Band 19

Mordred-Zyklus

 

Der Weg des Oxtorners

Will Dean erinnert sich: Ein düsteres Kapitel der LFT kommt ans Licht!

 

Ben Calvin Hary

 

Was bisher geschah

Wir schreiben das Jahr 1290 NGZ. Die Zellaktivatorträger sind bis auf Homer G. Adams in den Weiten des Alls verstreut, um gegen Shabazza und seinen Meister zu kämpfen. Da schlägt urplötzlich die Terrororganisation Mordred zu und greift diverse Camelot–Niederlassungen an. Adams ist zutiefst verunsichert und kann wenig gegen die gezielten Attacken ausrichten.

Auf Mashratan, einer ehemaligen Kolonie des Solaren Imperiums, gelingt es den Camelotern, in Zusammenarbeit mit der LFT, der Mordred die erste Niederlage zuzufügen. Zwei Führungspersonen der Terrorgruppe sind tot. Doch die Terrororganisation gibt sich nicht geschlagen und eröffnet mit der Zerstörung der Welt Sverigor mit über zwei Milliarden Lebewesen, deren Administration ihrerseits plante, die Menschheit zu vernichten, eine neue Dimension des Terrors.

Der Somer Sam und der TLD-Agent Will Dean operieren auf der BASIS. Dabei stößt Dean unbewusst auf alte Erinnerungen, die ihm DEN WEG DES OXTORNERS aufzeigen ...

Hauptpersonen

Sruel Allok Mok »Sam« – Die Spur des Terrors führt den somerischen Diplomaten in Diensten Camelots zur BASIS.

Will Dean – Der TLD-Agent stößt auf alte Erinnerungen.

Romano Nelder – Der Mordred-Agent ist ein Fanatiker.

Sha-Hir-R’yar – Die Assassine der Mordred.

Sam Tyler und Japar – Die Söldner helfen Sam.

Sco-Chii – Ein Informationsmakler.

Kellonda – Eine exentrische Mehandor.

 

 

 

 

 

1. Die Springerin

Anflug auf die BASIS

Orbit von Stiftermann III

Herbst 1290 NGZ

»Was für ein hässlicher, riesiger Haufen Schrott.«

Der Terraner neben Sam schüttelte den Kopf und verzog das unrasierte Gesicht. Dabei deutete er auf die taktische Außenaufnahme.

Sams Blick folgte Tylers Finger, er starrte auf das Holo. Sein Schnabel öffnete sich leicht.

»In der Tat, ich muss zugeben, dem ist wohl so«, erwiderte er nachdenklich, in seiner gewohnten, steifen Art. Der Söldner hatte nicht unrecht, das musste er zugeben. Der Haufen Schrott, von dem er sprach, war ein plumper, schildkrötenförmiger Koloss aus rötlichem Terkonitstahl, von einem mächtigen Ringwulst umgeben – die BASIS, einst das gewaltigste Fernraumschiff der Menschheit. Relikt einer großen Vergangenheit.

Inzwischen hatte man sie ausgemustert, bewegungslos schwebte sie vor der automatisierten Stiftermann-Fähre im All. Diese wiederum hatte sich dem Gigant-Raumer inzwischen bis auf wenige hundert Meter genähert und verringerte soeben die Fahrt. Längst füllte die BASIS mit ihren unglaublichen zwölf auf vierzehn Kilometern Länge den Bildausschnitt der Normaloptiken zur Gänze aus, verdeckte so die Sicht auf den Planeten Stiftermann III, in dessen Orbit man sie geparkt hatte. Ohne die verkleinerte Darstellung im Taktik-Display wäre das Schiff längst nur noch als endlose, metallene Ebene zu erkennen gewesen: eine blanke Fläche, soweit das Auge reichte.

»Was heißt hier dem ist wohl so?«, motzte Tyler. Lässig fuhr er mit dem Finger durch das Holo, als wollte er die immaterielle Darstellung beiseite schnippen. »Findet ihr das Ding etwa schön?«

Der Mann, der hinter ihm saß, lachte auf. Es war Japar, der Mehandor. Tylers bärbeißiger Freund und Partner.

»Schön nicht«, gab der Rothaarige ihm recht. Er zuckte mit den breiten Schultern, wie um sich zu entschuldigen. »Aber sie hat Rhodan und seine Getreuen viele Jahrhunderte lang immer ans Ziel gebracht.«

»Heute nicht mehr.« Tyler wischte den Einwand seines sonst so wortkargen Freundes mit einer Handbewegung beiseite. Er grinste, doch es war ein Grinsen voller Abscheu. »Ein Kasino haben sie daraus gemacht. Kein würdiges Ende für einen Kahn wie diesen. Findest du nicht?«

»Wir Mehandor schätzen jede Gelegenheit, Gewinne zu erwirtschaften. Wie viel würdiger könnte das Ende der BASIS da noch sein?«

Sruel Allok Mok – Sam, wie die Galaktiker ihn nannten – konnte nicht mehr an sich halten. »Herrje, Ihr Schelme«, rief er, und ein Gackern entfuhr seiner Kehle, äquivalent eines menschlichen Lachens. Er öffnete erneut den Schnabel, streckte amüsiert die Zunge heraus. Die beiden Lemuriden machten ihm Spaß, es gefiel ihm, wie sie die Ehrfurcht vor dem geschichtsträchtigen Raumschiff herunter spielten. Selbst auf ihn, den Somer aus einer anderen Galaxis, machte das Ding Eindruck. Man musste sich einfach winzig fühlen neben solch einer Menge Stahl!

Seine Begleiter drehten sich zu ihm herum. Tyler starrte ihn finster an. Er presste sich die Hände auf die Ohren.

»Was?«, bellte er.

»Nicht doch, bitte, verehrter Mister Tyler!«

Der Somer winkte ab, eine beschwichtigende Geste, die er sich von den Menschen abgeschaut hatte. Dazu wiegte er den Vogelkopf hin und her. Ihm stand nicht der Sinn nach einem Streit. Und die waren ohnehin keine angenehmen Zeitgenossen. Da sie ihm seit ihrer Begegnung auf Olymp jedoch nicht mehr von der Seite rückten war es sicher besser, sich gut mit ihnen zu stellen. Er beschloss, das Thema zu wechseln.

»Wie gut kennen Sie diese Springerin, die uns aufzunehmen gedenkt?«, wandte er sich an Japar, dabei siezte er den Mehandor, wie es seiner Marotte entsprach. Der Angesprochene runzelte die Stirn, raufte sich mit ungelenken Wurstfingern den Vollbart. Sein Blick war unstet, eine Antwort gab er keine. Missbilligend ließ Sam den Schnabel zuklappen, seine Kiefer klackten aufeinander.

»Sie haben diese mir unbekannte Dame kontaktiert«, sah er sich genötigt, seine Frage zu erklären. »Bisher weiß ich jedoch nur, dass sie Ihnen einen Gefallen schuldig sein soll. Wie weit jedoch sind Sie bereit, ihr zu trauen?«

Japar wandte sich brummend ab, seine Mine verschloss sich. Er starrte auf das Hauptholo. Plötzlich schien die Außenhülle der BASIS ihn sehr zu interessieren – als gäbe es nichts Spannenderes als die kilometergroße Landebucht, auf die die Fähre soeben zuhielt. Einst, so wusste der Somer, war dort ein Raumschiff der STARDUST-Klasse verankert gewesen, ein kolossales Beiboot mit einem Durchmesser von achthundert Metern. Heute war diese spezielle Bucht den betuchtesten unter den Kasinogästen vorbehalten – sie bot einen direkten Zugang zu den Herbergselementen, wie die Luxussuiten für die galaktische High Society genannt wurden.

Der Anblick brachte Sam ins Grübeln. Ihre Kontaktfrau schien entweder über Geld, oder zumindest über einflussreiche Kontakte zu verfügen, wenn sie ihnen diese Landebucht zum Nulltarif anbieten konnte: Das ganze Tourismus-System um die BASIS war darauf ausgelegt, jedem Besucher bereits so viel Geld wie möglich aus der Tasche zu ziehen, bevor er überhaupt einen Fuß auf das alte Fernraumschiff der Menschheit gesetzt hatte. Und die unbekannte Springerin wusste dieses System zu unterlaufen. Sam fand das beunruhigend. Mit welchen Kreisen brachten die beiden Söldner ihn da in Kontakt?

»Mister Japar?«

Der untersetzte Mann antwortete noch immer nicht. Sam sträubte sich das Gefieder, der Vogelabkömmling war ratlos. Er kannte sich mit den Sitten der Lemuriden noch immer nicht umfassend aus, trotz der Zeit die er mit Perry Rhodan und den Angehörigen seines Volkes verbracht hatte. Warum wich der Mehandor ihm aus? Hatte er eine Grenze überschritten, ein Tabu gebrochen?

Tyler lachte verhalten. »Du bohrst in alten Wunden, Botschafter«, versetzte der Terraner. »Japar und die Dame sind alte Freunde. Er hatte ein Abenteuer mit ihr. Dann hat er die Alte sitzen lassen.«

Die Art, wie Tyler das Wort ›Abenteuer‹ betonte, ließ Sam aufhorchen. Auch das Balzverhalten dieser intelligenten Säugetiere würde ihm ewig fremd bleiben, dennoch war Sam sich sicher, dass es sich dabei um ein sexuelles Abenteuer gehandelt haben musste. Sofort hatte er ein Bild vor Augen stehen; zwei rothaarige Humanoide, erst Hand in Hand, dann im Streit gegeneinander gewandt.

Er krächzte ungehalten. Das waren schlechte Voraussetzungen, Sam konnte es nicht brauchen, wenn einer seiner beiden vorgeblichen Leibwächter sich von einer alten Flamme ablenken ließ.

»Vermag man ihr zu trauen?«, wiederholte er ungeduldig, diesmal an Tyler gewandt. Umständlich fügte er hinzu: »Und, nebenher bemerkt, bitte ich darum gesiezt zu werden, wie Ihnen wohl bekannt ist, mein terranischer Freund.«

Tyler machte eine wegwerfende Geste.

»Die Alte hat uns den Transport organisiert, oder?«

»Das beweist nichts. Wir sind hier, um Erkenntnisse über die geheimnisvolle Organisation Mordred zu sammeln. Ich muss wissen, ob die Unbekannte darüber verfügt, bevor wir das Risiko eingehen, sie ins Vertrauen zu ziehen. Und auch, dass sie uns nicht an den Gegner verrät.«

»Sie ... kennt Leute.«

In diesem Augenblick erstarb das leise Summen des Gravojet-Feldantriebes, die Schiffszelle vibrierte kurz. Die Landekontrolle der BASIS hatte das Andockmanöver übernommen. Unter der Fähre tat sich ein hell erleuchteter Spalt in der Oberfläche der BASIS auf, wurde allmählich breiter. Die Schotten der kreisrunden Landebucht glitten auseinander, mit behäbiger Langsamkeit. Dann sank die keilförmige Fähre in das Rund hinab, nicht mehr als ein mikroskopischer Krümel, der durch ein Loch von der Größe eines Mondkraters flog. Gebirgen gleich schoben sich die Bordwände links und rechts von der Fähre in die Höhe, wuchsen und wuchsen, bis der Gleiter am Grunde des Schachtes aufsetzte. Ein Ruck ging durch das Fahrzeug, dann kehrte Ruhe ein.

Sam seufzte tonlos. Sie waren auf der BASIS gelandet. So weit, so gut. Nun war er seinen Begleitern und einer Unbekannten ausgeliefert. Dazu kannte er auch die beiden Söldner erst seit kurzem. Ob sein Vertrauen in sie gerechtfertigt war, würde sich erweisen.

Die wohlmodulierte Stimme der Bordsyntronik erklang:

»Ladevorgang abgeschlossen. Nach Freigabe der Landekontrolle könnt ihr die Fähre verlassen. Eine Standard-Sauerstoffatmosphäre wurde errichtet, so dass keine  Raumanzüge vonnöten sind. Euer Gepäck wird nach einer kurzen Sicherheitsüberprüfung in euer Quartier gebracht. Ich wünsche euch einen angenehmen Aufenthalt an Bord der BASIS.«

Während die Syntronik ihre Litanei herunter betete, wie sie es sicher bei jedem Besucher tat, sah Sam aus dem Frontfenster. In einigen Metern Entfernung fiel ihm eine Gestalt auf. Eine Frau, von grobschlächtiger Erscheinung: breite Schultern, breites Kinn, faustlanges, feuerrotes Haar, in eine Fantasieuniform mit plumpen Plastikorden gekleidet. Eine Mehandor, unverkennbar. Das musste sie sein, Japars Verflossene. Unvermittelt war sie vor der Fähre aufgetaucht, als hätte sie schon immer da gestanden. Jetzt bewegte sie sich mit ausladenden Schritten auf das winzige Raumfahrzeug zu, das Gesicht verzogen zu einer Maske der Entschlossenheit. Wo war sie so plötzlich hergekommen? Hatte sie sich bis eben hinter einem Deflektorfeld versteckt? Das fing ja fantastisch an! Sam hasste diese Geheimniskrämerei, sie verhieß in der Regel nichts Gutes.

Er spürte eine Berührung an der Schulter. Es war Tyler, der ihm einen leichten Stoß gab. Sam duckte sich, schüttelte ihn ab. Es missfiel ihm, von dem Menschen angefasst zu werden.

»Schnell, Somer. Deine ...« – er unterbrach sich, als Sam ihn missbilligend ansah, und korrigierte: »Ihre Geschichte. Kennen Sie sie noch?«

Sam imitierte ein menschliches Nicken. Die Legende, die der Nachrichtendienst von Camelot sich für ihn zur Tarnung ausgedacht hatte, hatte sich bei näherer Prüfung als unbrauchbar erwiesen. Tyler hatte sich eine neue ausgedacht, eine, die seinem verrohten Charakter entsprach: Nun war Sam eben kein Anthropologe mehr, der sich für die Entwicklungsgeschichte der Völker der Milchstraße interessierte, sondern ein Vertreter des militärisch-industriellen Komplexes von Siom-Som, der in der Milchstraße nach Absatzmärkten für abscheuliche Instrumente des Massenmordes suchte. Keine schöne Geschichte, entwürdigend sogar für jemand mit derart hohen moralischen Ansprüchen wie ihn. Aber Sam war immerhin pragmatisch genug um – wie die Terraner sagten – in den sauren Apfel zu beißen, wenn es seine Erfolgsaussichten erhöhte.

Ohne weiter auf den Ornithoiden zu achten löste Tyler seinen Gurt und sprang aus dem Kontursessel. Er tastete nach dem Türöffner, lautlos glitt die Schleuse der Stiftermann-Fähre beiseite. Beherzt sprang er ins Freie. Seine Stiefelsohlen knallten auf die molekülverdichtete Landefläche. Vor ihm stand nun die Springerin, die Arme zum Gruß ausgebreitet, die wulstigen Lippen zum Kuss gespitzt. Sie war riesig. Tyler, selbst kein Zwerg, reichte ihr nur bis zu den Augenbrauen. Lachend schloss sie den Mann in die Arme, drückte ihm einen Schmatzer auf die Wange. Der Terraner erwiderte die Geste, notgedrungen und widerwillig, als würde er sich vor ihr fürchten. Es war ein bizarrer Anblick.

»Tyler«, sagte sie, mit einer sanften Stimme, die nicht zu ihrem Äußeren zu passen schien. »Wie lange ist es her?«

»Zu lange, Kellonda«, entgegnete er unverbindlich und machte sich von ihr los. Es bereitete ihm einige Mühe, ihr Griff um seine Hüften war unerbittlich. Schließlich aber ließ sie von ihm ab, längst hatte sie ihre Aufmerksamkeit der offenstehenden Schleuse zugewandt. Ihr Blick fiel auf Sam, neugierig erst, dann von plötzlichem Desinteresse. Endlich erblickte sie Japar.

»Raus aus meiner Fähre, du Nichtsnutz.«

Der Springer gab ein Knurren von sich, dann machte er einen Schritt an dem Somer vorbei und ging ebenfalls in die Halle. Seine Artgenossin trat ihm entgegen, ihre Arme umschlossen ihn schraubstockartig, nur um ihn Augenblicke später von sich zu stoßen und ihm, ansatzlos, eine schallende Ohrfeige zu versetzen. Der Angriff überrumpelte Japar. Er taumelte Rückwärts, stieß mit den Unterschenkeln gegen die Einstiegskante des Gleiters und fiel, mit rudernden Armen, auf den Po. Der Unterkiefer sank ihm gegen die Brust, seine Mine war vor Entrüstung entstellt.

Die Frau namens Kellonda warf die Hände in die Höhe, ihre Stimme verlor jede Weichheit:

»Kein Hallo? Lässt du noch immer den Terraner für dich sprechen?« Sie seufzte und rollte übertrieben mit den Augen, bevor sie fortfuhr: »Ihr habt Nerven! Hier aufzukreuzen! Nach allem ...«

»Vielen Dank«, wehrte Kellonda, »Ihrer Hilfe wegen«, rief Sam dazwischen. Auch er hatte mittlerweile seinen Gurt gelöst, jetzt postierte er sich hinter dem sitzenden Springer. Es reichte ihm. Er würde dieses theatralische Balzverhalten unterbinden, jetzt und hier. Die Mission war zu ernst. Er versuchte es mit Höflichkeit:

»Ihr ... Freund Japar versicherte mir, Sie seien ihm einen Gefallen schuldig. Mir war nicht klar, dass Sie eine unangenehme Vergangenheit verbindet. Ich entschuldige mich für den entstandenen Unmut.«

Kellonda musterte ihn, mit leerem Blick, als sähe sie ihn jetzt zum ersten Mal. Schließlich rümpfte sie die Nase. Wie von selbst wanderten ihre Finger zum Brustteil ihrer Fantasieuniform, spielten mit einem der geschmacklosen Plastikorden.

»Wer ist denn der Vogel?«, entfuhr es ihr. Dann, als fiele es ihr soeben ein, schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Euer somerischer Freund. Der Waffenhändler. Willkommen an Bord der BASIS.«

Sie fasste Japar bei der Hand, zog ihn auf die Beine und klopfte ihm den Rücken ab. Danach wandte sie sich dem Somer zu, strahlend über beide Wangen. Sie reichte ihm die Hand. »Freunde von Tyler und Japar sind ... nun, sagen wir, die Mehandor sind immer für ein gutes Geschäft zu haben. Wie kann ich dir helfen, Somer?«

Sam erwiderte die Geste, halbherzig jedoch nur. Er wusste noch immer nicht, was er von dieser Dame zu halten hatte, sie erschien ihm unberechenbar. Am besten würde er sie im Auge behalten.

»Sruel Allok Mok sucht nach neuen Absatzmärkten für seine Lieferpalette«, antwortete Tyler an seiner statt, als befürchtete er, der Somer könnte sich verplappern. »Er kam zu uns auf der Suche nach Kontakten. Einschlägigen Kontakten.«

Kellondas Augenbrauen ruckten in die Höhe.

»So. Und was führt euch da ausgerechnet zu mir?«

Abrupt wandte sie sich um und verließ die Landeplattform. Japar und Tyler warfen sich einen kurzen Blick zu, jeder mit einem knappen Schulterzucken, und folgten der Rothaarigen. Sam tat es ihnen gleich.

Sie durcheilte die Halle, hastig, fast rannte Sie. Japar und Tyler eilten neben ihr her, bemüht, nicht zurück zu fallen. Sam selbst bereitete es keine Mühe, mitzuhalten, seine Laufvogelbeine waren für ein solches Tempo geschaffen.

»Mir sind gewisse Gerüchte zu Ohren gekommen«, übernahm er das Wort, »Gerüchte über eine Organisation, die auf der BASIS einen Dependance unterhalten soll.«

»Viele Organisationen tun das. Keine davon dürfte an Vernichtungswaffen interessiert sein.«

»Diese indes schon.«

Sie waren an ein kleines Fahrzeug herangetreten, mehr Gepäckkarren als Personentransportmittel. Kellonda quetschte ihre füllige Gestalt hinter ein Kontrollpult, das gut als Kinderspielzeug hätte durchgehen können, dann klopfte sie, mit herausforderndem Lächeln, auf das Sitzpolster zu ihrer rechten.

»Mein linker, linker Platz ist frei, ich wünsche Sruel Allok Mok herbei.«

Sam fuhr sich durch das Kopfgefieder, zögerte. Dann erst kam er der Aufforderung nach. Es blieb dabei, schlau wurde er aus Kellonda nicht. Ihre Rolle war ihm nicht klar. War sie einem Clansherren Gefolgschaft schuldig? War sie eine der wenigen Matriarchinnen, handelte sie aus eigenem Interesse? Die ganze Sache schmeckte ihm nicht, entglitt zunehmend seiner Kontrolle. Er hätte weiter nach dem Plan verfahren sollen, den Homer G. Adams Mannen sich ausgedacht hatten! Mach dich nie Abhängig von jemand, dessen Motive du nicht lesen kannst, hatte ihn schon ein kluger Erzieher auf Somatri gelehrt.

Immerhin, dachte er, während er sich neben die Springerin presste und Tyler und Japar sich zu zweit auf die winzige Rückbank des Gefährts drängten. Du hast ihr Interesse geweckt. Warum sonst hätte sie darauf bestehen sollen, ihn auf dem Vordersitz neben sich zu haben?

Kellonda fuhr los, mit irrsinniger Geschwindigkeit. Sie hielt auf ein Tor am Ende der Ladefläche zu, fuhr dabei Schlangenlinien, als sei sie betrunken. Sam wurde hin und her geworfen, mal trug die Schwerkraft ihn fast vom Sitz, mal wurde er gegen Kellondas massigen Oberarm geworfen. Der Fahrtwind zerzauste seinen Flaumbart. Verbissen krallten seine dreigliedrigen Hände sich am Haltegriff fest, aus den Augenwinkeln sah er die angespannten, blassen Gesichter seiner beiden männlichen Begleiter.

»Nun, Japar«, begann die Rothaarige und sah über die Schulter zu ihrem Verflossenen, ohne auf die Strecke zu achten. »Es sieht so aus als brächtest du mir eine gute Geschäftsgelegenheit ins Haus. Offenbar kann ich dir vergeben, du untreuer Klotz.«

»Freut mich zu hören«, presste der Springer aus zusammengekniffenen Zähnen hervor, dann kniff er die Augen zusammen und deutete auf einen Entladeroboter, auf den Kellonda zu raste. Lachend wandte sie sich ab und wich der Maschine aus, gerade noch rechtzeitig. Dann tätschelte sie dem Somer das knochige Knie.

»Gegen eine Vermittlungsgebühr«, flötete sie, während das Fahrzeug das Schott durchquerte und in einen rechteckigen Korridor hinaus schoss, »stelle ich jeden Kontakt her, den du brauchst, Schätzchen. Welche Organisation ...«

»Mordred«, fuhr Sam ihr ins Wort und verzichtete darauf, sie um ein höfliches Sie zu bitten. »Haben Sie davon schon einmal gehört?«

Kellonda bremste ab, so abrupt, dass Tyler von hinten gegen Sams Rückgrat geschleudert wurde. Der Terraner fluchte, doch Sam beachtete ihn nicht. Gespannt musterte er die Frau, wie sie, die Hand in Denkerpose ans Kinn gelegt, zu überlegen schien.

»Mordred«, wiederholte sie gedehnt, mit unbestimmbarem Gesichtsausdruck. Dann wackelte sie verneinend den Kopf, es sah fast aus als hätte sie Schüttelfrost. »Nie gehört.«

Sam presste den Schnabel zusammen. Er hatte es geahnt! Die merkwürdige Springerin war ahnungslos. Entweder das, oder sie hatte einen Grund ihm die Wahrheit zu verheimlichen.

Kellonda gab wieder Gas, und kurz darauf preschte der Karren wieder mit der vollen Geschwindigkeit durch die BASIS. Wenigstens fuhr sie inzwischen keine Schlangenlinien mehr, ESTARTU sei Dank. Der Korridor, in den sie nun abbogen, war auch zu eng dafür, hier und da waren zudem Passanten unterwegs: Ein älterer Cheborparner, der sich erschrocken mit dem Rücken an die Wand drückte, als der Wagen an ihm vorbei raste. Ein Akone, der sich verwundert nach ihnen umdrehte. Eine katzenähnliche Humanoide brachte sich mit einem Satz in Sicherheit, als Sam einen warnenden Schrei ausstieß, dann bog Kellonda um eine Gravoschleuse. Sam verlor die Katzenhafte aus den Augen. Urplötzlich verschwand der Boden unter ihnen, hing das Fahrzeug in der Luft. Für eine Sekunde fühlte es sich wie ein Sturz an, dann fasste das neu polarisierte Schwerkraftfeld sanft nach ihnen. Plötzlich war unten vorne, und hinten war unten. Es dauerte einige Augenblicke, bis der Gleichgewichtssinn sich auf die veränderten Realitäten eingestellt hatte. Dann setzten die Reifen wieder auf, es quietschte kurz. Der Geruch verbrannten Gummis stieg scharf in Sams Nasenlöcher. Zitternd krallte er sich noch fester an den Haltegriff, und die Wahnsinnsfahrt ging weiter.

»Frau! Ich muss gleich brechen«, protestierte Japar und tippte Kellonda von hinten auf die Schulter. Er war käsig geworden, wie Sam feststellte, sein Blick glasig. Kellonda grinste.

»Ich weiß.«

Missbilligend klapperte der Somer mit dem Schnabel. Sollte diese Wahnsinnsfahrt nur dazu dienen, den Springer dazu bringen, sich zu übergeben? Wollte Kellonda ihren Verflossenen dadurch bloßstellen? Wie kindisch!

»Mit Verlaub, werte Kellonda«, machte er einen neuen Versuch, »mir wurde zugetragen, Sie hätten Kontakte zu gewissen Kreisen, die ...«

»Sco-Chii«, rief die Rothaarige plötzlich und schlug Sam mit der flachen Hand gegen die Tonnenbrust. Erschrocken verstummte er. »Ja, Sco-Chii!«

»Gesundheit«, meinte Tyler, voller Häme. Kellonda kicherte, sie steuerte den Wagen auf eine weitere Gravoschleuse zu. Diesmal sah es so aus, als würden sie einer Wand entgegen rasen, der Boden knickte im rechten Winkel vor ihnen ab. Erneut revoltierte Sams Magen, als die Antigrav-Automatik sie packte und den Wagen um neunzig Grad drehte. Japar würgte unterdrückt.

»Ich werde euch mit Sco-Chii bekannt machen. Er ist Informationsmakler. Wenn einer etwas über euer Mord-Bett weiß, dann er.«

»Mordred«, korrigierte Sam geflissentlich. »Und das gefällt mir nicht. Ich möchte den Kreis der Mitwisser so klein wie möglich halten.«

»So geheimnisvoll, eh?«

Endlich bremste Kellonda wieder ab, als sie in eine Halle einbogen. Einst musste es ein kleines Arboretum gewesen sein, wie die Besteinfassungen und einige Pflanzungen an den Wänden verrieten. Die neuen Besitzer der BASIS hatten einen Basar daraus gemacht: Überall hielten sich Kasinogäste auf, sie saßen trinkend und plaudernd an den Bars oder schlenderten an den Verkaufsständen vorüber, an denen feiste Mehandor versuchten, ihnen glitzernden Tand und Luxusgüter anzudrehen. Einige priesen ihre Waren lautstark an, wie altertümliche Schreier auf den Märkten von Som - religiöse Gesänge in einem Tempel für die eine Gottheit, die die Springer am meisten ehrten: Den Kommerz.

Vor einem schmalen Treppenaufgang hielt Kellonda an. Die Stiege führte zu einer Galerie, von der mehrere Korridore abgingen. Die Rothaarige deutete auf einen davon.

»Da oben ist eure Suite. Keine Sorge, alles bezahlt. Kellonda kümmert sich um ihre Gäste. Euer Gepäck wird euch gebracht.«

»Danke«, erwiderte Sam. »Was diesen Informationsmakler betrifft ...«

»Keine Sorge«, unterbrach sie ihn und hüpfte vom Fahrersitz. »Wenn an euch irgendetwas interessant ist, weiß Sco-Chii schon längst über euch Bescheid. Er hat seine Augen und Ohren überall.«

»Da bin ich mir sicher«, antwortete Sam mit verächtlichem Schnaufen. Er setzte den Fuß auf den Boden und zog sich behutsam aus dem Karren. Seine Knie waren wackelig, diese Fahrt würde ihm noch eine Zeit lang in den Knochen stecken. »Aber ist er vertrauenswürdig?«

»Sco-Chii?« Kellonda hob die Brauen und schlug sich mit beiden Händen gegen die Wangen, dabei starrte sie ihn beleidigt an. »Sco-Chiis Diskretion ist über jeden Zweifel erhaben«, fuhr die Springerin fort, nur um grinsend hinzu zu fügen: »So fern man sie sich leisten kann.«

 

2. Stirb, Wes Golem!

Der nächste Morgen

Will Dean riss die Augen auf und starrte an die Decke. Schlaftrunken fuhr er sich an die Stirn, blinzelte.

»Wo zum ...«

Da fiel es ihm wieder ein. Das Mädchen!

Will warf sich herum, wirbelte die künstlichen Haarsträhnen umher. Sie trafen den nackten Leib einer Frau. Halb unter einer Bettdecke drapiert lag sie da, schlafend, auf der Seite liegend. Ihre spitzen Brüste ragten ihm wie kleine Hügel entgegen. Der Terraner hielt den Atem an.

Schlagartig kehrte auch der Rest seiner Erinnerung zurück. Sein lächerlicher kleiner Auftrag, zu dem der TLD ihn gezwungen hatte. Er hatte sie ausfindig machen sollen, diese Überläuferin, unter dem Namen Wes Golem und in dieser lächerlichen Verkleidung. Hatte ihr eine Wanze auf die Haut setzen sollen, ein Meisterwerk siganesischer Mikrotechnologie. So viel trauten seine Vorgesetzten ihm gerade noch zu, nach all dem Mist den er gebaut hatte.

Und selbst dabei habe ich versagt, dachte er bitter. Gia de Moleon hatte recht gehabt, das Urteil der verschollenen TLD-Chefin über ihn war korrekt: Nirgends in seinen Befehlen hatte gestanden, dass er mit Celine Ahornd in die Kiste steigen sollte. Er ließ den Blick an ihrem Körper herab wandern, verharrte kurz bei ihrem Brustkorb, der sich langsam hob und sank, bei ihren schmalen Hüften, und verlor sich schließlich zwischen ihren Beinen. Ja, sie war es wert gewesen. Jede Minute mit ihr. Außerdem, redete er sich ein, war der Sex der schnellste Weg, nahe genug an sie heran zu kommen. Vielleicht hatte man genau deshalb ihn für diese Aufgabe ausgewählt. Seiner zweifelhaften Reputation wegen.

Lautlos seufzte er, dabei biss er sich auf die Unterlippe. Es war noch nicht zu spät, den Auftrag auszuführen. Sie war ihm nahe, sie war nackt und wehrlos. Eine bessere Gelegenheit würde sich ihm nicht mehr bieten.

Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, wälzte er sich aus dem Bett und machte sich daran, seine im Raum verstreuten Kleidungsstücke einzusammeln. Als er seine Freizeithose vom Couchtisch fischte und sie sich überstreifte, fasste er in die Tasche. Darin befand sich ein Kügelchen, nicht größer als eine Erbse, und darin wiederum befand sich die Wanze. Mit spitzen Fingern umfasste er sie, kehrte auf Zehenspitzen zum Bett zurück.

In diesem Moment stöhnte Celine, wie unter einem lebhaften Traum. Sie streckte sich, rieb die Füße aneinander. Will erschrak, er erstarrte in der Bewegung. Wenn sie jetzt aufwachte, konnte er den Auftrag als gescheitert abschreiben.

»Wes«, murmelte sie, oder zumindest glaubte er das zu verstehen. Eigentlich hatte sie nur irgendeinen Laut ausgestoßen. Das mussten seine Nerven sein!

Er hatte Glück. Die Frau erwachte nicht. Im Schlaf drehte sie sich halb auf den Rücken und klammerte sich mit der Rechten an der Bettdecke fest. Die andere Hand streckte sie von sich, dorthin, wo er selbst eben noch gelegen hatte. Erleichtert atmete Will aus. Dann legte er die restlichen Schritte bis zu ihrer Bettkante zurück und ging neben ihr in die Knie. Sein Atem streifte ihren Arm, und es durchfuhr ihn heiß als die Härchen auf ihrer Haut sich steil aufrichteten. Der Anblick löste etwas in ihm aus, er spürte, wie das Blut in seine unteren Körperregionen schoss. Er grinste, wurde schwankend in seinem Entschluss. Welchen Schaden würde es schon anrichten, wenn er noch einmal zu ihr ins Bett zurückkehrte, erst noch eine Runde mit ihr ...

Contenance!, ermahnte er sich. Es stand zu viel auf dem Spiel. Ein solcher Lapsus pro Auftrag reichte. Diesmal würde er seinen Trieb unter Kontrolle halten, und nicht umgekehrt.

Kurzentschlossen zerrieb er das Kügelchen, dann legte er die Überreste auf ihren Oberarm. Sofort löste die programmierte Proteinhülle sich auf, und ein winziger, schwarzer Krümel kam zum Vorschein. Die eigentliche Wanze. Fasziniert sah Will Dean zu, wie das Gerät einige Millimeter über ihre Haut kroch, bis es eine Pore gefunden hatte. Dann sickerte es förmlich in ihren Körper ein.

Der Terraner stand auf, er war zufrieden. Damit war sein Auftrag so gut wie erledigt. Den Rest würde dieses biosyntronische Ungeziefer nahezu selbstständig erledigen – es würde sich wie ein Parasit in ihren Körper einnisten, würde danach funktionieren wie ein nanoskopisches Funkmikrofon. Mit seiner Hilfe würde es dem TLD möglich sein, die Überläuferin auszuhorchen.

Rasch raffte er auch noch die restliche Kleidung zusammen und verließ die Suite der Schlafenden, sein Aufbruch kam einer Flucht gleich. Socken und Schuhe streifte er sich auf dem Korridor über, sobald die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte. Dann eilte er den Gang hinab. Im Gehen knöpfte er sich das Hemd zu, versuchte, den neugierigen Blicken zweier Passanten zu entgehen. Einer älteren Arkonidin wich er aus, nur um Augenblicke später einem Überschweren mit voller Wucht gegen die Brust zu rennen. Der Unbekannte brummte zornig, Will murmelte eine knappe Entschuldigung und umrundete den fast quadratischen Körper des Umweltangepaßten, ohne ihm ins Gesicht zu schauen. Bloß kein Aufsehen erregen! Es reichte, dass er gestern die Blicke der Casinobesucher auf sich gezogen hatte, während er die Zielperson in die Kiste gelockte hatte. Sein Charme war eben keiner, der auf subtile Gesten baute.

Als er in einen Seitengang bog, sah er unauffällig zurück. Er stutzte. Etwas stimmte nicht – da war die Arkonidin, die er beinahe umgerannt hatte, und da waren die beiden neugierigen Passanten. Wo ist der Überschwere hin?, fragte er sich. Ob er zu Celine Ahornd in die Suite ...

Keine Zeit, rief er sich zur Ordnung. Die Wanze musste noch fernaktiviert werden, dazu blieben ihm noch zwanzig Minuten. Wenn in dieser Zeit nichts passierte, würde sich das Nano-Mikrofon sicherheitshalber selbstständig auflösen, und die Mühe wäre umsonst gewesen. Eine zweite Nacht mit der Überläuferin würde ihm sicher nicht vergönnt sein.

Der Weg in seine eigene Suite führte ihn über zwei Förderbänder und einen Antigravlift, es kostete ihn eine Viertelstunde bis er vorm Eingang angelangt war. Kaum hatte sich Tür schmatzend hinter ihm geschlossen, eilt er zu seiner Medotasche. Hastig zog Dean die Spritze mit dem Ara-Serum heraus und injizierte sie. Die Wirkung zeigte sich sofort - die Rasterlocken fielen aus und legten sein kurzes, straffes Haar wieder frei. Die genetische Maske fiel im wahrsten Sinne des Wortes ab.

»Melde gehorsamst, Agent Wes Golem im Einsatz gestorben«, sagte er in den Raum hinein, an niemand bestimmten gewandt. Diese alberne Verkleidung, diese lächerliche Figur, sie würde hier und jetzt zu existieren aufhören. Ab sofort war er wieder Will Dean, Agent des Terranischen Liga-Dienstes, wenn auch im niedersten, vorstellbaren Rang. Er erwartete keine Sonderbehandlung, aber zum Affen würde er sich nicht mehr für sie machen.

Erleichtert setzte Will sich an den spartanischen Hoteltisch – seine Unterkunft war längst nicht so exquisit wie die der Verräterin – und kramte ein kleines Gerät aus der Reisetasche, die er daneben platziert hatte. Als er es aufklappte knackste es kurz, ein Rauschen drang aus unsichtbaren Schallfeldern. Dann ein Piepsen, der Empfänger hatte den Kontakt zur Nanosonde hergestellt, die Aufzeichnung startete automatisch. Will atmete durch. Damit war auch das erledigt. Er würde das Gerät nun zuklappen, seine Sachen packen und so schnell wie möglich die Abreise antreten. Würde zurückkehren nach Terra, zu seinem winzigen Appartement und ...

»Pfork?«, kam eine Stimme verwaschen aus dem Empfänger. Celines Stimme. Will horchte auf, hielt einmal mehr den Atem an. Die Bettdecke raschelte, dann war das Poltern schwerer Schritte zu hören. Jemand war bei ihr im Quartier, kein Zweifel. Ein Unbekannter, dem Namen nach ein Überschwerer. Etwa der Unbekannte, mit dem er auf dem Gang zusammengeprallt war? Will knirschte mit den Zähnen.

»Ziehen Sie sich an, Celine Ahornd«, erklang eine zweite Stimme, tief, volltönend. »Haben Sie unser Treffen vergessen? Ich bin wegen der Daten hier. Nicht wegen ihres Körpers. Ausnahmsweise.«

»Ja. Ja, sicher«, kam Celines Antwort, erst benommen, dann von plötzlicher Panik ergriffen. Erneutes Rascheln war zu hören. Will stellte sich dazu vor, wie die Verräterin sich umdrehte, Ausschau nach Wes Golem hielt, ihrer Eroberung der letzten Nacht. Dann hörte er sie aufatmen, bevor sie fortfuhr: »Es war spät gestern.«

»Der Kristall. Bringen wir es hinter uns, meine Anwesenheit hier kompromittiert mich schon genug.«

»Das Geld.«

»Sobald sich die Daten in meinen Händen befinden.«

Will legte das Gerät vor sich auf dem Tischlein ab und ließ kopfschüttelnd sich ins Sitzpolster sinken. Kristall? Daten? Er verstand immer weniger. Man hatte ihn beim TLD in die Eckdaten des Auftrages nicht eingeweiht – wohl, damit er nichts ausplaudern konnte. Ein weiterer Beweis dafür, wie wenig sie ihm noch zutrauten. Er war ein Botengänger, mehr nicht. So jedenfalls hatte er sich die Karriere beim Geheimdienst nicht vorgestellt.

In den nächsten Sekunden drang Lärm aus dem Empfänger, der Terraner konnte nur vermuten, dass die Überläuferin in diesem Moment aus den Kissen sprang, sich notdürftig etwas überwarf und ihre Suite nach dem Kristall durchsuchte, auf dem sich die Daten befinden mochten – vermutlich vertickte sie da gerade irgendwelche geheimen TLD-Informationen an irgendwelche Terroristen. Einen Grund zum Eingreifen sah er da nicht. Was immer Celine Ahornd gestohlen hatte, soweit hatte man ihn immerhin informiert, war veraltet, nutzlos für jeden, der es in die Finger bekam. Sie war ein Köder. Seinen Vorgesetzten ging es wohl nicht um Ahornd, nur um ihren Kontakt. Und das musste dieser Pfork sein.

»Ah«, rief der Springerabkömmling. »Sie haben keine Ahnung was mir dieses ... Geschenk bedeutet.«

Ahornd kicherte fröhlich, beinahe wie ein Schulmädchen. Es passte nicht zu der Göttin, die letzte Nacht auf ihm gesessen, ihn geritten hatte wie einen Hengst. Er schob die Erinnerung beiseite. Es spielte keine Rolle. Wes Golem war tot.

»Ihre Eintrittskarte in die Führungsriege der Galactic Guardians? Nein, davon weiß ich nichts.« Kurze Pause. Dann: »Keine Angst. Ihr Geheimnis ist bei mir sicher. Und was meinen Körper betrifft ...«

Will Dean lachte auf. Was sollte das? Warum sagte sie das? Wollte sie den Überschweren mit einem unzweideutigen Angebot in Sicherheit wiegen? Plötzlich hatte er einen bitteren Geschmack im Mund, er fühlte sich billig, ausgenutzt. Diese verlogene kleine Schlampe, sie würde sich jedem verkaufen, der nur genug bot. Die Nacht mit ihm hatte ihr vermutlich nichts bedeutet.

Im selben Moment brach das Chaos in Ahornds Suite aus, zumindest klang es danach. Neuer Lärm quoll aus dem winzigen Akustikfeld: Erst ein Krachen, als hätte jemand eine Holztür eingetreten. Dann gedämpfte Stimmen und ein Poltern, wie bei einem Handgemenge. Jemand feuerte eine Waffe ab, Will erkannte das Fauchen eines Paralysators. Etwas fiel zu Boden, es gab einen dumpfen, schweren Aufprall. Der Überschwere? Der Schütze musste ihn Überwältigt haben, denn Celine war noch bei Bewusstsein. Sie schrie, spitz und voller Aufregung.

»Was zum ...«, rief der Terraner und stützte sich auf die Tischplatte. Ob er jetzt doch eingreifen sollte? Zurückeilen, zu ihrem Quartier? Ihr helfen, sie retten? Es wäre das menschlichste gewesen. Doch etwas hinderte ihn – eine seltsame Schwere, die ihn zurückhielt.

Diese Hure, dachte er. Selbst schuld. Was ging es ihn an, mit was für Gestalten sie sich einließ?

»Bleib liegen, Weibstück.«

Das war eine neue Stimme, die eines jungen Mannes – es musste die des Eindringlings sein. Wut schwang in den Worten mit, und noch etwas anderes. Ein Eifer, feurig und unberechenbar. In Wills Innerem läutete eine Alarmglocke. Wer immer der Fremde war, was immer er wollte, seine Stimmung verhieß nichts Gutes. Er mochte zum Äußersten bereit sein. Ein Fanatiker. Will hatte während seiner Grundausbildung auf Luna immerhin gut genug aufgepasst, um solche Leute auch anhand ihrer körperlosen Stimme zu erkennen.

»Wer sind ...«

Celine kam nicht dazu, die Frage zu Ende zu stellen. Etwas summte und knisterte, wie von einer elektrischen Keule. Dann ein neuerliches Knallen, das Geräusch eines zweiten, fallenden Körpers. Will standen die Haare zu Berge, er hielt sich die Ohren zu, wollte nicht länger nachdenken über das, was sich da abspielen musste. Celines Schrei ahnte er mehr, als dass er ihn hörte. Seine Beine zuckten, wieder war er drauf und dran aufzuspringen, ihr zu Hilfe zu eilen. Und wieder gelang es ihm nicht.

Sie werden sie nicht töten, tröstete er sich. Vermutlich war der Fremde ein Konkurrent Pforks, der diese TLD-Informationen für sich haben wollte. Dazu würde er Celine brauchen. Sie war nicht ernsthaft in Gefahr.

»Dein Wimmern wird dich nicht retten, Nutte«, kam wieder die Stimme des Unbekannten. Diesmal troff sie vor Stolz, als sei der Fremde berauscht von der Macht, die er über seine Opfer ausübte.

»Warum ...«

Wieder summte es, peitschten Entladungen durch den Körper Celines – Will erkannte es am Rauschen des Empfängers, die Stromstöße störten die Übertragung. Ob die Sonde das aushielt?

»Halt die Schnauze, Weib. Dem Yekjab eines Vhratowächters hat noch niemand widerstanden. Ich werde dir die Schwarze Mirona schon austreiben.«

Wieder Zischen, wieder Knallen. Erneut wurde die Übertragung gestört, der Schrei der ehemaligen TLD-Agentin kam abgehackt und verstümmelt aus dem Empfänger. Während dessen rasten Wills Gedanken, Details aus längst vergangenen Tagen fielen ihm ein – von damals, aus der Zeit, als er noch ein hoffnungsvoller Kadett und Stewart Landry sein Mentor gewesen war. Yekjab, eine Art Elektroschocker. Wird zur Maßregelung von Vieh, Kindern und Frauen eingesetzt. Er hatte dies in geheimen Archiven gelesen, in einem Dokument mit dem Themenvermerk ›Lemuria-Verschwörung‹. Damals ein Regelverstoß, der ihn seine Zukunft gekostet und zur niederen Laufbahn verdammt hatte. Auch die anderen Ausdrücke hatten dort gestanden: Vhratowächter. Die Schwarze Mirona. Das waren Begriffe aus der Religion der Mashraten, eines Volkes ehemaliger terranischer Kolonisten, die unter den Augen der LFT eine blutige Glaubens- und Militärdiktatur aufgebaut hatten. Der Unbekannte musste demnach Mashrate sein. Aber ein Vhratowächter bei den Galactic Guardians? Das ergab keinen Sinn.

Wills Neugier wuchs. Der Impuls, Celine zu retten war verflogen. Wenn er in die Suite platzte und das Schauspiel unterbrach, würde er nie erfahren was da gerade vor sich ging. Und sowieso, wiederholte er in Gedanken: Ihr wird schon nichts schlimmes geschehen.

Summen, Zischen, Knallen. Summen, Zischen, Knallen, immer wieder unterbrochen von Störungen im Funksignal und abgehackten, zerfetzten Schreien. Minutenlang hörte Will zu, sagte sich, dass er jederzeit eingreifen konnte, wenn die Situation es erforderte. Er regte sich nicht, als der Fremde lautstark forderte: »Den Kristall.« Er reagierte nicht, als er drohte, ihr mit dem Yekjab die Brüste zu verkohlen. Auch als er, zwischen zwei Störungen, so etwas sagte wie: »Dem Fettwanst das Gesicht vom Kopf zu brennen, war eine der milderen Strafen, zu denen das Yekjab mich befähigt«, wollte er es für eine leere Drohung halten. Verbissen kämpfte er den Teil von sich nieder, der nach wie vor eingreifen, der Überläuferin das Leben retten wollte. Hätte der TLD ausgerechnet mich geschickt, wenn echte Gefahr bestünde?

»Pfork hat ihn! Den Kristall. Nimm ihn dir, du Irrer!«

»Endlich!«, hörte Will sich rufen. Die Anspannung fiel von ihm ab, erst jetzt merkte er, dass er völlig verkrampft war. Sie hatte nachgegeben, hatte unter Schmerzen und wohl auch Todesangst dem Eindringling gegeben, was er verlangt hatte. Er ließ sich ins Polster zurücksinken. Nicht auszudenken, wenn sie ihr Leben für diese nutzlosen Daten und diesen hässlichen Überschweren geopfert hätte!

Doch Will hatte sich geirrt. Es war noch nicht vorbei. Zum ungezählten Mal brutzelte der Yekjab. Noch mehr Schreie kamen aus dem Empfänger, es nahm kein Ende. Spätestens jetzt wusste Will Dean, dass er sich etwas vorgemacht hatte. Der Unbekannte würde sie töten, jetzt wo er sein Ziel erreicht und keine Verwendung mehr für sie hatte.

»Hör auf, du Wahnsinniger«, brüllte er das Gerät an. Er stand auf, packte den Empfänger und schüttelte ihn, das Gesicht zu einer irrsinnigen Grimasse verzogen. Blut schoss ihm in die Wangen. »Du hast was du wolltest lass sie gehen!«

»Nelder!«

Will hielt inne, der Empfänger verharrte wenige Handbreit neben seinem rechten Ohr. Noch ein Eindringling! Diesmal eine Frau, zumindest hatte die neue Stimme weiblich geklungen. Das Summen des Yekjab verstummte. Dann krisch der Fanatiker:

»Du bist zu spät, Shahira. Du hast den Treffpunkt verpasst du ...«

»Mäßige deinen Tonfall. Ich wurde aufgehalten ... eine Springerin hat mich beinahe über den Haufen gefahren.«

Die Frau schwieg, sah sich vermutlich derweil in der verwüsteten Suite um. Dann fügte sie  hinzu: »Was geht hier vor?«

Der Tonfall war fordernd, stammte von jemandem, der das Befehlen offenbar gewohnt war. Der Fanatiker – Nelder, wie die Unbekannte ihn genannt hatte – antwortete nicht. Stattdessen gab er ein undefinierbares Geräusch von sich.

Hoffnung regte sich in Will. Womöglich war es noch nicht zu spät, vielleicht bestand noch Hoffnung für Celine. Nicht auszudenken, wenn der Mashrate seine Drohung wahr gemacht und sich an ihren perfekten, weißen Brüsten vergangen hätte ... er stellte den Empfänger wieder vor sich ab, nervös tappte er mit dem Fuß.

»Ist das Pfork?«, wollte die Unbekannte wissen. Sie musste an den Paralysierten heran getreten sein, denn ihre Stimme klang dumpf, leiser als bisher. Der Mashrate kicherte.

»Was von ihm übrig ist«, sagte er gehässig. »Gefällt dir das Permanent-Make-Up, dass ich ihm verpasst habe?«

»Sein Gesicht! Es ist ...«

»Eine Verbesserung, wenn du mich fragst.«

Will war, als zöge ihm jemand den Boden unter den Füßen weg, seine Knie wurden weich. Es stimmte also, er hatte sich das nicht nur so zurechtgereimt. Dieser Nelder hatte mitnichten bloß mit seiner Brutalität kokettiert, er hatte dem Überschweren tatsächlich die Visage vom Kopf gebrutzelt. Schwer ließ er sich ins Sitzpolster zurücksinken. Ihm war übel geworden. Celine ...!

»Du Narr. Du hast den Mann getötet.«

»Er war unnütz für uns.«

Celine. Celine, dachte Will, wieder und wieder. Das Gespräch der beiden Unbekannten verlor immer mehr an Wichtigkeit, ihm ging es nur noch um die Überläuferin, um ihre Hüften, und um die Gefahr, in der diese schwebten. Rasch überschlug er die Entfernungen: Fünfzehn Minuten waren es bis zu ihrer Suite. Zehn, wenn er sich beeilte, fünf, wenn er alle Vorsicht fallen ließ und mit dem Antigrav durch die Gänge jagte. Wenn er jetzt sofort aufbrach, konnte er sie retten.

»Er, ja«, sagte die Frau. »Aber die Galactic Guardians nicht. Der Überschwere wäre unser Kontakt gewesen. Du hast das zunichte gemacht, Romano Nelder, die ganze Mission gefährdet, mit deinem Sadismus.«

Sie maßregelt ihn. Will zwang sich zur Ruhe, atmete mehrmals tief durch.

»Alles in Ordnung«, sagte er laut, wie um die Überläuferin zu trösten. Diese Fremde namens Shahira schien vernünftig zu sein. Egal, von welchem ominösen Verein die beiden auch sein mochten, zumindest sie war keine Mörderin.

»Was ist mit ihr?«, hörte er Shahiras Stimme, diesmal wieder näher und lauter. Vermutlich stand sie jetzt direkt vor Celine. »Warum gibt sie keine Ruhe?«

Keine Ruhe? Will horchte. Tatsächlich! Jetzt erst bemerkte er, wie sie wimmerte, sein Bewusstsein hatte es bislang ausgeblendet. Und dann traf es ihn wie ein Schlag: Das waren keine Schmerzenslaute, kein Wehklagen. Es war ein Lallen. Eines, wie ein hochgradig geistig Behinderter es ausstoßen mochte.

»Du Schwein«, hauchte er tonlos und ballte die Faust. »Was hast du ihr angetan?«

»Nicht ich habe das getan, sondern mein Yekjab«, sagte der Mann namens Nelder in diesem Moment, fast als hätte er Will gehört und ihm geantwortet. »Sie war von der schwarzen Mirona besessen. Wie alle Frauen. Ich habe sie ihr ausgetrieben. Nun wird sie Frieden finden vor Gott ...«

»Diese Frau wird vor niemandem mehr Frieden finden«, schnitt Shahira ihm das Wort ab, ihre Stimme war laut und strafend. »Ihr Verstand hat sich verabschiedet. Was wir sehen, sind nur noch ihre stammelnden Überreste.«

»Nein«, flüsterte Will, seine Fäuste öffneten und schlossen sich mehrmals. »Nein.«

»Und das hast du mit deinen Kartanin-Superkräften gespürt?«, machte Nelder verächtlich.

Kartanin, repetierte Will in Gedanken, und wieder spülte sich Wissen aus längst vergangenen Briefings in sein Gedächtnis: Ein Volk von Katzenartigen aus einer anderen Galaxis. Vermutlich hat die Fremde eine Psi-Begabung. Wahrscheinlich Empathie. Das hieß, Shahira schloss das Gesagte nicht aus Beobachtungen, sondern sie spürte was mit Celine los war. Will Dean spürte einen Kloß im Hals, er fühlte sich matt. Es war zu spät, so oder so. Er hatte sich etwas vorgemacht, konnte sie nicht mehr retten.

»Der Frieden sieht für jede Seele anders aus«, versetzte Nelder süffisant, und Will hatte plötzlich Lust, ihn zu schlagen. Loszurennen und die beiden Verbrecher büßen zu lassen für ihre Taten.

»Du Feigling«, beschimpfte er sich selbst, seine Faust zitterte. Er stach sich mit den Fingernägeln in den Handballen, so fest, dass kleine Blutströpfchen daraus hervor quollen. Der Schmerz war ihm beinahe angenehm, machte ihm das Entsetzen erträglicher.

»Diese Seele wird nur noch an einem Ort ihren Frieden finden. Ich werde sie erlösen.«

»Nein, tu es nicht«, rief Will, der sofort wusste, was sie meinte. Er schlug sich an die Stirn, wie um sich für seine Dummheit zu bestrafen, dann packte er den Empfänger mit beiden Händen, schüttelte ihn, als könnte er das Geschehen damit aufhalten.

»Es gibt zwei Arten von Grausamkeit«, sagte Shahira tonlos. »Notwendige und Überflüssige. Lerne den Unterschied, Romano Nelder. Das Leid, das du ihr angetan hast, war überflüssig. Darum beende ich es nun.«

Ein markerschütterndes Knacken kam aus dem Schallfeld, wie von gebrochenen Knochen. Celine ächzte gequält auf, ein letztes Mal, dann verebbte ihr Wimmern für immer.

Der Schrecken übermannte Will. Der Empfänger rutschte ihm aus den Händen, knallte auf das künstliche Parkett. Ein Teil brach davon ab, und das Akustikfeld fiel in sich zusammen. Stille kehrte ein, nur unterbrochen von seinen schnaufenden Atemzügen und von seiner Stimme, als er sprach. Er sagte nur ein winziges Wort, dann verstummte auch er:

»Aus.«

 

3. Der Trojaner

Stunden später

»Es ist fürwahr allerhöchste Zeit«, keifte Sam, als das Schott sich vor ihm öffnete und Kellondas feistes Gesicht ihm entgegen grinste. Ohne eine Begrüßung schob die Springerin sich in die Luxussuite, sah sich herausfordernd um und marschierte dann breitbeinig auf das ausladende Sofa zu, welches den Raum dominierte. Mit einem übertriebenen Seufzen ließ sie sich ins Polster sinken, direkt neben Japar. Ihr Hintern machte eine tiefe Beule, und ihr Artgenosse rückte von ihr ab, um nicht gegen ihre Seite zu fallen. Er hüstelte indigniert. Die Hinfahrt steckte ihm noch immer sichtlich in den Knochen.

Tyler lachte dreckig. Er stand an der Bar und schenkte sich soeben eine bräunliche Flüssigkeit aus einer bauchigen Flasche ein. Es war wohl irgendein alkoholisches Getränk, Sam hatte sich nicht die Mühe gemacht zu fragen. Ihm stand jetzt nicht der Sinn nach Floskeln.

»Haben sie diesen mysteriösen Informationsmakler kontaktiert?«, fragte er daher, mit einer beinahe an Unhöflichkeit grenzenden Direktheit. Die Manierismen der Springerin gingen ihm auf den Geist, außerdem raubten sie ihnen die Zeit.

Kellonda schien seinen Ernst zu spüren, jedenfalls kam es ihm vor als würde sie in einen anderen Modus schalten. Das überhebliche schwand aus ihren Zügen, und sie ließ von ihrem Verflossenen ab. Dankbar trollte Japar sich ans hinterste Ende der Couch, so weit weg von ihr wie möglich.

»Sco-Chii hat einem Treffen zugestimmt. Die Summe, die er fordert ...«

»... spielt indes keine Rolle«, fuhr Sam ihr ins Wort, wieder ohne auf die Höflichkeit zu achten. Es war nicht übertrieben. Hinter ihm standen die Ressourcen der Unsterblichenorganisation Camelot, und damit die Finanzkraft eines Homer G. Adams. Ihm standen buchstäblich alle Gelder der Galaxis zur Verfügung. »Trotzdem haben Sie uns noch immer nicht bewiesen, ob er gleich welche Summe auch immer wert ist. Ich bräuchte eine Probe seines Könnens.«

»Ah«, machte Kellonda, und ihr Gesicht hellte sich auf. Dann fasste sie sich in die Jackentasche und zog einen Zettel daraus hervor. Sie streckte ihn Sam entgegen. »Darauf bin ich vorbeireitet.«

»Was ist dies?«, fragte der Somer misstrauisch, trotzdem machte er einen Schritt auf sie zu. Mit spitzen Krallen nahm er ihr den Zettel aus den Fingern und entfaltete ihn. Darauf stand, in winzigen, ungelenken Buchstaben geschrieben, eine Botschaft. Sie war in Interkosmo verfasst und bestand nur aus einem Satz:

»Frag Kellonda nach dem Überschweren«, las Sam ratlos vor. Er sah vom Zettel auf, ihr direkt in die rötlichen Augen. Schließlich raufte er sich das blaue Gefieder und legte den Kopf schräg. »Was mag das bedeuten?«

»Der Überschwere:«, begann Kellonda zu rezitieren, als trüge sie ihrer Schulklasse ein auswendig gelerntes Gedicht vor. »Sein Name war Pfork. Er war Sektionsführer der Galactic Guardians, bis er sich mit einer TLD-Agentin getroffen hat. Vermutlich, um geheime Daten des TLD zu erwerben. Die Sicherheitsabteilung der BASIS hatte beide seit längerem im Blick.«

Beifall heischend sah sie ihn an, beinahe stolz, als hätte sie gerade ein Ei gelegt. Sam öffnete den Schnabel leicht, wartete, ob sie ihre Geschichte fortsetzen würde. Er wurde enttäuscht.

»Und?«, fragte er nach einer Weile. »Was geht all dies mich an?«

»Sruel Allok Mok hält nicht viel von Nachrichtenkanälen«, ließ ausgerechnet Tyler sich vernehmen, mit einem leicht tadelnden Unterton. Er hatte sich mit dem Ellenbogen auf die Theke gestützt und presste sich das Trinkglas gegen die Wange, wie um sich das Gesicht zu kühlen. Entschuldigend, mit verschmitzter Mine, fuhr er fort: »Es war heute Morgen überall zu hören. Ein polizeilich bekannter Überschwerer und eine Terranerin, beide tot in ihrer Suite gefunden.«

Kellonda fuhr fort: »Das ist jedoch nicht die ganze Wahrheit, wie Sco-Chii weiß. Man fürchtet offenbar eine Panik unter den Kasinogästen. Was wenig lukrativ wäre. Daher ist nirgends die Rede von den blutigen Details.«

»Die da wären?«

Die Wangen der Springerin begannen zu leuchten, sie spreizte die Hände, gestikulierte, als sie berichtete: »Die Frau wurde mit gebrochenem Genick gefunden. Brandwunden am ganzen Körper, durch Fremdeinwirkung entstanden. Oh, und der Überschwere kann es nicht gewesen sein. Der war in ähnlichem Zustand, das Gesicht eine einzige Brandwunde.«

»Ein Mord also«, stellte Sam fest. »Soll mich das nun in Erstaunen versetzen?«

»Soll es. Sco-Chii behauptet, dass die von euch gesuchte Organisation Mordred dahinter steckt.«

Einen Moment lang schwieg Sam, er musste das Gehörte erst einmal sortieren. Wenn das stimmte, dann war dieser ominöse Sco-Chii genau der Informant, den sie gesucht hatten. Trotzdem wollte er nicht zu eifrig auf das Angebot eingehen. Es mochte als ein Zeichen von Schwäche gedeutet werden.

»Dies ist noch kein genügender Beweis«, sagte er deshalb.

Kellonda zuckte mit den Schultern, machte eine Geste des Bedauerns. »Mehr gegen Bares. Das war meine Botschaft. Mehr hat er mir nicht mitgegeben. Nur noch eines: Den Treffpunkt. So fern der Handel gilt.«

»Ich werde das verifizieren müssen«, wich der Somer aus.

»Natürlich. Nimm dir die Zeit, Vogelmann«, sagte sie in neutralem Tonfall und kämpfte sich mühsam aus der Couch empor. Dabei machte sie ein säuerliches Gesicht. »Japar weiß, wo ich zu finden bin. Lasst mir eine Nachricht zukommen. Der Preis steht auf der Rückseite des Zettels. Sco-Chii zahlt mir zehn Prozent Provision, also kümmert euch nicht um mein Honorar.«

Als sie endlich aufgestanden war, lächelte sie den Somer an. Sie hatte sich wieder unter Kontrolle gebracht, verbarg ihre Enttäuschung gut. Sam achtete nicht weiter auf sie, er hatte sich bereits seinem Gepäck zugewandt, das er auf einem kleinen Tisch neben dem Eingang abgestellt hatte. Er machte sich an seiner Reisetasche zu schaffen, zog eine kleine Kiste daraus hervor. Wirrsal Cell hatte sie ihm persönlich ausgehändigt, vor seinem Aufbruch von Camelot. Darin fanden sich allerlei Spielzeuge, viele davon wären eines Geheimdienstagenten würdig gewesen. Geistesabwesend rief er Ihr zu: »Wir lassen von uns hören, sobald unsere Entscheidung gefällt ist.«

Kellonda verließ die Suite wortlos. Der Somer wartete noch, bis die Tür sich endlich hinter ihr geschlossen hatte, dann zog er einen kleinen, schwarzen Würfel aus der Kiste. Tyler stieß einen schrillen Pfiff aus.

»Ich weiß was das ist. Ein Whistler C-P-635. Die Fachwelt überschlägt sich wegen den Dingern. Offiziell sind die noch gar nicht auf dem Markt.«

»Ich frage mich, was man auf dem Schwarzen Markt für ein Pikosyn der übernächsten Generation bekäme«, grummelte Japar. Gier war ihm in die Augen getreten. Sam gefiel dieser Ausdruck gar nicht. Hoffentlich hatte der Mehandor sich unter Kontrolle und beging keine Dummheiten!

»Ich habe ebenfalls meine Ressourcen«, gab er ausweichend zu Protokoll und tippte drei Mal gegen die Unterkante des Würfels. Der Pikosyn klappte auf und entblößte eine Reihe von Anschlüssen. Sam wandte sich dem Terminal zu, über das die Kasinobesucher mit dem Bordgehirn der BASIS in Verbindung treten konnten. Es war in die Wand eingelassen, Sam musste sich nur eine passende Stelle suchen. Er entschied sich für einen Zugriffspunkt rechts neben dem altmodischen Holomonitor, und presste den Pikosyn mit der geöffneten Unterseite dagegen. Sofort haftete der Würfel fest, ging eine Verbindung auf submolekularer Ebene mit dem Untergrund ein.

Der Somer wusste, dass bereits jetzt mehrere Hackerprogramme angelaufen waren, die sich durch die Sicherheitsprotokolle des Bordgehirns arbeiten würden. Und tatsächlich glomm schon nach Sekunden eine grüne Diode auf der Oberseite des Würfels auf. Das Gerät signalisierte Betriebsbereitschaft. Sam war drin.

»Was wird das?«, wollte Tyler wissen. Er hatte das Trinkglas inzwischen geleert und vor sich abgestellt, und fuhr sich soeben über die Bartstoppeln. Es gab ein schabendes Geräusch.

»Selbst Homer G. Adams wirft nicht mit Geld um sich«, antwortete der Somer knapp und tippte in das Holofeld, das soeben vor ihm aufklappte. Er gab einen Suchbegriff ein: Sco-Chii. »Ich möchte diesen Makler überprüfen, will wissen, ob er authentisch ist. Dieser spezielle Pikosyn erlaubt mir unauffälligen Zugriff auch auf gesperrte Datensätze.«

Ein Suchergebnis erschien im Display, und Sam ließ sich den Eintrag im Detail anzeigen. Die Anzeige wechselte, die gesuchten Informationen erschienen: Sco-Chii, las der Somer. Spezies: Heeninniyer, von den Terranern Peepsies genannt. Als Informationsmakler auch offiziell angemeldet. Als Nutznießer dem kriminellen Untergrund zuzuordnen. Dazu Dateianhänge: Polizeiberichte, Geschäftszulassung, ein Hinweis auf eine Steuerfahndung. Nichts, was nicht auch öffentlich zugänglich gewesen wäre und nichts, was man nicht mit einigem Aufwand hätte fälschen können.

»Nach geschützten Informationen filtern«, gab er dem Pikosyn eine Anweisung. Das Gerät gehorchte und durchsuchte selbstständig – Sam würde nie verstehen, nach welchen Algorithmen das funktionierte – alle Datenknoten, die durch ein Minimum an Sicherheitssperren vor dem Zugriff durch die normalen Kasinobesucher geschützt waren. Es musste Verwaltungsdokumente geben, in denen der Informationsmakler Erwähnung fand, die Bürokratie erforderte das einfach. Ein Schiff von der Größe der BASIS, noch dazu eines, das man zum sozialen Hotspot umgestaltet hatte, verlangte für sein Funktionieren eben die Infrastruktur einer mittleren Großstadt.

»Ah«, machte der Somer, als eine Reihe von Suchergebnissen im Display erschienen. Wahllos tippte er einige an, überflog die Seiten. Es waren belanglose Informationen. Das interessanteste war wohl ein klassifizierter Polizeibericht über eine Verhaftung nach einem gescheiterten Kasinoraub. Sco-Chii hatte damals als Verdächtiger gegolten, ihm war Komplizentum vorgeworfen worden. Nachweisen hatte man ihm jedoch nichts können, die Klage war letzten Endes fallen gelassen worden.

»Sco-Chii scheint wahrhaftig zu sein«, ließ er seine beiden menschlichen Begleiter wissen. »Entweder das, oder unsere Gegner haben die Möglichkeit, diese Daten zu fingieren. Darüber möchte ich offen gestanden lieber nicht nachdenken.«

»Du ... Sie meinen«, rief Japar, und sein Gesicht lief rot dabei an, »Kellonda würde uns an einen Spion der Mordred verraten?«

Mit einem Satz schoss er von der Couch, drohte Sam mit der Faust. Dieser verschränkte die Arme vor der Brust, schüttelte den Kopf. Das fehlte ja noch, dass seine selbsterklärten Leibwächter die Mission mit solch divenhaften Allüren vermasselten!

»Setzen Sie sich, Japar«, befahl er streng, und zu seiner Überraschung gehorchte der Mehandor, wenn auch mit einem beleidigten Brummen. Sofort tat Sam seine Abfuhr leid, es war nicht seine Art sich derart aufzuspielen. Sanfter, um die Wogen zu glätten, fügte er hinzu: »Ich behaupte gar nichts. Aber es liegt im Bereich des Möglichen. Wir müssen uns absichern. Außerdem will ich wissen wie gut dieser Informant ist. Jeder kann öffentlich verfügbare Informationen aus dem Netz zusammensuchen, dafür brauchen wir keinen teuren Insider.«

»Und der Doppelmord?«, entgegnete Japar. »Dieser Überschwere und die TLD-Agentin?«

»Das Werk von Stümpern, wenn du mich fragst«, antwortete Tyler an Sams Stelle, während er nach der bauchigen Flasche griff und sich etwas von der braunen Flüssigkeit nachfüllte. »Das, oder die Mordred-Leute sind sich ihrer Sache so sicher, dass die eine derart wüste Spur hinterlassen können. Die Frage ist: Wie finden wir das raus?«

Er hatte noch nicht ausgesprochen, da hing wieder das gefüllte Glas an seinen Lippen und er trank es aus, in einem einzigen, gierigen Zug. Sam beobachtete es mit Sorge, unter Terranern galt es als unüblich zu frühmorgendlicher Zeit Alkohol zu trinken. Unwillkürlich fragte er sich, wie zuverlässig seine Begleiter wirklich waren. Er würde nicht nur Kellonda, sondern auch die beiden im Auge behalten müssen.

Anstelle einer Antwort wandte er sich wieder dem Pikosyn zu und sagte: »Informationen über Mordred. Prüfung auf mögliche Querverbindungen zur Person Sco-Chii.«

»Hältst du das für klug, du dummes Vögelchen?«, warf Tyler ein und stellte hastig das Glas ab. Mit drei ausladenden Schritten kam er auf ihn zu, postierte sich fuchtelnd neben ihn. Sein Gesicht war voll Besorgnis, es strafte die respektlose Anrede Lügen. »Wenn die Mordred tatsächlich ein Agentennetz auf der BASIS unterhält, dann fangen sie sicher auch derartige Suchanfragen ab. Dann werden sie gleich wissen, dass jemand an Bord ist, der unliebsame Fragen stellt.«

Siedend heiß traf es den Somer, aus aufgerissenen Augen starrte er den Terraner an. Er hatte recht! Da erzählte er noch groß von Vorsicht und davon, sich abzusichern, und dann unterlief ihm ein derartiger Lapsus! Verdammte Ungeduld!

Sam fasste nach dem Würfel, wollte ihn von der Wand abziehen, just in der Sekunde, in der die ersten Suchergebnisse auf dem Holoschirm erschienen. Es gelang ihm nicht: Er hatte das Gerät noch nicht berührt, da fuhr ihm ein elektrischer Schlag durch den Leib. Seine Hand wurde förmlich vom Pikosyn geschleudert, er schrie auf vor Schmerz. Der Geruch von verschmorten Federn und Horn stach ihm in die Nasenlöcher. Prüfend betrachtete Sam seine Krallen. Er erschrak, als er eine hässliche Schmauchspur entdeckte.

»Was war dies nun wieder?«

»Warnung«, sagte die emotionslose Stimme des Pikosyn, und Sam stand schon bei diesem einen Wort das Gefieder zu Berge. »Schadprogramm entdeckt. Angriff auf C-P-635-Einheit im Gange. Leite Abwehrmaßnahmen ein.«

»Ein Trojaner«, erklärte Tyler, mit einem altertümlichen, terranischen Wort. Seine Stimme überschlug sich, er packte Sam an der Schulter und riss ihn vom Terminal weg. »Der Elektroschock muss ein Schutzmechanismus des Programms sein.« Panisch sah er sich um, suchte nach etwas, das er als Werkzeug benutzen konnte. Sein Blick fiel auf eine kleine Messinglampe, die auf einer Kommode rechts neben dem Terminal stand. Er packte sie und hieb mit dem Lampenfuß gegen den Würfel. Wieder kam es zur Entladung, ein Lichtbogen schoss aus dem Pikosyn und fuhr, wie zielgerichtet, in Tylers Hand. Dieser ließ die Lampe fallen. Der gläserne Lampenschirm löste sich vom Fuß, knallte auf den Boden und zersprang. Scherben verteilten sich auf dem Teppich, Tyler stürzte mitten hinein. Im Fallen schlug er mit dem Kopf an die Kante der Bar, dann blieb er schwer atmend liegen und regte sich nicht mehr. Die spärlichen Haare standen ihm in dünnen Strähnen vom Kopf ab.

»Japar«, rief Sam und fuhr sich mit den Krallen über den Kopf. »Tun Sie etwas!«

Der Springer, der bis jetzt mit offenem Mund daneben gesessen und zugeschaut hatte, reagierte endlich. Erneut sprang er aus dem Sitz, um sich sogleich mit ratloser Mine einmal um die eigene Achse zu drehen, die Augen suchend auf die Einrichtung gerichtet. Sein Plan war offenbar derselbe wie der Tylers, und Sam war sich sicher dass der Erfolg sich ebenso in Grenzen halten würde.

»Schadsoftware hat erste Firewall durchbrochen«, meldete der Pikosyn. »Herstellerdaten werden abgerufen. Initiiere Blackbox-Protokoll.«

»Lassen Sie es gut sein«, schnarrte Sam, als der Springer sich ausgerechnet einen metallenen Weinkühler schnappte, um damit gegen den infiltrierten Pikosyn vorzugehen. Das Blech würde die Spannung ebenso gut leiten wie der Lampenfuß, und er konnte keine zwei verletzten Leibwächter gebrauchen. Stattdessen nahm er seinen Mut zusammen, atmete tief durch. Es würde wehtun, aber verbranntes Somer-Horn, so glaubte er wenigstens, war leichter zu behandeln als lemuride Haut. Er musste den Pikosyn selbst von der Wand nehmen, koste es, was es wolle.

Er kniff die Augen zusammen, presste beide Kiefer aufeinander. Seine Schnabelspitzen rieben leise knirschend gegeneinander. Noch einmal sammelte er sich, dann holte er aus und zählte bis drei.

Dann griff er zu.

Seine Krallen fuhren ins Leere. Stattdessen fiel ihm etwas mit sanftem Klackern vor die Füße.

Überrascht riss er die Augen auf. Vor seiner Stiefelspitze lag ein schwarzer, würfelförmiger Gegenstand. Der Pikosyn. Er hatte sich selbstständig von der Wand gelöst, ohne fremde Hilfe. Ob das nun gut war oder schlecht?

»Blackbox-Protokoll abgeschlossen. Schadprogramm isoliert«, rief ihm der Pikosyn wie zur Erklärung vom Teppich aus zu. Es klang selbstzufrieden, wie Sam fand.

»Glück gehabt«, stöhnte Tyler und richtete sich endlich wieder auf. Mit schmerzverzerrter Mine rieb er sich den Schädel, dort wo er an der Kante aufgeschlagen war. »Der C-P-635 hat den Trojaner isoliert. Das heißt, wir können ihn analysieren und zur Quelle zurückverfolgen.«

»Glück. Ja«, antwortete Sam bitter. »Vorausgesetzt, der Trojaner hat dem Gegner unseren Standort nicht bereits verraten.«

Japar winkte ab, noch immer mit dem Weinkühler in der Hand. Als er sprach gab er sich hörbar Mühe, einen tröstenden Ton anzuschlagen: »Es ist gar nicht gesagt, dass die Mordred überhaupt hinter dem Trojaner steckt. Wahrscheinlich war es ein einfacher Hackerangriff.«

»Wahrscheinlich? Das wäre mir ein zu großer Zufall.«

Kopfschüttelnd drehte Sam sich um, floh wortlos ins Schlafzimmer. Er hatte genug Aufregung für einen Tag gehabt, brauchte Ruhe – und würde sich im Stillen über seine eigene Dummheit ärgern.

 

4. Böse ist wer Böses tut

»Zugriff auf geschützte Dateien im Gange.«

Nelder schrak auf. Der Syntron hatte ihn aus seinem unruhigen Halbschlaf gerissen, gerade als er eingedöst war. Die emotionslose Meldung war mit einem knarzenden Summton unterlegt, eines der unangenehmsten Geräusche des Universums, sofern es ihn betraf. Dazu bestimmt, ihn jederzeit aufzuschrecken, egal was er gerade tat. Mit Erfolg, wie er soeben feststellte. Er setzte sich aufrecht hin und rieb sich die Erschöpfung aus den Augen.

»Licht«, rief er in die Finsternis, und sofort flammte die Zimmerbeleuchtung auf. Der Summton erstarb automatisch, jetzt, wo er seine Aufgabe erfüllt hatte. Nelder schwang die Beine über die Bettkante und lief zum Terminal hinüber. Gähnend nahm er davor Platz. Eigentlich hatte er schlafen, sich beruhigen wollen. Der schändliche Blutrausch hatte ihn erschöpft, und er war noch nicht ganz verflogen – seine Mundwinkel zuckten, als er wieder an den sich windenden, halbnackten Leib der Überläuferin dachte, und an das Machtgefühl, als er mit seinem Yekjab geläutert hatte. Er würde sich zur Strafe für dieses Lustgefühl Geißeln müssen, und für die Schwäche, dass er ihm nachgegeben hatte. Doch jetzt rief die Pflicht.

Ein Holo faltete sich vor ihm auf, darin prangten rot markierte Tabellen. Einige der Einträge blinkten, symbolisierten Suchanfragen, die in das Sicherheitsraster von FENCE fielen – jenem Spionprogramm, das Nelder von General Eyke erhalten und schon vor Tagen ins Bordnetzwerk der BASIS eingeschleust hatte. Es diente nur einem Zweck: Herauszufinden, ob jemand Nachforschungen über die Mordred anstellte, seine Nase in Angelegenheiten steckte, die ihn nichts angingen. Und nun hatte es angeschlagen. Zufrieden rieb Nelder sich den Nacken. Ein glücklicher Zufall, der ihm da in die Hände spielte: Pfork zu töten mochte tatsächlich ein Fehler gewesen sein, und die dabei erbeuteten TLD-Daten hatten sich zu allem Überfluss als veraltet heraus gestellt. Der Blutrausch, dachte er bitter, war auch noch ein schlechter Verbündeter. Aber wenigstens dieses eine Erfolgserlebnis sollte er heute noch haben: Er würde einen Schnüffler aufspüren und ihn zur Strecke bringen. Eyke würde stolz auf ihn sein, ihn zum Dank von dieser abscheulichen Katzenfrau als Aufpasserin befreien. Er ließ die Handknöchel knacken, als würde er sich auf einen Faustkampf vorbereiten. Inzwischen war er hellwach, hatte die Jagdlust ihn gepackt. Dieser Fisch würde ihm nicht durch die Lappen gehen.

»Woher kommt der Zugriff?«, fragte er das FENCE-Programm, das – unbemerkt vom Bordgehirn – Besitz über das Terminal ergriffen hatte.

Das Holo blendete um, eine schematische Gesamtansicht der BASIS erschien. Etwas jedoch stimmte mit der Darstellung nicht. Eigentlich, überlegte Nelder, hätte ein roter Punkt den Standort anzeigen müssen, von dem aus der unbekannte Schnüffler die Suchanfrage gestellt hatte. Stattdessen leuchtete es an mehreren Stellen, die Punkte flammten auf und erloschen wieder, nur um an anderer Stelle wieder zu erscheinen. Schließlich verschwanden die Markierungen gänzlich.

»Zugriffspunkt nicht lokalisierbar«, erklärte das FENCE-Programm, und das Holo wechselte wieder in die tabellarische Ansicht. Nelder unterdrückte einen gottlosen Fluch, der ihm sicher mehrere Tage Fegefeuer eingebracht hätte, und verschränkte die Arme vor der Brust. Dieser Schnüffler maskierte seine Spuren im Netzwerk. Nicht viele verfügten über ein Equipment, welches dazu in der Lage war. Jemand von Camelot, womöglich, folgerte er. Oder vom TLD, der Nachforschungen über Celine Ahornds Tod anstellt. Diese blöde Katze war also letztlich schuld, warum hatte sie diese Frau töten müssen? Die Terranerin hätte doch nichts verraten können, so weggetreten wie die am Ende gewesen war!

»Netzwerk nach maskierten Pings scannen«, befahl er, einer plötzlichen Eingebung folgend. »Gezielt nach Tarnalgorithmen Ausschau halten, wie sie vom TLD oder Camelot verwendet werden.«

Diese Algorithmen, so wusste Nelder, waren der Mordred und damit auch FENCE bekannt. Man hatte Kontakte, auch wenn er selbst keine Ahnung hatte, wie diese Aussahen. Eine Sicherheitsmaßnahme, die er verstand. Wer nichts wusste, konnte auch nichts verraten.

»Ein Ergebnis«, vermeldete der Syntron nach endlosen Sekunden, und Nelders Puls beschleunigte sich. Er war seinem unsichtbaren Gegner einen Schritt voraus, auch wenn dieser spätestens jetzt vermutlich wusste, dass ihm jemand auf der Spur war.

»Wo?«

»Nicht lokalisierbar. Zugriff jedoch möglich.«

»Herstellerdaten abrufen.«

Wieder dauerte es einige Sekunden, bis der Syntron antwortete: »Herstellerdaten isoliert. Netzwerkklient identifiziert sich als Whistler C-P-635.«

Nelder stieß einen anerkennenden Pfiff aus, die Modellnummer verriet ihm, dass er recht gehabt hatte; Der Unbekannte war kein Stümper. Diese Geräte waren offiziell noch nicht auf dem Markt, galten als hochexperimentell. Niemand ohne Verbindungen verfügte über derartige Technik. Der Kreis der Verdächtigen wurde kleiner. Eigentlich kam jetzt nur noch Camelot in Betracht. Was nicht weiter überraschend war.

Plötzlich brummte der nervtötende Summton wieder auf, signalisierte Gefahr. Nelder schrak auf. Was war das nun wieder für eine Teufelei?

»C-P-635 hat Gegenmaßnahmen eingeleitet«, berichtete der Syntron. »Blackbox-Verfahren. FENCE wird isoliert.«

Erneut unterdrückte Nelder einen Fluch. Das war alles andere als gut, wenn das Schadprogramm erst einmal isoliert war, konnte der Whistler eventuell seine Spur zurückzuverfolgen. Er musste schnell handeln, die Verbindung sofort kappen.

»Suchanfragen kopieren und anschließend zurückziehen«, stieß er aus und ballte die Fäuste. Dann sprang er vom Stuhl, nichts hielt ihn mehr. »Mach schnell, du blöde Kiste!«

Endlich verstummte das penetrante Summen, auf dem Holo zeigte ein grün gefärbter Hinweistext an, dass die Verbindung zum Whistler-Pikosyn getrennt war. Nelder ließ die Schultern hängen.

»Gegnerisches Blackbox-Protokoll konnte eine Kopie des Fence-Skriptes speichern. Nachverfolgung ist potentiell möglich.«

Der Mashrate winkte ab, ihm war egal ob der Syntron diese Geste interpretieren konnte oder nicht. Wer auch immer da gerade einen Beweis für die Existenz der Mordred gesammelt hatte, er würde nicht lange genug leben um ihn auszuwerten und an seine Vorgesetzten weiter zu geben. Dafür würde er sorgen.

Gespannt beugte er sich vor und durchsuchte die Suchanfragen, die das FENCE-Programm ihm vor dem Trennen der Verbindung überstellt hatte.

Ein Name fiel ihm ins Auge: Der Gegner hatte das Netzwerk gezielt nach einem Peepsie namens Sco-Chii durchsucht. Ein Informationsmakler, der seinen Lebensunterhalt damit verdiente, zu viel zu wissen und dieses Wissen dem Höchstbietenden zu verkaufen. Ein Opportunist also. Nelder hasste ihn, ohne ihm je begegnet zu sein.

»Was kann dieser Sco-Chii schon groß über uns wissen?«, fragte er laut und kratzte sich am Kopf. Er und seine Mitverschwörer hatten Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, es war unwahrscheinlich dass dieser Peepsie mehr als den Namen der Organisation kannte. Ein Aufschneider, vermutlich sogar ein Betrüger. Jemand, der die Strafe Gottes verdiente. Seine Strafe.

»Unzureichende Datenlage«, antwortete das FENCE-Programm, als wolle es ihn verspotten. Nelders Faust zuckte, bereit, dem vorwitzigen Gerät einen Hieb zu versetzen.

»Dich meinte ich nicht, Blechbüchse«, wies er die Syntronik zurecht und holte aus. Dann aber überlegte er es sich anders. Er winkte ab, ein grausames Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Es spielte im Grunde keine Rolle, wie viel der Peepsie wusste oder nicht. Der unbekannte Schnüffler würde sich früher oder später mit ihm treffen. Eine bessere Gelegenheit für einen Zugriff würde es nicht geben. Sie konnten sich auf einen Schlag zweier lästiger Mitwisser entledigen. Es war beinahe zu einfach!

»FENCE, besorg mir die Quartiernummer dieses Peepsie. Und stell mir eine Verbindung mit General Eyke her.«

»Wie du wünschst. Der General ist jedoch nicht zu erreichen. Soll ich statt dessen eine Verbindung zu seiner Stellvertreterin herstellen?«

Der Mashrate horchte auf. Da war er wieder, der Hohn. Nelder war sich sicher, er hatte es sich nicht eingebildet. Dieses gottlose Syntronprogramm machte sich über ihn lustig, wollte ihn unbedingt mit dieser grässlichen Katze verbinden.

»Was soll das bedeuten, nicht zu erreichen?«, schrie Nelder in jäh aufwallendem Zorn. Diesmal hielt er sich nicht zurück, seine Faust schmetterte gegen das Terminal, so dass es im Inneren schepperte.

»Die TOBRUK befindet sich nicht in Reichweite«, erklärte die Syntronik unbeeindruckt. »Sonneneruptionen stören die Normalfunk-Kapazitäten. Ich könnte auf den Hyperfunk zurückgreifen.«

»Und die Sicherheitsprotokolle brechen?«

Nelder schüttelte den Kopf. Das war ausgeschlossen, wenn FENCE Kontrolle über die Hyperfunkanlagen der BASIS übernahm, würde das unweigerlich auffallen. Er hatte keine andere Wahl. Er musste sich einmal mehr der Katzenfrau unterordnen. Ihr, die ihm vor Stunden eine Demütigung bereitet, ihn in seinem Machtrausch lächerlich gemacht hatte. Sein Blick fiel auf den Yekjab, den er auf einer Kommode neben dem Terminal abgelegt hatte. Eines Tages würde er sie büßen lassen. Auch das war Gottes gerechte Strafe. Aber nicht heute.

»Stell mir eine Verbindung zu Shahira her«, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

»Wie du wünschst.«

Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis ein neues Holo sich vor Nelder auffaltete. Diesmal zeigte die Abbildung Shahiras katzenhaftes Gesicht. Es schwebte wenige Zentimeter vor ihm und wirkte so lebensecht, dass Nelder glaubte, nach ihr greifen zu können. Ein Schlag mit dem Yekjab, mit höchster Einstellung, und du bist Geschichte, Weib.

»Was noch?«, raunte das Holo ihn anstelle einer Begrüßung an. Shahiras Mine war Abweisend, sie war offensichtlich genervt von seinem Anruf und nicht in der Stimmung, lange Gespräche zu führen. Es passte Neider gut in den Kram. Dem Mashraten stand auch nicht der Sinn nach freundschaftlichem Small Talk. In aller Kürze berichtete er, was vorgefallen war: »FENCE hat jemanden erwischt, der allzu vorwitzig in unseren Angelegenheiten herum geschnüffelt hat.«

»Wen?«

»Ließ sich nicht feststellen. Aber dieser Jemand wird sich in Kürze mit einem Heeninniyer namens Sco-Chii treffen. Wir müssen ihm nur auflauern.«

Das Katzenwesen schnaufte, ihre Nüstern blähten auf. »Warum rufst du mich deshalb an?«, entgegnete sie feindselig. »Du bist der Vhratowächter. Du weißt, was zu tun ist.«

Nelder biss sich auf die Zunge. Dieses missratene Katzenvieh! Sie wusste genau, dass er sich nach dem Patzer mit Pfork vorerst keine Eigenmächtigkeit erlauben konnte. Ob das Teil ihres perfiden Planes war, ihn vor Eyke in Ungnade fallen zu lassen? Zuzutrauen war es ihr.

»Ich brauche Unterstützung«, brachte er hervor.

Shahira hob die Augenbrauen. »Mehr, als dein blitzender Zauberstab dir bietet?«

Warte nur, bis ich den Zauberstab an dir ausprobiere, Teufelsweib, dachte Nelder, doch er hütete sich, das laut zu sagen. Stattdessen zwang er sich zu einem Grinsen.

»Viel mehr. Ein Einsatzkommando könnte helfen. Was du entbehren kannst.«

Das Shahira-Holo zeigte die Zähne. Ein Schauer überlief den Mashraten, als das abscheuliche Raubtier-Gebiss aufblitzte. Alles in ihm verkrampfte sich. Nie zuvor hatte er sie mehr gehasst als jetzt.

»Tu, was du zu tun hast«, antwortete die Missgeburt endlich. »Du kannst Pergel haben. Er ist geschult in solchen Sachen. Ich warne dich, es noch einmal zu vermasseln.«

Ohne Vorwarnung unterbrach Shahira die Verbindung, das Holo fiel in sich zusammen. Nelder nahm den Yekjab von der Kommode, umfasste ihn mit beiden Händen und drückte ihn sich an die Brust, wie ein kleiner Junge einen Teddybären. Seine Lippen zitterten. Schließlich entfuhr ihm ein einzelnes Wort, und es war voller Abscheu und Hass:

»Monster.«

 

5. Überfall

»Korridor CC-3442-B«, las Sam das Schildchen an der Wand laut vor. Das System, nachdem die Gänge an Bord der BASIS nummeriert waren, durchschaute er nicht, aber hier war er richtig. Diesen Gang hatte Kellonda ihm genannt, hier würde er sich mit dem Heeninniyer treffen. Alleine. In dessen Quartier, nicht an einem öffentlichen Ort. Sco-Chii musste sich sehr sicher fühlen, wenn er ein derartiges Risiko einging. Sam wusste nicht, ob ihn dieser Gedanke beruhigen oder ängstigen sollte. Kurz verfluchte er sich dafür, dass er ohne seine beiden selbsterklärten Leibwächter zum Treffpunkt aufgebrochen war, aber auch das war Teil der Vereinbarung gewesen. Missmutig fuhr er sich durch das Kopfgefieder und stellte sich auf das Laufband, das ihn vor Sco-Chiis Tür transportieren würde – etwa anderthalb Kilometer Schiffseinwärts. Keine Strecke, die man mal eben so in zwei Minuten ohne Hilfsmittel zurücklegte. Auch, wenn er als Abkömmling von Laufvögeln sicherlich besser zu Fuß war als die meisten Lemuriden.

Auf seinem Weg passierte er vier Gravoschleusen, jedes Mal mit dem inzwischen vertrauten, flauen Gefühl im Bauch, bevor er sich endlich dem Quartier näherte. An der vierten Schleuse knickte der Boden vor ihm im rechten Winkel ab. Nachdem er den vermeintlichen Schritt in die Tiefe gemacht hatte, sprang er – einer inneren Ahnung folgend – vom Band.

Später hätte Sam nicht zu sagen vermocht, was ihn zu diesem Sprung bewogen hatte, doch es sollte sein Glück sein: Etwa hundert Meter den Korridor hinab standen zwei Männer, vermutlich beide terranischer Abstammung. Jetzt erst sah er sie, unschlüssig blieb er stehen. Einer der beiden, so viel erkannte er aus der Entfernung, war mit einem Kombilader bewaffnet. Der andere hielt einen schlichten Stab in der Hand, fuchtelte damit herum. Mit lauter Stimme redete er auf seinen Begleiter ein und schien ihm Befehle zu geben, Sam war noch zu weit entfernt um seine Worte zu verstehen.

Wieder reagierte er ohne zu wissen, was ihn dazu bewog: Er hastete zur Seite, suchte Deckung hinter einem der Blumenkübel, die man zur Erbauung der Gäste dort aufgestellt hatte. Vorsichtig lugte er dahinter hervor und lauschte, versuchte, wenigstens den einen oder anderen Satzfetzen zu verstehen. Er hatte wenig Erfolg.

Keine Uniformen, soviel erkannte er immerhin jetzt. Also auch keine Sicherheitskräfte. Die Erkenntnis half ihm jedoch wenig. Mit ungutem Gefühl erinnerte er sich an den frühen Morgen, an den Trojaner, der sie um ein Haar verraten hätte.

Mordred-Agenten, zählte er eins und eins zusammen. Keine Frage, das geheimnisvolle Spion-Programm musste diese Männer alarmiert haben. Die Tür, vor der sie Stellung standen, war die des Heeninniyer.

Sie lauern mir auf! Mit gekrümmten Krallen fuhr er über den Rand des Blumenkübels, dabei unterdrückte er ein Grummeln. Nicht Kellonda oder Tyler und Japar hatten ihn enttäuscht, sondern er sich selbst. Er hatte sich ungeschickt angestellt, mit seiner Ungeduld die Chance, etwas über den Gegner zu erfahren, selbst verspielt. Das klügste würde es sein, sich zurückzuziehen und die Mission sofort abzubrechen. Noch hatten die Fremden ihn nicht gesehen, waren zu sehr in ihr Streitgespräch vertieft.

Doch gegen sein besseres Wissen blieb er. Die Neugier überwog, verlieren konnte er schließlich nichts mehr. Vorsichtig, den richtigen Augenblick abpassend, schlich der Somer um den riesigen Kübel herum, bevor er mit einem wenig eleganten Hüpfer hinter dem nächsten Kübel abtauchte. Erneut wartete er den rechten Moment ab. Kaum war er gekommen, machte er einen weiteren Satz, diesmal über das Band hinweg auf die andere Seite des Korridors, wo ein weiterer Kübel ihn vor den Blicken der Unbekannten in Schutz nahm. Wieder hatten sie ihn nicht gesehen. Es war beinahe zu einfach. Glück muss man haben, dachte er.

Dasselbe Spiel wiederholte er ein drittes Mal, das Herz schlug ihm mittlerweile bis zur Schnabelspitze. Dann aber war er endlich nahe genug heran gekommen, um einzelne Gesprächsfragmente zu verstehen:

»Pack deinen Yekjab weg, Nelder«, sagte eben einer der Männer, ein dunkelhaariger Hüne in einer viel zu engen Lederjacke. Er deutete auf den Stab in der Hand des anderen, und untermalte seine Forderung, indem er den Lauf seines Strahlers drohend auf den Mann richtete. »Das wird kein Nahkampf. Wir brauchen dein verfluchtes Spielzeug nicht.«

Nelder, wenn das sein Name war, belegte seinen Begleiter mit einem finsteren Blick. Die Hand mit dem Stab zuckte empor, kleine Blitze leckten über die Spitze des Gegenstandes. Ein selbstverliebtes Grinsen umspielte seine Mundwinkel.

»Achte auf dein Maul, Pergel. Dieser Vhratowächter würde es hassen, dich für deinen Frevel maßregeln zu müssen.«

Sam verstand nichts, der Schlagabtausch blieb bizarr. Aber er machte sich keine tieferen Gedanken darüber. Das waren Frotzeleien, wie unter Primaten üblich, es stand ihm nicht zu darüber zu urteilen. Nelder machte eine einladende Geste. Ungeduld sprach aus seinem Tonfall: »Wollen wir? Bevor unser mysteriöser Schnüffler hier auftaucht.«

Schnüffler, durchfuhr es Sam, und er schluckte. Seine Zunge fühlte sich mit einem Mal merkwürdig trocken an. Sie meinen dich! Neiders Spruch war die Bestätigung, die ihm für seinen Verdacht noch gefehlt hatte. Was immer die beiden dem Heeninniyer antun würden, es war seine Schuld. Es konnte es nicht einfach geschehen lassen.

Der mit dem Yekjab warf sich herum. Er richtete den Stab gegen den Türöffner, und wartete kurz. Es brutzelte, das Licht flackerte kurz, als würde der Yekjab den Strom aus den Leitungen saugen. Zumindest bildete Sam sich das ein. Vermutlich spielten seine Augen ihm bloß einen Streich. Nervös kratzte er sich am Kopf, riss sich eine blaue Flaumfeder aus. Achtlos ließ er sie fallen, wie es seiner Gewohnheit entsprach. Wie weit war es gekommen, wenn er sich vor Aufregung schon Dinge einbildete!

Endlich glitt die Tür vor den beiden Männern auf. Sie huschten hindurch, und wenig später drangen Geräusche durch den Spalt: Rumpeln und stöhnen, wie von einem Kampf. Sam kam aus seiner Deckung, stellte sich offen neben den Blumenkübel. Gespannt lehnte er sich vor, gerade weit genug, um durch die offen stehende Tür zu linsen. Es kostete ihn zum Glück keine Mühe, die Situation zu überschauen: Das Quartier des Heeninniyer war klein, die Einrichtung, soweit er sie von seinem Versteck aus erblicken konnte, beinahe spartanisch. In der Raummitte kniete der Hüne namens Pergel. Eingeklemmt zwischen seinen Beinen lag eine lange, schwächlich wirkende Gestalt, halb verdeckt vom Leib des Eindringlings. Der Somer erkannte ausgemergelte, grünliche Haut und einen haarlosen, nach oben hin spitz zulaufenden Schädel. Kein Zweifel, erkannte er mit bangem Gefühl, der Heeninniyer. Mein Informant. Und ich habe ihn in diese Lage gebracht. Er versuchte sich einzureden, dass er Unschuldig war, dass der Informationsmakler eben einen gefährlichen Beruf ausübte. Der Gedanke tröstete ihn nur wenig.

Hilflos sah er zu, wie Nelder an sein Opfer herantrat, ihm den Energiestab gegen die Schläfe hielt. Das Gerät summte, kurz darauf roch es nach verbranntem Fleisch. Der Dürre zappelte wie wildgeworden, er krisch. Sam erahnte den Schrei mehr, als dass er ihn hörte, die Stimme des Heeninniyer überschritt die Zwanzigtausend-Hertz-Grenze – selbst für Somer-Ohren ein schwer hörbarer Frequenzbereich. Dem Vhratowächter schien diese Feinheit nicht klar zu sein, oder er ignorierte sie bewusst:

»Spielst den Tapferen, eh?«, motzte er und schlug dem Heeninniyer den Stab gegen den Kopf. Ein Lichtbogen fuhr dem Wesen in die rechte Augenhöhle. »Meinst, du schaffst es, nicht zu schreien? Mach dir keine Hoffnung. Früher oder später schreien sie alle.«

Sam duckte sich wieder hinter den Kübel. Er sah sich um, suchte nach etwas, das er als Waffe verwenden konnte, gab jedoch schnell auf. Gegen die Angreifer hatte er keine Chance, sie waren besser ausgerüstet als er, auch körperlich würden sie ihm überlegen sein. Wie sie es wohl geschafft hatten, die Kombilader an den Kontrollen vorbei auf die BASIS zu schmuggeln? Zumindest war das ein weiterer Beweis für ihre Überlegenheit. Sie waren bestens organisiert.

»Still«, hörte Sam den Hünen sagen. »Wenn du schön ruhig bleibst, werden wir dich am Leben lassen.«

Sams Atem beschleunigte sich, seine Krallen hinterließen tiefe Kratzspuren in der tönernen Wandung des Blumenkübels. Es war egal, wie seine Chancen standen – er musste Sco-Chii helfen, ihn retten! Tyler und Japar fielen ihm ein. Er würde zum nächsten Interkom eilen, die beiden zur Hilfe rufen. Die Söldner waren Kampferfahren, würden wissen, was zu tun war. Er schloss die Lider, sammelte Kraft für die Flucht.

»Was haben wir denn da?«, rief Nelder in diesem Moment. Sam schluckte krampfhaft und riss die Augen auf. Achtsam lehnte er sich vor, schaute durch den Türspalt. Der Fremde sah in seine Richtung, Sam blickte ihm genau in die Augen.

Nein, korrigierte er sich sofort. Nicht ihn starrte der Mann an – sondern die Kopffeder, die Sam sich ausgerissen hatte. Jetzt erst wurde ihm bewusst, wie töricht diese unbewusste Geste gewesen war. Auf einem Schiff voller Somer hätte niemand sich Gedanken über eine herumliegende Feder gemacht, dafür war es einfach ein zu alltäglicher Anblick. Hier jedoch ...

»Pergel«, rief Nelder, und der Hüne folgte seinem Blick. Dann sah er Sam, und er ließ von seinem Opfer ab. Mit der Rechten nahm er die Waffe auf, die er neben sich abgelegt hatte, und legte auf ihn an.

Da plötzlich setzte Sams logisches Denken aus. Weg, weg, weg, schrie etwas in ihm, seine Beine machten sich selbstständig. Er rannte los, ohne es wirklich zu wollen und ohne zu ahnen, wo er überhaupt hin wollte. Hüpfte den Gang hinab, den er gekommen war. Hinter jedem Blumenkübel ging er kurz in Deckung.

Hinter sich hörte er polternde Schritte, dann schoss eine sonnenhelle Glutbahn wenige Handbreit an seinem Kopf vorbei. Heiße Luft schlug ihm gehen die Wange, versengte ihm den Flaumbart. Der Schuss ging in einigen Hundert Metern Entfernung in den Boden. Ein Feueralarm schrillte auf.

Sam war wie in Trance, bekam kaum mehr mit was um ihn herum geschah. Er hörte nur noch das Blut in seinen Hörtrichtern und sein Herz, wie es raste, als wollte es ihm aus der Brust springen. Noch immer rannte er, nun ohne in Deckung zu gehen, Haken schlagend wie ein entfesselter Urvogel. Nur am Rande hörte er eine Stimme, die einen Befehl brüllte. Es war eine neue, unbekannte Stimme. Die einer Frau. Der Befehl lautete:

»Ihr Narren! Die Waffen weg, das halbe Schiff weiß jetzt dass ihr hier seid.«

Ein Streit entbrannte, Menschen schrien durcheinander. Sam machte einen Satz über eine Pfütze halb verflüssigten Metalls, dort, wo der Energieschuss in den Boden gefahren war. Ein kalter Luftzug setzte ein, als die Klimaautomatik sich einschaltete und die entstandenen Dämpfe aus dem Korridor beförderte.

Ein zweiter Schuss röhrte auf, doch diesmal blieb die Hitze aus. Wieder zuckte Sam zusammen. Abrupt blieb er stehen, als sei er gegen eine Wand gelaufen, und erstarrte. Ängstlich blickte er sich um. Wo war der zweite Strahl hin gegangen? Dieser Terraner musste der Welt schlechtester Schütze sein, wenn er nicht einmal in seine Nähe ...

Dann sah er den Hünen namens Pergel zusammenbrechen. Wieder fiel ein Schuss, und diesmal sah Sam den Strahl. Er tauchte buchstäblich aus dem Nichts auf, entstand mitten in der Luft. Der Schuss traf Nelder, dann die Frau – ein katzenhaftes Wesen, einer Kartanin nicht unähnlich. Er erkannte in ihr die Passantin, die Kellonda vor einigen Stunden beinahe überfahren hatte – ein Zufall, so unwahrscheinlich, dass in seinem Hirn Sekunden lang Leere herrschte.

Als er sich wieder gefangen hatte, waren die drei mutmaßlichen Mordred-Agenten bereits zusammengebrochen. Paralysatorfeuer, erkannte Sam jetzt. Aber von wem?

Der Heeninniyer hatte sich offenbar wieder aufgerappelt, soeben streckte er den Kopf auf den Gang hinaus. Er stieß ein zorniges Zwitschern aus – Peepsie-Sprache, ohne Translator nicht zu verstehen. Sam legte den Kopf schräg, breitete die Arme aus: »Ich bin keiner dieser finsteren Angreifer«, rief er dem Informationsmakler zu, in der Hoffnung, dass dieser Interkosmo verstand. Sco-Chii starrte ihn unverwandt an, den Körper geduckt, zur Flucht bereit.

Da ertönte die gut gelaunte Stimme eines Mannes. Sie kam aus dem Korridor, aus der Mitte der betäubten Mordred-Agenten, aber sie gehörte keinem der drei:

»Die machen erst mal ein Nickerchen. Ihr beide seid in Sicherheit.«

Sco-Chii erschrak, der Zwiebelkopf verschwand wieder hinter der Tür. Fassungslos blieb Sam im Gang stehen, bis er verstand. Es war kein Spuk, dessen er Zeuge wurde. Der unsichtbare Sprecher musste sich hinter einem Deflektorfeld versteckt halten. Ein möglicher Verbündeter?

»Zeigen Sie sich«, rief er dem Unbekannten zu. Sein Mut war gespielt, in Wahrheit drängte nach wie vor alles in ihm nach Flucht. Nervös äugte er nach dem nächsten Blumenkübel, nach der nächsten Deckung, hinter der er sich notfalls verschanzen konnte.

Der Unsichtbare kicherte, es war ein warmes, sympathisches Lachen. Dann fiel das Deflektorfeld in sich zusammen, und der Retter offenbarte sich.

Der Fremde war ein Terraner, wie Sam auf den ersten Blick erkannte. Einer von dunkelhäutigem Phänotyp, mit kurz geschorenem Haar und von jugendlicher, durchtrainierter Erscheinung. Der Mann blickte freundlich zu dem Somer hinüber, und entblößte eine Reihe leuchtend weißer Zähne. Das Paralysatorgewehr, mit dem er die Angreifer betäubt hatte, hatte er lässig über die Schulter gelegt. Mit der Fußspitze stieß er das reglose Katzenwesen an.

»Seltsam«, hauchte er nachdenklich. »Sie ist die schlimmste. Dabei sieht sie am harmlosesten aus.«

»Sie haben mir vermutlich das Leben gerettet, mysteriöser Fremder«, sagte Sam zur Begrüßung, wenn auch ohne große Überzeugung. Noch immer waren seine Muskeln angespannt, er scharrte nervös mit den Füßen. Fragen über Fragen rasten ihm durch den Kopf. Wer war dieser Mann? Warum hatte er ihm geholfen?

»Eine Falle. Sie sind einer von denen«, sagte er, als er endlich die Fassung wieder gewonnen hatte, im Brustton der Überzeugung. Mit einem Mal schien die Sache klar zu sein. Wie sonst hätte der Kerl ihn hier aufspüren können, in genau diesem Moment, noch dazu mit einem Paralysator bewaffnet? Solche Zufälle gab es nicht.

Der Fremde starrte ihn an, mit offenem Mund. Seine Augen wurden rund. Er hob das Gewehr.

Es war alles was Sam an Bestätigung brauchte. Der Fluchtinstinkt schlug einmal mehr an, wurde übermächtig. Es war, als würde er neben sich stehen, als sähe er einem anderen zu, der seinen Körper übernommen hatte. Der einen Schritt vorwärts machte, dann noch einen. Sich duckte, als der Fremde die Waffe endlich in Anschlag gebracht hatte. Wieder feuerte er, verfehlte ihn nur knapp. Sam spürte ein Prickeln im Nacken. Das war eng gewesen! Der Dunkelhäutige war ein besserer Schütze als der, den der Vhratowächter Pergel genannt hatte.

»Bleib stehen, Somer«, rief der Mann und setzte zur Verfolgung an. Sam hätte nicht gehorchen können, selbst wenn er es gewollt hätte. Noch immer bewegten seine Beine sich wie ferngesteuert. Er machte einen dritten Schritt, dann einen vierten. Zum fünften kam er nicht mehr. Es zischte, als der Fremde erneut abdrückte.

Diesmal traf er. Ein Streifschuss nur, aber dennoch wirkungsvoll. Der Lähmungsstrahl fuhr ihm ins Bein, direkt unterhalb des rechten Knies. Sam knickte ein, verlor das Gleichgewicht. Versuchte im Fallen, sich mit dem Armen aufzustützen. Doch es ging alles zu schnell. Ungebremst stürzte er auf das Metallplast, mit dem Schnabel voran. Etwas knackte, als er aufprallte, sekundenlang tanzten bunte Flecken vor ihm umher. Der Schmerz vernebelte ihm die Sinne, lähmte ihn, als hätte der Paralysator ihn direkt in die Brust getroffen. Keine Zeit, sich zu bemitleiden, peitschte er sich selbst an. Seine Krallen stützten sich aufs Plast, er drückte sich vom Boden ab.

Zu spät! Der Unbekannte stand plötzlich über ihm, richtete den Paralysator direkt gegen Sams Schädel. Ein bitterer Geschmack lag ihm auf der Zunge, der Geschmack des Versagens. Er hatte Homer G. Adams enttäuscht. Wenn der Dunkelhäutige gleich abdrückte, die Ladung direkt in sein Gehirn ging, würde er für Stunden ausgeschaltet sein. Nicht auszudenken, was sein Gegner in dieser Zeit alles mit ihm anstellen mochte.

»Nicht!«, rief jemand. Eine schrille, unangenehme Stimme, mit seltsam mechanischer Betonung. Es war die Übersetzung eines Translators. Leise Fiepgeräusche untermalten das Gesagte.

Der Terraner drehte sich zu dem Sprecher um, mit gerunzelter Stirn. Auch Sam blickte sich um, er sah den Peepsie, der wieder auf dem Gang erschienen war. Das Wesen winkte mit beiden Armen. »Nicht schießen, Terraner. Ihr steht auf derselben Seite.«

 

6. Der Feind meines Feindes

»Dieser Mann« behauptete Sco-Chiis Translatorstimme stolz, »ist Will Dean. Agent des TLD, im Einsatz für die Abteilung organisierte Kriminalität. Sozusagen eine Strafarbeit für ihn.« Mit einer ausladenden Geste bedeutete er dem Terraner, auf seinem eigenen Sofa Platz zu nehmen. »Sco-Chii weiß über ihn Bescheid.«

Zwischenzeitlich hatten sie sich in das Quartier des Dunkelhäutigen zurückgezogen. Der Raum war nicht ganz so schlicht eingerichtet wie Sco-Chiis Unterkunft. Dennoch war es bei Weitem keine Luxussuite, wie Sam und seine beiden Leibwächter sie im VIP-Bereich bewohnten: Am Boden grüner Teppich mit kurzem Flor. Ein Bett, ein Kleiderschrank, die besagte Couch, davor ein winziger Tisch. Auf dem Tisch und auf dem Boden davor lagen, weit verstreut, die Trümmer eines zerstörten, positronischen Gerätes und zeugten von einem vergangenen Wutanfall, genau wie die überall verteilte, achtlos hingeworfene Kleidung.

Der Somer nahm die Einrichtung und die Unordnung mit Skepsis zur Kenntnis. Er hatte sich, allen Befürchtungen zum Trotz, darauf eingelassen dieses Quartier als Fluchtpunkt auszuwählen. Die betäubten Angreifer hatten sie im Gang zurück gelassen und die Bordsicherheit anonym in Kenntnis gesetzt. Sollten die ihre Freude miteinander haben – Nelder und der Katzenfrau würde es jedenfalls schwer fallen zu erklären, warum sie dem Heeninniyer bewaffnet aufgelauert hatten. Insgeheim bereitete der Gedanke Sam diebische Freude.

Der Dunkelhäutige zog die Brauen zusammen. »Wie zum ...«, setzte er an und kratzte sich im Nacken.

»Sco-Chii hat seine Quellen«, unterbrach ihn der Informationsmakler. Der Translator gab seine Worte als monotonen Singsang wieder, verlieh ihnen damit etwas geheimnisvolles. Und einen kurzen Augenblick lang war Sams einzige Sorge, warum der Kerl von sich in der dritten Person sprach. An einer schlechten Übersetzung konnte es schließlich nicht liegen. Heutige Translatoren arbeiteten einwandfrei. Es musste eine Marotte sein.

»Sicher hast du Verständnis dafür, dass Sco-Chii diese Quellen schützen muss«, fuhr der Informationsmakler fort. »Interessanter fände er es, wie du ihn gefunden hast, Terraner.«

Will Dean schüttelte den Kopf. Ein Grinsen schlich sich in seine Mundwinkel, gab ihm ein verwegenes Aussehen.

»Wie du sagtest. Ich bin TLD-Agent. Ich bin nicht ganz abgeschnitten von Geheiminformationen.«

»Veralteten, wohl gemerkt. Was wohl der Grund für die schlechte Laune des Mashraten gewesen sein dürfte.«

»Womit einhellig geklärt wäre, dass ein jeder von uns seine Asse in der Hinterhand hat«, mischte Sam sich in das Gespräch ein, beendete damit den Schlagabtausch. Gedankenverloren rieb er sich das betäubte Knie. Die Paralyse klang allmählich ab, und das Gefühl kehrte in sein Gelenk zurück. Es prickelte unangenehm. »Wie wollen wir weiterhin verfahren?«

Der Terraner grinste wieder und drohte ihm mit dem ausgestreckten Zeigefinger. In ernstem Ton sagte er: »Siom Som ist eine ganze Kante weit weg, Somer. Was macht jemand wie du auf der BASIS, und warum macht eine Terroristenorganisation Jagd auf dich?«

»Oh, ihr erlaubt?«, rief Sco-Chii, und er verschränkte seine dünnen Finger ineinander, glücklich über die Gelegenheit, sein Wissen unter Beweis zu stellen: »Dies ist Sruel Allok Mok, genannt Sam. Laut offizieller Lesart ist er hier auf Geheiß des militärischen Führungszweiges seines Volkes, um Massenvernichtungsmittel zu verkaufen. Aber das ist nicht das, was Sco-Chiis Vögelchen ihm zu gezwitschert haben.«

Sam war nicht beeindruckt. Das meiste davon würde Kellonda ausgeplaudert haben, sie war bislang die einzige, der Tyler das Märchen vom Waffenhändler aufgetischt hatte. Auf den Rest war er gespannt. Es würde einen Rückschluss darauf erlauben, wie wertvoll die Informationen des Heeninniyer waren.

»Jenes Gezwitscher interessiert mich außerordentlich«, drängte er. Sco-Chii stieß eine Reihe schriller, abgehackter Laute aus, die der Translator nicht übersetzte. Das Äquivalent eines Lachens?

»In Wahrheit«, begann der Informationsmakler, »haben wir es mit einem inoffiziellen Mitarbeiter von Camelot zu tun. Von Perry Rhodan persönlich angeworben, an Bord der LONDON. Homer G. Adams schickt ihn, es geht um eine Organisation namens Mordred. Wenn Sco-Chii einen Tipp geben darf« – er zwinkerte dem Somer zu – »für jemanden mit solch prominentem Profil wie Sie, werter Sruel Allok Mok, ist es eine dumme Idee sich unter löchriger Tarnidentität in geheime Mission zu begeben. Fahrlässig von Adams, sehr fahrlässig. Man könnte fast meinen, sein Sicherheitschef hätte es auf Ihre Enttarnung angelegt.«

»Nun gut« unterbrach Sam seinen Redeschwall. Sco-Chii musste sich gut auf die Begegnung mit dem potentiellen Kunden vorbereitet haben, sogar gesiezt hatte er ihn. Er starrte den Terraner an. »Allerdings möchte ich erfahren, warum sich der TLD für die Mordred interessiert.«

»Überfälle auf Hoheitsgebiet der LFT«, antwortete Sco-Chii, bevor Will Dean etwas dazu sagen konnte. »Die Mordred ist dem TLD nicht entgangen. Zu dieser Stunde arbeiten TLD und Camelot sogar schon zusammen. Natürlich alles streng geheim. Nicht jeder Agent weiß davon und hat einen Überblick. Will Dean war hier, um eine Überläuferin zu verwanzen. Es ging darum, belastendes Material gegen mutmaßliche Mitglieder der Galactic Guardians zu sammeln, die in Kontakt mit der Mordred stehen. Und darum, ihnen veraltete Informationen unterzuschieben.«

Jetzt ließ Will Dean sich doch in das Sofa fallen, blinzelte er den Informationsmakler an.

»Das ist in der Tat mehr, als ich selbst wusste«, sagte er mit belegter Stimme. »Mehr.«

»Wie unser somerischer Freund bereits feststellte«, entgegnete der Humanoide feierlich, »haben Sco-Chiis Informationen einen Preis.«

»Wie viel?«, fragte Will Dean zurück, und sein Blick verhakte sich mit dem Sams. Wieder grinste er, und Sam rollte mit den Augen. Ob der Kerl damit rechnete, dass Camelot den Preis schon zahlen würde? Misstrauisch klapperte er mit dem Schnabel. Sofort bereute er die Geste, denn seine Kiefer schmerzten noch immer. Hoffentlich hatte er sich bei seinem Sturz nichts verstaucht.

Der Peepsie winkte ab, eine großspurige, eigentlich typisch terranische Geste. Er musste sie sich im Umgang mit seinen Klienten angewöhnt haben.

»Sco-Chii weiß, wann er jemandem etwas schuldig ist. Und wann seine Schulden bezahlt sind.« Scheinbar ergriffen fasste er sich an die Brust, die langen Finger ragten ihm dabei bis zum Hals. »Will Dean hat Sco-Chii vor den Häschern der Mordred bewahrt. Und hätte Sruel Allok Mok die Fremden nicht abgelenkt, wäre Will Dean zu spät gekommen. Sco-Chii empfindet Dankbarkeit.«

Sam verschränkte die Arme, gab sich selbstsicher. Er wies den Peepsie nicht darauf hin, dass die Terroristen alleine durch seine Neugierde auf ihn aufmerksam geworden waren.

»Also sind sie bereit, uns diese Informationen unentgeltlich zu geben?«, fragte er stattdessen kühn. Der Heeninniyer wedelte mit den Händen, als wollte er einen Schwarm unsichtbarer Fliegen verscheuchen.

»Umsonst? Nein. Ein Dankeschön. Und eine Investition in Sco-Chiis Zukunft. Jemand in seiner Position braucht mächtige Verbündete. Und Schutz vor unseren gemeinsamen Gegnern.«

»Ich kann derartiges arrangieren«, gab Sam freimütig zu Protokoll, und kaum hatte er ausgesprochen, plagte ihn das schlechte Gewissen. In Wahrheit hatte er keine Ahnung, wie er Wirsal Cell dazu bewegen mochte, Personenschutz für ein vergleichsweise kleines Licht wie den Heeninniyer bereit zu stellen, doch darüber würde er sich später Gedanken machen. Wenn all dies vorbei war. Er breitete die Krallen aus, nickte dem Makler auffordernd zu. »Wir hören Sie an, werter Sco-Chii. Warum stehen Will Dean und ich, wie sie es ausdrückten, auf derselben Seite?«

Sco-Chii verneigte sich, wieder mit an die Brust gelegter Hand. Dann begab er sich zum Sofa, fegte einige postironische Bauteile vom Polster, und setzte sich neben den TLD-Agenten. Mit gegeneinander gelegten Fingerspitzen begann er zu fiepen, der Translation übersetzte:

»Was Sruel Allok Mok nicht weiß, ist dass der Terraner Will Dean in der Vergangenheit auf die Spuren einer Verschwörung gestoßen ist. Der so genannten Lemuria-Verschwörung.«

»Der was, bitte?«, entfuhr es Sam wenig geistreich. Es war zum aus den Federn fahren. Eine Verschwörung, das passte so gar nicht in sein bisheriges Bild. Schlagartig wurde ihm klar, dass die Situation ihm inzwischen gänzlich entglitten war. Schlimmer, er war ihr womöglich niemals Herr gewesen, war von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen.

Sco-Chii hob die Schultern, ließ sie dann ruckartig fallen – auch dies eine typisch terranische Geste. Er musste lange unter Menschen gelebt haben, zumindest hier an Bord der BASIS.

»Genaues weiß man nicht«, entgegnete er unbestimmt. Dabei machte er eine vage Handbewegung. »Sco-Chiis Vögelchen mutmaßen, dass es darum geht, ein neues Lemuriden-Imperium in der Galaxis zu errichten. Gefährlicher Revisionistenkram.«

»Das hätte ich ihm auch selbst sagen können«, fuhr Dean dem Peepsie ins Wort, zwar keineswegs unhöflich, aber nicht ohne einen ironischen Unterton. »Erzähle uns etwas, das keiner von uns beiden weiß.«

»Etwa, dass diese Verschwörung bis in tiefste Regierungskreise der LFT reicht?«, antwortete Sco-Chii belustigt. »Oh, Sco-Chiis Quellen verraten ihm sogar, wen es träfe, käme die Sache ans Tageslicht.«

»Namen«, forderte Dean knapp. Sco-Chii machte einen Knicks, wie eine Maid bei Hofe. Sam erschien es plötzlich, als würde er sich über den Terraner lustig machen.

»Sco-Chii hat Informationen versprochen. Er kennt Namen, viele Namen. Zum Beispiel diesen: Tizian Grannet?«

Wenn Sco-Chii irgendeine Reaktion von Will Dean erwartet hatte, dann wurde er enttäuscht. Der Terraner schüttelte den Kopf, sein Gesichtsausdruck blieb leer.

»Sagt mir nichts.«

»Goram Collan, vielleicht?«

»Wer soll das sein?«

Der Peepsie ließ die Arme hängen, er stieß so etwas wie ein Seufzen aus.

»Was ist mit Reynar Trybwater?«

»Das bringt uns keinen Deut voran«, schimpfte Sam und ballte die Faust, hielt sie den beiden in einer gespielten Drohgebärde entgegen. Es ärgerte ihn. Sco-Chii war sein Informant, nicht der des TLD. Es galt, seine ›Großzügigkeit‹ auszunutzen, bevor er entschied dass seine Schuld mit den Informationen über diese ominöse Verschwörung abgegolten waren. »Ich benötige vordringlich Informationen zur Mordred, zu ...«

Er unterbrach sich. Etwas stimmte nicht. Der Terraner! Was war mit ihm? Wieso hatte er plötzlich Schaum vorm Mund, warum schüttelte er sich? Will Deans Augenlider flatterten, sein Kopf fiel ihm in den Nacken, begann zu kreisen. Ob er ...

Der Terraner röchelte. Ein Wort drang zwischen seinen Lippen hervor, leise, kaum hörbar. Es war ein Name:

»Tryb ... wa ... trr ...«, verstand Sam. Und dann, wieder vollkommen klar, fügte Dean hinzu: »Ich erinnere mich.«

 

Zwischenspiel I

Ich erinnere mich.

Dunkelheit schlug über ihm zusammen, wie zähflüssiges Wasser. Er kämpfte sich durch die Masse, versuchte, sich ans Tageslicht zurückzuarbeiten. In seinen Gedanken herrschte Leere, vereinzelt hallten die Fragen darin wieder:

Wer bin ich?

Was tue ich hier?

Und ein Name: Trybwater. Er kannte diesen Namen nicht. Und doch brachte er etwas in ihm zum Schwingen, hatte diese Lautfolge ihn an diesen Ort gebracht.

Ich bin bewusstlos.

Er machte einen Schwimmzug. Allmählich klarte sich die Welt um ihn herum auf. Er sah eine Halle, meterhoch, die Decke von unverkleideten, metallenen Trägern gestützt. Links von ihm stand ein Gleiter, ein 1270er-Modell, brandneu, mit offener Schleuse. Ein Geruch wie von frisch gefallenem Schnee lag in der Luft, von ionisiertem Sauerstoff und Ozon. Ein typischer Duft in der Nähe noch nicht ganz erkalteter Raumschifftriebwerke. Der Gleiter musste eben erst gelandet sein. Bin ich damit gekommen? Er sah sein Spiegelbild in der Frontscheibe des Fahrzeugs: Dunkelhäutig, hochgewachsen, Kahlköpfig. Fremd. Die Gestalt eines anderen.

Ich bin Will Dean, fiel ihm plötzlich ein, und er wusste im selben Moment, dass das nicht stimmte. Nicht hier. Nicht jetzt. Er betrachtete seine Hände. Es waren nicht seine. Seine waren schwarz, mit hellen Innenflächen, diese hier waren olivgrün. Eine davon hielt einen Thermostrahler. Das Ende des Laufes war gegen die Stirn einer Frau gepresst. Die Unbekannte kniete vor ihm, die Arme im Nacken verschränkt, und sah flehend zu ihm auf – eine Terranerin, feuerrotes Haar, hochgewachsen, von sportlicher Erscheinung. Sie war schön, unter anderen Umständen hätte Dean sie auf einen Drink eingeladen. Neben ihr lauerte ein Tier, sechsbeinig, mit der Haut eines Amphibiums. Ein Okrill.

»Wer bist du?«, fragte Will Dean die Unbekannte, mit einer Stimme, die ebenfalls nicht die seine war. Und doch ... er kannte sie. Hatte sie oft schon gehört. Bloß, wem gehörte sie?

Trybwater?

Die Frau räusperte sich, zog damit seine Aufmerksamkeit auf sich. Etwas an ihr verunsicherte ihn. Auch sie kam ihm bekannt vor. Doch kannte er sie nicht im wahren Leben, sie war für ihn eher wie eine Figur aus den Klatschnachrichten. Eine von diesen B-Promis, berühmt nur ihrer Berühmtheit wegen. Ob ihm einfiel, wie sie hieß? Deve.. Deveri ... Irgendwas. Dean hatte sich nie für derartige Trivialitäten interessiert.

Aber da war noch etwas. Etwas, das ihn vor ihr warnte. Eine Gefahr ging von ihr aus, warum würde er sie sonst mit der Waffe in Schach halten? Warum sonst ließ der Okrill seine Elektrozunge drohend neben ihrem Ohr schlängeln?

»Catherine Deveroux«, antwortete die Frau zitternd. Sie hob die Hände, faltete sie wie zum Gebet. »Das musst du wissen. Schließlich hast du mich bis hier her verfolgt.«

»Catherine Deveroux«, echote Will Dean gedehnt. Dann fiel es ihm ein: »Du warst die Frau von Randolph McNair, CSO von Shorne-Industries und Terranischer Rat für Wissenschaften. Vizepräsidentin der Sorbonne, Wissenschaftlerin, und gehörtest zur Creme de la Creme der High Society. Dann bist du eines Tages spurlos verschwunden, eines der großen Rätsel der letzten Jahrzehnte.« Das Wissen floss ihm in den Kopf, er wusste nicht woher es stammte. Ganz sicher nicht aus den Klatschnachrichten.

Und zusammen mit den Informationen formte sich eine Identität. Seine eigene, zumindest in dieser Traumwelt:

Monkey.

Er war Monkey. Gleichzeitig blieb er Will Dean, sah die Welt durch die Augen des Oxtorners. Wie war das möglich? Und warum jetzt, zu dieser Unzeit?

Trybwater.

Der Klang dieses Namens musste eine Art innere Sperre beseitigt haben. Ein Hypnoblock vielleicht? Er schluckte, Monkeys Herz raste in Deans Brust, und es fühlte sich völlig Real an. Auch wenn ein Teil von ihm wusste, dass er in Wahrheit zuckend auf dem Boden seines Quartiers an Bord der BASIS lag, sah, dass der Somer und der Peepsie sich sorgend über ihn beugten. Er musste sich aus der Traumwelt hervor kämpfen, gegen die Verfolger von Mordred oder von den Guardians vorgehen und ...

Nein, widersprach er sich. Wer immer sich die Mühe gemacht hatte ihn mit den Erinnerungen eines anderen zu versehen und diese mit einem Hypnoblock zu sichern, hatte sich dabei große Mühe gegeben. Jemand wollte ihm etwas mitteilen, ihm eine Botschaft zukommen lassen. Und zwar eine über Trybwater. Er musste das Spiel mitspielen.

Dean/Monkey hob den Kopf, sah sich um. »AX823P«, rezitierte er aus dem fremden Gedächtnis, während er den Blick durch die mächtige Halle schweifen ließ. »Ein Asteroid, irgendwo zwischen Mars und Jupiter.« Nachdenklich musterte er die Frau, gab ihr einen Stups mit der Waffe. »Was mache ich hier?«

»Du sollst mich töten. Es ist dein Auftrag.«

Ihre Worte hallten in ihm wieder, und er erinnerte sich an Monkeys Mission. Ein Mordkomplott gegen einen einflussreichen Industriellen. Seine eigene Frau hatte es gesponnen. Und er, Monkey, sollte sie zur Strecke bringen. Ein Auftragsmord, nicht mehr und nicht weniger. Dean/Monkey schluckte.

»Und habe ich – hat Monkey es getan?«

Die Frau lächelte, zaghaft nur, und ließ die Arme sinken. Vorsichtig stand sie auf, ohne ihn aus den Augen zu verlieren, die Finger stets gespreizt, um ihre Wehrlosigkeit zu demonstrieren. Dean/Monkey hielt den Strahler weiter gegen ihre Stirn gerichtet, mit der freien Hand bedeutete er dem Okrill, sich ruhig zu verhalten.

»Hii, Shaker«, beruhigte er das Tier, als hätte er diesen Namen schon immer gekannt. Er unterschätzte seine Gefangene nicht. Cat Deveroux, auch das wusste er plötzlich, war auch ohne Waffe gefährlich. Eine Kämpferin, ausgebildet unter anderem in Dagor. Nicht der harmlose B-Promi, für den die Gesellschaft sie hielt.

Cat Deveroux schüttelte den Kopf, noch immer lächelnd. »Nein«, sagte sie. »Du hast mich leben lassen. Mir später geholfen, unterzutauchen und aus dem Verborgenen gegen die Häscher meines Mannes zu kämpfen.«

»Warum?«, setzte Dean/Monkey nach. »Der Oxtorner ist ein emotionsloser Killer. Was könntest du gesagt haben, dass er Mitleid mit dir hatte?«

»Mitleid?«

Cat ignoriere die Waffe an ihrer Stirn und trat auf ihn zu. Sie packte ihn am Arm. Ihre Mine war ernst, wehmütig. Jetzt lächelte sie nicht mehr.

»Du bist ein Realist, Monkey. Du brauchst kein Mitleid, um das richtige zu tun. Weil du, trotz allem, ein Gewissen hast. Und weil mein Mann und seine Organisation aufgehalten werden müssen.«

»Seine Organisation? Shorne-Industries?«, entgegnete er, stirnrunzelnd. »Ich verstehe nicht. Was hat das mit den Guardians zu tun? Mit Mordred?« Endlich senkte er seine Waffe, wenn auch nur ein Stück weit. »Und wer ist Reynar Trybwater?«

»Mordred«, antwortete sie, ohne auf seine letzte Frage zu achten, und sah zu Boden. Ihr Gesicht verschloss sich, ihre Oberlippe versteifte. Mit einem Nicken deutete Sie über ihre Schulter. »Wenn du es wissen willst, komm mit. Ich werde dir etwas zeigen.«

Dean/Monkey zögerte, focht einen inneren Kampf aus. Er wusste zu wenig über die Situation, um sie richtig einzuschätzen. Monkeys Mordauftrag, überlegte er, musste von ganz oben gekommen sein. Die Agenten der ominösen Abteilung Null, für die der Oxtorner damals tätig gewesen war, gehorchten nur deren Leiter Walter Reichmann.

Und wem gehorcht Reichmann?

»Wenn Randolph McNair und Shorne Industries in Machenschaften mit der Mordred verwickelt sind«, überlegte er laut, jedes Wort betonend, »und du ihn verraten willst, ist der einzige der von deinem Tod profitiert ...«

»Mein Mann«, vollendete sie seinen Satz. »Ja. Es ist, als wollte Abteilung Null ihm einen Gefallen tun. Mich aus dem Weg räumen.«

Erneut runzelte Dean/Monkey die Stirn. Konnte es sein? Bestanden Verbindungen zwischen der zwischenzeitlich aufgelösten Abteilung Null und den Terroristen? Hatte der Peepsie am Ende recht und diese Verschwörung reichte bis in die höchsten Kreise der LFT? Er steckte die Waffe in das Futteral, das er auf dem Rücken trug. Dann nickte er Cat zu.

»Das war es also, was Monkey herausgefunden hat. Was hat dein Mann verbrochen? Was war so furchtbar, dass du ihn verraten hast, weshalb Walter Reichmann dich tot sehen wollte?«

»Du meinst, was er mir angetan hat?«, fragte sie, beinahe rief sie es. »Mir und« – sie geriet ins Stocken – »mir und unserem ungeborenen Kind?«

»Langsam«, versuchte Dean/Monkey sie zu bremsen, doch die Terranerin hatte sich rasch in Rage geredet:

»Er ließ mich entführen, ließ genetische Manipulationen an ... an dem Embryo durchführen. Bestrahlungen mit Hyperfeldern. Ein weiteres Experiment von vielen zur Züchtung des Homo Superior.«

Dean/Monkey brummte, unentschlossen, was er von dieser Eröffnung halten sollte. Genetische Experimente an Ungeborenen? Entführung der eigenen Frau? Ein Skandal, ja, erschreckend auch. Grund genug für Catherine Deveroux, sich an ihrem Gatten Randal McNair zu rächen. Aber wichtig genug, um einen politischen Mord zu rechtfertigen? Irgendetwas passte nicht zusammen, ein wichtiger Mosaikstein fehlte.

»Ich bin nicht überzeugt«, hörte er Monkey sagen, diesmal ganz ohne sein Zutun. Die Phantasiewelt übernahm die Kontrolle, er war nun vollends in die Erinnerung des Oxtorners eingesunken, hatte keinen Einfluss mehr auf das Geschehen.

Cat streckte fordernd die Hand nach ihm aus.

»Komm mit mir. Ich zeige es dir. Der Mord an meinem Kind war nicht Randolphs einziges Verbrechen.«

»Ich warne dich, Catherine Deveroux«, entgegnete Monkey lauernd. »Solltest du mir eine Falle stellen ...«

»Wirst du mich töten.«

Sie schloss die Augen, wiegte sanft den Kopf. Ihre Schultern sanken vornüber. Mit einem Mal wirkte sie müde, unendlich erschöpft.

Und da erkannte Will es. Dies war keine kaltblütige Terroristin, wie Walter Reichmann ihn hatte glauben lassen. Dies war eine gequälte Seele, die etwas zum Abschluss bringen wollte. Etwas, das in ihr spukte, sie um den Schlaf und den Verstand brachte. Und der Teil von ihm, der Will Dean war, empfand das, was Monkey niemals empfunden hatte: Mitleid.

»Lass uns gehen«, sagte er, und er eilte voraus. »Komm, Shaker.«

Die Frau folgte ihm, der Okrill bildete den Abschluss. Während sie am Gleiter vorbei liefen, betrachtete er noch einmal sein fremdes Spiegelbild im Gleiter. Diesmal erkannte er die riesige, breitschultrige Gestalt des Oxtorners: ein kahler Schädel, olivgrüne Haut, nussbraune Augen. Dann waren sie an dem Fahrzeug vorüber, näherten sich einem niedrigen Schott, das sie ins Innere des Asteroiden führen würde.

Unvermittelt blieb Dean/Monkey stehen, so plötzlich, dass die Terranerin um ein Haar gegen seinen Rücken geprallt wäre. Er achtete nicht auf ihren gemurmelten Protest und schob sie beiseite. Dann ging er zum Gleiter zurück, postierte sich breitbeinig davor und betrachtete noch einmal das Spiegelbild, prüfend diesmal. Er wurde das Gefühl nicht los, dass etwas daran verkehrt war.

»Was hast du?«

Cat stellte sich neben ihn, sah fragend zu ihm auf. Dean/Monkey jedoch sagte nichts. Er starrte weiter sein Spiegelbild an, suchte, überlegte. Er täuschte sich nicht, etwas stimmte nicht. Wieder und wieder musterte er sein Gesicht: Die breite Nase, die hohen Wannenknochen, die braunen Pupillen und ...

Als es ihm endlich auffiel, kam er sich wie ein Idiot vor. Es war so offensichtlich, so eindeutig, dass er es schlicht übersehen hatte: Keine Kameraimplantate, dachte er. Monkeys Augen waren heil, unverletzt. Nur langsam dämmerte ihm, was das bedeutete: Diese Mission hatte vor Monkeys geheimnisvollem Unfall stattgefunden.

 

7. Implantierte Erinnerung

BASIS, zur gleichen Zeit

»Was geschieht gerade mit ihm?«

Sam beugte sich über den zusammengesunkenen Terraner, musterte ihn fragend. Alles war so schnell gegangen: Eben noch hatte Will Dean aufrecht gestanden, sich mit ihm und dem Heeninniyer unterhalten. Dann war er unvermittelt zu Boden gesunken, hatte zu zucken begonnen. Schaum stand ihm vorm Mund, Worte blubberten zwischen seinen erschlafften Lippen hervor. Sie waren kaum zu verstehen.

Sco-Chii hatte zuerst reagiert, noch während der Somer versuchte, die neue Situation zu begreifen: Er war sofort aufgesprungen und hatte dem Terraner unter die Arme gegriffen, so seinen Fall gebremst. Jetzt saß der Heeninniyer auf Deans Unterschenkeln und hielt seine Arme fest, ähnlich wie zuvor Pergel es mit ihm selbst getan hatte. Damit verhinderte er, dass der TLD-Agent sich hin und her werfen und möglicherweise verletzen konnte. Beinahe fürsorglich tätschelte er Deans Wange.

»Sco-Chii weiß es nicht«, antwortete er, während der Dunkelhäutige sich aufbäumte und er ihn Sanft zu Boden drückte. Dabei warf er Sam einen fordernden Blick zu. »Würden Sie Sco-Chii bitte helfen?«

»Ja. Ja, das versteht sich ganz und gar von selbst.«

Trotzdem zögerte er, eine gefühlte Ewigkeit lang. Dann endlich fasste er sich und beugte sich ebenfalls hinab. Vorsichtig, um das noch immer halb betäubte Knie nicht allzu sehr zu belasten, fasste er nach den Schultern des Terraners und hielt diese fest. Es kostete ihn einige Mühe, der TLD-Agent war stärker als er vermutet hatte.

Indes hatte Will Dean wieder zu murmeln begonnen. Sam beugte sich tiefer, bis die Federn um seinen Hörtrichter beinahe den Schaum um Deans Lippen berührten, und lauschte. Das Gebabbel des Bewusstlosen mochte sich als wichtig erweisen.

»Tryyb ... waa ... ter«, hörte er ihn sagen. »Mon ... Gi ... Gia de ...« Es folgte ein neuerliches Zittern, so stark, dass Sam befürchtete er könnte sich von seinen beiden Helfern losreißen. Heftig sog der Terraner Luft ein, wie ein Ertrinkender, und rief: »Gia de Moleon! Monkey!«

Er stierte Sam direkt in die Augen, und mit einem mal wirkte er völlig klar: Als sei er niemals weggetreten gewesen. Mit fester Stimme sagte er: »Lemuria-Verschwörung. Monkeys Erinnerungen. Implantiert in mein Gehirn. Gia de Moleon, die Füchsin!« Er grinste. »Und ich dachte, die Tante mag mich nicht.«

Kaum hatte er zu Ende gesprochen, da verschleierte sein Blick sich wieder, und er bäumte sich erneut auf. Diesmal war sein Anfall so heftig, dass er Sam von sich warf. Sco-Chii quietschte erschrocken und legte sich mit dem ganzen Gewicht auf den Menschen, versuchte, ihn ruhig zu halten. So blieb er eine Weile auf ihm liegen. Unschlüssig kniete Sam daneben.

»Ich werde den Notdienst verständigen«, meinte er nach einer Weile und sah zum Kommunikator, der neben der Tür in die Wand eingelassen war. Sco-Chii schüttelte heftig den Kopf.

»Nein«, widersprach er. »Die Gegner könnten uns abhören. Auf uns aufmerksam werden. Sco-Chii ist dagegen.« Er legte den Kopf schräg und presste Will Deans Oberkörper erneut auf den Teppich, verhinderte so ein weiteres Aufbäumen. Sam widersprach nicht. Wenn er ehrlich war kam der Protest des Heeninniyer ihm recht. Es mochte ein paranoider Einwand sein, doch die Fehler, die er in den letzten Stunden gemacht hatte, saßen ihm in den Knochen. Bloß kein weiteres Risiko eingehen, das war das Gebot der Stunde. Nur, was sollten Sie derweil mit dem TLD-Agenten anstellen? Sie konnten ihn nicht einfach seinem Anfall überlassen.

»Mon-Keyyy«, murmelte der Terraner tonlos. Speichel rann ihm aus dem Mundwinkel, benetzte seinen Kragen. Seine Haut hatte eine ungesunde Färbung angenommen.

»Was tun wir, Somer?«

Sam überlegte. Eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, dass der Agent ernsthaft in Gefahr war. Gia de Moleon war bis zur Transmission des Terrania City Stadtteils Alashan die Leiterin des TLD gewesen, und wenn sie ihrem Agenten die Erinnerungen eines anderen implantiert und mit einem Hypnoblock gesichert hatte ... es musste einen Grund dafür geben. Der Somer traf eine Entscheidung.

»Ich habe beschlossen, hier zu verbleiben. Dieses Quartier ist offensichtlich noch nicht kompromittiert.« Er deutete zum Interkom. »Ich werde meine beiden Begleiter herbei rufen, Sam Tyler und Japar. Sie sollen Sie in Sicherheit bringen, während ich mich um den Bewusstlosen zu kümmern gedenke.«

Der Protest des Peepsies war ein schrilles Pfeifen, offenbar voller Schimpfworte. Der Translator übersetzte sie nicht. Sam verstand lediglich: »Ruf deine Freunde. Aber Sco-Chii bleibt hier.«

 

Zwischenspiel II

Es war eine merkwürdige Erfahrung. Will Dean erlebte zwei Realitäten zugleich. In der einen knieten der Somer und der Peepsie über ihm, mit besorgten Minen, und berieten, wie ihm zu helfen sei. Doch auf diese Ebene hatte er keinen Zugriff, sie lief vor seinen aufgerissenen Augen ab, ohne dass er an ihr Anteil nehmen konnte.

Und dann war da der Traum.

Die Erinnerung des Oxtorners, wie er gemeinsam mit dem Okrill Shaker und der geheimnisvollen Cat Deveroux den Forschungsasteroiden durchstreifte, durch Gänge und dürftig verkleidete Korridore, durch Labors und Lagerhallen. Schließlich liefen sie an endlosen Reihen von Tanks vorbei. Mal stand Dean daneben und schaute zu, als sähe er einen Film. Dann wieder agierte er, schlüpfte er in die Rolle Monkeys, wurde zu ihm. So wie jetzt, als er den Kopf hob, an den Tanks entlang blickte und neugierig die Aufschrift las:

»Kontaminationsgefahr.« Er rollte das Wort auf der Zunge, schmeckte seinen biederen Klang. »Dies sind biologische Zuchtanlagen. Bist du deswegen hier? Wegen dem, was sich in diesen Tanks befindet?«

Cat schüttelte den Kopf. Sie legte die Rechte gegen eine der von Raureif überzogenen, mannshohen Anlagen. Es war beinahe eine Liebkosung. Der Okrill fauchte, ließ nervös die Zunge hervorschnellen. Offensichtlich mochte er sie nicht. Dean/Monkey tätschelte das Tier am Hals.

»Ruhig, Shaker.«

»Nicht wegen der Tanks«, entgegnete Cat, ohne auf Shaker zu achten. Ihre Ruhe rang Dean/Monkey widerwilligen Respekt ab, ein Okrill war eine gefährliche Kreatur. Andere Menschen hätte alleine Shakers Anblick in die Flucht geschlagen. Vielleicht, mutmaßte er, war sie aber auch einfach nur derart verzweifelt, dass die Gefahr ihr egal war.

»Sondern?«, drängte Dean/Monkey.

»Die Tanks sind leer. Was hierin gezüchtet wurde, ist lange tot. Nur ein Exemplar hat überlebt.«

Sie ließ den Arm sinken, guckte auf ihre Stiefelspitzen. Plötzlich sah sie um Jahre gealtert aus, als habe die Berührung des Tanks ihr die Lebenskraft genommen. Ihre Unterlippe zitterte, ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch:

»Ich habe jemandem ein Versprechen gegeben. Damals. Als ich vor Randolphs Leuten geflohen bin. Ich bin hier, um es einzulösen.«

»Wem? Deinem Kind?«

Ein humorloses Lachen entwich ihrer Kehle, sie schüttelte kaum merklich den Kopf.

»Es hat die ... Experimente nicht überlebt. Und mich haben sie ... verändert.«

In das letzte Wort legte sie eine eigenartige Betonung. Wie zum Beweis legte sie die Hand auf Shakers Nacken. Dean/Monkey erschrak, sie musste lebensmüde sein!

Er wollte ihre Finger wegstoßen, sie vor schlimmerem bewahren. Doch ihm blieb keine Zeit, zu reagieren. Der Okrill fauchte, seine Zunge schoss aus dem geöffneten Maul. Es knisterte. Statik füllte die Luft, Cat standen die Haare zu Berge. Schließlich berührte die Zunge ihr Handgelenk und versetzte ihr einen Stromschlag. Jäh wurde ihr Arm beiseite geschleudert. Cat Deveroux zuckte nicht einmal zusammen. Ihre Züge verhärteten sich.

»Beginnende Zellverdichtung auf molekularer Ebene«, riet Dean/Monkey, als er sich von seiner Überraschung erholt hatte. »Sie haben dich in einem dieser Tanks gehalten.«

Das war keine abwegige Theorie. Bestimmte Hyperfelder konnten so etwas beim Menschen auslösen. Und es ergab alles Sinn, Shorne Industries hatte in den Jahren nach Monkeys Unfall mit vergleichbaren Patenten große Umsätze erzielt. Aber dass Randolph McNair diese durch Experimente an der eigenen Frau und dem eigenen ungeborenen Kind erlangt hatte ... was für ein Monster tat so etwas?

Cat Deveroux zeigte ein Lächeln, doch es war ohne Fröhlichkeit. Nachdenklich betrachtete sie ihre Hand. Sie war unverletzt, ein wenig gerötet vielleicht, wies aber keine Verbrennungen auf. Bemerkenswert, fand Dean/Monkey.

»Es gab noch andere«, bemerkte sie leise und streckte die Hand nach ihm aus. »Komm. Ich zeige es dir.«

Dean/Monkey nickte ihr knapp zu. Sie schritten die Reihe der Tanks ab. Wie viele es sein mochten? Und in wie vielen wohl überlebensfähige Exemplare heran gereift waren?

»Es gab«, wiederholte er, und versuchte die Tanks zu zählen. Zehn. Zwanzig. Dreißig. Irgendwann gab er auf. »Stets die Vergangenheitsform. Was ist mit ihnen passiert?«

»Einundzwanzig waren es«, sagte Cat, so leise dass Dean/Monkey Schwierigkeiten hatte sie zu verstehen. Ihre Stimme ging im Hall ihrer Schritte unter, er bemühte sich, leiser aufzutreten. »Sie sind tot. Alle bis auf eine. Tot, nur weil sie die Freiheit wollten.«

»Wer hat sie getötet? Shorne Industries?«

Cat blieb stehen. Sie fasste Dean/Monkey an den Aufschlägen seines Einsatzanzuges, wie um sich festzuhalten, und zog sich zu ihm heran. Ihre Lider flatterten. Shaker zischte nervös und machte sich zum Sprung bereit, überlegte es sich scheinbar dann jedoch anders und duckte sich. Die Unverwundbarkeit der Terranerin musste ihm Respekt eigeflößt haben.

»Als ich ...« – ein Schluchzen drohte, ihr das Wort abzuschneiden. Sie kämpfte es nieder. »Nachdem die Aras mein Kind ermordet haben, erwachte ich hier. In einem dieser Tanks. Und bei mir waren ... die Mädchen.«

Sie ließ ihn los, der Kopf hing kraftlos zwischen ihren Schultern. Mit einem tiefen Seufzen fuhr sie fort: »Sie waren Bioandroiden, Chimären, alle mit Psi-Kräften ausgestattet. Randolph fertigte sie im Auftrag einer Organisation namens Mordred. Ich glaube, dass er selbst dazu gehört. Oh, die Dinge, die diese Aras ihnen angetan haben. Experimente. Vergewaltigungen, Missbrauch, Schmerzen. Alles, um ihren Willen zu brechen.«

Dean/Monkey horchte auf. Langsam ergaben sich Zusammenhänge, verstand er, was diese Erinnerungen mit dem Geschehen auf der BASIS zu tun hatten. Bloß, was hatte er damit zu tun? Warum hatte Gia de Moleon ausgerechnet ihn als Träger dieses Wissens ausgewählt? Er räusperte sich, schüttelte die Fragen ab. Sie würden warten müssen.

»Diese genmanipulierten Mädchen haben also gegen die Experimente und ihre Wächter revoltiert, und darum mussten sie sterben?«, fasste er das Gehörte zusammen. »Aber eine hat überlebt, während dir die Flucht gelang. Darum bist du hier. Um sie zu retten.«

»Ja«, entgegnete sie, das Wort war kaum mehr als ein Hauch. »Es war ein grauenvolles Gemetzel. Ich war ihre Mentorin, ihr Leuchtturm. Sie haben zu mir aufgeschaut, während der Gefangenschaft, und noch mehr nachdem wir knietief im Blut der Aras wateten. Aber als Nummer 4 mit Einsatztruppen zurückkehrte und alle Chimären bis auf die Erstgeborene ermordeten ...«

»Die Erstgeborene?«

»Sha-Hir-R’yar. Ich werde nie vergessen wie wir hier in dieser Halle standen, Arm in Arm, ich ihr schwor zurück zu kehren um sie zu holen. Das ist zwei Jahre her.«

»Warum jetzt?«, bohrte Dean/Monkey nach. »Warum bist du nicht damals schon wieder gekommen und hast dein Versprechen eingelöst?«

Ihr Kopf sank noch tiefer, das Kinn berührte ihre Brust. Sie hatte zu zittern begonnen, Dean/Monkey widerstand dem Drang sie an sich zu drücken, sie zu trösten. Die Professionalität verlange Abstand.

Cat hob die Arme, rang nach Worten.

»Ich, ich konnte nicht«, brachte sie hervor, jede Silbe schien ihr Qualen zu bereiten. »Zurück auf Terra wollte ich mich an den TLD wenden. Suchte Kontakt zu Gia de Moleon. Doch der einzige, den ich erreichen konnte, war ein gewisser Reynar Trybwater. Ein Agentenführer. Abteilung Null. Sagt dir das etwas?«

Dean/Monkey straffte sich, plötzlich war er wie elektrisiert. Da war sie, die Verbindung, die er gesucht hatte. »Trybwater«, wiederholte er, fuhr sich an die Stirn. »Ein TLD-Agent?«

»Ein verräterischer. Einer, der im Geheimen für Mordred arbeitet. So, wie wahrscheinlich seine Vorgesetzten.«

Reichmann! Dean/Monkey traf es wie der Schlag. Ihm wurde schwindlig. Der Peepsie hatte Recht. Die Lemuria-Verschwörung reicht bis in die höchsten Kreise der LFT. Und die Mordred war darin verwickelt, zog vielleicht sogar die Fäden im Hintergrund.

»Was hat Trybwater getan?«

»Er ließ mich einsperren. Mich für verrückt erklären. Zwei Jahre lang saß ich in einer Psychiatrie, von Fesselfeldern gehalten. Erst dann gelang es mir, von dort zu entkommen.«

»Und jetzt bist zu hier, um zum Abschluss zu bringen, was du damals begonnen hast«, brachte er ihre Geschichte zum Ende. Er war sich sicher, dass er damit alles erfahren hatte, was Gia de Moleon ihm hatte mitteilen wollen. Sicher würde er gleich aufwachen, sich an Bord der BASIS wiederfinden und dem Somer sein Wissen mitteilen können. Sollte Camelot sich darum kümmern. Der TLD schien unterlaufen zu sein, bis an die Wurzel. Es gab dort vermutlich niemanden, dem er restlos würde trauen können.

Doch Monkeys Erinnerung entließ ihn nicht. Noch immer blieb er Gefangener im Inneren des Forschungsasteroiden, fand er sich selbst im Leib des Oxtorners, als sei es sein eigener.

Ein Schrei ertönte, langgezogen und voller Entsetzen, und der Okrill wurde wieder nervös. Dean/Monkey hob den Kopf, seine Begleiterin tat dasselbe. Ihre Blicke trafen sich, Cats Atem ging schnell, abgehackt, wie mechanisch.

»Sha-Hir-R’yar«, flüsterte sie. »Ich erkenne ihre Stimme. Sie lebt.«

»Hii, Shaker«, beruhigte Dean/Monkey seinen Okrill, indem er ihn wieder am Hals tätschelte. Sein Maul stand eine Handbreit offen. Drohend fuhr er seine Zunge aus. Ein dünner Speichelfaden troff aus den geöffneten Kiefern, sammelte sich am Kinn zu einem zähflüssigen Tropfen. Der Oxtorner/Terraner blickte sich um.

»Dort hinauf«, raunte er Cat Deveroux zu und deutete auf eine Trittleiter, die in die Außenwand eines der Tanks eingelassen war. Von dort oben, so hoffte er, würde er einen besseren Überblick über die Halle haben. Unsanft schob er die Terranerin vor sich her, scheuchte sie die Leiter hinauf. Er wartete, bis sie oben angelangt war und sich flach auf den Bauch gelegt hatte, dann drehte er sich zu dem Okrill um.

»Hii, Shaker«, raunte er und machte eine befehlende Geste mit der Handfläche. »Bleib.«

Das Tier zischte, ließ die Meterlange Zunge durch die Luft fahren. Es gab einen lauten Knall, wie bei einem Peitschenhieb. Dean/Monkey schnitt eine Grimasse. Hoffentlich hatte das keiner gehört! Was war nur los mit ihm? Er verhielt sich ungewohnt, irgendwie aufmüpfig.

»Hii! Bleib.«

Endlich gehorchte der Okrill, und kroch unter einen der Tanks, wo er sich zusammenkauerte. Zufrieden fasste Dean/Monkey nach einer der Stiegen und zog sich daran in die Höhe. Oben angelangt schob er sich auf den Bauch, legte sich neben Cat Deveroux. Die Frau glotzte ihn an, in ihren Pupillen irrlichterte es.

»Ich kann sie sehen«, wisperte sie tonlos und deutete über den Rand des Zuchttanks hinweg. »Dort vorne. Auf dieser Liege. Sie wird von Fesselfeldern gehalten. Und Nummer Vier ist bei ihr.«

Hinter dem Tank war die Halle weitgehend leer, bis auf einige Wandschränke und Anlagen, deren Zweck sich Dean/Monkey nicht erschlossen. Die Liege, von der Cat gesprochen hatte, war eine Art Medobett, komplett mit Analysegeräten und Fesselfeldprojektoren. Daneben stand ein Mann, fett, weißhaarig und mit rötlichen Augen, ungepflegt. Der Fremde war offensichtlich ein Arkonide, oder zumindest arkonidischer Abstammung.

»Wer ist das?«, flüsterte er.

»Nummer Vier«, erklärte Cat Deveroux, als sei damit alles gesagt. Es war an Dean/Monkey, sich den Rest zusammen zu reimen: Vermutlich war dieser Nummer Vier ein hochrangiges Mitglied der Mordred. Er versuchte, sich sein Gesicht einzuprägen: Die strengen Züge um die schmale, scharf geschnittene Nase. Vielleicht ließ sich später, nach seinem Erwachen, die Identität des Fremden herausfinden.

Dann erst beachtete er die Frau, die, von Fesselfeldern gehalten, auf dem Medobett lag. Sie war nackt, ihre Haut von geschecktem Fell überzogen. Soeben stieß sie einen weiteren, dünnen Schrei aus, bäumte sich gegen das Feld auf. Es war ein sinnloser Kampf, die Projektoren hielten ihrer Anstrengung mühelos stand. Jetzt fauchte sie, wand sich hin und her, ließ in ihren Bewegungen katzenhafte Eleganz erahnen. Kartanin-Gene, erkannte Dean/Monkey, und ein Schauer überkam ihn. Wahrhaft schaurige Chimären hatte dieser McNair da herangezüchtet, er war in seiner Sucht nach der genetischen Perfektion offenbar ohne Skrupel vorgegangen.

Er kannte die Erstgeborene, zumindest war er ihr schon begegnet. Sie war Shahira. Die Katzenfrau, die, gemeinsam mit dem Mashraten Nelder und dem Terraner Pergel den Somer und den Peepsie hatte überfallen wollen. Die er betäubt und im Gang vor Sco-Chiis Quartier zurückgelassen hatte.

»Sie ist eine von ihnen«, stellte er fest, seine Kehle war wie ausgetrocknet. »Ich habe gesehen, wie sie für die Mordred kämpfte.«

»Du musst dich täuschen«, flüsterte die Terranerin fassungslos. Dean/Monkey biss sich auf die Zunge. Natürlich wusste Cat Deveroux von alledem nichts, die Ereignisse auf der BASIS lagen für sie in der Zukunft. Das da unten war eine jüngere Version von Shahira, eine, die möglicherweise den Weg in die Finsternis eben erst angetreten war. Im selben Moment wusste Will Dean, dass Monkey und Cat Deveroux die Rettung des Zwitterwesens nicht gelingen würde. Die Mordred würde sie für sich einnehmen. Dieser fette Arkonide, Nummer Vier, würde ihren Willen brechen.

»Ich habe dich beobachtet«, sagte dieser in jener Sekunde und ließ, mit nonchalanter Lässigkeit, die Finger zwischen ihre Innenschenkel gleiten. »Die Kamerasonden haben dich nicht aus dem Auge verloren.« Das Katzenwesen verkrampfte bei seiner Berührung, sie bebte und presste die Zähne zusammen, stöhnte dabei unterdrückt. Gleichzeitig spürte Dean/Monkey, wie Cat Deveroux an seiner Seite versteifte. Sie hatte nicht gelogen. Das Schicksal der Chimäre ging ihr nah, sehr sogar.

Der Arkonide fuhr mit der Hand ein Stück weiter nach oben, fasste der Chimäre in den Schritt. Dabei beugte er sich zu seinem Opfer hinab, biss ihr verspielt ins Ohr. Leise sagte er: »Ich könnte dich nehmen. Hier und jetzt, wieder und wieder. Du weißt schon, wie die Aras es getan haben.

»Die Aras sind dafür gestorben«, zischte das Wesen. Der Arkonide lachte trocken, dabei richtete er sich auf und zog seine Hand zwischen ihren Beinen weg.

»Eine Schande, dass du nur ein unreiner Mischling bist. Du würdest unser Gemächt nur besudeln.« Noch einmal beugte er sich zu ihr hinab, um eindringlich hinzuzufügen: »Du bist genetischer Abfall. Aber du bist unser Eigentum. Und wir werden dich einsetzen. Du wirst dich fügen.«

Shahira wandte den Kopf ab, so gut die Fesselfelder es zuließen. »Die Heldin wird mich retten«, entgegnete sie, sichtlich bemüht, gelassen zu wirken. Sie war keine gute Schauspielerin.

Ein Detail fiel Will Dean ein, eine Kleinigkeit, die ihm auf der BASIS aufgefallen und aus der er nicht schlau geworden war: Sie hat Celine Ahornd getötet, um zu verhindern, dass Nelder ihr weitere Grausamkeiten antut. Auch in der Gegenwart schien das Gute in Shahira nicht restlos erloschen zu sein. Plötzlich empfand er so etwas wie Mitleid, erkannte er in ihr das leidende, gebrochene Geschöpf, zu dem Nummer Vier sie gemacht hatte. Wut stieg in ihm auf, legte sich wie ein roter Schleier über seine Wahrnehmung.

Cat Deveroux regte sich, fasste an Dean/Monkeys Ärmel. Krampfhaft hielt sie sich fest, an den Rändern ihrer Augen glitzerte es feucht.

»Sie meint mich«, flüsterte sie. »Die Heldin. So haben die Mädchen mich genannt.«

Als hätte er sie gehört, rief Nummer vier der Chimärin zu: »Deine Heldin ist tot. Sie wird niemals kommen, sie hat dich vergessen.«

Dann, schneller als dass Dean/Monkey hätte reagieren können, sprang Cat auf. Er griff nach ihr, wollte sie in die Deckung zurückzwängen, doch da war es schon zu spät. Sie rief dem Arkoniden zu:

»Nein, Sie lebt. Und sie ist hier.«

Es war einer dieser Momente, in denen die Zeit still zu stehen schien. Bleierne Müdigkeit griff nach Dean/Monkey, er presste die Stirn gegen das kühle Metall, auf dem er lag, und schickte ein Stoßgebet zum Himmel: Großer Gott! Lass mich aufwachen! Dies hier wird nicht gut ausgehen.

Nummer Vier regierte anders, als Dean/Monkey es erwartet hatte. Der Arkonide schmunzelte, jedoch ganz ohne Häme. Eher wie ein Vater, dessen Kind gerade etwas drolliges gesagt hat.

»Ich weiß«, sprach er, und als Cat mit einen Satz vom Tank herunter sprang, wuchs sein Grinsen in die Breite. Mit einem formvollendeten Knicks landete sie vor seinen Füßen, fast wie eine Ballerina.

Dean/Monkeys Nerven waren in höchster Alarmbereitschaft, die Gelassenheit des Arkoniden gefiel ihm nicht. Was führte der Kerl im Schilde? Schnell richtete er sich auf und sprang der Terranerin hinterher, für ihn mit seiner oxtornischen Kompaktkonstitution ebenso nur ein kleiner Hopser wie für die genmanipulierte Terranerin. Dann stand er vor Nummer Vier und blickte auf ihn herab, er überragte ihn um gut einen Kopf. Der Arkonide zeigte eine Reihe gelber Zähne. Essensreste hingen in den Zahnlücken.

»Wen haben wir denn hier?«

Dean/Monkey antwortete nicht, er zog den Strahler aus dem Futteral und richtete ihn auf den Fetten. Dieser tippte, vornehm lachend, gegen ein winziges Gerät an seinem Gürtel. Ein Flimmern entstand um ihn herum. Monkey fluchte, der Fremde hatte soeben einen Individualschirm aktiviert. Beinahe, als ob er mit einem Überfall wie diesem gerechnet hatte.

»Ich sehe, Reichmann hat Wort gehalten und mir das oxtornische Erbgut geliefert, das ich wollte.«

Wieder blieb Monkey keine Zeit, das gehörte zu verarbeiten. Eine Bewegung im Augenwinkel ließ ihn herum fahren. Eine Kampfdrohne schälte sich aus einem Deflektorfeld und schwebte auf ihn zu, richtete den zylindrischen Lauf eines Paralysatorgeschützes auf ihn. Der Oxtorner hastete zur Seite, gerade als der Robot das Feuer eröffnete. Eine Falle, durchfuhr es ihn eiskalt, während er über den Boden schlitterte und mit dem Kopf gegen einen der Tanks stieß. Alles Inszeniert. Nummer Vier wusste die ganze Zeit, dass wir hier sind.

»Cat!«, rief er, gestikulierte in ihre Richtung. Die Terranerin war inzwischen hinter einem weiteren Tank in Deckung gegangen, es hätte seines Hinweises gar nicht bedurft. Die Chimäre schielte derweil in ihre Richtung, unfähig den Kopf zu wenden.

»Cat«, rief auch sie, ihre Mine war ein einziges, stummes Flehen.

Ein weiterer Robot enttarnte sich, schwebte auf die Rothaarige zu und eröffnete das Feuer. Die Hitze brachte die Luft zum kochen, sie flimmerte und raubte Monkey sekundenlang die Sicht. Krachend fuhr der Strahl in jenen Tank, hinter dem Cat Deveroux sich versteckt hatte. Das Metall schmolz in Gedankenschnelle, troff zähflüssig vor ihre Füße. Cat wurde bleich.

Thermostrahler, erkannte Dean/Monkey, und er erschrak. Eine tödliche Waffe. Schlagartig wurde es ihm klar: Nummer Vier wollte ihn. Für ihn war der Paralysator bestimmt. Die Frau des Wissenschaftlers McNair hingegen war ihm offenbar gleich, ihr Tod vermutlich ein angenehmer Nebeneffekt.

Seine Überlegung lenkte ihn ab. Ein weiterer Paralysatorschuss blitzte auf, traf ihn ins Bein. Taubheit breitete sich in seinem Unterschenkel aus.

»Shaker«, rief er, so laut er konnte. Der Arkonide hielt sich die Ohren zu.

»Kein Grund, so zu schreien, mein lieber Monkey«, sagte er ruhig und bewies damit, dass er genau wusste, wen er da vor sich hatte. »Ihren Okrill haben meine Roboter längst in ihrer Gewalt. In dieser Sekunde dürfte er sich schon auf dem Weg in einen unserer Tanks befinden.«

Dean/Monkey stieß ein wütendes Gebrüll aus. Er kam aus seiner Deckung, schleppte das paralysierte Bein hinter sich her. Dabei hob er seine Waffe, richtete sie auf den Arkoniden. Es war ein verzweifeltes Aufbäumen, doch er war nicht mehr Herr seiner Sinne: Monkey feuerte, wieder und wieder, die Wut machte ihn rasend. Ein Schuss um den anderen fuhr in den Individualschirm des Arkoniden. Dieser bekam es nun doch mit der Angst zu tun, machte einen Schritt rückwärts. Der Schirm geriet ins Wabern. Nicht mehr lange, und er würde zu Flackern beginnen, schließlich zusammenbrechen. Noch ein Schuss. Und noch einer. Gib endlich den Geist auf, blöder Projektor!

In seiner Rage achtete er nicht mehr auf die beiden Roboter, sein Bewusstsein blendete die drohende Gefahr vollständig aus. Es rächte sich: Plötzlich war sein Bot über ihm, der Paralysator traf ihn voll in die Brust. Die Waffe fiel ihm aus der Hand, dann sank er kraftlos hin und schmetterte mit dem Kinn gegen den Untergrund. Sterne tanzten ihm vor den Augen, und das Grauen überkam ihn: Er war zwar gelähmt, wie er sofort analysierte, doch er war noch immer bei Bewusstsein. Wehrlos. Hilflos. Was immer Nummer Vier mit ihm anstellen wollte, er würde es voll miterleben.

Bitte, lass mich endlich aufwachen!

Der Arkonide kam auf den Oxtorner zu, griff mit spitzen Fingern nach dem Strahler, und streckte ihn von sich, wie ein benutztes Taschentuch. Tadelnd schnalzte er mit der Zunge.

»Cat«, rief die Chimärin in die plötzliche Stille hinein. Monkey, unfähig den Kopf zu drehen, sah ihren Gesichtsausdruck nicht, doch der Klang ihrer Stimme genügte: Resigniert, kraftlos.

Cat Deveroux presste sich mit dem Rücken gegen den halb zerschmolzenen Stahlzylinder. Eine unheimliche Wandlung ging gerade mit ihr vor. Plötzlich wirkte sie entstellt, alle Entschlossenheit war aus ihrer Mimik gewichen, machte namenlosem Entsetzen Platz. Ihr Mund öffnete und schloss sich, sie warf den Kopf hin und her, presste sich die Handballen auf die Ohren, als würde sie Stimmen hören.

»Es tut mir leid«, sagte sie schließlich, und es klang unendlich traurig. »Ich kann es nicht, Shahira ... die Erinnerung. Es ist zu viel. Zu viel!«

Und dann ergriff sie die Flucht. Ihre Schritte hallten durch dann Saal, sie entfernten sich rasch. Cat Deveroux hatte die Chimärin im Stich gelassen.

»Cat ...«, rief das Katzengeschöpf ein letztes Mal. Aber es war kein Hilfeschrei mehr, sondern ein Ausruf der Enttäuschung. Und dann, als seien ihre Lebensgeister erloschen, stellte sie jede Gegenwehr ein. Ihr Zittern erstarb, sie bäumte sich nicht mehr auf, lag einfach nur da. Als der Arkonide seinen Individualschirm deaktivierte und wieder seine Hand gegen ihren Innenschenkel presste, ließ sie es reglos über sich ergehen.

»Siehst du?«, hörte Dean/Monkey den Arkoniden sagen, während sich metallene Tentakel um seine Arme und Hüften schwangen und ihn sanft anhoben. Vergeblich versuchte er sich zu wehren, doch es gelang ihm nicht. Die Paralyse war vollständig, sie würde noch Stunden andauern. Der Arkonide sprach weiter, und Dean/Monkey ahnte dass es die Worte waren, welche die Katzenfrau für alle Zeiten brechen sollten:

»Sie hat dich zum zweiten Mal verraten. Niemand wird dich retten. Für dich gibt es keine Zukunft außer der Mordred.«

 

8. Rettungsaktion

BASIS, zur gleichen Zeit

Ding, Ding.

Verwundert schaute Sam zum Eingangsbereich, als der Türalarm erklang. Sco-Chii sprang auf, als hätte er auf Besuch gewartet, und überließ Will Dean seinem Anfall. Rasch versuchte Sam, ihn festzuhalten doch der Terraner bäumte sich auf, schüttelte ihn ab. Schaumiger Speichel flog von seinem Mund, verteilte sich in Sams Gefieder. Angewidert wischte der Somer sich die Tonnenbrust ab.

»Halten Sie es für klug, zu öffnen?«, rief er, in seiner üblichen, gedrechselten Sprechweise. »Eben waren Sie noch gegen einen Hilferuf. Halten Sie es nicht für wahrscheinlich, dass es sich bei dem Unbekanntem Besucher um einen unserer Gegner handelt?«

»Würden Terroristen klingeln?«

Eine simple Frage, so banal, dass dem Somer im ersten Moment keine passende Antwort einfiel. Ehe er protestieren konnte, hatte der Peepsie auch die Tür geöffnet.

Kurz darauf stand ein Mann im Raum, hochgewachsen, bärtig, mit rotem Bürstenhaarschnitt. Er trug einen Kampfanzug, hielt einen Paralysator im Anschlag, und eine gefühlte Minute war Sams größte Sorge, wo trotz der Sicherheitskontrollen eigentlich all diese Waffen her kamen.

Ohne Mühe schob der Mann den Peepsie zur Seite. Hinter ihm traten zwei weitere Bärtige ein, sie postierten sich rechts und links der Tür. Sco-Chii quietschte protestierend, und der Hochgewachsene streckte warnend den Zeigefinger aus. Der Informationsmakler ließ sich dadurch zum Schweigen bringen.

Mordred, dachte Sam kraftlos und ließ von dem noch immer zuckenden Terraner ab. Vorwurfsvoll starrte er Sco-Chii an. Warum hatte er einfach so geöffnet? Aus. Alles aus. Rhodan und Adams werden so enttäuscht sein. Wenn er überhaupt lange genug überlebte, um ihnen sein Versagen zu beichten.

»Nicht so grob, ihr Lieben. Dies ist ein Höflichkeitsbesuch, kein Kampfeinsatz.«

Die Stimme, die das sagte, kam von draußen. Kaum hatte sie ausgesprochen, erschien eine unförmige Gestalt im Türrahmen: Breite Schultern, faustlanges, rotes Haar, markantes Kinn und in eine Fantasieuniform gekleidet, die ihre Figur nicht gerade vorteilhaft betonte.

»Kellonda!«, entfuhr es Sam, und ein dutzend Steine fielen ihm vom Herzen. Geräuschvoll stieß er Luft aus, ließ sich auf den Rücken fallen. »Woher ...«

»Sco-Chii ist nicht der einzige mit guten Kontakten«, fiel ihm die Springerin ins Wort – was hatten heute bloß alle immer mit ihren Kontakten und Ressourcen, war das eine Art Wettstreit? – und betrat die Suite. Hinter ihr folgten Tyler und Japar, beide grinsend. Ihre Ankunft beruhigte Sam nicht. Wie sie darauf gekommen waren im Quartier des TLD-Agenten nach ihm zu suchen war ihm ein Rätsel. Es bewies jedoch, dass Deans Suite kein sicherer Ort war. Schlagartig kehrte seine Anspannung zurück.

Japar ließ die Tür hinter sich ins Schloss gleiten, während Kellonda die Situation überschaute. Ein seltsamer Anblick war es, der sich ihr bot: Sam, mit geknickten Federn, auf dem Rücken liegend und schwer atmend. Dicht neben ihm der Terraner Will Dean, noch immer weggetreten und lallend. Schließlich Sco-Chii, der mit gesenktem Haupt neben dem Hochgewachsenen stand und verlegen an dem Translator vor seiner Brust herumspielte. Tyler trat neben die Springerin und deutete auf Dean.

»Wer ist der Zitteraal?«

Japar grunzte, vielleicht war es auch ein unterdrücktes Lachen. Kellonda warf den beiden einen strafenden Blick zu, dann wandte sie sich an den Heeninniyer:

»Ist das der TLD-Agent, von dem du mir berichtet hast? Dieser ... Wes Golem?«

Sco-Chii piepste aufgeregt. Der Translator übersetzte, in gelassenem Duktus:

»Seine Tarnidentität. Inzwischen kennt Sco-Chii seinen richtigen Namen. Will Dean.«

Kellonda hob die Augenbrauen und öffnete den Mund zu einem stummen »Ah«. Dann eröffnete sie, wenig diplomatisch:

»Als Informant bist du eben nutzlos geworden, Sco-Chii. Jetzt wo diese seltsamen Terroristen dich auf dem Kieker haben, ist das Risiko für mich zu groß. Ich will nicht, dass ich oder meine Leute in die Sache hinein gezogen werden.«

Sofort richtete der Informationsmakler sich auf, riss die Faust empor, bereit, zu widersprechen. Kellonda machte eine beschwichtigende Geste.

»Ich bin dir einen Gefallen schuldig, Heeninniyer, für deine treuen Dienste. Aber deine Zukunft liegt nicht hier. Die BASIS ist zu gefährlich für dich geworden.« Als sei damit alles Wichtige gesagt und ohne auf Sco-Chiis wütendes Schnattern zu achten, drehte sie sich zu Tyler um. Befehlend fuhr sie fort: »Jemand muss den Peepsie zu unserer Niederlassung eskortieren. Ihr übernehmt das. Ich nehme euch in meine Dienste und werde mich weiter um euren Klienten kümmern. Ich denke, ich nehme euch damit eine Last ab.«

»Du sagst es«, murmelte Japar undeutlich. Tyler knuffte seinen Freund mit dem Ellenbogen in die Hüfte, er schüttelte den Kopf.

»Wir stehen mit dem Somer in einem ... vertraglichen Verhältnis«, widersprach er.

Unwillkürlich musste Sam bei diesen Worten schmunzeln, und es war gut dass seine Mimik für die Lemuriden so schwer zu lesen war. Das vertragliche Verhältnis hatte die Polizei auf Olymp seinen Begleitern auferlegt – entweder Leibwache für Sam oder Gefängnis, so hatte der Deal geheißen. Diese beiden endlich los zu werden, das war durchaus eine verlockende Perspektive. Und außerdem: In den Diensten der Springerin mochten die beiden Tunichtgute am Ende noch zu etwas gut sein.

»Ein durchweg verlockendes Angebot«, rief Sam lachend. »Ich würde es annehmen, wäre ich einer von euch!«

»Nah«, machte Tyler barsch und winkte ab. Er fasste nach Sco-Chii, packte diesen am Arm. »Würde nicht klappen, Kellonda. Wir würden es beide bereuen, das weißt du.«

»Ja«, entgegnete sie zögerlich und zog eine Schnute. »Ist wohl so. Vielleicht bleibt ihr wirklich besser bei ihm.«

Ein verlegenes Schweigen brach aus, stand eine Ewigkeit lang zwischen ihnen. Dann scheuchte Kellonda die beiden Männer mit einem Wink davon: »Ksch! Bringt Sco-Chii in meine Räumlichkeiten. Den Gefallen seid ihr mir noch schuldig. Ihr kennt den Weg, vom letzten Mal.«

Tyler beantwortete die Order mit einem derben, nicht jugendfreien Fluch, und forderte Japar auf, die Tür zu öffnen. Kellonda lachte kehlig, als die Männer mit dem Heeninniyer auf dem Gang verschwunden waren. Gleichzeitig befahl sie ihren drei Soldaten, wieder mit einem Wink, draußen auf dem Gang Stellung zu beziehen. Wortlos gehorchten die Mehandor.

Kaum war sie mit Sam und dem ohnmächtigen Terraner alleine, wurde sie übergangslos ernst.

»Und nun zu euch beiden«, sagte sie und beugte sich zu Will Dean hinab. Sie fasste ihm an die Schläfen, sprach beruhigend und leise auf ihn ein. Sam verstand nicht, was sie zu ihm sagte, doch was immer es war, es schien zu funktionieren: Der Terraner wurde still, hörte auf zu zucken. Sein Atem ging flacher, und hätte Sam es nicht besser gewusst, er hätte geglaubt der Agent würde schlafen.

»Was ist mit ihm, Somer?«, fragte die Mehandor flüsternd. In jenem Moment hatte sie eine beinahe mütterliche Ausstrahlung, Sam hätte es nie für möglich gehalten. Er hob die Schultern.

»Implantierte Erinnerungen. Freigesetzt durch ein Schlüsselwort. Scheinbar durchlebt er die Vergangenheit eines anderen.«

»Hm, schlecht«, nuschelte Kellonda und schürzte die Lippen, alles Überschwängliche war aus Ihrem Gebaren gewichen. Sie tippte Will Dean gegen die Brust. »Die Terroristen, die dieser TLD-Mann vor Sco-Chiis Quartier betäubt hat, sind zwischenzeitlich erwacht. Die Bordsicherheit kontrollieren sie offenbar, und bald dürften sie auch auf Will Dean und dieses Quartier stoßen. Wir müssen verschwinden, ihn hier wegbringen.«

»Welchen Grund hatte es dann, dass wir nicht gemeinsam mit Tyler und Japar in ihr eigenes Quartier aufbrachen, wehrte Kellonda?«

»Nein. Wie gesagt, ich will nicht in Verbindung mit dieser Sache gebracht werden.« Die Mehandor schüttelte den Kopf, dann überlegte sie kurz. »Die Terroristen haben einen Somer gesehen, aber da deine Suite auf meinen Namen gebucht ist, taucht keiner in den Gästelisten auf. Das wird sie erst einmal vor ein Problem stellen. Und uns Zeit bringen.«

Noch während sie sprach, hob sie den Bewusstlosen an, legte ihn sich über die Schulter wie einen Kleidersack. Anzüglich grinste sie und verwandelte sich übergangslos wieder in das schreckliche Weibsbild, als die er sie kennen gelernt hatte: »Dein Quartier also. Zurück in deinen Käfig, Vögelchen.«

 

Zwischenspiel III

Dunkelheit umgab ihn. Allumfassende, tiefschwarze Finsternis. Diesmal, so wusste er, war es nicht die Bewusstlosigkeit. Er fühlte sich schwerelos, sein nackter Körper eingebettet in eine zähe Flüssigkeit. Und doch konnte er atmen, wurden seine Lungen mit Sauerstoff versorgt. Ein Schlauch ragte in seinen Mund, reichte ihm tief in den Rachen und versorgte ihn mit dem wichtigsten: Luft, Nahrung, Wasser. Mehr gab es für ihn nicht mehr. Bewegen konnte er sich kaum, um ihn herrschte Enge. Streckte er die Arme aus, und sei es nur ein Stück weit, stieß er an eine Wand. Die terkonitstählerne, undurchdringliche Grenze seiner neuen Welt.

Wie oft hatte er schon rebelliert, sich dagegen gestemmt, sie einzureißen versucht mit all seiner oxtornischen Stärke. Manchmal spürte er die nämlich noch. Dann, wenn er länger nicht bestrahlt worden war. Wenn das brennende Kribbeln der Hyperfelder ihm eine Zeit lang keine Kraft geraubt hatte.

So wie jetzt: Wieder einmal packte ihn die Wut, hieb er mit voller Wucht gegen das Metall. Vergeblich! Der Tank gab nicht nach, hielt ihn fest umschlossen. Wie lange er schon in diesem Zustand dahinvegetierte? Er konnte es nicht sagen. Tage? Monate? Jedes Zeitgefühl war ihm abhandengekommen. Und manchmal, wenn er ganz besonders schwach war, fiel ihm nicht einmal mehr sein Name ein. Will Dean? Monkey? Welcher von beiden war es? Wie hatte er geheißen, da draußen? Und: Gab es überhaupt eine Welt außerhalb der Schwärze? Bildete er sich dieses frühere Leben vielleicht nur ein, um sich von seiner Einsamkeit abzulenken?

Doch. Es gab ein Draußen. Und dort lebten Leute. Er konnte sie hören, manchmal, wenn sie vor seinem Tank standen, sich über ihn unterhielten. Da! Jetzt gerade war es wieder so weit. Seine Ohren waren gut genug, dass er sie sogar verstehen konnte. Aras waren es, das hörte er an ihren Stimmen, und sie waren zu zweit. Bis auf diese beiden schien der Asteroid, schien sein Gefängnis verlassen zu sein.

»Die Manipulation schreitet voran«, hörte er einen der Aras sagen, seine hohe Stimme drang gedämpft durch die Außenwand. Die Nährflüssigkeit, in der er schwamm, leitete den Schall hervorragend. »McNair wird zufrieden sein. Das Exemplar wird seine Erwartungen übertreffen. Bloß seinen Willen müssen wir noch brechen.«

»Oxtornische Grautruppen«, sagte der zweite Ara. Seine Stimmlage war etwas tiefer, hatte etwas quakendes. »Was für ein kühner Gedanke. Was für ein meisterhafter Plan.«

Grautruppen aus meinen Genen, dachte Dean/Monkey, und sein Zorn verschwand, machte hilfloser Verzweiflung Platz. Inzwischen hatte er unzählige dieser Unterhaltungen belauscht, die Vorstellung indes hatte nichts von ihrem Schrecken verloren. Aber er war wehrlos, hatte kein Mitspracherecht. Ein Gefangener, seine Einzelhaft mochte bis ans Ende aller Zeiten andauern – als Genspender für eine Armee von manipulierten Oxtornern künstlich am Leben erhalten. Der Gedanke machte ihn rasend, und doch war da nichts, wogegen er seine Wut hätte richten können. Sein mächtiges Herz pochte. Ihm war, als würden die Wände sich enger und enger um ihn ziehen, wie um ihn zu zerquetschen. Er wollte sich beruhigen, sich zwingen, ruhiger zu atmen. Doch selbst über seinen Atem war er nicht mehr Herr, sogar diese Möglichkeit hatten sie ihm genommen: In stoischem Rhythmus presste der Atemschlauch frische Luft in seinen Brustkorb und saugte die verbrauchte ab. Er war kein Mensch mehr, nur noch ein künstlich beatmeter und ernährter klumpen Fleisch. Seine Fingerspitzen zuckten, ein sinnlos gewordener Reflex in der warmen Dunkelheit.

»Sein Puls beschleunigt sich wieder«, sagte der Ara mit der quakenden Stimme, offensichtlich las er seine Vitalwerte von einem Display am Fuß des Tanks ab. »Ich glaube, er kann uns hören.«

Der mit der hellen Stimme antwortete: »Schauen wir mal was passiert wenn er erfährt, dass er heute Freigang bekommt.«

»Hmm«, brummte wieder der andere. »Ich bin dagegen. Zu gefährlich. Wir haben gesehen, was mit den Kartanin-Mischlingen war.«

»Wenn McNair es will ... oh, schau nur! Ich hatte recht. Sein Blutdruck steigt.«

Tatsächlich hatte Dean/Monkey das Gefühl, dass ihm gleich die Halsschlagader platzen würde. Freigang? Sie wollten ihn rauslassen, an die frische Luft? Hoffnung keimte in ihm auf: Das war sie, die Gelegenheit zur Flucht. Zur Rache, zum ...

Er brachte den Gedanken nicht zu Ende. Ohne Vorwarnung zog sich der Schlauch aus seinem Rachen zurück, drang die klebrige Flüssigkeit in seine Lungen ein. Er krümmte sich zusammen, begann reflexhaft zu husten – ein verhängnisvoller Instinkt, der sich seines Körpers bemächtigte. Mit jedem Mal sog er mehr von der Nährflüssigkeit ein, doch es gelang ihm nicht, das Husten zu unterdrücken. Panisch trommelte er gegen die Wand, wie immer blieb es ohne die geringste Wirkung.

War das das Ende? Hatten die Aras nur mit ihm gespielt, ihn ein letztes Mal gefoltert bevor sie ihn nun in dieser widerlichen Brühe verrecken ließen, diesem Schleim aus Wasser, Nährstoffen und seinen eigenen Fäkalien? Er musste schließlich nicht am Leben sein, um als Genspender zu dienen. Es genügte, wenn sie ihn am Verwesen hinderten.

Das Brennen in seinen Lungen nahm zu. Ihm wurde schwarz vor Augen, so als ob die Dunkelheit im Tank nicht schon vollkommen gewesen wäre. Fühlte sich müde, und seltsam leicht, als würde er neben sich stehen und zusehen, wie seine Bewegungen langsam träger wurden, seine Versuche, sich zu befreien, allmählich erstarben.

Dann, endlich, wurde die Flüssigkeit abgelassen. Dicke Luftblasen quollen auf, perlten über seinen Rücken und seinen Bauch, kitzelten ihn an den Armen. Kaum ragte sein Kopf über die Oberfläche, kehrte sein Überlebenswille zurück. Mit aller Kraft presste er den Schleim aus den Lungen, kotzte, hustete, würgte, bis alles, aber auch wirklich alles aus ihm heraus war. Er rang nach Atem, selbstständig, zum ersten Mal seit ... er wusste es noch immer nicht. Die Luft roch abgestanden, nach faulen Eiern und nach Kot. Der Duft eines Menschen, dessen Haut lange Zeit keinen Kontakt zur Atemluft mehr gehabt hatte. Er schnappte gierig danach, es war das wundervollste, was er je gerochen hatte.

Eisige Kälte griff nach ihm, durchdrang seine Glieder, und obwohl er als Oxtorner eigentlich nicht empfindlich sein sollte, fror er, wie nie zuvor. Unkontrolliert begann er zu zittern. Die Flüssigkeit sank tiefer und tiefer, stand ihm jetzt nur noch bis zu den Brustwarzen. Die Leichtigkeit war verflogen, sein eigenes Körpergewicht zog an ihm, brachte ihn in die Knie.

Im selben Moment wusste er, dass er sich gegen die Aras nicht zur Wehr würde setzen können. Zu lange hatte die Flüssigkeit ihn getragen, wie ein natürlicher Antigrav, und zu wenig hatte er sich in all der Zeit bewegen können. Seine Muskulatur war degeneriert, eigentlich ein völlig naheliegender Gedanke. Warum war er von allein nicht darauf gekommen? Hatte er sich schon so sehr mit seiner Gefangenschaft abgefunden, dass er Grundwissen über seine Physiologie vergessen hatte? Kraftlos sank er gegen die Wand, unfähig, auch nur den Arm zu heben. Das Atmen fiel ihm plötzlich unsagbar schwer, es war ihm zu lange abgenommen worden.

Endlich versickerte der letzte Rest des stinkenden Wassers zwischen seinen Zehen. Inzwischen hatte er das Gefühl, sein eigenes Gewicht müsste ihn zerquetschen. Er begrub seine Hoffnungen: Keine Chance, in diesem Zustand irgendetwas gegen die Aras unternehmen zu können. Dieser Ausflug würde kurz werden, und es mochte das letzte Mal sein, dass er jemals Licht sah.

Etwas zischte. Dean/Monkey verzog das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse, dann gab die Wand vor ihm nach. Der Tank öffnete sich, gleißende Helligkeit blendete ihn, raubte ihm die Sicht. Seine Augen, er hatte sie seit vielleicht Monaten nicht mehr benutzt. Sie hatten sich vollkommen auf die Finsternis eingestellt, nun versagten sie ihm den Dienst. Aus der Erinnerung wusste er zwar, dass die Halle in Wahrheit nur von schummrigem Dämmerlicht erfüllt war, doch das tröstete ihn nicht.

Die Vorderfront des Tanks schwang beiseite, Dean/Monkey stürzte ins Freie und schlug hart auf. Seine Stirn berührte etwas weiches, ledriges. Eine Stiefelspitze. Er musste direkt gegen den Fuß eines der beiden Aras gefallen sein.

»Siehst du, Zhentabor?«, feixte der Ara mit der quakenden Stimme seinem Kollegen zu. »Wie ich sagte. Wir brauchen noch nicht einmal einen Paralysator.«

»Ich würde mich wirklich sicherer fühlen, wenn ...«

»Unsinn.«

Im Augenwinkel erkannte Dean/Monkey eine Bewegung, für ihn war es nur ein Flackern in der grellen Helligkeit. Vermutlich hatte der Ara jemandem zugewunken.

»Roboter«, hörte er, »bring ihn zu seinem Elektrofrosch. Schauen wir, wie das Wiedersehen verläuft.«

Dean/Monkeys Inneres verkrampfte sich, als der galaktische Mediziner den Okrill erwähnte. Shaker! Er hatte das Tier vollkommen vergessen, wurde ihm bewusst, kaum an ihn gedacht während seines Martyriums. Er stieß einen deftigen Fluch aus, oder er versuchte es. Vermutlich kam nicht mehr als ein heiseres Krächzen aus seiner Kehle. Erst jetzt bemerkte er, wie Wund sein Rachen sich anfühlte, nachdem der Schlauch so lange daran gescheuert hatte.

»Hör nur! Es spricht!«, rief der Ara und stieß ihn mit der Fußspitze an. Die beiden Mediziner lachten rau, die Demütigung war perfekt. Nie zuvor war Dean/Monkey sich so hilflos, so nackt vorgekommen.

Der Robot war plötzlich über ihm. Metallenen Schlangen gleich glitten dessen Greiftentakel um Dean/Monkeys Brustkorb herum. Sie waren kalt, viel kälter als die Luft, und pressten hart gegen seine empfindlich gewordene Haut. Am liebsten hätte der Oxtorner laut aufgeschrien, hätte er die Kraft dazu besessen. Wieder war alles, was er hervorbrachte, ein ersticktes Röcheln, und wieder lachten die Aras.

Dean/Monkey fühlte sich emporgehoben, als wäre er noch immer Gewichtslos. Als die Maschine ihn kurz darauf an den blank polierten Tanks vorbei trug, war er fast froh über seine Blindheit. Er fürchtete sich vor seinem Spiegelbild. Vermutlich war er nur noch ein Schatten seiner selbst.

Ohne Gegenwehr ließ er sich von dem Robot durch die Halle schleppen, seine Füße schleiften über den Boden. Reste der Nährflüssigkeit ronnen an ihm herab, tropften zu Boden. Sie hinterließen eine schmierige Spur, während der Robot mit seiner Last um eine Ecke schwebte und sich auf ein Medobett zubewegte. Wenigstens ahnte Monkey, dass dies das Ziel war; jene Liege nämlich, auf der Shahira gefangen gewesen war, als Nummer Vier ihn überwältigt hatte.

Langsam nur kehrten sein Mut und sein Lebenswille zurück. Er versuchte, seine Muskulatur zu reaktivieren, ballte testweise die Fäuste. Es gelang ihm, zu seiner Überraschung. Dadurch ermutigt zog er die Oberschenkel ein Stück an, bis der Robot unter seinem Gewicht einsackte. Ein Erfolgserlebnis! Der Versuch jedoch kostete ihn so viel Kraft, dass er die Beine sofort wieder sinken ließ.

Diese verdammte Schwäche, dachte er. Dieses Phlegma. So kannte er sich nicht. War das alles wirklich nur ein Ergebnis seiner Muskeldegradation? Je mehr sein logisches Denken zurückkehrte, desto weniger konnte er es sich vorstellen. Vermutlich hatten die Aras ihm ein Beruhigungsmittel eingeflößt.

Der Robot hievte ihn auf die Liege, und die Fesselfelder aktivierten sich selbsttätig. Sein nackter Rücken presste gegen das kühle Leder, und er wünschte sich eine Decke, in die er sich hätte einkuscheln können. Wieder versuchte er, die Augen zu öffnen. Es blieb bei dem Versuch: Noch immer war er geblendet, hatte er sich nicht wieder an die Helligkeit gewöhnt. Beinahe freute er sich auf die Rückkehr in seinen Tank. Nichts konnte schlimmer sein als das hier.

Immerhin konnte er mittlerweile etwas mehr von seiner Umgebung erkennen. Er sah, dass das Licht von Scheinwerfern an der Decke kam, erkannte sogar die erste Tankreihe, unmittelbar vor ihm. Vor der Liege hatte man eine Kiste abgestellt. Schrilles Fauchen war daraus zu hören, es musste eine Art Transportbox sein. Der Okrill befand sich offenbar darin.

Dean/Monkeys Herz schlug wieder schneller. Was hatten diese Verbrecher mit Shaker angestellt? Okrills waren unberechenbare, eigenwillige Geschöpfe. Wenn es den Forschern gelungen war, Shakers Loyalität zu seinem Herrn zu brechen ...

Aber auf der anderen Seite schien dies auch gar nicht ihre Absicht zu sein. Sie wollen testen, ob der Okrill auch nach der genetischen Manipulation auf dich anspricht. Er konnte sich denken, warum ihnen das wichtig war. Ein Oxtorner alleine war eine menschliche Kampfmaschine. Mit ihren Okrill-Begleitern zusammen hingegen bildeten sie Gespanne, die jedem Haluter das Fürchten lehren konnten.

Eine Gestalt erschien über ihm, beugte sich herab. Dean/Monkey versuchte, das Gesicht zu erkennen. Tränen schossen ihm in die Augen, liefen ihm in Bächen die Wangen herunter. Mit jedem Blinzeln wurde es schlimmer.

»Numm ... numm«, krächzte er und schluckte. Allmählich erst nahm sein Körper seine normalen Funktionen wieder auf, füllte sein Mund sich wieder mit Speichel. Noch klebte ihm die Zunge am Gaumen, fühlte alles sich wund und gereizt an. Das würde sicher auch noch eine Weile so bleiben, selbst wenn man ihn nicht in den Tank zurück steckte. Er nahm alle Kraft zusammen, konzentrierte sich. »Nummer Vier«, brachte er endlich hervor, dann sank er entkräftet auf die Liege zurück. Er kam sich vor wie nach einem Marathonlauf.

»Nummer Vier ist nicht hier«, sagte die Gestalt, es war der Ara mit der hohen Stimme. »Nur wir beide, du und dein Kampffrosch. Mal sehen, ob er sein verbessertes Herrchen noch begrüßen möchte.«

Der Ara wich zurück und machte sich minutenlang an dem Käfig zu schaffen. Irgendwann schwang die Käfigtür auf, und kurze Zeit später waren die patschenden Schritte des Okrills zu hören und seine Krallen, die leise gegen das Metallplastik klackten. Shaker zischte und knurrte, Dean/Monkey stellte sich vor wie er neben der Liege Position bezog, die Zunge witternd aus dem Maul gesteckt. Wie der Speichel zwischen den spitzen Zähnen hindurch troff. Shaker lauerte. Worauf?

Da sprang der Okrill auf die Liege, baute sich über seinem Herrn auf, grollend, seine Krallen stachen in Dean/Monkeys Oberarm. Fauliger Raubtieratem wehte ihm in die Nase, doch nach dem Gestank seines eigenen, ungewaschenen Körpers war es fast eine Wohltat.

»Sieh doch«, rief einer der Aras spöttisch. »Die Kröte sagt ›Hallo‹ zu seiner Mama.«

Der Oxtorner spürte ein Kribbeln am ganzen Körper, als die Polarität des Fesselfeldes sich geringfügig änderte. Der Projektor wollte nach dem Tier greifen, es festhalten, wie es wohl der Programmierung der Mikropositronik entsprach, welche das Feld steuerte. Es genügte, um Shakers empfindliche Sinne in Aufruhr zu versetzen.

Und dann brach die Hölle los.

Shaker schrie, wie Dean/Monkey ihn noch nie schreien gehört hatte. Das letzte, was er sah, war seine meterlange Zunge, die aus dem offenstehenden Maul schoss. Sie wirbelte durch die Luft, winzige Überladungsblitze leckten über die Spitze.

Dann fuhr die Zunge auf ihn nieder. Sie landete in seinem Gesicht, direkt auf den Augen. Etwas knallte, der Geruch verschmorter Kabel machte sich breit.

Übergangslos versank die Welt wieder in Dunkelheit, erlosch das grelle Licht, dass ihn so gequält hatte. Schmerz überrollte ihn, heiß, stechend, jede andere Empfindung verdrängend. Er riss die Arme empor, fuhr sich ins Gesicht, betastete seine Augenhöhlen. Seine Finger fuhren in etwas weiches, feuchtes – dort, wo seine Lider hätten sein sollen, befand sich nur noch eine breiige, warme Masse. Blankes Entsetzen mischte sich in Dean/Monkeys Qualen, und er begann zu brüllen, trotz der Heiserkeit, sich wild hin und her zu wälzen. Irgendwo am Rande seines Bewusstseins stellte er fest, dass das Fesselfeld erloschen war. Shaker musste den Projektor zerstört haben, nun war der Okrill verschwunden.

Dean/Monkey rollte von der Liege. Nichts bremste seinen Fall, als er einmal mehr der Länge nach hinabstürzte, aufprallte und sich am Boden wälzte, halb besinnungslos vor Schmerz und Panik. Sein Atem ging stoßweise, die Schreie lösten sich in rhythmischen Wellen aus seiner Kehle, er war unfähig sie zu kontrollieren. Heiß rann das Adrenalin durch seine Adern. Es brachte ihn vollständig ins Hier und Jetzt zurück, neutralisierte die letzten Reste der Betäubungsmittel, welche die heimtückischen Mediziner ihm verabreicht haben mussten.

Erst in diesem Augenblick bemerkte er zwei Dinge. Er war nicht der einzige, der schrie. Und er konnte noch immer sehen.

Es war kein Sehen, wie er es kannte, vielmehr ein Ahnen, wie eine lebhafte Fantasie, die vor seinem inneren Auge erschien. Die Farben waren falsch, waren ins Blaue verschoben, und er erkannte Details, die er niemals zuvor wahrgenommen hatte. Auch die Perspektive stimmte nicht. Ihm war, als stünde er etwa einen Meter über dem Boden, als sähe er zu den Ara-Forschern auf, und diese, mit schreckgeweiteten Gesichtern und verzerrten Minen, zu ihm hinab. Ein langer, roter Muskel zuckte aus seinem Mund, fegte einen der beiden Mediziner von den Beinen. Dieser stürzte mit dem Kopf gegen den Käfig, sein Hals bog sich in unnatürlichem Winkel. Es knackste, dann blieb der Mann reglos liegen. Ein dünner Faden roter Flüssigkeit rann ihm über die Schläfe.

Shaker!, erkannte Dean/Monkey, in einem Moment der Klarheit. Er sah mit den Augen des Okrills, erkannte durch dessen Infrarotsicht, wie er dem zweiten Ara nachsetzte. Es dauerte einen Moment, bis er seine Überraschung verwunden hatte. Sicher, er hatte gehört, dass einige Oxtorner eine so enge Beziehung zu ihrem Tier entwickelten, dass sie die Fähigkeit besaßen durch dessen Augen zu sehen. Der berühmte Omar Hawk sollte dies gekonnt haben. Eine Art Instinkttelepathie. Bislang hatte Dean/Monkey dies immer ins Reich der Legenden verbannt. War es das, was gerade vor sich ging? Hatte er dies schon immer gekonnt, aber nicht wahrgenommen weil seine eigenen Sinneseindrücke die Einblendungen des Okrill überlagert hatten? Oder war dies eine Folge der genetischen Manipulation? Möglich war beides.

Auch der zweite Ara hatte keine Chance gegen den Angriff des Amphibienwesens. Der Okrill benutzte noch nicht einmal seine Zunge, er sprang ihn einfach an, aus dem Stand. Fünf seiner sechs Beine gruben sich in den Rücken des Fliehenden, das sechste fuhr ihm in den Nacken. Als sei das noch nicht genug, um ihm das Genick zu brechen, umschloss er den Hinterkopf des Mannes mit den Kiefern. Der Ara hatte den Boden noch nicht berührt, da barst sein Schädel unter dem Druck von Shakers biss. Eine Fontäne roter Feuchtigkeit ergoss sich über seinen Kittel, durch Shakers Augen sah es im Infrarotlicht aus als würde der Blutschwall leuchten. Kleine, weiße Fetzen waren in die Fontäne eingebettet. Dean/Monkey versuchte, den Blick abzuwenden, um das grauenvolle nicht sehen zu müssen. Doch es war nicht sein Blick, und der Okrill schaute nicht weg sondern versenkte die Zähne in den Körper des Toten, wieder und wieder, wie um sich für die Experimente und seine Gefangenschaft zu rächen. Warum haben die Aras Shaker nicht auch betäubt?, fuhr es ihm durch den Sinn. Leichtsinn? Arroganz? Er würde es nie erfahren.

»Hii, Shaker«, wollte er rufen, das Tier zum Einhalt bewegen, doch es wurde nur ein stimmloses »Hhhh« daraus. Shaker reagierte nicht. Er musste mit ansehen, wie der Tote sich zu einen Klumpen blutigen Fleisches verwandelte, und eine neue Welle des Schmerzes überwältigte ihn, als er an seine eigene Verletzung dachte. Bebend stützte er sich auf die Arme, versuchte, sich aufzurichten. Er würgte. Mehr Nährflüssigkeit floss aus seinem Mund, obwohl er geglaubt hatte schon alles ausgekotzt zu haben. Sie vermischte sich mit seinem Blut. Die Wunde, die Shaker ihm geschlagen hatte, blutete indes nicht so stark, wie er befürchtet hatte. Vermutlich hatte die Elektrizität der Okrill-Zunge sie sofort kauterisiert. Das hieß, er würde eine Weile überleben. Wenn ihm die Flucht gelang.

Der Okrill ließ von seinem Opfer ab, streckte den Kopf in die Höhe. Er schnüffelte. Dean/Monkey kannte diese Geste, sie bedeutete nichts Gutes. Das Tier war im Blutrausch, es hatte einmal getötet, es würde es wieder tun. Schlimmer: Es hatte seinen Meister angegriffen. Als sei er ein Fremder. Ob Shaker ihn je wieder anerkennen würde?

Der Okrill kam auf ihn zu, langsam, lauernd. Dean/Monkey sah sich selbst durch die Augen des Raubtiers, wie er auf dem Boden lag, noch immer nackt, sich vor Schmerzen windend. Shakers schuppige Haut streifte seinen Rücken, es fühlte sich rau an. Sekundenlang hing die Zunge drohend aus Shakers Maul, zuckte hin und her.

»Tu es«, hauchte er resigniert. »Bring es hinter dich.« Es würde nur ein kurzes Muskelzucken brauchen, und das Organ würde emporschnellen, ihn treffen, unter Strom setzen. In seinem geschwächten Zustand würde der Schlag ihn töten, kein Zweifel. Dean/Monkey spürte, wie sich eine Gänsehaut anbahnte. Auch das, ein unnützer Reflex. Wie alle Oxtorner war er ohne Körperbehaarung geboren.

Dean/Monkey hielt den Atem an, und während er langsam die Sekunden zählte, schloss er mit dem Leben ab. Dies war nicht das Tier, das er kannte, das er großgezogen hatte. Die Experimente hatten es verändert. Shaker war unberechenbar geworden, ein Risiko. Er würde sich von seinen Instinkten leiten lassen und ihn töten. Es war aus.

Doch das Wunder geschah. Der Okrill beruhigte sich. Die Zunge verschwand im Maul, stattdessen stupste er den Oxtorner mit der Nasenspitze an, grunzte zufrieden.

Und dann nieste er. Feucht klatschte der Schnodder gegen Dean/Monkeys Haut, und er hätte vor Freude darüber weinen können. Denn ein niesender Okrill, das war einer, der sich wohl fühlte. Shaker war wieder der Alte – zumindest vorerst.

Dean/Monkey dachte nicht lange nach, er musste die Gunst der Stunde nutzen bevor der Okrill es sich noch einmal anders überlegte. Er rappelte sich auf, stützte sich auf den breiten Rücken des Raubtieres.

»Zum Hangar, Shaker«, flüsterte er ihm zu. »Bring mich zu einem Gleiter.« Der Okrill kannte den Weg, schließlich waren sie gemeinsam angekommen. Nun würde er ihm seine Augen leihen, ihm mit der Instinkttelepathie den Weg weisen. Und wenn er den Gleiter erst gestartet hatte, würde der syntronische Autopilot ihn sicher nach Terra bringen. Und dort würde die Öffentlichkeit von AX823P, von Mordred und den Machenschaften Trybwaters und McNairs erfahren. Wenn alles gut ging.

Monkey richtete sich auf, und diesmal, endlich, spürte Dean, wie sein Bewusstsein sich von dem des Oxtorners löste.

Ich bin Will Dean, dachte er, als sei es etwas, das er vor langer Zeit vergessen hatte. Ich bin nicht Monkey.

Während der Oxtorner seine Flucht antrat, halb gehend, halb auf Shakers Rücken gestützt, entfernte der Terraner sich mehr und mehr von ihm – bis er sich dicht unter der Wasseroberfläche wieder fand, die seine Bewusstlosigkeit symbolisierte. Er machte einen letzten Schwimmzug, dann durchstieß er das Wasser.

Es war Zeit, aufzuwachen.

 

Epilog

»Trybwater«, rief Will Dean, und seine Lider hörten auf, zu flattern. Zögernd berührte Sam ihn an der Hand, unschlüssig, was zu tun war. Seit anderthalb Stunden wälzte der TLD-Agent sich nun schon hin und her, murmelte zusammenhanglos vor sich hin, offenbar gefangen in seiner implantierten Erinnerung. Der Erinnerung eines Mannes namens Monkey, soviel hatte Sam sich aus den gestammelten Satzfragmenten zurecht reimen können.

Die Berührung schien den Terraner zu beruhigen. Sam ließ los und trat von der Couch zurück. Inzwischen befanden sie sich in dem Quartier, das die Springerin ihm und seinen Begleitern zugewiesen hatte, wie es der Plan gewesen war. Kellonda hatte den Bewusstlosen auf der Couch abgelegt und den Boden davor notdürftig mit Kissen gepolstert, damit er sich nicht verletzen konnte, sollte er herunter fallen. Unruhig linste Sam zur Wanduhr hinüber. Tyler und Japar waren noch nicht wieder aufgetaucht, waren offenbar noch immer damit beschäftigt den Peepsie im Auftrag der Mehandor von der BASIS zu schmuggeln. Die Springerin selbst machte sich seit gut einer Stunde ebenfalls rar. Wichtige Geschäfte würden auf sie warten, wie sie betont hatte. Sam war es gleich, die größte Gefahr war wohl vorüber. Es war die Rastlosigkeit, die ihm zu schaffen machte. Ein bewusstloser Terraner war nicht gerade unterhaltsame Gesellschaft.

»Ich bin wach«, hörte er diesen in just jenem Augenblick sagen, und Sam erschrak. Er hatte schon nicht mehr mit einem baldigen Erwachen gerechnet, sich unbewusst bereits auf eine längere Wartezeit eingestellt. Umso mehr freute es ihn, dass Will Dean endlich die Augen öffnete. Umständlich setzte der TLD-Agent sich auf und streckte sich. Er wirkte entspannt, als hätte er nur ein kurzes Nickerchen gemacht. Als er sich dann jedoch umsah, nahm sein Gesicht einen gehetzten Ausdruck an.

»Das ist nicht mein Quartier«, stellte er schließlich fest, dann erblickte er Sam. »Dich kenne ich.« Mehrmals fuhr er sich mit den Fingerspitzen über die Lippen, schien zu überlegen. Dann tippte er sich gegen die Stirn, wie um sich für sein schlechtes Gedächtnis zu bestrafen. »Sam«, sagte er. »Der Somer. Adams Spion. Es ist lange her, fürchte ich.«

»Lange«, machte Sam gedehnt. Sein Kopfgefieder sträubte sich. Kurzentschlossen lief er zur Zimmerbar hinüber, angelte ein Glas aus dem Regal dahinter. Während an den Servo trat und dem Terraner einen Schluck Wasser einschenkte, fragte er: »Wo waren Sie in diesen letzten Minuten, Will Dean? Was haben Sie in Ihrer Phantasie erlebt, welche Erinnerungen durcheilt?«

»Minuten«, echote der Terraner wehmütig, und auch ein wenig entsetzt. Dann lachte er auf. Es klang spröde, wie Steinplatten, die aufeinander rieben. »Es waren Tage für mich. Wochen vielleicht.« Er schüttelte den Kopf. »Schwer zu sagen. Ich hatte kein Zeitgefühl.«

»Sie redeten unentwegt, während ihrer ... Vision.«

Sam kehrte zur Couch zurück, drückte ihm das Glas in die Hand. Dankbar nahm Dean es entgegen. Zugleich warf er dem Somer einen undefinierbaren Blick zu.

»Wer ist diese Person namens Monkey?«, bedrängte Sam ihn. »Sie erwähnten seinen Namen. Was haben sie durch ihn erlebt?«

»Monkey ...«

Nur langsam schien der Terraner sich in seine Wirklichkeit zurück zu finden. Stockend und mit knappen Worten berichtete er aus den Erinnerungen des Oxtorners, von seinen Erlebnissen auf dem Asteroiden AX823P und alles was er dadurch erfahren hatte. Er erzählte Sam von den Zusammenhängen zwischen der Abteilung Null, Trybwater und McNair, und damit auch der Mordred. Als er beim Ausbruch des Okrills Shaker und dem Verlust von Monkeys Augen angelangt war, machte er eine kurze Pause und nahm einen tiefen, gierigen Schluck aus dem Wasserglas, bevor er schloss:

»Schließlich gelang Monkey die Flucht. Auf Terra ersetzte man seine Augen durch SAC-Kameraimplantate, weil sein genmanipulierter Körper alle nachgezüchteten Implantate abstieß. Shaker wurde in ein Gehege gebracht, wo er vermutlich heute noch ist. Nach Monkeys Genesung erkannte der Okrill ihn nicht mehr als Herrn an.«

»Das beantwortet meine Frage nicht. Wer ist überhaupt dieser Monkey?«

»Oh«, machte Dean. »Ein TLD-Agent. Er diente früher unter der dubiosen Abteilung Null. 1289 war Monkey im TLD-Tower, in Alashan …«

»Verstehe. Und was ist mit McNair geschehen?«

Dean hielt sich an seinem Glas fest, starrte in die Flüssigkeit, als könnte er dort die Antwort auf Sams Frage finden. Schließlich nahm er einen zweiten Schluck und stellte das geleerte Trinkgefäß vor sich auf den Couchtisch. Er räusperte sich.

»Die Erinnerung wird unklar an dieser Stelle«, antwortete er. »Ein Sondereinsatzkommando des TLD wurde nach AX823P geschickt, sollte den Asteroiden ausheben.« Er machte eine unbestimmte Geste. »Sie fanden nichts. Der Vogel war ausgeflogen. Wenn ich mir den Scherz erlauben darf.«

Keck blinzelte er dem Somer zu, und dieser atmete beruhigt durch. Da war er wieder, der Schalk, der ihm schon zuvor bei dem Agenten aufgefallen war. Er schien sich rasch zu erholen, wurde immer mehr er selbst. Das war tröstlich.

»So fahren Sie doch fort«, forderte Sam, dem trotz allem nicht der Sinn nach terranischen Redensarten und Wortspielen stand.

»Es wird vager und vager«, entgegnete der TLD-Agent. »Reichmann muss Gia de Moleon damit erpresst haben, die Öffentlichkeit über Abteilung Null zu informieren, wenn irgendetwas über Monkeys Einsatz auf AX823P bekannt würde.«

»Diese schändliche Geschichte wurde also – unter den Tisch gekehrt?«, fragte Sam nach, verfiel dabei unabsichtlich ebenfalls auf eine terranische Redensart. Will Dean nickte.

»Ein unerhörter Vorgang. Unerhört genug für die TLD-Chefin, sich abzusichern. Die Wahrheit irgendwo zu hinterlegen, wo kein Datenspezialist sie löschen konnte.« Er tippte sich gegen die Schläfe, mit einem Ausdruck, den Sam als Mischung von Stolz und verletztem Ehrgefühl interpretierte: »Ich war offenbar dieses Backup. Jedenfalls wurde die Abteilung Null auf Befehl von Paola Daschmagan 1282 aufgelöst. Was aus Reichmann und Trybwater wurde, weiß ich nicht. Michael Shorne wurde deswegen jedenfalls nicht belangt.«

Sam setzte zu einer Antwort an. Doch bevor er auch nur den Schnabel öffnen konnte, erhellte ein Lichtblitz die Suite. Der Blitz raste auf ihn zu, traf ihn voll und fegte ihn von den Beinen. Das Feuer eines Schockers, erkannte er, und doch weigerte sein Hirn sich zu verstehen was da geschah. Es blitzte ein zweites Mal, diesmal wurde Will Dean getroffen.

Aus, dachte er, während er gefällt zu Boden ging, sie haben uns.

Das letzte was er sah, war eine furchtbare Gestalt, die sich aus einem Deflektorfeld schälte – derselbe Trick, den Dean zuvor angewendet hatte. Schon zum zweiten Mal fiel er darauf herein. Sam nahm den Schrecken mit in die Schwärze, die ihn umfing.

ENDE

 

 

Wie es auf der BASIS mit Sam und Will Dean weitergeht, schildert Aki Alexandra Nofftz in Band 20 »Casino BASIS«.

 

 

 

 

DORGON-Kommentar

Die Mordred scheint bereits länger aktiv zu sein, als wir bisher vermutet haben. Dass die Terrororganisation Freunde in Hohen Ämtern besitzt, wissen wir bereits. Doch, dass nun auch der TLD selbst darin verstrickt ist, ist sehr beunruhigend.

Die Abteilung Null – welche von der Ersten Terranerin Paola Daschmagan geschlossen wurde – war in genetischen Experimenten involviert. Offenbar war die Shorne Industries mit diesem Projekt beauftragt. Das allein ist ›nur‹ moralisch verwerflich, doch wer sagt, dass Geheimdienste einer Moral unterworfen sind?

Bei den Experimenten starben viele Hybriden. Hier nun hätte der TLD spätestens einschreiten müssen. Doch die Abteilung Null genoss offenbar volle Freiheiten und Walter Reichmann, der geheimnisvolle Chef dieser Abteilung, schien doppeltes Spiel zu treiben, da die Mordred daran mitwirkte.

Nur dank der Flucht von Monkey, dem zu dieser Zeit noch unbekannten TLD-Agenten der Abteilung Null, wurde dieses Komplott aufgedeckt.

Die Konsequenzen im Herbst des Jahres 1283 NGZ waren jedoch recht mild. Monkey und de Moleon schwiegen. Immerhin sicherten sich Moleon und Monkey mit einem menschlichen Backup in Form von Will Dean ab, dem die Erinnerungen von Monkey übertragen wurden.

Die Shorne Industries opferte ihren CSO McNair. Shorne war zu mächtig und zu wertvoll für die terranische Wirtschaft. Die Mashratan-Affäre hatte ihm bereits sehr geschadet.

Daschmagan verbot die Abteilung Null. Reichmann verschwand von der Bildfläche, Reynar Trybwater wurde entlassen und ging in die freie Wirtschaft. Andere TLD-Agenten der Abteilung Null wurden weit, weit in entfernte Sonnensysteme versetzt. Zu peinlich war der LFT dieses Kapitel, als dass es an die Öffentlichkeit gelangen sollte.

Doch eine Tatsache wurde völlig ignoriert: Die Interessen dieser Gruppierung an einem Reich der Lemurer, die am Rande erwähnt wurde. Es scheint, als würde dieses Motiv auch Ansporn für die Mordred sein. Ob dieser Walter Reichmann Rhifa Hun, der Anführer der Mordred ist?

Nils Hirseland

 

 

 

GLOSSAR

Abteilung Null

Aus der Perrypedia:

Die Abteilung Null war eine streng geheime Abteilung des Terranischen Liga Dienstes (TLD).

Die Abteilung wurde Mitte des 13. Jahrhunderts NGZ im Zuge der zunehmenden politischen und militärischen Zuspitzung zwischen den Machtblöcken der Milchstraße gegründet.

Ihre Aufgabe bestand darin, hochqualifizierte Killer auszubilden – sogenannte »Königsmörder« – die bei Bedarf feindliche Regierungsspitzen ermorden sollten.

Die Abteilung Null wurde unter Paola Daschmagans Regierung wieder aufgelöst.

In DORGON:

Der Chef der Abteilung hieß Walter Reichmann. Viel ist über ihn nicht bekannt, außer, dass er offenbar zu einem Zirkel von Befürwortern eines Lemuria-Reiches gehörte und die Mordred in verdeckte Operationen der Abteilung Null involvierte.

Auf einem Asteroiden in dem Solsystem wurden brutale Forschungen durchgeführt. Es wurden Hybriden gezüchtet, die als Supersoldaten fungieren sollten. Ausgerechnet der TLD-Agent Monkey wurde selbst Opfer und verlor hierbei seine Augen. Monkey konnte fliehen und berichtete de Moleon, die erst einmal den Deckmantel des Schweigens darüber hüllte und aus Gründen der nationalen Sicherheit die Öffentlichkeit nicht informierte. Allerdings blieben die Machenschaften der Ersten Terranerin nicht verborgen. Zwar teilte Daschmagan die Ansicht von de Moleon, doch sie verbot die Abteilung Null im Herbst 1283 NGZ.

Monkey

Aus der Perrypedia:

Monkey (* 29. Januar 1243 NGZ auf Oxtorne) ist ein geheimdienstlich ausgebildeter Oxtorner, der seit Januar

Eigenen Angaben zufolge ist »Monkey« kein Spitzname oder Pseudonym, sondern der Name, den seine Eltern ihm gaben. Er ist davon überzeugt, dass die Bedeutung dieses Namens in einer altterranischen Sprache, von der er selbst erst spät erfuhr, seinen Eltern unbekannt war. Weitere Informationen über Monkeys Familie, seine Kindheit und Jugend liegen nicht vor.

Monkey gehört zu dem Volk der Oxtorner. Er ist 1,99 Meter groß, seine Schulterbreite beträgt 1,20 Meter. Er hat keine Körperbehaarung (wie alle Oxtorner), und olivfarbene Haut. Er wiegt mehr als 750 kg. Anstelle der Augen trägt er zwei anthrazitfarbene SAC-Implantate. (PR 2512)

Er ist ein Einzelgänger, verschlossen, wortkarg, gefühlskalt und völlig humorlos.

Der TLD-Agent:

Wie alle Oxtorner war Monkey durch seinen an eine extreme Umwelt angepassten Metabolismus eine lebende Kampfmaschine. Als Mitglied des Terranischen Liga-Dienstes war er einige Zeit Angehöriger der berüchtigten Abteilung Null. Nach eigener Aussage kam er zwar nie zum Einsatz, dennoch ging die Ausbildung zum Killer nicht spurlos an ihm vorbei. Seit dieser Zeit träumte Monkey in jeder Nacht vom Töten.

Während seiner Dienstzeit erlitt Monkey einen schweren Unfall, über den er mit niemandem sprach. Bei diesem Unfall verlor er beide Augen. Durch seinen extrem widerstandsfähigen oxtornischen Metabolismus war es nicht möglich, den Verlust durch biologisch gleichwertige Replikate auszugleichen. Stattdessen trug Monkey nun zwei schwarze Kameraobjektive. Es handelte sich dabei um Spezialanfertigungen des TLD, die aus SAC bestanden und auf Swoofon angefertigt wurden. Diese künstlichen Augen ermöglichten Monkey neben der Normalsicht ein Umschalten auf Teleskop-, Mikroskop- oder Infrarot-Modus. Angeschlossen an die Objektive war ein Speichermodul, dessen Speicherkapazität etwa 2000 Tage betrug. Monkey konnte somit bereits gesehene Ereignisse aus diesem Zeitraum bei Bedarf erneut abrufen und betrachten. Im Falle seines Todes war selbstverständlich auch eine externe Auslesung des Speichers möglich.

Kurz nach dem Verlust seiner Augen musste Monkey einen weiteren Schicksalsschlag hinnehmen, der ihn mindestens ebenso hart traf. Als er nach seiner Entlassung aus der Klinik erstmals nach Hause zurückkehrte und seinen Okrill Shaker aufsuchte, den er in einem großen Gehege zurückgelassen hatte, erkannte ihn das Tier nicht mehr als seinen Herrn an - ein bisher einmaliger Fall in der oxtornischen Geschichte. Monkey blieb keine andere Wahl, als Shaker in die Freiheit zu entlassen.

Als im Oktober 1289 NGZ durch Sabotage am Heliotischen Bollwerk der Terrania-Stadtteil Alashan nach DaGlausch versetzt wurde, befand sich Monkey im TLD-Tower und machte den Transfer mit.

Im April 1290 NGZ verließ Monkey Alashan im Auftrag Gia de Moleons. Zusammen mit zwei anderen TLD-Agenten begleitete er Perry Rhodan, Reginald Bull, Mondra Diamond und Tautmo Aagenfelt nach Zophengorn. Seine Aufgabe bestand darin, darauf zu achten, dass die Expedition nicht gegen die Interessen der Nation Alashan verstieß.

Im Zeichen Thoregons:

Ende Juli 1290 NGZ war Monkey einer von 1000 TLD-Agenten, mit denen Perry Rhodan auf Century I die THOREGON SECHS von Shabazza zurückeroberte. Als das Hantelschiff am 21. August DaGlausch mit dem Flugziel Gorhoon verließ, gehörte auch Monkey zu seiner neuen Besatzung. Auf dem Flug wurde er zum Leiter der Abteilung Außenoperationen im Rang eines Oberstleutnants ernannt.

In DORGON:

Monkey wird 1283 NGZ Opfer einer Verschwörung seiner eigenen Abteilung Null. Er soll genetisch verändert werden, kann jedoch entkommen. Jedoch verliert er seine Augen. Als Folge dessen wird die Abteilung Null geschlossen.

Sco-Chii

Sco-Chii entstammt dem Volk der Heeninniyer, besser bekannt als Peepsies. Er ist Informationshändler auf der BASIS und versteht sein Fach.

1290 NGZ wird er zuerst von Sam und dann von Will Dean vor Agenten der Mordred gerettet. Zum Dank gibt Sco-Chii einige Informationen über die Verbindungen zwischen der Mordred und den Galactic Guardians preis. Um ihn vor weiteren Übergriffen zu retten, wird er von Sam Tyler und Japar von der BASIS an einen sicheren Ort gebracht.

Kellonda

Kellonda ist eine Mehandor. Sie trägt eine Phantasieuniform mit Plastikorden. Im Jahre 1290 NGZ hilft sie Sam, Tyler und Japar auf der BASIS an Informationen zu gelangen. Die Springerin ist plump, laut und hegt einen Groll gegen Japar, mit dem sie früher eine Liebschaft hatte.

Sie geht davon aus, dass Sam ein Waffenhändler ist und erhofft sich so auch ein gutes Geschäft.


Die DORGON-Serie ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.  —  Copyright © 1999-2014

Internet: www.proc.org & www.dorgon.netE-Mail: proc@proc.org

Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf

— Special-Edition Band 19, veröffentlicht am 09.10.2014

Titelillustration: Raimund PeterLektorat: Nils Hirseland, Jürgen Freier und Jürgen SeelDigitale Formate: Jürgen Seel