08. November 1285 NGZ
Stewart Landry und Gucky hockten gelangweilt in der Kiste und stopften sich mit Süßigkeiten voll.
»Deine Verpflegung ist wirklich unikal«, unkte Landry als er die Tüte Gummibärchen aufgegessen hatte.
Gucky gab ein Bäuerchen von sich und grinste verlegen. Sie waren bereits seit elf Tagen unterwegs. Eine furchtbar lange wie öde Zeit, obwohl es ihnen in ihrem Versteck, den fünf mal fünf Meter großen Container an wenig fehlte.
Gucky hatte das viele Gold, welches in diesem Container gelagert war, heraus teleportiert und das Equipment der beiden Agenten hineingeladen. Allerlei technische Raffinessen, Schlafzeug, Unterhaltungselektronik, Nahrung und sogar eine kleine Sanitäreinrichtung, die die Ausscheidungen sofort desintegrierte und ihren kleinen Energiegenerator somit noch mit Strom fütterte. Nur an einen Luftionisierer hatten sie nicht gedacht, was die täglichen Toilettengänge in dem kleinen Raum dann weniger angenehm machte.
Doch besonders Stewart Landry war kein Mann, der gerne untätig herum saß. Gucky hatte versucht, den forschen TLD-Agenten von der heilenden Kraft des Nichtstuns zu überzeugen.
Das »Gucky-Sen« war die perfektionierte Methode, um Körper und Geist in Einklang mit der Ruhe des Universums zu bringen. Die wichtigsten Regeln von Guckys Meditationsformel waren: Essen, Trinken, Schlafen und so wenig wie möglich bewegen. Es galt dabei, den Geist frei von jeglichen Pflichten zu machen, die Trägheit zu genießen und Kraft aus der geistigen und physischen Faulheit zu gewinnen.
Während der Mausbiber keine Probleme mit der Umsetzung hatte, wäre Landry in den vergangenen elf Tagen schon des Öfteren am liebsten die Kommandozentrale dieses Onkel Dimytrans gestürmt.
Gucky überwachte telepathisch die Gedanken des »Kindes der Materiequelle«. Landry hingegen war mentalstabilisiert, weshalb Gucky gar nicht in Versuchung gekommen war, in den Gedanken seines Mitstreiters zu schnüffeln.
Der CERES-Kreuzer befand sich im Leerraum zwischen der Milchstraße und Andromeda. Die fünfköpfige Crew wusste bis auf Dimytran wenig über die Entführung. Es waren unwissende Auftragssöldner, denen eine hohe Summe für den Flug versprochen wurde. Nur Dimytran wusste mehr über die Operation. Das Ziel war die abgelegene Galaxie UGCA-092, die nicht einmal einen Eigennamen besaß, so trostlos und abgelegen war sie. Wenn Gucky sich recht erinnerte, lag sie abseits von Pinwheel in der Lokalen Gruppe.
Dimytran dachte, dass er dort die LONDON mit Vater Dannos vorfinden würde. Zuvor würde er allerdings ein Rendezvous mit einem Raumschiff der Mordred haben, um weitere Instruktionen zu erhalten. Der Name Mordred geisterte immer wieder durch die unbedarften Gedanken der Crew.
Bei der Mordred handelte es sich offensichtlich um den Drahtzieher der gesamten Operation. Nach allem, was sie bisher über diese nebulöse Organisation herausfinden konnten, agierte sie aus dem Hintergrund, indem sie skrupellose Söldner für Aktionen anwarb, die gegen die LFT und vor allem gegen Camelot gerichtet waren. Auf die Bezeichnung Mordred war Gucky vor der Entführung der LONDON noch niemals gestoßen, auch in den Datenbanken seines Pikosyns herrschte gähnende Leere. Möglicherweise handelte es sich dabei um eine neue Bewegung, vielleicht eine Terrororganisation, obwohl Gucky bei dieser Bezeichnung vorsichtig war. In der heutigen Zeit wurde dieser Begriff geradezu inflationär verwendet.
Der Mausbiber rekapitulierte, dass die Kinder der Materiequelle auf jeden Fall durch die Mordred unterstützt wurden. Es war davon auszugehen, dass die Entführung der LONDON erfolgreich durchgeführt wurde, denn abgesehen von den Foto- und Videobeweisen, war jeglicher Kontakt zu ihr abgebrochen. Sie war im Vorfeld von Andromeda verschwunden und befand sich vermutlich irgendwo im Umfeld der Galaxie UGCA-092.
Wie eine Spur aus Brotkrumen setzte Landry eine verschlüsselte, kaum messbare Signatur ab, die speziell auf die Sensoren der FREYJA und dem ihr folgenden LFT-Kreuzer NORTH CAROLINA abgestimmt war. So wussten die Kommandanten Xavier Jeamour und dieser verkniffene Henry Portland, welchen Kurs der CERES-Kreuzer einschlug.
Nach diesen anstrengenden Gedankengängen, beschloss Gucky wieder ein wenig zu schlafen. Vielmehr konnte er ohnehin nicht tun.
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13. November 1285 NGZ
»Das ist so langweilig«, brummte Landry genervt.
»Es ist wie ein Urlaub. Nur ohne Sonne und ohne Strand«, erwiderte Gucky gedehnt.
»Und ohne Frauen«, stellte Landry nüchtern fest. Er erhob sich und dehnte sich.
Der Kurs des CERES-Kreuzers führte seitlich an Pinwheel vorbei und visierte UGCA-092 an. Der Navigator dachte daran, dass sie ihr Ziel in vier Tagen endlich erreicht haben würden. Ansonsten waren die Gedankengänge der Crew weiterhin sehr primitiv. Der Orter dachte daran, wie viele Prostituierte er sich von seinem Anteil leisten konnte, während die Gedanken des Navigators ständig um Fress- und Saufgelage kreisten.
Dimytran dagegen malte sich seine Zukunft auf einer tefrodischen Kolonie in Triangulum aus. Er hatte sich bereits eine idyllische Dschungelwelt ausgesucht, um dort ein Leben in Saus und Braus wie im alten Rom zu führen. Die tefrodische Administration der kleinen Enklave, die ständig am Rande der Vernichtung durch die Kartanin stand, hatte für die in Aussicht gestellte finanzielle und waffentechnische Unterstützung durch Dimytran diesem den gewünschten Planeten als persönlichen Besitz überlassen. Dort gedachte er sich einen Herrschaftssitz zu bauen, der ihm allen erdenklichen Luxus bieten würde. Danach beabsichtigte der selbst ernannte »Onkel« die feudalen gesellschaftlichen Verhältnisse innerhalb der kleinen tefrodischen Niederlassung für seine persönlichen Begierden zu nutzen und sich auf den Sklavenmärkten mit vielen Mädchen zu versorgen, – so lauteten zumindest Dimytrans Wunschträume.
Der Ilt schüttelte sich innerlich vor Abscheu, als er Zeuge der perversen Fantasien des Plophosers wurde. Nur gut, dass er die Wahnvorstellungen dieses Musterexemplares der menschlichen Rasse zunichtemachen würde.