13.
Befreiung von Saggittor

Der Flug durch das Sternenportal dauerte nur wenige Momente, dann befand sich die SAGRITON im Zentrum der Galaxis. Aurec erkannte zuerst einige Dutzend Diskusraumer der Kjollen. Sein zweiter Blick ging auf die eigenen Ortungsanzeigen. Immer mehr Raumschiffe der Saggittonen drangen durch das Portal ein.

Waskoch analysierte die Umgebung.

»Wir befinden uns 17 Lichtjahre von der Barriere entfernt. Vor uns liegen 176 feindliche Schiffe und drei Raumstationen.«

»Fordern Sie die Kapitulation. Sollten sie dem nicht nachkommen, außer Gefecht setzen.«

Aurec wollte nicht unnötig unzählige Leben vernichten. Auch wenn die Kjollen ihre Feinde waren, er durfte sich nicht auf die gleiche Stufe mit ihnen stellen. Er musste besser sein. Und das konnte er nur mit den entsprechenden Taten unter Beweis stellen.

Die Kjollen reagierten nicht auf das Ultimatum. 15.000 saggittonische Einheiten griffen die Raumstationen an und zerstörten die Offensivbewaffnung. Die Diskusraumer zogen sich nach einem kurzen Feuergefecht zurück. Das Sternenportal war in ihrer Hand.

»Rauoch, begeben Sie sich zur Barriere. Prüfen Sie, ob es Stationen dort gibt, die die Barriere erzeugen. Falls Sie welche finden …«

»… vernichte ich sie. Verstanden, Kanzler!«, meldete sich Rauoch. Mit 25.000 Schiffen verschwand er im Hyperraum. Wenn die Barriere vernichtet werden würde, könnten sie eine Verbindung zur Flotte herstellen.

Die Kjollen waren offenbar völlig überrascht. Nach der Flucht der Reste ihrer Flotte hatte Aurec Verstärkung für sie erwartet, doch nichts geschah. Waskoch war mit seiner Analyse fertig. Im Zentrum selbst waren viele Turbulenzen, wüteten Hyperstürme und Schwarze Löcher. Abseits davon befanden sich insgesamt 83 Sonnensysteme, von denen offenbar die Hälfte besiedelt war.

Bisher tappten die Saggittonen im Dunkeln. Wie groß war die Truppenstärker der Kjollen? Gab es noch weitere Völker? Waskoch berichtete, dass die größte Ansammlung von Raumschiffen und Energiesignaturen aus einem System nur 7 Lichtjahre von ihnen entfernt kam. Das war offenbar das Heimatsystem.

»Sollen wir dort angreifen?«, fragte der Erste Offizier der SAGRITON.

Aurec blickte Rhodan fragend an.

»Diese Entscheidung kann ich dir nicht abnehmen«, sagte Rhodan. »Das Überraschungsmoment ist auf eurer Seite. Jedoch …«

Aurec wusste genau, was Rhodan meinte. Eine verheerende Schlacht schien unausweichlich. Doch das wollte Aurec vermeiden.

»Wir bleiben vorerst hier. Primäres Ziel ist die Sicherung des Sternenportals und die Zerstörung der Barriere. Schickt dennoch Aufklärer. Wenn sich militärische Ziele anbieten, greifen wir an.«

*

Aurec verfolgte angespannt die vereinzelten Kämpfe nahe dem Sternenportal und war erleichtert, als Rauoch endlich eine Erfolgsmeldung übermittelte. Sein Flottenverband hatte Energie- und Kontrollstationen bei der Barriere gefunden und sie vernichtet. An diesen Stellen war die Barriere zusammen gebrochen. Die saggittonische Flotte konnte nun ungehindert in das Zentrum fliegen.

Inzwischen waren auch die Auswertungen der Aufklärer fertig. Sie machten drei große Militärbasen in dem sieben Lichtjahre entfernten System aus. Von dort starteten die Diskusraumer. Die Verteidigung war relativ schwach. Offenbar hatten über Generationen hinweg die Kjollen niemals damit gerechnet, dass die Barriere deaktiviert werden könnte.

Aurec befahl den Angriff auf die Militärbasen, nachdem sich die Saggittonischen Flotten vereinigt hatten. Die Kjollenflotte hatte sich nach dem Zusammenbruch der Barriere zurückgezogen.

*

Die Kjollen wurden völlig überrascht. Es herrschte Panik und helle Aufregung im Kommandostand auf der Militärbasis »Anfang«. Masor hatte sich auf einen langwierigen Kampf vor der Barriere gegen die Saggittonen eingestellt. Sein Plan war es gewesen, die Streitkräfte der Feinde langsam aufzureiben und einige Zeit später Angriffe auf die Heimatwelten zu beginnen. Doch plötzlich waren die Saggittonen durch das Sternenportal gekommen und hatten die Barriere Stationen zerstört. Die Kjollen waren auf so etwas nicht vorbereitet. Sie waren die Offensive gewöhnt, nicht die Defensive. Die Verteidigung der Militärbasen und Heimatwelten war auf mögliche interne Revolten der Hilfsvölker innerhalb der Barriere ausgerichtet, aber nicht auf eine Verteidigungsschlacht gegen die saggittonische Flotte.

Die saggittonischen Raumjäger flogen im Sturzflug über die Stationen hinweg, ließen ihre zerstörerischen Fracht hinabfallen, die kurz danach in einem grellen Licht detonierten und alles im Umkreis von 1.000 Metern in Schutt und Asche verwandelten.

Langsam konnten die Kjollen die ersten Abwehrbatterien aktivieren. Sie schossen etliche Jäger ab, doch konnte die Zahl der Angreifer kaum geschwächt werden.

Masor gab den Befehl selbst Abfangjäger und den Rest der Flotte zu starten. Hastig suchte er Rodroms in seinem Quartier auf und erstatte Bericht.

»Du elender Narr hast auf der ganzen Linie versagt!«

Masor kniete nieder und winselte um Gnade. Rodrom nahm dieses Flehen nicht einmal zur Kenntnis.

»Ist die WORDON wieder intakt?«

»Ja, Meister! Bis auf ein paar Schäden im Hangar ist ...«

»Gut, mehr wollte ich nicht wissen«, unterbrach die Entität den kleinen Kjollen.

Anschließend löste sich Rodrom auf.

Zurück blieb Masor. Er blickte aus dem Fenster. Drei Jäger der Saggittonen rasten an einem Hochhaus vorbei, welches pilzförmig aufgebaut war. Sie schossen auf die Trägersäule, die nachgab. Mit einem lauten Knall brach das Gebäude zusammen und fiel krachend auf den Boden, bevor es in einem Flammenmeer verging.

Er ließ sich von einem Offizier Bericht erstatten. Es sah schlimm aus.

Es war vorbei für ihn und sein Volk. Rodrom verließ mit der WORDON das System und Masor wusste, dass er die Kjollen nicht ungestraft zurücklassen würde.

*

Perry Rhodan stand vor dem Bildschirm, die Arme im Rücken verschränkt, und betrachtete die Schlacht.

Zwei Diskusraumer verfolgten einen saggittonischen Jäger und konnten ihn auch abschießen. Doch ihre Freude dauerte nur kurz, da ein Pulk von anderen Jägern über sie hinweg flog und sie in einem Hagel von Energieblitzen einhüllte, bis sie explodierten.

Rhodan sah, wie sich die WORDON aus dem System entfernte. Etwa zwanzig Raumer der Saggittonen griffen das Pflockschiff an, doch sie wurden nacheinander zerstört. Rhodan wusste, dass man die WORDON vielleicht nicht stoppen konnte. Er hatte insgeheim gehofft, dass sie immer noch manövrierunfähig war, was sich leider als Trugschluss erwies.

Rodrom erschien plötzlich auf der Kommandozentrale der SAGRITON.

»So, Perry Rhodan. Du hast also wieder einmal einen kleinen Sieg errungen. Doch freue dich nicht zu früh, kleiner unbedeutender Terraner.

Dein Schicksal, wie auch das der Männer und Frauen auf der LONDON, ist besiegelt. Doch solltest du wieder dem Tod entkommen, so sei gewiss, es gibt noch andere, die wie ich dein Ende wollen und sich in diesem Moment darauf vorbereiten.«

Das waren die letzten Worte der Inkarnation, dann verschwand das Hologramm oder um was es sich dabei handelte. Die WORDON setzte einige schlanke, wild zerklüftete Flugkörper aus, die Kurs auf die Sonne des Systems nahmen und in der Korona verschwanden. Die Sonne blähte sich kurz auf, wurde dann dunkler, bevor sie anfing zu explodieren. Die WORDON hatte inzwischen das System verlassen.

»Aurec, die Sonne wird zu einer Supernova!«, berichtete der Ortungsleiter.

»Sofort alle Schiffe aus dem System zurückziehen!«, befahl der Saggittone.

Die Schiffe folgten sofort dem Befehl.

Für die Kjollen jedoch, war alles vorbei. Sie ergaben sich in ihr Schicksal. Ihre Raumschiffe explodierten zum gleichen Zeitpunkt. Es schien so, als wäre ein kollektiver Selbstzerstörungsmechanismus ausgelöst worden.

*

Masor stand immer noch im Raum Rodroms und beobachtete die ständig anwachsende Sonne, die bald auch seinen Planeten erreichen würde. Er und sein Volk hatten versagt. Sie wurden nun bestraft. Alle Raumschiffe explodierten nun. Es war gleich, wo sie sich befanden. Rodrom hatte den Exodus-Befehl für die Kjollen ausgesprochen.

Rodrom wollte nicht, dass die technischen Anlagen in die Hände der Saggittonen fielen. Das war der eine Grund, warum er die Sonne mit den Novabomben beschoss.

Der andere war, dass die Kjollen ausgerottet und so für ihr Versagen bestraft werden sollten. Es gab zwar noch Kjollen und technische Anlagen in den anderen 22 Sonnensystemen, aber kein Raumschiff würde mehr existieren. Der Exodus-Impuls würde alle technischen Einrichtungen sprengen.

Sein Volk hatte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, der nun abgelaufen war. Die ausgedehnte Sonne erreichte nun auch seinen Planeten und verbrannte alles. Masor schloss mit dem Leben ab.

*

Aurec verspürte keine Genugtuung als er die Aufnahmen der Vernichtung des Kjollensystems auf dem dreidimensionalen Bild in der Zentrale der SAGRITON verfolgte. Rhodan verfolgte mit steinerner Miene den Untergang dieses Sonnensystems.

»Rodroms Rache«, brachte der Terraner knapp hervor.

Für Aurec war es schwer zu begreifen, wie rücksichtslos Rodrom war. Er löschte einfach sein Hilfsvolk aus. Von überall meldeten die saggittonischen Raumschiffkommandanten explodierende Diskusraumer der Kjollen. Eine Selbstvernichtungswelle zerstörte jegliches Weltraumgefährt.

Die Gefahr der Kjollen in Saggittor war gebannt. Doch freute sich Aurec angesichts der millionenfachen Toten nicht darüber. Er war ein wenig erleichtert, mehr aber auch nicht.

1.320 Einheiten der Saggittonen hatten die Kämpfe seit Beginn der Operationen nicht überstanden. Nach ersten groben Schätzungen hatte 300.000 Saggittonen ihr Leben verloren.

Aurec gedachte ihrer. 300.000 Familien waren betroffen. Milliarden Familien lebten nun in Sicherheit und waren der Willkür eines möglichen Angriffs von Rodrom nicht mehr ausgesetzt. Dafür waren diese 300.000 Saggittonen gestorben. Und dennoch war es Aurec schwer ums Herz. Er wusste nur allzu gut, wie sich so ein Verlust anfühlte.

Aurec erteilte den Befehl, sich um die überlebenden Kjollen zu kümmern. Alle besiedelten Sonnensysteme sollten aufgesucht werden. Militärisch waren die Kjollen erledigt, doch sie befanden sich noch in Saggittor. Außerdem schienen Hilfsvölker ihnen zu dienen. Urplötzlich hatte Saggittor ein paar Spezies mehr.

Es galt nun mit ihnen Frieden zu schließen und eine friedliche Koexistenz aufzubauen. Keineswegs sollte Rache diese neue Ära prägen. Allerdings würde es beide Seiten viel Kraft und Mühe kosten, das zu bewerkstelligen.

Aurec erteilte Waskoch die Order, die SAGRITON zurück nach Saggittor zu fliegen.

Aurec zog sich in sein Quartier zurück. Einige Zeit später suchte Perry Rhodan ihn auf.

Aurec starrte aus dem Fenster in den wabernden Hyperraum.

»Was geht in dir vor?«, wollte Rhodan wissen.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Aurec. »Einerseits noch tiefe Trauer wegen meiner Familie, doch dann fühle ich mich sehr stolz den Sieg für die Saggittonen errungen zu haben und nun in eine neue friedliche Zeit zu steuern.«