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D O R G O N

Fan-Projekt des Perry Rhodan Online Clubs

 

MORDRED-ZYKLUS

Band 10

 

Nils Hirseland

Titelbild von Stefan Lechner

Duell der Arkoniden

Atlan gegen Mindros und längst Totgeglaubte kehren zurück

 

Was bisher geschah

Wir schreiben den Juni 1290 NGZ. Viereinhalb Jahre sind seit dem Untergang des Luxusraumschiffes LONDON vergangen. In einer Zeit, in der die Milchstraße von Tolkandern und Dscherro heimgesucht wurde und drohende Gefahren noch kommen werden, hat die Shorne Industries Gesellschaft eine zweite LONDON gebaut.

Das neue, moderne Luxusraumschiff soll die Galaktiker von den Katastrophen ablenken und den Mythos um die zerstörte LONDON finanziell ausschlachten.

Doch obwohl es Michael Shorne gelingt, Überlebende der einstigen Katastrophe für den Jungfernflug der LONDON zu gewinnen, hat sich das Projekt Feinde geschaffen. Der erste Flug steht unter keinem guten Stern. Der arkonidische Mascant Prothon da Mindros bereitet die Entführung vor. Atlan versucht, das zu verhindern. Es ist das DUELL DER ARKONIDEN ...

Hauptpersonen

Atlan – Der unsterbliche Arkonide muss die LONDON II vor einem Artgenossen retten

Rosan Orbanashol – Die attraktive Arkonidin ist wider Willen auf der LONDON II

Wyll Nordment – Der Camelot-Agent verweigert aus Liebe Befehle

Mascant Prothon da Mindros – Der arkonidische Admiral wird vom Hass geleitet

Remus und Uthe Scorbit – Das junge Pärchen will eigentlich nur eine Kreuzfahrt machen

Michael Shorne – Der Milliardär lässt den Mythos der LONDON neu aufleben

Joak Cascal und Sandal Tolk – Veteranen aus dem Solaren Imperium

Attakus Orbanashol, Karl-Adolf und Ottilie Braunhauer, Gol Shanning, Franc Kowsky, Traros Polat und Hajun Jenmuhs – Passagiere der LONDON II

 

 

 

 

1. Tag der Freiheit, oder?

20. Juni 1290 NGZ, Freiheitstag

Das Fest der Freiheit war angebrochen. Die meisten Galaktiker waren in feierlicher Stimmung.

Michael Shorne hatte um 18:00 Uhr zum großen Feiertagsessen mit anschließender Bühnenshow aufgerufen. Dort wurde dann die Feiertagsstory nachgespielt. Es ging dabei um den Trick Atlans, den Vario 500-Roboter anstelle Rhodans zur Begegnung mit Monos zu senden. Die skurrile Gruppe Flufflaff wollte eine neu interpretierte, humoristische Version der Geschichte vorführen.

Der Kapitänstisch war diesmal mit Michael Shorne am einen und mit Roy Cheidar am anderen Kopfende besetzt. Rechts neben Shorne saßen Thomas Zchmitt, Attakus Orbanashol, Hajun Jenmuhs, Trg’arg Gyl und Flocky Tar Faw. Auf der anderen Seite saßen Rosan, Franc Kowsky, Thalia da Zoltral, Hanny ter Padua und Eireen Monhar. Die Kapelle spielte ausgelassene Lieder und sorgte für eine ebenso ausgelassene Stimmung.

An einem anderen Tisch saßen das Ehepaar Braunhauer, Traros Polat und der Terraner Remus Scorbit. Der hochgewachsene, junge Terraner trug kurze, dunkelbraune Haare. Scorbit war an Bord der LONDON II gekommen, um zu vergessen. Er hatte einen schweren Fehler begangen und dabei seine Frau so verletzt, dass sie ihn verlassen hatte.

Diesen Verlust hatte er noch nicht überwunden. Die Braunhauers trugen jedoch auch nicht zu seiner Besserung bei. Akribisch sortierten sie ihre Tabletten, welche sie vor jeder Mahlzeit nehmen sollten. Etwa ein Dutzend verschiedener Kapseln lagen auf dem Tisch, welche Karl-Adolf und Ottilie nach und nach schluckten. Frau Braunhauer hatte zudem bereits etlichen Vurguzz in sich hineingeschüttet.

Eigentlich hatte sich Remus Scorbit die Flasche bestellt, um das traurige Freiheitsfest mit vernebelten Sinnen zu bestreiten, doch bisher hatte er nur ein Glas von der grünen Flüssigkeit abbekommen. Der Redefluss der alten Terranerin nahm, bedingt durch den Alkohol, stark zu.

»Wisst ihr, Weihnachten im Jahre 1144 war ja alles ganz anders als heute. Damals lag die Erde in Trümmern, wegen diesem, diesem ... Stereo oder wie der hieß, oder Monoton oder so in der Art. Na auf jeden Fall hatte Oma Ella damals die Idee, Grünkohl zu Weihnachten zu machen. Das müsst ihr euch mal vorstellen! Grünkohl zu Weihnachten. Also wirklich, Grünkohl zu ... zu ... na diesem Feiertag eben.«

»Du meinst Weihnachten 1147, Ottilie. Monos wurde 1147 gestürzt, daher feiern wir doch den Tag heute«, warf Karl-Adolf genervt ein. »Ich war dabei! Bei der Widder-Gruppe!«, fügte er mit geschwellter Brust hinzu.

»Ach naja, ist ja auch egal wann es war ...«, meinte Ottilie gelangweilt. Dann blickte sie Polat, Scorbit und ihren Mann verdutzt an. Sie wollte ihr Weinglas greifen, stieß es aber aus Versehen um.

»Wie peinlich.«

Hastig wischte sie die Flüssigkeit weg, dann fuhr sie ihren historischen Bericht fort: »Naja, auf jeden Fall war es Weihnachten bei diesem Monos. Aber feiern wir heute kein Weihnachten?«

Traros Polat bebte innerlich. Er verspürte starke Kopfschmerzen und fühlte sich im Vorstadium zu einer Drangwäsche, doch Ottilie Braunhauer schien dies nicht zu bemerken. Sie führte erschöpfend die antike Geschichte weiter aus.

»Na ja, dann kam die Inge Bohmar – sehr fein angezogen – in diesem Kleid. Ich stand jedoch da, mit der Küchenschürze, weil Oma Ella ja Grünkohl kochen wollte! Mir war das ja sooo peinlich, das kann man sich gar nicht vorstellen! So etwas von peinlich.«

Der Haluter gab ein lautes Grunzen von sich. Seine Selbstbeherrschung hatte langsam die Grenzen erreicht. Seit dem ersten Tag der Reise ging ihm das terranische Ehepaar auf die Nerven. Bei allem Verständnis für die Mitteilsamkeit alter Menschen, er war inzwischen am Ende seiner Toleranzschwelle angekommen.

»Warum bist du denn so nervös? Willst du auch ein paar Tablettchen oder einen Vurguzzchen nehmen?«, fragte Ottilie den Haluter.

»Ich danke Ihnen, aber mir geht es gut!«, brachte er stockend hervor.

»Ach, naja, uns geht es auch nicht so gut. Unsere Tochter hat ja jemanden aus Plophos geheiratet. Einen mittellosen und kranken Mann. Dafür hat sie alles hier aufgegeben. Das nimmt uns auch so mit. Wir haben ja alles für sie getan. Und sie hatte doch eine so glückliche Kindheit.

Aber unsere andere Tochter, die Judta ... ja, das ist ein prächtiges Mädchen. Sie hat ja den Diethar Mykke geheiratet. Kennen Sie den?«

»Nein«, brummte Polat unwillig.

»Und Sie?«, wollte Ottilie von Remus wissen.

Dieser schüttelte den Kopf.

»Nö ...«

»Ach naja, der ist ein ganz bekannter Beamter in Terrania City. Er ist ja sooo fleißig und klug ...«.

Ein Gataser fing inzwischen an, einige Hymnen zu trällern. Karl-Adolf Braunhauer fing an zu weinen. Remus Scorbit legte beruhigend seinen Arm auf dessen Schulter.

»So schrecklich ist das Lied nun auch wieder nicht«, meinte er aufmunternd.

»Ach, es ist wegen meiner Tochter. Wie konnte sie nur? Wir sind so arm dran«, sprach der alte Mann melancholisch.

Er fasste sich mit der einen Hand an die Schläfe und mit der anderen Hand an die Brust. Sein Gesicht verriet gut gespieltes Leid. Dann sah er erschreckt hoch.

»Vatichen, was hast du denn?«

»Ach Ottilie, ich war doch gerade eben erst auf der Toilette und nun ist es einfach wieder ausgelaufen«, sagte er mit weinerlicher Stimme.

»Ihr müsst wissen, mein Mann ist inkognito ... oder inkognitent ... naja, die Blase macht nicht mehr so mit, wie damals. So ist das eben im Alter. Wir sind alt.«

Auch Scorbit konnte inzwischen das Gejammer der Leute nicht mehr ertragen. Er hatte sich vorgenommen, das Fest trotz seiner Trennung von Uthe besinnlich zu begehen, doch hatten die Braunhauers seine Bemühungen innerhalb von nur dreißig Minuten völlig zunichtegemacht.

Was Remus jedoch nicht ahnte, war, dass seine Frau auch auf der LONDON war. Sie wollte sich mit ihrem Mann wieder aussöhnen und ihm eine neue Chance geben. Dafür wollte sie allerdings bis zum Freiheitstag warten. Bis dahin versuchte sie, ihm aus dem Weg zu gehen und genoss die Reise und die momentane Unabhängigkeit.

*

Prothon da Mindros betrat den Speisesaal. Er war allein und marschierte direkt zum Kapitänstisch. Thalia da Zoltral stand auf und salutierte vor dem Mascanten. Sie war völlig überrascht, ihn hier anzutreffen, doch es war eine große Ehre. Sie machte sofort Platz für den Admiral der Kristallflotte und stellte ihm die anderen Personen vor.

Michael Shorne war etwas verwundert und irritiert, dass Thalia es vorzog, an einem anderen Tisch zu speisen. Seine Versuche sie herumzubekommen, waren bis jetzt fruchtlos geblieben, doch das bedeutete ihm nur einen Zeitvertreib für nebenbei.

»Ich heiße dich herzlich willkommen, Admiral«, begrüßte ihn Shorne.

»Danke«, brachte er knapp hervor.

Die Tischkonversation wurde ruhiger. Die düstere Ausstrahlung des Admirals dämpfte die feierliche Stimmung. Rosan fühlte sich schrecklich allein, doch Wyll und Shannig mussten in ihren Kabinen bleiben. Sie erinnerte sich an die Familie von da Mindros. Sie hatten zu den ersten Opfern nach dem Angriff von Rodrom gehört. Mindros Frau und die beiden Kinder waren in den Mannschaftsetagen gefangen gewesen und waren ertrunken. Rosan schwieg. Sie hielt es für unklug, Mindros darauf anzusprechen. Wieso der Mascant jedoch an dieser Kreuzfahrt teilnahm, war ihr schleierhaft. Vielleicht wollte er die letzte Ruhestätte seiner Familie sehen.

Franc Kowsky versuchte, Rosan wieder etwas aufzuheitern. Er hatte eine Demoversion der Gucky-Zeichentrickfilme mitgebracht. Diese brachten Rosan in bessere Stimmung.

»Wir sind voller Bewunderung für seine Kriegskünste«, sprach Hajun Jenmuhs anerkennend in Richtung des Admirals.

Mindros nahm ein Glas und stand auf. Laut rief er: »Für Arkons Macht und Glorie!«

Es folgte ein Moment der Stille, dann standen die Arkoniden geschlossen auf und wiederholten den Trinkspruch.

»Ziemlich unpassend bei einem Freiheitsfest auf die FAMUG anzustoßen«, bemerkte Roy Cheidar zu Eireen Monhar.

Diese war von dem Trinkspruch des Admirals und der Reaktion der Arkoniden auch nicht sonderlich begeistert.

»Admiral Mindros, du machst Urlaub auf der LONDON?«, hakte Cheidar nach. Er misstraute dem Arkoniden gewaltig.

Der Arkonide musterte den Kommandanten der LONDON mit einem kalten, herablassenden Lächeln.

»Ja, das tue ich«, kam seine knappe Antwort.

»Entschuldige, Prothon da Mindros, aber Terza, Carba und Esrana waren auf der ersten LONDON. Ist das der Grund, wieso du mitfliegst?«, fragte Rosan schließlich. Sie hoffte, damit keinen Fehler begangen zu haben. Doch die Reaktion von Mindros sprach Bände.

Der Hüne zerdrückte das Glas, klirrend flogen die Splitter auf den Boden.

»Sie waren auf der LONDON. Sie sind es immer noch«, erklärte er dunkel.

»Ich fühle mit dir. Wir hatten uns noch wenige Stunden vor dem Angriff gesehen. Ich weiß nur zu gut, wie schrecklich der Untergang war«, versuchte Rosan zu erklären. Sie erntete von da Mindros nur einen kalten Blick.

Michael Shorne schlug in die Hände und wünschte allen einen besinnlichen Freiheitstag.

Mindros lächelte kühl.

»Ja, frohen Freiheitstag. Es kann beginnen.«

*

Huck Nagako hatte den wachhabenden Dienst auf der Brücke. Jemand klopfte an die Tür der Zentrale. Verwundert ging einer der Navigatoren heran und öffnete sie. Wer klopfte schon an eine Tür heutzutage?

Vor ihm stand ein Arkonide im Kampfanzug.

»Ja, bitte?«, fragte der Terraner.

»Meine Identifikation ist Orbton Hermon von der Kristallarmee.«

»Ja, und?«

»Wir fordern dich auf, uns die Gewalt über das Raumschiff zu übergeben«, sprach der Offizier.

Der Terraner war etwas verwirrt. »Moment, da muss ich erst einmal meinen Vorgesetzten fragen.«

Hermon fühlte sich auf den Arm genommen. Er holte sein Vibratormesser heraus und packte den Terraner. Mit dem Messer schnitt er schnell die Kehle des Menschen auf. Das Blut spritzte aus der Halsschlagader. Der Terraner gurgelte und röchelte leise, dann brach er leblos zusammen.

Bevor Huck Nagako etwas tun konnte, rannten zehn weitere Arkoniden in die Kommandozentrale und überwältigten brutal die Besatzung. Absichtlich wurden keine Paralysatoren eingesetzt. Die Galaktiker an Bord der LONDON sollten so oder so sterben, da hatte es wenig Sinn sie vorher zu paralysieren.

Die Kommandostation war in die Gewalt der Arkoniden gebracht worden. Eine dementsprechende Mitteilung sendete Hermon per Funk an Orbton Zeronat, der den Maschinenraum und Sicherheitstrakt besetzte.

Etwa vierzig Arkoniden lauerten vor dem Hauptspeisesaal und warteten auf das Zeichen ihres Kommandanten.

*

Ein als Vario-500 verkleideter Mehandor verteilte Geschenke an die Passagiere, passend dazu wurde von der Kapelle »Freude schöner Götterfunken« gespielt. Shorne verstand es glänzend, sich positiv in Szene zu setzen. Die Galaktiker waren ausgelassen und fröhlich.

Ottilie Braunhauer erzählte jedoch weiter ihre uninteressanten Geschichten.

»Ich habe da letztens eine Sendung über die Zentrumspest gesehen. Sehr interessant. Nächste Woche kommt ein Bericht über die PAD-Seuche.«

Polat hörte der Frau gar nicht mehr zu. Er versuchte sich nur noch auf die Feier zu konzentrieren.

Remus Scorbit glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er eine junge und hübsche Frau auf seinen Tisch zukommen sah. Es war tatsächlich seine Frau Uthe. Sie war etwa 1,69 Meter groß, schlank und zierlich gebaut. Ihr langes rotblondes Haar trug sie hochgesteckt. Remus stand auf und wusste nicht, was er tun sollte.

*

Prothon da Mindros stand ebenfalls wieder auf.

»Auch wir haben ein Geschenk für euch, elende Barbaren!«

Shorne blickte den Mascanten verwirrt an.

Mindros gab sein Zeichen und die vierzig Soldaten strömten herein und schossen scharf.

Die feierliche Stimmung schlug in panisches Geschrei um. Die Lebewesen versuchten, irgendwo Deckung zu suchen, brüllten vor Angst oder saßen wie gelähmt auf ihren Plätzen.

Uthe Scorbit warf sich schreiend zu Boden. Ihr Mann rannte so schnell er nur konnte zu ihr und legte schützend seinen Arm um sie. Beide krochen hinter einen umgeworfenen Tisch, um Schutz zu finden.

Ein Kellner aus dem Volk der Blues schrie um Hilfe und bettelte verschont zu werden, doch einer der Arkoniden verbrannte ihn mit einer kurzen Salve seines Thermoblasters.

Die verkohlten Reste des Blues wurden infolge der kinetischen Energie, die durch die kurzen Pulse elektromagnetischer Wellen im Infrarotbereich freigesetzt wurden, gegen einen Servierwagen geschleudert, über den er dann fiel. Doch da war er längst tot.

Das schreckliche Bild wiederholte sich überall im Raum. Die Soldaten schlugen auf die wehrlosen Galaktiker ein.

Traros Polat handelte schnell. Als ein Arkonide sich ihm näherte, verhärtete er seinen Körper. Die Thermopulse prallten ab. Der Haluter raste auf den Arkoniden zu und schlug ihm mit seiner wuchtigen Faust gegen das Brustbein, welches wie ein Streichholz durchbrach. Der Soldat spuckte Blut und fiel zuckend zu Boden.

Zwei Oxtorner leisteten auch ohne Waffen heroischen Widerstand. Dafür hatte Mindros aber bereits seine Vorkehrungen getroffen. Fünfzehn Arkoniden, die durch SERUNs mit aktivierten Schutzschirmen geschützt wurden, stürmten herein. Zuerst umzingelten sie den Haluter.

Mit STOG-Säuregeschossen konnten sie Polat verletzten. Sofort wurde ein Fesselfeld um den Haluter gelegt. Die Oxtorner konnten mehrere Arkoniden töten, doch gegen die Überzahl der SERUN-Träger hatten sie, trotz ihrer enormen Schnelligkeit, ohne Kampfanzüge keine Chance. Erbarmungslos wurden sie mit überschweren Desintegratoren ins Kreuzfeuer genommen und lösten sich in den grünlich schimmernden Waffenstrahlen zu atomarem Feinstaub auf.

Mindros hatte inzwischen Kontrolle in das Chaos gebracht. Die Arkoniden hörten auf zu feuern und trieben die Galaktiker in der Sternenhalle zusammen.

»Feinde des Kristallimperiums«, begann Mindros seine Ansprache, »Die kapitalistischen, kultur- und morallosen Terraner schrecken vor nichts zurück. Sie wollen die heilige Grabstätte dahin gemordeter Bürger des Gos'Tussans entweihen, nur um mehr Profit zu erwirtschaften. Die Blues, Akonen, Topsider und anderes Gewürm helfen ihnen dabei, um den Aufstieg Arkons zu untergraben. Doch damit ist es nun vorbei. Wir schlagen zurück. Es ist an der Zeit, ein Exempel zu statuieren.

Die LONDON II wird zu einem Fanal des Wiederaufstieges des Gos'Tussans zu neuer galaktischen Größe werden und ab sofort ist sie für Arkon requiriert. Die Passagiere und Besatzungsmitglieder, sofern sie nicht für die Gewährleistung der grundlegenden Schiffsfunktionen benötigt werden, werden innerhalb des öffentlichen Bereichs der Sternenhalle interniert. Auf Widerstand steht der Tod.«

Die Proklamation da Mindros flößte jedem im Raum Angst ein. Niemand wusste, was genau dahinter stand. Hatte Arkon dem Rest der Galaxis nun den Krieg erklärt?

»Flucht ist sinnlos. Es gibt kein Entkommen. Verhaltet euch ruhig, dann habt ihr eine Überlebenschance.«

Michael Shorne stand wie unter Schock. Hilfe suchend sah er zu Roy Cheidar herüber, der auch sofort die Initiative übernahm.

»Darf ich das als eine Entführung durch das Kristallimperium verstehen?«, fragte er sogleich.

Der arkonidische Mascant drehte sich um und sah verächtlich auf den Terraner herunter.

»Ihr habt meine Befehle gehört. Handelt danach. Du, Kommandant, trägst die Verantwortung für deine Besatzung. Sie wird weiterhin die technischen und astronautischen Prozesse der LONDON unter meinem Oberbefehl ausüben. Sofern es allerdings zu Sabotageakten oder den geringsten Fällen von Insubordination kommen sollte, bist du dafür verantwortlich und wirst bestraft. Die Strafe für jede Art von Widerstand gegen mich und meine Kommandoeinheit wird in jedem Falle die Hinrichtung sein. Denkt immer daran und handelt entsprechend, wenn ihr überleben wollt.«

Cheidar verstand die Drohung. Er nickte resignierend und kümmerte sich um die Verletzten.

Attakus Orbanashol und Hajun Jenmuhs traten an den Admiral heran.

»Mascant, wir sind arkonidische Staatsbürger, du wirst uns sicher nicht wie die anderen hier einsperren?«, fragte der junge Orbanashol.

»Ich habe keine andere Wahl. Ihr seid ein Unsicherheitsfaktor, deshalb bleibt ihr beide bei den Gefangenen«, erklärte Mindros mit leichtem Bedauern.

»Höre er. Wir sind Erlauchte! Er kann uns nicht wie gemeine Essoya behandeln. Wir und Attakus bieten ihm unseren Dienst«, rief Jenmuhs.

Er hoffte, dass Mindros darauf eingehen würde. Der Arkonide überlegte eine Weile.

»Meine Entscheidung steht fest. Ihr bleibt hier!«

Mindros verließ den Speisesaal. Orbton Zeronat lief dem Admiral entgegen.

»Mascant, die Operation verlief erfolgreich!«, berichtete er.

»Verluste?«

»Bis jetzt acht Männer«, berichtete der Offizier.

»Vertretbar. Setzt Nervengas ein, um sämtliche umweltangepassten Terraner außer Gefecht zu setzten, bevor sie etwas von der Entführung mitbekommen.«

»Nicht nötig, Mascant. Wir haben von hier aus die Kontrolle über das ganze Raumschiff und sind in der Lage, Fesselfelder an jedem beliebigen Ort einzusetzen. Auf diese Weise haben wir bereits einen Haluter ausgeschaltet, der Widerstand geleistet hat.«

»Sehr gut!«, lobte Mindros. »Dennoch, für die Oxtorner und das andere terrastämmige Geschmeiß zu viel Aufwand. Schießt sie nieder, es sei denn, sie ergeben sich, ohne Widerstand zu leisten«, fügte er hinzu.

»Ja, Mascant!«, antwortete ihm Zeronat und salutierte. Nachdem er selbst einen SERUN angelegt hatte, begab er sich in die Kommandozentrale. Dort befanden sich sieben Mitglieder seiner Sondereinheit. Orbton Hermon hatte die Steuerung übernommen.

»Mascant, melde gehorsamst, wir haben die Kommandozentrale gesichert!«

»Sehr gut, Orbton«, antwortete da Mindros und überreichte dem Offizier einen Speicherkristall, »übertrage die gespeicherten Koordinaten in die Syntronik und lass die LONDON diese ansteuern«, befahl Mindros.

Anschließend ließ er sich von allen Kommandogruppen einen Lagebericht geben. Die Meldungen ergaben, dass das Unternehmen ein voller Erfolg war. Der kleinen Kommandoeinheit unter seiner Führung war es gelungen, die volle Kontrolle über das Schiff zu erlangen und alle potenziell gefährlichen Gegner auszuschalten. Das rasche und kompromisslose Vorgehen seiner Einheit hatte jeden Widerstand im Keim erstickt.

Der Mascant hatte auch nichts anderes erwartet. Seinen Elitetruppen war das private Sicherheitspersonal an Bord der LONDON bei Weitem nicht gewachsen und außerdem hatte die Dekadenz der Terraner sein Vorhaben erleichtert.

Das Luxusraumschiff stand nun unter der Kontrolle von da Mindros Einsatzgruppe. Damit war der Untergang der über 19.800 Lebewesen an Bord eingeleitet.

*

Nach etwa 45 Minuten waren alle wichtigen Abschnitte der LONDON gesichert und untersucht worden. Mit Hilfe der Individualabtaster konnte sich niemand verstecken. Mindros hatte sich bereit erklärt, Extrazonen für die Gefangenen einzurichten. In diesen Zonen konnten sie sich frei bewegen, durften die Decks jedoch nicht verlassen. Hauptsächlich umfasste der Bereich das Areal um die Sternenhalle, die immerhin mit den meisten Etagen verbunden war.

Der Haluter und die drei überlebenden Oxtorner wurden zu den Lagerräumen gebracht, um sie dort in den Großtierzwingern besser unter Kontrolle zu halten. Außerdem wurden ihnen spezielle Implantate eingesetzt, die einen STOG-Säuresprengsatz beinhalteten. Sobald ein Haluter oder Oxtorner versuchte, einen Arkoniden anzugreifen, konnte dieser das Implantat zünden.

Die Kommandoeinheiten patrouillierten schwer bewaffnet durch die Gefangenenbereiche. Keiner der Passagiere wagte es, einen Fluchtversuch zu starten.

Das A-Deck gehörte zu den selektierten Bereichen, wo sich die Gefangenen frei bewegen konnten.

Natürlich wurden die Temperaturen wieder auf normale Werte heraufgesetzt. Schnee und Eis begannen zu schmelzen und das Schmelzwasser wurde abgepumpt.

Michael Shorne saß in seiner Kabine und hatte den Kopf zwischen seinen Händen vergraben. Er seufzte laut, dann schreckte er hoch und schlug mit den Fäusten auf den Tisch. Thomas Zchmitt befand sich ebenfalls in dem Raum, doch Shornes rechte Hand machte einen ebenso ratlosen Eindruck, wie sein Boss selbst.

»Irgendwie müssen wir den Kerl doch bezwingen können. Der hat doch sicher auch seinen Preis. Für ein paar Millionen wird doch jeder schwach«, murmelte Shorne.

Zchmitt schüttelte mit dem Kopf. »Ich fürchte, der nicht. Mindros handelt aus Überzeugung. Seine Familie starb auf der LONDON I. Er verurteilt daher unser Vorhaben. Mit dem können wir nicht rechnen«, meinte er.

Shorne wurde wütender.

»Niemand besiegt Michael Shorne! Niemand!«

»Noch sind wir auch nicht besiegt. Eine Schlacht ist verloren, doch dafür kannst du nichts«, versuchte Zchmitt beruhigend zu sagen.

»Quatsch. Man wird mir die Verantwortung für das Desaster geben. Man wird sich fragen, warum die unbemerkt Waffen und SERUNs an Bord schmuggeln konnten«.

Zchmitt überlegte kurz. »Wir haben vielleicht einen Verräter an Bord.«

Shorne packte seinen Angestellten an beiden Schultern.

»Dann finde ihn. Ich werde ihm persönlich das Herz mit einem Löffel herausreißen!«

*

Rosan saß ruhig in ihrer Kabine und sprach kein Wort. Gol Shannig ging unruhig umher und trank ein Glas Vurguzz nach dem anderen, um sich zu beruhigen. Rosan machte sich große Sorgen um Wyll Nordment, der sich nicht gemeldet hatte.

Sie hoffte, dass er diesmal nicht den Helden gespielt hatte. Franc Kowsky kam ab und zu vorbei, um sich nach Rosans Wohlbefinden zu erkundigen. Der Schriftsteller kümmerte sich rührend um sie und wurde im Verlauf der Reise zu einem väterlichen Freund für die Halbterranerin. Bereits sechs Stunden wartete Rosan auf eine Nachricht von Wyll, doch er meldete sich nicht. Sie beschloss, ihn zu suchen, doch Gol Shannig wollte sie davon abhalten. Wütend riss sie sich von ihm los und begann die Medostation nach Nordment abzusuchen.

Dort hatte der Schiffsarzt Bagdi Doranee, ein gebürtiger Ara, der jedoch auf Mimas seinen Beruf gelernt hatte, alle Hände voll zu tun. Die Arkoniden waren äußerst brutal vorgegangen. Etwa 300 Verletzte hatten die Galaktiker zu beklagen. Des Weiteren standen viele Kinder und alte Personen unter Schock.

»Doktor, hast du Wyll Nordment hier gesehen?«, fragte Rosan den Arzt. Dieser vertröstete sie auf ein paar Minuten später, doch die Orbanashol blieb hartnäckig.

Doranee stöberte in einer Krankenliste, die anzeigte, dass Wyll Nordment zu den Patienten gehörte. Er rief einen Medoroboter, der Rosan zu dem verwundeten Cameloter brachte.

Erleichtert umarmte Rosan ihren Ex-Mann. Besorgt erkundigte sie sich, wie es um ihn stand. Der Ara versicherte, dass Wyll wieder gesund werden würde. Er hatte während des Überfalls versucht, einen Arkoniden zu überwältigen, doch dieser war, sehr zu seinem Leidwesen, weitaus besser ausgebildet gewesen, als er.

Rosan beschloss, Wyll mit auf ihre Kabine zu nehmen. Doranee war damit einverstanden, er benötigte den Platz für schwerere Fälle.

»Ich bin überrascht, wie besorgt du um mich bist, Rosan«, meinte Wyll angetan.

Sie lächelte nur. »Wir haben zusammen so viel durchgemacht, anscheinend können wir nicht ohne einander sein.«

Wyll überlegte, ob das eine Liebeserklärung sein sollte, doch er verhielt sich abwartend. Er wollte der Beziehung mehr Zeit geben. Lachend bemerkte er: »Aller guten Dinge sind drei, heißt es. Zum dritten Mal eine Entführung der LONDON. Shorne hatte recht, hier erlebt man etwas.«

Rosan war weniger zum Lachen zumute. Sie stützte Wyll, als sie auf das A-Deck gingen. Shannig war wenig begeistert, als Rosan mit Wyll ankam.

»Der Typ kommt nicht in meine Suite herein«, meckerte er.

»Du hast keine andere Wahl. Das F-Deck gehört nicht zu den freien Zonen. Ich werde Wyll nicht irgendwo in einem Speisesaal schlafen lassen. Wir haben hier genügend Platz. Für mehr als drei Personen sogar«, erklärte sie.

»Ach, willst du noch ein Obdachlosenheim hier einrichten? Wenn der bleibt, gehe ich!«, schrie Shannig wütend.

Rosan sah ihn streng an, überlegte kurz und wünschte Shannig eine gute Reise. Gol hielt sein Wort und verließ die Suite.

»Du hast die seltene Gabe, immer und überall für Ärger zu sorgen, Wyll«.

 

2. An Bord der RICO

21. Juni 1290 NGZ

Atlan schlief tief und fest. Die kleine Feier zum Freiheitsfest hatte ihn mitgenommen. Mehr als Ausruhen konnte er im Moment auch nicht tun. Er war zur Untätigkeit verdammt.

Die fähigsten Navigatoren saßen in der Kommandozentrale und berechneten verschiedene Kurse, die die LONDON hätte einschlagen können. Sonden und Space Jets durchkämmten Sektor um Sektor, um das verschollene Raumschiff ausfindig zu machen.

Erst nach dem dritten Akustiksignal des Interkoms öffnete der Arkonide einen Augenspalt. Er kommentierte das weitere Summen mit einem genervten Laut. Dann endlich raffte er sich auf.

Weniger saufen, mahnte der Extrasinn.

Diesmal konnte Atlan ihm nicht widersprechen, obwohl er eigentlich dem Alkohol nicht viel zugesprochen hatte. Atlan wollte bei voller Aufmerksamkeit bleiben, denn man konnte jederzeit auf eine Spur der LONDON II stoßen. Vielmehr war der Stress in den vergangenen Wochen an seiner Erschöpfung schuld. Er betätigte die Sprechtaste.

»Was gibt es?«, meldete er sich müde.

»Guten Morgen, Atlan!«, meldete sich Gerine. »Wir haben eine Spur zur LONDON. Wir haben Restsignaturen eines Metagravtriebwerks gefunden, die erst zwei Tage alt sind.«

Mit einem Mal wurde der Arkonide wach.

»Ich komme sofort!«

*

Innerhalb von zehn Minuten hatte Atlan sich geduscht und angezogen. Seine Haare tropften noch vor Nässe. Er hatte sie nach hinten gekämmt und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Er eilte zur Kommandozentrale, wo der Erste Offizier einer Space Jet auf ihn wartete, um Bericht zu erstatten.

Atlan musterte den jungen Terraner. Er war hochgewachsen und trug seine braunen Haare etwas struppig. Das Grinsen und das Leuchten in seinen blauen Augen bemerkte der Arkonide sofort.

»So gut gelaunt?«, forschte Atlan nach.

»‘Tschuldigung, Sir. Ist nur das erste Mal, dass ich einem Unsterblichen gegenüberstehe«, erklärte der Schotte. Atlan erkundigte sich nach seinem Namen.

»Ich bin Mathew Wallace, Sir. Das ist mein erster Einsatz auf der RICO, direkt nach der Ausbildung von der Terrania Space Academy abgeworben.«

Atlan lachte.

»So muss es sein. Die LFT bildet aus und wir übernehmen die Leute dann. Nun, dann berichte, Mathew!«

Wallace meldete, dass man Restsignaturen des Metagravtriebwerkes, etwa 130 Lichtjahre von der derzeitigen Position der RICO, geortet hatte.

Die Spuren konnten aufgrund der charakterlichen Emissionsmuster eindeutig der LONDON zugeordnet werden. Atlan beschloss mit der RICO zu diesem Sektor zu fliegen und dann wieder Space Jets einzusetzen, um die LONDON zu lokalisieren. Kaum hatten sie den Sektor erreicht, näherten sich weitere Aufklärer der RICO, um neue Informationen zu übermitteln.

Jan Scorbit, Kommandant der Minor Globe PETER TERRID, erstattete dem ehemaligen Lord-admiral der USO Bericht.

»Atlan, wir haben die Meldung der Space Jet SERON, sie hätte die LONDON II geortet. Nach deren Angaben zufolge, sei sie etwa 300 Lichtjahre von uns entfernt und bewegt sich weiter Richtung intergalaktischer Raum.«

»Hat die SERON mit der LONDON Kontakt aufgenommen?«, erkundigte sich Atlan.

Der Kommandant verneinte, sehr zur Erleichterung Atlans. Eine kleine Space Jet konnte nicht viel ausrichten, wenn die LONDON tatsächlich in den Händen von da Mindros sein sollte.

Der Arkonide bedankte sich bei Scorbit und gab sofort den Befehl, Kurs auf die letzte Position der LONDON zu setzen, in der Hoffnung, dass das Schlimmste noch zu verhindern wäre.

Gerine erwähnte, nachdem die Verbindung zur PETER TERRID beendet war, dass sich wahrscheinlich Jan Scorbits Bruder Remus und seine Schwägerin Uthe auf der LONDON II befinden würden.

»Wir werden die LONDON finden«, sagte Atlan entschlossen.

Spätestens neben dem Wrack der ersten LONDON, fügte der Extrasinn mahnend hinzu.

 

3. Duell der Arkoniden

Prothon da Mindros saß in dem Kommandantensessel und beobachtete über die internen Sicherheitssysteme die Gefangenen. Sie machten keinerlei Anstalten, sich zu befreien, was Mindros nur entgegen kam. Nun galt es, die zweite Phase einzuleiten. Diese würde gleichbedeutend mit dem Ende aller Passagiere und Besatzungsmitglieder sein, die sich dann noch an Bord der LONDON befinden würden. Mindros hatte vor, die Syntronik der LONDON so zu programmieren, dass das Schiff wieder zurück ins Solsystem flog und in der Nähe Terras den Hyperraum verlassen würde. Zuvor würden jedoch die Stasisfelder deaktiviert werden, um das todbringende Gestein zu aktivieren. Ein Geisterschiff mit über 19.000 Leichen würde nach Terra zurückkehren.

Der »Unfall« sollte sich den Galaktikern als Versagen der Terraner darstellen. Zum einen würde Mindros damit sein primäres Ziel, die Grabschändung seiner Familie zu verhindern, erreicht haben und zum anderen könnten einige galaktische Völker aus Trauer und Wut Sanktionen gegen die LFT einleiten oder sogar sämtliche diplomatischen Kontakte abbrechen. Vielleicht würde es sogar zum Krieg kommen, da er beabsichtigte, im Namen des Kristallimperiums zu handeln und das der Galaxis mitzuteilen.

Seine treuen Eliteeinheiten sollten dem Untergang jedoch entkommen, er aber wollte an Bord der LONDON sterben, um endlich wieder mit seiner Familie vereint zu sein.

In drei Tagen sollte die zweite Phase anlaufen und vollzogen werden. Vorher mussten jedoch noch weitere Vorbereitungen getroffen werden. Zu diesem Zweck hatte die LONDON Kurs auf ein einsames System im Leerraum hinter Andromeda genommen.

»Mascant, der ehemalige Kommandant des Schiffes ersucht um eine Audienz«, berichtete einer der Soldaten.

»Bring ihn herein«, war die knappe Antwort des Admirals.

Cheidar machte einen müden Eindruck. Er hatte wahrscheinlich keinen Schlaf gefunden und sich um die Passagiere gekümmert. Viele der Besatzungsmitglieder mussten unter Mindros dienen und Cheidar hatte die Aufgabe, sie bei Vernunft zu halten.

»Was gibt es?«, wollte Mindros wissen.

Er zeigte deutlich seine Abneigung gegenüber dem 81jährigen Terraner. Dieser bewahrte jedoch seine Haltung.

»Mindros, meine Crewmitglieder sind mit der schlechten Behandlung nicht zufrieden. Ich möchten dich bitten, deine Leute anzuweisen, respektvoller mit ihnen umzugehen«, trug er dem Arkoniden vor.

»Zur Kenntnis genommen«, erwiderte Mindros kühl.

Für ihn schien damit das Gespräch beendet zu sein, doch für Cheidar war es das noch lange nicht.

»Das ist wohl ein Witz? Du hast nicht das Recht, uns wie Dreck zu behandeln. Wir sind intelligente Lebewesen und haben unsere Rechte«, protestierte er heftig.

Mindros wurde wütend.

»Im Krieg gelten keine Grundrechte.«

»Doch, die gelten immer noch! Auch Arkon hat die Galaktischen Konventionen unterschrieben, zudem weiß ich nicht einmal, ob wir uns tatsächlich im Krieg gegen das Kristallimperium befinden oder ob es sich nicht nur um den Privatkrieg eines durchgeknallten Spinners gegen uns handelt.«

Im nächsten Moment wurde Cheidar gegen die Wand gedrängt. Mindros presste seinen Unterarm gegen die Kehle des Captains. Roy Cheidar bekam keine Luft mehr, jeglicher Versuch gegen Mindros anzukämpfen, blieb erfolglos. Die feuerroten Augen des Arkoniden strahlten Überlegenheit aus, doch der Zwischenruf des Orters ließ ihn sich von Cheidar abwenden.

»Mascant, ein Raumschiff nähert sich uns!«, berichtete der Soldat.

»Ein Schiff nähert sich uns?«, wiederholte Mindros erstaunt, als hätte er mehrere Raumschiffe erwartet.

Er ging zur Ortungskonsole, um sich selbst von der Richtigkeit zu überzeugen. Tatsächlich näherte sich ein Raumschiff. Er versuchte es zu identifizieren, was nicht sonderlich schwer fiel.

»Die RICO«, murmelte er überrascht. »Atlan hat uns gefunden!«

Wütend schlug Mindros mit den Fäusten auf die Konsole. »Hermon, die Schutzschirme hochfahren!«, befahl er laut.

*

Die RICO näherte sich der LONDON bis auf 50.000 Kilometer.

Atlan saß angespannt in seinem Sessel. Er hatte auf ein verdecktes Vorgehen verzichtet. So oder so musste er Kontakt mit der LONDON aufnehmen. Nur so würde er herausbekommen, in welcher Situation sich die Passagiere des Luxusschiffes befanden.

Jetzt gehe taktisch klug vor! mahnte der Extrasinn, als ob der ehemalige Lordadmiral das nicht Selbst wissen würde.

»Die LONDON hat ihre Schutzschirme hochgefahren«, meldete Sevine. »Sollen wir ebenfalls die Schutzschirme aktivieren?«

»Noch nicht ...«

Atlan verengte die Augen. Die LONDON II lag bewegungslos im Weltraum. Sie machte keine Anstalten vor der RICO zu fliehen.

Mindros ist klug, du musst dir etwas einfallen lassen, um ihn aus der Reserve zu locken, schlug Atlans innerer Ratgeber vor.

»Funkkontakt aufnehmen« sofort wurde ein Interkomkanal freigeschaltet.

»Hier spricht Atlan, Kommandant der RICO und Vertreter Camelots. Ich würde gerne den Kapitän der LONDON II sprechen.«

*

»Den soll er auch bekommen«, sagte Mindros ruhig.

Er gab Cheidar einen Wink, der unmissverständlich war. Er sollte nun Atlan vorgaukeln, alles sei in bester Ordnung. Bedacht ging Cheidar vor die Interkomkamera. Die Arkoniden hatten sich aus dem Blickfeld der visuellen Übertragung zurückgezogen. Nur zwei Terraner, Huck Nagako und den Funkleitoffizier Tino Neumann konnte man hinter dem Kommandanten erkennen.

»Hier spricht Roy Cheidar, Captain der LONDON II. Sei gegrüßt Atlan, womit kann ich dienen?«, kam die Antwort der LONDON. Sie überraschte Atlan wenig.

»Einer unserer Leute, dessen Namen ich nicht nennen möchte, hat als Passagier auf der LONDON eingecheckt. Die üblichen Routineauswertungen der Persönlichkeitsprofile unserer Mitarbeiter haben bei ihm verstärkte Anzeichen einer psychischen Instabilität ergeben. Unsere Psychologen gehen davon aus, dass er jederzeit die Kontrolle über sich verlieren könnte. Es besteht die Gefahr, dass er beim geringsten Anlass beginnen könnte, Amok zu laufen. Deshalb bitte ich um Erlaubnis, an Bord der LONDON kommen zu dürfen, um ihn abzuholen.«

Clever gemacht, lobte der Extrasinn.

Es herrschte eine Weile Stille, dann wurde die Funkverbindung zeitweise unterbrochen. Atlans Vermutung schien sich zu bestätigen, nach nur wenigen Sekunden erschien das Gesicht Cheidars wieder auf dem Bildschirm.

»Es tut mir Leid. Michael Shorne wünscht dich nicht an Bord. Die Arkoniden könnten verstimmt darauf reagieren. Nenne uns bitte den Namen des Cameloters und wir sehen, was wir tun können«, antwortete Cheidar.

»Ich verstehe ...«, flüsterte Atlan.

»Bitte zeige Verständnis für unsere Lage, wir haben zurzeit ein Problem mit Arkoniden«, fügte der Kommandant der LONDON hinzu.

Mehr brauchte er nicht zu sagen. Seine Mimik und der letzte Satz ließen Atlan verstehen. Die LONDON befand sich in Gefahr.

»Ich überlege mir das. Die SHORNE INDUSTRY GESELLSCHAFT soll jedoch meinen Protest zur Kenntnis nehmen!«, meckerte Atlan und unterbrach die Funkverbindung.

In diesem Moment wandte sich ihm Sevine zu. »Atlan, wir bekommen plötzlich Sensordaten von der LONDON.« Dann pfiff sie durch die Zähne. »So wie es aussieht, existiert plötzlich eine Strukturanomalie innerhalb der Schirmstaffel, deren Vektor genau auf die Zentrale gerichtet ist.«

»Und was besagen die Sensordaten?«, fragte der Arkonide.

»Vierzehn Personen auf der Kommandobrücke. Davon fünf Terraner und neun ... neun Arkoniden«, rief sie überrascht.

»Das hab ich mir gedacht!«, entgegnete Atlan.

*

»Mascant, es hat kurzfristig eine Strukturanomalie in der Schirmstaffel gegeben, durch die wir abgetastet wurden!«, meldete Orbton Hermon beunruhigt. Mindros war noch damit beschäftigt, Cheidar neue Instruktionen zu geben, als ihn die Meldung alarmierte.

»Bei Kralas, das werden die mir büßen …«

Mit einigen Schritten ging er in die Mitte der Zentrale und musterte mit eiskaltem Blick die anwesenden Besatzungsmitglieder.

»Es scheint, dass ich nicht ernst genommen werde. Wie ich bereits gesagt habe, gilt auf der LONDON das Kriegsrecht. Weiter habe ich angedroht, dass jeder Akt der Insubordination mit dem Tode bestraft wird.«

Der Mascant machte eine kleine Pause, in der er nochmals die anwesenden Mitglieder der Brückenbesatzung musterte, bevor er fortfuhr.

»Du und du, herbringen!«

Die Arkoniden ergriffen die beiden Terraner, auf die da Mindros gedeutet hatte, und schleiften sie vor den Admiral.

»Es ist an der Zeit, ein Exempel zu statuieren. Im Namen des Kristallimperiums verurteile ich euch zum Tode. Es interessiert mich im Moment nicht im Geringsten, wer für diesen Sabotageakt verantwortlich ist, nur eines muss euch anmaßenden Barbaren klar sein: jeder, und ich meine absolut jeder Akt des Widerstandes, jeder Versuch der Sabotage wird bestraft werden. Und ich sage es noch einmal, die einzige Strafe, die ich verhängen werde, wird der Tod sein.«

Roy Cheidar war bei diesen Worten kreidebleich geworden. Bestürzt eilte er nach vorne, um diese Ungeheuerlichkeit noch zu verhindern.

»Mascant, ich bitte sie, bei der Ehre des arkonidischen Volk …«

Weiter kam er nicht. Da Mindros war herumgefahren und hatte den Kapitän der LONDON mit einem brutalen Fausthieb niedergeschlagen.

»Du niederträchtiges, verkommenes Nichts von einem terranischen Barbaren wagst es, meine Ehre anzuzweifeln? Meine Ehre ist …«

Da Mindros brach ab. Dann fuhr er fort:

»Ihr seid es nicht wert, dass man euch als ebenbürtig bewertet. Ihr seid nichts weiter als skrupellose Krämerseelen, die für Galax selbst das eigene Volk verraten. Profit, immer mehr Profit, das ist die einzige Ehre, die ihr terranischen Barbaren kennt.«

Der arkonidische Mascant wandte sich Hermon zu und befahl, mit der Exekution zu beginnen. Der Orbton salutierte und wählte zwei Kommandosoldaten aus.

»Ihr habt nun genau dreißig Sekunden, ein letztes Gebet an euren Gott des Mammons zu richten.«

Nach Ablauf dieser Zeitspanne beendete das gleißende Licht zweier Thermostrahler das Leben der beiden Besatzungsmitglieder. Zurück blieben die verkohlten Reste zweier Lebewesen, die anschließend durch die überlebenden Besatzungsmitglieder entsorgt werden mussten.

*

Prothon da Mindros begann unruhig in der Zentrale umherzuwandern. Sein gesamter Plan war innerhalb weniger Minuten völlig über den Haufen geworfen worden. Alles war bisher zu seiner Zufriedenheit verlaufen, bis dieser verfluchte Gonozal auftauchte. Doch wie konnte dieser von seinem Vorhaben erfahren haben? Er musste von seiner Aktion auf Ferryd Mir informiert worden sein. Anscheinend war der arkonidische Geheimdienst schneller, als erwartet vorgegangen oder die IPRASA hatte die richtigen Schlüsse aus den Ereignissen gezogen. Wie dem auch sei, er musste eine Verbindung zwischen der LONDON und ihm hergestellt haben, was letztendlich, aufgrund des Schicksals seiner Familie, nicht weiter schwer gewesen sein dürfte.

Dennoch konnte er der Sache etwas Gutes abgewinnen. Schon lange wollte er sich mit dem verhassten Verräter messen. Nun schien seine Chance gekommen zu sein und dabei hatte er noch einige Trümpfe im Ärmel.

»Treibt die Gefangenen in der Sternenhalle zusammen, Beeilung!«, befahl er ungehalten.

Sein Befehl wurde unverzüglich über die interne Kommunikation der Kommandoeinheit weitergegeben. Rücksichtslos trieben die Soldaten die Passagiere in die großen Säle der Sternenhalle. Wer nicht schnell genug lief oder Widerstand leistete, wurde brutal zusammengeschlagen.

*

Mindros ließ einen Interkomkanal zwischen ihm und der RICO herstellen. Die Maskerade war vorbei, nun konnte er den offenen Schlagabtausch einleiten. Imposant erschien sein überlebensgroßes Hologramm an Bord der RICO.

Also doch Mindros!, stellten Atlan und sein Extrasinn gleichzeitig fest.

»Atlan, der Verräter Arkons«, begann er verächtlich, »welche Ehre dir gegenüberzustehen.«

Atlan musste sich zusammenreißen.

»Sei gegrüßt Prothon da Mindros. Ich bin befremdet, dass der große Mascant der Kristallarmee auf das Niveau eines Terroristen gesunken ist«, begann der Arkonide stichelnd.

Ohoh...!

»Amüsant, dein lächerlicher Versuch mich aus der Fassung zu bringen, Terraner«, konterte der Admiral.

Lass dich nicht wütend machen, das bezweckt er doch nur, riet der Extrasinn.

Dasselbe versuche ich doch mit ihm, erklärte Atlan.

Ich würde daher eine neue Taktik vorschlagen!

»Führt der Beuteterraner ein Zwiegespräch mit seinem ARK SUMMIA?« Mindros schien sich über ihn sehr gut informiert zu haben.

»Anscheinend hat es keinen Sinn, die Form zu wahren. Warum hast du die LONDON entführt?«

Diplomatisch tölpelhaft, Barbar!

»Du bist sehr direkt, ehemaliger Imperator. Eine Charaktereigenschaft, die nicht jeder besitzt. Nun gut, dann reden wir Klartext. Das Schicksal der LONDON ist besiegelt, mein Plan wird durchgeführt, daran wirst auch du nichts ändern können«, erklärte Mindros erstaunlich ruhig.

Seine Überheblichkeit brachte Atlan in Rage, doch er ließ sich noch nichts anmerken.

»Es gibt für alles eine Lösung. Ich weiß von dem tragischen Verlust deiner Familie, doch dafür können die Passagiere der LONDON nichts. Willst du, dass Tausende von Unschuldigen dasselbe Schicksal erleiden, wie deine Frau und Kinder? Willst du sie auch elendig krepieren lassen? Ist damit deiner Familie gedient?«

Atlan versuchte, psychisch auf Mindros einzuwirken. Er erhoffte sich ein Einlenken des Admirals. Dieser verstummte für einen Moment und schien über Atlans Worte nachzudenken.

Hoffentlich hast du Erfolg, doch ich zweifele daran, dass es so einfach gehen wird. Mindros wird sich diese Fragen schon selbst gestellt haben, spekulierte der Extrasinn.

»Wieder schlug dein Versuch fehl, Atlan. Meine Entscheidung ist unumstößlich. Sie sollen alle für den Tod meiner geliebten Familie leiden, doch nicht nur dafür. Sie haben tausendfach den Tod verdient, denn sie wollten sich der Grabschändung schuldig machen. Sie haben den Tod verdient, denn sie sind Terraner, Blues und anderer galaktischer Abschaum. Sie sollen sterben für Arkons Macht und Glorie!«

Atlan und die anderen Arkoniden in der Kommandozentrale der RICO ließen diese Worte erschauern. Wie viel Hass steckte in diesem Mann? Er war zu allem entschlossen und bereit Tausende zu meucheln, ohne Gewissensbisse zu bekommen. Atlan konnte sich nicht mehr zusammenreißen, als er die Sinnlosigkeit in den Verhandlungen erkannte.

»Ich werde nicht zulassen, dass du sie ermordest!«

Mindros lachte höhnisch und beendete die Verbindung. Es herrschte eine Weile Stille im großen Saal der RICO. Niemand wagte es ein Wort zu sagen. Der Unsterbliche war über seinen Wutausbruch selbst entsetzt, doch Mindros hatte ihn zur Weißglut getrieben.

Diplomatie: Sechs! Setzen!, kommentierte Atlans Extrasinn, doch er kümmerte sich wenig darum. Er musste nun einen Entschluss fassen, um die LONDON zu befreien.

»Hermon, Feuerbefehl. Wir brechen die Schutzschirmstaffel des Schiffes und kapern es!«, befahl Atlan entschlossen.

*

Die RICO setzte die mittelschweren Transformkaliber ein, die über eine Sprengkraft von 2.000 GT verfügten. Die im Salventakt feuernden Transformgeschütze legten um die LONDON einen Teppich von Fusionsbomben, durch die die Schutzschirmstaffel überlastet werden sollte. Allerdings musste das Bombardement genau in dem Moment gestoppt werden, wo die Paratronstaffel die Energie der Bomben nicht mehr in den Hyperraum ableiten konnten. Langsam steigerte Hermon da Ariga die Kadenz. Durch die Verwendung von Sammel-Vorentstofflichern und Ladetransmittern war ein Salventakt von weniger als einer Sekunde möglich. Doch die Paratronschirme der LONDON zeigten keine Anzeichen, dass sie kurz vor der Überlastung standen. Dennoch würde es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis die äußere Schutzschirmstaffel destabilisiert würde.

*

Auf der LONDON drohte Panik unter den entführten Passagieren und Besatzungsmitgliedern auszubrechen, doch durch brutales Vorgehen gelang es den arkonidischen Spezialeinheiten, die Lage unter Kontrolle zu bringen.

»Mascant, unsere Schirme werden dem permanenten Beschuss nicht unbegrenzt standhalten können. Wir sollten das Feuer mithilfe der Transformkanonen erwidern«, schlug der Obton Zeronat vor.

»Gut, manuelle Steuerung an den Mascanten. Ich werde dem Verräter zeigen, wie man einen Raumkampf gewinnt. Feuer auf mein Kommando!«, befahl Mindros.

Kurz nachdem er die Steuerung über den Luxusraumer übernommen hatte, beschleunigte dieser binnen wenigen Sekunden.

*

»Die LONDON fliegt auf Kollisionskurs!«, schrie Gerine entsetzt. »Nein, sie dreht vorher ab«, wiegelte Hermon da Ariga ab.

Doch das Schiff raste weiter auf die RICO zu. Die Entfernung von fünf Millionen Kilometern schrumpfte schnell auf nur noch eine Million Kilometer. Mindros schien fest entschlossen, die RICO zu rammen. Hermon brach den Beschuss ab, da auf Nahdistanz die Detonationen der eigenen Transformbomben auch die RICO gefährdeten.

»500.000 Kilometer Distanz. Sie rammt uns!«, schrie einer aus der Ortung.

»Ausweichmanöver!«, kommandierte Atlan.

Er hatte nicht mit dieser Kaltblütigkeit von da Mindros gerechnet. Die RICO drehte nach unten ab. Nur wenig später zog die LONDON über das GILGAMESCH-Modul hinweg und feuerte eine Breitseite auf das Schiff. Die RICO wurde schwer erschüttert, doch die Schutzschirme hielten stand. Mit unglaublicher Wendigkeit drehte die LONDON herum und feuerte auf die sich neu positionierte RICO. Wieder trafen die Breitseiten ins Schwarze.

»Atlan, die schießen mit schwerem Kaliber. Nach meinen Messungen handelt es sich um Schlachtschiffgeschütze, wie sie bei der NOVA-Klasse eingesetzt werden. Soll ich das Feuer mit den überschweren Transformgeschützen erwidern?«

Nicht die 5.000 GT Buggeschütze einsetzen, sie haben Geiseln!, mahnte der Extrasinn. Atlan wusste, dass er recht hatte.

»Hermon, keine Freigabe für die Buggeschütze. Nur mit den 2.000 GT Geschützen erwidern!«

Der Arkonide hinter der Feuerorgel nickte.

Doch bevor er das Feuer erwidern konnte, schlug die nächste Salve der LONDON ein. Ein schrilles Pfeifen ertönte.

Atlan schielte ungläubig auf die Holo-Kontrollen der Schirmstaffeln. Die Balkenanzeige der Schirmauslastung leuchtete dunkelrot. Bevor er irgendwie reagieren konnte, traf ihn die Gewalt durchschlagender Gravos wie ein Nackenschlag. Mit einem Blick erfasste er, dass Gerine die RICO mit Notbeschleunigung aus dem Angriffsvektor des Luxusraumschiffes gezogen hatte.

»Hermon, was war das? Über welche Bewaffnung verfügen die überhaupt?«

Der Feuerleitoffizier rief einige Informationen aus der Syntronik ab, bevor er kopfschüttelnd antwortete.

»Du wirst es nicht glauben, die Armierung dieses ‚Passagierschiffes’ entspricht der eines ausgewachsenen Schlachtschiffes, wobei man anscheinend auf die kleineren Kaliber verzichtet hat.«

Atlan glaubte, sich verhört zu haben.

»Du hast tatsächlich Schlachtschiff gesagt?«

Sein alter Kampfgefährte aus der IMPRASA nickte.

»Genau das. Sowohl die offensive, wie auch die defensive Bewaffnung entsprechen einem Schlachtschiff. Irgendjemand muss bei der LFT gewaltige Scheiße gebaut haben. Wie kann man so verblödet sein, einem Privatunternehmen neueste Militärtechnik zu überlassen? Um auf deine Ausgangsfrage zurückzukommen, die verfügen nicht nur über die entsprechenden Kaliber, sondern auch über modernste Feuerleitsysteme. Das, was unsere Schutzschirmstaffel gerade getroffen hat, war der synchron gesteuerte Punktbeschuss von sechs 3.000 GT Transformgeschützen mit dem gleichzeitigen Einsatz von vier überschweren MVH-Doppellafetten im KNK-Modus.«

Atlan wirkte einen Moment wie erstarrt, dann polterte er los.

»Bei den She’ Huhan und allen Dämonen der Hölle. Das darf wohl nicht wahr sein. Sind die von allen guten Geistern verlassen? Gerine, steuere die RICO manuell und lass sie unregelmäßig um die Längs- und Querachse rotieren. Und nun werden wir …«

In diesem Moment kam die Meldung, dass die LONDON Hyperfunkkontakt wünschte. Mit einem Kopfnicken erteilte Atlan sein Einverständnis.

Wenig später erschien das Hologramm von da Mindros wieder in der Kommandozentrale.

»Dein Angriff wahr wohl ein lächerlicher Versuch mich zu stoppen, Atlan. Ich habe dich wohl überschätzt«, höhnte der Arkonide.

Atlan blieb stumm. Eine bittere Stunde schien für ihn angebrochen zu sein. Selten hatte er sich so hilflos gefühlt. Würde er Mindros persönlich gegenüberstehen, so würde er ihn in einem Zweikampf bezwingen. So war er jedoch weitgehend machtlos.

»Ich möchte dir noch eine Information nicht vorenthalten. Ich habe ein Gestein an Bord, welches bei Eintritt in den Hyperraum zu einem todbringenden Gift wird. Solltest du dich also nicht ergeben, werden wir einfach in den Hyperraum gehen und die Hälfte aller Geiseln töten.«

Die Projektion Mindros verschwand wieder. Atlan fühlte den Hass und die Wut gegenüber Mindros immer mehr in sich ansteigen.

Reiß dich zusammen!

Er hatte keine andere Wahl. Mindros war ihm im Moment haushoch überlegen. »Feuer einstellen«, befahl Atlan.

Beide Schiffe stoppten die eingeleiteten Manöver und standen sich in einer Entfernung von etwa 100.000 Kilometern gegenüber.

Sie könnten nun trotzdem entkommen, wies sein Inneres Ich hin.

»Gerine, steuere direkt vor die LONDON II. Bis auf 100 Kilometer heran. Sie sollen keine Gelegenheit erhalten, zu fliehen«, ordnete Atlan an.

Es ist wie ein Schachspiel, wo nur noch wenige Figuren auf dem Brett stehen. Versuche zumindest ein Patt hinzubekommen.

Ich werde es versuchen.

Nein, tue es!

Gerine setzte die RICO waghalsig nur 100 Kilometer vor die LONDON, was quasi nichts war im Weltraum. Die Schiffe konnten jederzeit kollidieren. Im Weltall war eine Entfernung von mehreren Tausend Kilometern als normal anzusehen, darunter galt jedes Manöver als lebensgefährlich.

*

»Wir müssen etwas tun! Atlan kämpft dort draußen mit Mindros und wir müssen ihm dabei helfen!«

Die Worte des Kommandanten Roy Cheidar blieben nicht ohne Wirkung. In der Kapitänskabine waren Huck Nagako, Wyll Nordment, Michael Shorne, Louis Clochard und Eireen Monhar versammelt. Sie alle hatten den Entschluss gefasst, sich gegen die Arkoniden zur Wehr zu setzen.

»Wir müssen zuerst wissen, wie wir Mindros schwächen können«, meinte Wyll Nordment.

Er hatte sich von seinen Blessuren erholt und strotzte vor Tatendrang.

»Ich glaube, ich habe die Antwort«, hörten sie Udo Arenz sagen, der in Begleitung eines Epsalers die Kapitänskabine betrat. Der Epsaler war Iron Styrm, der anscheinend beschämt auf den Boden sah. Cheidar sah den Chefingenieur erwartungsvoll an.

»Dann lass mal hören.«

Arenz warf Styrm einen verächtlichen Blick zu.

»Unser Freund hat etwas zu beichten.«

Styrm schnaubte vor Erregung.

»Lasst mich in Ruhe, ich habe das nicht getan, um euch zu schädigen!«, versuchte er sich zu entschuldigen.

Cheidar ahnte Übles.

»Kannst du etwas genauer werden?«

Arenz übernahm die Antwort für den Epsaler. »Er hat uns verkauft. Styrm hat die Waffen versteckt. Er hat Mindros Leuten ermöglicht, ein todbringendes Gestein in den Schächten zu verteilen, womit sie uns in der Hand haben«, erklärte er.

Die Anwesenden waren schockiert.

»Du elender Wicht. Falls du das überleben solltest, werde ich dafür sorgen, dass du ins Arresum verbannt wirst!«, drohte Shorne.

Der Epsaler brachte kein Wort mehr heraus.

»Wie hast du das herausbekommen?«, wollte Cheidar wissen.

Arenz lächelte kurz.

»Unser Dickerchen bekam es mit der Angst zu tun und verplapperte sich.«

Cheidar fasste schnell einen Plan, was nicht sonderlich leicht war in dieser Situation. Ihre Bewegungsfreiheit war stark eingeschränkt. Der Großteil der Geiseln war in den Speisesälen, Kino- und Sporthallen der Sternenhalle eingepfercht, nur wenige hatten die Möglichkeit, sich einigermaßen frei bewegen zu können. Mindros Soldaten waren mit der RICO beschäftigt und achteten wenig auf die Gefangenen.

Udo Arenz erklärte derweil, dass er Untersuchungen angestellt hatte. Sein Ergebnis war nicht sonderlich ermutigend. Er berichtete von dem seltsamen Gestein, welches in einem Stasisfeld gelagert wurde. Er hatte dieses in diversen Lüftungsschächten lokalisiert. Durch den Funkverkehr zwischen Mindros und Atlan, den er abgehört hatte, bekam er mit, dass Mascant von einem todbringenden Gestein sprach, das aktiviert würde, sobald es in den Hyperraum ging. Atlan war nun vorerst machtlos.

Cheidar schlug vor, das Gestein über einen Situationstransmitter in den Weltraum abzustrahlen. Dafür brauchte er Freiwillige. Michael Shorne lehnte natürlich ab. Er war ein Geschäftsmann und kein Kämpfer. Doch im Grunde genommen hatte keiner die militärische Ausbildung der Arkoniden genossen. Roy Cheidar und Wyll Nordment waren als einzige kampferfahren.

Es meldeten sich jedoch noch Huck Nagako, Udo Arenz und Gol Shannig freiwillig. Eireen Monhar bestand ebenfalls darauf an der Aktion teilzunehmen, doch Cheidar lehnte mit der Begründung ab, sie müsse Mindros auf der Kommandostation halten, damit er kein Verdacht schöpfen würde. Widerwillig akzeptierte die Plophoserin und begab sich auf die Brücke.

Um vor der Entdeckung durch die Arkoniden geschützt zu sein, sollte der Weg über Wartungsschächte und Kabelkanäle gewählt werden. So konnten sich die fünf Terraner unbemerkt durch das Schiff bewegen. Die meisten von da Mindros Leuten waren mit der Bewachung der Geiseln in den Sälen sowie dem Kampf gegen die RICO beschäftigt. Niemand achtete auf die fünf fehlenden Geiseln.

Mit Hilfe von Abtastern lokalisierten sie insgesamt zwanzig Gesteinsbehälter innerhalb von nur knapp einer Stunde.

Die LONDON wurde nicht mehr erschüttert, demnach herrschte anscheinend ein Status quo zwischen Atlan und Prothon da Mindros. Der Chefingenieur konnte die Stasisfelder deaktivieren und die Gesteinsbrocken einsammeln. Immer noch unentdeckt brachten sie diese in einen nicht genutzten Abstellraum, wo der Transmitter aufgebaut worden war. Dazu musste kurz eine Strukturlücke in der Schutzschirmstaffel geschaffen werden, um das todbringende Gestein in den Weltraum abzustrahlen. Cheidar war sich darüber im Klaren, dass dies nicht unbemerkt blieb.

»Geschafft!«, jubelte Cheidar erleichtert.

Nun galt es Atlan darüber in Kenntnis zu setzten, dass Mindros seinen wichtigsten Trumpf verloren hatte. Dennoch konnte er jederzeit mit der Hinrichtung etlicher Geiseln drohen. Die Konsequenz, die die Fünf daraus zogen, war, die Oxtorner und Haluter zu befreien. Atlan sollte dann mit dem Angriff fortfahren und Mindros somit in eine Zwickmühle bringen. Jedoch musste die Formalität die Oxtorner und Haluter zu befreien sowie Atlan zu informieren zuerst hinter sich gebracht werden.

»Es wäre zu riskant, wenn wir einen Funkspruch absenden. Sie könnten ihn zurückverfolgen«, meinte Wyll Nordment.

»Sie hätten bereits die Transmittervorgänge anpeilen können«, konterte Arenz.

»Das hoffe ich sogar«, sagte Cheidar.

Der Kommandant der LONDON II hoffte, dass die RICO die Transporte bemerkt hatte und ihre Rückschlüsse daraus zogen.

»Kommt, wir werden jetzt die Kavallerie befreien!«, schlug er forsch vor, doch dies war sein letzter Gedanke.

Im nächsten Moment spürte er einen brennenden Schmerz, der sich von seinem Rücken bis zu seiner Brust durchzog. Zitternd sah er auf seinen Oberkörper, der auf der rechten Seite verbrannt war. Cheidar biss auf die Zähne und drehte sich mit aller Kraft um. Vor ihm standen etwa zehn Arkoniden, in deren Gesichtern grenzenlose Wut stand. Der Erste zielte mit seinem Thermostrahler noch auf ihn. Nun begriff Cheidar, dass dieser Arkonide ihn von hinten mit einem Streifschuss getroffen hatte. Cheidar stürzte sich auf den ersten Arkoniden und riss dem verdutzten Soldaten die Waffe aus der Hand. Umgehend schoss er auf die Arkoniden und rief seinen Leuten zu, sich zu verstecken. Die Energiestrahlen trafen zwei Arkoniden, die tot zusammenbrachen. Der Rest erwiderte jedoch das Feuer, in dem Roy Cheidar sein Leben verlor.

»Was machen wir nun?«, rief Gol Shannig hilflos.

Er erhielt von den anderen keine Antwort. Wyll Nordment war damit beschäftigt an die Waffe eines der toten Arkoniden zu kommen, doch inzwischen hatten die Drei noch lebenden Arkoniden ihre Überraschung überwunden und zielten mit Thermogewehren auf ihn.

»Okay, ich ergebe mich. Nicht schießen!«, rief er sofort und legte die Hände über den Kopf.

Auch Gol Shannig schwenkte ein weißes Taschentuch, seine Aufgabe signalisierend.

Udo Arenz und Huck Nagako wehrten sich heftig, wurden jedoch brutal zusammengeschlagen. Orbton Zeronat musterte die vier am Boden liegenden Terraner. Er trat mit seinen Füßen auf sie ein.

»Was glaubt ihr eigentlich, wer ihr seid? Ihr seid Abschaum! Habt ihr etwa geglaubt, dass wir die Aktivierung eines Transmitters übersehen würden? Euer Verschwinden war uns leider zu spät aufgefallen, doch dafür werdet ihr büßen!«, brüllte der hagere Arkonide laut.

Er informierte nun Prothon da Mindros über den Vorfall.

Dieser war nicht sonderlich vom Tod Cheidars begeistert. Er brauchte jemanden, der die Mannschaft der LONDON unter Kontrolle hielt.

»Nordment und Shannig sollen am Leben bleiben. Verfahre mit den anderen nach eigenem Gutdünken«, meinte Mindros gleichgültig.

Zeronat salutierte und beendete das Gespräch. Die vier »Saboteure« wurden in einer Reihe aufgestellt. Zeronat nahm einen Schlagstock in die Hand und ging mehrmals die Reihe entlang. Dann blieb er vor Wyll Nordment stehen und stieß den Stock in Wylls Magen, der keuchend in die Knie sank. Doch damit begnügte sich Zeronat nicht. Der 1,83 Meter große Obtron mit extrem langen Haaren, trat wütend auf den hilflosen Terraner ein. Udo Arenz konnte sich das nicht mehr mit ansehen und griff Zeronat an. Nach zwei Fausthieben, die das Gesicht des Arkoniden trafen, musste Zeronat abbrechen und fiel ächzend zu Boden. Sofort waren die anderen Soldaten zur Stelle und hielten Arenz fest.

Zeronat richtete sich auf und versuchte, wieder Haltung anzunehmen. Seine Gesichtsmuskeln zuckten in höchster Erregung.

»Du elender Bras ‘Cooi, wie kannst du es wagen?«, schrie er den Chefingenieur an.

Arenz hatte inzwischen große Angst, doch er wollte es nicht zeigen. Er musste an seine Kinder denken. Sie sollten stolz auf ihren Vater sein und ihn nicht als Feigling in Erinnerung behalten. Zeronat gab seinen Soldaten einen Wink. Sie zwangen Arenz auf die Knie und hielten ihn an den Armen fest. Der arkonidische Offizier zog seinen Thermostrahler aus dem Halfter und drückte die Waffe an Arenz Hinterkopf. Udo Arenz verstand schnell, dass es nun zu Ende ging. Er hatte sich heldenhaft zur Wehr gesetzt, doch dafür sollte er nun sterben. Nie würde er seine beiden über Alles geliebten Kinder wiedersehen.

»Zeronat, nein!«, rief Wyll.

Der Arkonide sagte kein Wort. Er hielt die Waffe weiter an den Nacken des Chefingenieurs. Auf dessen Stirn bildeten sich Schweißperlen. Er atmete schwer und zitterte. Würde der Arkonide ihm vielleicht nur eine Lektion erteilen und nicht abdrücken?

Wyll zuckte zusammen als er das fauchende Geräusch der Entladung des Blasters hörte. Leblos sackte Arenz in sich zusammen.

Zeronat verzog keine Miene bei dieser Hinrichtung. Er war für den Krieg geschult worden, doch die Passagiere und Besatzungsmitglieder der LONDON waren nur Zivilisten, sie waren viel zu weich, um unter den Bedingungen eines Krieges zu bestehen. Das war der Unterschied zwischen den verweichlichten Terranern und Soldaten des glorreichen Kristallimperiums, wie er fand. Den Arkoniden wurde beigebracht, ohne Erbarmen vorzugehen, denn nur so konnte man einen Krieg gewinnen. Das Leben eines Soldaten war voller Entbehrungen und der einzige Sinn war, jeden Feind des Kristallimperiums zum Wohle Arkons zu töten.

»Mischt sie etwas auf, dann bringt sie in den Speisesaal von Deck A!«, befahl Zeronat und verließ den blutgetränkten Ort, an dem vier Lebewesen starben.

*

Auf der RICO blieb der Transmittertransport nicht unbemerkt. Die Sensorüberwachung der RICO hatte zuerst die Strukturlücke und dann den Transmittertransport genau angemessen. Atlan machte sich keine Illusionen, dass der Einsatz des Situationstransmitters unbemerkt geblieben war. Deshalb zerbrach er sich den Kopf, was er tun könnte, um da Mindros und seine Kommandoeinheit von dem wohl kleinen Kreis derjenigen abzulenken, die Widerstand leisteten. Doch der sarkastische Kommentar seines zweiten Ichs zerstörte seine Wunschvorstellung.

Du Narr, glaubst du wirklich Mindros bemerkt das nicht? Der Alarm wurde wohl schon ausgelöst, als die Strukturlücke erschaffen wurde. Die Heroen, die diese Behälter aus dem Schiff brachten, kannst du nicht schützen. Sie wussten, worauf sie sich einließen.

Der Extrasinn hatte – wie so oft – zweifellos recht. Doch immerhin war er wieder etwas im Vorteil. Er kombinierte, dass es sich bei dem Inhalt der Behälter wohl um das Gestein von Ferryd Mir handeln musste. Solange Mindros damit drohen konnte, die LONDON mitsamt allen Passagieren ins Jenseits zu schicken, waren ihm die Hände gebunden gewesen. Doch durch das Opfer unbekannter Helden auf der LONDON II hatte er seine Handlungsfreiheit wiedererlangt.

Nun mussten die überlebenden Passagiere befreit werden. Er gab sofort Feuerbefehl. Zuerst wurden die Behälter zerstört, um einen Rücktransport zur LONDON auszuschließen. Nun sollte der Schutzschirm so schnell wie möglich zusammenbrechen.

»Feuer!«, befahl Atlan eisern.

Er musste schnell handeln, bevor Mindros begann ihn zu erpressen.

»Feuer!«, wiederholte er und ein gewaltiger Ruck ging durch die RICO. Wieder und wieder. Atlan fiel zu Boden. Einige Konsolen explodierten, Funken sprühten durch die Gegend.

»Was ist passiert?«, wollte er sofort wissen.

»Zwei weitere Schiffe sind aufgetaucht, so wie es aussieht ein Schlachtschiff und ein Schlachtkreuzer. Sie beschießen uns aus allen Rohren«, berichtete Sevine.

Atlan war nicht sonderlich glücklich über den anbahnenden Bruderkampf. Wieder mussten Arkoniden gegen Arkoniden kämpfen, und er konnte es nicht verhindern. Die RICO wurde wieder getroffen. Alle drei Schiffe schossen nun auf das GILGAMESCH-Modul, doch die LONDON bereitete sich auf den Übergang in den Überlichtflug vor. Die RICO musste auf Distanz gehen, um den Transformsalven der gegnerischen Schiffe auszuweichen. Dann erwiderte Ariga das Feuer. Es entbrannte ein erbitterter Kampf zwischen den drei Schiffen, während die LONDON das System verließ.

»Schutzschirmstaffel Eins ist zusammengebrochen«, informierte Gerine ihren Kommandanten. »Konzentrierter Punktbeschuss auf die beiden arkonidischen Schiffe vorbereiten, mit allem was wir haben«, befahl Atlan.

Die RICO steuerte einen Angriffskurs, der sie zwischen den beiden Schiffen hindurchführen würde, wobei weitere Schutzschirmstaffeln zeitweise durch gegnerischen Beschuss ausfielen. Auf der RICO entstanden ernste Schäden, als hochenergetische Überschlagblitze entlang der überlasteten Feldleiter ganze Abschnitte verwüsteten, doch Atlan blieb unbeirrt bei seinem Plan. Als er direkt zwischen den beiden Raumern war, gab er den Befehl, den konzentrierten Punktbeschuss aller Waffensysteme gegen die beiden feindlichen Raumschiffe einzuleiten. Hermon da Ariga hatte den koordinierten Einsatz der Sublicht- und Überlicht-Waffensysteme bereits vorbereitet und brauchte diese nur noch durch eine Sensorschaltung auszulösen. Der junge Arkonide aus dem Khasurn da Ariga hatte sich während seiner Zeit als Kopf der Gruppe »Stürmer Arkons« umfangreiche Kenntnisse über alte und neue Waffensysteme angeeignet und war der richtige Mann in dieser Position.

Der konzentrierte Waffenschlag aus Transformbomben mittlerer und schwerer Kaliber, kombiniert mit den im MVH-Modus feuernden Intervall- und Thermostrahlern schlug gleichzeitig mit den konzentrierten Plasmastrahlen der lichtschnellen Impulsgeschütze in die Schutzschirme der beiden gegnerischen Schiffen ein.

Während es der HOZARIUS, einem Schlachtschiff der KOBAN-Klasse, gelang, durch Rollieren die Schutzschirmstaffel zu stabilisieren, reagierte das zweite Schiff, ein Schlachtkreuzer der TERMON-Klasse zu langsam. Durch die hypermechanischen Hammerschläge der Intervallstrahler und die atomare Glut der übrigen Waffensysteme wurden seine Schutzschirme überlastet, der Schlachtkreuzer brach zuerst auseinander, bevor er in einem gewaltigen Glutball explodierte.

Für einen Moment wurden die Sensoren der RICO geblendet. Nach kurzer Zeit gelang es der Syntronik, das Ortungssystem neu zu kalibrieren und erneut das Schlachtfeld innerhalb des zentralen Holotanks abzubilden. Doch der Weltraum um das Segment der GILGAMESCH war leer. Sowohl die LONDON wie das arkonidische Schlachtschiff waren verschwunden.

Wenige Augenblicke später meldete allerdings Hermon da Ariga, dass es gelungen sei, mit dem Maxim-Orter die Signatur der LONDON beim Eintritt in den Hyperraum zu erfassen. Die RICO folgte daraufhin der Spur, die das Luxusschiff nach seinem Übergang zum Überlichtflug hinterlassen hatte.

Atlan setzte sich erledigt in seinen Kontursessel und genoss die belebende Vibration.

»Gerine, Schadensbericht?«, fragte er leise.

Die ehemalige Zweisonnenträgerin, die zusammen mit Hermon da Ariga durch ein Einsatzkommando Camelots auf dem arkonidischen Strafplaneten Trankun befreit wurde, wirkte sichtlich angespannt.

»Drei unserer Schutzschirmstaffeln sind zusammengebrochen, können aber nach und nach wieder aufgebaut werden. Viel schlimmer sind jedoch die Schäden, die durch überlastete Feldleiter und durchgegangene Schwarzschildreaktoren verursacht wurden. Mehrere Zwischendecks sind verwüstet, teilweise kam es zum Hüllenbruch, den She’Hunan sei Dank, nur in untergeordneten Bereichen. Reparaturtrupps sind unterwegs, um die Lecks mit tragbaren Formenergieprojektoren provisorisch abzudichten. Etwa zwanzig Männer und Frauen der Besatzung sind gefallen, viermal so viele liegen mehr oder weniger schwer verletzt auf der Medostation. Ansonsten sind wir gerade noch davongekommen. Wenn das zweite Schiff ebenfalls ein Schlachtschiff der KOBAN-Klasse gewesen wäre, hätten wir keine Chance gehabt«, antwortete sie.

Atlan schüttelte den Kopf, dann bemerkte er wie im Selbstgespräch:

»Da hast du es, ehemaliger Großadministrator. Ich habe recht gehabt, doch darauf würde ich liebend gerne verzichten, wenn dadurch die Männer und Frauen, die gefallen sind, wieder lebendig würden.«

Gesine schaute ihn fragend an, ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie kein Wort verstand.

»Nun, das Konzept der GILGAMESCH ist leider, genau wie ich es befürchtet hatte, eine gigantische Vergeudung unserer Ressourcen. Damals, als das Konzept entwickelt wurde, habe ich gegenüber Perry meine Bedenken geltend gemacht. Doch der Herr hat, zusammen mit unseren Eierköpfen, alle meine Bedenken in den Wind geschlagen. Er wollte unbedingt ein völlig neuartiges Schiff, das nicht mehr an die offensive Militärdoktrin des alten Solaren Imperiums erinnern sollte. Dabei hat der Barbar nur vergessen, dass, wie es in einem alten terranischen Sprichwort heißt, Angriff die beste Verteidigung ist.«

Atlan legte eine Pause ein, während sich auf dem Kontursessel aufrichtete. Dann fuhr er fort.

»Als wir uns vor fast vierzig Jahren für den Bau der GILGAMESCH entschieden haben, stand noch ein anderes Konzept zur Debatte, das von mir vorgeschlagen wurde. Mein Plan sah vor, auf der Basis der alten Ultraschlachtschiffe der UNIVERSUM-Klasse modernisierte Trägerschiffe zu entwickeln, die nach dem Tender-Prinzip konfiguriert werden sollten. Als Trägerwaffe sollten neu entwickelte 350 Meter Kreuzer in Dockingbuchten, wie bei der alten ATLANTIS, mitgeführt werden. Diese Kreuzer sollten als reine Kampfschiffe mit stark begrenzter Reichweite ausgelegt sein, wobei ihre offensive Kampfkraft der eines Schlachtkreuzers gleichgekommen wäre.«

Wieder machte der Unsterbliche eine kurze Pause, nur seine tränenden Augen zeigten seine psychische Erregung.

»Das Ende ist bekannt, nur ich und Anfangs Bully vertraten mein Konzept, ich musste mich dann mit dem Argument, dass die Zeit einer offensiven Militärdoktrin längst völlig überholt wäre, von den Anderen niederbügeln lassen. Der Bau von Perrys Traumschiff, eben der GILGAMESCH, wurde beschlossen und ich konnte nur noch gute Miene zum bösen Spiel machen, obwohl mir klar war, dass das Konstrukt uns noch ganz übel aufstoßen würde. Wenn uns statt der RICO ein Ultraschlachtschiff zur Verfügung gestanden hätte …«

Atlan riss sich aus seiner melancholischen Stimmung, es nützte nichts, vergebenen Chancen nachzutrauern, sie alle hatten ein Ziel, das sie nicht aus den Augen verlieren durften.

»Hermon, wie sieht es aus, haben wir die LONDON noch im Maxim-Orter?«

»Wir hängen an dem dran, wie eine Berkomnairmutter an ihrem Kalb!«

Der ehemalige Lordadmiral der USO nickte seinem Feuerleitoffizier zu und bemerkte: »Gut so, wenigsten eine der sagenhaften Neuentwicklungen, die anscheinend funktioniert. Wir dürfen unter keinen Umständen den Kontakt verlieren, sonst haben die Passagiere keine Chance.«

*

Die Gefangenen wurden schlecht behandelt. Die Entführer interessierten sich in keiner Weise für ihre Bedürfnisse. Oft wurde ihnen sogar der Gang zu den Toiletten verwehrt. Die Haluter mit eingepflanzten Zerstörungschips wurden in den Speisesaal und das Hauptfoyer der Sternenhalle gebracht, wo knapp 4.000 der Passagiere zusammengepfercht waren. Die anderen wurden sowohl im B- und C-Deck gefangen gehalten, als auch in den unteren Etagen der Sternenhalle. Nach Cheidars Versuch die LONDON II zu retten, der mit seinem Tod endete, wurden auch die Passagiere der Ersten Klasse in das Hauptfoyer gebracht. Shorne protestierte heftig, wurde jedoch nicht erhört.

Hajun Jenmuhs und Attakus Orbanashol wurden etwas zuvorkommender behandelt. Doch auch sie mussten mit den anderen Geiseln ins Hauptfoyer. Mindros hatte einigen Arkoniden bereits das Angebot gemacht für Arkons Macht und Glorie mitzukämpfen, doch vor allem Thalia da Zoltral hatte dieses Angebot abgelehnt. Attakus jedoch bat um kurze Bedenkzeit. Er, wie auch Jenmuhs, suchten nur den eigenen Vorteil, um zu überleben. Mindros war sich bei den beiden nicht sicher, Orbanashol besaß wohl zu viel Skrupel, während Jenmuhs hingegen nichts heilig war. Doch welche Verwendung konnte er für ihn haben? Zunächst beschloss Mindros beide außer Acht zu lassen.

Die LONDON fiel aus dem Hyperraum. Ihr derzeitiger Standpunkt war 2,7 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Die HOZARIUS tauchte ebenfalls bei diesen Koordinaten auf. Erom Mesun, der jetzige Kommandant von da Mindros Flaggschiff, meldete sich ordnungsgemäß bei seinem Admiral.

Er berichtete von der Zerstörung des anderen Raumers, sprach aber auch von schweren Treffern auf der RICO, die im Moment wohl keine Gefahr darstellte. Mindros ließ weitere Waffen und 500 Soldaten an Bord der LONDON bringen. Nun hatte er die Lage auf dem Luxusschiff voll unter Kontrolle. Wenige Stunden danach berief er eine Besprechung mit seinen Offizieren ein.

»Wie gehen wir nun weiter vor?«, war die Frage von Orbton Hermon, der den anderen Offizieren aus der Seele sprach.

»Wir werden unseren Plan weiter durchziehen, jedoch mit der Abänderung, die RICO zu zerstören. Wir werden Atlan und sein verräterisches Pack in die Falle locken. Mit zwei Schiffen sind wir ihnen überlegen.«

»Wie sieht dein Plan aus, Mascant?«, wollte Mesun wissen.

»Die LONDON II spielt den Köder. Er soll uns folgen, bis wir ihn fertigmachen. Wir halten Kurs nach London´s Grave. Dort werden die Gräber zwei weiterer Schiffe liegen. Die der LONDON II und der RICO!«

 

4. Flucht von der LONDON II

Rosan kümmerte sich um Wyll, der übel zugerichtet worden war. Mindros Schergen hatten kein Erbarmen mit ihm oder den anderen beiden gezeigt. Gleichzeitig versuchte sie, auch Gol Shannig zu pflegen. Doch im Gegensatz zu Arenz und Cheidar, hatten Wyll, Gol und Huck Nagato überlebt.

Michael Shorne saß still auf einer Couch im Hauptfoyer. Er konnte nicht begreifen, wie ihm das passieren konnte. Bis jetzt war er immer in der Lage gewesen, alles mit Geld zu regeln. Er glaubte fest an die Käuflichkeit jedes intelligenten Lebewesens. Mindros jedoch war unbestechlich, genau wie seine Leute. Ein Weltbild brach für den Milliardär zusammen. Er war hilflos. Ein Gefühl, welches er bis dato nicht kennengelernt hatte. Er verabscheute dieses Gefühl.

Remus und Uthe Scorbit saßen auf den Stufen der stehen gebliebenen Rolltreppe. Sie war durchaus bequem, da sie mit feinem Kunstteppich belegt war.

»So hatte ich mir unsere Versöhnung nicht vorgestellt«, seufzte Uthe leise. Remus hielt sie in seinen Armen.

»Hauptsache wir haben uns wieder versöhnt und leben«, versuchte er sie zu trösten. Remus schaute in das schöne Gesicht seiner Frau mit ihren grünen Augen, den Sommersprossen und hohen Wangenknochen. Sie räusperte sich und richtete ihre Brille zurecht. Uthe hatte zu viel Angst vor einem kleinen operativen Eingriff, um ihre Kurzsichtigkeit zu beheben. Als Tochter eines Farmers auf Terra war sie in einer konservativen und technikfeindlichen Sekte aufgewachsen und hatte ihre Skepsis gegenüber allen „Wohltaten“ der modernen Technik nicht ablegen können, selbst nachdem sie Remus kennengelernt hatte. Oft hatten sie darüber diskutiert und genauso oft hatte das im Streit geendet. Schließlich hatte Remus ihre Brille akzeptiert, so schwachsinnig er das auch fand, da aus medizinischen Gründen niemand mehr eine Brille tragen musste. Allerdings war es in gewissen Kreisen zurzeit modisch, eine Brille zu tragen, zumal eine so genannte Designerbrille auch die Sehkraft verstärkte, das Sehen in der Dunkelheit verbesserte und nützliche Informationen auf das Display einblendete als auch Fotografien und Videos aufnehmen konnte. Es war deshalb durchaus nicht ungewöhnlich, Brillenträger anzutreffen, wenngleich diese eben aber auch nicht aus medizinischen Gründen darauf angewiesen waren. Uthe dagegen gefiel es überhaupt nicht, auf eine Brille angewiesen zu sein.

»Hallo?«, flüsterte jemand hinter ihnen.

Remus drehte sich um. Drei Stufen über ihnen hockte ein schlaksiger, verpickelter Terraner mit einem Dreitagebart. Und auch er trug eine Brille. Wieso gingen die nie zu einem Augenarzt? Gut, manche Brille hatte ihre Vorteile, da sie in Verbindung mit einem Pykosin Daten direkt auf die Sichtscheibe lieferte, im Dunkeln die Sicht verbesserte und dergleichen. Was auch immer es Beweggründe gab, Remus starrte den Terraner fragend an.

»Ich bin Timo Zoltan. ‘Tschuldigung, ich habe euer Gespräch gehört. Ihr beide seht nett aus.«

»Aha«, machte Remus, während Uthe übertrieben freundlich lachte.

»Ich bin Syntronspezialist und gehöre zur Crew. Naja, jetzt bin ich wohl arbeitslos ...«

»Ach, wie nett. Ja, aber das wird schon wieder«, meinte Uthe mit gespielter Gelassenheit. Natürlich war ihr ganz anders zumute, doch Uthe hasste es, in der Öffentlichkeit Gefühle zu zeigen. Sie verhielt sich gegenüber anderen stets korrekt, reserviert und oberflächlich. Uthe hatte Angst, dass man ihr einen Gefühlsausbruch übel nehmen oder sie zum Gespött oder Gesprächsstoff der Leute werden würde.

»Nun, das glaube ich nicht. Aber ich glaube, wir könnten eine erfolgreiche Flucht versuchen«, flüsterte er dem Pärchen zu, nachdem er sich vorgestellt hatte.

Remus wurde neugierig. »Erzähle uns mehr.«

»Ich wüsste, wie wir mit einer Space Jet fliehen könnten. Allerdings müssten mindestens drei Leute an Bord sein, sonst kann die Jet nicht gestartet werden. Die Steuerung ist kein Problem, da alles über den Autopiloten läuft«, erklärte er.

»Gut, aber wie kommen wir aus der Sternenhalle?«, wollte Remus Scorbit von ihm wissen.

Zoltan lächelte.

»Nichts leichter als das. Dort hinter der Statue ist ein Wartungsschacht. Den könnten wir benutzen, um zu den Hangars zu gelangen. Ich kenne den Zugangscode zur Aktivierung des Syntrons der Space Jet. Der Rest ist ein Kinderspiel. Ich werde vorher einen kleinen Virus in das Datennetz der LONDON einspeisen, womit sie erst einmal beschäftigt wären. Derweil fliehen wir.«

Die Ausführungen Zoltans überzeugten das Ehepaar. Dennoch war Remus in einer Sache skeptisch.

»Wieso fragst du ausgerechnet uns?«

Timo zuckte mit den Schultern.

»Ihr macht einen netten Eindruck.«

Remus atmete tief durch und sah zu Uthe herüber. Sie räusperte sich und richtete ihr hochgestecktes, rotblondes Haar. Schließlich nickte sie schwach. Remus wertete dies als Zustimmung.

Beide schlossen sich dem Syntronfreak an, der unbemerkt den Eingang zur Röhre öffnete und hineinkletterte. Dann folgte Uthe, zuletzt Remus, der sogleich die Abdeckung wieder schloss. Er hätte sich nicht erträumen lassen, dass er einmal plötzlich mit seinen 24 Jahren in ein Abenteuer verstrickt wurde. Viel eher hätte er das seinem Zwillingsbruder Jan zugetraut, der sich ja unbedingt vor drei Jahren der Camelot-Organisation hatte anschließen müssen. Eigentlich war Remus eher neidisch als wütend auf seinen Bruder. Doch Remus war mit Uthe verheiratet und die hatte nicht gewollt, dass sie sich einer in ihren Augen illegalen Organisation anschlossen.

Uthe hatte ihr gemeinsames Leben schon bis ins Detail durchgeplant. Remus sollte eines Tages die Farm in New Roge in dem beschaulichen Tal beim Fluss Amur übernehmen und ein Leben führen, wie es ihre Familie schon seit Generationen geführt hatte.

Doch Remus wollte mehr. Er hatte das Gefühl, dass dieses primitive Farmerleben ohne Technikbezug nichts für ihn war. Er wollte etwas für die Gemeinschaft leisten, vielleicht innerhalb der Verwaltung oder in der Raumflotte. Sein Onkel Henry Portland hatte ihm schon oft angeboten, ihm eine entsprechende Stelle zu vermitteln. Onkel Flak war sehr enttäuscht gewesen, als Jan plötzlich verschwunden war und Remus sich für das Landleben in einer Enklave von »Ökoextremisten« entschieden hatte. Jan war dem Ruf Camelots gefolgt, während Remus dem Befehl seiner Kommandantin Uthe gehorcht hatte. Uthe hatte ihm unmissverständlich klar gemacht, dass ihre Ehe zu Ende gewesen wäre, hätte er einen Dienst außerhalb von Terra angenommen. So hatte er sich für Uthe und gegen eine berufliche Zukunft entschieden. Doch mehr und mehr war der Frust in ihm gewachsen, schließlich hatte er Uthe betrogen. Danach hatte er es bereut, denn er liebte diese störrische Frau, auch wenn er nicht damit klargekommen war, welches Leben Uthe für ihn geplant hatte.

Offenbar fühlte Uthe zumindest ebenso, sonst wäre sie nicht an Bord der LONDON gegangen, um sich mit ihm zu versöhnen. Und nun steckten sie mitten in einer Entführung und krochen durch Wartungsschächte. Uthe seufzte und jammerte leise vor sich hin. Natürlich war das nichts für sie, aber sie hatte keine andere Wahl.

Timo Zoltan konnte über ein grafisches Interface das Überwachungssystem beeinflussen. Hierdurch wurden die Individualabtaster manipuliert und so ihre Flucht verschleiert. Das verschaffte ihnen mehr Zeit.

*

Prothon da Mindros putzte seine antiken Waffen, die an Bord der LONDON gebracht worden waren. Er hatte inzwischen das Quartier des verstorbenen Kommandanten Roy Cheidars bezogen. Das Türsignal summte auf. Orbton Zeronat betrat zusammen mit zwei weiteren Soldaten und Iron Styrm sein neues Quartier. Der dicke Epsaler wirkte nervös.

»Du wolltest mich sprechen, Epsaler?«

Mindros polierte ein langes Schwert, welches edel verziert war. Er blickte Styrm düster in die Augen.

»Ja, Mindros. Ich ... ich hab genug von der ganzen Sache. Ich will mein Geld, sonst mache ich nicht mehr mit.«

Angstschweiß lief von der Stirn Styrms.

Mindros stand auf. Er schwang das Schwert drohend hin und her.

»Das war das Schwert des terranischen Königs Edward the Longshank. Eine wahrhaft glorreiche Waffe. Du sollst dein Geld bekommen und noch etwas dazu.«

Mindros holte aus einem Tresor etliche Geldscheine hervor und warf sie dem Epsaler zu. Dieser hatte Mühe das ganze Geld zu halten. Er grinste und jubelte vor Freude. Neugierig sah er Mindros an. »Was wäre die Zugabe?«

»Den Preis für Verräter!«

Das historische Schwert bohrte sich in den fetten Bauch des Epsalers. Er starrte Mindros entsetzt an, ließ das Geld los und fiel zu Boden. Mindros war klar, dass nur der fette Epsaler die Informationen über die versteckten Steine an den Kommandanten gegeben haben konnte. Damit hatte er sein Todesurteil unterschrieben.

»Mascant! Eine Space Jet ist entkommen«, meldete der Obtron dem Mascanten.

»Wie konnte das passieren?«

»Wir hatten Probleme mit der Syntronik. Fast alles zeigte falsche Werte. Wir mussten sie mit der der HOZARIUS verbinden, um das System zu stabilisieren. Während dieser Störung müssen die sich abgesetzt haben. Wir haben sie jedoch noch in der Ortung.«

»Verfolgung aufnehmen!«

*

»Ha, habe ich es nicht gesagt? Das war ein Kinderspiel«, rief Zoltan freudig.

Remus und Uthe Scorbit waren weniger euphorisch. Sie stellten fest, dass sie weiterhin durch die Ortung der LONDON erfasst wurden.

»Keine Bange. Wir hängen die ab, sobald wir auf Überlichtgeschwindigkeit gegangen sind«, beruhigte Timo Zoltan.

Er drückte einige Knöpfe, als der Syntron Alarm gab.

»Was will uns denn dieses künstliche Teufelsding sagen?«, fragte Uthe besorgt.

»Keine Ahnung. Wir nehmen automatisch an Fahrt ab«, erklärte Timo.

»Aber dann kommen die doch näher!«, stellte Remus wenig amüsiert fest.

»Ja, wir haben echte Probleme.«

Mehr fiel Timo auch nicht mehr ein. Die Syntronik gab ein knackendes Geräusch von sich. Dann hörte es sich an, als würde jemand rülpsen und gleichzeitig schrill aufheulen. Uthe zuckte bei dem Geräusch zusammen, während Timo und Remus sich verwirrt anstarrten.

»Entschuldigung, das war Guten Tag auf antik-talsonisch. Wie geht es euch?«, sagte plötzlich eine Stimme, die über die Lautsprecher der Syntronik übertragen wurde.

»Wie ist das möglich? Das geht nicht. Verdammt!«

Timo Zoltan rief die Prozesse der Syntronik auf.

»Ach, das sind mir die liebsten Wissenschaftler. Neugierige Forscher, die behaupten, dass es irgendetwas nicht gibt, im großen, unbekannten und grenzenlosen oder doch begrenzten Universum. Nun ja, es gibt es schon. Ich habe mich in eure Syntronik gehakt und nutze den Kommunikationsport. Außerdem habe ich Koordinaten für einen Hyperraumsprung eingegeben, der ...«

In dem Moment tauchte die Space Jet in den Hyperraum ein.

»... jetzt startet. Keine Sorge. Die HOZARIUS wird euch zwar folgen, aber nicht zum eigentlichen Ziel.«

Nun mischte sich Remus Scorbit ein, da Timo Zoltan wie paralysiert wirkte und immer noch nicht begriff, wie ihn jemand hatte austricksen können. Schließlich war Zoltan der Syntronikspezialist.

»Mit wem sprechen wir denn?«

»Ich bin der Alysker. Ich bin ein Freund und werde euch vor dem Zugriff der Arkoniden schützen, wenngleich ...«

Remus wurde hellhörig.

»Wo ist der Haken?«

Die Stimme, die sich als Alysker bezeichnete, hüstelte und räusperte sich. Im Hintergrund hörten die drei Terraner eine weitere Stimme etwas in einwandfreiem Interkosmo flüstern. Es klang so, als sagte die zweite Stimme, dass Alysker nicht mit ihnen spielen sollte.

»Ist ja schon gut«, erwiderte der Alysker offenbar pikiert. »Nun, mein Begleiter rät mir, euch reinen Wein einzuschenken, so sagt man ja bei euch, nicht wahr? Nur habe ich auch eine dreimillionenseitige Verschwiegenheitserklärung gegenüber Hohen Mächten unterzeichnet. Und das Kleingedruckte ist in der siebenten Dimension ausgelagert. Die arbeiten mit allen Tricks ...«

Stille.

Timo Zoltan haderte, versuchte den Kurs nach zu verfolgen. Uthe zuckte nur mit den Schultern. Remus nahm einen zweiten Anlauf und bat den Alysker, ihnen mitzuteilen, wohin sie fliegen würden. Da fiel die Space Jet aus dem Hyperraum, um nur wenige Momente später wieder in den Überlichtflug zu gehen.

Die Reise dauerte einige Minuten, dann befand sich die Space Jet erneut im Normaluniversum. Vor ihnen tauchten vier kleine Energiestationen auf, die sich im Kreis anordneten und in der Mitte eine Art Portal projizierten.

»Beeindruckend«, meinte Zoltan. »Das erinnert mich an die Berichte über das Sternenportal am Rand der Lokalen Gruppe«, erklärte der Wissenschaftler.

Ein Lachen kam aus dem Akkustikfeld.

»Ich sehe, wir haben die Richtigen geschnappt. Fliegt dort hindurch. Es wird euch an einen unwirklichen Ort bringen. In eine Raumzeitfalte. Dort seid ihr vor den Arkoniden in Sicherheit, doch möglicherweise lauern andere Gefahren dort. Jedoch findet ihr auch Verbündete. Was ihr damit anfangt, hängt von eurem Charakter ab. Das kann und will ich nicht beeinflussen. Viel Glück!«

Timo Zoltan zögerte und schaute Remus fragend an. Uthe hingegen lehnte entschieden ab, durch dieses kleine Sternenportal zu fliegen. Remus traf eine Entscheidung. Er steuerte die Space Jet durch das Sternenportal.

 

5. Die Raumzeitfalte

Der blaugrüne Planet fiel Remus Scorbit als Erstes auf, als die Space Jet das Sternenportal verließ. Wo waren sie? Laut diesem ominösen Alysker in Sicherheit vor den Arkoniden und dennoch in Gefahr, obgleich potenzielle Verbündete hier zu finden seien. Remus rief sich Informationen über eine Raumzeitfalte in Erinnerung. Demnach war dies ein Ort, an dem die Zeit anders verging und der nicht direkt im Normalraum lag. Zoltan wüsste dies sicher besser. Doch der war immer noch mit der Syntronik beschäftigt.

»Ich glaube es nicht«, stammelte Timo Zoltan erstaunt, als er den Planeten unmittelbar vor sich sah.

Ein Planet in einer Raumzeitfalte. Ein einzelner Planet, ohne zugehöriges Sonnensystem! Der Planet zog um eine größere Kunstsonne in einem Abstand von etwa 900.000 Kilometern die Bahn.

Nur unweit von ihnen befanden sich vier Gegenstationen, die offenbar ein Sternenportal in dieser Raumzeitfalte bildeten.

Das Portal, die Kunstsonne und der Planet waren die einzig messbaren Objekte in der Raumzeitfalte. Die Ortung brach nach 4,2 Millionen Kilometern ab. Offenbar war das der Rand der Ausdehnung.

»Was machen wir jetzt? Mir gefällt es hier nicht«, sagte Uthe und seufzte unbehaglich.

»Wir fliegen zu dieser Welt«, entschied Remus.

Die Space Jet steuerte langsam auf den Planeten zu, stoppte allerdings bei einer Entfernung von genau dreihunderttausend Kilometern.

Timo Zoltan begann sofort den Planeten abzutasten. Die Welt hatte einen Durchmesser von 12.890 Kilometern und besaß eine Atmosphäre, die ideal für Menschen war. Die Gravokonstante betrug Einspunkteins, also erdähnlich. Sie bestand aus zwei Dritteln Wasser und einem großen Kontinent auf dem ausgedehnte Vegetation herrschte.

»Teile des Planeten kann ich nicht abtasten bzw. es kommen unbefriedigende Ergebnisse heraus.«

»Was bedeutet das?«, wollte Remus wissen.

»Nichts Besonderes. Das kann eine Menge Gründe haben. Gesteine oder Erze, welche die Ortung beeinflussen. Jedoch kann ich die Struktur der Lebensformen auf dem Planeten definieren«, erklärte er. »Eine Menge Tiere der verschiedensten Gattungen und ...« Plötzlich verstummte der Syntrontechniker.

»Und was?«, forschte Remus Scorbit nach.

Er ging zu Zoltan und sah auf dessen Abtastergebnisse. Ebenso erstaunt wie Timo, verschlug es ihm die Sprache. Uthe sah beide verständnislos an.

»Was ist denn nun auf dem Planeten?«, fragte sie ungeduldig.

»Menschen!«, sprachen Zoltan und Remus gleichzeitig.

*

Langsam näherte sich die Space Jet dem Planeten. Da definitiv Terraner auf der Planetenoberfläche wohnten, schien keine Gefahr gegeben zu sein. Vielleicht hatten die drei wirklich Rettung und Schutz vor Mindros gefunden, so wie dieser geheimnisvolle Alysker versprochen hatte. Trotzdem war es sonderbar, dass Terraner in einer Raumzeitfalte lebten. Es war den Terranern bis zum heutigen Tage nicht möglich, die Technologie praktisch zu nutzen. Die Nakken waren eines der Völker gewesen, welche diese Raumanomalien manipulieren konnten, doch alle Nakken waren vor knapp einem Jahrhundert in ES aufgegangen.

»Wir nehmen Funkkontakt auf«, beschloss Remus Scorbit, der seine anfängliche Überraschung erst einmal überwunden hatte.

»Hier spricht Timo Zoltan an Bord einer terranischen Space Jet. Wir bitten um Landeerlaubnis auf diesem Planeten«, sprach der Terraner in das Interkomgerät.

Nach einigen Minuten kam die Antwort in einwandfreiem Interkosmo.

»Guten Tag, Mister Zoltan. Schön von Ihnen zu hören. Wir erteilen Ihnen Landeerlaubnis auf dem Raumhafen, Landefeld 2, direkt neben dem großen Pott.«

Timo Zoltan sah die beiden Scorbits etwas verwirrt an. »Warum siezt der uns? Und welchen großen Pott meint der?«, fragte er verständnislos.

Er bekam von den anderen nur ein Schulterzucken als Antwort.

»Folgen Sie dem Leitstrahl, dann gelangen Sie an den Landeplatz«, hörte er jemanden aus dem Sprechgerät sagen.

Zoltan folgte den Anweisungen und tauchte in die Atmosphäre ein. Kaum hatte er die Wolken hinter sich gelassen, sah er eine wunderschöne Welt. Überall grüne Wald- und Wiesenflächen. Es gab anscheinend nur ein bis zwei größere Städte. Der Rest auf diesem Kontinent schien unberührte Natur zu sein. Dann erblickte er den 2.500 Meter durchmessenden Koloss auf dem Raumhafen. Langsam flog er an dem Kugelraumer heran und las den Namen des Schiffes, der in goldfarbenen Buchstaben über dem gewaltigen Ringwulst stand:

VIVIER BONTAINER.

Zoltan schluckte laut. Das Schiff aus in einem rötlich blauen Farbton schimmerndem Verbundstahl ragte wie ein Gebirge in der Landschaft auf. Wie in Trance ließ er einen Umriss-Scan über die Bilderfassung laufen und gab diesen, zusammen mit dem Schiffsnamen, in den Syntron der Jet ein. Wenig später gab dieser das Ergebnis aus, das die letzten Zweifel beseitigte. Ein Ultraschlachtschiff des Solaren Imperiums stand auf dem Landefeld, es musste mindestens 1.400 Jahre alt sein, denn das Solare Imperium war im Jahre 3460 untergegangen. So etwas wie Stolz kam in Zoltan auf. Menschen wie er, eben Terraner, hatten einmal diesen Koloss gebaut und hatten mit solchen Schiffen die Abgründe zwischen den Galaxien bezwungen. Ehrfürchtig las er die technische Beschreibung des Giganten.

140 Transformgeschütze mit einem Kaliber von 2.000 GT.

80 Transformgeschütze in Doppellafetten mit einem Kaliber von 4.000 GT.

Jeweils ein Fünflingspol-Transformgeschütz mit je 8.000 GT.

Dazu kam noch eine umfangreiche Armierung mit Impuls-, Desintegrator- und Paralyse-Geschützen schwersten Kalibers.

Fünffach gestaffelter Schutzschirm aus Paratron- und HÜ-Schirmen.

16 NUG-Schwarzschildreaktoren mit 14 Billionen Megawatt und 6 Hypertronzapfern zur Energiegewinnung.

Im Unterlichtbereich wurden Protonenstrahltriebwerke verwendet, die dem Schiff eine Höchstbeschleunigung von 820 km/s2 verliehen. Als Überlichttriebwerke standen ein Dimesextra-Triebwerk für den intergalaktischen Flug und ein Lineartriebwerk mit 16 Ultrakomp-Waringer-Konvertern zur Verfügung, die dem Schiff eine intragalaktische Reichweite von 24 Millionen Lichtjahren ermöglicht hatten.

Die VIVIER BONTAINER war in der Endphase des Solaren Imperiums, parallel zur SOL entwickelt worden und stellte den Prototyp einer neu geplanten Baureihe von Ultra-Schlachtschiffen dar, die als VERTEIDIGER-Klasse bezeichnet wurde. Im Unterschied zu den Schiffen der TRÄGER- und UNIVERSUM-Klasse sollte die VERTEIDIGER-Klasse als eine Art fliegende Festung das Rückgrat der Heimatflotte bilden und hauptsächlich die Verteidigung der Kernwelten des Solaren Imperiums übernehmen.

Allerdings, so lautete zumindest die Angabe der Syntronik, war das Schiff auf seinem Jungfernflug im Jahre 3460 verschollen.

Ein erregtes Räuspern ließ Zoltan zur Seite blicken. Remus hatte sich zu ihm gesellt und blickte ihm über die Schulter.

»Das ist der Wahnsinn. Für mich waren die Berichte über die alten Ultra-Schlachtschiffe immer so unwirklich. Ich konnte mir kein Raumschiff vorstellen, das einen Durchmesser von über zweieinhalb Kilometern gehabt haben soll. Selbst die LONDON, die unserem Wissen nach das zurzeit größte Raumschiff in der Milchstraße darstellt, dürfte neben diesem Koloss wie ein Zwerg wirken. Und nun erhebt sich so ein Gebirge aus Verbundstahl direkt vor unseren Augen in den blauen Himmel dieses komischen Planeten.«

Der Syntronikspezialist nickte zustimmend und meinte, mit einem begeisterten Grinsen:

»Ist das nicht ein erhebender Anblick? Wie man an diesem Schiff sehen kann, waren wir einmal in der Lage, wirklich große Hämmer zu bauen. Und«, dabei klatschte er begeistert in die Hände, »was spricht eigentlich dagegen, dass wir das wieder tun?«

Uthe, die bisher schweigend den Schwärmereien der beiden Männer zugehört hatte, mischte sich nun in das Gespräch ein:

»Seid ihr eigentlich bescheuert? Ich sage nur eines, Männer! Was soll denn so besonders an diesem Ungeheuer sein? Nichts, als Unmengen von nutzlosem Stahl, der nur dazu dient, dass sich die Herren der Schöpfung gegenseitig die Köpfe einschlagen, nach dem Motto: Mein Ding ist größer als deines, Ätsch.«

*

Die Space Jet landete neben dem riesigen Raumschiff. Die Drei stiegen aus und ein kleines Empfangskomitee erwartete sie. Sie waren in sonderbar altertümlich wirkende lindgrüne Uniformen gekleidet, die bei Zoltan die Augen zum Leuchten brachte.

»Tatsächlich, echte Raumfahrer aus dem Solaren Imperium«, rief er enthusiastisch. Laut begann er zu singen: »Hört, wenn der Ruf zu den Sternen erklingt. Ad Astra, Terraner! Intergalaktisches Abenteuer winkt. Ad Astra, Terraner!« Dabei klatschte er begeistert in die Hände, was ihm schräge Blicke des Empfangskomitees einbrachte. Es ist alles so, wie in den Holo-Simulationsspielen, dachte er, ganz genau wie in der »Straße nach Andromeda!«

Ein Mitglied der Gruppe machte einige Schritte auf sie zu und Zoltan konnte seine Rangabzeichen erkennen. Schmaler Streifen, kleiner Komet, registrierte er, das musste ein Leutnant sein. Dieser ging selbstbewusst aber freundlich auf die drei Terraner zu, doch dann stoppte er und blieb stehen. Die beiden hinter ihm befindlichen Menschen schlossen auf. Einer von ihnen war hochgewachsen, etwa 1,90 Meter groß, muskulös, besaß ein hart geschnittenes Gesicht und trug leicht gekräuseltes Haar, das von einigen silbernen Strähnen durchzogen war. Seine hellgrauen Augen zeigten Selbstbewusstsein und zugleich Zurückhaltung. Neben dem Terraner lief ein weiterer Hüne, der auf den ersten Blick wie ein Arkonide aussah, doch das weiße Haar täuschte. Seine Augen waren goldfarben und seine etwas grobschlächtige Gestalt war muskelbepackt. Er trug eine seltsame Kombination mit viel Schmuck. Sein Gang und die Haltung zeigten, dass er weniger gewandt war, als der Andere.

Mit einem Lächeln stellte sich der Terraner vor. »Guten Tag, die Herrschaften. Ich heiße Sie herzlich im Paradies willkommen. Mein Name ist Joaquin Manuel Cascal, doch jedermann nennt mich Joak Cascal. Der Mann neben mir ist Sandal Tolk.«

Der Muskelmann nickte stumm und musterte die Drei misstrauisch.

»Wer seid ihr, wenn ich mir diese Frage erlauben darf?«, wollte Cascal wissen.

Timo Zoltan stellte die Drei vor. Cascals Augenmerk fiel auf Uthe Scorbit. Er ging zu ihr und küsste ihren Handrücken.

»Wir haben lange keinen so reizenden Besuch bekommen«, sagte er charmant und sah ihr tief in die grünen Augen.

Remus Scorbit begann sich laut zu räuspern. Cascal warf ihm einen kurzen Blick zu und ließ dann ihre Hand los. Uthe war jedoch von der galanten Art des Terraners angetan.

»Davon kannst du dir eine Scheibe abschneiden«, meinte sie zu ihrem Ehemann.

»Joak Cascal und Sandal Tolk ...«, murmelte Timo Zoltan, als ob ihm diese Namen bekannt vorkamen.

Cascal bat die Gäste in einen Gleiter zu steigen und an einem Essen teilzunehmen, wo man alles besprechen konnte. Auf dem Weg zu dem Regierungsgebäude sahen Zoltan und die Scorbits wunderschöne Bauten und eine atemberaubende Natur. Die Menschen schienen ein schönes Leben auf dem Planeten zu führen.

»Wie viele Menschen befinden sich auf diesem Planeten?«, fragte Timo Zoltan.

»Etwa 1.000. Wir leben seit dreizehn Jahren auf dieser Welt. Es ist ein Paradies. Die Natur ist einmalig und jeder fühlt sich hier wohl«, erklärte der Offizier des Solaren Imperiums.

Die Gebäude waren ansehnlich verziert, wirkten jedoch nicht pompös, sondern passten zur harmonischen Atmosphäre des Planeten.

»Da sind wir«, bemerkte Cascal, als sie ein großes Gebäude erreichten, welches den Regierungssitz darstellte.

Timo Zoltan hatte in der Zwischenzeit über sein Picopad einen Datenkanal zur Syntronik der Space Jet geöffnet und sich über Cascal informiert. Dieser hatte unter Perry Rhodan während der Krise gegen Imperator Dabrifa, Ribald Corello, den Cappins und dem Schwarm gedient.

Ihren vorerst letzten gemeinsamen Einsatz hatten sie wohl im Jahre 3445 gehabt. Doch nach einer gescheiterten Beziehung mit einer exotanischen Frau hatte Cascal sich im Jahre 3455 aus dem aktiven Dienst zurückgezogen und einen Posten als Militärattaché des Solaren Imperiums auf Exotha Alpha angenommen.

Exota Alpha war eigentlich eine recht primitive Welt, die von den Schwarmkriegern angegriffen worden war. Tolks Familie hatte dabei den Tod gefunden. Nach der Schwarmzeit war der Planet zu einer Kolonie des Solaren Imperiums geworden. Über den weiteren Werdegang der beiden war Zoltan nicht genau informiert. Wie Cascal an Bord der VIVIER BONTAINER gekommen war, darüber hatte die Syntronik keine Informationen. Alles was er über das Ultra-Schlachtschiff in Erfahrung bringe konnte, war, dass das Schiff bei seinem ersten Einsatz, der zugleich den Jungfernflug darstellte, im Jahre 3460 angeblich verschollen sei. Nur, wie kam das Raumschiff dann in eine Raumzeitfalte?

Die drei Gäste wurden in einen Speisesaal geleitet, wo allerlei Köstlichkeiten aufgedeckt waren. Ausgehungert stürzten sie sich auf die angebotenen Gerichte.

»Lassen Sie es sich schmecken«, wünschte Cascal. Auch Sandal Tolk schlang das Essen in sich hinein, begleitet von einigen Lauten. Uthe wirkte pikiert. Tolk sah sie ernst an.

»Es zählt zu den guten Manieren auf Exota-Alpha lautstark zu bekunden, dass das Mahl einem schmeckt.«

Uthe war überrascht.

»Du ... ich meine Sie können ja sprechen.«

Tolk fletschte die Zähne und knurrte. Als Uthe sichtlich erschrocken war, fing er lauthals an zu lachen und klopfte ihr freundschaftlich auf die Schulter. Dabei fing sie laut an zu husten.

Cascal schmunzelte darüber.

»Timo, Sie sagten, Sie kämen von der LONDON II? Was für ein Schiff ist das? Wie sieht es in der Milchstraße aus? Ist Rhodan wieder aufgetaucht?«

Viele Fragen, die Timo nicht so leicht beantworten konnte. Zoltan begriff nun langsam. Cascal nahm an, sie seien erst seit dreizehn Jahren in dieser Raumzeitfalte, doch in Wirklichkeit waren 1412 Jahre vergangen.

»Joak, ich weiß nicht, wie ich es dir beibringen soll ...«, begann er zögerlich.

»Ich kann mich nicht erinnern, mit Ihnen Brüderschaft getrunken zu haben, Zoltan!«, entgegnete der Offizier des ehemaligen Solaren Imperiums etwas verwundert.

»Oh, tut mir Leid«, entschuldigte sich Timo.

Er hatte vergessen, dass man erst seit der Neuen Galaktischen Zeitrechnung jeden mit »du« anredete.

»Oberst Cascal, wir befinden uns im Jahre 1290 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, was dem Jahr 4879 alter Zeitrechnung entspricht«, erklärte schließlich Remus Scorbit, nachdem er merkte, dass Zoltan mit der Antwort zögerte.

Cascal wurde wütend. »Was für ein Quatsch faseln Sie da, Mann? Wir haben den 12. Oktober 3479!«

»Nein, Sie befinden sich in einer Raumzeitfalte. Wie Sie dort hingekommen sind, weiß ich nicht, aber in einer Raumzeitfalte vergeht die Zeit langsamer. Was für Sie wie dreizehn Jahre vorkam, waren in Wirklichkeit 1412 Jahre.«

»Der Mann von dem Rotschopf redet wirres Zeug«, mischte sich der Exota Alphaer ein.

Cascal musste erst einmal tief durchatmen. Was Remus Scorbit ihm berichtete, war ungeheuerlich.

»Darf ich ihre Space Jet untersuchen?«, fragte Joak Cascal.

»Natürlich. Sie werden Technik dort vorfinden, die der des Solaren Imperiums teilweise überlegen sein wird, aber auch alte Komponenten, wie den Paratronschirm«, erklärte Timo Zoltan.

Remus Scorbit hielt es inzwischen für nötig, die Terraner über ihre Abenteuer aufzuklären. Er berichtete kurz von den momentanen Gegebenheiten in der Galaxis und von der Rolle der LONDON II, von der Entführung durch den Arkoniden Prothon da Mindros, dem gescheiterten Rettungsversuch Atlans und ihrer Flucht. Anschließend bat er Cascal, zu berichten, wie die VIVIER BONTAINER in die RZF kam.

Joak Cascal erzählte, dass nach der Invasion durch die Laren und das Verschwinden der Erde samt Perry Rhodan, die Kolonialwelten des Solaren Imperiums in großer Gefahr geschwebt hatten.

»Leticron, der sogenannte Erste Hetran der Milchstraße, ein brutaler und kompromissloser Überschwerer, beutete viele der ehemaligen Kolonien des Solaren Imperiums aus. Auch auf Exota Alpha bereitete man sich auf einen Ansturm der Flotte der Überschweren vor. Zu der Zeit tauchte jedoch ein fremdes Schiff über Exota Alpha auf und erforschte anscheinend den Planeten. Ein Kreuzer näherte sich dem Schiff und wurde zerstört. Die Schilde des Kreuzers überlasteten sich und er löste sich förmlich auf. Die VIVIER BONTAINER nahm die Verfolgung auf.

Bald wurden aus den Jägern jedoch die Gejagten ...«

Cascal schilderte, dass eine Art Portal sie umhüllt hatte, dann waren die Crewmitglieder in einen tiefen Schlaf gefallen. Danach waren sie in diesem System aufgewacht.

Sie hatten zuerst versucht, einen Weg herauszufinden, doch es war unmöglich gewesen. So hatten sie sich auf dem Planeten niedergelassen. Von den 2.800 Besatzungsmitgliedern hatte sich ein Drittel auf diesem Kontinent angesiedelt. Der Rest hatte sich über den ganzen Planeten verstreut, als es aussichtslos geworden war, Heaven – so hatten sie die Welt getauft – zu verlassen.

Die VIVIER BONTAINER konnte seit der Landung auf dieser Welt nicht starten.

Auch Untersuchungen auf dem Planeten brachten wenig. Die positive Strahlung des Planeten erfasste auch die beiden und sie entschlossen sich, wie der Rest der Besatzung, auf Heaven zu bleiben und sich anzusiedeln.

»Die letzten dreizehn Jahre waren die schönsten meines Lebens. Wir waren fernab von allem Bösen und Schlechtem. Alles auf dieser Welt ist harmonisch. Die Tiere, die Natur und auch wir«, schloss Cascal seine Erzählungen ab.

Sandal Tolk stimmte seinem Freund mit einem leichten Kopfnicken zu. Der Barbar von Exota Alpha schien auf dieser Welt seinen Frieden gefunden zu haben.

»Ich verstehe«, meinte Timo Zoltan.

Es klang etwas enttäuscht. Die Informationen, die die Syntronik geliefert hatte, legten nahe, dass Cascal und Tolk in der Vergangenheit immer versucht hatten, auch in aussichtslosen Situationen schließlich die Oberhand zu gewinnen. Es war schwer zu glauben, dass sie sich einfach in ihr Schicksal ergaben und alles um sich herum vergaßen. Es war seltsam, dass die VIVIER BONTAINER, die nach Cascals Aussagen völlig intakt war, nicht den Planeten verlassen konnte. Doch die Besatzung des Schiffes schien sich nicht darum zu kümmern. Dennoch sah Timo Zoltan in der VIVIER BONTAINER ein Raumschiff, welches zur Befreiung der LONDON beitragen konnte. Die Angehörigen der Solaren Flotte hatten eine hervorragende Ausbildung genossen und waren sicher in der Lage einen Prothon da Mindros zu schlagen, zumal er nicht mit dem Auftauchen eines solchen Schiffes rechnete. Er wechselte einen kurzen Blick mit Remus Scorbit, der dasselbe wie Timo zu denken schien.

»Mister Cascal, Mister Tolk! Wir brauchen Ihre Hilfe. Mit Hilfe der VIVIER BONTAINER könnten wir Prothon da Mindros in die Enge treiben. Sie müssen uns helfen!«

Tolk grummelte etwas, was jedoch keiner verstehen konnte. Cascal sah ihn kurz an und schüttelte den Kopf.

»Nein, das ist vorbei. Ich habe meine Pflicht und Schuldigkeit für die Galaxis getan. Jetzt ist Schluss. Dieser Ort ist das Paradies, hier möchte ich den Rest meines Lebens verbringen«, erklärte er.

»Das hört sich aber nicht nach dem erfolgreichen Kommandanten an, der sich jeder Herausforderung erfolgreich gestellt hat«, rief Zoltan aufgebracht.

»Die Dinge ändern sich eben!«, meinte der Terraner, der im Jahre 3387 geboren wurde. Eine hübsche Frau mit langen blonden Haaren näherte sich ihm. Sie war schwanger, soweit Zoltan es einschätzte im siebenten Monat. Sie nahm Cascals Hand.

»Das ist meine Frau Zelia. Sie trägt meinen Sohn in ihrem Bauch. Die Abenteuer sind vorbei.«

Die drei Terraner aus der NGZ merkten die Endgültigkeit in Cascals Worten. Doch Zoltan wollte noch nicht aufgeben. »Ist das auch Ihre Meinung, Tolk?«

Der Muskelmann machte einen nachdenklichen Eindruck. »Ich habe mein ganzes Leben lang gekämpft, mehr Schwarmgötzen umgebracht, als Sie zählen können. Hier ist alles schön. Hier gibt es nichts Böses. Ich sehe keinen Grund, das zu ändern«

Enttäuscht verließen die Drei den Saal und begaben sich in ihre Unterkünfte.

*

»Wir haben nicht viel Zeit. Ich weiß nicht wie viel Zeit außerhalb der Raumzeitfalte vergeht. Bleiben wir Wochen hier, könnten draußen schon Jahre vergangen sein«, erklärte Timo Zoltan besorgt.

»Bist du dir da sicher?«, fragte Uthe Scorbit.

»Nein, sicher nicht. Ich bin kein Nakk und weiß viel zu wenig über die Physik der Raumzeitfalten. Dass die Zeit jedoch langsamer, zumindest auf diesem Planeten, vergeht, ist eine Tatsache«

Zoltan dachte kurz nach. Er holte Stift und Papier und kritzelte eine Gleichung.

»1412 Jahre entsprechen dreizehn Jahren hier. Das sind 515380 Tage in etwa in der Normalzeit und 4745 Tage in der Raumzeitfalte. Ein Tag in der RZF entspricht also 108 Tagen im Normaluniversum. Das bedeutet, dass eine Stunde hier 4,5 Tage im Normaluniversum sind. Und wir sind jetzt seit 45 Minuten hier ...«

Uthe und Remus blickten Timo sprachlos an. Aber durch die Gleichung war ihnen klar geworden, dass sie im Grunde überhaupt keine Zeit mehr hatten.

Uthe musste an die Terraner aus dem Solaren Imperium denken. Sie waren ganz anders, als sie sie sich immer vorgestellt hatte. In der Schule und ihrem familiären Umfeld wurde immer erzählt, dass sie steife, militaristische und faschistoide Menschen gewesen wären, doch hier waren sie eher zuvorkommend und freundlich.

Vielleicht lag das auch an den Einwirkungen des Planeten. Die Welt war zweifelsohne wunderschön und Uthe hatte bereits mit Remus darüber gesprochen, sich auf dieser Welt anzusiedeln, doch Remus sprach von ihrer Verantwortung gegenüber den Passagieren der LONDON.

Timo Zoltan hatte vermutlich recht. Mit Hilfe der VIVIER BONTAINER würde man Mindros in die Enge treiben können. Die RICO allein war der LONDON und dem arkonidischen Schlachtschiff nicht gewachsen. Eigentlich waren Joak Cascal und Sandal Tolk für ihre Risikobereitschaft berühmt gewesen. Wären sie in normaler Form gewesen, hätte Zoltan keinen Zweifel an der Wende gehabt, doch unter diesen Umständen musste ein Wunder geschehen. Timo beschloss den Planeten zu erforschen. Ihm war diese Welt zu friedlich! Irgendetwas stimmte an der Sache nicht und er wollte herausfinden, was es war.

 

6. Die Herren der Raumzeitfalte

»Es sind noch mehr Terraner auf den Planeten gekommen«, bemerkte der erste Beobachter.

»Ich dachte, die Terraner wären nicht in der Lage, die Raumzeitfalten zu nutzen?«, antwortete der Höherstehende etwas verärgert.

»Sie haben sich weiterentwickelt.«

»Werden die Neuen zu einer Gefahr?«

»Sie stören die Harmonie.«

*

Der Höherstehende kroch langsam zu einer Konsole, in der ein achteckiger Monitor eingebaut war. Er gab seltsame Laute von sich, die von seiner Atmung stammten. Sie verrieten seine Erregung. Die Greiftentakel drückten zwei Schalter. Er beobachtete die Siedlung der Terraner. Kleine Kinder, knapp zwei Jahre alt, spielten auf einer Wiese. Wie abstoßend vergnügt diese Kinder waren. Alle Terraner waren glücklich und zufrieden. Niemand bemerkte, dass sie nur Versuchsobjekte waren.

»Haben wir endlich genügend über diese elendigen Kreaturen herausgefunden?«, wollte er wissen.

Er war es leid, seit Jahren nur diese Wesen zu beobachten. Der Meister Rodrom war der Meinung, diese Rasse sei von großer Wichtigkeit in der Galaxiengruppe. Würde man ihre Schwächen herausgefunden haben, wäre es ein Leichtes, die kosmischen Gesetze in diesem Sektor des Universums endlich durchzusetzen.

»Wir haben ihre Technik genau studiert. Sie arbeitet auf völlig anderer Weise, als die unsere. Sie sind uns in jeder Hinsicht unterlegen. Wir könnten jederzeit eine Invasion starten«, berichtete sein Chefwissenschaftler.

»Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich während der Beobachtungszeit weiterentwickelt haben?«

»Nun, die Terraner sind eigentlich sehr innovativ, aber ich denke nicht, dass sie uns in irgendeiner Weise gefährlich werden dürften.«

»Gut, dann werde ich einen Abschlussbericht erstellen, mit dem Vorschlag, eine Invasion zu starten.«

Endlich schien die langweilige Zeit vorbei zu sein. Zhjlk war kein Forscher, er war ein Krieger. Er wollte wieder den Geruch des Todes, von Blut und verbranntem Fleisch riechen. Das war seine Bestimmung, nicht in einem Forschungslabor zu versauern. Er hatte genügend Frust angesammelt, um den Terranern mal richtig einzuheizen. Er hoffte, es lohnte sich und sie würden würdige Gegner sein. Er wusste, dass in der Welt des Normaluniversums die Zeit viel schneller verging, als in der Raumzeitfalte, die zur einer Art Heimat für seinen Stamm geworden war. Die Auskunft des Forschers war beruhigend, ein Gegner, der sich wehren konnte, war für die Krieger der Casaro viel interessanter, als das einfache Abschlachten weit unterlegener Primitiver. Doch genauso wichtig würde es sein, dass der technologische Abstand zu den zukünftigen Opfern genügen würde, um die geplante Vernichtungsaktion ohne allzu große eigene Verluste durchzuführen.

»Was machen wir mit den Terraner auf Test? Sie haben ihren Zweck erfüllt. Die Neuen scheinen außerdem Ärger zu machen, wie unsere Abhöranlagen berichten. Sie zweifeln an der Harmonie der Welt. Es könnte sein, dass sie die Wahrheit herausfinden.«

Zhjlk diente zwar schon lange in der Raumzeitfalte, war jedoch erst vor kurzer Zeit von Rodrom persönlich zum Kommandanten ernannt worden. Offenbar hatte der Rote eine Vorahnung gehabt. Nun waren plötzlich neue Terraner in diesem geheimen Versteck angekommen. Woher hatten sie die Koordinaten? Sie mussten über ein mobiles Sternenportal verfügen. Doch woher hatten sie das? Berichte von Außerhalb hatten von einer Stagnation der Wissenschaft in der Lokalen Gruppe gesprochen. Anders ausgedrückt, die Wesen, die zur Mächtigkeitsballung dieser komischen Superintelligenz ES gehörten, waren einfach zu primitiv.

Zhjlk überlegte, ob sie Unterstützung bekommen hatten? Doch darum musste sich Rodrom kümmern. Auf Test wurden ausschließlich Terraner als Test- und Studienobjekte gefangen gehalten. Die verschiedenen zeitlichen Epochen, aus denen die Terraner stammten, waren durch Zeitfelder voneinander getrennt, in denen die Zeit unterschiedlich schnell verging. Gleichzeitig bildete jedes einzelne Zeitfeld eine Pararealität, so dass theoretisch beliebig viele Experimentierfelder mit unterschiedlichen Zeitabläufen nebeneinander existierten konnten, ohne dass die jeweilige Versuchspopulation in irgendeiner Weise in Kontakt mit anderen Versuchsfeldern kommen konnte.

Innerhalb dieser Pararealitäten sorgten Stasefelder für den Erhalt gewisser Studienobjekte, die bereits seit Tausenden von Jahren hier gefangen gehalten wurden. Um sie zu erhalten, musste der Zeitablauf extrem verlangsamt werden. Zhjlk verstand jedoch von den technischen Problemen wenig und die interessierten ihn auch nicht. Das war Sache der Wissenschaftler.

Er wusste jedoch, dass die Psychologen ihm den Schwanz abschneiden würden, wenn er ihre wichtigsten Forschungsobjekte ausradierte. Darunter fielen jedoch nicht die Terraner, die mit diesem primitiven Riesenschiff eingefangen worden waren. Das waren, zumindest nach der Ansicht der Psychologen, einfache Gemüter, die bereits jetzt ohne weiteres wissenschaftliches Interesse waren.

Die Psychologen wollten jedoch unbedingt den Terraner Don Philippe Alfonso Jaime de la Siniestro weiter untersuchen. Das Exemplar aus dem 18. Jahrhundert terranischer Zeitrechnung sei ein besonders intelligentes, widerstands- und anpassungsfähiges Exemplar seiner Gattung, das noch dazu völlig skrupellos wäre. Der Erhalt dieses Versuchsobjektes wäre von großer Wichtigkeit, betonten sie immer wieder. Ebenfalls hatten sie sehr starkes Interesse an drei Terranern aus dem 20. Jahrhundert gefunden, die einem, selbst für die Casaro, irrsinnigen Führerkult frönten und diesem nachtrauerten. Sie waren in den Anfängen von Perry Rhodans Aufstieg gefangen genommen worden. Zhjlk empfand sie als völlig unbedeutend, doch er wollte es sich mit den Wissenschaftlern nicht verscherzen, denn Rodrom hörte auf die.

»Den Spanier und die drei deutschen Terraner betäuben und in Stase versetzen«, befahl Zhjlk.

Er überprüfte die Protokolle der vergangenen Zeiteinheiten. Ein Transporter war vor Kurzem mit einem Zweitkonditionierten eingetroffen. Rodrom hatte befohlen, dass alle Zweitkonditionierten ihm aus den Augen geschafft werden sollten. Jetzt wussten sie nichts mit ihm anzufangen. Zhjlk hatte vor, die Last abgeben.

»Bringt die vier Terraner auf den Transporter mit der Bestie. Sie sollen zu einer anderen Raumzeitfalte gebracht und dort zwischengelagert werden.«

»Und die anderen auf Test?«

Zhjlk zischte.

»Abschlachten!«

*

Timo flog bereits eine Stunde mit dem Gleiter durch die Gegend und suchte nach irgendwelchen Anomalien, die einfach nicht zu Heaven passten. Er musste immer wieder daran denken, wie sehr er sich beeilen musste. Eine Stunde auf dem paradiesischen Planeten entsprach knapp fünf Tagen im Normaluniversum. Sie waren demnach schon zehn Tage weg.

Oftmals zeigten die Orter und Taster der Jet Störungen oder lieferten völlig unsinnige Daten. Es war offensichtlich, dass irgendjemand etwas zu verbergen hatte. Er landete bei einem großen Felsbrocken, der ihm etwas zu unnatürlich vorkam. Weit und breit keine Berge oder auch nur Hügel, sondern nur flache, endlose Wiese und dort lag dieser Brocken, als wenn ihn irgendjemand mit Absicht hätte fallen lassen. Er tastete den Stein ab, konnte jedoch nichts feststellen. Trotzdem beschlich ihn ein sonderbares Gefühl. Er zog seinen Thermostrahler und schoss auf den Brocken. Der hochenergetische Lichtstrahl schlug in den Felsbrocken ein und sprengte große Brocken ab. Der Syntronikspezialist nickte befriedigt, denn was der halb zerstörte Steinklumpen offenbarte, überraschte ihn nicht sonderlich.

»Ich habe es doch gewusst!«, murmelte er vor sich hin.

*

Er flog so schnell wie möglich wieder zur Siedlung zurück. Hastig rannte er zu Joak Cascal und Sandal Tolk, die zusammen mit Zelia und den Scorbits zu Mittag aßen.

»Cascal, ich muss mit Ihnen reden!«, rief Timo.

»Sehen Sie nicht, dass wir essen? Haben die Terraner im Jahre 1290 NGZ keine Manieren mehr?«

Immerhin hatte Joak Cascal die Tatsache akzeptiert, dass sie aus dem 13. Jahrhundert NGZ stammten. Die Technik und Aufzeichnungen in der Space Jet hatten ihn überzeugt.

Timo warf trotzig den Störsender auf den Tisch.

»Was ist das?«, fragte Cascal.

»Ein Teil eines Störsenders!«, erklärte Zoltan.

Cascal und Tolk sahen sich verdutzt an. Er atmete tief durch.

»Woher haben Sie das, Mister Zoltan?«, wollte er wissen.

»Aus einem Felsbrocken am Rande der Siedlung. Im Innern ist die ganze Apparatur. Ich vermute sie sollte dazu dienen, die VIVIER BONTAINER am Starten zu hindern. Ich habe zwanzig weitere solche Störsender gefunden, die rundherum verteilt waren«, erklärte Zoltan.

Zoltan konnte sich ein selbstgefälliges Lächeln nicht verkneifen. Er konnte dem großen Manuel Joaquin Cascal eines Besseren belehren. Wenn das nicht in die Geschichtsbücher eingehen würde.

Es herrschte eine Weile gespenstische Stille im Raum. Cascal und Tolk schienen eindringlich zu überlegen. Es musste schwer für sie sein, den Betrug zu verkraften, auf den sie seit dreizehn Jahren gefallen waren. Dreizehn fiktive Jahre, denn in Wahrheit waren über 1.400 Jahre vergangen.

»Sandal Tolk mag es gar nicht, wenn ihn jemand auf den Arm nimmt«, brummte der Barbar ziemlich unfreundlich.

Er stand auf und ging in einen anderen Raum, wo er einen knapp 1,50 Meter langen Bogen herausholte und die dazu passenden Pfeile. Cascal sah seinen Freund irritiert an. Er hatte anscheinend größere Probleme, mit der Entdeckung Zoltans fertig zu werden, als der Barbar von Exota Alpha. In seiner einfachen Art symbolisierte Sandal Tolk seine Bereitschaft, Zoltan und die Scorbits zu unterstützen.

»Irgendjemand hat Sie absichtlich auf diesen Planeten gebracht. Er wollte, dass Sie ihn nicht mehr verlassen«, erklärte Timo Zoltan eindringlich.

»Aber warum beschert er uns ein solches Paradies?«

»Damit Sie keinen Verdacht schöpfen. Anscheinend wollte Sie jemand studieren. Es ist ihm wohl auch vortrefflich gelungen«

»Bis Sie kamen, Zoltan«, sagte Cascal mit einem leichten Unterton. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen danken oder eins auf die Zwölf geben soll.«

Timo lachte auf. Er hoffte, dass Cascal ihm eher danken würde.

Cascal seufzte laut, dann stand er auf und ging zu Timo Zoltan. Er ballte seine Faust und packte den Terraner am Kragen. Timo kniff die Augen zu und erwartete die ankommende Faust. Stattdessen ergriff Cascal seine Hand und schüttelte sie.

»Es nutzt nichts, in einer Scheinwelt zu leben. Wir haben uns offenbar zu sehr an dieses Paradies gewöhnt. Das hat uns blind gemacht. Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet«, meinte der alte Kämpe aus dem Solaren Imperiums mit einem Lächeln.

Timo Zoltan atmete erfreut auf.

»Jetzt erklären Sie mir aber erst einmal, was genau eine Raumzeitfalte ist und wie wir hier herauskommen!«

Timo Zoltan erklärte den Terranern, was eine Raumzeitfalte darstellte. Im Wesentlichen handelte es sich um eine Anomalie im Raumzeitgefüge und ermöglichte oftmals den Durchgang zu anderen Universen. Die Nakken, auf die die Terraner vor etlichen Jahrhunderten in der Galaxie Siom Som gestoßen waren, beherrschten eine Technik um die Raumzeitfalten zu nutzen. Es war sehr schwierig durch die Pforten zu fliegen und vor allem die RZF wieder zu verlassen. Möglicherweise war das Sternenportal jedoch ein weiterer Weg. Zwar hatte der Alysker sie in die Anomalie gebracht, jedoch kein Wort darüber verloren, wie sie wieder herauskommen würden. Es stand also noch ein schwieriger Part vor ihnen.

»Nun, dann ist die Lage wieder einmal ernst, aber nicht hoffnungslos«, sinnierte Cascal.

Bevor er jedoch weitere Pläne schmieden konnte, wurde er von einem Soldaten unterbrochen.

»Alarm. Wir werden angegriffen!«

*

Etwa zwanzig trapezförmige Jäger griffen die Siedlung an und bombardierten die Häuser. Sie verwendeten hochenergetische Energiewaffen, die eine ähnliche Wirkung wie Impulsstrahler hatten.

»Wer sind die?«, rief Tolk erbost.

Er wollte seinen Bogen spannen, doch Cascal meinte, dass dies nicht viel bringen würde.

»Ich vermute, das sind die Fremden, die sie hier gefangen hielten. Anscheinend haben wir sie irgendwie sauer gemacht«, rief Remus Scorbit.

Eine kleine Fähre der Aggressoren landete am Raumhafen. Seltsame Kreaturen stiegen aus. Sie waren schlangenähnlich und besaßen anstelle von Beinen einen dicken Schwanz, auf dem sie sich fortbewegten, jedoch sehr schnell. Am Rumpf waren an jeder Seite zwei Tentakel. Das obere Paar mündete in messerähnliche Krallen, die am Ende eines beweglichen Glieds saßen. Das untere Paar besaß vier Finger und diente somit als Gebrauchshand. Der Kopf lief spitz zu und wies vier Augen und zwei Münder auf, aus denen dolchartige Zähne blitzten. Der ganze Körper war mit etwa fünf Zentimeter starken Stacheln übersät. Sie trugen außer Waffenhaltern kaum Kleidung. Die ersten Wesen stürzten sich auf die wehrlosen Terraner und zerfetzten sie. Sie verzichteten auf den Einsatz ihrer Waffen. Anscheinend waren sie ein Kämpfervolk, das den Mann-gegen-Mann-Kampf bevorzugte.

»Zur BONTAINER, Leute!«, rief Cascal.

Er rannte zu einer Lagerhalle und öffnete das Schott. Es war eine Waffenkammer. Sofort bewaffnete er sich mit einem Thermogewehr.

»Sandal, hier nimm das Gewehr!«, brüllte er, doch Tolk lehnte ab.

Er spannte seinen Bogen und legte einen Pfeil hinein. Er visierte einen der Angreifer an und schoss. Der Pfeil durchbohrte den Hals des Wesens. Dickflüssiges, braunes Blut spritzte aus der Wunde. Tolk stieß einen martialischen Freudenschrei aus. Remus Scorbit sah den Hünen verwundert an. Cascal stupste ihn.

»Haben Sie noch nie einen Barbaren gesehen?«

Dann drückte er ihm eine Waffe in die Hand. Uthe und Zelia hielten sich in der Nähe von Cascal und den anderen auf, doch eine Thermobombe schlug nur wenige Meter neben ihnen ein.

Die Explosion ließ sie zu Boden fallen. Uthe wollte Zelia aufhelfen, da schnellten drei der fremden Wesen auf sie zu. Bevor Zelia auf den Knien war, durchbohrte sie ein Tentakel. Sie sah mit aufgerissenen Augen Uthe an.

Die junge Terranerin schrie vor Entsetzen auf. Bevor der andere Casaro auch sie tötete, rannte Sandal Tolk auf ihn zu und schlug mit einer Axt auf ihn und die anderen beiden ein. Er hackte sie laut schreiend in Stücke. Uthe zitterte und hielt immer noch Zelias Hand fest, die jedoch erschlafft war. Tolk beugte sich über die Tote. Er sah zu Cascal, der den Tod seiner Frau noch nicht bemerkt hatte. Er nahm sie auf seine Schultern und trug sie zur VIVIER BONTAINER. Uthe hielt sich dicht an den Barbaren.

Die kleine Siedlung wurde dem Erdboden gleichgemacht. Für viele kam jede Rettung zu spät. Das Paradies Heaven wurde zur Hölle. Cascal schoss sich seinen Weg zur VIVIER BONTAINER frei. Er gab zudem Remus Scorbit und Timo Zoltan Feuerschutz.

»Cascal an Herrod, sind Sie bereits in der BONTAINER?«

Er erhielt eine Bestätigung über Interkom.

»Dann aktivieren Sie verdammt noch mal den HÜ-Schirm und schalten sie ihn so, dass er in einer Höhe von 2 m über dem Erdboden endet. Damit können die Jäger nicht mehr direkt auf uns schießen. Gleichzeitig feuern sie mit den Impulskanonen auf diese Mistviecher!«

Eines der Schlangenwesen sprang auf Cascal zu. Er schnitt mit seinem Tentakel eine Wunde in Cascals linken Arm.

Joak schrie vor Schmerzen auf. Dann schoss er mit dem Thermostrahler auf den Angreifer. Die Energiesalve sprengte den Kopf der Kreatur weg. Er und die anderen beiden hatten inzwischen die Landestützen des Schiffes erreicht. Die Jäger versuchten im Tiefflug unter dem Schutzschirm zu gelangen, wurden jedoch durch präzise Salven der Impulsgeschütze zerstört.

Nachdem die letzten Überlebenden an Bord der BONTAINER waren, betrat Cascal als Letzter sein Schiff. Die Landeluke begann sich bereits zu schließen. Sofort wurde der Schutzschirm um die gesamte BONTAINER gelegt und durch weitere Paratron- und HÜ-Schirme zu einer Schirmstaffel erweitert. Cascal hatte nach etwa drei Minuten die Kommandozentrale erreicht. Mit Entsetzen musste er feststellen, dass knapp die Hälfte der Besatzung nicht lebend das Schiff erreicht hatte. Er stellte schnell eine Brückencrew zusammen und rief nach Sandal Tolk. Sein Freund trat langsam an ihn heran.

»Sandal, wo ist Zelia?«

Er bekam keine Antwort. Cascal gab ein paar Kommandos an die Offiziere, dann sah er den Barbaren von Exota Alpha an. Tolk blickte ihn mit traurigen Augen an.

»Sie ... sie ist doch nicht etwa noch da unten?«, stammelte Joak.

Tolk schüttelte den Kopf.

»Nein, sie ist jetzt bei den Göttern«, sagte er traurig.

Cascal verlor kurz den Halt und rutschte am Sessel vorbei auf den Boden.

»Zelia ... mein kleines Kind ... sie können doch nicht ...«

Es herrschte Stille im Raum. Tolk griff seinen Freund und zog ihn hoch. »Niemand weiß mehr als ich, wie schlimm es ist, sein Weib und Familie zu verlieren. Doch du musst weitermachen,
Joak!«

Aus Cascals Augenwinkeln flossen Tränen. Noch nie hatte Sandal Tolk, seinen Freund weinen gesehen. Dieser war immer bemüht gewesen, unangreifbar und überlegen zu wirken, deshalb war sein Zusammenbruch für alle völlig unerwartet. Er wurde jedoch durch wütende Angriffe der unbekannten Jäger wachgerüttelt. Cascal fasste sich an die Schläfe und wischte sich anschließend die Tränen aus dem Gesicht.

»Herrod, wie ist der Zustand der Kampfstände?«

»Sir, wir sind stark unterbesetzt, zu viele Kameraden sind da draußen gefallen. Aber Korporal Mashko, Sergeant Ramures und Leutnant Shekko haben bereits den oberen Polkampfstand besetzt.«

Cascals Gesicht hellte sich auf.

»Gut, sehr gut! Gunnie Mary hat es also geschafft! Sofort einen Kommunikationskanal herstellen und das Bild auf den zentralen Schirm.«

Wenig später wurde das eigenwillige Gesicht einer jungen Frau sichtbar, die sich deutlich von den übrigen Terranern aus dem Solaren Imperium unterschied, die Zoltan bisher kennengelernt hatte. Ihr Gesicht war durch fünf schwarz eingefärbte Narben verunstaltet, die anscheinend durch mehrere Piercings verschönert werden sollten.

»Leutnant Shekko, ich darf annehmen das Pol‑A einsatzbereit ist?«

Wieder salutierte die Frau übertrieben und meldete im zackigem Tonfall: »Jawohl, Sir! In jeder Hinsicht.«

»Machen Sie eine Arkonbombe sch- «

Cascal schaffte es nicht seinen Satz zu beenden. Uthe Scorbit fiel ihm voller Empörung ins Wort.

»Arkonbomben, du hast Arkonbomben an Bord. Pfui und nochmals Pfui! Diese mörderischen Massenvernichtungsmittel sind durch das Galaktikum geächtet, niemand darf sie …«

Nun war es wieder Cascal, der der jungen Terranerin mit schneidender Stimme das Wort abschnitt.

»Erstens Gnädigste, bin ich mit Sir anzusprechen. Und zweitens wurde dieses Schiff angegriffen und steht somit unter Kriegsrecht. Gemäß Artikel 231 Absatz 4 der Solaren Verfassung entscheidet in diesem Fall der höchstrangige Offizier, und das bin ich, über den Einsatz geeigneter Mittel, um die Gefahr für sein Schiff abzuwenden, sofern kein legitimierter Vertreter der Solaren Regierung gegenteilige Anweisungen gibt. Und, bevor ich’s vergesse, sie sind nur lausige Zivilisten und als solche lediglich Gast an Bord meines Schiffes. Sollte ich irgendwelche Ratschläge Ihrerseits benötigen, so werde ich sie um Ihre Meinung bitten. Haben wir uns da verstanden?«

Uthe schaute Cascal mit großen Augen an, aus denen die Tränen zu fließen begannen. Das wiederum rief Remus auf den Plan, der seiner Angetrauten beistehen wollte.

»Oberst Cascal, es ist heute nicht mehr üblich, dass Militärangehörige …«

»Mister Scorbit, habe ich mich gerade missverständlich ausgedrückt? Ich habe gerade die BONTAINER unter Kriegsrecht gestellt, mein Wort ist ab jetzt an Bord Gesetz, haben Sie das nicht verstanden?

Übrigens, haben Sie eigentlich nicht gedient? Sie sind ein kräftiger junger Mann und sind, zumindest soweit ich es beurteilen kann, ausreichend intelligent, um ihren Weg in der Flotte zu machen.«

Remus war völlig konsterniert und antwortete:

»N … nein, Sir... ich habe mich frühzeitig für den Hafen der Ehe entschieden.«

Cascal begann schief zu grinsen und warf einen Blick zu Sandal, der nur den Kopf schüttelte. In diesem Moment räusperte sich Zoltan und zog so seine Aufmerksamkeit auf sich. Er wandte sich dem Syntronikspezialisten zu und fragte:

»Wie sieht es mit Ihnen aus? Sie haben doch gedient. Sonst hätten Sie doch nicht das Lied der Raumflotte gesungen, oder?«

Zoltan begann zu strahlen.

»Jawohl, Sir. Ich habe als Mitglied der Blue Tigers die Straße nach Andromeda überwunden und den Meistern der Insel so in den Arsch getreten, dass sie alle durch den Sonnentransmitter geflogen sind. Faktor III und Faktor VII habe ich persönlich die Rechnung präsentiert und«, dabei begann der schlaksige Terraner vor Aufregung regelrecht zu schwitzen, »dann habe ich etwas geschafft, was außer mir keinem Anderen gelungen ist: Ich habe Mirona Thetin flachgelegt und dafür den Rang des Lordadministrators erreicht. Dieses Miststück hat vorher ungezählte Chars umgebracht. Somit habe ich …«

Cascal hatte Zoltans begeisterter Schilderung zuerst ungläubig und dann immer wütender zugehört. Sichtlich um Fassung bemüht erwiderte der Veteran aus dem Solaren Imperium.

»Sind Sie sicher, dass Sie das alles erlebt haben?«

»Aber Sir, ich habe wirklich die höchste Bewertungszahl bei der Straße nach Andromeda erreicht und bin von der ganzen Hyperplayerweb-Community zum Champion gewählt worden. Dabei ist mir noch dafür, dass ich die Nacht mit Mirona Thetin lebend überstanden habe, der Preis für eine besonders innovative Taktik zuerkannt worden.«

Nun mischte sich Remus ein.

»Herr Oberst, darf ich Sie darauf hinweisen, dass hier ein Missverständnis vorliegt? «

Cascal blickte ihn finster an, nickte dann aber.

»Es ist so, dass es sich bei der Straße nach Andromeda um ein Holo-Rollenspiel mit Avatartechnik handelt, das über das Hyperplayerweb im Realplayer-Modus überall in der LFT und sogar im Kristallimperium und im Forum Raglund gespielt wird. Was Timo sagen wollte ist, dass er der Sieger mehrerer Runden war und auch die aktuelle Finalrunde gewonnen hat.«

Cascal war wie vor den Kopf geschlagen. Mit gefährlich leiser Stimme fragte er: »Ein Spiel?«

Eifrig nickte Zoltan.

»Nun denn, willkommen in der Realität. Wir können hier leider keine alte Speicherung laden, wenn wir draufgehen«, erwiderte Cascal zerknirscht.

In diesem Moment meldete Marie Ann Shekko, dass die Bomben geladen und abschussbereit wären. Weiterhin informierte sie ihn, dass sie statt der Arkonbombe eine Katalysatorbombe einsetzen wollte, da diese eine weitaus höhere Effizienz aufweisen würde. Mit einem Kopfnicken erteilte Cascal sein Einverständnis. Die BONTAINER war inzwischen in einen weiten Orbit um den paradiesischen Planeten gegangen, so dass ein ausreichender Sicherheitsabstand gewahrt wurde.

Timo Zoltan hatte inzwischen die Auseinandersetzung mit Cascal etwas verdaut. Trotz der Beleidigungen des Kommandanten der BONTAINER war von der Kompromisslosigkeit der alten Terraner faszinieret. In der heutigen Zeit hätte es niemand gewagt, einfach den Befehl zur vollständigen Vernichtung eines ganzen Planeten zu geben.

Doch bevor Cascal den Feuerbefehl geben konnte, versuchte Remus nochmals Einwände gegen die völlige Vernichtung des Planeten zu machen, nachdem seine Frau hektisch auf ihn eingeredet hatte.

»Mister Cascal«, wandte er sich an die auferstandene Legende aus alten Zeiten.

»An Bord meines Schiffes haben Sie mich mit Sir anzureden«, gab dieser unfreundlich zurück.

Scorbit wäre ihm am Liebsten an die Gurgel gegangen, da er ihn vor seiner Frau permanent blamierte, doch er lenkte ein, da Cascal am längeren Hebel saß.

»Cascal, Sir! Wir sollten versuchen mit den Wesen zu reden. Vielleicht ist das ein Missverständnis. Wir haben nicht das Recht einfach den Planeten zu zerstören. Denken Sie an die anderen Terraner. Wir ...!«

»Stecken Sie sich ihre moralischen Prinzipien in den Hintern, Scorbit! Diese Kreaturen haben uns angegriffen und uns den Krieg erklärt. Glauben Sie mir, ich habe genügend Erfahrung mit solchen Wesen. Die wollen nicht mit uns reden. Deshalb jagen wir sie zur Hölle, wohin sie auch gehören!«

Remus gab auf und ging zurück zu Uthe, die immer noch wie unter Schock wirkte und still vor sich hin weinte.

Cascal hielt inne. Er wies den Ortungsoffizier an, den Planeten abzutasten.

»Die Schlangenwesen greifen alle Siedlungen auf dem Planeten an. Es öffnen sich anscheinend abgeschirmte Regionen. Dort sind auch kleine Siedlungen zu erkennen. Aber die Reptilien scheinen sich systematisch der Bewohner zu entledigen«, meldete der Offizier.

»Sehen Sie, Scorbit. Die armen Teufel sind verloren. Wir können nichts mehr für sie unternehmen. Aber wir können ihre Mörder zur Strecke bringen!«

Timo Zoltan wollte noch etwas sagen.

»Cascal, ich hätte da noch eine Anmerkung!«

»Später!«

»Aber ...«

»Nicht jetzt!«

Dann erteilte er den Feuerbefehl. Die Katalysator-Bombe wurde durch ein Polgeschütz abgeschossen und rematerialisierte auf der Äquatorebene des Planeten. Durch das Hyperfeld der Bombe wurden die schwachen Kernkräfte sämtlicher Atome in ihrem unmittelbaren Umfeld dermaßen angeregt, dass ihre Protonen in einen spontanen Fussionsprozess übergingen. Dieser Prozess erfasste sämtliche umgebenden Atome in einer Art Kettenreaktion, die wie bei der Arkonbombe unumkehrbar war.

Dabei verlief der Fussionsprozess wesentlich schneller, da er nicht, wie bei der Arkonbombe, auf ein einziges Element begrenzt war.

Joaquin Manuel Cascal stand vor dem Panoramaschirm der Zentrale der BONTAINER und beobachtete, wie das atomare Feuer sich rasend schnell über die Oberfläche des Planeten ausbreitete. Innerhalb weniger Minuten war der ganze Planet zu einem atomaren Feuerball geworden, der kurz darauf in einer spektakulären Explosion zerrissen wurde, da die Gravitationskräfte zu gering waren, dem Strahlungsdruck entgegenzuwirken.

Cascal war zufrieden, er hatte für den Tod seiner geliebten Gefährtin Rache genommen.

 

7. Die Casaro

»Sie sind ausgebrochen. Wir haben sie unterschätzt!«

»Verdammter Narr. Wie sollen wir das dem Meister erklären?«

Zhjlk war wieder erregt. Sein reptilienhafter Körper bebte vor Wut. Die primitiven Studienobjekte waren entkommen. Doch es kam noch schlimmer. Sie zündeten eine Bombe, die den ganzen Planeten innerhalb von einer sehr geringen Zeitspanne zerstörte. Zhjlk gelang es, die zentrale Station noch zu evakuieren, da diese durch starke Schutzschirme geschützt war. Die kleine Besatzung von nur 700 Casaro konnten sich in letzter Minute an Bord eines Raumschiffes retten. Doch für die überwiegende Mehrzahl seiner Rassebrüder, die über die verschiedenen Paraebenen des Planeten verteilt gewesen waren, gab es keine Rettung. Sie vergingen im atomaren Feuer, das durch die Bombe der Terraner entfacht wurde. Immerhin war es vorher gelungen, viele der Terraner zu eliminieren, bevor sie an Bord des primitiven Riesenschiffes gehen konnten. Ein schwacher Trost, denn falls die Terraner wieder zu ihrer Heimatgalaxis flogen, würden sie über das ihnen noch unbekannte Volk der Casaro berichten. Dies war einer der Gründe, warum das Schiff niemals sein Ziel erreichen durfte. Dazu kam noch, dass kein primitives Affenvolk wie die Terraner das Recht hatte, die Casaro zu besiegen. Für diese Ungeheuerlichkeit wollte Zhjlk unbedingt Rache nehmen.

Und es gab noch einen dritten Grund, den er sich aber nur schwer eingestehen konnte: Zhjlk wusste genau, wie Rodrom mit Versagern umging. Die Casaro hatten die Auslöschung der Kjollen mitbekommen. Ihnen würde das gleiche Schicksal blühen, wenn es ihren nicht gelang, diese Scharte auszuwetzen.

»Wir nehmen die Verfolgung auf und ermöglichen es ihnen, die Raumzeitfalte zu verlassen. Dann können wir sie ohne eigenes Risiko mit unserer überlegenen Technik aus dem Universum fegen und unsere Schmach tilgen!«, kommandierte er seine Artgenossen.

Dem großen Trapezschiff war es gerade noch rechtzeitig gelungen, in einen Orbit um Test zu gehen. Sie öffneten eine Pforte und jagten die VIVIER BONTAINER in diese Richtung, so dass den Terranern nichts anderes übrig blieb, als dort hindurch zu fliegen.

Nun konnte die Jagd beginnen.

 

8. Auf der LONDON

»Hört zu, nichts von dem, was wir hier besprechen, darf an andere geraten. Ich hoffe, ihr seid euch eurer Verantwortung bewusst!«, sprach der junge Terraner zu den zehn anderen.

Sie waren meist Terraner, Blues, ein Unither und ein Cheborpaner. Der Cheborpaner nannte sich HaSi und trug eine Art Keule namens Bessi. Er hatte die Kabine neben dem Unither Vasrgan und lag bis dato im ständigen Streit mit ihm. Die dritte Person in dem Raum war eine Arkonidin und trug den eigentümlichen Namen Gwen da Wyfar. Auch sie war auf die Beiden gestoßen.

Ebenfalls befanden sich unter anderem, Michael Shorne, Thomas Zchmitt, Huck Nagako, Eireen Monhar und Wyll Nordment in der Kabine von Rosan. Wyll Nordment hatte sich, genau wie Rosan, entschlossen, trotz des Todes von Roy Cheidar und der Hinrichtung von Udo Arenz weiter am Widerstand auf der LONDON teilzunehmen.

Er stieß auf die drei seltsamen Leute, als sie ihre Ausbruchspläne schmiedeten. Die Arkonidin Gwen da Wyfar besaß ein autarkes Kommunikationssystem, welches die Wachen ihr nicht abgenommen hatten.

Wyll erinnerte dies an eine Trivid-Serie, in der ein kleiner Junge während einer Schiffsentführung mit seinem Syntronpad unbemerkt Kontakt mit seiner Freundin hielt. Oftmals waren die Erfindungen bei Trivid-Studios gar nicht so realitätsfremd.

Sie beschlossen, mit diesem kleinen Rechner Atlan eine Nachricht zukommen zu lassen. Dabei wollten sie die Emissionen des Pads durch die aktiven Tastersignaturen der LONDON überlagern.

Er informierte Atlan über die Gegebenheiten an Bord der LONDON und, dass sich eine kleine Widerstandsgruppe gebildet hatte. Er sendete dem Arkoniden die genauen Koordinaten der LONDON, nicht ahnend, dass Mindros Atlan sowieso nach London´s Grave locken wollte. Doch die LONDON hatte unplanmäßig gestoppt. Anscheinend waren einige Passagiere in einer Space Jet entkommen. Aus noch unerklärlichen Gründen konnte die geflüchtete Jet nicht eingefangen werden. Die LONDON und die HOZARIUS kreuzten vor einer Raumanomalie, trauten sich jedoch nicht, dort hindurch zu fliegen.

»Die Situation an Bord ist euch allen bekannt. Wir müssen von hier aus versuchen, Atlan zu helfen. Doch die Frage ist wie? Wir können uns zwar wieder relativ frei auf den Decks A bis C bewegen, doch die Maschinenräume und wichtigen Anlagen sind entweder in den unteren Decks oder stark bewacht von da Mindros Truppen«, erklärte Wyll Nordment.

»Wir warten Atlans Antwort ab und sehen dann, wie wir weiter vorgehen können!«, beendete Wyll Nordment das Gespräch.

Alle bis auf Rosan verließen den Raum. Sie blieb zurück und umarmte Wyll, der einen erschöpften Eindruck machte.

»Mehr kannst du auch nicht tun. Wir müssen abwarten. Riskieren wir zu viel, endest du noch wie Roy Cheidar«, meinte sie und streichelte zärtlich sein Haar.

»Ich glaube, du hast recht«, sagte Wyll ruhig und sah ihr in die feuerroten Augen.

Dann küssten sich beide leidenschaftlich. Es war das erste Mal seit über einem Jahr, dass sie sich küssten.

»Irgendwie müssen wir uns aber trotzdem beschäftigen, denn einfach nur herumsitzen, kann ich nicht«, meinte Wyll mit leichtem Unterton.

»Ach ja? Ich wüsste da etwas, was uns aktiv halten würde«, kicherte Rosan und küsste Wyll wieder innig.

*

Prothon da Mindros kauerte ungeduldig in seinem Sessel und betrachtete die Ortungsanzeige. Nichts passierte. Die geflüchtete Space Jet war verschwunden. Seit neun Tagen wartete die LONDON II auf das Auftauchen des kleinen Raumschiffes. Die HOZARIUS suchte alle erdenklichen Positionen ab. Sie war schneller als eine Space Jet. Irgendwo musste sie sich doch befinden.

Prothon da Mindros hatte Bedenken, die Geflohenen einfach laufen zu lassen. Sie konnten Atlan vielleicht Hinweise geben, doch dies war recht unwahrscheinlich. Er hatte inzwischen feststellen können, wer die Flüchtlinge waren. Ein terranischer Syntronspezialist namens Timo Zoltan und ein junges Ehepaar mit dem Namen Scorbit. Sie konnten nichts ausrichten. Mindros entschloss sich, am zehnten Tag weiter nach London´s Grave zu fliegen, ehe die RICO noch unverhofft hier auftauchte. Er wollte sich nicht jetzt mit Atlan duellieren.

Über London’s Grave plante er, zusammen mit der HOZARIUS, die RICO samt dem Verräter an Arkons Ehre, zu vernichten. Anschließend, so sa sein neuer Plan vor, würde die LONDON II dort versenkt werden, wo bereits die alte LONDON ruhte.

Der ganze Untergang der LONDON sollte durch Trivid-Aufnahmen dokumentiert und an alle Medienagenturen der Milchstraße übermittelt werden. Mindros wollte sich dann offen zur Operation bekennen und im Namen des Kristallimperiums die Verantwortung übernehmen. Der Begam würde zuerst seine Absichten nicht verstehen und sich distanzieren, doch Mindros war der festen Ansicht, dass Arkon endlich in den Krieg ziehen musste. Nur eine arkonidische Milchstraße war eine gute Milchstraße.

Er gab den Befehl weiterzufliegen, doch ein Beiboot sollte an der Raumzeitfalte Wache halten, falls die Space Jet doch noch auftauchte. Orbton de Thessan wurde mit der Aufgabe beauftragt. Er war ein steifer und spießiger Soldat, der nur nach den Vorschriften lebte. Mindros konnte sich auf ihn verlassen.

Die LONDON beschleunigte und ging, gefolgt von der HOZARIUS, in den Hyperraum mit dem Ziel London´s Grave. Kurz danach ging auch die RICO, die sich in Warteposition befand, auf Überlichtgeschwindigkeit und folgte der LONDON, das Beiboot wurde unbeachtet gelassen.

 

9. Die VIVIER BONTAINER

»Was soll das heißen, wir kommen hier nicht wieder raus?«, brüllte Cascal ungehalten, nachdem Timo Zoltan ihm die Hiobsbotschaft übermittelt hatte.

»Warum haben Sie mir nicht eher gesagt, dass Sie die Station dieser Kreaturen untersuchen wollten?«, stellte Cascal fragend in den Raum, bevor Zoltan auf seine erste Frage antworten konnte.

»Ganz einfach, weil Sie mir den Mund verboten hatten!«, antwortete Timo trotzig und verschränkte die Arme vor dem Bauch.

Cascal schüttelte den Kopf und vergrub das Gesicht zwischen seinen Händen.

»Kein Wunder, dass Rhodan sich auf eine einsame Welt zurückgezogen hat, bei solchen Trantüten von Terranern«, meinte er sarkastisch.

Timo Zoltan war sich keiner Schuld bewusst. Cascal hätte eben mit dem Kopf, anstelle mit dem Brecheisen denken sollen, war seine Meinung. Die beiden kamen jedoch nicht dazu, sich ausgiebig zu streiten, denn ein Trapezschiff näherte sich der VIVIER BONTAINER und gab einige Warnschüsse ab. Das Schiff trieb sie in eine bestimmte Richtung und die Terraner hatten keine andere Wahl, als den vorbestimmten Kurs einzuschlagen.

Zoltan war überrascht, als er sah, dass das Sternenportal aktiviert war.

»Dort ist ein Sternenportal. Da könnten wir hindurch!«, rief Timo Zoltan.

»Sicher?«, fragte Cascal.

»Sicher! Wir senden über eine bestimmte Frequenz die Koordinaten unseres Ziels. Ich gebe das in Ihre Syntronik ... nein, Sie verwenden ja noch eine Positronik, ein.«

Zoltan machte sich sofort an die Arbeit. Er wusste alles über die Erkenntnisse des Sternenportals. Zumindest das, was offiziell bekannt war. Ob Rhodan mehr wusste? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Bisher waren Sternenportale nur am Rand der Lokalen Gruppe und in Saggittor bekannt.

»Aber was ist, wenn die wollen, dass wir da hindurch fliegen?«, mischte sich Sandal Tolk ein.

Cascal dachte über Tolks Worte nach und wusste, er hatte recht. Doch sie hatten keine andere Möglichkeit, als erst einmal diesen Weg einzuschlagen. Laut Timo Zoltan führte dieser Weg ins Normaluniversum und alles war besser, als an diesem Ort bleiben zu müssen. Die Navigation in der Raumzeitfalte war sehr unsicher, da die gewohnten Parameter alle irgendwie verschoben waren. Immer noch schoss das Trapezschiff absichtlich daneben. Etwa 600.000 Kilometer war die VIVIER BONTAINER von der Pforte entfernt. Cascal beschloss zu beschleunigen und mit annähernd Lichtgeschwindigkeit durch die Pforte in den Normalraum zu wechseln.

*

Die Crewmitglieder verspürten leichte Übelkeit beim Austritt, doch diese verflog, nachdem sie wieder einen normalen Sternenhimmel beobachten konnten.

»Fein, stellen wir erst einmal fest, wo wir sind. Zoltan, das übernehmen Sie!«, kommandierte Cascal.

Inzwischen hatte sich jeder auf seinen Platz eingefunden. Die Raumjäger und Space Jets konnten jedoch nicht bemannt werden, da knapp die Hälfte der Besatzungsmitglieder den Angriff auf Heaven nicht überlebt hatte.

Remus und Uthe Scorbit saßen im Bereitschaftsraum direkt neben der großen Kommandozentrale. Uthe hatte sich erst langsam wieder gefangen. Sie konnten das Bild von der durchbohrten Zelia nicht vergessen.

Sie hatte ihre Hand noch festgehalten und förmlich gespürt, wie das Leben aus der Terranerin wich. Das war für die junge Frau schwer zu verkraften gewesen. Remus versuchte sein Möglichstes, um sie zu trösten. Joak Cascal ging in den Bereitschaftsraum. Er wollte anscheinend eine Pause machen, bis Timo Zoltan ihren genauen Standort festgestellt hatte.

Er stellte eine Tasse Kaffee und ein eingewickeltes, belegtes Brot auf den Tisch. Anscheinend hatte er sich dies schnell vom Chefkoch machen lassen. Seufzend setzte er sich auf den Sessel und schlürfte den Kaffee. Er machte wieder den überlegenden und besonnenen Eindruck, wie bei der ersten Begegnung mit den Scorbits. Uthe konnte das nicht verstehen. Sie litt anscheinend mehr unter dem Tod von Cascals Frau, als dieser selbst, oder ließ er sich lediglich nichts anmerken?

»Was sehen Sie mich so an? Sie können auch gerne eine Stulle futtern, wenn Sie hungrig sind«, sagte Cascal etwas unbehaglich.

Remus und Uthe schüttelten die Köpfe.

»Trauern Sie denn gar nicht um Zelia?«, fragte Uthe schließlich.

Joak Cascal blickte sie an und schien ihre Augen zu durchdringen. Er legte das Brot wieder auf den Tisch.

»Ich habe jetzt zwei Möglichkeiten: Ich kann ihr hinterher trauern und in Selbstmitleid zerfließen. Oder ich und meine Männer helfen Atlan, die LONDON zu befreien. Was ist Ihnen lieber?«

»Schon gut, tut mir Leid«, wehrte Uthe ab.

Ihr wurde dieser Terraner immer unsympathischer. Sie ahnte nicht, wie sehr Joak Cascal unter dem Verlust von Zelia litt. Sein ganzes Leben lang war er immer ein Draufgänger, ein Casanova, niemals ein Familienmensch gewesen.

Erst im Jahre 3445 hatte er erstmals richtig an eine tiefe Bindung gedacht, als er Taurea auf Exota-Alpha kennengelernt hatte. Doch die Beziehung mit ihr war in die Brüche gegangen. Dann hatte er Zelia an Bord der VIVIER BONTAINER kennengelernt und es hatte sich alles für ihn geändert.

Er hatte eine Frau gefunden, die er wirklich liebte, doch das Schicksal hatte sie ihm wieder entrissen.

Und sein Kind!

Joak wurde übel. Er starrte auf das Brot und warf es zurück auf den Tisch. Er hatte keine andere Wahl, als wie früher weiterzumachen. Er konnte den Schmerz nicht vergessen, er konnte nur lernen mit ihm umzugehen. Er blickte auf sein Chronometer und entschuldigte sich bei den Scorbits. Anschließend ging er wieder in die Kommandozentrale, wo Timo Zoltan mit den Ergebnissen wartete.

*

»Es ist erstaunlich. Ich finde hier kein Gegenportal und doch sind wir wieder genau dort, wo wir in die Raumzeitfalte geflogen sind. Ich vermute, dieser Alysker hat was damit zu tun«, erklärte Timo euphorisch.

»Ist das etwas Besonderes?«, fragte Sandal Tolk dumpf.

Ihm war das ganze Technikgerede viel zu kompliziert. Er konzentrierte sich lieber auf die Rettung der LONDON. Das war etwas Handfestes.

»Nun, Ein- und Austritt in eine Raumzeitfalte können willkürlich sein. Und ein Sternenportal funktioniert nur mit Gegenportal. Wir haben Glück gehabt«, erzählte der junge Terraner.

Joak Cascal glaubte in diesem Fall weniger an das Glück. Er vermutete eher, dass die Fremden oder dieser ominöser Alysker etwas damit zu tun hatten.

»Wir verlassen erst einmal die Position, wo wir aus der Raumzeitfalte gekommen sind. Das Trapezschiff wird uns sicher gefolgt sein. Am besten wir suchen nach der LONDON. Vielleicht begegnen wir auch Atlan.«

Sofort wurden die Befehle des Kommandanten ausgeführt. Auch im Einsatz waren die Terraner aus dem Solaren Imperium nicht so, wie sie von Lehrern oder Politikern dargestellt wurden.

Die Solare Flotte bestand zwar aus Profis und besaß große Disziplin, doch es war nichts von sturem Militarismus oder Steifheit zu spüren. Die Leute waren den Umständen entsprechend locker bei der Sache, ohne jedoch den Ernst der Lage zu verkennen und mit ihrem persönlichen Schicksal zu hadern. Vermutlich hatte jeder an Bord der VIVIER BONTAINER in den letzten Stunden Freunde oder Freundinnen verloren.

Die BONTAINER wechselte schnell in den Linearraum und erreichte nach kurzer Zeit den ehemaligen Standort der LONDON. Cascal wechselte etwa ein Lichtjahr vor den letzten bekannten Koordinaten der LONDON in den Einstein-Raum, um sich langsam den beiden Schiffen zu nähern, jedoch war weder die LONDON II noch der Arkonidenraumer dort. Nur eine arkonidische Fähre patrouillierte umher.

»Sollen wir die nach dem Weg fragen?«, wollte Herrod wissen. Doch etwas Wahres lag in seiner Frage. Nur so konnte man herausfinden, wo die anderen Schiffe abgeblieben waren. Die Raumfähre hatte mit Sicherheit den Giganten bereits geortet. Ein Verstecken wäre also nutzlos gewesen. Jedoch konnte die Besatzung garantiert, ob sie nun wollte oder nicht, Auskunft über den Verbleib der LONDON II machen.

Cascal gab der Funkleitoffizierin ein Zeichen, was jedoch nicht bedeutete, dass er etwas von ihr wollte, sondern sie darüber informierte, dass sie einen Funkkanal zu dem arkonidischen Schiff öffnen sollte.

»Seid gegrüßt, Arkoniden. Hier spricht Joak Cascal, Kommandant des Ultra-Schlachtschiffes VIVIER BONTAINER der Solaren Flotte. Würden Sie so freundlich sein, sich zu ergeben und uns den Standort der LONDON mitzuteilen?«

Remus Scorbit und Timo Zoltan sahen sich verblüfft an. So frech ging mit Garantie kein Terraner aus der Neuen Galaktischen Zeitrechnung vor. Die Arkoniden an Bord der etwa 80 Meter durchmessenden Raumfähre mussten ebenso verwundert gewesen sein. Die BONTAINER näherte sich bis auf knapp 40.000 Kilometer dem arkonidischen Beiboot. Cascal rechnete damit, dass die Arkoniden verunsichert waren und vorerst unter leichtem Schock standen.

»Immer noch keine Antwort?«, wollte Cascal wissen.

»Die nehmen uns nicht ernst«, spottete Sandal Tolk.

Da begann die Fähre vor dem Schlachtschiff zu fliehen. Die BONTAINER nahm sofort die Verfolgung auf und aktivierte den Traktorstrahl. Der Arkonidenraumer hatte keine Chance. Die Strahlen erfassten die Fähre und zogen sie zum 2.500 Meter durchmessenden Ultraschlachtschiff.

»Enterkommando zusammenstellen, Paralysatoren verwenden. Wir wollen keine Toten«, befahl Cascal.

Sandal Tolk führte das Enterkommando an. Zuerst wurden Kampfroboter vorausgeschickt, die die Schotts aufsprengten und mit Narkosestrahlen schossen. Die Arkoniden trugen jedoch schwere SERUNs, die die Paralysestrahlen absorbieren konnten. Die Kampfroboter vergingen in einem Flammenmeer, als sie das Innere des Schiffes erreichten. Tolk berichtete Cascal von den Widerständen, er schlug vor, nun selbst in das Geschehen einzugreifen, doch der Terraner lehnte ab.

Er kommandierte das Einsatzteam wieder zurück und ließ das Schiff wieder per Traktorstrahl herausfahren.

»Schmitty, nehmen Sie die Fähre in Visier«, sagte er zu Randolf Schmitt, dem Feuerleitoffizier.

Der Epsaler zappelte auf seinem Sitz hin und her, hatte jedoch das Schiff fest angepeilt.

»Kanal öffnen«, befahl Cascal.

Dann wandte er sich an die Arkoniden.

»Hören Sie, wenn Sie unbedingt die Helden spielen wollen, muss ich Sie davon unterrichten, dass wir am längeren Hebel sitzen. Falls Sie sich nicht innerhalb von drei Minuten ergeben, puste ich Sie zum Robotregenten!«

Cascal meinte es ernst. Seine Stimme klang hart und kompromisslos. Nach zwei Minuten und fünfzig Sekunden erreichte eine Nachricht die VIVIER BONTAINER.

Es war nur ein Wort »Kapitulation«.

*

Die insgesamt dreißig Arkoniden wurden in die Arrestzellen gebracht. Nur der Kommandant des Schiffes wurde direkt in den Bereitschaftsraum gebracht. Dort wollte ihn Joak Cascal verhören. Doch der Kapitän da Thessan sagte nur seinen Namen, seine Dienstkennung und einen FAMUG-Spruch auf. Erst als Sandal Tolk die Beherrschung verlor und den Offizier am Kragen packte und kräftig durchschüttelte, begann er einzulenken, um dann doch wieder zu schweigen.

Cascal wandte sich an Zoltan.

»Sie sind der Technikspezialist, Mister Zoltan. Untersuchen Sie das Raumschiff der Arkoniden. Vielleicht finden Sie Hinweise auf den Kurs der LONDON.«

Zoltan arbeitete zwei Stunden an der Syntronik. Die meisten Datensätze waren gelöscht oder codiert worden, bevor das Raumschiff gekapert worden war. Allerdings war dem Syntroniktechniker eines aufgefallen. In dem Koordinatenspeicher war eine Kursberechnung abgespeichert, die ihm besonders auffiel. Es war London’s Grave. Die Kursberechnung war vor zwei Tagen durchgeführt worden. Eigentlich wurden Kurse nur dann neu berechnet, wenn man vorhatte, dorthin zu fliegen.

Zoltan meldete seine Vermutung an Cascal.

»Wir könnten mit dem Dimesextatriebwerk vor ihnen da sein«, überlegte Cascal.

»Wir könnten sie aber noch jetzt einholen. Je eher die Geiseln befreit sind, desto besser!«, schlug Sandal Tolk vor.

»Also gut. Wir verfolgen die LONDON II. Sie hat fünf Tage Vorsprung. Wenn wir Glück haben, entdecken wir die RICO vorher und können uns mit Atlan koordinieren, doch ich denke, er wird ziemlich versteckt der LONDON folgen, so dass wir es recht schwer haben werden, ihn zu finden«, vermutete Cascal.

»Und wie sieht die Alternative aus?«, wollte Remus Scorbit wissen.

»Wir gehen ganz legal an Bord der LONDON, mit Hilfe des erbeuteten Schiffes. Von dort aus versuchen wir Mindros zu erledigen. Natürlich werden nur Freiwillige für diese Mission genommen.«

Sandal Tolk war der Erste, der sich meldete, danach Herrod und auch Timo Zoltan. Nach langem Überlegen meldete sich auch Remus Scorbit. Uthe sah ihn entsetzt an, doch dann zeigte sie Verständnis.

»Dann werde ich auch mitkommen. Einer muss schließlich auf dich aufpassen«, meinte sie schließlich.

»Hm, haben die Frauen in der Zukunft jetzt nur noch die Hosen an?«, fragte Cascal süffisant.

»Ich dachte, Emanzipation gab es schon im Solaren Imperium. Tut mir leid, dass die moderne Frau des 13. Jahrhunderts nicht Ihrem kruden Idealbild entspricht«, entgegnete Uthe schnippisch.

»Nicht alle Innovationen müssen gut sein«, murmelte Cascal.

»Chauvinist«, entgegnete Uthe.

Cascal seufzte und winkte ab. Uthe ermahnte sich für ihren Ausbruch. Schließlich hatte Cascal seine Frau und sein ungeborenes Kind verloren. Auch wenn er sich bemüht unnahbar gab und allenfalls negative Gefühle zeigte, so ging es ihm sicher nahe. Es war wohl nur verständlich, dass er gereizt und unhöflich war.

Die VIVIER BONTAINER konnte schnell den Vorsprung der LONDON II einholen, da die LONDON II nicht sonderlich rasch flog. Mindros wollte die RICO nicht verlieren, die sich jedoch immer außerhalb der Ortungsreichweite befand. Cascal sendete codierte Nachrichten aus, die eigentlich nur jemand aus den Zeiten des Solaren Imperiums dechiffrieren konnte, da die Codes aus dieser Zeit stammten und sicherlich nicht mehr verwendet wurden. Nach drei Stunden kam ein ebenso chiffrierter Code wieder zurück. Er beinhaltete den Text »Tempo drosseln, Treffpunkt in zwei Stunden bei folgenden Koordinaten ...«

*

»Atlan, wir empfangen einen seltsamen Code. Könnte ein IRPASA-Code sein«, informierte Gerine den Unsterblichen, der gerade versucht hatte, zu schlafen.

Er konnte es sowieso nicht. Die langsame Verfolgung war nervenaufreibend. Atlan vermutete, dass Mindros ihn irgendwo hinlocken wollte und er musste das Spiel mitmachen, denn tat er es nicht, schwebten die fast 20.000 Lebewesen in höchster Gefahr.

Atlan war überrascht, einen solchen codierten Funkspruch zu erhalten. Er wusste, dass er nicht von der LONDON sein konnte. Eine kleine Gruppe hatte sich zum Widerstand auf der LONDON entschlossen. Wyll Nordment hatte Atlan über deren Aktivitäten informiert. Er hatte eine chiffrierte Hyperkomnachricht gesendet, die jedoch so getarnt war, dass die Signaturen für Energiesignaturen des Tastersystems gehalten wurden.

Es war nicht weiter schwer, die Signaturen dementsprechend zu manipulieren. Eine solche Vorrichtung besaß jeder auf Camelot am Pikosyn. Atlan sendete eine Nachricht zurück und bat um Vorsicht.

»Atlan, der Code gehört zu einem Sondercode der IPRASA«, berichtete Gerine, die den Funkspruch inzwischen decodiert hatte.

Hoffentlich hat Mindros den Spruch nicht aufgefangen, meinte der Extrasinn besorgt.

Ein Sondercode war jedoch ungewöhnlich. Atlan hatte die Sondercodes eigens der IPRASA übermittelt. Es waren eigentlich alte Codes aus Zeiten des Solaren Imperiums. Da die Chiffrierung dieser speziellen Codes nach über 1.400 Jahren mit Sicherheit in Vergessenheit geraten waren, hielt es Atlan für klug, solche Codierungen zu verwenden. Jedoch war die Verwendung dieser Codes auf die Führungsebene der IPRASA beschränkt.

»Wie lautet die Nachricht?«, wollte der Unsterbliche schließlich wissen.

Gerine las ihn vor.

Joak Cascal an Atlan, wir haben drei Flüchtlinge der LONDON II aufgelesen und sind bereit bei der Befreiung mitzuwirken, bitte um Instruktionen.

Unwillkürlich öffnete sich Atlans Mund und drückte Erstaunen aus.

Da erlaubt sich jemand einen Scherz, meinte der Extrasinn.

»Ich muss darüber nachdenken. Es könnte eine Falle sein. Cascal ist seit dem Jahre 3460 alter Zeitrechnung tot.«

Atlan konnte seine Überraschung immer noch nicht ablegen. Er ging zurück in seine Kabine. Auf dem Weg dorthin sagte er zu Gerine, dass man 24 Stunden warten solle, bis man eine Antwort geben würde.

*

Die VIVIER BONTAINER steuerte die Koordinaten an, die ihnen die RICO angegeben hatte. Joak Cascal war hoch erfreut, dass sein Trick, einen chiffrierten Code aus Zeiten des Solaren Imperiums zu senden, funktionierte. Nur ein Unsterblicher konnte die Bedeutung des Codes wissen. Es tauchte ein weiterer Kugelraumer aus dem Hyperraum auf, gefolgt von einem etwa 1.600 Meter langen Raumer mit eigentümlicher Form. Sie erinnerte Cascal an einen Luxusliner auf der Erde.

»Die TITANIC mit Triebwerken«, hörte er sich sagen. Timo Zoltan korrigierte ihn jedoch aufgeregt. »Nein, das ist die LONDON II!«

»Das verstehe ich nicht, die konnten den Code doch gar nicht kennen«, rief Cascal.

Er befahl sofort die Schutzschirme hochzufahren, da schlugen bereits die ersten Transformsalven auf die VIVIER BONTAINER. Die Schutzschirmstaffel des Ultra-Schlachtschiffes hielten jedoch Stand, nur die kinetische Sekundärwirkung der Einschläge wurde spürbar.

Sowohl die LONDON als das andere Kugelschiff, welches Zoltan als die HOAZARIUS identifizierte, schossen weiter mit Transformsalven auf das Ultraschlachtschiff.

»Schilde bei fünfzig Prozent, Sir. Äußere Schirmstaffel destabilisiert!«, meldete Herrod.

»Ausweichmanöver!«, brüllte Cascal, »Erst einmal etwas von dem Schlachtschiff absetzen.«

Die VIVIER BONTAINER zog aus dem Angriffsvektor der HOZARIUS und schoss mit den mittelschweren Transformkalibern konzentriertes Sperrfeuer in den Flugvektor des angreifenden Schiffes. Dieses zeigte auch sogleich Wirkung, denn der arkonidische Raumer verzögerte mit hohem Gegenschub. Danach schien es so, als ob sich sein Ortungsecho in einzelne Punkte auflösen würde.

»Der Arkonide hat seine Trägerkreuzer ausgeschleust!«, meldete der Erste Offizier, um dann schrill durch die Zähne zu pfeifen.

»Die müssen eine phänomenale Trägerkapazität haben, zwei Schwere Kreuzer mit 200 Metern und sage und schreibe sechs Kreuzer mit 150 Metern, Sir!«

Cascal rieb sich die Schläfen, dann gab er den Befehl zum Angriff auf das Schlachtschiff.

»Breitseitensalventakt auf den 800 Meter-Pott. Den holen wir uns. Die kleinen Trägerschiffe können wir im Augenblick ignorieren, die können uns nicht wirklich gefährlich werden.«

Die BONTAINER beschleunigte mit Höchstwerten in Richtung arkonidisches Schlachtschiff. Der Schub der unter Höchstlast laufenden Protonenstrahltriebwerke bewirkte, dass der Riese geradezu einen Sprung auf das gegnerische Schiff zu machte. Dieses Manöver schien den arkonidischen Kommandanten völlig zu überraschen, oder er unterschätzte in maßloser Arroganz die Kampfkraft des alten Schlachtschiffes aus dem Solaren Imperium. Jedenfalls machte er keinerlei Anstalten dem terranischen Schiff auszuweichen, um aus der Kernschussweite der kleineren Tansformkaliber zu kommen.

*

Auf der HOZARIUS herrschte leichte Unsicherheit. Das Erscheinen dieses terranischen Riesenschiffes aus der Vergangenheit, hatte die Brückenbesatzung des arkonidischen Schlachtschiffes völlig überrascht. Sorgen machte man sich jedoch keine, was konnte dieses Relikt schon gegen ein modernes Schlachtschiff des Kristallimperiums ausrichten?

Pal'athor Erom Mesun versuchte, neue Befehle von Prothon da Mindros zu bekommen. Da wurde er daüber informiert, dass dieses terranische Museumsstück auf Angriffskurs gegangen war.

»Die müssen lebensmüde sein, diese Barbaren greifen uns tatsächlich an.«

Weiter kam er nicht, denn das Ultra-Schlachtschiff hatte inzwischen, was der Zweisonnenträger nicht wusste, seine Kernschussweite erreicht.

Um die HOZARIUS entstand plötzlich eine Kugelschale aus über 100 explodierenden HHe-Fussionsbomben, durch die die äußeren Schichten der Schutzschirmstaffel einfach weggewischt wurden.

Erom Mesun starrte völlig entgeistert auf das Holoabbild des terranischen Rießen, der im gleichen Moment um seine Längsachse zu rollieren begann. Und der Arkonide begriff.

»Ausweichkurs, so schnell wie …«

In diesem Moment hatte das Ultra-Schlachtschiff das Manöver abgeschlossen und schoss seine zweite Breitseite ab. Und die genügte. Die HOZARIUS verging im Feuer weiterer 100 Transformbomben und wurde zum Grab von über 500 arkonidischen Raumfahrern.

*

Cascal stand befriedigt inmitten der Panoramagalerie und beobachtete den Untergang des arkonidischen Schlachtschiffes. An der Position der HOZARIUS befand sich nur noch auskühlendes Plasma, das sich langsam über den umgebenden Weltraum verteilte.

»Was machen die Kreuzer?«, fragte er Major Herrod.

»Die stehen nach wie vor bewegungslos im Raum und scheinen geradezu paralysiert.«

»Die haben auch allen Grund dazu«, antwortete er.

»So, dann wollen wir den Herren und vielleicht Damen mal die freundliche Mitteilung übermitteln, dass wir sie in Kürze besuchen.«

Er wandte sich an den diensthabenden Funkoffizier.

»Schicken Sie denen über die bei den Arkoniden gebräuchlichen Kanäle die Kapitulationsaufforderung und teilen Sie denen mit, dass, wenn sie diese nicht bis in genau 10 Minuten Terra-Standard erklärt haben, ich die Kampfhandlungen weiterführe.«

»Jawohl, Sir!«

Cascal und seine Brückencrew beobachteten weiter über den Panoramaschirm, was die arkonidischen Schiffe unternahmen. Plötzlich wurde einer der Tägerkreuzer durch ein grünes Feld eingehüllt, das den Eindruck erweckte, als stünde es in Flammen. Einen Moment schien der Kreuzer zu verschwinden, doch dann trat er wieder aus dem Feld.

Die Region um die Position der ausgeschleusten Kreuzer der vernichteten HOZARIUS wurde sofort mit allen zur Verfügung stehenden Ortungssystemen abgetastet und wenig später zeige der Panoramabildschirm das etwas verwaschen wirkende Bild eines größeren Trapezschiffes. Dieses schien sehr viel Zeit zu haben und flog mitten durch die Phalanx der arkonidischen Kreuzer.

Cascal reagierte sofort.

»Stealth-Beobachtungsonde aussetzen, Kurs mitten zwischen die Kreuzer.«

Danach beobachtete er wieder die weiteren Geschehnisse. Dann schien ihm plötzlich ein Gedanke zu kommen, sein Blick glitt suchend durch die Zentrale. Seine Stimme bellte befehlsgewohnt durch die Zentrale.

»Mister Zoltan, kommen Sie mal her, aber bitte dalli!«

Das brachte Uthe wieder auf die Palme. Mit schriller Stimme rief sie: »Sie Grobian, sie können doch ni …«

»Was ich kann, oder nicht kann, Madame, das haben Sie nicht zu entscheiden.«

Timo Zoltan hatte das Panoramadeck erreicht. Cascal wandte sich an Zoltan und beauftragte diesen, alle Messergebnisse der Sonde über das rautenförmige Raumschiff auszuwerten und zu versuchen, ein Mittel gegen die überlegene Technik der Schlangenwesen zu finden. Dann verließ er eilig die Zentrale.

*

Der Kommandant trat aus dem Verbindungstransmitter, der ihn zur Polkuppel A gebracht hatte. Sofort trat er an das besonders gesicherte Schott, durch das die Polkampfstation betreten werden konnte. Ein Scan seiner Individualimpulse deaktivierte die Stogsäurestrahler und Desintegratorfelder, die zur tödlichen Falle für jeden Unbefugten werden würden.

»Gunnie, wir müssen etwas besprechen. Höchste Geheimhaltungsstufe. Wo sind die beiden Anderen?«

»Die sind im Moment in der B-Kuppel, da dort Probleme aufgetreten sind.«

»Gut, das kommt mir sehr entgegen«, bemerkte Cascal mehr oder weniger zu sich selbst.

Die junge Frau musterte ihn kurz, dann meinte sie: »Geht es um die ganz, ganz großen Dinger? Bekomme ich jetzt die?«

Cascal sah sie fassungslos an. Dann fragte er gefährlich leise, während seine Hand nach seiner Dienstwaffe tastete.

»Woher weißt du davon? Niemand außer mir ist darüber informiert, dass wir zwei Ultra-Quintadimbomben an Bord haben.«

Die Waffensystemanalytikerin grinste herausfordernd, bevor sie antwortete.

»Chef, Sir, du glaubst doch nicht, dass irgendjemand in den Magazinen meines Kampfstandes irgendetwas einlagern kann, ohne dass ich das mitbekomme. Chef, Chef, du enttäuschst mich.«

Cascal brummte eine unverständliche Antwort und überreichte ihr einen Datenkristall.

»Schon gut Gunnie, hier sind die Zugangscodes. Sobald ich den Befehl gebe, handelst du.«

Die Frau nickte nur bestätigend und nahm, bevor sie in den Tiefen der Bombenmagazine verschwand, den Datenkristall entgegen.

*

Wenig später betrat Cascal wieder die im Zentrum der riesigen Kugel gelegene Zentrale. In dieser war inzwischen hektische Betriebsamkeit ausgebrochen, die sich auf Zoltan konzentrierte. Irgendjemand hatte eine Eingabekonsole organisiert und diese mit der zentralen Positronik verbunden. Der Syntronspezialist bediente gleichzeitig mehrere Touchkonsolen und wechselte immer wieder zu seinem kleinen Syntropad.

Einen Moment beobachte Cascal die Szene, bevor er zu Zoltan trat. Dabei bemerkte er, dass der Panoramabildschirm weitgehend leer war, die arkonidischen Kreuzer waren verschwunden, nur die LONDON war als Ortungsecho im Hintergrund zu erkennen, während sich das rautenförmige Raumschiff langsam auf die BONTAINER zubewegte.

»Was ist geschehen«, fragte er den diensthabenden Offizier.

»Das Rautenschiff hat alle arkonidischen Kreuzer vernichtet und scheint jetzt uns als Ziel auserkoren zu haben.«

Cascal nickte bestätigend, bevor er sich an Zoltan wandte.

»Irgendwelche neuen Erkenntnisse?«

Der Syntronikspezialist nickte. Während er immer noch an verschiedenen Touchkonsolen arbeitet, führte er aus, dass die Technik der Fremden wohl auf höheren Frequenzen des Hyperspektrums beruhe, die von den Terranern noch nicht erforscht wären. Das grüne Leuchten bezeichnete er als eine Art sechsdimensionaler Desintegrator, der Energiefelder in Protonen umwandle. Dabei hätten die Messungen gezeigt, dass HÜ-Schirme sich gegenüber dieser Waffe wesentlich widerstandsfähiger gezeigt hätten, als Paratronschirme. Allerdings brachten die Schlangenwesen noch eine zweite Waffe zum Einsatz, die wohl Intervallstrahlern auf sechsdimensionaler Basis entsprachen, durch die die HÜ-Schirme geradezu zertrümmert wurden. Allerdings hatte man beobachtet, dass einer der 100 Meter Kreuzer dem Beschuss länger standgehalten hatte, da seine Schirmstaffel anscheinend fehlerhaft aufgebaut war. Bei diesem Schiff bildete ein HÜ-Schirm die äußere Schale der Schirmstaffel, während der Paratron innen lag.

Cascal nickte verstehend und klopfte dem Spielefan anerkennend auf die Schulter.

»Sehr gut, Mister Zoltan. Habe ich Sie so richtig verstanden, dass der HÜ-Schirm im gewissen Maße vor dem Grünen Leuchten schützt, während der Paratron gegen den Dampfhammer wirkt?«

Zoltan nickte bestätigend.

»Schön, dann habe ich eine neue Aufgabe für Sie. Erstellen Sie mir ein Programm zur Umstrukturierung der Schildstaffelkonfiguration, mit den HÜ-Schirmen außen und den Paratrons innen. Dabei sollen die gleichen Schirmstaffeln in den beiden Schichten untereinander oszillieren. Das Programm soll dann durch einen Befehl ausgelöst werden können. Meinen Sie, dass Sie das hinbekommen, und zwar so schnell wie möglich?«

Wieder nickte Zoltan und begann sofort irgendwelche Eingaben in das Syntopad zu machen.

*

Cascal überlegte, ob sie vorerst die Flucht ergreifen sollten. Er bemerkte, wie die LONDON langsam Fahrt aufnahm. Anscheinend hatte Prothon da Mindros denselben Gedanken.

»Funken Sie die LONDON an, ob wir uns alliieren wollen«, entschloss sich Cascal letztendlich.

Mit geballten Kräften konnte man vielleicht die Fremden bezwingen. Kurz danach erschien das Hologramm eines Schlangenwesens. Die Antwort der LONDON blieb aus. Cascal konnte das Wesen als einen der Fremden identifizieren.

»Ich bin Zhjlk! Ich bin der Kommandant der Raumzeitfalte und spreche für mein Volk, die Casaro.«

Zumindest hatte man nun einen Namen für die Kreaturen.

Cascal nahm etwas Haltung an. Er hoffte, nun doch mit den Wesen reden zu können. Auch wenn es ihm zutiefst zuwider war. Denn er blickte in die dunklen Augen des Mörders seiner Frau, seines ungeborenen Kindes und aller anderen Terraner, die nicht den Weg zur VIVIER BONTAINER geschafft hatten. Doch jetzt war nicht die Zeit für Rache.

»Mein Name ist ...«

»Uns bekannt«, unterbrach ihn der Casaro, »Wir haben dich und deine Leute lange genug studiert, Terraner. Ihr seid unwürdiges Leben.«

»Warum nimmst du dann noch Kontakt mit uns auf?«, fragte Cascal herausfordernd.

»Damit ihr wisst, wer euer Schicksal besiegeln wird. Ihr habt es nicht nur gewagt, zu fliehen, sondern habt auch eine Forschungsstation euch weit überlegener Wesen zerstört. Dafür werdet ihr eure Strafe entgegennehmen. Die Casaro sind eine der höchsten Lebensformen im Universum. Niemand wagt es den Casaro zu trotzen.«

Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte Cascal angefangen zu lachen. Wie oft hatte er das schon gehört. Anscheinend bestand das Universum nur aus selbstgefälligen, arroganten Völkern. Trotzdem wusste er um die Überlegenheit der Casaro. Er sah kurz zu Timo Zoltan, der weiter an dem Steuerungsprogramm arbeitete und anscheinend von dem Casaro nicht beachtet wurde. Gut so!

»Hören Sie zu ... Casaro ...« Es war Cascal schwer möglich den Namen des Casaro auszusprechen.

»Wir sind doch alle Erwachsen und gehören hoch entwickelten Kulturen an. Gibt es denn keine Möglichkeit, dass wir uns friedlich einigen?«

Der Casaro blickte Cascal misstrauisch an und zuckte mit den Tentakeln. Wieder atmete er schwer, sein schlangenähnliches Zischen war auch auf der BONTAINER zu vernehmen.

»Können wir uns nicht einfach alle Mann bei einer Runde Bier und Poker hinsetzen und über alles reden?«

»Es gibt nur noch eines, was ihr tun könnt«, stellte der Casaro fest. Cascal sah ihn fragend an.

»Kämpft gut, damit wir unsere Befriedigung haben, bevor ihr sterbt«

Cascal hatte so eine Antwort erwartet. Immerhin hatte er Zoltan etwas Zeit verschafft, um das Programm zur Rekonfiguration der Schutzschirmstaffel zu erstellen. Die kühle Ablehnung der Casaro war dem Mann aus dem 35. Jahrhundert nur recht. Er hatte keineswegs vor, sich friedlich mit den Mördern seiner Geliebten zu einigen.

*

Prothon da Mindros gammelte immer noch im Kommandantensessel und beobachtete die Konversation zwischen diesem Casaro und dem Terraner, da der Casaro auch als Hologramm auf der LONDON II erschien. Den anfänglichen Schock über den Verlust der HOZARIUS und die anschließende Vernichtung ihrer Kreuzer hatte er inzwischen überwunden. Mit Genugtun stellte er fest, dass die Casaro nicht auf der Seite der Terraner standen.

Mindros hatte vor knapp fünf Stunden einen seltsamen Funkspruch aufgefangen, der mit einem IPRASA-Code chiffriert war. Während seiner Zeit im Geheimdienst waren ihm einige Codes der Führungsebene in die Hände gefallen, so dass er diesen seltsamen Funkspruch decodieren konnte. Er vermutete, dass Atlan vorläufig abwarten würde, also sendete er über einen von den Terranern benutzten Kanal eine Antwort. Die BONTAINER ging auch prompt in die Falle. Er war zuerst überrascht, dass Camelot über ein so großes Schiff verfügte. Doch irgendwie kam ihm dieses Schiff veraltet vor. Weder die Terraner noch das Kristallimperium baute im 13. Jahrhundert NGZ noch Raumschiffe, die einen atomaren Unterlichtantrieb benutzten und anscheinend im Überlichtbereich ein Lineartriebwerk einsetzten.

Mindros beschloss, den Terranern nicht zu helfen und seinen Weg nach London´s Grave fortzusetzen. Im Optimalfall zerstörten sich beide Schiffe gegenseitig. Dann lief es zu einem Duell zwischen Atlan und ihm hinaus. Mindros freute sich schon jetzt auf diesen Kampf. Die LONDON verließ den Sektor und hoffte darauf, dass dieses komische Schiff der Terraner diesen schlangenartigen Unbekannten, die sich Casaro nannten, zum Opfer fiel.

*

Durch die Zentrale der BONTAINER gellte der Alarm. Das Rautenschiff hatte anscheinend die Geduld verloren und ging zum Angriff über.

»Ausweichmanöver. Wir spielen zuerst mit ihnen«, befahl Joak Cascal. Er sah zu Zoltan hinüber. »Wie sieht es mit dem Programm aus?«

Dieser nickte bestätigend und antwortete, dass das Rekonfigurationsprogramm durch einen entsprechenden Befehl ausgelöst werden konnte. Cascal nickte befriedigt.

Danach erkundigte er sich, ob die dicken Eier bereit wären.

Die Verfolgungsjagd dauerte zwanzig zermürbende Stunden.

Nachdem die Schiffe etwa 25.000 Lichtjahre zurückgelegt hatten, stoppten alle drei Raumschiffe. Die LONDON II hielt jedoch gebührend Abstand zu den anderen beiden und spielte die Rolle eines Beobachters. Das Casaroschiff beschoss sofort die VIVIER BONTAINER.

Doch die neu konfigurierte Schildstaffel hielt noch, auch wenn die Hypergravitationsschläge die Paratonschirme fast überlastete.

»Okay Gunnie, zeig diesen Schlangen, was du kannst! Und dann komm sofort in die Zentrale«, befahl Cascal.

In diesem Moment riss um das Casaroschiff das Universum auf. Ein fünfdimensionales Hyperfeld riss das Rautenschiff in eine Hölle höherdimensionaler Energieentladungen, die das Schiff der Schlangen auseinanderrissen. Innerhalb des Strukturrisses tobten höherdimensionale Energien, die auf den Normalraum übergriffen. Und dann griff das Verderben nach der BONTAINER. Überladungsblitze schlugen in die Schutzschirme ein, während hyperdimensionale Schockfronten zu Zellenbruch führte. Die BONTAINER brach auseinander. Das Ultra-Schlachtschiff hatte zwar gesiegt, war aber schließlich das Opfer der eigenen Waffe geworden.

Cascal nahm die Schadensmeldungen mit immer größerer Besorgnis entgegen, schließlich gab es für ihn nur noch eine Entscheidung.

»Wir evakuieren das Schiff!«

*

Prothon da Mindros fühlte große Erleichterung. Alles war so gelaufen, wie er es sich gehofft hatte. Das fremde Schiff war zerstört und das terranische Schiff stand vor dem Ende. Auch die Meldung von Orbton Zeronat über einen nicht identifizierbaren Energieanstieg an Bord der LONDON II konnte seine Freude nicht trüben. Er meinte, Hermon solle sich damit befassen. Er ließ die LONDON in die Nähe des terranischen Wracks fliegen und beobachtete, dass der fremde Kommandant wohl dabei war, das Schiff zu evakuieren. Bereits mehrere Rettungskapseln hatten das Wrack verlassen. Mindros wollte den Prozess beschleunigen, deshalb ließ er auf das Wrack feuern. Nach zwei Salven war es vorbei. Das alte Schiff, das einen heldenhaften Kampf gegen einen überlegenen Gegner geführt hatte, fand ein unwürdiges Ende.

»Was sollen wir mit den Rettungsbooten machen, Mascant?«, fragte Hermon.

»Alle bis auf eines zerstören. Fragt vorher, in welchem der Kommandant ist, falls er es rechtzeitig geschafft hat. Ihn möchte ich lebend. Die anderen können krepieren«, erklärte der Mascant eiskalt.

Joak Cascal war tatsächlich in einer Kapsel mit 50 anderen Crewmitgliedern der BONTAINER. Die anderen Space Jets wurden einfach abgeschossen. Cascal, Sandal Tolk, Timo Zoltan, die Scorbits, Herrod, Mary Ann Shekko und die anderen wurden in separate Zellen gebracht, wo sie Mindros später verhören wollte.

 

10. In Trümmern

Die RICO kam zu spät. Zu lange hatten sie gebraucht, um den unvollständigen Funkspruch zu analysieren und den Sinn zu erkennen. Atlan machte sich große Vorwürfe, dass er die Entscheidung, ob er auf den Funkspruch reagieren sollte, so lange hinausgeschoben hatte. Er wusste zwar immer noch nicht, ob es tatsächlich Joak Cascal gewesen und was aus ihm geworden war. Allerdings, und das machte Atlan nachdenklich, hatten Messungen des kleinen wissenschaftlichen Teams der RICO ergeben, dass im angegebenen Sektor Reste sehr stark überhöhter Strahlungswerte im UHF-Band feststellbar waren. Gleichzeitig wurden molekulare Gaswolken gemessen, die eine für den freien Weltraum völlig atypische Zusammensetzung hatten. Unter anderem hatten sie hohe Konzentrationen von Ynkelonium festgestellt, das im intergalaktischen Raum äußerst selten war. Die Wissenschaftler vermuteten deshalb, dass es sich um die molekularen Reste eines Raumschiffes handeln könnte, das durch den Einsatz von Waffensystemen, die im UHF-Band des Hyperspektrums arbeiteten, vernichtet wurde. Weitere Spuren fehlten.

Sehr seltsam, meldete sich sein Extrasinn, diese Spuren und der Hyperkomspruch, vielleicht war es doch Cascal. Du hast auf jeden Fall einen Fehler gemacht, dass du nicht sofort zu den angegebenen Koordinaten geflogen bist.

Atlan traf eine Entscheidung. Über Cascal zu grübeln, brachte im Moment nichts und für die Passagiere der LONDON war die RICO wohl die einzige Hoffnung.

*

»Wir nehmen Kurs auf London´s Grave. Wenn wir Glück haben, finden wir die LONDON, bevor sie das System erreicht hat«, ordnete Atlan an.

Er bedauerte, dass der Funkkontakt zu den Widerständlern an Bord der LONDON II abgebrochen war und hoffte, dass sie keine Dummheiten machten, doch er musste ihnen letztlich einfach vertrauen.

Das GILGAMESCH-Modul ging auf einen hohen Überlichtfaktor, um den Abstand zur LONDON zu verringern.

 

11. Sabotage

03. Juli 1290 NGZ

Schnee

»Es schneit.«

»Wie bitte?«

»Es schneit!«

»Hast du etwas genommen, Orbton?«

»Nein, es schneit, Mascant!«, wiederholte Zeronat seine Meldung.

Prothon da Mindros fühlte sich auf den Arm genommen, doch als er aus seinem Kabinenfenster auf das Deck blickte, sah er, dass Zeronat recht hatte. Die gesamten Decks waren mit Schnee bedeckt, Eiszapfen hingen überall. Es war bitterkalt an Bord der LONDON geworden. Mindros warf dem Offizier einen fragenden Blick zu.

»Mascant, jemand hat die Wetteranlage sabotiert. Die Syntronik reagiert nicht und senkt stetig die Temperaturen. Der Hydrogen-Sauerstoffkreislauf liefert auf Grund der niedrigen Temperaturen Schnee in rauen Massen. Bis wir die Syntronik unter Kontrolle gebracht haben, wird es winterlich an Bord bleiben«, erklärte Zeronat und bewegte sich hin und her, damit ihm nicht kalt wurde.

Mindros zog sich etwas Wärmeres an und inspizierte die Decks. Die Kälte machte ihm wenig aus, mehr die Tatsache, dass man Saboteure an Bord hatte. Er überlegte lange, wie man die Saboteure finden konnte. Es war schwer unter den 19.800 Geiseln die Stecknadel zu finden. Mindros erhöhte die Alarmbereitschaft und hoffte, dass die Saboteure einen Fehler begingen, bevor er drakonische Maßnahmen ergreifen würde. Mindros kam jedoch eine Idee, wie man die Sabotage ausnutzen konnte.

»Zeronat! Einige Passagiere werden nach draußen auf die Außendecks verlegt. Wenn diese Saboteure meinen, uns damit zu schaden, haben sie sich ins eigene Fleisch geschnitten.«

*

»Es schneit, es schneit, es schneit!«, schrie Karl-Adolf Braunhauer, wie von Sinnen.

Er lief mit schmerzverzerrtem Gesicht umher und deutete auf die weiße Pracht, die auf den Außendecks lag. Ottilie Braunhauer versuchte ihren Mann vergeblich zu beruhigen. Er fasste sich an die Brust und stöhnte laut.

»Ich habe dir gesagt, dass ich nicht mehr weitermachen kann. Aber du wolltest ja. Sieh doch, es schneit, es schneit!«, wiederholte sich der Mann.

Traros Polat, der den Braunhauers nicht entgehen konnte, seitdem er wieder auf dem A‑Deck war, sah den alten Mann verachtend an. Polat war, wie eigentlich alle Haluter, von friedlicher Natur, doch dieses Ehepaar reizte ihn enorm. Er verspürte schon oft die Ansätze zu einer Drangwäsche. Letztendlich konnte er jedoch nichts tun. In seinem Kopf war ein Implantat, welches sofort einen Todesimpuls sendete, sobald er einen Angriff auf die Arkoniden startete. Er war zum Nichtstun verdammt und musste bei diesem seltsamen Ehepaar ausharren, welches ihm auf Schritt und Tritt folgte. Schon etliche Dienste hatte er für die beiden erledigt, was er seiner Gutmütigkeit zuschrieb.

»Es schneit. Polat, du musst rausgehen und Schneeschieben. Sofort!«, sagte Braunhauer im Befehlston.

»Ich glaube, die Arkoniden werden etwas dagegen haben«, meinte der Haluter sachlich.

Braunhauer fasste sich wieder an die Brust und verzog das Gesicht zu einer leidvollen Grimasse.

»Lass dir doch mal etwas sagen, Junge! Geh jetzt hinaus und schiebe Schnee, bevor jemand ausrutscht und sich etwas bricht. Ich kann das nicht mehr, ich bin zu alt!«

»Sie sollten zum Arzt gehen, ich fürchte um ihren physischen und psychischen Zustand«, entgegnete der Haluter.

Er machte keine Anstalten, dem schwachsinnigen Wunsch des alten Mannes nachzukommen.

»Nun kannst du doch mal Schneeschieben gehen, Herr Prolet. Vatichen ist nun einmal zu alt. Daraus kann man ihm ja keinen Vorwurf machen. Wir sind beide alt. Früher ging das alles noch besser, aber heute nicht mehr. Wir sind ja so alt und krank.«

Der Haluter schrie laut auf. Er konnte das Gefasel der Frau nicht mehr ertragen.

»Seien Sie endlich ruhig!«

»Aber ...«

»Ruhe. Halten Sie die Klappe. Klappe halten!!!«, brüllte der Haluter laut und schlug mit der Faust auf einen Tisch, der zerbrach.

Er sah die Braunhauers böse an. Seine Geduld war am Ende, doch Ottilie Braunhauer lachte nur.

Sie lachte!

Sie lachte den Haluter aus!

»Du bist mir ja einer«, kicherte sie. »Du bist viel zu grantig und zu nervös. Nimm doch mal ein paar Tabletten, Prolet.«

Zum ersten Mal überlegte Polat, ob es nicht besser sei, einfach einen Arkoniden anzugreifen, damit das Implantat ausgelöst wurde. Wenn sein Leben ausgelöscht werden würde, wäre er wenigstens von dem Gewäsch dieser terranischen Plage erlöst.

*

Am nächsten Tag fielen in kurzer Zeit nacheinander die Waffensysteme und Antigravs aus. Das kostete einem Arkoniden das Leben, der zwanzig Stockwerke in die Tiefe stürzte. Prothon da Mindros beabsichtigte, diesen Vorfall als Vorwand zu nutzen, um endlich mit härteren Mitteln gegen die Terroristen vorzugehen.

Er ließ über die interne Kommunikation bekannt geben, dass er jede Stunde zehn Passagiere öffentlich hinrichten lassen würde, wenn sich die Terroristen, die den Tod eines Arkoniden verschuldet hätten, nicht innerhalb der nächsten 4 Stunden freiwillig stellten.

*

Wyll Nordment kam wütend in die Kabine A-56. Dort hatten sich die Widerständler, wie der Cheborpaner HaSi, die Arkonidin Gwen da Wyfar, der Unither Vasrgan als auch Michael Shorne, Thomas Zchmitt und Hajun Jenmuhs als neuestes Mitglied der Rebellen versammelt. Nordment traute dem Arkoniden nicht. Aber vielleicht hatte der feiste Aristokrat die Aussichtslosigkeit seiner Schmeicheleien gegenüber Mindros erkannt und fürchtete um sein Leben.

Nordment machte seiner Wut freien Lauf.

»Die Ermordung eines Arkoniden hilft uns nicht weiter. Sie werden Rache üben!«

»Du hast recht, wir haben übertrieben. Es tut uns Leid«, begann die Arkonidin.

Nordment wurde von Rosan begleitet. Rosan spürte die Blicke von Jenmuhs. Er schien sie mit den Blicken seiner Schweinsaugen regelrecht ausziehen zu wollen. Wyll war nicht sonderlich begeistert über die Anwesenheit des feisten Arkoniden gewesen. Ihn wunderte es nur, dass Attakus Orbanashol sich nicht auf die Seite seines Freundes schlug. Dessen Abneigung gegenüber den Terranern schien noch größer zu sein, als sein Drang nach Freiheit.

»Warum entschuldigst du dich? Jenmuhs hatte doch die Idee mit dem Antigrav. Wir wollten nur die Waffensysteme sabotieren«, erklärte HaSi.

Jenmuhs machte keinen reumütigen Eindruck.

»Die Frage ist doch, wie wir jetzt vorgehen? Ihr müsst euch ausliefern, damit den anderen nichts passiert. Mein Image ist schon angekratzt genug. Ich will keine Massenhinrichtung«, sprach Shorne ernst.

»Das ist nicht nötig«, krächzte Hajun Jenmuhs und grinste über beide Wangen.

In dem Moment tauchten etwa zehn Arkoniden auf und hielten mit entsicherten Waffen die versammelten Widerständler in Schach. Hinter den Soldaten trat Prothon da Mindros in den Raum. Er hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt.

»Schon wieder Wyll Nordment. Du wirst zu einer ernsten Belastung«, stellte er kühl fest.Er blickte zu Hajun Jenmuhs hinüber, der voller Vorfreude kicherte. »Euch sei mein Dank gewiss. Ich danke für die Information. Zur Belohnung werdet Ihr freigelassen und als Aufseher über die Gefangenen eingesetzt. Euer Okrill wird sich sehr gut als Wachhund eignen.«

Die anderen konnten nicht glauben, dass Hajun Jenmuhs sie verraten hatte. HaSi und Gwen da Wyfar waren nach dem Auftritt des Arkoniden fest überzeugt gewesen, dass der fette Arkonide auf ihrer Seite stehen würde. Doch Jenmuhs hatte sie alle hereingelegt. Wyll Nordment machte eine Geste, die ausdrückte, dass er so etwas erwartet hatte.

»Eine Bitte hätten wir noch«, fing Hajun Jenmuhs etwas zögernd an. »Es geht um Rosan Orbanashol. Wir begehren diese Essoya.«

»Du spinnst wohl!«, rief Rosan entsetzt.

Instinktiv suchte sie nach Wylls Hand. Mindros konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

»Gut, so sei es! Sie ist Euer«, sprach der Arkonide zu seinem Artgenossen.

Jenmuhs lachte schrill. Er packte Rosan, doch sie riss sich los. Wyll griff den dicken Arkoniden an, doch die Wachen schlugen ihn mit den Kolben ihrer Thermogewehre nieder.

»Überlege es dir gut. Ich werde euch vorläufig nur inhaftieren, da ich euch vielleicht für spätere Zwecke gebrauchen könnte. Es wäre schade, dich gleich zu töten«, drohte Mindros dem Cameloter.

Rosan wurde von zwei arkonidischen Soldaten in Hajun Jenmuhs Quartier geschleift, ihr folgte der fette Arkonide. Die anderen wurden in den Inhaftierungsblock zu Cascal, Tolk und den anderen gebracht. Die Überraschung aufseiten Nordments war groß, denn auch er hatte von Joak Cascal gehört.

»Mindros hat uns bis jetzt nicht einmal verhört. Er scheint uns für später aufzubewahren«, meinte Cascal bitter.

Wyll Nordment saß stumm auf seiner Pritsche und dachte an Rosan, die jetzt in den Klauen dieser Bestie Jenmuhs war.

 

ENDE

 

 

Die Lage an Bord der LONDON ist aussichtslos für die Geiseln des Mascanten. Trotz der Befreiung von Joak Cascal und Sandal Tolk aus der Raumzeitfalte, sind nun auch sie Gefangene von Prothon da Mindros. Atlan scheint die letzte Hoffnung für die knapp 20.000 Lebewesen an Bord der LONDON II zu sein.

In Band 11 schildert Nils Hirseland den Abschluss der LONDON II–Trilogie:

FINALE ÜBER LONDON’S GRAVE

 

 

 

Kommentar

In dem vorliegenden Band schildert Nils das weitere Schicksal der LONDON II, die, wie ihr Vorgänger, auf ihrem Jungfernflug entführt wird.

Das Szenario nutzt Nils dazu, um mit Joak Cascal und Sandal Tolk zwei »alte« Haudegen aus der Endzeit des Solaren Imperiums für Dorgon zu reaktivieren. Die Beiden werden uns, neben dem ebenfalls neu eingeführten Remus Scorbit, über die gesamte weitere Handlung der Serie begleiten.

Die Dramaturgie des Plots steuert jetzt folgerichtig auf das große Finale zu, wo es zum Showdown zweier arkonidischer Admirale kommt.

Nun noch, daran werdet ihr euch wohl schon gewöhnt haben, einige persönliche Bemerkungen.

Wir haben, als wir über das Umfeld und die Technik der Handlungszeit recherchierten, uns auch mit dem Konzept der GILGAMESCH beschäftigt, die ja bekanntlich (oder auch nicht) das Modulschiff aller Unsterblichen sein sollte.

Dabei war es uns nie klar geworden, welche Funktion dieses Schiff (außer man wollte mit der Brechstange ein völlig neues Schiffsdesign kreieren) eigentlich haben sollte.

Sinn machte das Konzept nur unter einem einzigen Einsatzszenario, nämlich wenn alle Unsterblichen gemeinsam in einen Einsatz gehen, und dabei auch zusammenbleiben würden. Ein Szenario, das selbst in der EA nie eintrat.

Stattdessen wurden immer wieder nur die einzelnen Module eingesetzt, was gelinde gesagt (hiermit möchte ich mich dann auch gleich vorsorglich bei den Verantwortlichen entschuldigen) die Fehlerhaftigkeit dieses Konzepts bewies.

Eigentlich, und das wäre wohl auch einmal ein dankbarer Plot für einen Roman, hätte ein Rechnungshof (von welchem Staat auch immer) Perry Rhodan und die anderen Verantwortlichen sämtlicher Ämter entheben und wegen gigantischer Steuerverschwendung vor Gericht stellen müssen. Aber, und hier widerspiegelt die EA die Wirklichkeit unserer realen Welt, wird nur der verurteilt, der einige »Märker« verschleudert, wenn es sich um Millionen oder gar Milliarden handelt, ist plötzlich niemand dafür verantwortlich.

Jürgen Freier

 

 

GLOSSAR

Joak Cascal

Oberst der Solaren Flotte, im Jahre 3387 geboren, 1,92 m groß, sehr muskulös, kräftige Schultern, schmale Hüften, markantes Gesicht mit hellgrauen Augen und schwarzem Lockenhaar. Cascal trägt eine Schädelplatte aus Terkonitstahl, um eine Strahlschussverletzung am Schädel zu verbergen. Die Stimme ist tief und wohlklingend. Charaktereigenschaften: klug, stolz, selbstbewusst; ein harter, kompromissloser Kämpfer, mentalstabilisiert infolge der erlittenen Verletzung. Ehemals Kommandant eines Leichten Kreuzers der Solaren Flotte, hat sich Cascal wegen angeblichen Howalgonium Schmuggels vor Gericht zu verantworten. Seine Unschuld konnte nicht bewiesen werden, er flieht nach erfolgter Verurteilung von Terra und schließt sich den Prospektoren an.

Rehabilitierung im Jahre 3432 nach tatkräftiger Unterstützung Perry Rhodans während eines Einsatzes auf dem Planeten Astera. Daraufhin kehrt er zur Solaren Flotte zurück und wechselt kurze Zeit später zur Solaren Abwehr, wo er mit wichtigen Spezialaufträgen betraut wird.

Nachdem die Schwarmkrise überwunden war, übersiedelt Joak Cascal auf die Welt Exota Alpha, wo auch sein Freund Sandal Tolk lebt.

Nachdem die Laren die Milchstraße besetzten, wird Cascal wieder reaktiviert. Er übernimmt 3460, nach einer Unterredung mit Julian Tifflor, das neu in Dienst gestellte Ultra-Schlachtschiff VIVIAN BONTAINER, mit dem er nach Exota Alpha zurückkehrt. Zuvor war er von Tifflor als Geheimnisträger vereidigt worden, und sollte geheime Waffentechnologie des Solaren Imperium dem Zugriff der Laren entziehen.

Dort stoßen sie allerdings auf ein fremdes Schiff, welches dem Volk der Casaro entstammt. Cascal und Tolk verfolgen mit der VIVIAN BONTAINER das Schiff und geraten in eine Falle. Sie sitzen 1400 Jahre in einer Raumzeitfalte fest bevor sie auf drei Flüchtlinge des Luxusraumers LONDON II treffen, mit deren Hilfe sie die RZF verlassen.

Sandal Tolk

Der Barbar von Exota-Alpha wurde im Jahre 3420 n. Chr. auf der Welt Exota-Alpha geboren. Sein voller Name lautet Sandal Tolk asan Feymoaur sac Sandal-Crater. Sandal ist ein sehr kriegerischer Barbar, der besonders mit einem knapp 2,50 m großen Kompositbogen von 250 Pfund Spannkraft kämpft. Tolk gehörte dem Adel seines Planeten an.

Am Tage seiner Mannbarkeit greifen Bewohner des Schwarms Exota Alpha an und ermorden seine Familie. Von diesem Tag an wird er zum dunklen Rächer, der mit unerbittlicher Härte die Mörder seiner Familie jagt und zur Strecke bringt. Im Verlauf dieser Jagd trifft er auch auf Perry Rhodan und schließt Freundschaft mit dem damaligen Oberst der Solaren Flotte, Joak Cascal. Nachdem die Schwarmgötzen besiegt wurden, ist Tolk wieder nach Exota-Alpha zurückgekehrt, wo er zusammen mit Joak Cascal der Regierung des Planeten angehörte. Nach Übernahme der Milchstraße durch die Laren, rekrutierte Julian Tifflor die beiden Veteranen und übergab ihnen das Kommando über das neu in Dienst gestellte Ultraschlachtschiff VIVIER BONTAINER.

Nach ihrer Rückkehr nach Exota-Alpha stoßen Cascal und Tolk auf ein Raumschiff einer unbekannten Rasse und verfolgen dieses mit dem Ultraschlachtschiff. Dabei kommt es zu einem Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Terraner den Kürzeren ziehen. Das Schiff wird mitsamt der Besatzung in eine Raumzeitfalte verschleppt, wo sie knapp 1400 Jahre zubringen, doch für sie vergehen nur knapp 13 Jahre. Durch Zufall werden sie von drei Flüchtlingen des entführten Luxusraumschiffes LONDON II entdeckt, die herausfinden, dass ein Volk namens Casaro für die Gefangennahme verantwortlich ist. Es gelingt ihnen aus der RZF auszubrechen. Die VIVIER BONTAINER wird schließlich im Kampf gegen ein Casaroschiff zerstört.

Remus Scorbit

Geboren am 02. Juni 1266 NGZ in Ostsee-City, Terra, verbrachte Remus zusammen mit seinem Zwillingsbruder Jan eine gut behütete Kindheit. Mit 18 Jahren zogen beide 1284 NGZ nach Terrania City und besuchten dort die Allgemeine Akademie für Wissenschaft und Raumfahrt. Remus lernte in Terrania die junge Uthe Avrel kennen. Kaum war sie 18 Jahre alt, heirateten die beiden im September 1287 NGZ und zogen nach New Roge am Amur. Remus sollte eines Tages die Farm seines Schwiegervaters übernehmen. Zu dieser Zeit entschied sich Jan die Zelte in Terrania abzubrechen und ließ sich von Camelot anwerben.

Remus war schließlich mit seinem vorgeplanten Leben als Farmer unzufrieden und wollte in die LFT-Akademie eintreten. Dabei unterstützte ihn sein Onkel Henry »Flak« Portland, der Kommandant eines Raumschiffes der LFT war. Das führte zu Spannungen zwischen dem jungen Ehegatten und schließlich zu einer Trennung im Jahre 1290 NGZ. Remus suchte sein Heil im Vergnügen und wollte mit einer Reise auf der LONDON II Abstand von seinen Eheproblemen gewinnen.

Uthe Scorbit

Die Tochter eines Farmers aus einem Talgebiet nahe des Amur. Sie wurde am 15. August 1269 NGZ in New Roge geboren. Uthe ist 1,74 Meter groß, schlank und hat grüne Augen. Ihr Gesicht mit den hohen Wangenknochen ist von Sommersprossen übersät. Ihr rotblondes Haar trägt sie meist hochgesteckt. In Kombination mit ihrer altmodischen Brille wirkt sie recht steif.

Sie verliebte sich in ihren ersten Freund und heiratete Remus im September 1287 NGZ. Uthe plante ihr gemeinsames Leben bis ins Detail vor. So sollten sie ein beschauliches und glückliches Leben auf der Farm ihres Vaters führen. Doch Remus war damit nicht glücklich und suchte neue Herausforderungen. Uthe war frustriert und es kam zur Trennung. Sie folgte ihrem Noch-Ehemann auf die LONDON II, um sich mit ihm zu versöhnen.

 

Beschreibung: C:\Users\Juergen\Documents\PROCeBook77x48.pngDas DORGON-Projekt – Mordred-Zyklus – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUB e. V.

Special-Edition Band 10, veröffentlicht am 13.5.2012 • Autor: Nils Hirseland • Titelillustration: Stefan Lechner • Lektorat: Jürgen Freier, André Boyens und Jürgen Seel • Layout: Jürgen Seel • Internet: www.proc-community.de • E-Mail: info@proc-community.de • Postanschrift: PROC e. V.; z. Hd. Nils Hirseland; Redder 15; D-23730 Sierksdorf • Copyright © 1999-2012 • Alle Rechte vorbehalten