5.
Der Weltuntergang

Rodrom betrachtete durch das große Panoramafenster auf der Kommandozentrale der WORDON, das sich immer weiter ausbreitende Feuerinferno über der Lübecker Bucht. Die Kjollenraumer verursachten ein schrilles Heulen, das für die panisch flüchtenden Menschen zu den Trompeten des Untergangs wurde. Systematisch vernichteten seine Untergebenen Häuserblock um Häuserblock und hinterließen ein glühendes Meer aus Schutt und Asche.

Die wenigen Menschen, die dem Inferno entkamen, schrien verzweifelt und suchten in Tunneln, Schächten und sogar in den Abwasserkanälen Schutz vor den erbarmungslosen Angreifern. Doch noch hielten sich die Kjollen zurück. Sie warteten anscheinend auf einen endgültigen Befehl ihres Herren.

Dieser stand direkt vor dem großen Panoramabildschirm, der sich in diverse kleinere Bildschirme aufgeteilt hatte und ergötzte sich an dem Massaker. Am linken oberen Bildrand erschien das Bild von Masor. Der kleine Kjolle sabberte regelrecht vor Blutdurst.

»Meister, wie sind Eure weiteren Instruktionen? Was sollen wir mit diesem Schandfleck machen?«, fragte er mit überschlagender Stimme.

Rodrom konzentrierte sich erst einmal auf eines der Schlachtbilder. Es zeigte, wie eine Mutter mit zwei Kindern auf dem Arm durch die Straße rannte. Neben ihr schlugen Energiebündel ein. Dann traf ein weiterer Schuss ein Hochhaus, das über den drei Menschen zusammenbrach.

Er empfand im höchsten Maße Zufriedenheit bei diesem Anblick. Nun wandte er sich Masor zu.

»Ausradieren

*

Rhodan und Aurec hatten inzwischen die anderen gefunden. Sie versteckten sich hinter einer großen Scheune. Neustadt stand in Flammen. Die Menschen rannten schreiend durch die Straßen, in der Hoffnung irgendwo Schutz zu finden.

Rhodan und seine Begleiter kämpften sich zum Strand durch. Die Hafenanlagen standen in Flammen. Rhodan sah den Sandstrand entlang des Küstenstreifens als sichersten Weg zum vereinbarten Landeplatz an.

Die Kjollen belegten inzwischen auch kleinere Küstenortschaften mit ihrem vernichtenden Feuer. Sie begnügten sich dabei anscheinend damit, lediglich Thermostrahler einzusetzen, was die überall aufflammenden Feuerbrünste erklärte. Rhodan wollte sich nicht ausmalen, welche Folgen der Einsatz hochenergetischer Waffen haben würde. Es schien fast so, dass der Sadismus Rodroms ihnen noch eine gewisse Chance geben würde.

Die WORDON selbst thronte über der Lübecker Bucht. Ein unheimlicher und zugleich gespenstischer Anblick. Bedrohlich lag sie über dem Wasser. Das riesige Schiff setzte im Gegensatz zu den Diskusraumern hochenergetische Waffensysteme ein, die verheerende Wirkungen hatten. Doch noch immer schien es, als ob ihre Nemesis nur mit ihnen spielen würde.

Wieder löste sich ein grelles Energiebündel aus einem der grotesken Geschütztürme, die ohne erkennbares Muster über die Oberfläche von Rodroms Raumschiff verteilt waren und schlug in dem Ort Scharbeutz, vielleicht zehn Kilometer Luftlinie von ihnen entfernt, ein. Die Nacht wurde zum Tag. Ein Pilz aus Feuer und Rauch stieg in den Nachthimmel empor.

Es entstand eine Welle aus Feuer, die über Wasser und Land in Richtung Neustadt raste. Einige von Rhodans Begleitern schlossen bereits mit dem Leben ab.

Rosan klammerte sich an Wyll und zitterte am ganzen Körper.

Shel schrie hysterisch auf, die Tränen strömten ihr über die Wangen. Sie verfluchte, dass sie jemals auf diese Reise gegangen war. Sie schlug mit den Fäusten auf Aurecs Brust und gab ihm die Schuld. Der Saggittone reagierte ruhig und besonnen. Er nahm sie in seine Arme und drückte sie kräftig.

Sam hingegen blieb ruhig stehen und betrachtete das grauenvolle Spektakel, in dem Rodrom und sein Hilfsvolk die Regie führten.

»Dantes Inferno«, flüsterte er leise.

Ullryk Wakkner dagegen kauerte auf dem Sandboden. Angstschweiß lief ihm von der Stirn und formte sich zu kugelförmigen Tropfen.

Perry Rhodan sah starr dem drohenden Inferno entgegen. Wegrennen hatte keinen Sinn mehr.

Der Feuerwall jagte über das Wasser hinweg, das zum Teil einfach verdampfte. Vielleicht waren es noch vier oder fünf Kilometer.

Plötzlich tauchte ein zweites gigantisches Ungetüm über der Bucht auf, das von rötlich glühenden Luftmassen umgeben war. Aus der Form und den Abmessungen schloss Rhodan, dass es sich um die LONDON handeln musste, die mit aktiviertem Paratronschirm in die Atmosphäre der Erde eingetaucht war. Das feurige Phantom ging tiefer und schleuste eine Space-Jet aus. Diese ging bis auf wenige Meter an die Oberfläche heran.

Rhodan schüttelte die anderen, um sie aus ihrer Lethargie zu reißen. Die Jet steuerte auf die Küste zu und landete wenige Meter entfernt. Sie stürmten auf den kleinen Raumer zu und wurden durch einen Traktorstrahl in eine Schleuse befördert. Kaum waren sie an Bord, startete das Beiboot mit halsbrecherischen Werten. Wenig später wurde die Jet in die LONDON eingeschleust.

Inzwischen hatten jedoch bereits die ersten Kjollenraumer Kurs auf das terranische Schiff genommen. Sieben Schiffe waren in Angriffsposition gegangen. Sie teilten sich in zwei Gruppen zu drei und vier Schiffen auf und attackierten das Raumschiff. Doch der Paratronschirm hielt noch den Energiesalven stand, was sich jedoch sehr schnell ändern würde, wenn das riesige Pflockschiff in den Kampf eingreifen sollte. Sie mussten schnellst möglichst verschwinden, sonst hatten sie keine Chance.

Wyll Nordment rannte zur Kommandozentrale und übernahm sofort die Position des Piloten. Er steuerte die LONDON manuell aus der Atmosphäre heraus und verließ mit Höchstbeschleunigung den Erdorbit. Nun konzentrierte sich auch Sato Ambush wieder voll auf die aktuelle Situation.

»Hier in der Nähe muss eine Art Portal sein, genauer ausgedrückt eine Raumzeitfalte, durch die die Schiffe der Kjollen kamen. Wir müssen dort hindurch! Aller Wahrscheinlichkeit nach, landen wir wieder irgendwo in Saggittor.«

»Aller Wahrscheinlichkeit nach?«, hakte Nordment nach.

Ihm war nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken woanders herauszukommen.

Dann sah er Rosan an. Letztendlich war ihm aber am Wichtigsten mit ihr zusammen zu sein. Egal an welchem Ort des Universums er sich befand, Hauptsache sie war bei ihm.

»Ist schon gut. Wir haben wohl keine andere Alternative«, stimmte er schließlich zu.

Auch Rhodan gab mit einer Geste sein Einverständnis.

»Jeder Ort ist besser als dieser hier.«

Er wies Spechdt an, den Sektor nach ungewöhnlichen Raumanomalien zu scannen. Die Syntronik funktionierte natürlich noch immer nicht einwandfrei. Man konnte nur einen bestimmten Radius erfassen, doch die Auswertung der Messdaten ergab ungewöhnliche Werte. Er ließ die Daten auf einem 3D-Hologramm anzeigen.

»Dorthin muss die LONDON«, forderte Ambush beschwörend.

Perry Rhodan brauchte nicht lange, um zu reagieren. Er kannte Sato Ambush lange genug und vertraute seiner Intuition. Er gab den Befehl mit Höchstgeschwindigkeit Kurs auf die angemessene Anomalie zu nehmen.

Ambush erklärte, dass man nur durch diese Verbindung fliegen musste, um wieder zurück nach Saggittor zu gelangen. Rhodan hoffte, dass sich der Pararealist nicht irrte.

Doch die LONDON wurde bereits von einigen Kjollenraumern und dem Dolan beschossen. Die Feuerkraft der Verfolger konnte den Schutzschirm nicht überlasten, doch die WORDON kam bedrohlich näher.

»Sie wird vor Erreichen der Raumzeitfalte in Feuerreichweite kommen«, erklärte Nordment beunruhigt.

Rhodan überlegte, was sie machen konnten.

Sato wandte sich ihm zu. »Du erzähltest von einer Bombe, die dieser Vater Dannos hier versteckt hatte?«

»Ja, und?«, wollte Rhodan wissen.

»Haben die Saggittonen diese Bombe bei der Entschärfung von Bord der LONDON entfernt?«, forschte der kleine Asiate weiter.

Rhodan wusste dies nicht genau. Er musste eine Weile überlegen.

»Nein, sie ist hier im Sicherheitstrakt gelagert«, erklärte er schließlich.

»Gut, führe mich zu ihr«, bat Ambush.

Er und Rhodan eilten in den Sicherheitstrakt. Dort ruhte die Bombe, die recht beachtlich war. Sie hatte eine gewaltige Sprengkraft und hätte die LONDON in der Mitte zerrissen, wäre sie detoniert.

Sato Ambush schätzte den Sprengkopf auf etwa zwei Meter. Er schluckte kurz, dann sah er Perry Rhodan an.

»Ich werde die Bombe mitnehmen.«

»Wohin?«

»Nach Embuscades Welt. Von dort aus kann ich mich an jeden beliebigen Ort in diesem Paralleluniversum begeben. Das Ziel wird der Dolan sein. Ihr müsst allerdings seinen Schutzschirm schwächen, damit ich hindurch kann. Die Bombe werde ich dort ablegen.«

»Ich verstehe nicht ganz. Der Dolan ist nicht so gefährlich«, meinte Rhodan, »die WORDON stellt das größte Problem dar.«

»An diese komme ich aufgrund des höherdimensionalen Schutzschirms nicht heran. Aber der Dolan dürfte dort landen können.«

Nun verstand Rhodan. Ihm war bei dieser Aktion zwar nicht sonderlich wohl zumute, doch es war eine reelle Chance.

»Pass auf dich auf, mein Freund«, sagte er und umarmte den Japaner.

»Wir werden uns wiedertreffen, Perry Rhodan!«, versprach Ambush und entmaterialisierte mitsamt der Bombe.

Rhodan seufzte, dann rannte er wieder zur Kommandozentrale.