglich gewesen, Joak Cascal und den alten Haudrauf Sandal Tolk zu finden.

Gucky stupste Scorbit an, der sich Gedankenversunken die Inneneinrichtung dieses Quartiers ansah.

»Dein Bruder wird schon wieder zurückkommen. Und dann habt ihr euch spannende Abenteuer zu berichten. Also ans Werk, Herr Wissenschaftler. Was siehst du?«

»Strapse und Reizunterwäsche.«

»Wie jetzt?«

Scorbit zeigte auf die Wand. Dort befand sich ein Schrank und in der Tat hing dort aufreizende Damenmode.

»Herr Mausbiber, du hast uns wohl in den Bordpuff teleportiert«, stellte Scorbit mit gespieltem Ärger fest.

»Oder zumindest in die Kabine einer Dorgonin mit aktivem Sexualleben.«

Gucky esperte nach den Gedanken der Bewohnerin. Sie befand sich im Bad und war mit intimer Körperpflege beschäftigt. Gucky beschloss, Scorbit davon nichts zu erzählen. Ansonsten las er nur eine gähnende Leere in ihrem Kopf. Ihre Gedanken kreisten um ihren Körper, ihre Fingernägel, einen feinen Riss im Fußnagel des linken großen Onkels und ob es schädlich sei, noch eine halbe Süßfrucht heute zu essen.

»Hier finden wir keine Staatsgeheimnisse heraus«, murmelte der Ilt.

Doch plötzlich dachte die Dorgonin an den Legaten Seamus. Der Mausbiber kicherte schelmisch.

»Oh, wir sind in die Unterkunft der Geliebten von Seamus gesprungen.«

»Und was bringt uns das? Wollen wir sie bestechen, dass sie Seamus beim Sex mit ihrer Strumpfhose erdrosselt?«

»Nö, das nicht. Vielleicht kommen wir später auf die Trulla zurück. Wir sollten uns erst einmal weiter im Raumschiff umsehen und Schwachstellen herausfinden.«

Gucky nahm Scorbit bei der Hand und teleportierte weiter. Sie gelangten an ein Infoterminal. Nun kam Jans Stunde. Während Gucky am Korridoreingang Schmiere stand, machte sich Scorbit mit dem System vertraut, was jedoch mehr oder weniger ein »Try and Error« Vorgehen war, da Scorbit weder die Schrift noch die Sprache der Dorgonen beherrschte. Gucky kam plötzlich eine Idee. Er teleportierte zusammen mit Jan zurück in die Gemächer der Dorgonin namens Leslezia.

Diese stand nun halbnackt plötzlich in ihrem Wohnraum.

»Ihh«, machte Gucky.

»Wow«, fand Jan.

»Ahh«, kreischte Leslezia.

Gucky hielt die Dorgonin telekinetisch fest und setzte sie behutsam auf ihre blaue Liege.

»Bekleide dich, Kindchen«, forderte er sie auf.

Jan räusperte sich. Gucky musste nicht in seinen Gedanken lesen, um zu wissen, dass er das große Handtuch um ihren Körper herum als ausreichend ansah.

Scorbit machte sich sofort daran, nach Informationen zu suchen. Er aktivierte die tragbare Syntronik. Gucky ermunterte Leslezia zum Reden. Jan suchte derweil nach brauchbarem Material, welches dem Translator in der Syntronik half, Schrift und Sprache der Dorgonen zu übersetzen. Bisher hatten sie kaum Informationen über die dorgonische Linguistik und Semiotik.

»Ihr seid Galaktiker?«, fragte Leslezia in brüchigem Interkosmo.

»Heureka, woher sprichst du unsere Sprache?«

»Der Computer hat es mich gelehrt. Bist du Ungeziefer? Wieso sprichst du?«

»Ich bin sprechendes Ungeziefer«, antwortete Gucky schnippisch.

Leslezia schwieg und schien angestrengt nachzudenken.

»Zeig uns den Computer und das Programm«, meinte Jan zu ihr.

»Häh?«, machte sie nur.

»Das Dschudschu, das dich fremde Sprache gelehrt hat«, erwiderte Gucky.

»Den Computer meinst du? Du bist gar kein Ungeziefer, oder?«

Der Mausbiber atmete tief durch. Er breitete die Arme aus. Nach einer Weile verstand die Dorgonin, die wirklich nicht die Hellste war, dass sie nun zu ihrem Computer gehen sollte, um das Programm zu starten.

Das erste Bild des Rechners war offenbar ein dorgonisches Symbol. Es sah aus wie eine Mischung aus einem Velociraptor und einem Adler. Sie startete das Programm.

Und tatsächlich war dies der Einstieg in die Übersetzung. Das Prinzip war vergleichbar mit einer Hypnoschulung, wenngleich anders. Man wählte den Lernstoff aus und speicherte ihn auf einen tragbaren Speicher. Daran steckten sie nun Kopfhörerartige Sensoren. Jan Scorbit setzt das Konstrukt auf den Kopf. Leslezia aktivierte das Gerät.

»Toll, es funktioniert«, flüsterte Jan.

Und so saß er nun für mehr als eine Stunde dort mit geschlossenen Augen und ließ sich mental mit den neuen Informationen berieseln. Gucky hatte das zweifelhafte Vergnügen, Leslezia irgendwie bei Laune zu halten, indem er sich erklären ließ, wie sie es geschafft hatte, ihre Finger- und Fußnägel so zauberhaft zu maniküren und pediküren.

Leslezia plapperte auch fast die ganze Zeit pausenlos über ihre Techniken der Pflege. So sei sie früher Besitzerin eines Nagelstudios gewesen, ehe sie in die High Society des dorgonischen Imperiums aufgestiegen sei. So war zumindest ihre Ansicht. Gucky vermutete eher, sie war eine flüchtige Geliebte des Seamus.

Nachdem Jan nun fertig war, konfigurierte er den dorgonischen Rechner so, dass er einige Daten per Funkwellen an die Syntronik übertrug. Allerdings reichte dies nur für bestimmte Daten. Sensible Informationen über Militär und das Raumschiff gab es nicht. Der Rechner Leslezias hatte schlichtweg keinen Zugriff darauf. Immerhin bekamen sie neben diversen Fotogalerien von Landschaften, Tieren, Partys, schönen Finger- und Fußnägeln sowie Leslezia selbst, auch einen Lageplan des Raumschiffes für die Besatzung, die komplette Linguistik und Semiotik der Dorgonen und einige Abrisse über dorgonische Nahrung und Geschichte.

»Eine Goldgrube«, meinte Jan.

»Doch nur weil du ein paar Nackedeibilder der holden Dorgonin darauf zu finden erhoffst«, antwortete Gucky.

»Quatsch, wir haben endlich einen ersten Einblick in die dorgonische Welt. Doch im Moment ist dafür wenig Zeit. Lass mal sehen…«

Scorbit tippte auf dem Display herum und öffnete den Lageplan. Einige Bereiche waren mit dem Vermerk »Zutritt verboten« versehen. Natürlich waren dies die interessanten Bereiche. Gucky lud den Ladeplan auf seinen Pikosyn.

Sie hatten nun erst einmal alle Informationen, die sie brauchten. Gucky setzte sich hin und zog telekinetisch die Früchteschale zu sich. Er legte sie auf seinen Schoß und überlegte, welche der Köstlichkeiten er zu sich nehmen könnte.

»Und was machen wir jetzt so?«, fragte die Dorgonin nach einer Weile. Sie saß unbedarft auf ihrer Liege und starrte die beiden fragend aus ihren großen, braunen Augen an.

Jan kramte etwas aus seiner Medotasche hervor. Es war eine Spritze. Leslezia zuckte zusammen.

»Ihr tötet mich jetzt, richtig?«

»Nein, das ist ein Betäubungsmittel. Du schläfst eine Weile, aber dir passiert nichts. Ich habe die Syntronik die Wirkung auf den dorgonischen Metabolismus eben berechnen lassen. Ihr seid uns sehr ähnlich. Das ist nicht giftig für dich. Nur ermüdend.«

Ehe Leslezia antwortete, saß Jan auch schon neben ihr und injizierte das Serum. Sie zitterte am ganzen Körper. Dann fasste sie sich an den Kopf und wurde schwächer. Behutsam legte sie Jan auf die Liege.

»Das hätten wir. Wie gehen wir weiter vor?«, fragte Scorbit.

»Wir warten, bis die HESOPHIA Mashratan erreicht hat. Seamus will sich dort mit der Mordred treffen. Mit etwas Glück finden wir dort auch Perry und den arkonidischen Grieskram.«

*

Gucky und Jan Scorbit befanden sich noch immer in der Kabine der dorgonischen Konkubine Leslezia. Jan Scorbit studierte die neu gewonnenen Daten. Hin und wieder ließ er Gucky an seinen Erkenntnissen teilhaben. Die Dorgonen waren, wie bereits vermutet, eine monarchistische Gesellschaft. An der Spitze des Sternenreiches, welches im Grunde genommen die komplette Galaxie Dorgon beherrschte, stand seit tausenden von Jahren ein Kaiser. Der aktuelle trug den Namen Thesasian und hatte den Befehl erteilt, eine Forschungsexpedition in die Lokale Gruppe zu unternehmen.

Die Heimatgalaxis der Dorgonen war M100, welche auch den terranischen Namen NGC 4321 trug. Sie war im Sternbild »Haar der Berenike« von der Erde aus zu erblicken. Die Spiralgalaxie war rund 50 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Demnach gehörte Dorgon zum Virgo-Haufen. Jan erklärte, sie wäre Mitglied des äußersten nördlichen Teils dieses Galaxienhaufens.

Der Virgo-Haufen war groß und gewaltig. Die Galaxien der Mächtigkeitsballung ESTARTU lagen dort quasi in »direkter« Nachbarschaft zu den Dorgonen. Eine andere sehr bekannte Galaxie befand sich im Virgo-Haufen: M87 Druithora, die Heimat der »Bestien«, der Konstrukteure des Zentrums und der Dummfriesen, wie Gucky gelegentlich die Dumfries früher genannt hatte.

»Ein belebter Ort«, murmelte der Mausbiber.

»Vergiss nicht, der Virgo-Cluster ist etwa vierfach so groß, wie die Lokale Gruppe.«

»Schon klar, trotzdem, die Technik macht einen Besuch möglich. Wie sind die Dorgonen überhaupt her gekommen?«

»Sie nutzen das Sternenportal«, antwortete Jan.

Dieses Sternenportal war ein weiteres Mysterium. Es gab eines in der Lokalen Gruppe, in Saggittor, in Siom-Som und demnach auch in Dorgon. Wer der Erbauer dieses gigantischen Transmitters war, wusste niemand. Keiner kannte die Technologie und in den sechs Jahren der Forschung hatten die fähigsten Wissenschaftler der Milchstraße keine Erkenntnisse darüber sammeln können. Die Saggittonen hatten durch ihre geheimnisvolle Superintelligenz SAGGITTORA von der Existenz dieses Portals erfahren. Die Galaktiker durch die Saggittonen, die Estarten durch die Galaktiker und wer hatte den Dorgonen dieses Geheimnis ins Ohr geflüstert? Oder waren die Dorgonen die Erbauer dieser Sternenportale? Hatten sie somit eine Möglichkeit gefunden, schnell zu anderen Galaxien vorzudringen und sich die Nachschublinien zu sichern?

Doch wieso waren die Portale dann unbewacht? Gucky vermutete, dass jemand anderes dahinter steckte.

Plötzlich schreckte der Ilt hoch. Seamus überkamen unsittliche Gedanken in Bezug auf Leslezia. Eilig teleportierte der Ilt in die Hygienezelle des dorgonischen Legaten, der gerade dabei war, sich zu erleichtern. Gucky überlegte angestrengt, wie er den Lüstling von seinem triebhaften Vorgehen abbringen konnte. Da erblickte er eine dampfende Kanne. Gucky nahm die Kanne telekinetisch, wartete, bis Seamus vergnügt aus der Toilette schlurfte und entlud den Inhalt über seinen Mini-Legaten. Schon befand sich Gucky wieder neben Jan Scorbit und verfolgte erheitert die wenig blumigen Gedanken des Seamus.

 

17. Der Mordred ausgeliefert

Perry Rhodan, Imperator Gaumarol da Bostich, Sam, Rosan Orbanashol-Nordment, Sanna Breen und Wirsal Cell kauerten in der kargen Zelle mit den grauen Wänden, den Metallbetten und der dürftig abgetrennten Toilette und starrten vor sich hin. Sie waren Gefangene der Mordred.

Bostich seufzte.

»Meine Mascanten werden vermutlich in den Krieg ziehen und Camelot sowie Terra aus dem All fegen.«

»Und das betrübt dich?«, fragte Rhodan gelassen.

»Ich führe keine unnötigen Kriege, Perry Rhodan.«

»Oder treibt dich die Furcht, dass deine Krieger verlieren könnten?«

»Es wurde mir berichtet, dass du über Humor verfügst, terranischer Barbar.«

Rosan räusperte sich.

»Da sitzen nun die beiden Repräsentanten meiner Rasse und statt an eine Flucht zu denken, zicken sie sich nur gegenseitig an. Herrschaften, das ist doch der Plan der Mordred. Sie wollen Arkon und Terra gegeneinander ausspielen, damit die Mordred die Macht übernimmt.«

»Nachdem das Kristallimperium die LFT vernichtet hat, wird sie immer noch stark genug sein«, beharrte Bostich.

»Ach ja?«, echauffierte sich die rothaarige Halbterranerin. Ihre roten Augen funkelten verärgert. Das war ihre temperamentvolle arkonidische Seite. Rhodan erinnerte Rosan ein wenig an Thora, wenn sie so wütend war.

»Du wärst nicht der erste Imperator Arkons, der die Terraner unterschätzt. Die sind in den 3.000 Jahren mit ganz anderen fertig geworden. Bull, Tifflor, Gucky sind keine Narren. Nein, die Mordred rechnet doch mit einem zermürbenden Krieg. Sie wollen die Milchstraße ins Chaos stürzen. Sind beide Fraktionen schwach genug, dann schlagen sie zu.«

»Ich teile die Ansicht von Mrs. Orbanashol-Nordment. Imperator, Sie sollten die Richtigkeit auch erkennen. In dieser Situation müssen wir kooperieren. Das ist Ihnen doch bereits in der MATERIA-Krise vortrefflich geglückt.«

Rhodan bewunderte die diplomatische Art von Sam. Selbst Bostich konnte dem Somer nicht widersprechen und schwieg erst einmal. Nach einer Weile sagte der Begam: »Und selbst wenn. Wir sitzen in einem Zelle umgeben von Stahl und einem Prallfeld. Wie sollen wir uns daraus befreien?«

Niemand wusste darauf eine Antwort. Rosan sah wütend auf den Boden und trat gegen die Wand. Sie schien das im nächsten Moment zu bereuen. Ihr Kopf lief rot an, die presste die Lippen zusammen und brachte nur ein »Aua« hervor. Perry Rhodan musste darüber schmunzeln. Sie waren schon in auswegloseren Situationen gewesen. Unzählige Male war Rhodan Gefangener gewesen. Es gab immer einen Ausweg. Die einzige ernsthafte Befürchtung, die Perry Rhodan jedoch sorgte: Was geschah derweil zwischen der LFT und dem Kristallimperium. Wenn Bostichs Mascanten wirklich so reaktionär waren, würden sie der LFT und Camelot die Schuld an der Entführung geben und in den Krieg ziehen.

»Camelot wird als erstes fallen«, murmelte Wirsal Cell, der auf einer der Pritschen kauerte.

»Wie?«, fragte Rhodan.

»Oh, ich überlege nur, wie es weitergeht. Camelot ist militärisch das schwächste Glied. Das Kristallimperium wird Phoenix überrollen. Sicherlich werden Bull, Monkey und die anderen irgendwie entkommen. Doch Camelot wird schnell aufhören zu existieren.«

»Sehr aufbauend«, meinte Rosan zynisch.

»Die Wahrheit.«

Cell lehnte sich zurück und betrachtete die anderen.

»Perry Rhodans Organisation wird aufhören zu existieren, bevor er sie selbst auflösen kann. Hunderttausende seiner Anhänger werden sterben und Phoenix wird zur Asche, aus die er sich niemals mehr erheben wird.«

Beinahe mitleidig blickte Wirsal Cell seine Mitgefangenen an. Rhodan hatte eigentlich genug von diesem düsteren Ausblick, doch sein ehemaliger Berater und Chefausbilder Camelots schien gerade erst in Fahrt zu kommen.

»Dann wird es gegen die LFT gehen. Politisch gesehen steht Terra im Chaos nach dem MATERIA-Angriff. Sofern Bull und die anderen nicht einen Staatsstreich vollziehen, wird Arkon die LFT vernichtend schlagen und besetzen. Dann wird sich Widerstand bilden und der zermürbende Krieg, von dem Mrs. Orbanashol-Nordment gesprochen hat, wird beginnen. Nährboden für neue, reaktionäre Kräfte wird geschaffen. Und es wird kein Perry Rhodan da sein, der dies verhindern wird, noch die Menschen aus dieser Krise lotst.«

Wirsal Cell klatschte mit den Handflächen auf die Schenkel und stand auf.

»Die Mordred wird mithelfen, das verhasste Kristallimperium zu schwächen. Dann greifen die Dorgonen an und vernichten die Arkoniden. Die Terraner und anderen Galaktiker werden froh über die Befreiung sein. Die Mordred steht nun für Heldenmut und Freiheit. Die Dorgonen werden als Befreier gefeiert und die Milchstraße wird zu einer autarken Kolonie des Dorgonischen Kaiserreiches unter der Regierung des Anführers der Mordred, Rhifa Hun!«

»Eine beängstigend glaubhafte Analyse«, stellte Sam fest.

Rhodan wollte ihm nicht widersprechen. So könnte es sich in der Tat abspielen, wenn es ihnen nicht gelang, hier auszubrechen. Natürlich hatte er die Hoffnung, dass Bully und Gucky irgendetwas einfallen würde. Möglich, dass Julian Tifflor auch die Arkoniden hinhalten würde.

Ob man sie jedoch finden würde? Daran zweifelte Rhodan. Wo sollte man nach ihnen suchen?

Er durfte seine Freunde nicht unterschätzen. Aber er konnte sich auch nicht darauf verlassen. Rhodan musste selbst aktiv werden. Nur wie? Plötzlich öffnete sich das Schott, etwa zwanzig Meter von ihnen entfernt. Cauthon Despair schritt hindurch. Die Wachen salutierten vor ihm. Despair stellte sich vor die durchsichtige Energiewand. Nur ein regelmäßiges Flackern und Flimmern verriet die Existenz der Barriere.

»Cauthon Despair«, sagte Sanna Breen und stand auf.

»Die lebt ja noch«, meinte Bostich unwirsch und spielte darauf an, dass sie bisher geschwiegen hatte.

Sanna Breen schüttelte den Kopf und blickte den Silbernen Ritter mit Unverständnis an.

»Ist es das, was du wirklich willst? Die Milchstraße soll im Chaos versinken? Milliarden Lebewesen sollen sterben?«

»Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!«

»Die Mordred ist der Schrecken. Sie ist kein Heilsbringer, kein Befreier, sondern ein Verbrecherregime. Die Dorgonen werden die Galaktiker versklaven. Du willst ein neues Solares Imperium, aber doch nicht so etwas! Kommen dann solche Wüstenschurken wie Kerkum an die Macht?«

Rhodan verfolgte mit Interesse diese Konversation. Sanna Breen hatte als Profilerin Despair gründlich studiert. Sie versuchte ihm tatsächlich ins Gewissen zu reden.

»Deine Eltern waren noble und anständige Menschen. Hätten sie gewollt, dass ihr Sohn zu einem Handlanger von Terroristen wird? Ich glaube kaum.«

Despair wurde unruhig. Seine Hand umklammerte den Knauf seines Caritschwertes.

»Sie sollten froh sein, dass uns eine Energiebarriere trennt.«

»Sonst würdest du mich umbringen? Ist das dein Allheilmittel? Wieso leben wir dann eigentlich noch?«

»Es ist der Wunsch von Rhifa Hun«, antwortete der Silberne Ritter.

»Wer ist Rhifa Hun? Wo ist er?«, wollte Perry Rhodan wissen.

Despair bewegte seinen Kopf nach links. Rhodan vermutete, dass er ihn nun anblickte.

»Rhifa Hun ist der Anführer der Mordred und der zukünftige Großadministrator des neuen Solaren Imperiums der Milchstraße. Oh, und Rhodan, er befindet sich unter euch.«

»Was?«

Rhodan war wie vor den Kopf gestoßen.

»Er oder sie ist einer von euch und befindet sich in dieser Zelle.«

Alle starrten sich verwundert, überrascht und misstrauisch an. Rhodan schossen tausend Gedanken durch den Kopf. Wieso nur?

Wer war Rhifa Hun?

Imperator Bostich? Weshalb sollte der mächtigste Arkonide solch eine Scharade treiben?

Wirsal Cell? Der Plophoser hatte immer mit großem Eifer an der Organisation Camelot gearbeitet.

Rosan Orbanashol-Nordment? Ausgeschlossen. Oder doch nicht? War sie der Wolf im Schafspelz?

Sam? Nein, unmöglich. Der Somer durfte es nicht sein. Nicht Sam!

Dann blieb nur noch Sanna Breen. War die junge LFT-Assistentin in Wirklichkeit die Königin des Terrors?

Rhodan blickte immer wieder abwechselnd die anderen an. Er ballte die Fäuste.

»Also gut, wer von euch ist Rhifa Hun?«

»Ich bin Rhifa Hun!«

Perry Rhodan starrte überrascht sein Gegenüber an. Perry Rhodan verspürte Wut, er verspürte Enttäuschung und Trauer über diesen Verrat.

 

ENDE

 

Wer ist Rhifa Hun? Das erfahrt ihr in Band 24 »Finale über Mashratan«. Dieser Roman bildet auch das Finale des Mordred-Zyklus und stammt von Nils Hirseland.

 

 

 

 

Kommentar

Dieser DORGON-Kommentar als auch der von Band 24 beschäftigt sich mit dem Thema Special-Edition. Schon 2005 schwebte mir so eine Überarbeitung der alten Romane vor. Inhaltlich und vor allem sprachlich wiesen die ersten Hefte des Mordred-Zyklus noch große Schwächen auf.

Wir haben 1999 DORGON gestartet und einfach mal drauf losgeschrieben. Ursprünglich auf vielleicht 12 Hefte konzipiert haben wir uns schnell auf 30 geeinigt und damit den M100-Zyklus ausgedacht.

Man wollte in den wenigen Heften natürlich sehr viel reinbringen, war inspiriert von anderen Serien und hat zwar eine durchaus spannende Handlung verfasst, die aber nun als Teil bzw. Auftakt einer großen Serie nicht ganz ideal war.

Nachdem Jürgen Freier aus gesundheitlichen Gründen die Romane nicht mehr so schnell schreiben konnte und es dadurch 2010 zu einer über einjährigen Pause nach Band 180 kam, nutzte ich die Gelegenheit, um mir Ideen zu einer Special-Edition zu machen. Motiviert durch »50 Jahre Perry Rhodan« kam auch wieder Schwung in die Sache und wir konzipierten die gesamte Handlung ein wenig.

Die Zählung aller Hefte wurde verändert. So sind es nun statt 180 Romane »nur« noch 124. Ab Band 125 soll es dann mit dem Riff-Zyklus weitergehen.

1997 und 1998 schrieb ich zwei Mini-Serien, die Romane über die Raumschiffe LONDON und LONDON II. Sie gelten direkt als Prequel zu DORGON, da viele Figuren aus diesen Romanen in die Serie übernommen wurden. So entschied ich mich 2011 aus diesen Romanen (es waren neun an der Zahl) sieben DORGON-Romane zu machen. Natürlich haben wir hier auch Veränderungen durchgeführt. So sind die Entführer nun von Mordred ermuntert und versorgt worden. Die Sternenportale und ihre Funktionalität werden genauer beschrieben.

Ebenfalls war es für mich wichtig, die Lebensgeschichte von Cauthon Despair detaillierter und sinnvoller zu verfassen. Gerade der erste Roman auf Neles hatte viel mehr Potenzial und so wurde Cau Thon in den Mittelpunkt der Story gesetzt, aber auch Weichen für die späteren Romane gelegt, so z.B. mit Shagor.

Die Jugend von Despair wurde fast völlig neu geschrieben. Hier kam die Idee mit Mashratan, einer Welt, die ziemlich archaisch anmutet. Eine religiöse, korrupte Militärregierung hält die ohnehin nicht hoch entwickelte Bevölkerung weit unter ihren Möglichkeiten. Mit Oberst Kerkum haben wir einen neuen Schurken geschaffen.

Sein Drang nach einem »Reich der Lemurer« ist durchaus als Hinweis auf das spätere Quarterium gemeint. Mehr über Mashratan und die Dorgonen dann im nächsten Kommentar.

Nils Hirseland

 

 

 

GLOSSAR

Seamus

Seamus ist ein Dorgone. Er ist Legat des Kaisers Thesasian und somit Oberbefehlshaber der Milchstraßen-Expedition der Dorgonen. Seamus ist von mittlerer Statur, hat braune Augen und braunes, dichtes Haar.

Der auf Dorgon geborene Proconsus (Senator) ist ambitioniert und ein Verehrer des aktuellen Herrschers Thesasian. Seamus erhofft sich durch eine erfolgreiche Infiltrierung und Schwächung der Milchstraße, vom Kaiser adoptiert zu werden, um selbst irgendwann die Nachfolge anzutreten.

Leslezia

Eine dorgonische Konkubine des kaiserlichen Legaten Seamus. Sie nimmt an der Milchstraßen-Expedition teil, um Seamus zu Diensten zu sein. Leslezia ist mit ihren schwarzen Haaren und blauen Augen eine Schönheit und bereit für Geld und Luxus Seamus als »Begleit-Service« zur Verfügung zu stehen. Die Dorgonin ist von schlichter Intelligenz und kümmert sich hauptsächlich um den Erhalt ihres Körpers. 1291 NGZ teleportieren Gucky und Jan Scorbit in ihre Kabine und nehmen sie gefangen. Sie erfahren so erste, grundlegende Informationen über das dorgonische Imperium.

Jan Scorbit

Jan Scorbit ist ein am 02. Juni 1266 NGZ in Terrania City geborener Terraner im Dienste der Unsterblichenorganisation Camelot. Er ist der Zwillingsbruder von Remus Scorbit und Neffe des hochdekorierten LFT-Kommandanten Henry "Flak" Portland.

Sowohl er als auch sein Bruder sind in Terrania City aufgewachsen. Während Remus früh geheiratet hat, konzentriert sich Jan auf eine militärwissenschaftliche Ausbildung in der Raumfahrt.

Allerdings ist er in der LFT nicht zufrieden und wechselt schließlich zur Organisation Camelot, wo er – während er eine lange Ausbildung zum Wissenschaftler im Bereich Physik, Chemie und Kosmologie beginnt – hauptsächlich auf kleineren Raumschiffen und in der Verwaltung eingesetzt wird.

Im Sommer 1290 NGZ ist Scorbit an der Suche nach der entführten LONDON II beteiligt, auf der sich auch sein Bruder Remus befindet.

1291 NGZ wird Scorbit als Wissenschaftler für einen heiklen Auftrag eingesetzt. Zusammen mit dem Mausbiber Gucky teleportiert er auf ein dorgonisches Adlerraumschiff, um dort erste Informationen über die bis dahin noch sehr geheimnisvollen Dorgonen herauszufinden.

THEK’LAKTRAN

Die THEK-LAKTRAN war der fliegende Palast des arkonidischen Imperators. Sie und die ZHYM'RANTON waren die wichtigsten Einheiten der Thronflotte ARK'IMPERION.

Die THEK-LAKTRAN entsprach keinem Standardtyp von Arkonidenraumschiffen. Sie bildete ein Ellipsoid mit folgenden Abmessungen: Länge 2000 m × Breite 900 m × 280 m Dicke. Das Ellipsoid war so gekrümmt, dass der Anschein bestand, als ob die THEK-LAKTRAN aus der Oberfläche eines kleinen Mondes oder einem ähnlichen Himmelskörper erschaffen worden wäre. Auf der Oberfläche des Raumschiffes befand sich der Kristallgarten – eine Art Wald mit Seenlandschaft. Am Rand des Ellipsoids befand sich die eigentliche Palaststadt.

(Quelle: Perrypedia)


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2015

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 23, veröffentlicht am 05.06.2015

Titelillustration: Stefan LechnerLektorat: Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel