12.
Machtkampf um Saggittor

Aurec und Perry Rhodan erreichten in den frühen Morgenstunden des  22. Novembers 1285 NGZ die Kommandozentrale der SAGRITON. Die Crewmitglieder in ihren graubraunen Uniformen salutierten. Aurec selbst trug eine grauschwarze Montur.

Auch Admiral Dolphus befand sich auf der Brücke. Argwöhnisch beäugte er Aurec und Rhodan.

»Seit wann dürfen Außerirdische während einer so wichtigen Mission, von der die Zukunft Saggittors abhängt, in der Operationszentrale herumspionieren?«, fragte Dolphus wütend.

Aurec bedachte seinen Artgenossen mit einem verachtenden Blick.

»Perry Rhodan ist ein Alliierter Saggittors. Sein Wissen und seine Erfahrung sind von unschätzbarem Wert auf dieser Mission. Admiral, führe nun meine Order aus. Die I. Saggittorische Flotte soll Kurs auf die Barriere nehmen.«

»Was ist mit der II. Flotte? Sie verfügt immerhin über unsere besten Offensivraumschiffe?«, hakte Dolphus nach.

»Sie untersteht dem Kommando von Rauoch und wird als Reserve gehalten.«

Dolphus schwieg und gab die Befehle von Aurec weiter. Der Kanzler Saggittors wartete nur darauf, dass Dolphus sein wahres Gesicht zeigte. Er rechnete in jeder Minute mit einem Attentat. Doch die Horar verstrichen und der Flug an die Barriere verlief ohne Zwischenfälle.

Nach fünf Diats und sieben Horar hatten sie das Zentrum erreicht. Aurec war müde, denn er hatte wenig geschlafen, weil er immer wieder einen Angriff von Dolphus erwartet hatte. Doch nichts war geschehen.

Kaum hatten die 200.000 Schlachtschiffe der I. Saggittonischen Flotte – 100.000 Schiffe waren zusammen mit den Flotten der Varnider, Trötter, Holpigons und Multivons zum Schutz der Welten zurück geblieben – meldete Waskoch, dass sie bereits erwartet wurden.

»Es sind diskusförmige Raumschiffe. Ich zähle 270.000 Einheiten. Sie wussten, dass wir kommen«, erklärte der Erste Offizier.

»Wie überraschend«, sagte Aurec und blickte Dolphus an. »Jemand hat sie vorher informiert. Ein Freund Rodroms, nicht wahr, Dolphus?«

Dieser zuckte nur mit den Achseln.

»Ich weiß nicht, wovon du redest. Wir müssen handeln und die Kjollen angreifen.«

Aurec atmete tief durch. 270.000 feindliche Raumschiffe. Sie waren den Saggittonen zahlenmäßig überlegen. Aurec erteilte den Angriffsbefehl, jedoch sollten die Saggittonen in Verbänden angreifen, um an einzelnen Abschnitten eine zahlenmäßige Überlegenheit zu haben. Er gab den Befehl aus, im Notfall eher den Rückzug anzutreten, als vernichtet zu werden. Dolphus quittierte die Order mit dem Kommentar »Feigling«. Aurec kümmerte es wenig. Dann begann die Schlacht um das Zentrum von Saggittor.

*

Rodrom verfolgte gelangweilt die Schlacht vor der Barriere. Er lobte sich selbst dafür, Dolphus nicht umgebracht zu haben, obwohl ihm danach gewesen war. Das Verhör des saggittonischen Versagers hatte sich gelohnt, denn so hatte er immerhin von dem Angriff erfahren und hatte die Kjollen vorbereiten können.

Rodrom erfüllte schon eine gewisse Neugier, ob sich die Kjollen als würdige Kämpfer erweisen würden. Es war eine Sache über Generationen hinter dem Schutzschirm sicher einzelne Aktionen gegen Völker durchzuführen, die das Geheimnis der Barriere enttarnt hatten, oder einen offenen Krieg zu führen.

Bis auf Strafaktionen gegen die unterjochten Hilfsvölker im Zentrum, wie die Nider, hatten die Kjollen seit Jahrtausenden keinen offenen Konflikt gegen die Hauptvölker Saggittors mehr geführt. Dennoch überwog noch die Enttäuschung über seinen gescheiterten Plan. Es war so kreativ gewesen, ein wahrer Meisterplan, seines Genies würdig, Rhodan bei den Saggittonen in Misskredit zu bringen, die LONDON in die Vergangenheit eines Paralleluniversums zu transportieren, in dem es keinen Perry Rhodan gab.

Doch dieser japanische Wicht hatte alles zunichte gemacht. Wieso war der plötzlich aufgetaucht? Irgendjemand musste diesen Ambush unterstützt, sich in Rodroms Meisterspiel eingemischt haben.

Vermutlich ein Spion von DORGON. Wer sonst würde die Pläne von MODROR und seiner Gefährten sabotieren?

Doch nun war Rodrom wieder einen Schritt voraus. Aurec und Perry Rhodan tappten willig in die nächste Falle. Es lag nun an den Kjollen und Dolphus, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Sollte es ihnen gelingen, die Flotte Saggittors zu zerstören und ihm die abgehakten Köpfe von Rhodan und Aurec als Geschenke zu überreichen, wäre diese Mission doch akzeptabel gewesen.

Die Raumschlacht begann. Nun war Dolphus am Zug.

*

Die Schlacht tobte einige hundert Millionen Kilometer von der Barriere entfernt. Die kleineren Kjollenschiffe konnten ihre zahlenmäßige Überlegenheit nicht ausnutzen, da die vereinte Feuerkraft der saggittonischen Schlachtschiffe, die zusammen in kleinen Pulks operierten, verheerend war. Sie erzeugten ein Übergewicht und rieben die gegnerischen Flottenteile dadurch auf.

Bisher verlief alles nach Plan.

»Wir haben Störungen im Funkverkehr und in der Ortung«, meldete plötzlich Waskoch.

»Werden wir angegriffen?«, hakte Aurec nach.

»Nein, Kanzler! Es sieht aus … als kämen die Störungen von innerhalb der SAGRITON.«

Nun sprang Dolphus auf, zog seinen Strahler und richtete ihn auf Aurec. Zeitgleich stürmte ein Dutzend Soldaten von Dolphus Leibgarde in die Zentrale.

»Meine Eliteeinheiten besetzen gerade die SAGRITON. Du hast verloren, Aurec.«

»Tatsächlich? Wie willst du das dem Rat erklären?«

»Was denn erklären? Die SAGRITON wird im Kampf vernichtet. Du und deine Getreuen verlieren dabei ihr Leben. Ich konnte mich in einer Rettungskapsel in Sicherheit bringen. Vielleicht nicht ehrenvoll, doch ich mache es wieder wett durch einen Sieg über die Kjollen. Zumindest offiziell.«

»In Wirklichkeit wird es ein Scheinsieg sein. Die Kjollen ziehen sich hinter die Barriere zurück und die Saggittonen werden ein Hilfsvolk von Rodrom«, stellte Rhodan fest.

»Halt dein Maul, unwürdiger Außerirdischer!«

Rhodan schwieg.

»Und nun Kurs in das Schlachtfeld, Waskoch! Ich werde jene, die treu zu Saggittor und ihrem echten Kanzler – also mir – stehen, mit hohen Posten belohnen. Was heute geschieht, ist zum Wohl Saggittors und der galaktischen Gemeinschaft.«

Doch Waskoch verschränkte die Arme vor dem Bauch und lehnte sich gegen die Konsole. Dolphus wurde wütend. Er brüllte den Navigator an, Kurs in den nächsten Sektor zu nehmen, in dem gekämpft wurde. Doch auch dieser verweigerte seinen Befehl. Er zielte auf den Navigator, doch plötzlich baute sich ein Energiefeld um ihn auf. Das gleiche geschah bei seinen zwölf Soldaten.

Aurec machte eine abfällige Geste.

»Ich habe so einen Versuch schon viel früher erwartet. Glaubtest du auch nur eine Noat lang, ich hätte dir vertraut?«

Waskoch übernahm wieder das Kommando.

»Die Kommunikation funktioniert wieder. Serakan meldet, die Lage auf dem Raumschiff ist unter Kontrolle. Die Männer von Dolphus sind überwältigt.«

»Aber …«, Dolphus war sichtlich erschüttert.

Aurec befahl Waskoch, das Energiefeld um Dolphus zu deaktivieren. Waskoch zögerte, dann erlosch es endlich.

»Mörder!«, stieß Aurec langsam hervor.

»Ich bin unschuldig! Es war Rodrom! Ich … … ich bin unschuldig!«, schrie Dolphus verzweifelt und zielte mit dem Strahler auf Aurec.

Doch er konnte ihn nicht einmal mehr gerade halten. Der gefallene Admiral zitterte am ganzen Körper.

»Gib auf, Dolphus. Es hat keinen Sinn mehr. Dein Plan ist fehlgeschlagen.«

»Aber ... aber ... er war doch so gut durchdacht.«

»Nein, war er nicht. Er beruhte nur auf einen grausamen Mord an meiner Familie.«

Der Schweiß lief Dolphus von der Stirn. Seine Wangen zuckten, ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.

Aurec hob jetzt seinen Strahler und zielte auf den alten Saggittonen. Doch Dolphus schoss als erster. Jedoch verfehlte er sein Ziel. Aurec ging langsam auf ihn zu. Er wusste, dass Dolphus nicht mehr in der Lage war, ihn zu treffen.

Der Admiral hatte offenbar zu große Angst. Er wich langsam zurück und beschwor Aurec fern zu bleiben. Die anderen Offiziere standen am Ende des Raums und hatten zur Sicherheit ihre Waffen gezückt.

»Gib mir jetzt die Waffe!«

Doch Aurec hoffte innerlich, dass Dolphus es nicht tat und ihm so einen Grund lieferte, ihn zu töten. Dolphus sah ihn entgeistert an und schüttelte den Kopf.

»Nein, es ist aus!«

Dann legte sich Dolphus die Waffe an die Schläfe und drückte ab. Es war vorbei. Dolphus war tot.

Aurec zielte mit seiner Waffe auf den Leichnam und drückte ab. Der Strahler desintegrierte den Körper. So wurde mit Verrätern verfahren. Ein Begräbnis, eine physische Erinnerung an ihre Existenz, wurde ihnen verwehrt. So wie der Körper von Dolphus desintegriert wurde, so sollte auch die Erinnerung an ihn verwehen.

Nur seine schrecklichen Taten würden der Nachwelt in Erinnerung bleiben. Als Mahnmal und abschreckendes Beispiel für kommende Generationen.

*

»Er hat seine gerechte Strafe bekommen«, sprach Perry Rhodan zu Aurec.

Der Saggittone wandte sich dem Panoramafenster zu und blickte zu den Sternen. Hier und da blitzte es auf. Ein Zeichen für den Kampf zwischen den Saggittonen und Kjollen.

»Sein Tod bringt mir meine Familie nicht zurück. Doch möglicherweise bringt es ihren Seelen bei SAGGITTORA Genugtuung.«

Rhodan lächelte und legte seine Hand auf die Schulter des Saggittonen.

»Vielleicht ist es ja so.«

Dann wurde er wieder übergangslos ernst. »Jedoch ist noch nichts gewonnen. Wir müssen sofort handeln und die Kjollen aus deiner Galaxis werfen.«

Aurec beobachtete, wie der Leichnam von Dolphus aus der Kommandozentrale gebracht wurde. Rhodan hatte recht. Es war Zeit, diese Schlacht mit einem großen Schlag zu beenden. Doch es würde noch einige Diats benötigen. Die saggittonische Flotte musste den Gegner so lange hinhalten.

»Waskoch, mit Höchstgeschwindigkeit zum Sternenportal«

*

Die SAGRITON erreichte nach nur vier Diats das Sternenportal von Saggittor. Dort wartete bereits die II. Saggittonische Flotte auf das Flaggschiff. Rauoch befehligte die 100.000 Schlachtschiffe.

Die vier Energiestationen des Portals rotierten im Kreis in einem Abstand von 25.000 Kilometern.

»Nun wird sich herausstellen, ob ich die Männchen im Bild richtig verstanden habe«, flüsterte Aurec zu Perry Rhodan. Der Kanzler der Saggittonen erhob sich von dem thronförmigen Sessel im Zentrum der Kommandobrücke, ging zu dem breiten Fenster, stellte sich davor und betrachtete die saggittonischen Raumschiffe.

»Waskoch, sende die Koordinaten an das Sternenportal«, bat er den Ersten Offizier.

Auf einer bestimmten Frequenz wurden die Koordinaten übermittelt. Die vier Energiestationen begannen ihre Arbeit. Ein roter Strahl zog sich langsam von Station zu Station, bis das Portal gänzlich einen roten Kreis gezogen hatte.

»Über Hunderttausende von Anor waren wir nur von Gnaden dieser Wesen Herr in unserer eigenen Galaxis«, sprach Aurec über Interkom zu den Männern und Frauen der an Bord der Raumschiffe. »Rodrom hat mit dem Mord an meiner Familie und dem Putschversuch durch Dolphus bewiesen, dass wir diesem Status Quo nicht trauen dürfen. Wir müssen beenden, was unsere Ahnen begonnen haben. Heute kämpfen wir wahrlich um die Freiheit Saggittors!«

Die Offiziere und Techniker in der Kommandozentrale der SAGRITON stampften zustimmend mit den Füßen auf. Aurec atmete tief durch, dann erteilte er den Befehl durch das Sternenportal zu fliegen.