3.
Wo ist die LONDON?

17. November 1285 NGZ

Stewart Landry war froh, dass er durch die Kabine gehen konnte. Nach den langen Tagen im Container kam ihm das Quartier neben der Kommandozentrale des CERES-Kreuzers nicht wie ein Gefängnis vor, auch wenn vor der Tür der umweltangepasste Terraner stand.

Viel hatte Landry über die Mordred nicht in Erfahrung gebracht. Sie war auf jeden Fall der Drahtzieher der Entführung und plante die Vernichtung der LONDON. Offiziell sollte wohl den Kindern der Materiequelle die Schuld in die Schuhe geschoben werden. Im Gegensatz zu einer Terrororganisation mit einer »Message«, wollte die Mordred verborgen bleiben. Gerade diese Einstellung machte sie gefährlich. Offenbar war der ganze Verein militärisch strukturiert, da Kaljul Hussein del Gonzales sich als Oberst bezeichnete. Die ganze Organisation schien äußerst effizient zu sein, was noch dadurch unterstrichen wurde, dass sie sogar über einen Schlachtkreuzer verfügten.

Die Motive der Mordred lagen dagegen völlig im Dunkeln. Das Gespräch mit diesem Oberst Kaljul Hussein del Gonzales hatte Landry keinerlei tiefgreifende Erkenntnisse gebracht.

Der CERES-Kreuzer fiel wieder aus dem Hyperraum. Landry erkannte einen Planeten in unmittelbarer Nähe. War dort die LONDON?

Mit bloßem Auge war sie jedenfalls nicht zu erkennen. Vielleicht befand sie sich auch in der abgewendeten Seite des Gestirns.

Die Tür glitt zur Seite. Oberst Kaljul Hussein del Gonzales stand an der Türschwelle mit gezücktem Strahler. Sein Ausdruck war ernst. Landry konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

»Wo ist die LONDON«, knurrte der Mordred-Kommandant.

Landry zuckte unschuldig mit den Schultern.

»Woher soll ich das wissen?«

Er sagte sogar die Wahrheit. Es war unwahrscheinlich, dass die FREYJA und die NORTH CAROLINA so schnell die LONDON in Sicherheit gebracht haben konnten, zumal er ihnen die Instruktion gegeben hatte, lieber das Mordred-Raumschiff zu stellen. Und wo waren die beiden Raumer eigentlich?

»Wenn Sie nichts wissen, sind Sie unnütz«, sagte der Oberst und zielte auf Landry. In diesem Moment riss Gonzales Arm nach oben. Ein Schuss löste sich. Dann wurde er nach hinten geschleudert und warf seine zwei Männer dabei um. Der grobe Hüne rannte in den Raum, doch weit kam er nicht. Er flog an die Decke. Immer wieder und wieder hämmerte sein Kopf gegen die Stahldecke, dann fiel er bewusstlos zu Boden.

Energiestrahlen zuckten durch die Kommandozentrale. Plötzlich stand Gucky neben Landry, fasste ihn am Arm und schon waren sie auf einer anderen Etage.

»Ein wenig zu viel«, stöhnte Gucky. Dieser Stress ist nicht gut für mein weiches, seidiges Fell.«

Landry fühlte mit drei Fingern, ob Gucky in Bezug auf seinen Pelz richtig lag. Doch, der Mausbiber hatte dringend eine Fellpflege nötig.

»Was machen wir jetzt?«, wollte Landry wissen.

»Nun, die LONDON ist nicht in diesem Sonnensystem. Ich empfange hier keinerlei Gedanken von intelligentem Leben. Dimytran ist ziemlich schockiert und dieser Mordred-Fatzke macht ihn gerade zur Schnecke und schickt einen Suchtrupp los.«

»Der wird uns bei deinen begnadeten telepathischen Fähigkeiten wohl kaum zur Gefahr werden.«

Gucky grinste breit. Sie setzten sich in Bewegung, um nach einem besseren Versteck zu suchen. Gucky blieb plötzlich stehen.

»Schon die Puste ausgegangen?«

Der Ilt winkte ab.

»Die NORTH CAROLINA und FREYJA sind gerade im System angekommen. Der Mordred-Oberst ist wütend und … erschießt gerade die Crew des CERES-Kreuzers.«

Gucky drückte Landry einen Strahler in die Hand. Dann packte er ihn und sie teleportierten in die Zentrale. Doch es war zu spät. Die Crewmitglieder inklusive Dimytran waren tot. Die Mordred-Soldaten waren durch den Transmitter auf die FROSER METSCHO gegangen.

Landry versuchte den CERES-Kreuzer unter Kontrolle zu bringen.

»Da blinkt was rot«, sagte Gucky und deutete auf das Display.

»Ach, das ist nur der Hinweis, dass die FROSER METSCHO ihre Waffen auf uns in Kürze abfeuert.«

Landry sendete einen Funkspruch an die NORTH CAROLINA und FREYJA. Gucky reagierte ohne dass es einer Kommunikation bedurfte. Er teleportierte Landry und sich auf die FREYJA. Als nächstes blickte der TLD-Agent in das Gesicht des Arkoniden Atlan.

»Könnt ihr mir sagen, wo ihr die LONDON versteckt habt?«

Gucky und Landry blickten sich fragend an. Dann meldete der Kommandant Xavier Jeamour die Vernichtung des CERES-Kreuzers.

Gucky und Landry erklärten dem verdutzten Atlan die Situation. Landry berichtete von der Mordred, die offenbar hinter der Entführung steckte. Jeamour stellte die Verbindung zur NORTH CAROLINA her.

»Wir bringen dieses Raumschiff auf, bevor die fliehen können«, entschied Atlan.

Jeamour und der Henry Portland koordinierten einen Angriff auf die FROSER METSCHO. Wenige Momente später eröffneten beide Raumschiffe das Feuer auf den Mordred-Raumer. Sie konzentrierten sich zuerst auf den Schutzschirm. Sobald dieser Strukturlücken aufwies, sollte der Antrieb beschossen werden, um einen Eintritt in den Hyperraum zu verhindern.

Atlan nahm während des Feuers Kontakt zur FROSER METSCHO auf. Es dauerte einige Sekunden, dann endlich wurde der visuelle Kontakt hergestellt. Oberst del Gonzales wirkte gefasst, diszipliniert.

»Ich bin Atlan. Kapituliere sofort.«

Es war keine Zeit für Diplomatie. Jeder wusste, dass sie auf gegnerischer Seite standen. Atlan benötigte keinen Dialog, da er den Aussagen von Stewart Landry und Gucky ganz offensichtlich Glauben schenkte. Landry fragte sich nur, wo sich die LONDON befand? Möglicherweise war die Entführung missglückt. Doch wieso hatte die LONDON dann keinen Kontakt in Andromeda aufgenommen? Die Alternative hieß, dass die LONDON vielleicht vernichtet wurde.

»Dreckiger Verräter an der Menschheit«, antwortete Oberst del Gonzales.

Atlan erwiderte nichts.

Oberst del Gonzales nahm einen Strahler, hielt ihn sich an die Schläfe und drückte ab. Dann erlosch das Bild.

»Das feindliche Raumschiff implodiert«, meldete Xavier Jeamour erstaunt.

Die Crew des Mordred-Raumschiffes hatte den Freitod vorgezogen. Die FROSER MATSCHO verging in einem Feuerball, dessen Reste als nachglühende Plasmawolke langsam im freien Raum verwehten. Landry überraschte dieser besessene Fanatismus. Das waren keine gewöhnlichen Kriminellen, sondern eine ideologisch geprägte Organisation. Del Gonzales hatte Atlan als Menschheitsverräter bezeichnet. Offensichtlich waren die unbekannten Drahtzieher, die wohl hinter der Mordred standen, mit der auf Ausgleich gerichteten Politik der Unsterblichen, nicht einverstanden.

Atlan seufzte und rief Jeamour, Gucky und Landry in den Besprechungsraum neben der Kommandozentrale. Via Interkom wurde auch der LFT-Kommandant Henry Portland zugeschaltet.

»Die LONDON sollte nach Plan der Entführer in diesem System warten. Doch sie ist nicht da. Das bedeutet, dass etwas während der Entführung durch die Kinder der Materiequelle zwischen Andromeda und diesen Koordinaten schief gelaufen ist«, rekapitulierte der Arkonide.

»Somit bleibt uns nur eine ausgedehnte Suche. Wir sollten einen Kreuzer zurück zur Milchstraße schicken, um Verstärkung anzufordern«, meinte der Terraner Portland.

Atlan stimmte dem zu. Mit zwei Raumschiffen konnten sie ewig nach der LONDON suchen.

Atlan und Gucky waren betrübt. Sie dachten sicherlich an Perry Rhodan. Niemand wollte sich die Möglichkeit eingestehen, dass die LONDON vernichtet wurde. Landry ebenso wenig. Vielleicht musste sie irgendwo notlanden oder der Hyperfunk war ausgefallen. Was auch immer der Grund war, die Suche nach der Stecknadel in der Lokalen Gruppe hatte begonnen.